"Hey du", höre ich eine weibliche Stimme neben mir und zucke leicht zusammen. Ich wende mich der Stimme zu und sehe ein hübsches Gesicht, dass ich noch nie gesehen habe. Eine wirklich nennenswerte Information, wenn ich hier eh kein einziges Schwein kenne...
"Hey", grüße ich zurück und verabschiede mich von den Erinnerungen an mein altes Leben. Mir fällt ein, dass ich noch in das Sekretariat muss und werfe einen Blick auf die Glastür auf der anderen Seite des Foyers. "Sorry, ich muss noch ins Sekretariat", erkläre ich und lächle sie entschuldigend an, als ich an ihr vorbei gehe. In 7 Minuten ist Schulbeginn und ich wäre an meinem ersten Schultag gerne rechtzeitig im Unterricht. "Dann ciao", höre ich sie und ich könnte schwören, das sie dabei grinst. Gut, sie nimmt es nicht böse. An meinem ersten Tag will ich nicht gleich eine Erzfeinden für mich reservieren. Ich klopfe an und trete ein.
Sofort kommt mir eine Frau mittleren Alters mit kurzen, roten Haaren entgegen. "Gutes Morgen Liebes, kann ich helfen?"
Da soll mir noch einer damit kommen, dass Sektretärienen unfreundlich sind, schießt es mir durch den Kopf. Diese ist es sicher nicht.
"Hallo. Ich bin neu hier und müsste noch was unterschreiben glaub ich. Joyce Carter", antworte ich nachdem sie nach meinen Namen fragt.
Sie sucht eifrig auf ihrem Schreibtisch herum. "Die Papiere hatte ich-... Hier sind sie", entkommt es ihr leicht jubelnd. Mit einer Hand voll Zetteln kommt sie wieder zu mir und im selben Moment wird die Tür hinter mir aufgerissen.
Erschrocken drehe ich mich um und sehe nur noch, wie ein großgewachsener Junge mit dunkelbraunen Haaren in eine Tür verschwindet wo groß und fett »Direktor« oben steht. "Ach", seufzt sie und blickte über ihre Schulter zu der zweiten Dame, die mit ihrem Computer beschäftigt war, "er bricht seinen Rekord von Tag zu Tag."
Diesem Satz entneheme ich mal, dass der Junge ziemlich oft hier her bestellt bzw. geschickt wird. Marie Black, den Namen sehe ich auf dem Schildchen an ihrer Weste, wandte sich wieder an mich.
"Jetzt hast du... bam-bam-bam", sie suche, von der startenden Schulglocke leicht gestresst, nach dem heutigen Tag. "Du hast jetzt Geschichte", meint sie grübelnd und holt sich einen Zettel und erklärt mit anhand einer schnellen Zeichnung den Weg.
"Okey, danke", lächle ich, verabschiede mich und eile dann mit den ganzen Zetteln in der Hand zur Tür hinaus.
Während ich die Flure hinunter eile kommen wieder ein paar Bilder an meine alte Schule hoch; ich kann nicht glauben, dass ich wirklich hier bin. Kurz werden meine Beine weich, erholen sich aber bald mal von dem Gefühl. Als ich dann vor dem Klassenzimmer stehe und die geschlossene Tür vor mir sehe, wollen sie sofort wieder weg brechen. Waah... muss ich da jetzt wirklich rein? Ich hasse es an zu klopfen. Wieso war niemand da, der 'reden konnte'. Dann hätte ich 'das Klopfen' gerne übernommen, beende ich meine Gedanken und tat es. "Herein", höre ich die halbe Klasse und öffne die Tür etwas zaghaft.
"Hey - warte!", verwundert drehe ich mich nochmal um und sehe einen Jungen in meine Richtung kommen. Es ist der von vorhin. "Lass die Tür offen", ruft er mir zu und läst seinen Blick an mir herunter wandern.
Ich habe nicht vor, wie bestellt und nicht abgeholt im Türramen zu warten, also gehe ich in hinein. Der Professor sah mich, wie der Rest auch, verwundert an.
"Tut mir Leid für die Verspätung, ich komme gerade vom Sekretariat", überspiele ich einfach seinen Ausdruck.
"Achso, ja, die neue Schülerin", bekommt er etwas verdutzt heraus und blickt dann an mir vorbei. "Cole. Wo kommst du her?"
"Vom selben Ort wie sie, nur ein Zimmer weiter", berichtet er mit knurrender Stimme, setzt sich auf den letzten Platz in der hinterstend Reihe. Ich unterdrücke ein Augenrollen und mache einen Schritt auf den leeren Platz in der zweiten Reihe zu.
"Joyce, stell dich uns doch kurz vor", lächelt der Lehrer und winkte mich wie erwartet nach vorne. Ich lege meine Handtasche auf den freien Platz ab und trete dann vor die Tafel.
"Ich bin Joyce Carter, bin 16 Jahre alt und komme aus Cork in Irland", murmle ich gerade noch verständlich die wichtigsten Informationen.
"Hast du irgendwelche besonderen Interessen, Joyce?", fragt der Grauhaarige neben mir.
"Öhm... Ich..." Erster Schultag auf einer amerikanschen High School - ich darf nichts dummes sagen, oder mein Leben ist höchstwahrscheinlich ruiniert.
"Ich mache gerne Sport", beginne ich und verstumme sogleich wieder.
"Irgend etwas spezielles?", hilft mir der Herr Professor.
"Naja... ich mache Reining, Tanzen, Schwimmen, letztes Jahr war ich bei einem Leichtathletikverein und ja..."
"Reining? Der Pferdesport?"
Ich nicke zustimmend. Genau genommen werde ich erst damit beginnen, aber wenn kümmert's.
Ich werfe einen Blick auf die Schüler vor mir. Einige starren gelangweilt zu mir, andere lächeln mich freundlich an, die meisten schauten aber desinteressiert irgendwohin - allerdings scheint keiner sich brennend für mich zu interessieren. Vielleicht besser so.
"Kann ich?", frage ich halblaut und zeige auf meinem Platz.
"Ja, klar. Dann herzlich Willkomen, Joyce, in der Creeping Willow-High School", entlässt er mich und beginnt sogleich mit dem Unterricht.
Die ersten Stunden waren der Horror. Immer musste ich mich vorstellen und nie hatte ich die Chance jemanden kennen zu lernen. Und das will ich hier zu aller erst.
Nachdem ich meine Bücher für die nächste Stunde geholt habe, suche ich mir einen ruhigen Ort, wo ich ungestört mein Brot essen kann. Vielleicht kommt ja wieder das Mädchen von heute morgen, denke ich mir und setze mich in den Schneidersitz. Die Bank ist so oder so unbequem.
"Hey Joyce", höre ich irgendwann die eine Stimme wieder, woraufhin ich mirin Gedanken stolz auf die Schulter klopfe.
"Hey. Woher weißt du meinen Namen?", frage ich leicht verwundert. Seltsame Schule hier.
"Den wissen schon alle", winkt sie ab und zeigt dann an ihr vorbei auf zwei Mädchen. Seltsame Schule. "Sie ist Paris", sie zeigt auf auf ein blondes Mädchen, welches dann freundlich lächelt und grüßt. "Und sie ist Arabella", weißt sie auf das schwarzhaarige Mädchen.
Okey, was ist eigenarziger: deren Namen oder, dass sie alle außer sich selbst vorstellt.
"Meinen Namen kennt ihr ja schon", grinse ich und sehe dann fragend zu der Brünette hoch.
"Oh, ich dumme Nuss", lacht sie und schlägt sich an die Stirn. "Ich heiße Cayenne."
Es kam die letzte Stunde, Sport. Toll, und was soll ich jetzt in Jeans-Hotpents, engem Top und luftigen Bluse sportlen? Cayenne -zum Glück haben wir zusammen Sport- ist so nett und fragt den Sportlehrer nach einer paar Sachen von einem der Mädchenteams.
"Viel Spaß", zwinkert sie mir zu. Neugierig begutachte ich die Sachen. Schwarze Volleyballsachen. Ich ziehe sie an und verstehe sogleich, weshalb sie mir so belustigt zu gegrinst hat. Mein Kurven werden verlockend schön, aber nicht übertrieben betont. Lächelnd begutachte ich mich in einem der Spiegel. Wieder kommen Erinnerungen in mir hoch, doch Cayenne zieht mich weg abprubt weg und eine Sekunde später finde ich mich in der Turnhalle wieder. Durch ihren Schwung stolpre ich beinahe durch den Eingang und habe sogleich die Hälfte der gesamten Augenpaare auf mich gerichtet.
"Herzlichen Dank", knurre ich ihr grinsend zu. Sie hat ihre Haare zusammengebunden, ihre Locken reichen ihr aber immernoch über die Schulterblätter hinunter.
"Hast du vielleicht noch ein Haarband?", frage ich und sehe ihr dann zu, wie sie zu zwei anderen Mädchen läuft und mir eines holt. "Danke", lache ich und binde auch meine Haare zusammen.
Eigentlich sind sie braun, aber ich war so verliebt in die Ombre-Hair, weshalb ich mir die Spitzen aufhellen gelassen habe. Aber die haben hier viele und manche bedeutend schönere als ich, musse ich bedauerlicher Weise zugeben.
Lautes Lachen zieht Cayennes Aufmerksamkeit auf sich und auch ich drehe mich zum Eingang ein paar Schritte hinter uns um. Cole kommt herein, neben ihm sind weitere zwei Jungs die ihm ähneln: groß, muskulös und dunkelhaarig.
"Cole, Liam und Shawn - von links nach rechts", sagt Cayenne.
"Lass mich raten: sie haben schon die ganze Schule flach gelegt und ich soll sie mir gleich aus den Kopf schlagen?", grine ich ihr zu als sie vorbei wahren.
"Genau richtig. Aber naja, die ganze Schule haben sie jetzt nicht mehr ganz durch", erkläre sie.
"Moment... sie sind 16 und haben schon alle durch?", frage ich verwirrt. Das wäre doch etwas schnell.
"Die? Nein!", sie lacht. "Die wiederholen das Jahr zum zweiten Mal." Mit hochgezogenen Augenbrauen sehe ich sie von der Seite an, wovon ich nur ein dämliches Gegrinse ernte. Shawn, der kleinste, dreht sich kurz um und sieht mich noch mal von oben bis unten an.
"Soll ich um mein Leben laufen?", flüstre ich Cayenne zu.
"Flieh! Flieh so lange du noch kannst!", singt sie mit hoher Stimme und beinahe jeder blickt wieder zu uns.
"Hey - ich will nicht auffallen."
"Wieso nicht? Du kannst es dir leisten: du bist hübsch, hast ne saugeile Figur und naja... du bist sympathisch", beendet sie es. Kopfschüttelnd gehe ich zu dem Sportlehrer der uns alle zu sich rief. Dafür bekomme ich einen auf den Hinterkopf. "Du kannst es dir leisten", murmelt sie mir noch lächelnd zu, zieht dann aber keine Aufmerksamkeit mehr auf uns.
Nach der Schule wollten Cayenne und Arabella mich noch in eine Pizzeria verschleppen und mir dann die Stadt zeigen. Zugegebenerweise mit schwerem Herzen, musste ich ablehnen. "Ich möchte mein Zimmer möglichst heute noch fertig eingerichtet haben."
"Wir könnten dir ja helfen", boten sie sich an.
"Lieber nicht, meine Eltern sind gerade etwas stressig wegen der ganzen Arbeit", lehnte ich wieder ab und versprach ihnen in den nächsten Tagen aber gerne etwas mit ihnen zu unternehmen.
Das Mittagessen dauert nicht lange: einen mageren Teller Gemüsereis, wenn auch mehr als köstlich, bekommen Paps und ich vorgesetzt. Die Stimmung ist noch ganz angenehm. "Wie war's in der Schule?", fragen sie nachdem sie beschlossen haben, das Bad blau zu streichen und nicht das Wohnzimmer.
Da würden sie dann einen purpur-roten Streifen an den Mauern entlang machen. Das Sofa hat die gleiche Farbe, der Boden ist aus hellem Laminat und die restlichen Möbel aus dunkelbraunen, lackierten Holz. Es verspricht also eine hübsches Wohnzimmer zu werden.
"Ganz toll. Hab schon ein paar Leute kennen gelernt. Cayenne und ihre Freundinnen: Arabella und Paris", berichte ich grinsend. Die Namen muss ich immernoch verdauen. Über ihre Gesichter zieht sich auch ein Schmunzeln. "Aber sie sind total nett", beende ich die kurze Beschreibung.
"Das freut mich", lächelt mir Mum zu und räumt dann ab. Ich hab noch nicht mal fertig gegessen. Das war das Zeichen, dass sie zur Horrorfrau wird, wenn man sie jetzt noch reizt.
"Aber jetzt wird gearbeitet. Joyce, du gehst in dein Zimmer und machst mal da weiter. Willst du sicher keine Farbe? Rot, blau, orange?" Noch ehe ich antworten kann, plappert sie schon weiter. Diesesmal an Paps gewendet. "Und wir machen dann mal das Klo fertig."
Ohne Wiederspruch verabschiede ich mich und ging auf mein Zimmer. Die Wände gefallen mir ohnehin so wie sie waren.
Am Abend lege ich mich total erschöpft in mein Bett. Beziehungsweise, ich stoße mich etwas vom Boden ab und lasse mich rückwärts dann auf mein französischen Bett fallen, wie man es in den Filmen immer sieht. Herrlich. Kurz bevor ich einschlafe höre ich die fröhliche Stimme meiner Mutter vom unteren Stock. "Joyce? Abendessen ist fertig!" Schläfrig stehe ich auf. Mit aller Vorsicht setzte ich einen Fuß nach den anderen, als ich die Stiegen hinunter gehe. Gestern bin ich schon einmal fast auf dem Hintern gelandet.
"Hey Kleine. Hast du dein Zimmer fertig bekommen?", fragt mich Paps. Ich nicke und setzte mich gähnend auf seinen Schoß. "Und du hast gar keine Hilfe gebraucht? Du bist ja ein tapferes Mädchen", lacht er und stupst mich an der Seite an, wo ich so verdammt kitzlig bin. Erstaunlicherweise aber auch nur an der einen Stelle. Kurz schrecke ich auf und werfe ihm einen bösen Blick zu.
"Morgen räum ich meine Koffer noch fertig aus", murmle ich und setze mich auf einen eigenen Stuhl.
"Morgen? Ich wollte dich eigentlich Fragen, ob du morgen mit mir zu meiner alten Schulfreundin willst - Alina Nolan", bringt sich meine Mutter ein und stellt einen Teller mit kleinen Pfannkuchen auf den Tisch.
"Ich wollte doch Koffer auspacken..."
"Alina hat aber nicht so viel Zeit und sie war damals meine beste Freundin. Es ist irgendwie meine Pflicht, euch einander vor zu stellen", gibt sie nicht auf und sah mich bittend an.
"Hm... ja, okey", stimme ich zu. Ich war hundsmüde: viel Wiederstand konnte man da nicht erwarten. "Dann muss ich mich halt mit Auspacken beeilen..."
Und genau das sind meine Entschuldigungen am nächsten Tag. Kurz sehen die drei mich vorwurfsvoll an, akzeptieren es aber und beschweren sich nicht weiter.
"Naja, du bist ja keine Woche hier. Wir können dir nichts vorwerfen", winkt Paris ab und lächelt. "Deine Mutter ist also auch hier zur Schule gegangen?", fragt sie neugierig, während wir uns auf einem der Tischtennistische im Hof hinter der Schule setzten.
"Ja, also sie ist hier geboren und aufgewachsen. Dann hat sie in England studiert, hat dort meinen Vater kennen gelernt und ist zu ihm nach Irland", fasse ich ihre Geschichte zusammen.
"Und jetzt seid ihr wieder hier in Missouri... Klingt irgendwie cool", sagt Cayenne und schaut nachdenklich.
"Der Fakt, dass du es 'cool' nennst, macht es schon wieder 'uncool'", lacht Arabella und Paris gleich mit. Cayenne streckt die Zunge raus und grinst dann. "Wie heißt ihre Freundin?", fragt Arabella und war wieder ernst.
"Alina. Nolan", vervollständige ich und ernte sogleich große Augen. Schnell schüttelt jede den Kopf. "Was?", frage ich verwirrt.
"Nolan", will Paris freudig beginnen, bekommt aber von Cayenne einen Stoß in die Seite.
"Nolan ist die wohl reichste Familie in der Stadt", erzählt mir dann diese und wirft kurz einen Blick über die ganzen Schüler.
"Was ist? Ihr benehmt euch so komisch... Nur weil sie so reich sind?"
"Du hast recht. Wir sollten jetzt in den Unterricht", sie verabschieden sich und jede läuft in eine andere Richtung davon. Verständnislos blicke ich einer nach der anderen nach. Ich hab ja verstanden, dass reich sein sicher toll ist aber... Fragezeichen?!?! Und mich so stehen zu lassen ist ja auch wirklich sehr nett.
Grübelnd und etwas beleidigt schlender ich in den Geschichte Unterricht. Dieses Fach hat mir schon immer gefallen... allerdings ist die us-amerikanische Geschichte ganz alleine etwas öde. Es sind übrigens noch 10 Minuten bis Stundenbeginn.
"Hey Joyce", höre ich eine nette Stimme hinter mir; ich bin gerade auf dem Weg in den Matheunterricht. Ich drehe mich um und grüße zurück. Die Stimme klang mehr als nett, einfach nur sympathisch, freundlich und hilfsbereit. Wie die eines Engels. So einer steht jetzt vor mir. Das Mädchen ist unglaublich hübsch mit ihren langen, stark gelockten Ombre-Hair und weichen Gesichtszügen. Ihre Kleidung sind zu 100% Hipster-Style. Sie könnte von eines der Mädchen sein, die man auf Tumblr oder Instagram findet.
"Ich bin Nicky", stellt sie sich vor und schultert ihre Tasche nocheinmal. "Wir haben zusammen Mathe." Wir gehen in den Unterrichtsraum und setzten uns nebeneinander nieder. Ganz hinten am Fenster. Sagt jetzt bloß, sie ist eine von den Crème de la Crème... Ich habe nie zu denen gehört. Keine Partys, keine Zigaretten, keine Drogen. Und ich war stolz darauf. Ehrlich gesagt hatte ich etwas Angst, mich gleich bei ihr zu blamieren und lächerlich zu machen. Mein Gefühl sagt mir eben, dass es eine gute Idee ist, den Hollywood-Filmen glauben zu schenken. Und das bedeutet, das ein Crème de la Crème-Mädchen die beste Serienmörderin ist.
"Entspann dich mal, du wirkst so... gestresst und... ängstlich", meint sie und sah mich etwas schief an.
"Ne, kommt nur vom Umziehen und Neueinrichten", verteidige ich mich. Sie nickt und steht dann auf um ein Mädchen zu umarmen, das gerade hereinkam.
"Sue", kreischt sie und viel ihr in die Arme. "Du bist wieder da", jubelt sie und streicht sich eine Träne weg. Ich grüße sie schüchtern, als sich beide wieder setzen.
"Hey. Neu hier?", antwortet sie selbstbewusst und schaut mir mit ihren eisblauen Augen direkt in die Augen. Gruselig.
"Ja, seid gestern. Ich heiße Joyce."
"Sue. Ich war die letzten zwei Wochen nicht hier", erklärt sie Nickys aufgedrehtes Verhalten von vorhin.
Dann begann sie Stunde. Sue und Nicky schreiben die meiste Zeit SMS und ich höre nur mit halbem Ohr zu. Der Tag heute war einfach nur verrückt. Zuerst die anderen drei, die mich eiskalt abserviert haben nur weil ich 'Nolan' gesagt habe, und dann diese zwei Mädchen, die mich doch einfach nicht mögen können. Hätte ich doch nie erwähnt, dass Mum mit mir zu ihrere alten Freundin fährt...
Während der Pause kreuzen Paris und Arabella wieder auf. Sie verloren kein Wort mehr zu dem einen Thema, also lies ich es auch fallen. Wir haben uns wieder auf den Tischtennistisch hinausgesetzt und jetzt erzählen sie mir ein paar Sachen über die Leute, die gerade so an uns vorbei laufen. Irgendwann kommen Nicky und Sue auf uns zu. Dabei verstummen die anderen beiden.
"Olá Joyce. Wir wollten dich fragen, ob du nächste Woche vielleicht Lust hast etwas trinken zu gehen?", fragte Nicky munter und beachtete die anderen beiden erst gar nicht.
"Ja, klar. Mittwochs kann ich halt nicht. Wann geht's denn euch gut?"
"Donnerstag? Morgen in einer Woche?"
"Jep, geht klar", sage ich zu und lächle sie an.
"Okey, dann lassen wir euch mal wieder in Frieden", winken sie mir zu und spazieren wieder davon.
Das Ganze kommt mir langsam echt vor wie ein Theater: die einen gehen, die anderen kommen. Innerlich verdrehe ich die Augen, als im selben Moment Cayenne dazu stoßt.
"Hab ich was verpasst?", fragt sie und sieht uns erwartungsvoll an.
"Nö, nichts besonderes", meint Paris kurz und trank von ihrer Caprisonne.
"Sie hat sich mit Nicole und Sue verabredet. Aber mit uns logisch nicht", schnauzt Arabella. Fassungslos sehe ich sie an. Statt zurück zu giften, verteidige ich mich forsch:
"Ja, nächste Woche! Nicht gleich an meinem ersten Tag hier." Grunzend verdreht sie die Augen und sieht böse in die Richtung der Jungs Clique, von denen drei gestern mit Cayenne und mir Sport hatten.
"Hey, hey, hey", beschwichtigt sie uns beide. "Joyce kann tun und lassen was sie will. Und wenn sie nächste Woche mehr Zeit hat, ist nicht sie daran Schuld." Es half nichts. Eingeschnappt läuft die Schwarzhaarige weg.
"Bella!", rufen ihr die Paris und Cayenne nach. Zumindest ein Theater mit sauberen Showeinlagen, fährt es mir durch den Kopf.
"Du darfst es ihr nicht übel nehmen. So etwas nimmt sie immer persönlich."
"Schon gut", winke ich ab und esse mein Brot auf.
Zuhause angekommen war ich froh, endlich wieder dort zu sein. Bella hat mich den ganzen Vormittag nicht mehr beachtet und die anderen zwei habe ich auch nicht mehr gesehen. Sue hat nach der Schule noch ein bisschen über Sport geplaudert. Ich sollte es mal mit Cheerleading versuchen.
"Ich überlegs mir mal", habe ich das Angebot belächelt. So sportlich ich jetzt vielleicht auch sein mag, Turnen ist wahrscheinlich immernoch eine Nummer zu groß für mich.
Paps ist schon seid einigen Stunden bei seiner neuen Buchhalterstelle bei einer Supermarketkette und Mum hat mir noch einmal den Gemüsereis von gestern aufgewärmt.
"Tut mir Leid, aber ich wollte das Bad und das Wohnzimmer endlich fertig bekommen. Siehs dir nachher doch gleich einmal an. Wie wars in der Schule?", fragte sie als ich nur nicke.
"Ach, Arabella ist total durchgedreht, weil ich nächste Woche mit zwei anderen Mädchen ausgemacht habe. Und ihre Angebote konnte ich halt nicht annehmen, weil ich nicht wusste, ob ich in den nächsten Tagen Zeit habe."
"Habt ihr noch einmal mit einander gesprochen?"
"Nein", antworte ich und zucke mit den Schultern. "Wahrscheinlich wird sie morgen wieder die Alte sein." Mum nickt verständnisvoll.
"Und sonst? Wie sind die Lehrer? Meine waren schlimm", grinst sie.
"Ja, nein... Die Lehrer sind ganz okey. Die in Cork waren besser", meine ich und zucke mit den Schultern. "Wann fahren wir zu Alina?"
"In zwei Stunden müssten wir los fahren."
"Okey, dann packe ich mal meine Sachen aus", murmle ich während ich ihr übermütig einen Kuss auf die Wange drücke. "Ich liebe mein neues Zimmer einfach, Mum", lache ich fröhlich und laufe hoch. Es ist wirklich wunderschön geworden. Helle Farben, gemütliche Möbel. Allgemein erinntert es ein bisschen an ein Telly Weijl Geschäft. Und das ist für mich das Höchste, was einem Mädchenzimmer passieren kann. Voller Freude, und den Vormittag für diese zwei Stunden vergessend, hänge ich meine Kleider auf, räume die ganzen Bücher in die Regale und was ich halt sonst noch mit geschleppt habe.
"Also, erzähl mir doch was über Alina. Cayenne und die anderen meinten, sie sei reich - sehr reich." Erwartungsvoll sah ich sie an. Auf dem Weg zu Mum's Freundin kommt in mir ein stolzes Gefühl hoch. Wahrscheinlich ist sie eine Multimilionärin. Und meine Mum ist ihre Freundin.
"Ja", lacht sie. "Aber sie hatte auch gute Voraussetzungen. Ihre Eltern waren schon sehr reich und so konnte sie nach der High School in Oxford studieren. Jura. In der Zeit haben wir den Kontakt verloren, aber ich kann mir vorstellen, dass sie sehr gut abgeschlossen hat." Von ihrer Stimme höre ich heraus, dass 'sehr gut' eine regelrechte Untertreibung ist.
"War sie auch so eine High School-Queen?", frage ich neugierig und drehe mich ein bisschen ihr zu.
"Und wie. Zwei mal -oder sogar drei Mal, ich bin mir da nicht mehr ganz sicher- wurde sie Ballköniging."
"Ich nehme mal an, sie sieht also schön aus?"
"Sie galt als die schönste", lächelt sie mir ebenfalls stolz zu.
"Und wie war sie so als Freundin?" Mum fährt in eine breite Straße, die gesäumt von großen Villen ist.
"Sie hatte immer ein hohes Ross, war aber immer eine Freundin um die man glücklich sein konnte", erklärt sie und hält vor einem weißen Hoftor. Mir wurde etwas mulmig. Es sah alles so luxuriös aus - sogar das kleine Stück Plastik auf der Straße schien teurer zu sein als meine gesamtes Outfit, dass ich mit bedacht gewählt habe. Nach zwei Sekunden schwang das Tor langsam auf und Mum fährt die letzten Meter vor das Haus hin. Staunend steig ich aus.
Es war früher Nachmittag und die Temperatur auf ihrem Höhepunkt - am liebsten würde ich mir die ganzen Sachen vom Leib reisen und in den Pool springen, von dem ich mir mehr als sicher bin, dass auch irgendwo einer ist. Ich lasse Mum vorraus gehen und, als wir davor stehen, öffnet sich die Tür.
"Esmee", begrüßt die Frau die darin erschienen war meine Mutter glücklich und umarmte sie innig. Gute Freundinnen? Das würde ich mal als 'AABFF' einstufen. Sie wischt sich eine Träne weg. "Meine Güte ist die Zeit vergangen, wie lange haben wir uns schon nicht mehr gesehen. Und du musst Joyce sein", sagt sie zu mir und reicht mir die Hand. Ich nicke und lächle schüchtern zurück.
"Und sie Alina", antworte ich nicht wissend, was ich sonst hätte sagen können.
"Kommt doch rein. Wir haben Kuchen und Kaffee gemacht", wünscht sie uns herein und führt uns ins Wohnzimmer. Es war riesig, das Sofa dreifach so groß wie unseres. Fensterfassade, Blick auf Schwimmbad -ich sagte doch, dass sicher eines herumschwirren muss-, und Park. Weicher Teppich, Kronleuchter. Mit offenem Mund sehe ich mich um, drehe mich einmal sogar um die eigene Achse. "Mein Sohn müsste auch bald kommen. Er hatte gerade Footballtraining und macht sich gerade frisch. Bitte setzt euch doch", sie zeigt auf eine Runde von vier Ledersessel und einem Tischchen in der Mitte. Darauf würde ich nie Kuchen essen... Wir setzten uns. Zaghaft greife ich nach dem Schokoladekuchen. Das auch dieser sehr teuer aussieht, muss ich wahrscheinlich nicht sagen.
"Oh, da ist er ja", sagt unsere Gastgeberin freudig. Ich springe schnell hoch als die zwei Frauen neben mir höflich aufstehen.
"Guten Tag", höre ich eine tiefe Stimme freundlich grüßen und -oh mein Gott ich kann es nicht glauben- sehe Cole auf uns zu kommen. Er reicht Mum und mir die Hand, dann setzten wir uns alle wieder.
Alle möglichen Gedanken stürzten sich auf mich, in dem Moment als seine warme Haut meine berührt hat, der köstliche Kuchen war vergessen. Regeungslos sitze ich da und muster den Jungen kurz. Er sieht unheimlich gut aus. Aber das ist nicht das, was mich so verwundert. Diese konnte nicht seine Stimme sein... so wie er gestern unseren Geschichte Professor angemault hat...
Ein selbstgefälliges Grinsen zieht über sein Gesicht, nachdem er meinen Blick traf. Gespielt gelassen sah ich weg, beim Fenster raus, und spürte seine Blick auf mir.
Und Cayenne, Paris und Arabella... waren sie wegen ihm heute so komisch? Und Scheiße... wieso muss seine Familie so reich sein? Mum wird sie sicher irgendwann einladen und dann sieht er unsere mickrige Hütte...
Diese und noch weitere selbstzerstörerische Gedanken ziehen mir in Höchstgeschwindigkeit durch den Kopf.
"Cole - zeig Joyce doch ein bisschen das Haus. Ihr müsst nicht unsere langweiligen Gespräche ertragen", lächelt mir seine Mutter entschuldigend zu. Ich will höflich ablehnen um mich vor einer Zweisamkeit mit ihm zu retten, aber der Junge war schon auf den Beinen.
"Gerne doch", meint er.
Wieso war er so scharf drauf? Wahrscheinlich interessieren in alte Freundinnen-Gespräche nicht. Mich ja auch nicht, aber... das ist... Cole... Die Wörter von Cayenne gehen mir durch den Kopf. Playboy.
"Hier entlang, Mylady", höre ich seine edle Stimme und es kam mir der Gedanke, dass meine Mutter mich nicht nur wegen Alina mit genommen hat. So ein Schwachsinn, Joyce.
Mit verschränkten Armen folge ich ihm, ich komme mir so fehl am Platz vor. Der großgewachsene Junge war schon einige Schritte vor mir und als er sich umdrehte und an mir heruntersah wünsche ich, ich hätte eine übergroße Pyjama-Hose anstelle der Hotpens an. In Gedanken laufe ich zu meinem Sessel zurück und klammer mich dort wie verrückt fest. Doch da muss ich jetzt durch...
Er dreht sich wieder nach vorne, geht aber langsamer damit ich aufholen kann. Ja, ich bin dir herzlich dankbar dafür. "Da ist unsere Küche, Wohnzimmer, Gästebad, Garage, Konferenzsaal, Fitnessraum, Terasse, Abstellkammer, Waschraum, Treppe hoch." Eine Rundführung war es nicht gerade. Sein Finger zeigt wie wild in der Luft herum und es war unmöglich auch nur eine Richtung auszumachen. Wir gehen die Treppen hoch. "Unsere Zimmer, Gästezimmer, Mutters und Vaters Büro, zweites Gästebad -wir haben eigene Bäder-, zweites Wohnzimmer, Bibliothek, Terasse, Treppe hoch." Gleiches Schema.
"Und das beste vom Haus...", verkündet er stolz. Mein Mund klappte wieder auf. Das Dach war eine Mischung zwischen offenem Wohnzimmer, Küche und Garten mit Badeteich. "Wie ich sehe gefällt es dir nicht", murmelt er gespielt betroffen.
"Nein, nein. Es ist wundervoll", antworte ich wie eine kleines Mädchen, als hätte ich die Ironie nicht beemerkt. Augenblicklich verfluche ich mich dafür. Ein amüsiertes Grinsen setzt in seinem Gesicht ein. Arschloch. Es ist nicht sehr nett, ihn so zu nennen, wo ich ihn nicht kenne. Aber ich bin mir sicher, dass er einer ist. Und sein Arm, der sich besitzergreifend um meine Hüfte legt, ist ein Beweis. Er schiebt mich auf das Sofa zu.
"Willst du etwas zu trinken? Wasser, Cola, Sekt?", fragt er während ich mich setzte. Tonlos schüttle ich den Kopf und blicke in die andere Richtung. Das Sofa senkt sich neben mir etwas ab, was mir sagt, dass er sich ebenfalls gesetzt hat - und das ziemlich nahe. "Und was mach wir jetzt, Süße?", fragt er leise nachdem er mir seine Hand auf meinen nackten Oberschenkel gelegt hat.
"Ich schau mir mal den Teich an, okey?", antworte ich schnell und flüchte vor ihm aus dem überdachten Part. Mir war klar, was er wollte. Aber so ganz nebenbei: auf dem Dach? Mit unseren Müttern zwei Stöcke unter uns, die jeden Moment kommen könnten? So oder so setzte ich ziemlich viel auf meine Jungfräulichkeit. Wie erwartet folgt mir Cole.
"Hast du einen Freund?"
"Nein", antworte ich knapp.
"Wieso willst du dann nicht?"
"Hallo? Wir sind hier auf einem Dach!"
"Also würdest du, rein hypothetisch", entgegnet er mit einem selbstgefälligem Grinsend. Ja, er ist ein Arschloch. Und es grenzt sicher auch an ein Wunder, dass er das Wort überhaupt kennt.
"Nein, ich würde nicht."
"Hm... hattest du heute schon einmal?"
"Nein - ich hatte heute nicht 'schon einmal' ", fauche ich schon fast. Sonst bin ich nicht so, was darauf beruht, dass mir sonst noch nie jemand so sehr auf die Nerven gegangen ist.
"Na dann", flüstert er ganz nahe an meinen Hals und legt seine Arme von hinten um mein Hüften.
"Lass mich", verteidige ich mich und zwänge mich aus seinen Griff. Ein 'Arschloch' verkneife ich mir. Ich halte immernoch an meinem Vorsatz fest, die hohen Viecher auf der High School nicht zu verärgern.
Sein Lachen verfolgt mich die ganzen Treppen runter, bis auf meinen Platz in der Kaffeerunde. Ich weiche seinen amüsierten Blicken und Schmunzeln gefliesentlich aus und warte nur noch darauf, endlich nach Hause fahren zu können.
Dieser Moment kommt auch nach erdrückenden drei Stunden. Genau genommen verabschiedet sich Mum noch vor der Haustür von Alina, aber wir wahren praktisch dabei, nach Hause zu fahren. Ich mustre sie im Rückspiegel und muss lächeln. Sie scheinen wieder beste Freundinen zu sein.
Jemand trat zu ihnen heraus und mein Blick wandert reflexartig zu ihm. Cole grinst in meine Richtung. Angewiedert schaue ich wieder gerade aus und schalte das Radio ein.
Was soll ich später sagen? Ich meine, Mum wird mich sicher fragen, was ich von Cole denke... 'Er ist ein perverser, eingebildeter Idiot. Soll ich das sagen? Über jeden Typen könnte ich das sagen, aber zum Sohn ihrer Freundin? Wahrscheinlich würde nur wieder das übliche Gelaber folgen: 'ach, da war sicher ein Missverständniss. Setzt euch mal zusammen und sprecht euch aus'.
Nach einer Weile verabschieden sich die beiden doch tatsächlich, es sind inzwischen 10 Minuten vergangen und die Uhr zeigt runde 18:00 an, und Mum setzt sich zu mir ins Auto.
"Da bin", meint sie munter und schnallt sich an. Noch einmal zurück winkend fährt sie dann los. "Und? Wie findest du Alina?"
"Sie ist nett. Und sie redet gern", grinse ich. Ja, in der Tat hat eigentlich nur sie die meiste Zeit geredet. Mum kichert kurz.
"Mhm, so war sie schon immer... Und wie ist denn Cole so?" Da wären wir.
"Er ist ganz okey. Aber hast du schon mal deren Dach-Terasse gesehen?", frage ich wie aus dem Häuschen. So irgendwie gespielt, so irgendwie hat mich aber wieder das Gefühl von vorhin eingeholt. Er war wahrscheinlich doppelt so teuer wie unser Haus und könnte zu einem der schönsten Gärten zählen. Exotische Blumen, marmor Statuen, leder Sitze. "Die ist einfach nur awsome..."
"Nein, die lass ich mir das nächste Mal zeigen. Also ist es okey, wenn ich die beiden zu einem Essen eingeladen habe?" Sie sagt es so, als würde sie mir dabei den größten Wunsch meines Lebens erfüllen. Ich allerdings, starre sie nur mit einem 'What-the-hell-hast-du-gesagt-was-du-getan-hast'-Blick an. "Ich dachte das würde dich freuen..."
"Tut es aber nicht...", murmle ich und schaue aus meinem Fenster hinaus. Toll. Das Arsch bei mir zu Hause. Super gemacht, Mum.
"Wieso denn nicht?" Wie hasse ich den schmierig-trauriegen Ton, der in ihrer Stimme mit schwang.
"Cole ist eingebildet", erkläre ich kurz und knackig; die Hälfte. 'Pervers' hab ich weg gelassen, aber so irgendwie läuft es ja über das selbse hinaus.
"Ach", winkt sie ab, "das wird schon noch. Glaub mir: morgen lernt ihr euch besser kennen und schon versteht ihr euch prima." Tada, was hab ich gesagt?
"Wenn du meinst", beende ich das Gespräch seufzend und lasse sie denken, dass es womöglich so sein könnte.
Und ich dachte, Mrs. Noland hätte ja ach so wenig Zeit? Toll, wie erkläre ich das morgen meiner beleidigten Arabella?
Zuhause verziehe ich mich gleich auf mein Zimmer. Nicht wegen meiner schlechen Laune -nein, die hat sich inzwischen wieder aus den Staub gemacht, sondern... einfach nur wegem dem Zimmer selbst.
Das kennt ihr doch sicher: ihr habt ein neues, atemberaubendes Paar Schuhe gekauft. Den restlichen Nachmittag vergesst ihr sie zwar, aber am Abend könnten ihr mit ihnen schlafen gehen. So geht es mir gerade.
Ich eile von einem Möbiliar zum nächsten und sehe mich glücklich um. Zuletzt stelle mich vor den mit von Bilder voll gespickten Spiegel. Es waren Bilder von meinen alten Freundinnen, der Spiegel war auch von ihnen. Der Rahmen hatte etwas orientalisches, war aber dennoch modern.Ich halte inne und betrachte ein Bild.
Meine beste Freundin, ihre zwei Cousins und ich sind darauf zu sehen. Ausnahmsweise war es kein verregnet Sommertag (so etwas gibt es in Irland auch alle hundert Jahre). Es war sogar so heiß, dass wir uns am Vormittag noch extra die kürzesten Hotpens und das kürzeste Bauchfreie Top gekauft haben, das wir gefunden haben. Wir zwei Mädchen sahen aus wie die heißesten der ganzen Stadt und die Jungs wie unsere festen Freunde die uns vergöttern. Auf allen Gesichtern sitzt ein überdimensionales Grinsend...
Es war der tollste Tag meines Lebens, aber irgendwie hatte man den Eindruck, jede Stunde in meinem Leben war so.
Aber das Bild ist eine eiskalte Lüge.
Mein Blick wandert zwei Aufnahmen weiter nach unten. Dort sieht man mich zwei Jahre jünger. Auf einer unangenehme Weise mehr Kurven, zu kurze Haare, hässliche Augenbrauen, langweiliger Style. Umgeben von der damals schon hübschen Emma und Carrie, meiner anderen Freundin, welche damals schon unzählige Freunde hatte.
Ich sah darin so unpassend aus.
Vor zwei Jahren hatte ich noch hässliche 13 Kilo zu viel auf den Hüften.
Mit Hilfe einer Therapeutin hab ichs zu dem Geschaft, was ich nicht war. Ein hübsches Mädchen mit sehniger Figur.
Ich dachte eigentlich, automatisch stark zu werden. Eine selbstbewusste Person, die sich ohne etwas zu befürchten über andere stellen kann. Die vielleicht auch Spaß daran hat, sich ab und zu mit einem Typen wie Cole ein zulassen.
Aber der Part blieb aus. Ich bin immernoch schüchtern wie damals und fresse das Halbe einfacher nur so in mich hinein.
Beim bloßen Anblick der Schule dreht sich in mir alles drunter und drüber. Es sind nur zwei mickrige Stunden. Nichts besonderes. Und dann noch der halbe Nachmittag.
Eigentlich habe ich mich schon auf Schulsystem hier in den Staaten gefreut. Ihr wisst schon, das mit den Kursen. Klingt ja auch ganz verlockend: jeden Tag nur die vier gleichen Fächer, die man zudem selbst bestimmen kann. Der (oder ein) Haken wird mir jetzt allerdings bewusst: man muss jeden Tag die gleichen Leute ertragen.
Richtig geraten! Das war eine Anspielung auf Arschloch-Cole Cole. Und Mum hat sie heute auch noch zum Essen eingeladen...
Missmutig schlage ich meinen Kopf gegen die Scheibe des Schülerbuses. Der Busfahrer haltet vor dem Schuleingang und alle steigen aus.
Es ist noch etwas frisch so früh am morgen. Aber man könnte zu recht zum größten Idioten der Welt erklärt werden, wenn man hier lange Hosen und ein Pulli anzieht. Am Nachmittag werden hier andere Töne bzw. Temperaturen angeschlagen. Am liebsten würde man sich noch einen Bikini einpacken, aber die verstoßen ja gegen die Schülercharta.
"Hey Joyce", kommt es irgendwann.
"Hey, Cay", grüße ich die Brünette, die geradewegs und mit einem fetten Lächeln im Gesicht auf mich zu kommt. "Na? Wieso so happy heute?"
"Ich freu mich einfach nur dich zu sehen, das ist alles."
"Aso, lieb von dir", grinse ich und halte ihr kurz einen Kussmund entgegen.
"Und? Wie war gestern?" Ich schaue sie verwirrt an. Wie soll was gestern gewesen sein? "Na du weißt schon... Nolan..."
Zuerst wollte ich den großen, neugierigen Augen mit 'Gut', antworten. Da dies aber ehrlich gesagt nicht so der Fall ist, bleibt mir das Wort im Hals stecken. Gleichzeitig steigt in mir Misstrauen auf. Ich stoße mich vom Tisch und sehe sie aus schmalen Augen heraus an.
"Du wusstest das ich schön direkt zu Cole nach Hause gehe? Nicht wahr?"
"Ja? Und?", fragt sie ohne wirklich zu kapieren, dass mir das überhaupt nicht gefallen hat.
"Ja und? Ich sagte dir doch, dass ich mit solchen Arschlöchern nichts zu tun haben will!"
"Hey, es tut mir Leid. Ich dachte... dass es dir vielleicht gefallen würde..."
"Was?"
"Na er... und wie er ist... Es tut mir wirklich Leid, ich schwörs dir. Sei nicht sauer auf mich, bitte..."
Wie unzählige Male zuvor fällt mir kein Konter mehr ein - und wieder verfluche ich mich dafür. Kleinbei gebend schaue ich zu Boden. Nebenbei ist das gestern ja auch nicht so schlimm ausgeartet und ihr scheint es auch wirklich Leid zu tun. Deutlich beruhigter setzte ich mich neben sie.
"Mum hat ihn und heute Mutter zu uns eingeladen...", offenbare ich dann und lege den Kopf auf ihre Schulter. "Ich überleb das nicht als Jungfrau."
"Ach was, so idiotisch ist er auch wieder nicht. Sobald du ihm erstmal klar gemacht hast, dass du nicht willst, lässt er dich auch - diesen Tag zumindest..." Ich hatte schon hoffnungsschöpfend den Kopf gehoben, lass ihn bei dieser Nachricht wieder gegen ihre Schulter knallen.
"Na toll..."
"Du kommst einfach zu mir nach Hause, dann musst du ihn erst gar nicht sehen... Abgesehen von Sport."
Kopfschüttelnd antworte ich: "Nö, wir haben erste Stunde auch Geschichte zusammen. Und Mum hat sie praktisch für mich eingeladen. Oder ihn zumindest."
"Lad ihn einfach wieder aus..."
"Dann lacht er mich aus und meine Mum ist sauer auf mich."
"Hm... dann musst du da wohl durch... Gestern habe ich mal wieder mit Bella telefoniert. Sie meinte, sie würde sich bei der Entschuldigen."
"Ah, okey", kommt nur. Was soll man da schon groß antworten.
Die nächsten Minuten sitzen wir schweigend da und warten auf Arabella und Paris. Sie kommen erst wenige Minuten vor Schulbeginn, typisch für die zwei Schlafmützen. Während sie auf uns zu kommen, sehe ich wie Cole einige Meter hinter ihnen über den Hof schlendert und lachend zu mir schaut. "Hey Joyce", grüßt er und nickt mir zu. Einfach nicht beachten...
"Joyce, neuer Verehrer?" fragte sie mich und klimpert mit den Augen. Ich schüttle schmunzelnd den Kopf.
"Bitte nicht", murmle ich und grinse meinen Freundinen zu liebe. Nur weil ich so mies gelaunt bin, sollen sie es nicht auch sein.
"Wieso nicht? Er ist doch schnuckelig..." Sie wirft ihm einen hungrigen Blick nach, der mich fast zum Lachen bringt.
"Joah...", antworte ich nicht gerade überzeugt und streife meine Haare über eine Schulter herunter.
"Egal. Ich wollte mich noch bei dir entschuldigen. Hab gestern wirklich überreagiert..."
"Schon gut... Mist, ich bin weg. Bis später", verabschiede ich mich schläunigst als die Schulglocke läutet.
"So, dann wollen wir mal die Aufgaben anschauen", flötet unser Geschichte Professor. Mann, wieso kann nicht jeder einen Streber haben, dem du stolz eine A+ bei der Prüfung geben kannst... WAS? Hausaufgabe? Hehe... Da hat man nicht mal einen Streber, der dich glücklich macht, schon erklärt dir der Himmel auf die schönste Art und Weise, dass du die Aufgabe nicht hast: höchstpersönliche Kontrolle des Lehrers.
"Fuck", entfährt es mir gerade noch so hörbar.
"Schreib schnell ab", flüstert Cole und schiebt mir seinen Zettel zu. Das schaff ich doch nie! Da sind doch mindest 40 Lücken in dem Text! Ohne mir große Hoffnungen zu machen beginne ich doch die Wörter so schnell wie möglich kopieren.
Wieso ich mich überhaupt neben Arschloch-Cole gesetzt habe? Es war leider kein Platz mehr frei oder anders gesagt, das Schicksal wollte mir mal wieder beweisen, wie sehr es mich lieb hat.
Ich weiß noch, dass er mich begrüßt hat... "Hey Babe, freu mich schon auf Nachmittag" oder so etwas in der Art, bestückt mit einem Grinsen voller sadistischen Vorfreude. Wortlos habe ich mich gesetzt und begonnen Eselsohren in mein Buch zu knicken, ohne ihm jegliche Beachtung zu schenken. Daraufhin hat er gelacht und mich eine Weile lang von der Seite beobachtet.
Das weiß ich, weil ich ihm selbst auch ein paar Blicke zu geworfen habe. Ein Grund war sein Aussehen, ich meine hey! Ich bin doch auch nur ein Mädchen. Aber meistens war es doch nur, weil ich von seinen Blicken irritiert war.
Irgendwann -meine Augen haben reflexartig zur Seite geschielt, weil ich ein Klicken aus seiner Richtung gehört habe- meinte er selbstgefällig: "Du magst mich. Du willst mich."
Meine Antwort bestand aus einem 'Ja-sicher-doch'-Grinsen und Kopfschütteln. Kurz lachte er auf.
Nein, weder will ich ihn, noch mag ich ihn. Ja, okey, erhat mir seine Aufgabe zum Abschreiben gegeben! Wow. Aber er ist trotzdem eingebildet. Und er hat eine Mädchenschrift, stelle ich schmunzelnd fest. Zumindest kann ich so die ganzen Wörter lesen und problemlos kopieren.
"Das freut mich aber gar nicht zu sehen, Mrs. Carter. An ihrem dritten Tag..." Erschrocken sehe ich zu der strengen Stimme hoch. Mist, Cole hätte mich auch warnen gekonnt.
"Mir hat nur das eine Wort hier gefehlt", versuche ich mich aus der Situation zu retten und verdecke das halbe, noch unausgefüllte Blatt so gut es geht mit meinem Unterarm. Professor Everdeen, so heißt er nebenbei, zieht die Augenbrauen unbeeidruckt hoch. Es steht ihm ins Gesicht geschrieben, dass er es mir glaubt - ja, aber wirklich so was von.
"Entschuldigung Sir", räuspert sich Arschloch-Cole neben mir, "ehrlich gesagt habe ich sie gebeten, schnell noch für mich ab zu schreiben - von ihrem Zettel." Innerlich glotze ich ihn doof an, aber da das nur seine Notlüge ruinieren würde, nicke ich zustimmend.
Mr.Everdeen blickt zwischen uns hin und her, bis er dann den Zettel, der eigentlich von Cole ist, überprüft.
"Gut, alles richtig, Joyce. Aber das nächste Mal lässt du Mr.Nolan das lieber selber machen", mehr bekomme ich nicht zu hören. Mr. Arschloch-Nolan hingegen bekommt eine prächtige Predigt. Ich genise jede einzelnen Satz unseres Lehrers, auch wenn sie Cole nur am Arsch vorbei gehen werden.
"Ein Danke würde genügen, Babe", höre ich Cole hinter mir, als ich das Klassenzimmer verlassen habe. Ich habe mich beeilt, damit er mich nicht auf die Nerven gehen kann - aber der Versuch ist wohl fehl geschlagen.
"Für was?", frage ich in normaler Lautstärke. Wenn er mich hört, hört er mich. Sonst halt nicht.
"Du durftest bei mir abschreiben - naja, das hast du vermasselt. Und nachher hab ich dich in Schutz genommen - zumindest hast du das nicht vermasselt." Er passt sich meinem Schritt an.
"Danke", murmle ich und biege in einen anderen Flur ab. Viele drehen sich zu uns um und beobachten interessiert, wie mir der Footballspieler nachläuft. So hörts sich irgendwie lustig an...
"Du hast ein Probelm mit mir, stimmt's?"
"Vielleicht", murmle ich und gehe einfach immer weiter. Um die nächste Ecke ist mein Spind.
"Hm, gefällt mir."
"Aha", erwieder ich einfach und halte mir die Bücher vor den Ausschnitt, als er schön dorthin schaut. Ich habe gelernt, aus dem Augenwinkel zu sehen. Mit ein bisschen Übung ist gar nicht mal so schwer.
"Weißt du", beginnt er, wird aber von Nicky unterbrochen, die schön auf uns zu gelaufen kommt. Gott sei Dank, meine Retterin.
"Ach Herr je, ich hoffe dir Cole ist dir nicht zu sehr auf die Nerven gegangen?" Sie umarmt mich und wirft einen gitfigen Blick dem besagten Jungen zu. Gespielt würde ich sagen...
Sagt mal... sind die befreundet?!
"Ich doch nicht, Nick", grinst er und drückt ihr einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange. Während sie eine Hand in die Hüfte stemmt und ihn strafend anschaut, legt er einfach mir nichts dir nichts seinen Arm um meine Hüfte, zieht mich an sich und drückt mir einen Kuss auf den Scheitel.
"Lass mich mal in Ruhe", fauche ich ihn wie gestern an und gehe weiter. Nicky kann von mir aus hier bleiben. Cole lacht noch mal kurz auf, andere grinsen oder sehen mich verständnislos an. "Waaaas? Die hat Cole. Nolan. einfach stehen gelassen? Ist die durchgeknallt?" Scheint so.
Ich stapfe auf meinen Spind zu, tausche die Geschichte Sachen mit den Matheunterlagen und will mich dann umdrehen.
"Ich sollte mich entschuldigen." Kann er mich nicht mal in Ruhe lassen? Und wieso lässt mich Nicky mit ihm alleine? Wahrscheinlich muss sie dem 'lieben, lieben Cole-Engelchen' einen Gefallen machen.
"Entschuldigung angenommen", murmle ich und will mich vom Acker machen. Langsam macht mich seine Anwesenheit unsicher und nerven tut er mich sowieso.
Ich will gehen, doch er versperrt mir den Weg mit den Arm. Ich zucke zusammen, als seine Hand mit einem lauten Prall gegen das Metall schellt. Das hätte er auch romantischer machen gekonnt. Mein Trommelfell ist jetzt halt mal im Arsch.
Ich Sammle meinen Mut und sehe ihn genervt und fragend an. Verdammt, seine Augen sehen aus wie geschmolzene Schokolade... Zum Glück steigt meine Nervosität nur noch mehr und verwandelt sich in etwas das Angst nahe kommt. Weich zu werden, wie andere Mädchen wahrscheinlich tun würden, käme mir gerade nich gut...
"Hey, ich will nicht das du denkst, ich sei einer von den Idioten", flüstert er und streichelt mir sanft über die Wangen. Jetzt komm ich mir ernsthaft wie im falschen Film vor. Ich ziehe die Augenbrauen hoch und will gehen, da drückt er mich gegen die kühlen Spinds hinter mir und sieht mir tief in die Augen. Unbehagen steigt in mir auf. Was soll das hier den bitte werden? "Ich liebe dich, Joyce." Kurz ziehen sich seine Brauen hilfesuchend und traurig zusammen. Ich zwänge mich weg aus seinem Griff und gehe Richtung Mathesaal davon, mit seinem Gelächter im Rücken. Ich dich auch, Arsch.
"Ich sagte, du sollst ihr nicht auf die Nerven gehen", höre ich die wütende Stimme von Nicky. Spätestens jetzt wird jeder die ganze Szene mit verfolgen. Applaus, Applaus...
"Ich hab doch nur Spaß gemacht", verteidigt sich der Junge immernoch lachend.
"Lass sie einfach!" giftet sie ihn noch an. Keinen Augenblick später hakt sich bei mir ein und zieht mich hinter sich her. Sie war schon beinahe gruselig und wie uns die anderen Schüler den Weg frei machen ist noch die Krönung. Okey, ich denke niemand will sich ihr gerade in den Weg stellen...
"Manchmal könnt ich ihn echt killen..."
"Wieso?" Yeah, mal wieder so eine extra schlaue Bemerkung meinerseits. Nicky sieht mich von der Seite an und mustert mich forschend.
"Er... Ist so stur und hört einfach nie auf seine Freunde. Er ist ein hochwertiges Arschloch." Toll, ich bin nicht die einzige die so denkt. "Aber sobald er sich abgeregt hat ist er ein echt guter Kumpel. Ich hoffe den kannst du auch noch kennen lernen", zwinkert sie mir zu. Oookey... Irgendwie hab ich erwartet, oder auch nur gehofft, dass sie sich gegen in wendet. Aber... Sie sind Freunde und shit happens. Was will man machen.
Kleiner Zeitsprung - minimaler. Mathe und Spanisch waren ziemlich uninteressant. Wie in den vergangenenTagen auch.
Ich bin aufgeregt wegen Sport. Nervös im negativen Sinne. Dieses Mal wird keine Engelsgestalt da sein, die ihr kleines Freundchen zurück pfeift.
"Ist was?", fragt Cay und legt einen Arm um mich. Die Geste wirkt weniger tröstens, sondern eher so, als wolle sie mich aus dem Schlund der Besorgnis ziehen und in die Lande der Spaßgötter katapultieren. Hey, die Metapher is ja mal schräg...
"Arschloch-Cole... ich will nicht mit ihm Sport haben..."
"Das schaffst du schon, beachte ihn einfach nicht." Ich verziehe die Lippen. Als ob das so einfach würde. Total demotiviert ziehe ich mich um. Da ich die Sachen von dem Volley-Team behalten darf und sie auch ganz angenehm sind, habe ich sie gleich wieder mit genommen. Nach Dienstag, also meinem erstem Schultag, ist mir die Idee gekommen, mich nicht mehr so an zu ziehen bei Sport... So 'reizend'. Aber schlussendlich drang die Idee nicht zu mir durch und ich hab wie gesagt einfach wieder die gleichen Sachen mit genommen.
Schande über meine beschissen-tiefwertige Entscheidungskraft...
Mit den Armen um mich geschlungen trete ich neben Cay in die Halle. Vorsichtig halte ich ausschau nach Cole. Noch nicht da, puh! Zu früh gefreut...
"Hallo Babe", höre ich eine tiefe Stimme an mir vorbei gehen und spüre eine Sekunde später Coles Hand, wie sie mir einen Klapps auf den Hinter gibt. Wie aus einem Mund riefen Cay und Shawn: "Lass sie!"
Die eine etwas wütend und mit einer Beleidigung hinten dran, der andere leicht lachend und einen Schlag auf den Hinterkopf verleihend. Die beiden sehen sich daraufhin eine Sekunde lang an. Ich kann keinen der Blick wirklich deuten, auch wenn sie irgendwie vor Bedeutungen zu glühen scheinen. Etwas erkenne ich... So was wie klitzekleiner Hass. Jei - ich werde psychologin!
Jedenfalls beginnt Cole höhnisch zu lachen. "Ich stell nur mal klar, wem sie als erstes gehörr", bringt er hervor und will weiter gehen.
Ich muss gar nicht Mut sammeln um es heraus zu bringen: "dir ganz sicher nicht!"
Diese Momente sind selten. Man kann es so sehen, dass ich einfach überkoche und es einfach so aus mir heraus brodelt. Cole dreht sich langsam zu mir um, alle anderen bleiben still.
Wieso? Sagt doch was. Hab ich ihn etwa wütend gemacht?
Und wenn schon, einen 1,90, muskulösen Footballspieler zu beleidigen ist ja keine so große Sache. Wäre ja nicht so, dass er zwei Köpfe größer ist und ich in seinen Sachen gefühlte zehn mal Platz hätte.
Sein ohnehin schon grinsenden Gesicht zuckt und ein auslachendes Lächeln umspielt seine Lippen. Sein Blick starrt mich nieder und ich sehe hilfesuchend in den von Cay.
"Das sehen wir noch, Babe", verkündet der dunkelhaarige wispernd und geht davon. Liam folgt ihm. Shawn wendet sich an mich, nachdem er noch mal kurz zu Cayenne geschaut hat.
"Also... Nicky hat mich gebeten, auf Cole zu schauen, wenn wir Sport haben", er lacht kurz. "Betrachte mich als dein Bodyguard. Und noch was", er schickt sich an den anderen zu folgen, dreht sich aber im gehen noch mal um. "Cole redet viel, wen, der Tag lang ist. Daran kann ich beim besten Willen nichts ändern."
"Alles okey?", fragt Cayenne.
"Jaja, alles okey", meine ich kopfschüttelnd und setze mich auf eine Holzbank am Rande der Turnhalle. Mir wird erst jetzt klar, dass zwei Drittel der Schüler zu mir starren, die restlichen zu Cole. Na toll. Ich lege wieder meine Arme um mich und bete, der Erdboden möge sich auftun und mich in sich begraben.
"Hey, sobald deine Nicky was davon erfährt, wird sie ihm die Hölle heiß machen." Seufzend nicke ich.
"Ich will den Köter nicht bei mir zu Hause haben..."
"So schlimm wird es sicher nicht, Hübsche... Du kannst ihn ja auch hinaus schmeißen. Solange deine Mutter denkt, du kommst mit ihm klar, könnte sie die beiden jeden Tag einladen."
"Sie würde aber nur sagen, dass das ganze nur ein riesen Irrtum ist. Und gleichzeitig plant sie schon unsere Hochzeit", füge ich knurrend hinzu. Cay lacht kurz.
"Und wenn ich zu dir komme?"
"Ja! Ich ruf Mum gleich nach Sport an", meine ich voller übertriebener Vorfreude. Jaaaah... ich frage noch um Erlaubnis...
Und dann beginnt auch schon der Sportunterricht.
Meine Hand legt sich auf die kühle Türklinke. Noch mal tief durchatmen.
Cay ist nicht mit zu mir gekommen. Nach Schulschluss habe ich Mum schnell angerufen und gefragt ob sie kommen dürfe. Und nein, sie durfte nicht.
Und jetzt stehen Mutter und Sohn vor meiner Tür. Sie klingeln noch einmal und ich mache ihnen endlich auf.
"Hi Alina", begrüße ich sie lächelnd, erwiedere ihre Umarmung und schenke Cole nur ein schnelles Hallo. Alina bittet sofort um Erlaubnis und tretet ein, während Cole noch andeutet, mir ein Küsschen auf die Wange geben zu wollen. Ich geh einfach schnell Mrs. Nolan nach. Er lacht kurz heißer auf. Dass sein Lachen unglaublich heiß klingt - und, dass ich so etwas so forumuliert denke ist auch was besonderes - ist mir schon seid langem aufgefallen, aber es ist einfach so Gott verdammt nervig, wenn er es hinter deinem Rücken tut.
"Oh, Cole - schön dich zu sehen."
"Die Freude ist ganz meiner Seits", schleimt er rum. Mum lacht kurz und blickt süß lächelnd zu mir. Ich glaube, der Gedanke, dass sie insgeheim schon unsere Hochzeit plant, ist gar nicht so abwägig....
"Joyce, holst du uns die Eisbecher ins Wohnzimmer?"
"Klar doch, Mum."
In der Küche stecke ich meinen Kopf in den Kühlschrank. Die vier Heiße-Lieben stehen zwar schon fertig auf der Theke, aber ich hab dringend eine Abkühlung nötig.
"Kann ich was helfen?" Ich zucke zusammen. Er musste mir ja logisch folgen.
"Nein. Kannst gehen", murmle ich und schließe den Kühlschrank mit einem Knall. Schnell staple ich die Becher auf ein Tablet und will sie ins Wohnzimmer tragen, da seh ich auf einmal schwarz vor mir. Nein, mir ist nicht schwindlig - aber bevor mir die Becher runter fallen, stelle ich sie lieber zurück.
"Himmel noch mal, was willst du?!" fluche ich leise und sehe ihn böse an.
"Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken." Ungläubig schiebe ich das Kinn nach vorne. "Es ist so, Nicky hat heute mit mir geredet und... War kurz davor mich zu Babybrei zu verarbeiten", erzählt er an mir vorbei grinsend. "Aha", schade, dass sie's nicht getan hat.
"Also... Ich denke... Ich sollte mich entschuldigen", er hält mir die Hand hin. "Vielleicht können wir ja doch noch Freunde werden?"
"Nicht, wenn zwischen uns nicht mindestens ein Meter Abstand ist und bleibt", antworte ich auf die wenigen 20 Zentimeter zwischen uns hinweisend, nehme das Tablet in die Hand und lasse ihn mit der Hand in der Luft stehen.
Ich kauf es ihm nicht ab. Ich denke, Shawn wird mich nicht ohne Grund 'gewarnt' haben.
"Sie wollte sich nicht helfen lassen", lacht Cole und fährt sich durch die Haare,
"Erzähl mal Joyce, wie gefällt es dir hier so bei uns?" Alina wirft mir noch ein zuckersüßes Lächeln zu und greift dann zu einem der Becher.
"Es ist schön hier. Nur das Klima ist eine riesen Umstellung." "
Ah ja, in Irland und England herrscht viel Regen. Aber dafür wirst du bei uns schön braun", zwinkert sie mir zu."Mein Junge hat mir erzählt, du würdest vielleicht ins Cheerleader Team eintreten?"
"Ach, hat er?" Es ist eine rhetorische Frage. Ich mische ein bisschen von den warmen Himbeeren mit dem kühlen Eis und genieße den Kontrast auf der Zunge.
"Nicky sucht noch jemanden und du bist halt.... Sportlich und beweglich... Arabella macht da so viel ich weiß auch mit..."
"Danke." Will er mich ernsthaft dazu bringen, in das Team ein zu steigen?
"Deine Mutter und ich waren auch Cheerleader, weißt du. Ich bin überzeugt, dass es dir gefallen würde."
"Mal sehen", beende ich das Thema. Ich schaue mich im Wohnzimmer um. Es ist für mich irgendwie noch genau so neu wie für unsere Gäste. Aber schämen brauch ich mich dafür sicher nicht.
Alina hat ihr Eis bald mal verdrückt, dicht gefolgt von meiner Mum. Auf dem dritten Platz liegt die gelangweilte Joyce. Und - der hat meine Heiße Liebe (die Wortwahl bitte nicht beachten) ja nicht mal angerührt! Na gut, ein drittel is weg... Aber wofür reiss ich mir den Arsch auf, wenn der es eh nicht mal isst?!
"Hast du keinen Hunger, Cole?", fragt Mum, der es offensichtlich auch aufgefallen ist.
"Nein, es ist nur so, dass ich Himbeeren nicht sonderlich mag Ma'am", erklärt er mit einem entschuldigenden Lächeln und stellt sein Glas auf den Kaffeetisch nieder.
"Schade, Joyce hat sich extra dafür Zeit genommen." Gott verdammt! Kann die mal ihre Klappe halten?! Ich hab mich schon fast gefreut, dass er das Bisschen runter gewürgt hat. Und nebenbei hat sie mich beinahe gezwungen den Dreck zu machen. Sorry, lieber Eisbecher - bis natürlich kein Dreck...
"Wirklich?", fragt Cole beeindruckt. "Ach, das mach ich oft", versuche ich es als unspektakulär ab zu stempeln und löffle einfach weiter.
Mum kichert. Sag jetzt nichts falsches. "Liebes, man soll nicht lügen. Joyce steht praktisch nie in der Küche." Ich schnalze zustimmend mit der Zunge und grinse. Alle, einschließlich Arschloch-Cole, lachen kurz. Allerdings war meine Reaktion eher für mich, so das übliche Selbstlob wenn sich meine Weissagungen bewahrheiten.
"Dann sollen ihre Mühen doch nicht umsonst gewesen sein", schmunzelt Cole und isst langsam weiter.
"Nein, nein. Lass das nur stehen. Vielleicht finden wir noch was anderes für dich. Joyce? Gehst du mal nach schauen?"
"Aber klar doch", antworte ich mit einem schmierig-süßem Lächeln und kann mir eine piespige Stimme einfach nicht verkneifen. Ich richte mich auf und gehe in die Küche wo ich mich gegen die Theke lehne und mir die Schläfe massiere. Das gibts doch nicht. Cole würde ich sein Essen gerade nur so um den Mund schmieren wollen und Mum alles entgegen werfen was ich so finde.
Ich meine... ernsthaft! Wieso benimmt sie sich auf einmal so? Und das Gentleman-Getue von dem Typen ist auch zum kotzen... Kurz überlege ich einfach auf mein Zimmer zu gehen und erst gar nicht wieder heraus zu kommen. Ich bin ernsthaft kurz davor, doch ich schalle ich noch rechtzeitig als kindisch.
"Wo ist das Klo?"
"Im Flur die Tür gegenüber", knurre ich und drehe mich gar nicht um.
"Danke. Setz dich mal, bitte", flüstert er und platziert seinen Hinter auf einem der Barstühle hinter der Theke. Was wird das jetzt? Und ich dummes Mädchen folge auch noch! Ernsthaft, wieso hab ich mich zu ihm gesetzt?
"Die Damen da drinnen denken, ich sei auf dem Klo - wenn du also nicht willst, dass sie entgültig denken, dass wir was haben, hörst du mir zu."
Das klingt für mich jetzt schon etwas weit her geholt. Nur weil sie unsere Hochzeit planen, bedeutet das nicht, dass sie denken, wir hätten was. Ähm... Vielleicht hat er doch nicht ganz Unrecht? Ach was, die planen doch nicht unsere Hochzeit - hör endlich auf mit dem Quatsch, Joyce.
"Ich geb ja schon zu, dass ich mächtig Scheiße zu dir war." Einsicht ist die beste Sicht. "Aber... Rein theoretisch: bin ich schon bei dir unten durch?" Bitte? Was will der mit 'rein theoretisch'? Oh, der meint das ernst? Ich zucke mit einer Schulter.
"Du warst ein Arschloch", lächle ich und nicke. Ja, er war ein Arschloch und so... Und wenn Nicky meint, dass er sonst ganz okey ist, dann ist er das sicher auch... "Wenn du mein Essen nochmal nicht auf isst, dann ja."
Er lacht leise. "Tut mir Leid, aber ich kann Himbeeren wirklich so gar nicht ausstehen."
"Nicht schlimm. Dann kocht Mum das nächste Mal selber was... Willst du überhaupt was?
"Nein, ehrlich gesagt ist mir der Hunger vergangen. Danke"
Was zum Kuckuck hat mich da heute geritten? Ich habe die Entschuldigungen von Arschloch-Cole einfach so angenommen? Dreh ich jetzt komplett durch?
Mum, die mich wegen meines Benehmens noch mal sprechen wollte, habe ich im Wohnzimmer stehen gelassen, nachdem sich Alina und sein Sohn verabschiedet haben. Ich kann es einfach nicht fassen... Es geht ja irgendwie weniger darum, dass ich ihm verziehen habe. Es kann ihm einfach nicht leid tun. Wieso bei mir auf einmal? Weil ich die Freundin seiner Freundin bin? Apropo: was findet Nicky an mir so besonders? Ich bin vielleicht hübsch, aber wirklich schön? Ich bin nett, aber irgendwie ja doch auch langweilig und sonst nichts...
Seufzend lasse ich mich in meinen pinken Sitzsack fallen. Und wieso hab ich den auch in pink genommen?
Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es schon wieder zu spät ist, mit Emma über Skype zu telefonieren. Morgen hab ich noch nichts vor, vielleicht lässt mir Arabella auch den einen Tag und ich kann endlich mal wieder mit meinen Freundinnen telefonieren...
So vor mich her dramatisierend und fantasierend mache ich später am Abend noch Hausaufgaben und dusche noch mal ausgiebig. Abwarten wie's weiter geht. Nur noch morgen, dann hab ich das ganze Wochenende lang meine Ruhe...
Später am Abend - man soll ja nicht lügen: Mitten in der Nacht hab ich doch noch einmal zu meinem Handy gegriffen und habe Emma angerufen. Mir sind fast die Tränen gekommen, bei ihrer hellen Stimme. Zugegeben, es ist keine Woche vergangen, seid dem ich sie das letzte Mal gesehen habe, aber bis zu unserem nächsten Treffen können noch Monate oder Jahre geben.
Und hier sind alle so schreklich verrückt... Sogar Mutter ist gestern kurz vor dem effektivem Durchdrehen gewesen. Und Cole hat sich aufeinmal entschuldigt. Und... ich bin aufeinmal der Mittelpunkt! Ich war noch nie der Mittelpunkt. Und ich will auch nicht der Mittelpunkt sein. Meine Güte, ich dreh hier gleich durch. Ich habe doch tatsächlich meine Freundin angerufen, um zwei Uhr morgens. Meine Freundin, einen Koninent weiter rechts. Steckt mich doch bitte in ein Irrenhaus.
Emma meinte, das Amerikanier wirklich komisch sind. Verdammt ja! Wecker leutet. Jetzt nicht mehr, jetzt liegt er auf den Boden. Ups. Mit starrem Blick richte ich mich nur mit dem Bauchmuskeln auf und bohre ein Loch in mein Fenster, hinter dem ein Vogel auf dem Nussbaum herum hüpft.
Was hab ich nochmal gedacht?Langsam steige ich aus meinem Bett und gehe ins Bad, mich frisch machen.
Ach ja, genau. Ich wollte in die Klappse. Ob das Essen da besser als in Krankenhäusern ist? Ne, das Essen ist gut in Krankenhäusern. Du warst noch nie in Krankenhäusern.Da ist was wahres drann...
Träge schleppe ich mich mit gewaschenem Gesicht und geputzten Zähnen zurück in mein Zimmer und sehe meinen Kleiderschrank taxierend an. Eigentlich sollte ich mir überlegen, was ich anziehen möchte. Nicht so doof den Kasten anglotzen...Ich suche alle meine Hotpens raus die ich habe. Drei. Ich habe eine mickrige Anzahl von drei Hotpens. Die weiße sieht toll aus. Dazu suche ich noch eine schwarzes Top und ein weißes Nike Sweater. Oder doch lieber das blaue Sweater?
Wisst ihr noch: man ist der größte Idiot, wenn man hier einen Pulli anzieht? Und könnt ihr euch an meine minderwertige Entscheidungskraft erinnern? Joyce, du erniedrigst dich selbst. Bitte, steckt mich endlich ins Irrenhaus oder in die Psychatrie...
Nachdem ich mich angezogen habe und mir meine Tasche geschnappt habe, gehe ich vorsichtig die Treppen hinunter. Man kann sich nicht vorstellen, wie hintertückisch und listig die sind. Das sind stinknormale Treppen ohne jeglicher Charaktereigenschaft! Oder auch nicht - ich ziehe scharf die Luft ein, als ich mich gerade ungewollt und äußerst unbequem auf eine Stufe 'gesetzt' habe. Knurrend rapple ich mich wieder auf und schmeiße mein Brot wortwörtlich in meine Tasche. "Guten Morgen, Daddy - ich bin schon spät drann, bis Nachmittag", sprudelt es gehetzt aus mir heraus, als ich den Bus vom Fenster aus vorbei fahren sehe. Ein leises Tschüß tönt mir hinterher.
Wie eine verrückte mit den Händen winken laufe ich dem gelben Fahrzeug hinter her. Bitte, bitte, bitte - bleib stehen! Scheiß Busfahrer. Kriminell wie sonst auch biegt er um die Kurve ab und nach und nach verstummt auch sein rattender Motor. "Und jetzt?" Wären heute nicht alle meine Sicherungen durch gebrannt, würde ich jetzt kehrt machen und Vater fragen, ob er mich fährt. Aber... mir sind halt mal die Sicherungen durch gebrannt und ich versuche es zu Fuß.
Nach ein paar Häusern und Straßen wird mir klar, dass ich mich verlaufen habe. Kann der Tag heute noch besser werden? Meine Hoffnung, noch rechtzeitig bis zur ersten Stunden da zu sein, schwindet allmälich. Irgendwann, um mich reihen sich kleine Einfamilienhäuser die mir von den ganzen Busfahrten irgendwie bekannt vor kommen, bleibe ich stehen und hole mein Handy raus. Schlimmstenfalls hat man doch immer Google Maps.
An einer Straßenlaterne lehnend warte ich darauf, dass die App endlich ladet.
"Na geht doch, Baby", juble ich als mir nach einer endlosen Ewigkeit endlich ein Weg angezeigt wird. "Nur noch beten, dass Google keinen Scheiß labert."
Mit dem Blick auf dem Display folge ich dem blauen Strich über die ganzen Kreuzungen. Mann, Umwege gibt es... Die Distanz die ich gegangen bin, entspricht den Weg zur Schule und wieder zurück zu meinem Haus.
"Wenn sieht man denn hier? Auf dem Weg zur Schule?" Jede Person könnte es sein, aber wieso Cole? Ein Blick zur Seite haut mich fast um. Mit seinen Eltern wundert es mich nicht, wenn sie alle einen hübschen Sportwagen fahren können - von mir aus auch zwei.Aber, dass sie ihren Sohn ihn einem verdammt heißen Cabrio -einem Lamborghini oder Ferrari vielleicht?- in die Schule schicken?Das selbstgefällige Grinsen zieht sich über seine Lippen, als ich einige Sekunden nicht zu antworten weiß. "Ja, Google ist mein bester Freund", grinse ich und halte mein Handy mit der Landkarte auf dem Display hoch. Er scheint kurz nicht verstehen, schüttelt dann aber den Kopf. Dieses doofe Kommentar würdest du selbst nicht verstehen.
"Willst du mit fahren?" Wie kommt man auf so eine doofe Frage? Wer will nicht in so einem Monsterwagen herum gefahren werden?! Wie ein Honigzuckerpferchen lächelnd nicke ich. Lachend macht er einen Kopfbewegung auf einen Beifahrersitz und spielt etwas mit dem Motor, während ich ums Auto herum laufe.
Joyce, jetzt nicht umkippen. Es ist nur ein Haufen von Blech mit einem Schuss Benzin und Öl, das etwas mehr als gewöhnlich kostet. Kein Grund zur Nervosität. Fuck! Wie macht man hier die Türen auf?
"Ähm... wie macht man hier die Tür auf?", sofort spüre ich Röte in mir hochsteigen. Kurz auflachend drückt er auf einen Kopf und plötzlich schwingt die Tür auf - und nein, nicht waagrecht wie bei jedem normalen Auto, sondern schön schräg in die Luft.
Wie abgefahren ist der morgen? Genug, dass ich schon Wörter wie 'Klapse', 'heiß' und 'abgefahren' benutzte.
"Achso", meine ich kleinlaut und setzte mich hinein. Und jetzt? Wie geht das Ding wieder zu? Cole drückt wieder einen Knopf und die schwarze Tor kommt wieder herunter. Gemütlich fährt das Auto los, der Junge scheint keinen Stress wegen der Schule zu haben... Die hat eh schon seid 10 Minuten begonnen.
"Noch nie daran gedacht, einen Mini zu kaufen?", frage ich und schaue mir jeden Zentimeter genauestens an.
"Einmal: hab Dads Wagen geschrottet." Mein Blick scheint ihn wieder zum Lachen zu bringen. "Nein, ich hatte noch keinen einzigen Unfall." Erleichtert atme ich aus. "Hast du den Bus verpasst? Sonst seh ich dich nie auf dem Weg hier."
"Ja, schön vor der Nase vorbei."
"Mach dir doch nen Führerschein und besorg dir ein Auto."
"Ich bin gerade erst hier her umgezogen. Darüber hatte ich noch keine Zeit nach zu denken", entgegne ich. Irgendwie hab ich das Gefühl, ich würde nur das typische Frauen-Hinterm-Steuer-Bild verkörpern.
"Zu viele Kaffee-Kränzchen am Nachmittag? Du siehst müde aus", meint er dann besorgt.
"So irgendwie ist heute nicht mein Tag", erkläre ich und wundre mich über seinen Tonfall. Wenn er sich entschuldigt - in Ordnung. Sich um mich sorgt - wtf?!
"Du sitzt in einem McLaren Spider und sagst, heute sei nicht dein Tag?" Ich kicher kurz, so kann man es auch sehen. Du hast gekichert, du gehörst eindeutig in die Klapse. "Hast du morgen oder Sonntag schon was vor?"
Ääääääääääähm... nochmal, bitte was? Er hat gefragt ob ich schon was vor habe?
"Am Wochenende?"
"Sonntag und der Tag davor, Samstag, bilden das Wochenende, jah", antwortet er, etwas irritert über die Antwort. Mich irritiert schon allein die Frage.
"Ehrlich gesagt will ich zu Hause bleiben und ein bisschen enstpannen", berichte ich. Ich will nicht mit ihm ausgehen, das ist die knallharte Wahrheit. Nicht nur, das wir uns seid gestern 'verstehen' - ich kenn ihn ja gar nicht.
"Sicher? Du verpasst 'nen riesen Spaß."
"Nein, den ganzen Tag lang auf dem Sofa pennen ist schon genug Spaß, danke", lehne ich nochmals ab. Und was soll das 'danke'? - Liebe, innere Stimme: halt mal deine verdammte Fresse.
"Schade. Da wären wir." Am liebsten würde ich mich in dem Lederbezug meines Platzes fest krallen und wie ein Kind herum jammern, noch ein Stück fahren zu können, aber das wäre wie gesagt wie ein Kind und somit kindisch und somit relativ unangebracht.
Bildmaterialien: Cover-Bild ist von mir!
Tag der Veröffentlichung: 09.02.2014
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