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Leseprobe

 

 

 

Janett Menzel

 

Über die Kunst, allein zu sein: Wie man Einsamkeit und Angst vor dem Alleinsein überwindet und sich nebenbei neu lieben lern

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auch das wird vergehen.

 

Shakespeare

 

 

 

 

 

 

 

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Über die Kunst, allein zu sein

 

Wie man Einsamkeit und Angst vor dem Alleinsein überwindet und sich nebenbei neu lieben lernt

Janett Menzel

 

 

 

 

 

Ein Buch im Rahmen des Projekts
www.Ich-habe-auch-Angst.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

© 2017 Janett Menzel

Independently published

13359 Berlin

 

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

 

INHALT

 

Vorwort: Wieso ich - Wieso wir

Über das Wesen der Einsamkeit: Der Feind in deinem Kopf

Ich und meine Teile

Ent-SCHEIDUNG-en oder Was ich stattdessen tat

Test: Welcher Typ bist du?

Die vier Formen des Alleinseins

Grundlagen der Angst: Fürchte dich nicht

Die Natur der Sache

Die Pole und Gegenpole meiner Gefühle

Inspiration und Kreativität

Wieso es sich lohnt, sich mit seiner Angst auseinanderzusetzen

Resilienz: Die Kunst, Widrigkeiten zu trotzen oder Die Schatzsuche im Dreck

Die Basics gegen Angst vor dem Alleinsein und Einsamkeit

Auslöser der Angst und Einsamkeit: Über Schuld, Scham und das Bedürfnis, willkommen zu sein

Glaubenssätze und Lebensmuster

Wut und Angst als Ersatzgefühle

Was die Wissenschaft glaubt

Was verbirgt sich hinter der Angst vor dem Alleinsein?

Einsam und doch nicht allein: Einsamkeit in der Partnerschaft

Wie Schweigen Partner einsam macht

Strategien, um Beziehungen wieder gemeinsam zu erleben

Strategien und Methoden gegen Angst und Einsamkeit

Tipp 1: Die Schritt für Schritt-Methode

Tipp 2: Kompensationswege für inneren Halt

Tipp 3: Deine Stimme gegen Angst und Traurigkeit

Tipp 4: Nähe zu sich selbst aufbauen

Tipp 5: Was müsstest du tun, damit es noch schlimmer wird?

Tipp 6: Lass die „echten“ Gefühle heraus

Tipp 7: Sieh in den Spiegel und erkenne dich in ihm

Tipp 8: Fühle den Schmerz, den du verarbeiten willst

Tipp 9: Verzeihe dir deine Gefühle

Tipp 10: Verliebe dich neu – dieses Mal in dich selbst

Tipp 11: Erkenne, dass du bekommst, was du bekommen willst, um etwas zu lernen

Tipp 12: Nimm deinen Schatten und geh

Tipp 13: Autogenes Training

Tipp 14: Nimm das Schlechteste und mach es zum Besten

Unbequeme Wahrheiten: Was mich meine Einsamkeit und Angst vor dem Alleinsein lehrte

Nachwort: Die größte Lehre findet sich durch Leere

Der Notfall-Ideen-Koffer: Einmal Ablenkung bitte! 55 Impulse für Aktivitäten

 

 

 

Vorwort: Wieso ich - Wieso wir

Wir alle kennen das dumpfe Gefühl der Angst, wenn wir allein sind oder eine Zeit des Alleinseins bevorsteht. Dieses Gefühl droht an Weihnachten, Silvester, Geburtstagen oder Feiertagen, während andere diese Zeit mit ihren Familien und Partnern verbringen, von Freunden umgeben sind oder sich trotz ihres Alleinseins wohlfühlen. Bei einsamen Menschen kann das Gefühl der Angst und Traurigkeit bis zur sogenannten Monophobie, die krankhafte Angst vor dem Alleinsein, gehen. Doch was machen Menschen, die gelernt haben, Alleinsein zu genießen, anders? Weshalb dürfen viele die Geborgenheit ihrer Angehörigen und Liebsten genießen, während andere vermeintlich darauf verzichten müssen? Können wir etwas von Menschen, die gern allein sind, lernen? Was kann man gegen die Angst, Einsamkeit und das Gefühl, verloren und unwichtig zu sein, tun? Wie geht man mit der Sehnsucht nach sozialem Kontakt, Geborgenheit, Liebe, Freundschaft um? Kann man seine Einsamkeit überwinden und verlernen?

Meine Erfahrungen zeigten mir, dass das durchaus geht. Heute liebe ich es, allein zu sein. Die Angst vorm Alleinsein habe ich überwunden. Zeiten nur mit mir brauche ich heute wie die Luft zum Atmen. Doch das war nicht immer so. Als ich 2013 unter Panikattacken und Agoraphobie litt, war das Gegenteil der Fall. Ohne Partner, abgeschnitten von der Welt durch die Angst, musste ich wieder neu lernen, dass ich mir wichtig war, dass ich mich liebe und was ich allein tun kann, um mich wohlzufühlen. Ich begab mich auf die Suche: nach Methoden und Techniken. Dieses Buch speist sich aus all meinen Erfahrungen, mit Hintergründen, Strategien und Umdenkchancen. Denn das ist es, was die Angst vor dem Alleinsein ausmacht, und Einsamkeit entstehen lässt: Sie ist ein Weckruf deines Herzens, deiner Seele. Sie möchten dir etwas zeigen, was im Verborgenen schlummert und all deine Gefühle auslöst. Sie bitten dich, zu verstehen, statt nur hinzuhören. Sie betteln um Aufmerksamkeit und fragen nach Erinnerungen an deine wahre Natur. Sie kennen keine Schuld oder Scham, nur Wahrheit und Tiefe.

Aus meiner Arbeit als Journalistin und Coach weiß ich: Die meisten Menschen sind einsam, aber würden diese Seite nicht öffentlich zeigen. Sie überspielen ihre Unsicherheit und Einsamkeit, versuchen sich abzulenken, zum Beispiel durch Telefonate, soziale Medien wie Facebook oder Handyspiele, Termine machen. Auch Rausgehen, um von Menschen umgeben zu sein, im Kontakt zu bleiben, gesehen zu werden, fühlt sich wie der einzige Weg an, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Nur dass sie dort stets auf vermeintlich glückliche Menschen stoßen und fürchten, in ihrer Einsamkeit erkannt und abgewertet zu werden: Sich allein in einem Café oder Restaurant an den Tisch zu setzen, allein zu essen oder in eine Bar, ins Kino oder auf Reisen zu gehen - allein macht sie das unglücklich. Man sieht, dass die anderen nicht allein sind, lachen, reden, einen Menschen haben, mit dem sie Erlebnisse und Gefühle teilen können, dem sie sich mitteilen können. Menschlicher Kontakt heißt auch: gebraucht werden, eine Aufgabe haben, wichtig sein, bedacht werden. Doch ständige Gefühle der Einsamkeit geben einem den Eindruck, keiner würde sich für einen interessieren, niemand würde einen vermissen oder nach einem fragen. Ein schreckliches Gefühl: Es erzeugt Leere, Wut, Isolation, Scham, Angst und vor allem Traurigkeit. Nicht selten wird es zu einer Krankheit, emotional oder physisch.

Während einige Menschen - wie ich - gern allein sind, gern allein spazieren gehen, Stille genießen, in einem Café ihren Tätigkeiten nachgehen, allein irgendwo essen gehen oder lieber selbstständig, als für ein Unternehmen zu arbeiten, tobt im Inneren von Menschen, die Angst vor dem Alleinsein haben, eine große Traurigkeit: nicht nur, weil sie allein sind, sondern weil sie sich allein gelassen fühlen, ausgestoßen oder unsichtbar. Sie fühlen sich wie ein kleines Kind, das seine Eltern in einem Kaufhaus verloren hat. Sie fühlen sich schuldig, weniger wert oder gar beides. Man verirrt sich allzu leicht in dem Glauben, man hätte etwas getan, das sein Alleinsein hervorgerufen hätte.

Das erinnert mich an meine Kindheit. Ich hatte bis zum siebenten Lebensjahr alle Bezugspersonen außer meiner Mutter verloren, sei es durch Scheidung, Tod oder Familienzerwürfnisse. Meine Mutter war „nur“ eine Krankenschwester, die – wie alle sozialen Berufe – finanziell benachteiligt war. Die Scheidung von meinem Vater und vor allem seine Lebenssituation hatten dazu geführt, dass er sich nicht am Unterhalt beteiligte. Meine Großmutter, die unsere Familie zusammengehalten hatte, war verstorben. Mein Onkel starb zwei Jahre später. Meine Mutter löste sich wegen unvereinbaren Meinungsverschiedenheiten von meinem Großvater. Sie stand allein mit ihrer kleinen Tochter da, ging in Schichten arbeiten, versuchte zwischendrin eine gute Mutter zu sein – vergaß Mensch zu bleiben, ackerte den ganzen Tag. Ich erinnere mich daran, dass sie viel schlief. Aber sie weinte nie oder nur dann, wenn ich es nicht sah. Sie war einsam, aber ihr Überlebensinstinkt ließ nicht zu, dass sie um die Geschehnisse in ihrem Leben, den Tod ihrer Mutter und ihres Bruders, den Verlust ihres Vaters und Ehemannes, und all den damit verbundenen Sorgen, trauerte. Sie schluckte alles herunter. Zwischendrin war ich: Sechs, sieben Jahre jung, abhängig von Aufmerksamkeit, hungrig nach Liebe und Leben. Stattdessen blieb mir nur: ich selbst.

Ich wartete sehr viel in meiner Kindheit: auf meine Mutter und ihr Wohlbefinden, das mir Zeit mit ihr geschenkt hätte, auf meinen Vater, auf meinen Opa, auf Antworten und Beschäftigung, Zuwendung und Geborgenheit. Doch nichts davon sollte sein. In all meiner Traurigkeit entschied mein Gehirn, sich eines cleveren Schachzugs zu bedienen: Es eignete sich Ersatzgefühle an. Statt Traurigkeit, die mich gänzlich überfordert hätte, wurde ich wütend und ängstlich. Heute weiß ich, dass Wut ein Deckmantel für Traurigkeit ist. Sie soll uns schützen und gleichwohl vermeiden, dass verdrängte Trauer erneut hochkommt oder noch mehr Enttäuschung verbreitet wird. Angst ist eine sehr liebe Freundin, die einen schweren Kampf ausfechtet: Sie versucht eine Balance zwischen Schutz und Aktionismus herzustellen. Sie zeigt dir zwar, was hier nicht stimmt, woran gearbeitet werden muss, aber verdeckt gleichzeitig die wahren Wunden. Sie würde nur Stück für Stück zulassen, dass die Verletzungen aus alten Zeiten langsam heilen. Sie weiß: Alles hat seine Zeit.

Mit den Jahren der Einsamkeit wuchs auch meine Wut. Wenn ich heute meine Tagebücher lese, bin ich zutiefst getroffen: Es gibt beinahe keinen Eintrag, der einfach nur glücklich ist oder wenigstens keinen Ärger über die Umstände meines Lebens ausdrückt. Man könnte meinen, ich wäre ein aggressives Kind gewesen. Doch ich äußerte meine Wut nie laut; sie brodelte nur still vor sich hin. Ich richtete meinen Ärger gegen mich selbst. In meiner Angst versuchte ich alles, was ich liebte, auf Biegen und Brechen festzuhalten. Ich entdeckte das Lesen und Tiere für mich. Bücher gaben mir das Gefühl, dass ich von der Welt da draußen etwas erfuhr und gleichzeitig aus ihr lernen konnte. Tiere ließen mich bedingungslose Liebe und Loyalität, aber auch Verantwortung für das eigene Handeln und fremdes Leben erfahren. Hätte ich das beides nicht gehabt, wäre ich heute ein anderer Mensch. Doch mit meiner Wut legte ich, ohne zu wissen, was ich tat, den Grundstein für meine spätere Angst- und Panikstörung. Zum Glück haben Wut und Neugier einen positiven Effekt: Sie verhindern weitestgehend mittelschwere oder schwere Depressionen. Dummerweise schützen sie nicht vor Selbstzweifel.

Und genau diese sind es ja, die uns Menschen davon abhalten, an uns zu glauben, zu uns zu stehen, unsere Ziele – auf Teufel komm raus – durchzuziehen, uns von Schlechtem zu trennen, Gefühle in ihrer Tiefe zu erfahren und auch zu verarbeiten. Zweifel hindern uns an Entscheidungen, an einem gesunden Selbstwert und am unbedingten Glauben, dass alles seinen Sinn hat.

Ich brauchte die letzten vier Jahre, um das zu verstehen, um hinter die Funktionen unserer Gefühle und Emotionen zu blicken. Verstehen ist essentiell, wenn wir uns mit uns auseinandersetzen wollen. Wenn du nun sagst: Aber ich will mich gar nicht mit verschütteten Erfahrungen konfrontieren!, dann kann ich das gut verstehen. Zum Glück ist Angst ein Zeichen dafür, dass du bereit bist, dass dein Kopf nun fähig ist, alles Nötige an Informationen zu ergründen und in einen neuen Zusammenhang zu bringen: Damit es dir in deiner Zukunft besser geht. Ohne Angst. Ohne Einsamkeit. Ohne Ohnmacht, Wehrlosigkeit, Hilflosigkeit, Trauer und Wut über dein Alleinsein. Niemand muss diese Schritte allein gehen. Wenn die Gefühle eine zu große Last sind, ist professionelle Hilfe immer ratsam. Ich gehörte zu denen, die es teils in ihrer Therapie besprachen, aber die die wesentlichen Schritte im Alleingang vollzogen. Ich fühlte mich mit dem Gedanken, dass mich jemand in meiner Suche nach mir selbst steuern würde, unwohl. Ich wollte mein Tempo, meinen Weg, meine Vorgehensweise und mein Ziel. Dafür musste ich herausfinden, was dazu geführt hatte, dass ich mich einsam fühlte.

Als ich meine erste Panikattacke hatte, war ich allein. Ich hatte sie, weil ich mich allein gelassen gefühlt hatte und an früher erinnert wurde: an meine Wut. Einige Jahre später machte sich Agoraphobie breit: Es war erneut eine Zeit, in der ich beruflich – teils freiwillig, teils gezwungenermaßen – auf mich allein gestellt war, und es bleiben würde. Interessanterweise reagierte mein Körper immer mit Angst und Panik, wenn ich mich einsam fühlte. Mir blieb nichts anderes übrig, als zu lernen, allein zu sein, ohne mich schlecht zu fühlen, und meine Zeit nur mit mir zu genießen. Was machte mich so traurig und wütend, dass ich „krank“ wurde?

Ich musste alles infrage stellen, mich (von Altem) trennen und unbedingte Selbstliebe verinnerlichen. Um sich selbst zu lieben, muss man sich kennen oder neu kennenlernen. Wer einsam ist, kennt sich meist nicht oder weiß seine positiven Seiten nicht zu schätzen. Alles wirkt wie ein bodenloses Loch. Man hat das Gefühl, man sei gänzlich vom Wohlwollen und Erlauben der Anderen abhängig. Nicht selten erhascht man das Gefühl, dass zu sich zu stehen, leicht Verlust mit sich bringen kann. Doch noch mehr Verlust bedeutet für einsame Menschen, weniger Halt und Sicherheit zu haben. Das macht Angst.

Damals wusste ich nicht, wo ich anfangen sollte. Sollte ich mir neue Hobbys suchen, einen neuen Partner, meine Freundschaften zu mehr Aktivität animieren, Anti-Angst-Strategien erlernen oder meinen Job kündigen? Instinktiv entschied ich, dass ich meine Angst als Schutz behalten wollte. Ich verzichtete entgegen aller Meinungen auf Psychopharmaka und machte mich auf zu mir: Ich entdeckte, wie wenige Leidenschaften ich noch hatte bzw. welche ich seit Jahren nicht mehr auslebte. Ich erinnerte mich an alles und alle, die unbewusst und unabsichtlich meine Selbstentfremdung unterstützt oder gefordert hatten. Ich lernte, hinter die Fassade meines Selbst und die der Menschen zu blicken. Ich ließ mich als Schreibtherapeutin ausbilden, um meine Coaching-Expertise zu erweitern. Ich konsumierte jede Literatur, die ich zum Thema Angst und Sinn finden konnte. Ich beschäftigte mich mit meinen Schattenseiten (die bösen oder eigennützigen, einseitigen und teils verletzenden Absichten meines Egos). Ich weinte viel, über alles, was mir fehlte. Ich entlud meine Wut in Sport, den ich Zuhause in unter 10 Minuten „erledigen“ konnte. Agoraphobie und Panikattacken bringen mit sich, dass sich „draußen“ wie ein Kriegsgebiet im eigenen Körper anfühlt. Manche Menschen verlassen jahrelang ihr Haus nicht. Doch ich zwang mich, weil mir keine andere Wahl blieb. Ich hatte meine Wut: Sie erlaubte mir, gegen die Angst zu gehen und gegen Menschen, die nun ja, eher weniger zu der angenehmen Sorte gehören: solche, bei denen man nur gelassen bleibt, wenn man Durchsetzungsvermögen oder wenigstens innere Ruhe gelernt hat. Also lernte ich beides. Ich lernte, mir helfen zu lassen, von Menschen, die es besser wussten als ich. Ich lernte, zu helfen und durch meine Arbeit auch Freude für andere fühlen zu können. Ich begann, wieder zu schreiben und holte zwei Katzenmädchen zu mir. Ich begann, mich für andere Menschen zu engagieren, meine Fähigkeiten zu nutzen, zum Wohle anderer. Kurzum: Ich erlaubte mir, mein Leben anders zu sehen, es zu füllen und so zu erfüllen.

Ich lernte ausschließlich durch ein Motto, das mir meine Therapeutin einst ans Herz gelegt hatte: Machen Sie es solange genauso, wie Sie es wollen, bis jemand STOP sagt oder Sie eine andere Lösung gefunden haben. Ich lernte also, meine Lösungskompetenz zu nutzen und mehr nach dem Prinzip „Versuch macht klug“ zu leben. Ich machte bewusst Fehler, entschied morgens nach dem Aufstehen: „Heute erlaube ich mir fünf Fehler und schaue genau, was passiert.“ Ich lernte, nicht perfekt sein zu müssen, und mit Ablehnung und Kritik umzugehen. Ich lernte vor allem, dass ich genauso wichtig war wie der Rest der Welt, dass niemand „Schuld“ trug an meinem Zustand, niemand die Vergangenheit ändern konnte.

Ich wusste, wenn ich nicht bei null anfing, würde sich meine Angst und Wut in meinem Körper festsetzen und noch schlimmere Krankheiten auslösen. Wir glauben, wir würden unseren Körper besitzen, unsere Gefühle weitestgehend steuern können. Umso mehr sind wir überrascht, wenn uns unser Körper meldet, dass das eine Illusion ist und er jederzeit einfach macht, was er will – selbst gegen unsere Bedürfnisse. Gerade die Grundgefühle wie Ekel, Scham, Trauer und Angst beherrschen uns oft. Wir können sie jedoch mindern, sodass wir ihnen in den Auftrittsmomenten nicht ohnmächtig oder hilflos ausgeliefert sind, sondern gefasst und lösungsorientiert. Wir können unseren Geist daran gewöhnen, dass wir bestimmte Situationen nicht negativ empfinden. Unser Gehirn erlaubt das.

Die Verhaltenstherapie zeigt uns, dass kurze Änderungen in unserem Leben eben nur kurzzeitig wirken. Wer aber eine ganze Zukunft voller Zufriedenheit, ob nun allein oder nicht, erleben möchte, der muss durchhalten. Ausgeglichenheit und persönliches Glück ist kein Lichtschalter. Das Licht geht nur an, wenn viele Bedingungen erfüllt sind, die in unserer Verantwortung liegen, und es Lampen gibt, die die korrekten Glühbirnen haben, eine bezahlte Stromrechnung usw. Das ist ein banales Beispiel, aber um ein noch simpleres anzuführen: Irgendwann ist alles „leer“ wie der gute Wein, den du trinkst, oder das Nutellaglas, wenn du dir etwas gönnen möchtest. Wir müssen lernen, für die Fülle, die wir uns wünschen, selbst einzutreten, um ein erfülltes Leben zu haben. Und dafür müssen wir wissen, was und wen wir brauchen, um zufrieden zu sein.

Heute kenne ich mich. Ich erlebe jeden Tag bewusst und entscheide jeden Tag gezielt, wie ich ihn verbringe. Ich tue nichts mehr, was mir nicht guttut oder mich unzufrieden macht. Ich muss nicht jeden möglichen Kontakt nutzen, nur, um nicht allein zu sein. Ich liebe es genauso oft, mich in meine Welt zurückziehen und so auftanken zu können. Ich erlebe meine sozialen Kontakte (Freunde, Familie, berufliches Netzwerk) als sicher und treu. Weihnachten, Geburtstage und andere „soziale und warme“ Zeiten sind für mich generiert. Ich warte nicht einmal mehr auf den Jahresurlaub im Ausland, wenn ich endlich „raus“ komme oder loslassen kann. Seit meiner Angst und Panik sorge ich täglich dafür, dass ich entspannt bin und Neues kennenlerne, mich wohlfühle und Spaß habe. Ich habe gekündigt, mich von leidvollen Beziehungen und Freundschaften getrennt. Ich habe meine Wege für die Zeiten, die das Leben schwermachen, gefunden.

Dieses Buch soll all jenen, die sich einsam fühlen, dabei helfen, wieder zu sich zurück zu finden. Dabei wünsche ich dir gutes Gelingen und vor allem viel Durchhaltevermögen mit der nötigen Sehnsucht, eines Tages erreicht zu haben, was dich lebendig fühlen lässt. Sei dir etwas wert.

Alles Liebe auf deinem Weg,
Janett Menzel

 

ÜBER DAS WESEN DER EINSAMKEIT

Über das Wesen der Einsamkeit: Der Feind in deinem Kopf

Die Angst vor dem Alleinsein und Einsamkeit, verbunden mit Traurigkeit, sind äußerst lähmende Gefühle. Wir schämen uns für unsere Bedürftigkeit, wollen keine unserer Freunde und Familie in deren Leben stören oder wir haben Erfahrungen gemacht, die Vertrauen erschweren. Für viele, die allein sind, weil ihr Partner verstorben ist oder sie eine Trennung entzweite, steht eine plötzliche, unbekannte Leere auf der Tagesordnung, aus der schnell der Gedanke einer vermeintlichen Nutzlosigkeit und nicht selten depressive Verstimmungen werden. Menschen ohne Partner, ob gewollt oder ungewollt, erleben Einsamkeit ähnlich verzweifelt. Sie alle vereint ein Grundgefühl, das in der Psychologie oft „Glaubensmuster“ genannt wird: Mit mir stimmt etwas nicht, weil…

−ich allein bin.

−ich verlassen wurde.

−ich keine Freunde habe/finde.

−ich keine Familie habe.

−ich keine Hobbys oder Leidenschaften habe.

−ich anders bin, als andere, „normale“ Menschen, zum Beispiel weniger sozial, weniger glücklich, weniger mutig usw.

Dieses Grundgefühl zeigt drei Extreme. Erstens: Wir Menschen mögen es, gemocht zu werden, und orientieren uns deshalb oft an anderen Menschen (und deren Gedanken über uns). Um nicht allein zu sein, Teil einer Gemeinschaft sein zu dürfen, willkommen und wertvoll zu sein, sind wir bereit, so Manches zu tun. Zweitens: Wir vergessen dabei oft unsere eigene Orientierung im Fluss unseres Lebens. Wir verstecken unsere Meinungen vor anderen oder verlernen, welche zu haben. Wir übernehmen leichtfertig Ziele und Werte, die wenig bis gar nichts mit unseren zu tun haben. Zwischen diesen Extremen aber fand sich noch eine weitere Komponente: Alleinsein, weil man das bereits erkannt hatte. Eben weil man nicht so sein wollte wie die anderen, distanzierte man sich, um sich nicht zu verraten, und trieb so in eine soziale Isolation. Es fehlten ähnliche Menschen mit ähnlichen Interessen und Gedanken sowie Wege, um sich abgrenzen und doch ausdrücken zu können.

In meiner Arbeit zeigte sich schnell ein äußerst interessanter Grundkonflikt zwischen diesen Extremen: Menschen, die allein sind und/oder Einsamkeit fühlen, verzweifeln eher an dem, was andere über sie oder gar ihr Alleinsein denken als am Umstand an sich. Das liegt am oben beschriebenen Effekt. Doch wird Alleinsein mit allen verbundenen Gefühlen noch erschwert, wenn wir den anderen Menschen ihre Gedanken über uns leichtfertig glauben.

Gibt es keine Menschen, die mit ihren Überzeugungen auf unseren Gefühlszustand einwirken, suchen wir in uns nach Titeln und Lösungen für das Problem. Doch das Ego zu befragen und entscheiden zu lassen, ist nicht erst seit Sigmund Freud schwierig. Denn entweder es spricht uns schuldig, weil wir irgendetwas falsch zu machen scheinen. Oder wir sind so von uns und unseren Gedanken überzeugt, dass wir unzählige Möglichkeiten und Lösungen gar nicht zu sehen wagen.

Um uns nicht getrennt wahrzunehmen, machen wir oft einen Fehlschritt: Wir tun alles, um Teil zu sein. In diesem Ziel gibt es aber ein entscheidendes Problem, das alles Missliche in eine Richtung zieht, die noch negativer ist. Wir glauben, dass wir anders sein müssen, um nicht mehr allein, wieder gewollt, gebraucht, willkommen, wichtig und wertvoll zu sein. Wir greifen selbst nach den dünnsten Strohhalmen. Das geschieht nur, weil wir uns an Zeiten erinnern, in denen wir teilen konnten und andere etwas mit uns teilten. Wir vermissen Fülle, Geborgenheit, Wärme, Sicherheit und Kontakt. Es wird immer Zeiten geben, in denen eine oder alle dieser Bedürfnisse unerfüllt sind. Was kann man dann tun?

Was würde geschehen, wenn wir uns an uns – in unserer wahren Natur – erinnerten? Ich stelle diese Frage, weil das grundlegende „Problem“ am Alleinsein gar nicht das Alleinsein ist, sondern das Teil-sein-Wollen. Wir verzichten bei dem Ziel nämlich auf etwas: UNS. Wir vergessen, wer wir sind, waren, werden wollten, zugunsten der Gemeinschaft. Deshalb bleiben Menschen auch in schlechten Jobs, einseitigen oder verletzenden Beziehungen, nehmen große Mühe und Krankheit auf sich, um weiterhin für andere funktionieren zu können. Weil sie das Alleinsein und die daraus folgenden Gefühle scheuen. Weil sie vergessen haben, dass jeder Mensch einen Teil zum großen Ganzen beiträgt und so die Gemeinschaft formt. Wir entscheiden, was wir geben und was nicht. Die Glieder der Kette bestehen aus einzelnen Menschen, die freiwillig etwas, was sie im Überfluss haben, miteinander teilen. Besonders Menschen, die ihr Alleinsein wegen einer Trennung oder eines Verlustes erleben, fühlen sich so, weil sie sich getrennt fühlen. Sie waren daran gewöhnt, dass sie teilten und mit ihnen geteilt wurde. Bricht dieser Teil nun weg, fehlt etwas. Denn das vormals vermeintlich Ganze zerbricht in seine einzelnen Teile. Plötzlich sieht man sich wieder und nicht immer gefällt es einem, was man da sieht.

Um dieses Buch so effektiv wie möglich zu halten, möchte ich dich bitten, das Gute und Schlechte als Ganzes zu betrachten und gleichzeitig dich und die anderen getrennt voneinander wahrzunehmen. Diese Sichtweise wird dir helfen, dich in deiner wahren Natur zu sehen und dennoch deine Bedürfnisse in Verbindung zu setzen mit dem, was du dir von und mit anderen Personen wünschst. Um dich darin zu unterstützen, folgt auf der nächsten Seite eine kleine Übung, die deine verstrickten Gedanken entwirren helfen soll.

 

 

 

Ich und meine Teile

 

Was hast du zu geben?

 

 

 

Was hast du im Überfluss?

 

 

 

Welche Stärken hast du?

 

 

 

Wann fühlst du dich liebevoll?

 

 

Was konntest du immer besser als andere?

 

 

 

Was davon möchtest du teilen?

 

Was andere mit mir teilen könnten

 

Was bewunderst und beneidest du an anderen?

 

 

Woran liegt es, dass andere es haben/können?

 

 

Seit wann fällt dir das auf?

 

 

Was hast du unternommen, um das zu ändern?

 

 

Was glaubst du, unternehmen zu

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 12.08.2017
ISBN: 978-3-7438-2820-9

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