Baden verboten!
Es war in den Sommerferien. Paul, ein Junge von zwölf Jahren war wieder einmal bei seiner Oma zu Besuch, die in einem ganz kleinen Ort wohnte. Obwohl man dort kaum etwas Aufregendes erleben konnte, war er gerne bei ihr, denn sie wusste immer spannende Geschichten zu erzählen.
Eine Frage, brannte ihn besonders auf den Nägeln.
„Oma, du bist doch schon alt und weißt so viel. Warum stehen am See im Walde so viele Schilder mit der Aufschrift, Baden verboten?“
„Weißt du mein Lieber, dass kann ich dir genau erzählen. Höre mir bitte aufmerksam zu.
Dann wirst du wissen, was sich dort im See zugetragen hat.
Damals, es war an einem heißen Sommertag, so erzählte sie, sollte ein Bube gerade einmal sechs Jahre alt, in den See gesprungen sein.
Seine Sachen hatte er vorher ordentlich an den Rand des Sees gelegt und mit einem Stein beschwert.
Das Wasser muss angenehm gewesen sein, denn dieser Bube schwamm dort einige Runden im See. Plötzlich geriet er in Panik. Er ruderte wie wild mit seinen Armen und schrie um Hilfe. Was war das? Eilig schwamm er in Richtung Ufer. „Hilfe, Hilfe“, schrie er unentwegt. Nur noch ein paar Meter bis zum Ufer, hätte er noch schwimmen müssen, doch er erreichte es nicht, er versank so schnell, als ob ihm jemand in die Tiefe gezogen hätte. Keiner am Ufer kam ihm zu Hilfe und so musste der Bube jämmerlich ertrinken.
Alles was von ihm blieb, waren seine Sachen. Tagelang suchte man nach ihm, doch er blieb verschwunden.
Genau ein Jahr später darauf verschwand auf unerklärliche Weise wiederum ein Bube, den niemand helfen konnte, in diesem See. Auch der wurde nie wieder gefunden.
Das konnte doch kein Zufall sein.
Sogar ein Hund, der durch das Wasser schwamm, war plötzlich verschwunden.
War da doch ein unheimliches Geschöpf im Wasser?
Die Leute erzählten sich daraufhin die merkwürdigsten Geschichten. Die meisten von ihnen waren der Meinung, dass der See verwunschen sei.
Andere erzählten sich, dass im See bestimmt eine Nixe wohnt, die sich ein männliches Wesen zu sich nach unten holen wollte, um nicht mehr alleine im See wohnen zu müssen.
Da bis heute nicht Einer das Rätsel des Sees aufklären konnte, stellte man eben diese Schilder auf. Sie sollen allen als Warnung dienen.“
„Aber Oma, das ist doch ein Märchen, Nixen gibt es doch gar nicht, oder glaubst du daran?“
„Ach, Paul, man kann ja nie wissen.“
Noch im Bett beschäftigte sich Paul dieser Geschichte. Er konnte lange nicht einschlafen.
Am nächsten Tag lief er hin zum See. Kein Mensch war weit und breit zu sehen.
Vielleicht ist doch etwas dran an der Geschichte, dachte er sich und ging grübelnd zurück.
Die nächsten Ferientage verbrachte Paul gemeinsam mit einem Jungen aus der Nachbarschaft.
Fritz war sein Name und schon dreizehn. Auch Fritz war hier bei seinen Großeltern zu Besuch. Die Beiden Jungs verstanden sich von Anfang an sehr gut, denn andere Kinder in ihrem Alter gab es hier nicht im Ort.
Paul wollte unbedingt von Fritz wissen, was der über den See so alles wusste.
Fritz erzählte die Geschichte ähnlich wie er sie schon durch seine Oma kannte.
Irgendetwas könnte doch wahr sein, an der Geschichte. Paul war sich nicht mehr sicher, ob es
sich nun um ein Märchen handelte oder nicht.
Die Ferien gingen ihren Ende zu. Paul musste wieder nach Hause. Doch diese Geschichte ließ ihm immer noch nicht in Ruhe. Immer wieder dachte er an das, was ihm seine Oma und auch Fritz über den See erzählt hatten.
Ein halbes Jahr später wurde Pauls Oma plötzlich sehr krank.
Sie musste für eine ganz lange Zeit ins Krankenhaus und kam anschließend in ein Pflegeheim.
Pauls Eltern verkauften daraufhin ihr Haus, weil es die Oma so wollte.
Paul war darüber sehr traurig, denn er wusste, dass er nun seine Oma nur noch im Pflegeheim besuchen konnte. Auch seinen Freund Fritz und den sagenhaften See im Wald, des kleinen Ortes, würde er wohl nie wieder sehen. Ja dieser See, mit seinem Geheimnis, lies Paul nie mehr los.
Die Jahre vergingen. Paul war zu einem jungen, hübschen Mann heran gewachsen.
Dann kam der Tag, ein herrlicher Sommertag, an dem er beschloss zu dem See zu fahren, der sich bei ihm so im Kopf festgesetzt hatte, um das Geheimnis endlich zu lüften. Mit seinem Auto war er auch bald dort.
Die Schilder „Baden verboten!“ standen immer noch da, es waren sogar ganz neue aufgestellt worden.
Paul schüttelte seinen Kopf. „Das kann doch nicht wahr sein“, dachte er. „Baden ist hier an diesen wunderbaren See immer noch verboten. Warum nur? Ich verstehe das nicht. Hat sich denn hier noch kein Mensch heran getraut, dieses Rätsel zu lösen? Ich werde der Sache auf den Grund gehen. Ich finde heraus was mit diesem See los ist.“
Schnell hatte er sich ausgezogen und sprang in das Wasser hinein.
„Lass das Junge, komm schnell wieder raus. Dieser See ist verwunschen“, rief ein alter Mann ihm zu.
Paul winkte dem Alten und zog seine Runden. Er fühlte sich wohl in dem angenehm warmen Wasser. Nach einigen Minuten stieg er wieder ans Ufer und sonnte sich.
Der Alte schüttelte seinen Kopf und sagte zu Paul: „Wie kann man nur so unvernünftig sein?“
„Was soll mir schon passieren? Ich kenne die Geschichte vom See, meine Oma hat sie mir vor Jahren erzählt. Ich glaube nicht an das Märchen, das hier über eine Nixe erzählt wird.“
Der Alte brummte etwas in seinen Bart, dass Paul nicht verstehen konnte und ging langsam seines Weges.
„Ich werde noch ein paar Runden schwimmen, ehe ich mich wieder auf den Heimweg mache“, sagte Paul zu sich selbst und sprang noch einmal in den See hinein. Das Wasser war ihm so angenehm auf der Haut. Gemütlich schwamm er in Richtung gegenüberliegendes Ufer, da spürte er etwas an seinem Bein. Paul hatte das Gefühl, dass irgendetwas sein Bein packen wollte. Er tauchte unter um zu sehen, was das sein könnte. Er sah nur schemenhaft einen großen Körper vermutlich mit einer Flosse, der sich von ihm schnell fortbewegte. Gleich erschien in seinem Kopf die Nixe, von der hier jeder erzählte.
„Aber Nixen gibt es ja nicht, die existieren doch nur im Märchen. Das musste etwas anderes gewesen sein. Aber was?“
Nach diesem Erlebnis fuhr er wieder nach Hause.
„Was war das nur?“ Sein Gehirn arbeitete. „Ich muss es unbedingt wissen. Und mein Wunsch ist es, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen.“
So vergingen einige Tage. Paul hatte sich inzwischen bei einem Tauchkurs angemeldet und den Tauchschein gemacht. Mit einem Freund wollte er dann zum See, um das Geheimnis aufzuklären.
Es wurde immer wärmer. Der Tag an dem die beiden Jungen ertrunken waren, war gekommen.
Gemeinsam mit seinem Freund, fuhr Paul dann zum See.
Hier legten sie ihre Tauchausrüstung an und begannen mit der Suche nach dem Unbekannten.
Paul schwamm wieder Richtung gegenüberliegendes Ufer. Sein Freund folgte ihm in einem größeren Abstand. Fast an der gleichen Stelle spürte Paul wieder ein Zupacken nach seinem Bein. Er ließ sich langsam in die Tiefe ziehen. Sein Freund sah alles. Er tauchte ab und kam Paul zu Hilfe. Beide sahen wie ein großer Schatten in einer Höhle unter Wasser verschwand. Also hier musste die „Nixe“ ihr Versteck haben, sie lachten.
Am nächsten Tag waren die Beiden wieder am See. Dieses Mal mit einer stabilen Angel ausgerüstet. Mit einem Boot fuhren sie dann unmittelbar vor die Unterwasserhöhle. Dort legten sie einen großen Klumpen Fleisch als Köder aus und warteten.
Eine Stunde, zwei Stunden, nichts geschah. Sie wollten schon aufgeben, da plötzlich ein Ruck. Irgendjemand musste sich den Köder geschnappt haben, doch wer war das? Paul versuchte die Angelschnur aufzurollen. Doch es gelang ihm nicht. Am anderen Ende zog jemand mit voller Kraft den Kahn über den ganzen See. Immer und immer wieder versuchte Paul das Aufrollen der Schnur und musste sie wieder und wieder abspulen lassen. Er konnte bald nicht mehr, denn seine Kraft war fast aufgebraucht. Nun nahm sein Freund die Angel in die Hand. Er erreichte allmählich, dass der Widerstand immer geringer wurde. Mit vereinten Kräften gelang es den beiden Freunden dann doch noch das unbekannte Wesen an den Kahn heran zu ziehen. Wie staunten Beide als sie sahen, was da ihnen an den Haken gegangen war.
„Da sieh nur Paul, deine Nixe von der du mir erzählt hast, ist ein riesengroßer Wels. So ein Riesenexemplar hat bestimmt noch keiner gesehen, und das hier in dem See. Der muss ja schon viele Jahre auf seinem Buckel haben und wir haben ihn gemeinsam zur Strecke gebracht. Petri Heil, Paul.“ „Petri Dank, Ralf.“
Schnell machte dieser Fang im Ort die Runde. Alle kamen zum See um das Ungeheuer zu sehen. Auch der Alte war wieder dabei. „Nein, das gibt es doch nicht. Das so etwas Großes in unserem See gelebt, das hat kann ich nicht glauben.“
Die anderen Leute klatschten Beifall und ließen die Zwei hochleben.
Noch am gleichen Tag wurden die Schilder „Baden verboten!“ abmontiert.
Jeder der nun wollte sprang in das Wasser und war froh, dass der Spuk nun ein Ende hatte.
Texte:
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Tag der Veröffentlichung: 05.05.2010
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