Cover

Titel

Du liebst mich, oder doch nicht?

Wie Frauen mit beziehungsängstlichen Partnern wirklich umgehen sollten

Janett Menzel

Über die Autorin

Über Janett Menzel

Janett Menzel lebt und arbeitet als Mentorin, Autorin und Fachjournalistin in Berlin. Sie ist Initiatorin der Website ich-habe-auch-angst.de.

Ebenfalls von ihr erschienen:

»Über die Kunst, allein zu sein«, 2017

»Heimliche Liebe«, 2017

»Ein Zuhause für meine Ideen«, 2017

»111 Wege aus der Angst«, 2018

»Mein neues Leben ohne Angst«, 2020

Impressum

Copyright © 2017 Janett Menzel

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN: 198163245X

ISBN-13: 978-1981632459

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk und Fernsehen sowie sonstige Kommunikationsmittel oder vertonte Wiedergaben und auszugsweise Nachdrucke sind vorbehalten.

Bonus

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Mit Zugang zur exklusiven Facebook - Gruppe für Beziehungsängstliche und Partnerinnen beziehungsängstlicher Menschen

*

Alle Beispiele Betroffener wurden anonymisiert und aufgrund der Wahrung ihrer Interessen streckenweise verschleiert. Etwaige Ähnlichkeiten zu Ihnen oder Ihnen bekannten Menschen sind reiner Zufall.

Dieses Buch ersetzt keine therapeutische Behandlung und/oder psychologischen Rat. Für Schaden wird keine Haftung übernommen.


Danksagung

Danksagung

Ich danke allen Menschen, die mir offen ihre Geschichten erzählt haben, aus denen ich Rückschlüsse und wertvolle Inhalte für dieses Buch ziehen konnte.

Ich danke den Männern und Frauen der Vergangenheit und Gegenwart, die mir meine eigenen Ängste durch ihre Ängste zeigten, sie greifbar machten und mich dazu animierten, sie verstehen und überwinden zu wollen.

Es ist in Ordnung, dass wir nicht ausreichten. Ich weiß, wir haben alle unser Bestes gegeben.

Was Sie vor dem Lesen wissen sollten

Was Sie vor dem Lesen wissen sollten - Ein Überblick

»Der Mensch hat dreierlei Wege klug zu handeln:
durch Nachdenken ist der edelste, durch Nachahmen der einfachste, durch Erfahrung der bitterste.«

Konfuzius

Ich spreche in dem gesamten Buch aus der Perspektive eines ehemaligen und zeitweise noch immer beziehungsängstlichen Menschen. Deshalb unterteilt sich dieses Buch in zwei Bereiche: die Angst Ihres Herzenspartners und Ihre, die vielleicht bereits da war oder durch die Angst des anderen ausgelöst wurde.

Ich beschäftige mich mit dem »Problem Beziehungsangst«, oft auch als Nähe-Distanz-Problematik oder Beziehungsunfähigkeit bezeichnet, seit vielen Jahren. Ich durfte darauf aufmerksam werden, weil ich selbst bindungsängstliche Partner hatte, die mir den Spiegel vorhielten. Ich wuchs bei einer Mutter auf, die ähnliche Erziehungsstrukturen, die diese Angst ausbildet, erlebte. So lernte ich weder emotionale Stabilität (Beständigkeit) noch wie eine gesunde Beziehung gelebt wird. Wer keine Beständigkeit gelernt hat, weiß oft nicht, wie er mit beständigen Gefühlen umgehen soll. Einige glauben dem Partner dann seine Liebesgefühle nicht, andere fühlen sich erst gar nicht zu ihm hingezogen, weil sie Kampf und Chaos gewöhnt sind und das Gehirn unbewusst nach dem Bekannten sucht. Beständigkeit ist neu und beängstigend für das Hirn. Lässt man sich dennoch darauf ein, langweilt es nach einer Weile häufig und erscheint Menschen wie mir, als gäbe es keine belebende Energie mehr in der Partnerschaft. Oder wir glauben, dass durch die alltäglichen Aufgaben auch die früher so große Liebe vermeintlich verschwunden sei - als bräuchte es nur wieder etwas Aufregendes, um die Liebe sprudeln zu lassen.

»Etwas Aufregendes« bedeutet für viele »Aufregung«. Wir sind unstete oder gar keine Emotionen gewöhnt. Oder wir kennen nur extreme Gefühlsbekundungen, die wieder abebben oder mit Beweisen unsererseits »heraufbeschworen« werden müssen. Wir initiieren daher Dramen und Krisen, um diese Unbeständigkeit - das, was wir kennen -, erneut zu uns zu ziehen, weil wir uns in diesem bekannten Milieu gut orientieren können. Kommt nun Alltag ins Leben, so läuft die Beziehung »nebenbei», wird »normal«. Sie gewinnt an Routine aka Monotonie und emotionale Sicherheit kann bei vielen von uns schnell zu einem Synonym für Beständigkeit werden. Was sich richtig und gesund für Sie anfühlt, kann für beziehungsängstliche oder bindungsunsichere Personen dann gegensätzlich erlebt werden. Was wir gewohnt sind, hat keinen Nährboden mehr - denn die Unsicherheit, all die Dramen, Streitigkeiten, Ablehnung, Angst, Bestätigung der eigenen Glaubensmuster, Distanz und plötzliche intensive Nähe (On-Off-Dynamik) fehlen. Es ist das, was wir als »Liebe« gelernt haben. Zumindest gehören die einen oder anderen Mechanismen dazu. Fehlen sie, kann es keine Liebe sein. Selbst wenn sich Menschen wie Sie unserer Definition von »Liebe« und »Beziehung« fügen, glauben viele von uns, dass das nicht stimmen kann, unterstellen entweder Falschheit, oder dass Sie uns sowieso verlassen werden.

Statt sich an den Früchten zu erfreuen, die das Land, das Sie bestellt haben, erbringen könnte, verlieren viele ihr Interesse, ihre Motivation oder gar Gefühle. Es ist nicht die Beständigkeit, nicht der Halt, der uns Beziehungen führen lässt. Es ist das Gefühl, so geliebt zu werden und willkommen zu sein, wie wir sind - ohne drohenden Verlust, Einschränkungen/Übergriffigkeit Ihrerseits oder Anpassungen unsererseits -, obwohl wir oft nicht glauben, dass das möglich ist. Immer wieder scheint es, als würde es weder ehrliche Liebe noch langfristige Beziehung(-sfähigkeit) für uns geben. Für Sie ja, aber nicht für uns.

Wir suchen in Beziehungen nach einem Gefühl aus früheren Beziehungen, meistens die ersten zu unseren Bezugspersonen oder vorherige Liebeserfahrungen. Wir vermissen sie. Diese früheren Verbindungen aber waren tückisch. Sie verletzten uns und wir mussten schnell lernen, dass wir tun und lassen können, was wir wollen: Wir werden sehr wahrscheinlich nie ausreichen. Oder irgendetwas stimmt nicht mit uns.

So lernten wir, uns mit den Gegebenheiten auf unsere Weise zu arrangieren - um Halt und Sicherheit in uns zu bewahren, um nicht auseinanderzufallen oder (erneut) zu leiden. Jeder fand seine eigenen Mechanismen, die Angst abzuwehren und mit der Traurigkeit, die die fehlende Liebe auslöste, umzugehen: die eine Liebe, die wir verdient hatten, ganz egal, was im Leben der Eltern geschah, gleich, ob wir etwas falsch, richtig, gut oder nicht taten. Diese Arrangements mit dem Leben trifft jeder zu seinem Schutz. Sie haben vielleicht gelernt, ruhig und rücksichtsvoll mit einer Person wie uns umzugehen, denjenigen nicht zu bedrängen, nicht zu viel zu erwarten, nicht zu stören, nicht nachzuhaken oder sich nicht von sich aus zu melden, sondern geduldig zu warten.

Viele von uns lernten die Situation positiv zu betrachten: Sie gab uns Freiraum, den wir erst schätzen lernen mussten - und anfangs hassten. Es gab uns das Gefühl, dass nichts umsonst wäre, es einen Grund und Sinn für all das gäbe. Das können zum Beispiel wir selbst sein, weil es uns nicht hätte geben sollen, oder dass man Frauen und/oder Männern nicht trauen dürfte, Liebe nicht halten würde und viele andere Glaubensmuster, die uns bis ins Erwachsenenalter beherrschen. Einige von uns lernten, dass sie nichts fordern dürften - jedenfalls weder zu offen noch zu ehrlich, sodass jemand uns etwas geben oder sich beweisen müsste. Wir waren es gewohnt, unsere Bedürfnisse für uns zu behalten. Wir wussten sie nicht zu kommunizieren. Zugehört hätte uns ohnehin niemand. Ernst genommen und wahrgenommen erst recht nicht.

Viele von uns übertreiben deshalb gern in allem, was sie tun und sagen: Wir haben uns geschworen, dass unsere früheren Erlebnisse sich nicht wiederholen werden. Heute sind wir älter und schlauer, meinen wir. Wir wissen heute Gefühle auszusparen, uns nicht zu verlieben, Schuld zuzuweisen und eigene Bedürfnisse einzufordern, uns zu trennen und den anderen zu steuern - und schämen uns einen Moment später für dieselbe missliche Verhaltensweise, die uns früher so sehr verletzte. Die meisten von uns verstehen nicht, dass sie weder eine gewaltfreie Kommunikation besitzen noch Trennungen bei Meinungsverschiedenheiten nötig sind. Sie ignorieren ihre Wunden und die Tatsache, dass es nicht Sie waren, die diese zugefügt haben. Sie missverstehen Güte. Sie ertragen selten, wenn sie ihren Willen nicht bekommen. Sie können nur schwer sehen, dass auch Sie nur ein Mensch sind - mit Ecken und Kanten, an denen man sich stoßen kann, wie auch sie ihre Ecken und Kanten haben, an denen Sie sich stoßen. Dass Sie Bedürfnisse haben, noch an die Liebe und Beziehungen glauben u. v. m. erscheint ihnen abstrus, als würden Sie Ihnen zurufen wollen: Verstehst du denn nicht, dass du falschliegst? Sie glauben es besser zu wissen als Sie - und irren sich in ihrem Glauben.

Andere wiederum vermeiden Beziehungen, um lediglich Schuld aus dem Weg zu gehen. Sie haben gelernt, dass sie sich nicht trennen dürften, weil sonst der andere traurig wäre und sie schuldig an dieser Traurigkeit. Dem Anderen ginge es dann wegen ihnen schlecht. Sie dürften niemanden im Stich lassen. Einige verschwinden deshalb einfach, haben Angst, sich Ihren Schuldzuweisungen stellen zu müssen: Das gerade aktuelle Wort dafür ist »Ghosting«.

Nur wer so richtig in Sachen Liebe die Nase voll hatte in seiner Kindheit oder frühen Jugend, der hat gelernt, dass man lieber gar nichts an Gefühl und Liebe offeriert.

Eine frühe Lektion war zum Beispiel, dass sie stets perfekt sein müssten, weil sie andernfalls verlassen werden würden - auch wenn sie wissen, dass sie nie für alle perfekt sein könnten. Sie haben es probiert und sind gescheitert. Die Angst, dass jemand sie mit ihrem wahren, unperfekten Gesicht erkennen könnte, wenn sie ihn nah genug an sich heranließen, ist daher immanent und groß. Deshalb verstecken sie ihre Schattenseiten oft so lange wie nötig: durch heimliche Affären, bei denen sie sein können, wer sie wirklich sind, On-Off-Beziehungen, in denen sie durch das Herstellen der Distanz wieder zu sich finden, oder in der Isolation und Einsamkeit, sodass sie niemand erreicht. Von ihnen höre ich oft: »Ich bin beschädigt. Erwarte nichts von mir. Das ist es, was ich bin. Wenn dir das nicht reicht, gehören wir nicht zusammen.« (Übersetzt heißt das: »Bleibst du trotzdem bei mir, sei nicht böse, wenn ich dich verletze - und ich werde dich verletzen. Ich habe dir von vornherein gesagt, dass ich in Sachen Liebe nichts tauge.«)

Ich denke nicht, dass Beziehungsangst ein emotionales Störungsbild im Sinne einer »Krankheit« ist. Meist ist es unsere Angst, nicht gesehen, vergessen und nicht geliebt zu werden - als Endinterpretation aller bisheriger Liebeserfahrungen. Beziehungsängstliche (ab jetzt mit BÄ abgekürzt) haben sehr oft eine Menge versucht, um sich der Liebe würdig zu erweisen, sich zu beweisen und zu verbiegen. Irgendwann ging nichts mehr. Dieser Punkt bezeichnete den Start aller Katastrophen - für andere und für sie.

Einige BÄ investieren ihre Energie und Zeit daher statt in die Liebe in den Beruf, Tiere, Hobbys, Sport und in Freundschaften, wo Kontrolle möglich ist; andere leben das, »was sie können«, haben oberflächliche Affären oder One-Night-Stands. Wiederum andere probieren sich noch aus, schauen, welche Richtung sie einschlagen, aber landen oft entweder in Therapien, weil sie selbst keinen Weg sehen, oder in Schuld, die sie anderen geben. Es erlaubt ihnen den Glauben, sie würden selbst nichts falsch machen.

Tatsächlich glauben sie, ihr Benehmen sei gut gemeint. Sie denken mehr an sich als an andere. Der Grund ist dieser: Sie haben früher viel zu oft an andere gedacht. Andere haben zu wenig an sie gedacht. Dieses Verhalten haben sie sich abgeschaut, es als »richtig« und »so macht man das« gelernt. Darin liegt der Hund begraben. Viele von uns wissen das. Und doch glauben sie aufgrund ihrer Erfahrungen, dass sie jede neue Situation und jeden neuen Menschen haargenau einzuschätzen wüssten, sie kleine und große Meister im Durchschauen der wahren Motive der Menschen wären. Einige von uns sind weniger treffsicher und unterstellen ihren Partnern sodann Charaktereigenschaften, die sie nicht besitzen. Sie glauben, dass sie genau wüssten, was in der Zukunft geschehen würde. Menschen zu beobachten, sie zu analysieren und latente Bedrohungspotenziale rechtzeitig wahrzunehmen, ist nützlich zur Kontrolle ihrer Angst - und eine große Stärke. Wieso? Weil sie zur Genüge versucht haben, herauszufinden, wie sie Liebe gewinnen und behalten. Ganz ähnlich wie Sie vielleicht. Die Konsequenzen sehen Sie, wenn Sie Zeit mit uns verbringen.

Aber wir waren nicht immer so. Die meisten könnten noch heute loyale Menschen und Partner sein, wenn sie sich sicher fühlten. Sollten Sie dieses Buch nicht bis zum Ende lesen, weil es Sie zu sehr triggert oder es Ihnen missfällt, möchte ich Sie zusammenfassend folgendes wissen lassen:

  • Zu große Nähe und zu große Distanz sowie zu plötzliche Nähe und Distanz sind genauso kontraproduktiv im Umgang mit BÄ wie Forderungen und Erwartungshaltungen im Sinne einer garantierten Beziehung und Liebe. Wie kann Ihnen jemand diese Garantie geben, der nicht daran glaubt, weil er das Gegenteil gelernt hat?
  • Angst ist eine Sache des Gehirns. Man muss ihr entsprechend neurowissenschaftlich begegnen, um sie zu lösen. Angst ist ein biologischer Schutzmechanismus und dient nur einem Zweck: Gefahr abwehren. Angst zu behalten, statt sie zu überwinden, verleiht einen Nutzen. Man braucht sich zum Beispiel xyz nicht auszusetzen, wird nicht mit Schwierigem konfrontiert usw.
  • Es gibt nur eine außenstehende Antwort auf die Angst anderer. Diese ist: »Okay.«
  • Mit einem BÄ zusammenzubleiben bzw. den Kampf nicht aufzugeben, ist eine freiwillige und bewusste Entscheidung Ihrerseits. Die Konsequenzen werden Ihnen sehr wehtun. Dieser Kummer wird anhalten, bis Ihr Herzenspartner den Sinn in seiner Angst verloren hat (ohne es zu merken). Bemerkt er, dass Sie an seiner Angst arbeiten, wird er es abwehren. Er hält seine Angst für nützlich. Er weiß, dass Sie seine Angst für unnütz halten, sie Ihnen im Weg steht. Was Sie sich von ihm wünschen, bedeutet für ihn Gefahr. Ihr Interesse und sein Interesse sind also sehr wahrscheinlich verschieden. Begegnen Sie Situationen mit Vertrauen oder Bedacht, würde er anders handeln. Das wird zu Konflikten und ggf. Trennungen führen, da jeder auf sein Recht pocht.
  • Bleiben Sie mit ihm zusammen bzw. geben die Hoffnung nicht auf, ist das in seinen Augen ein (stilles oder ausgesprochenes) Einverständnis seiner Weltsicht oder zumindest seiner Auffassungen und Schwierigkeiten in Liebe und Partnerschaft. Ihn daher wiederholt zu kritisieren oder eine Änderung zu verlangen, könnte kontraproduktiv bleiben. (Sollten Sie an dieser Stelle denken, dass auch Sie dieses Verständnis von ihm abverlangen dürften: Ohne Zweifel. Nur meiner Erfahrung nach ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass er es Ihnen zugesteht.)
  • Gleich, was Sie tun, um sich und Ihrer Beziehung zu helfen: Jeder Schritt kann Angst in Ihrem Herzenspartner auslösen. Jede Neuerfahrung der Angst kann ihn dazu bringen, sich zurückzuziehen. Der Wahrscheinlichkeit nach wird er wiederkommen. Er braucht Sie. Achten Sie deshalb während des gesamten Prozesses darauf, was er tut und wie er reagiert. Hören Sie genau hin, was er sagt, was er kann und was nicht. Handeln Sie entsprechend, wenn Sie können.
  • Was er nicht kann, meint er. Das heißt nicht, dass sein jetziges Unvermögen bestehen bliebe.
  • Angst ändert sich am leichtesten durch die Erfahrung, dass sie nicht mehr auftaucht. Wird seine Angst weniger getriggert, umso eher bleibt sie fern. Wir bemerken die Abwesenheit der Angst nur in unserer Erinnerung, aber selbst diese wird verblassen. Es haben sich sodann neue neuronale Verbindungen im Gehirn geschaffen. Das Gehirn braucht laut Rick Hanson fünf positive Wiederholungen dafür. Als Zeitspannen lassen sich 30 bis 60 Tage nennen, um dem Gedächtnis ein Schnippchen zu schlagen. Das ist eine absehbare Zeit, falls Sie noch genug Kraft haben.
  • Meiner Erfahrung nach wirkt diese Verhaltensweise für Menschen wie Sie am ehesten: Je weniger emotional und subjektiv Sie sind, desto erfolgsversprechender kann die Kommunikation und Beziehung werden. Je neutraler Ihr Verhalten in Erwartungs- und Konfliktsituationen, umso besser. (siehe Teil 3)
  • Verzweiflung, Brauchen und Langeweile, Sehnsucht, Lust und Impulse bleiben berechtigt, aber höchstwahrscheinlich unerwidert, wenn Ihr Herzenspartner das Gefühl bekommt, dass er dafür »herhalten« muss.
  • Bitte lesen Sie den 3. Teil für verschiedene Ansätze in der Kommunikation.
  • Bitte machen Sie sich bewusst, dass Sie in dieser Beziehung Narben erfahren werden. Am Ende des Tages sind Sie selbst dafür verantwortlich, sich um diese zu kümmern, sollte sich Ihr Herzenspartner weiterhin weigern.
  • Im 2. Teil bespreche ich Ihre Ängste. Wir alle fürchten irgendetwas: den Tod, Krankheiten, Unberechenbares, Menschenmengen, Alleinsein, zu viel Aufmerksamkeit/keine Aufmerksamkeit, Ausgeschlossensein, Versagen, Verlust, Höhe, tiefe dunkle Gewässer, was andere von einem denken usw. Ihre Ängste - so wie seine - wirken sich auf Ihre Beziehung auf. Sie sind auch nur ein Mensch mit eigenen Erfahrungen, Glaubensmustern und Wünschen für Ihre Zukunft. Jeder hat diesen einen wunden Punkt - oder er wird Ihnen gerade jetzt zugefügt. Zeigen Sie sich auch hier selbstverantwortlich und bleiben Sie gut zu sich. Spenden Sie sich notfalls allein Liebe und Wärme oder umgeben Sie sich mit Freunden/Familienmitglieder, die Ihnen guttun.
  • Sollte sich Ihr Herzenspartner weigern, an sich zu arbeiten oder Ihnen entgegenzukommen, wird es nichts geben, was Sie tun können, um das zu ändern.

Noch zwei Hinweise: An den negativen Rezensionen dieses Buches konnten Sie sehen, dass es großes Potenzial hat, zu triggern. Anderen ist »nur« meine Herangehensweise unlieb. Ich hoffe, sie haben anderenorts Wege für sich und ihre Situation gefunden. Nicht jeder kann eine Hilfe sein.

Ich möchte, dass Sie wissen, dass es nicht meine Absicht ist, Sie zu verletzen, so hart manche meiner Aussagen auch wirken mögen. Ich bin mir sicher, dass Sie alles getan haben, was in Ihrer Macht steht, Sie es gut meinen und mit dem besten Gewissen Ihrer Beziehung dienlich sein möchten. Ich weiß, Sie sind nur ein Mensch, der sich eine liebevolle, gegenseitige Beziehung wünscht, dem aber die Angst des anderen im Weg steht. Auch Sie haben Ihre Grenzen. Manchmal können Sie geben, manchmal fehlt Ihnen die Kraft. Dessen bin ich mir bewusst. Sollte Ihnen das Buch streckenweise zu viel werden, legen Sie es beiseite und holen Sie es zu einer anderen Zeit wieder heraus. Ihr Gehirn vermag ebenso nur das, wozu es bereit ist - was für Sie keine Bedrohung darstellt. Das ist eine biologische Tatsache. Lassen Sie auch gern einzelne Strategien oder Abschnitte aus, wenn Sie nicht zu Ihrer Situation passen.

Dieses Buch dient drei Zielen: 1) Ihnen die Sichtweise dieser besonderen Angst näherzubringen, 2) an Ihr Selbstvermögen zu appellieren und darüber hinaus Dinge anders anzugehen, ggf. neue Wege zu finden, mehr für sich da zu sein oder sich gar zu trennen. 3) sich als Gegenpart zu seiner Angst zu verstehen. Ein Mensch wie ich (nach Therapie und vielen Jahren der Arbeit mit Menschen wie Ihnen oder Ihrem Partner) würde in Freundschaft und Frieden diese Beziehung beenden, da Liebe in meinen Augen weder alles rechtfertigt noch ausreicht, um langfristig derart zu leiden. Sie möchten bleiben. Das verstehe ich. Ich hoffe, Ihnen in diesem Buch Wege aufzeigen zu können, wie Ihnen das gelingen kann. Bitte schießen Sie nicht auf den Boten.

Zu guter Letzt: Dieses Buch wurde nach den aktuellen Duden-Empfehlungen verfasst, nach der Wörter wie »bewusstwerden« und »guttun« zusammengeschrieben werden, aber »falsch machen« und »wie viel« getrennt. Ich wähle zudem der Einfachheit halber ab dem Folgekapitel das »du« als Ansprache.

Vorwort

Vorwort

»Man muss durch schlechte Erfahrungen hindurchgehen

und nicht drumherum.«

Liza Minelli

Oft sind Menschen beim Vergeben von Stempeln, die in »gute« und »schlechte« Töpfe einordnen sollen, schnell. Das Wort Bindungsangst geistert durch alle Blogs und Websites. Nicht etwa, weil es heute mehr Menschen gäbe, die davon betroffen wären, sondern weil es eine Nische ist, mit der man Geld verdienen kann.

Einhergehend damit bieten viele Beziehungscoachings an, weil sie vermeintlich glauben zu wissen, was hilft. Sie kurieren nie die Beziehungsangst des BÄ. Sie präsentieren sich als Beziehungscoach, der den Leidenden helfen möchte), wenn sie den Mann oder die Frau ihres Lebens für sich gewinnen möchten. Deshalb möchte ich vorweg sagen: Du tust weder dir noch uns einen Gefallen, wenn du dich mit Manipulationsstrategien und rügen, teilweise sehr durchschaubaren Methoden an ein ängstliches Herz zu wagen versuchst. Wenige dieser Coaches verfolgen das Ziel, dass ihr zwei zusammenkommt, sondern dass sie Geld mit deiner Hoffnung verdienen. Nebenbei - das wäre das ideale Ziel - vermögen sie es hoffentlich, dir die Angst, die durch die Angst deines Partners entsteht, zu nehmen.

Ich schreibe dieses Buch nicht wegen des einen Euros Tantiemen pro Verkauf. Ich schreibe es, weil es mir wehtut, zu sehen, wie viele Frauen diesen Coaches ihr verletztes Herz ausschütten, wie vielen geraten wird, sich noch mehr zu bemühen, oder an den Haaren herbeigezogene Strategien umzusetzen, die den Mann überzeugen würden, seine Angst wäre unangebracht. Es tut mir weh, zu sehen, wie sehr sie selbst manipuliert werden.

Wenn du wissen möchtest, wessen Angst wen regiert, was deine Beziehung und dein Partner mit dir zu tun hat, dann lade ich dich auf den folgenden Seiten auf ein Picknick mit mir ein. Unsere Gespräche werden sehr ehrlich sein und es wird nicht darauf hinaus laufen, dass nur wir die »Schuld« bekommen. Schuld versuche ich im Laufenden gänzlich auszuklammern, auch wenn es mir sicher nicht immer gelingen wird. Ich werde dir auch leider keine Patentlösung, wie du den Menschen deines Herzens gewinnen kannst, bieten können. Ich kenne ihn nicht und dich ebenso wenig. Aber ich kann dir sagen, wie du es nicht schaffst. Ich möchte dir vor allem zeigen, was dieses Ereignis mit dir zu tun hat. Ich werde dir daher (m)ein System vorlegen, wie du (und der Mensch deiner Wahl) zusammen wachsen und zusammenwachsen könnt. Doch ich werde dir auch ehrlich aufzeigen, wann es besser ist, loszulassen.

Etwas möchte ich vorwegnehmen: Die Angst, die vor, in und nach Beziehungen vorhanden ist, alle bisher genannten Hindernisse, müssen nicht zwangsweise therapiert werden. Unsere Angst kann auch »nur« ein Signal dafür sein, dass wir noch nicht bereit sind (dann wären all deine Bemühungen nichtig) oder sich keine tiefen romantischen Gefühle für dich einstellen wollen (dann sind deine Bemühungen ebenso umsonst).

Vielleicht findest du dich in Interpretationstendenzen wieder. Sicher möchtest du herausfinden, wieso dein Partner nicht lieben kann/möchte oder wieso dir wieder jemand begegnet ist, der »der Falsche« ist, was du tun kannst, um ihn zu überzeugen usw. »Er hatte es nicht leicht in seiner letzten Beziehung«, »Er braucht nur etwas Zeit« sind Begründungen, die dich dann oft in eine innere Sackgasse führen dürften. Viele erleben deswegen Schlafprobleme oder eine latente innere Unruhe, zermartern sich den Kopf und haben große Schwierigkeiten, ihren Alltag zu meistern, weil diese Interpretationen und Lösungsgesuche an ihnen zehren. Es ist ein Hamsterrad, aus dem man schwer herausfindet. Diese Sackgasse zeigt in meinen Augen deutlich, dass die Arbeit bei dir selbst beginnen darf, zum Beispiel

  • wie du ruhigbleibst im Angesicht von Ablehnung oder geringer, verweigerter, zeitlich verschobener Zuneigung, Aufmerksamkeit und Zugehörigkeit
  • was dir Zuneigung, Aufmerksamkeit und Zugehörigkeit eigentlich bedeuten - meint: welche Bedeutung diese Motive in deinem Handeln besitzen
  • dass du eventuell die Tendenz besitzt, dich mit »Geringem« abzufinden, statt dich mit »gar nichts« auseinanderzusetzen (Lieber ein wenig Liebe als keine.)
  • dass es immer Menschen geben wird, denen du nicht helfen kannst bzw. die deine Hilfe (und Liebe) nicht wünschen
  • v. m.

Es sind die eigenen Gefühle, die man oft aushalten lernen muss. Tut man sich mit seinen eigenen Gefühlen schwer, dann auch mit denen anderer. Man erkennt nur das, was man selbst von sich kennt. Niemand wird kommen und einen heil machen. Den Partner so sicher wie möglich zu haben, will jeder Mensch. Jeder Mensch hat stückweise Angst davor, zu viel geben zu müssen und verletzt, nicht geliebt oder gar verlassen zu werden. Das alles trifft sehr sicher auf deinen Partner und dich zu. Nur habt ihr beide verschiedene Wege, damit umzugehen.

Leider nutzen wir unsere Angst oft als Schutzmaßnahme. Wir erlauben uns zu wenig, dass das Gegenteil von dem, was wir fürchten, geschehen darf. Sich selbst eine neue Chance zu geben, wäre ein wunderbarer Anfang für etwas, was schön und beiderseitig zufriedenstellend sein könnte. Was man natürlich nur herausfinden kann, wenn man es versucht und sich traut. Jetzt wirst du sicher denken:

Genau! Derjenige muss sich nur trauen und es nur mit mir versuchen!

BÄ zu verstehen, kann schwer sein, weil die Situation, aus der wir kommen, eine leidvolle und verzwickte war/ist. Wir wurden früher verletzt - meist mehr als nur einmal. Wir tragen eine Unmenge an Enttäuschung mit uns herum. Wir fühlen uns schuldig oder schämen uns. Ganz tief in uns drin sind wir unendlich traurig, dass es so kam und vermeintlich sein sollte. Nichts davon rechtfertigt unser verletzendes Verhalten.

Diesen Schmerz loszulassen, sollte der Weg raus aus der Angst sein. Normalerweise stellt ein Therapeut einem Beziehungsängstlichen daher solche oder ähnliche Fragen:

  • Ist der- oder diejenige tatsächlich wie der Mensch, bei dem Sie ursprünglich verletzt wurden?
  • Hat die Person geäußert, dass sie exakt dasselbe (schmerzhafte Ziel) verfolgt? (z. B. nur eine Affäre will, keine Kinder, nicht zusammenziehen oder viel Freiraum benötigt, Sie irgendwann verlassen wird usw.)
  • Woher nehmen Sie die Sicherheit, dass diese Person Sie verletzen wird?

Die Antwort des Verstandes würde Nein lauten. Die Stimme der Angst schiebt oft nach: »Aber ich glaube, dass ich schon jetzt Übereinstimmungen sehe.« Die ehrliche Herzensantwort wäre: »Liebe mich einfach so, wie ich bin. Verlasse mich nicht, auch wenn ich nicht immer das bin, was du dir wünschst.«

Zusätzlich gibt es die Gruppe, die sich ihrer Angst zwar bewusst ist, aber sie nicht handhaben kann. Diese würden in dem Fall hin und her gerissen reagieren, zwischen großer Angst, dass du dich abhängig machst von ihnen und ihrer ureigenen Angst, sie würden abhängig von dir werden. Beides ist in ihrem System mit dem Stempel »zerstörerisch« angelegt. So etwas soll und darf nicht sein. Während sie selbst nicht fliehen können, weil sie auch nur ein Mensch sind, der Liebe und Zuwendung, Geborgenheit und Anerkennung braucht, drängt sie ihr erlerntes System oft in Richtung Trennung: um den Worst Case zu vermeiden. Sie landen oft in On-Off-Beziehungen.

Eine andere Gruppe von Beziehungsängstlichen leidet zwar unter der Enge und dem Selbstverlust in Partnerschaften, aber hat größere Herausforderungen mit Einsamkeit und dem Aspekt, nicht gebraucht zu werden, zu nichts zunutze zu sein. Sie haben gelernt, dass sie große Kompromisse leisten müssten, allem voran bei sich, dass sie ihr wahres Gesicht verstecken müssten, um in einer vermeintlich liebevollen Umgebung Teil sein zu dürfen. Sie fürchten Beziehungen, aber sie fürchten noch mehr das Getrenntsein.

Die letzte Gruppe ist die größte Herausforderung: die, die nicht wissen, dass sie Angst haben. Sie klagen an, beschuldigen, trennen sich mit einem erhabenen Lächeln, verachten und spotten über deine Gefühle. Sie meinen, es läge an dir. Nicht an ihnen. An dir. Sie sind die, die am ehesten mit »Wenn du mich lieben würdest, dann ...«-Sätzen um sich werfen. Sie wollen weder mit dir oder jemand anderem über das, was ihnen geschehen ist, sprechen. Noch wollen sie herausfinden, was zu ihrem Verhalten führte. Sie wünschen sich die volle und ungeteilte Liebe und Zuwendung und können nur schwer akzeptieren, dass eine normale Beziehung so nicht funktioniert - oder dass Menschen wie du Einwände haben. Im Prinzip lagern sie ihre Angst aus, indem sie andere dafür verantwortlich machen und die Konsequenzen tragen lassen.

Bei dir liegt die Entscheidung: Du kannst bleiben oder gehen. Ob du dich verletzen lässt oder weiter bemühst, dich mit Krümeln abgibst, die man dir hinwirft, oder loslässt, entscheidest du. Nicht wir. Ich kann aus eigener Perspektive gut nachvollziehen, dass das Hadern zwischen dem einen und dem anderen Weg eine große Herausforderung ist. Oft empfinden besonders jene Menschen, die die beziehungsängstliche Person nicht (so wie die vorherigen) im Stich lassen wollen, die sie eben nicht (so wie die vorherigen) verletzen wollen, es am schwierigsten, genau den Schmerz, der von uns gefürchtet wird, zufügen zu müssen, um selbst gesund und zufrieden zu sein, zu werden oder zu bleiben.

Aber schauen wir uns zuerst seine Angst an.

Teil 1 - SEINE ANGST

TEIL I

SEINE ANGST

Allgemeines zu Beziehungsängsten

Allgemeines zu Beziehungsängsten

»Angst haben wir alle.

Der Unterschied liegt in der Frage wovor.«

Frank Thiess

Die Liebe macht vielen Menschen Angst: Entweder scheuen sie die Partnersuche, gehen eine Beziehung ein, die wegen des einen Partners von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, oder sie sehnen sich nach Partnern, die unerreichbar oder emotional nicht verfügbar sind - trotz besseren Wissens. Die Betroffenen sind nicht nur die, die leiden. Auch die, die das Leid (bewusst oder unbewusst) produzieren, sind Betroffene. Sie haben eine Bindungsangst aufgebaut, die entweder von den Eltern erlernt oder aber durch eine frühere Partnerschaft verursacht wurde. Besonders häufig erscheinen Frauen als die, die »nicht gewollt« sind. Sie treffen mindestens einmal in ihrem Leben auf einen gebundenen oder (emotional) nicht verfügbaren Partner. Statt weiterzuziehen zweifeln sie an ihrem Wert, geben sich die Verantwortung oder Schuld und leiden Jahre über Jahrzehnte unter der Bindungsangst ihres Partners.

Männer hingegen finden sich nach aktuellem Stand weniger oft in einer dysfunktionalen Beziehung. Das hat nichts mit dem Geschlecht an sich zu tun. Erstens sind viele Frauen noch immer emotionaler, also mehr bereit, Gefühle zu investieren als Männer. Diese wiederum sind auch dann tendenziell eher offen für eine Beziehung, in der sie nicht zwingend Emotionen ausleben müssen, im Gegensatz zu Frauen. Wie Männer eine Beziehung definieren und wie Frauen es tun, muss nicht miteinander übereinstimmen. Hinzu kommt: Frauen bewerten sich noch immer stärker nach dem Grad des Gewolltseins als Männer. Sie verleihen einer Beziehung oft per se Wert - gleich, welche Qualität sie hat -, in einer Beziehung zu sein verleiht wiederum ihnen Wert.

Die Männer der letzten Generationen wuchsen zumeist mit unterschiedlichen Standards auf, zum Beispiel mit harter Arbeit, einem hohen Verdienst, der Rolle eines Ernährers in der Familie oder dem Muster eines guten Vaters, Liebhabers oder eines Protegés. Frauen hingegen sind nach biologischer Psychologie größtenteils auf eines bedacht: Zusammenhalt, in diesem Sinne Zugehörigkeit. Wenn wir uns dieses Wort einmal näher betrachten, fällt auf, dass es sich aus den Wörtern »zusammen« und »Halt« zusammensetzt. Viele leiten ihren Halt im Leben durch diesen Aspekt ab. Das betrifft nicht alle Frauen und das klassische Konzept einer Frau sowie das eines Mannes sind bereits seit den 80er Jahren stark im Wandel. Männer würden demnach immer mehr feminine Züge aufweisen, Frauen immer maskuliner werden. Auch aktuelle Studien zeigen, dass keineswegs häufiger Frauen allein wären und sich einsam fühlen, sondern Männer. Diese würden sogar häufiger eine unzufriedene Beziehung aufrechterhalten, statt diese zu beenden, im Vergleich zu Frauen. Frauen zögen bereits seit langem einen Großteil ihres Wohlgefühls auch aus dem Zusammensein mit anderen, zum Beispiel ihrer Familie, ihren Freunden und Bekannten. Männern hingegen fehle das.[i]

Wenn Männer ihren Partner oder ihre Partnerin betrügen, dann weil es ein Thema gibt, das gerne verdrängt oder nicht angesprochen wird. So ergeht es auch Frauen, deren Männern von Bindungsangst betroffen sind. Menschen, die viel einstecken, geben und opfern, treffen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Partner, die schon zum Anfang der Beziehung Anzeichen aktiver Bindungsangst aufweisen. Sie zeigen klare Schwierigkeiten mit Nähe und Distanz. Gibt es viel Nähe oder wird sie »erwartet«, ziehen sie sich schnell und scheinbar grundlos zurück. Der Druck wird groß genug für sie, um ihr Flucht-oder-Kampf-System zu aktivieren. Die wenigsten beziehungsängstlichen Männer aber gehen in die Konfrontation. Die meisten wissen nicht, wie Durchsetzungsvermögen und Konfliktfähigkeit gelingen könnten, wenn es um Gefühle geht. Deshalb flüchten sie eher heimlich, ohne dein Wissen, beenden den Kontakt oder die Beziehung abrupt, per Telefon und Nachricht oder lassen Treffen und die Beziehung langsam auslaufen (»Diese Woche ist es ganz schwierig!«). Viele suchen schlicht Distanz und beharren darauf, dass sie die Treffen terminieren, um sich so Luft zu verschaffen, weil ihnen etwas (nicht du) zu nahegekommen ist. Es kam einer Übermannung/einem Übergriff gleich, was schlechte Erinnerungen wachgerufen hat.

Gerade in den ersten Wochen der Partnersuche sind diese Merkmale weit verbreitet. Im englischen Raum fand dieses Verhalten daher die Bezeichnung Ghosting. Der Partner wird zum Geist. Andere hingegen legen den Wert auf Gehorsam, um die Kontrolle über den Verlauf der Beziehung zu behalten, sind eiskalt oder geben eher Geld, Anwesenheit oder den Status »Beziehung«, als offene und liebevolle Gefühle zu zeigen.

Auch bindungsängstliche Männer landen in dysfunktionalen Beziehungen zu bindungsängstlichen Frauen. Auch sie treffen auf ihre eigenen Herausforderungen. Viele von ihnen haben daher den »Kampf um die Liebe« aufgegeben. Meine Wortwahl ist hier sehr treffend. Denn Liebe in einer Beziehung aufrechtzuerhalten, eine Beziehung wegen beständiger Liebe zu führen und dennoch das Risiko der Lieblosigkeit erfahren zu müssen, stellt den Kampf dar.

Dabei sind Beziehungen schön, sie nähren uns, geben uns auch in schwierigen Zeiten die Kraft, in uns zu ruhen und Halt zu erfahren. Doch wie kommt es dazu, dass einige Menschen Beziehungsangst entwickeln, zuerst sehr intensiven Kontakt zu dir wollen, um dann in Angst zu erstarren, gefühlskalt zu werden oder gar nichts mehr zu können außer Trennung? Kommt wirklich alles aus der Kindheit und von den Eltern?

Die Autoren Carter und Sokol widmeten sich diesem Thema: »Wir definieren feste Bindung als das Versprechen, mit guten Absichten Partner in einer monogamen, zeitlich unbegrenzten, verantwortungsvollen und realistischen Beziehung zu sein.« Das zeige den Willen, eine Beziehung zu pflegen, sogar dann, wenn Aufgeben leichter als Beziehungsarbeit wäre. Doch bindungsängstliche Beziehungen seien Partnerschaften, in denen einer mehr »will« und der andere »mehr Raum für sich« beansprucht.«[ii]

Dies zeigt sich nicht erst nach Jahren in einer Partnerschaft, sondern bereits während der Partnersuche. Lass uns Angst hier einmal anders betrachten: Wäre Angst eine Person, so würde sie den Menschen mit Bindungsangst einem Test unterziehen, um zu sehen, ob der Mensch bereit ist, sich selbst eine Hilfe zu sein, indem er die Ursachen seiner Angst erkennt. Auch die andere Seite, die oft unter dem Bindungsängstlichen leidet, kann diese Anzeichen erkennen. Beziehungsangst kann sich in Form von Angst vor Nähe, Angst vor Trennung, Angst vor Selbstverlust bis hin zu Angst vor Verlust der eigenen Gefühle ausdrücken. Viele haben bereits jemanden kennen- oder lieben gelernt, der vor ihnen und den Liebesgefühlen in einer Partnerschaft davongelaufen ist. Trennung erschien demjenigen leichter. Oder sie haben an sich selbst festgestellt, dass sie in einer Beziehung verstärkt Distanz gesucht haben, die sie dann »Raum für mich« oder »Zeit für mich« nannten. Wir kennen ebenso viele Menschen, die nie langanhaltende Beziehungen hatten, häufig wechselnde Partner oder irgendwie immer auf Partnersuche sind.

Viele von ihnen verbinden mit einer festen und »langfristig angelegten« Bindung Einschränkung, Einengung oder Opfer. Sie können sich mit idealisierten Vorstellungen eines Partners zum Tagträumen leichter arrangieren, als sich den Risiken und Schwächen in der Liebe zu stellen. Dazu gehört auch, die Schwächen des Partners genauso zu lieben wie die Potenziale und Stärken. Dazu gehört vor allem, dass man sich in seinen eigenen Stärken und Entwicklungspotenzialen kennt und Achtung: akzeptiert und liebt.

Wehren sie aber selbst aus Angst, nicht gewollt zu sein, ihre Bedürfnisse ab oder haben sie gelernt, dass sie ihre Bedürfnisse unterdrücken müssen, um gewollt zu sein, dann fällt es leichter, die der anderen ebenso abzuwehren oder unterdrücken zu wollen. Dass du es anders machen würdest als sie, weil du es anders gelernt hast, ein anderes Bild von Beziehung erlebt hast, können sie nicht wissen. Sie gehen von dem aus, was sie kennen. Das ist die eine universelle Wahrheit für sie. Sie haben entweder teilweise das Recht eines jeden Menschen auf eigene Gefühle und Bedürfnisse wie Liebe und Aufmerksamkeit ausgeblendet, um nichts mehr zu wollen und anzuziehen, was schmerzt. Diese Bedürfnisse zu äußern, mussten viele in ihrem Leben verdrängen. Oder sie haben erfahren, dass es nur auf eine bestimmte Art »funktioniert«.

Nur eine extrem kleine Anzahl der beziehungsunfähigen Männer sind wirkliche Narzissten (mit klassischer narzisstischer Persönlichkeitsstörung), Soziopathen, Psychopathen, wie das Internet und die Presse BÄ gern betitelt - die, die kommen und gehen, dich verletzen, auslachen und sich keinen Deut um dich und deine Gefühle scheren.

Man darf die Sicht hinter die Fassade wagen, sonst erkennt man den Unterschied nicht. Denn wir sprechen bei den wahren Narzissten und x-pathen-Persönlichkeitsstörungen von weniger als fünf Prozent der weltweiten Gesellschaft. Es ist sehr viel wahrscheinlicher, dass ein anderer Grund eine Beziehung verhindert. Deshalb beißen sich viele an Beziehungsangst fest, ohne zu merken, dass jeder auf seine Art mehr oder weniger Angst hat, wenn es um Liebe geht. Doch wenn wir uns mit den Ängsten anderer auseinandersetzen können (weil sie da sind), dann lenken wir auch von den eigenen Unsicherheiten ab. Besonders Frauen, die alles sehr gut meinen und vom Herzen her für geliebte Menschen da sind, ihnen nur schwer beim Leiden zusehen können oder eine starke soziale Ader besitzen, übersehen ihre eigenen Ängste. Dabei möchten sie ihnen etwas Wichtiges zeigen: die Intensivierung der eigenen wunden Punkte, einmal schön gespiegelt in Übergroß, sodass du es nicht übersehen kannst.

Ein zum Beispiel eher weibliches Konstrukt einer Bindungsangst gibt es nämlich: Frauen, die sich irgendwie immer den Falschen aussuchen, wieder an jemanden geraten sind, der nicht erreichbar ist und/oder offensichtlich willentlich vergeben ist oder »gerade« kein Interesse an Bindung hat. Die Interpretation ist oft schlussendlich, dass diese Männer schuldig wären, weil sie beziehungsunfähig, emotional gestört, heimlich bindungsunwillig oder eben beziehungsängstlich seien. Der Stempel Beziehungsangst ist dabei noch gar nicht lange aktuell; früher war es die Beziehungsunfähigkeit, die mit Klassikern wie dem von Michael Nast, »Generation Beziehungsunfähig«, ihren Schub bekam.

All das ist starke Kritik am Partner, zeigt verletzte Gefühle und Rechtfertigung, um selbst keine Schuld, Scham oder Angst fühlen zu müssen. Dasselbe wollen Beziehungsängstliche übrigens auch. Beziehungsängstliche tun das eher durch Rückzug, Ablenkung, Kompensationen und Schweigen. Sie ziehen sich aus der Situation heraus, um sich damit nicht beschäftigen zu müssen. Die andere Seite ihrer PartnerInnen sind eher die Ergründer und Redner, die verstehen und lösen möchten.

Ich spreche die verschiedenen Reaktionen auf Beziehungs(un)wille, Beziehungs(un)fähigkeit und Beziehungsstile deshalb an, weil mir vor einem Jahr in einer Beziehung etwas auffiel: Es gibt nicht nur die eine Form von Beziehungsangst. Ob man(n) nun plötzlich alles für falsch und ungenügend einstuft, Frau freiwillig trauert, leidet und weiterhin hofft oder man(n) eine bekannte Ablehnung von ersehnten Partnerinnen durchspielt: All das signalisiert Bindungsängste ­ bei einem selbst und/oder beim Gegenüber.

Mir fiel auf, dass mitunter sogar nur die EINE Frau (vielleicht du) die Angst des Mannes triggern könnte, während eine andere das nicht täte. Vielleicht weil ausgerechnet du ihn an jemanden erinnerst, der ihn verletzt hat oder weil dir dein Herzenspartner nur in übergroßer Version deine Angst spiegeln soll (oder du ihm ein geeignetes Verhalten, was er sich abgucken darf). Die Variationen sind so vielfältig und unterschiedlich wie Blumen und Pflanzen in einem Blumengeschäft.

Beziehungen können sowohl Angst nehmen, als auch schaffen, so die Psychoanalytikerin und Autorin Verena Kast.[iii] In einer Beziehung treffen immer Welten voller Erfahrungen und Werte aufeinander. Man kann sie nicht wegreden oder sich abtrainieren. Die Vergangenheit ist da und sie kommt auf den Tisch, in dem Moment, in dem man sich näherkommt. Besonders wenn in der Beziehung zu sich selbst oder zu einem Menschen ein besonders geschätzter »Bereich« bedroht wird - ob die Drohung nun realistisch ist oder nicht -, können sich solche Ängste ausbreiten. Diese Bereiche konzentrieren sich zum Beispiel auf

  • das eigene Selbst
  • die Selbstständigkeit
  • den Selbstwert (und Identität)
  • die Beziehung an sich als Wert und
  • ihre darin gelebten Gefühle.

Beziehungsängste sind demnach Ängste, Werte zu verlieren. Dieser Verlust kann sich sowohl in eigener Trennung zeigen oder durch die Angst, dass sich der Partner trennt. Letzteres beziehen wir häufig negativ auf uns: Wir geben uns die Schuld, fühlen uns gar liebensunwürdig oder ungenügend. Auch so kann Bindungsangst entstehen, indem man sie von einer besonders geliebten Person übernimmt.

Jeder bringt also seine Welt mit in den Kontakt. Wenn die Jugendliebe Tina früher den Sven verlassen hat, weil Rolf ein dickeres Auto fuhr, dann kann es sein, dass Sven ab dato Liebe mit Vermögen und Status gleichsetzt – bis heute. Das ist ein sehr plattes Beispiel, aber solche oder ähnliche Konstrukte finden wir zuhauf, wenn wir hinter die Fassaden der Angst schauen. Ich beispielsweise habe Liebe früher mit Leistung und Abwesenheit in Verbindung gebracht (»Tue etwas!«, »Tue nichts!« oder »Sei still, auch wenn du leidest!«, »Arbeit und Geld sind wichtiger als Liebe und Zuwendung.«, »Du bist auf dich allein gestellt.«). Ich habe das gelernt. Dein Herzenspartner und auch du hast eigene Geschichten und Lernkurven, die prägen. So darf man Beziehungsängste betrachten: als Geschichte, die wir uns erzählen und die wir zum Glück bis ins hohe Alter umdichten können ­- wenn wir es wollen.

[i](Pairfam, 2012)

[ii](Carter & Sokol, 1998)

[iii](Kast, 2007)

Bindungsangst: Zwischen Wahrheit und Mythen

Bindungsangst: Zwischen Wahrheit und Mythen

»Die Liebe ist so unproblematisch wie ein Fahrzeug.

Problematisch sind nur die Lenker,

die Fahrgäste und die Straße.«

Franz Kafka

Der Verstand ist nicht immer unser Freund - besonders nicht in Sachen Liebe. Meine Erlebnisse zeigten mir, was Beziehungsangst in der Tiefe heißt. Jemand ohne jede Bindungsangst wird das nur schwer verstehen können. Wir reden hier von

  • Enge bei Aktivitäten, die für den anderen normal sind (allabendliche Treffen mit Fernsehschauen oder ganztägige Wochenendbeschäftigungen)
  • nicht loslassen können beim Sex
  • nur Sex wollen bzw. sie mit Liebe verwechseln
  • bei Aktivitäten in Gedanken woanders zu sein
  • plötzliche Panik morgens beim Aufwachen
  • nachts nicht einschlafen können, weil der Platz im Bett nicht ausreicht oder

    Impressum

    Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

    Tag der Veröffentlichung: 12.12.2017
    ISBN: 978-3-7438-4582-4

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