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Zeit für etwas Neues

 

 

 

 

 

 

 

 

Märchen schreibt die Zeit, und in der heutigen Zeit waren gute Märchen mehr als teuer.

Das Magische Buch hatte Caros letzten Wunsch erfüllt und die Zeit zurückgedreht. Sämtliche Erinnerungen waren versunken und Taten und Dinge erloschen.

Es war Juni geworden, einer der wohl wärmsten seit 1960, oder nur ein neuer Vorbote der Klimaerwärmung, das Wetter zeigte sich auch im kalten England von der charmantesten Seite und lud die Menschen in seine Eisdielen und Kaffees ein. Sie nahmen das Angebot gerne an und flanierten durch die engen und verschlungenen Straßen der Hauptstadt.

An Touristen mangelte es wohl kaum, sie wanderten in Horden über die Tower-Bridge oder bevölkerten den Big Ben samt Parlament, sie klebten an den Scheiben der Geschäfte und jammerten über die viel zu teuren Dinge dahinter. Es war wie immer, und doch war es eigentlich nicht alltäglich.

Caro hatte durch ihren Wunsch die Zeit verändert, die Stunden und Tage verdreht, eine Macht, die endlos hätte Unheil gebracht verbannt, Ruhe war eingekehrt, man konnte sie fast in jeder Haarspitze spüren, ließ alles vergessen.

Sie war gerade dabei die Stadt zu verlassen, ihr Weg führte sie an den Hafen, dort wartete schon die Fähre, sie parkte auf dem reservierten Parkplatz in der Nähe, legte das Scotland Yard Schild sichtbar in den Wagen und stieg aus, ergriff ihre Tasche und wanderte gemütlich an die Anlegestelle.

 

Viele Menschen tummelten sich dort, genüsslich beobachtete sie die Familien, die ganz wild darauf waren, eine kleine Schaukelpartie auf eine der vielen Kanalinseln zu wagen, und froh sein würden, ohne jeglichen Magen entleerenden Zwischenfall auf diesen Inseln anzukommen.

Kurze Zeit später, drang eine blecherne Stimme aus einem der Lautsprecher im Terminal, und verkündete die Ankunft der Fähre mit der Caro ablegen würde, sie mochte das Meer, was sie allerdings nicht leiden konnte, war der meist zu hohe Wellengang zwischen den Inseln.

Alle Passagiere wurden gebeten, sich an Steg A zu begeben, langsam erhob sich Caro und ließ sich von der Masse mitschleifen, ein Gewirr an verschiedensten Sprachen überflutete die mittelgroße Fähre, die Gäste nahmen in wilder Erwartung Platz und sahen aus den Fenstern, kicherten, diskutierten über die Was-wäre-wenn-Frage, falls das Schiff untergehen würde, gäbe es genug Rettungsboote, Schwimmwesten oder ähnliches, Caro schmunzelte und setzte sich an einen der Fensterplätze, starrte hinaus und ließ sich berieseln.

Eine junge Familie mit zwei Kindern gesellte sich zu ihr. „Dürfen wir uns zu dir setzen?“, fragte die Frau in einem richtig wilden englisch, Caro sah sie an und nickte lächelnd. Die Frau bedankte sich und winkte ihren Mann herbei, dieser hatte einen Jungen auf dem Arm, ca. vier Jahre alt.

Die Fähre legte pünktlich um 15.00 Uhr nachmittags, mit einem lauten dreimaligen Tuten ab, Caro kramte ein Buch aus ihrer Tasche und schlug es ehrfurchtsvoll auf, dann fing sie an die erste Seite zu lesen.

Die Frau kramte in einer großen Umhängetasche herum, und förderte Windeln, Fläschchen, Tücher einen alten zerkauten Keks und eine Tupperdose hervor. Der Junge setzte sich geduldig auf die Bank, während das andere kleine Kind, ein Mädchen, ein Teil nach dem anderen auf den Boden warf. Genervt wies sie das Mädchen zurecht und sah dann mit Stirne runzelnden taxierenden Blick zu ihrem Mann, der nicht wirklich reagierte und die Dose öffnete, zum Vorschein kam ein Apfel, eine Birne und einige Kirschen, mit gierigen Augen setzte sich das kleine Mädchen auf den Schoß der Mutter und fingerte sich ein Apfelstück aus der Dose, an dem sie dann genüsslich herumlutschte.

 

Caro versuchte sich zu konzentrieren, aber die Umgebung ließ es nicht zu, sie musste immer wieder von ihrem Buch aufsehen, was zur Folge hatte, dass sie andauernd die Zeile verlor. Nun hatte sie die erste Seite mindestens zwanzigmal versucht zu lesen, und es gelang ihr nicht, sich zu konzentrieren, die Unruhe auf der Fähre machte sie ganz wuselig.

Entschlossen klappte sie das Buch wieder zu und lehnte sich zurück, ließ die Landschaft an sich vorüberziehen. Die Überfahrt dauerte ungefähr zwei Stunden, der Kapitän der Fähre stellte sich als Roger Flanigan vor und begrüßte die Gäste auf das Herzlichste. Er erklärte die Fahrtroute und die einzelnen Anlegestellen der Inseln, auf dem Speisedeck gäbe es ein leckeres Buffet, und auch für Unterhaltung wäre gesorgt, eine Live Band würde im Unteren Deck für Stimmung sorgen.

Die Familie war aufgebrochen, um sich die Fähre anzusehen, Caro lehnte ihren Kopf auf die linke Hand und schloss ihre Augen, versuchte zu dösen, bis die Live Band anfing zu spielen, und der sanfte Rhythmus eines Schlagers sie wieder erweckte.

„Du, wir kommen aus Deutschland!“, rief der kleine Junge, und hatte sich direkt vor ihr postiert, Caro schlug die Augen auf, räusperte sich, und wollte gerade mit einem Satz beginnen als die Mutter ihren Sohn tadelnd mit sich zog, und Caro einen entschuldigenden Blick zuwarf, sie musste grinsen und winkte nur ab.

„Sind wir denn jetzt nicht mehr aus Deutschland?“, wollte der Junge überrascht wissen, und sah seine Mutter überlegend an.

„Doch, aber du kannst nicht jeden hier an Bord belästigen!“, meinte sie leise.

„Sie sieht aber nett aus!“, bemerkte das Kind.

 

Caro schmunzelte und sah sich wieder um, dann legte die Fähre an. Menschen gingen und kamen, die Fahrt verlief ruhig und touristisch, dann kam endlich ihre Anlegestelle. Ein kleiner breiter Steg wurde sichtbar, die Insel hieß Fryar´s Island, dort sagten sich außerhalb der Ferienzeiten Fuchs und Hase gute Nacht. Die Insel war eine reine Touristeninsel. Ein Pub, eine Kirche, ein Leuchtturm, einige Bed and Breakfast, zum Ausruhen und Relaxen wirklich gut geeignet.

Wieder stürzten die Passagiere, die Aussteigen wollten, auf den Ausgang zu, und taten so als würden sie sonst nicht an Land kommen. Immer diese Touristenhektik, keiner würde hier an Bord bleiben müssen, mit schweren Koffern, großen Fotoapparaten, Malerstaffeleien und was sonst noch zum Relaxen wichtig war, verließen sie das Schiff.

Die Wellen schlugen glucksend an den Steg und der Himmel versuchte sich zu bewölken, der salzhaltige Duft des Meeres legte sich in ihre Atemwege, sie mochte diesen Duft.

Knarrend seufzte der alte Steg unter ihren Schritten als sie an Land ging, welch gnadenloses Idyll doch diese Ferieninsel war, überall saßen Möwen auf den Pfählen und begutachteten sie akribisch, dann war Caro angekommen. Ihr Weg führte sie in das Tourist Information Center am Hafen, dort lagen die Freizeitangebote der Insel in Form von bunt illustrierten Flyern aus.

Eine Frau, in den dezenten Farben der Insel gekleidet, saß hinter dem Tresen und versuchte beschäftigt auszusehen, doch im insgeheimen schien sie froh zu sein, dass endlich wieder eine Fuhre Kundschaft angekommen war. Es dauerte auch nicht allzu lange und die meisten Passagiere der Fähre standen unschlüssig und wirr in dem kleinen Raum, der nach neuem Teppich und Lufterfrischer roch.

 

„Hallo, ich habe ein Zimmer reserviert, mein Name ist Carolin Smith!“, fing Caro freundlich an.

„Hallo und willkommen auf Fryar´s Island, war die Überfahrt angenehm?“, fragte die Frau mit dem festgewachsenen Grinsen.

„Danke sehr angenehm, habe ich zufällig eine Hauptsaison erwischt?“, wollte Caro wissen.

Die Frau unterließ es in ihren Unterlagen zu wühlen, und tippte irgendetwas in ihren Computer. Dann galt ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit Caro, trotzdem blickte sie geschäftig durch den Raum. „Ja, so in etwa, wir haben während der Saison das Piraten-Schmuggler-Festival auf der Insel zu Gast, ein Highlight, so hier habe ich ihre Reservierung, eine Person, Anreise heutiges Datum, Abreise steht noch offen. Draußen auf dem großen Platz am Hafen stehen Taxis, falls sie eines benötigen, aber der Weg zu ihrem Domizil wäre auch sehr wunderbar zu laufen, nur gut eine halbe Stunde entfernt!“, erklärte sie, und hatte die Wegbeschreibung und das Formular mit der Reservierung auf den Tresen gelegt.

„Danke!“, flötete Caro beschwingt, ergriff die Zettelwirtschaft schulterte ihre Tasche über und verließ winkend die Einrichtung. Am Eingang kam ihr wieder die kleine Familie entgegen, ihre Gesichter wirkten ziemlich planlos.

„Wir sollten in der Tourist Information nachfragen!“, meinte die Frau.

„Wäre einfacher, wenn du dich informiert hättest!“, konterte er, und zog einen Flunsch.

Caro drängte sich grüßend an ihnen vorbei, ging kommentarlos weiter, auf dem anscheinend neu gestalteten Hafenplatz prangte ein riesengroßer Anker, mit schweren Kettengliedern daran, es wurde langsam 17.00 Uhr.

 

Ein monumentales Plakat hing an einer Fassade und kündigte das große Festival an, sie setzte sich auf eine der im Kreis angeordneten Bänke und faltete den Inselplan auseinander, ein dicker fetter Kreis in Rot markierte ihren Standort, darüberstand, sie befinden sich hier. Grinsend drehte und wendete sie den Plan. „Wie hieß die Straße noch mal?“, flüsterte sie sich leise zu, und nahm auch den anderen Zettel zur Hand.

„Ah ja, gefunden!“, bemerkte sie freudig, und erhob sich wieder. Hier gab es nicht viele Straßen, und die, die es gab, waren gut ausgeschildert. Langsam wanderte sie an den drei Inseltaxis vorbei, sah nochmals auf den Plan und folgte der Straße, man klappte anscheinend hier schon um 17 Uhr nachmittags die Gehwege hoch.

Aus einem klitzekleinen Laden strömte ihr köstlicher Essensduft entgegen, der ihren Magen daran erinnerte, dass sie schon seit dem Mittagessen, und das bestand aus einem winzigen Sandwich belegt mit Tunfisch, nichts mehr gegessen hatte, sie betrat den Laden, und fand ihn gleich extra cool.

Das Restaurant war ein etwas langgezogener Raum mit gewölbter Decke, die aussah wie das untere Deck eines Piratenschiffes, einige alte Funzeln hingen von den Balken, in denen sogar echte Kerzen brannten. Caro sah sich ein wenig um, an den Wände schmiegten sich Regale voller Krimskrams, Treibgut und Bücher, es roch nach Teer, Salz, und unendlichen Piratengeschichten. Caro setzte sich an einen der runden Tische, und schob ihre Tasche mit dem Fuß darunter, eine Frau um die Mitte Zwanzig wedelte heran, zückte eine Bleistift und zog ein Blatt Papier aus ihrer Hose. „Na Miss, was darf´s denn sein, ein Stück Hai oder gepökeltes Fleisch, verschimmeltes Brot zur Suppe, harharhar!“, grunzte sie Seemannstechnisch.

Caro kicherte und ergriff die Karte. „Ein fades altes Bier, wenn´s geht ohne Schimmel, danach wäre mir eine Kelle alte Suppe aus allem, was ihr in der Kombüse finden, konntet recht!“, prustete sie, und versuchte sehr tief zu sprechen.

Die Dame schien aus der Spur gekommen zu sein und hob ihre Augenklappe, ein zweites blassblaues Auge erschien. Sie lutschte an ihrem Bleistift, bis sie in lautes Gelächter ausbrach, zupfte den Dreispitz vom Kopf und legte ihn auf den Tisch, schwang sich behände auf den zweiten Stuhl und legte ihre Schreibutensilien bei Seite. „Ich heiße Em wie Emma?“, stellte sie sich vor.

„Caro wie Carolin!“, lächelte Caro schief.

„Wie wär’s mit einem echten Insulaner Essen, du siehst unterernährt aus, Caro vom Festland!“, meinte Em freundlich.

„Ich würde dankend annehmen, Em von der Insel!“, neckten sich die beiden, als würden sie sich schon ewig kennen.

„Gegen 18 Uhr wird das Lokal voll sein, bis dahin kannst du es dir gemütlich machen, ich bring dir ein Bier ohne Schimmel und ein paar Enterhaken, vielleicht hast du ja auch Lust in einem meiner Bücherregale zu kramen!“, sagte sie frisch, und ergriff ihren Piratenhut, setzte ihn wieder auf und verschwand im hinteren Teil des Ladens.

Gesagt getan, Caro erhob sich und gesellte sich zu den Büchern, lauter alte Schmöker, von der Schatzinsel bis über den fliegenden Holländer war dort zu finden, anbei befanden sich auch seltsame Dinge wie einige alte Münzen, ein Sextant, ein historischer Kompass, eine Schiffsplanke mit Namen, Muscheln, eine alte Gabel ohne Zinken, und Strandgut.

 

Und Em behielt wirklich recht, gegen 18.00 Uhr strömten die Gäste scharenweise in das Lokal, mitunter eine Reihe verwegen aussehender Männer mit langen Bärten, Augenklappen, Holzbeinen und schwarzen Zähnen. Ein jeder trug ein Instrument unter dem Arm, es war die Band des Abends, mit dem klangvollen Namen „The Rest Room Pirates“, Caro verfolgte das Geschehen mit großen Augen und offenen Mund und vergaß dabei ganz die Zeit.

Das Essen schmeckte hervorragend, Em und ihre Crew zauberten ein kulinarisches Meisterwerk aus verschiedenen Speisen, die es mit Sicherheit auf einem Piraten-oder-Schmugglerschiff nie gegeben hätte, vorausgesetzt es hätte Aida geheißen.

Gegen 20.00 Uhr war die ganze Mannschaft satt gefressen, und lehnte müde und voller guter Laune in den Stühlen. Caro stellte erstaunt fest, dass sie schon längst hätte einchecken müssen, also trat sie wie es sich gehörte an den Tresen, um zu bezahlen, Emma stapfte wogend heran. „Zahlen ist hier nicht angesagt!“, rief sie heiser.

„So, was dann?“, wollte Caro wissen, und wartete gespannt auf die Antwort.

„Du kannst das Deck schrubben, oder die Gläser polieren!“, keckerte Em, und versuchte ihre Augenklappe zu bändigen, die ihr immer wieder vom Kopf rutschte.

„Gut, ich werde morgen antreten!“, schnarrte Caro, und verließ das Lokal, machte sich auf den Weg in ihr Bett, ein kleiner schmaler Fußweg führte sie aus der Inselstadt mit vielleicht hundert Bewohnern hinaus, eine leichte Brise begleitete sie dabei.

 

Endlich angekommen, im Haus brannte noch überall Licht, sie ergriff den schweren Eisenring, der an der Tür hing und klopfte damit an. Es dauert nicht allzu lange und die Tür öffnete sich auch, ein Mann lächelte ihr einladend entgegen. „Wir dachten schon die Geister der Insel hätten dich verschleppt!“, brummte er freundlich, und sah noch dazu aus wie ein Mitglied der Marx Brothers.

„Tut mir leid, ich bin versumpft, das Essen war so köstlich, ich konnte nicht widerstehen!“, schmachtet sie gutgelaunt, und wurde hereingebeten.

„Ich heiße Luc, und zeige dir gleich mal dein Zimmer!“, meinte er freundlich, ging voraus und zeigte Caro ihr Zimmer.

Sie stellte ihre Tasche ab und sah sich um, Luc war in der Tür stehen geblieben. „Schön hier, danke!“

„Gut, das Frühstück wird unten im Frühstücksraum serviert, von sieben bis zehn, wenn du etwas brauchen solltest, dann sag´s einfach!“, meinte er, und zog die Tür hinter sich zu.

Caro trat ans Fenster und öffnete es, man konnte den Leuchtturm sehen, der auf dem Inselausläufer stand und ab und zu das Gebimmel einer Boje hören, aber das Allerwichtigste war wohl, dass man das Meer schmecken konnte.

 

Der nächste Tag war ein typischer Insel Tag, ein wenig nebelig und kühl. Sie frühstückte und verließ das Haus gegen zehn Uhr morgens, sie hatte sich von Luc ein Fahrrad ausgeliehen, ein richtig gutes, mindestens zwanzig Gänge und federleicht. Bewaffnet mit dem Inselplan von Beth, versuchte sie dem Rad-Fußweg zu folgen, er führte sie durch unendlich viel Nichts aber immer begleitet vom Meer, und ab und an tauchte ein Haus auf, viele Fischer wohnten abseits des Dorfes, oder sollte man Stadt dazu sagen, egal, sie hielt an einem Wegweiser an, um sich zu orientieren. „Nun, wo soll’s denn hingehen?“, fragte sie sich.

„Die Karte sagt links und ich sag rechts, na dann weiter!“, forderte sie sich selbst auf, und fuhr genau verkehrt, was eigentlich richtig war, denn sie hatte die Karte falsch herum gehalten.

 

Besagtes Reiseziel fand sich schnell, eine lange Mauer umrahmte das Grundstück, bewachsen von Unkrautgräser oder sogar kleinen Bäume, der Fahrtwind streichelte ihr Gesicht, sie traf auf unzählige Wanderer, die freiwillig Unmengen an Kilometer gelaufen waren, um dann zu Hause davon berichten zu können, was für wunderbare Blasen doch diese Naturwege in Sachen Wellness und Fitness hervorbringen können.

Und dann öffnete sich der Weg plötzlich rechts von ihr, ein großes schmiedeeisernes, protzig verziertes Tor erschien zwischen Sträuchern, und es war offen, sie stieg kurz ab, überlegte, und brauste dann hinein.

In der Auffahrt plätscherte ein Brunnen, dessen Wasser durch den Wind sich fein zerstäubte und ihre erhitzte Haut zärtlich abkühlte, sie ging die Treppe hinauf und drückte den Klingelknopf, eine Frau erschien, sehr adrett und nicht wirklich aus dieser Zeit, ihr Gesichtsausdruck sprach noch bevor sie den Mund aufmachte, bereits Bände. „Bitte!“

„Ich hätte gerne einen Freund besucht!“, versuchte sich Caro verunsichert.

„Freund!?“, brummelte sie streng, und hob ihr Kinn, die rabenscharfe Nase zerschnitt die Luft und Caro trat fast unbewusst ein wenig zurück.

„Ja, einen sehr guten Freund!“, setzte sie nach, und streckte die Brust vor.

„Gut, dann kommen sie herein!“, polterte sie wie ein Gardeoffizier. „Dies hier ist ein Sanatorium, absolute Stille und keine Aufregungen, junges Fräulein!“

Caro nickte eingeschüchtert, und folgte der Dame durch den Flur, überall herrschte ungewöhnliche Stille und undurchdringbare Ruhe. „Sollte ich ihnen vielleicht noch verraten, wen ich gerne besuchen würde?“

„Ich kann es mir vorstellen!“, sagte die Dame scharf, und öffnete eine Flügeltür, dahinter befand sich noch ein Raum, der aussah wie ein Speisesaal, von dort kam man nach draußen auf die Terrasse und in den Garten.

Luxus pur, exzellent und außergewöhnlich, die Herrschaften spielten Kricket, Tennis, Bridge oder aalten sich auch nur in der Sonne. „So viel zum Thema Sanatorium!“, brummelte sie, und folgte der Dame weiter.

„Man bewegt sich hier nur in den besten Kreisen!“, schoss Rabennase scharf und Caro verstummte.

 

Dann hielt sie plötzlich an. „Dort!“, ihre Stimme hatte das Potential einer Gefängniswärterin, mit einer Drehung macht sie kehrt und verschwand, ließ Caro allein zurück und die stand gut verdeckt in einer kleinen Baumgruppe.

Das „Dort“, dass sich ihr darbot, war einer der wundervollsten Eindrücke, die sie je gesehen hatte. Eine kleine Mauer erstreckte sich etwas weiter vorne, und dahinter glitzerte das Meer, und es lag ganz ruhig und sinnlich davor, sie wanderte über den Weg, bis ans Ende des Grundstückes, konnte sehen, dass jemand bewegungslos auf der Mauer saß.

Ihre Gestalt verlor sich im Wind und sie kam sich unendlich fehl am Platze vor, Angst breitete sich augenblicklich wie schleichendes Unheil aus und nistete sich ungewöhnlich grausam ein, war es richtig, hierhergekommen zu sein, egal, nun war sie nun mal da, aber es gab keine Worte, zumindest keine passenden.

Richard hatte ihr in einem sehr langen Gespräch erklärt, was Sache war, nach dem Gespräch war jegliches Gefühl für das Leben verschwunden gewesen, schön dass Kenny wieder unter den Lebenden weilte, aber zu was für einem Preis. Er hatte sich besser erholt als gedacht, und würde auch kein Pflegefall bleiben, aber nun kam das „Aber“ bei dieser Geschichte. Sein Körper hatte sich auf die grausamste Weise gewehrt, seine Glieder schmerzten mit jeder Bewegung, das mit dem Gedächtnis war so eine Sache, es funktionierte nicht mehr richtig, keine wirklichen Erinnerungen mehr. Die Sprache bereitete ihm anfangs auch Probleme, Sätze und Worte purzelten wild umher, reihten sich nicht mehr aneinander, Richard hatte ihm diesen Platz hier besorgt, damit er wieder zu sich selbst finden konnte.

 

Ohne sich zu erkennen zu geben, wand sich Caro um und verschwand wieder. Ihr Herz war in mindestens tausend Teile zersprungen, und sie fühlte Tränen, die an die Oberfläche drängten, schnell schlappte sie über die fein säuberlich gemähte Rasenfläche, niemand nahm sie richtig wahr und das war gut so, robust ergriff sie das Fahrrad und schwang sich auf den modernen Gelsattel, und trat in die Pedale, nur schnell weg.

Sie fuhr wieder auf dem romantischen Weg zurück, und dann traf sie Em, mit einer kurzen Handbewegung veranlasste sie Caro zum Halten. „He, Caro, wohin des Weges!?“, rief sie ihr freudig grinsend zu.

„Ich wollte mich ein bisschen umsehen, und du?“, ihre Stimme klang dünn, und ihr Gesicht machte einen traurigen Eindruck.

„Hast du Lust mit mir shoppen zu gehen?“, Ems Stimme klang ruhig, und sie hatte ihr Rad in Caros Richtung geschoben.

„Was musst du denn shoppen, wenn es Klamotten sind, dann bist du bei mir an der falschen Stelle!“, sagte sie, und hielt schützend ihre Hände vor sich.

Em kicherte keck und ein kleines Grübchen erschien zwischen Backe und Mundwinkel. „Keine Angst, sehe ich etwa so aus, als würde ich Klamotten shoppen gehen, nein, ich muss das Essen für Iras Kreationen besorgen, ein wenig Fisch und so weiter!“

„Oh, gut, da bin ich dabei!“, ließ sich Caro ablenken, ihre Laune hatte sich schlagartig gebessert, Em nickte und rückte ihr Gesäß auf dem alten Sattel zurecht, ihr Rad glich einem Dinosaurier im Gegensatz zu Caros Hightech Teil.

 

Sie fuhren nebeneinander auf dem Radweg entlang und Em war nicht wirklich neugierig. Sie hatte in einer guten halben Stunde mehr über Caro erfahren wie so manche Menschen in einem ganzen Leben nicht.

Die Fahrt endete an einer Küstenzunge, dort stand ein winziges Haus, davor war ein löchriges Fischernetz aufgespannt, mehrere Reusen Kästen waren fein säuberlich übereinandergestapelt und überall konnte man Fischer Utensilien finden, Em stapfte über den Weg an das Haus und klopfte. „Cullen, ich bin wegen der Fische hier!“, rief sie laut, während sie immer wieder an die Tür klopfte.

„Wenn du mir die Tür einschlägst, Emma, dann werde ich dich mit meinen Reusen versenken!“, grummelte ein alter Mann, und trat um das winzige Haus, dessen Originalfarbe einmal gelb gewesen sein könnte, er hatte vergilbtes Ölzeug an und roch nach Diesel und Fisch, seine Hände waren zerschunden und zeigten viele Risse, er hatte eine Menge Fische dabei, „Also was brauchst du Em!“, fragte er in einem Dialekt, den Caro nicht wirklich auf Anhieb verstand.

„Alles, was du so hast, wir haben heute Fisch auf der Karte!“, erklärte Em den alten Mann mit leuchtenden Augen, als sie die Fische begutachtete.

„Du hast immer Fisch auf der Karte, Em, das ist doch nichts Neues!“, lachte er, und sein Gesicht verzog sich runzelig.

„Ja, mag schon sein, aber heute gibt es nur Fisch, Cullen!“, meinte sie leise, und nickte.

Der alte Mann packte Em die Fische ein und verschwand im Haus, kam mit einem Glas zurück, drückte es Caro in die Hand, die es verwundert an sich nahm. „Du siehst unterernährt aus, Kind!“, polterte er grinsend.

Em ging kichernd in die Hocke und stopfte die Fische vorsichtig in die Tasche, die gefüllt war mit Eiswürfeln, dann zupfte sie einen Schein aus der Tasche und gab ihn Cullen, der ihn gegen das Licht hielt. „Schönen Tag noch Em!“

„Ebenfalls Cullen!“, verabschiedete sich Em, und hob die Tasche auf, Caro sah immer noch aus, als hätte sie Moby Dick gesehen. „Danke und noch gutes Fischen!“, rief sie verwirrt, ergriff auch einen Henkel der Tasche und ging wortlos neben Em her.

Em hievte die Tasche auf ihren alten Radanhänger, den sie anscheinend selbst gebaut hatte. „Weiter geht’s, ach das ist Cullens super Orangenmarmelade, und die bekommt wirklich nicht jeder einfach so geschenkt!“

„Welch Ehre, aber sehe ich wirklich so mager aus?“, fragte sich Caro, und ließ den Blick an sich hinunterlaufen, schnaubte und ergriff das Rad, die Fahrt ging weiter.

„Warum wohnst du ausgerechnet hier auf dieser Insel?“, fragte Caro während der Fahrt Em, die eine kleine Melodie vor sich hin summte.

„Weil das der wunderbarste Ort der Welt ist, für mich, deshalb, ich liebe den Sonnenaufgang, das Meer, und den Wind, die Menschen!“, erklärte Em geduldig.

 

Sie fuhren am Leuchtturm vorbei, dort parkte sie ihr Gefährt und öffnete die Tür des alten Leuchtturms, führte Caro die Wendeltreppe hinauf, und drückte dort wieder eine Tür auf, ein kleiner Sturm wehte über den Gipfel des Turmes.

„Ist denn das nicht schön hier!“, seufzte sie, und wiegte den Kopf.

Caro sah sich um, ein wahrgewordener Traum, Em hatte recht, war sie kalt geworden, hatte ihr Leben die Konsistenz eines Gefrierschrankes erreicht, was war geschehen, sie hatte sich die Nacht zu Freund gemacht, und das war die graue Einsamkeit. Sie hatte das Gefühl, das sich die straffgezurrten dicken Seile um ihren Körper lösten und die Vergangenheit von ihr abfiel, sie wieder durchatmen konnte. Alles war plötzlich anders geworden, niemand war mehr wirklich greifbar, außer der Wind und ihre eigenen Wünsche und Sehnsüchte, das Buch wirkte wie eine unendliche Friedensbotschaft an die Welt, an ihre Welt, Em knotete ihr buntes Band, dass sie in den Haaren trug, auf, um ihre eigentlich kurzen Fransen wieder einzufangen. „Wann hat man dich vergessen?“, fragte sie leise und schmunzelte dabei, ihr Gesicht wirkte windgegerbt, und ledrig, aber sie hatte einen feinen zärtlichen Glanz in den Augen, der Caro mit Wärme füllte.

Caro sagte kein Wort, schmachtete dahin, und lehnte an der Brüstung, einige Schiffe tauchten am Horizont auf. „Komm, weiter, wir brauchen noch Gemüse!“, forderte Em sie locker auf.

Gemüse, das war wohl auf der Insel ein wenig schwierig, da es durch das raue Klima nicht allzu üppig ausfiel.

 

Dafür gab es allerdings Export und Import Gilbert Kinsley, nach gut zwei Stunden Inselrundfahrt hoch zu Drahtesel schmerzte Caro der Allerwerteste, sie parkten und wanderten über den Hafenplatz, die Touristen, die noch nicht wirklich entschieden hatten, was sie heute bei dem etwas durchwachsenen Wetter treiben wollten, tummelten sich dort.

Em schlurfte über das Kopfsteinpflaster, Caro im Schlepptau, Em trug ein altes ausgebleichtes T-Shirt, obwohl es ein wenig frisch war, dazu eine kakifarbene Arbeitshose, die jedoch auch ihre besten Tage gesehen hatte, und deshalb wahrscheinlich über dem Knie abgeschnitten worden war. Ihre Besohlung glich einem karibischen Sunnyboy mit Surfboard, Flip-Flops, die bei jedem Schritt quietschten.

Sie betraten die Lagerhallen am Hafen, reges Treiben schlug ihnen entgegen, ein Stapler fuhr durch die Halle, beladen mit einer Palette Gemüse, Kinsley stand mit einem Klemmbrett bewaffnet vor der Palette, hatte einen gelben Regenmantel an, dazu die passenden Gummistiefel und einen roten Helm auf.

„Hallo Gilbert, heute so in Schale!“, rief Em so laut, dass sie damit die Blicke der Arbeiter auf sich lenkte.

„Oh Em, Kontrolle, nie gut, immer mit Ärger verbunden, die Sicherheit am Arbeitsplatz, und dann lauter Ignoranten in den Ämtern, dein Gemüse steht hinten Schatz, möchtest du gleich bezahlen?!“, murmelte er, und blätterte die beiden Zettel auf dem Klemmbrett hin und her.

„2030, reicht das?“, rief sie im vorbei quietschen, Caro musste kichern.

Kinsley sah auf, steckte den Bleistift in die Klemme, und rückte sich seinen Helm zurecht, sah sich um, taxierte Caro und drückte ihr das Klemmbrett in die Hand, winkte seinem Staplerfahrer, dieser brauste mit einer Palette heran. Gilbert riss einen Karton mit Obst vom Cape auf und fingerte Bananen heraus, nahm Caro wieder das Brett aus der Hand und gab ihr die Bananen, Em hatte sich einen Hubwagen organisiert und kam mit ihrer Ware angefahren.

„Sieh mal zu, dass an deinen Gast ein wenig hinwächst!“, meinte Gilbert, und lupfte seinen Helm, kratzte sich am Hinterkopf und verschwand in einem engen schmalen Gang. „Danke!“, rief Caro ihm noch nach.

 

Em schnitt eine Grimasse, und zog ihr Gemüse aus der Halle, packte wieder alles auf den Anhänger und nun war er endlich voll.

Die Mittagszeit rückte näher, die Sonne hatte die letzten Nebel verdampft und eine laue Brise flog durch den Hafen, eine kleine Gruppe von Gemeindearbeitern versuchten sich an einer Bühne. „Was soll das werden?“, fragte Caro, und schob ihr Rad neben Em her. „Eine Vorstellung im Rahmen des Piraten Festivals, sie wollen so was wie eine Szene aus alten Tagen nachstellen!“

„Ah, wie das Störtebeker Festival!“, stellte Caro fest.

„Den kenn ich jetzt nicht, müsste ich?“, überlegte Em, und legte ihre Stirn in Runzeln. „Vielleicht stellst du ihn mir mal vor, den Stottelbeker!“

„Störtebeker war ein Schmuggler, der sein Unwesen in deutschen Gewässern trieb!“, erklärte Caro ihr, und ergriff die Kiste mit Kartoffeln.

„Auch gut, Ira, wir sind wieder da!“, schrie Em durch das kleine Lokal, eine Kochmütze erschien in der Tür zu Kombüse.

„Endlich, ich dachte schon du kaufst wieder mal die Insel leer, hast du den Rum dabei?“, fragte Ira gewichtig.

„Den Rum, den haben wir vergessen!“, sagte Em bedeutend, und ignorierte dabei Iras Gesichtsausdruck, verschwand wieder nach draußen und lupfte einen alten Rucksack vom Anhänger.

„Dann gibt es eben keinen Rumkuchen als Dessert!“, polterte Ira, und verschränkte ihre Hände vor dem Körper.

Em wühlte in ihrem Rucksack herum und förderte eine kleine bauchige Flasche mit Korken zu Tage, in Iras Gesicht schien plötzlich wieder die Sonne, sie ergriff schnell die Flasche und entkorkte sie, schnupperte daran. „Oh, der ist ja echt, von wem hast du denn dieses feine Schlückchen ergattert!“

„Geheimnis!“, grinste Em, und lehnte sich an die Theke. „Cullen hat eine seiner Orangenmarmeladen verschenkt!“, zwinkerte sie frech, und wieder erschien das Grübchen zwischen Mundwinkel und Backe.

Caro verzog grummelig ihr Gesicht, Iras Augen sahen aus, als wären sie speziell nur für sie angefertigt worden, ein Insel Irisch Grün musterte sie. „Nein sag echt, wie konnte das passieren?“, fragte sie lästernd.

„Er sagte sie sei unterernährt!“, warf Em in den Raum, und verschwand hinter der Theke, ergriff drei dickwandige Gläser und goss Whisky ein.

„Ich hab’s schon kapiert!“, meinte Caro beleidigt, Ira legte ihren Arm um die Schultern Caros drückte sie an sich. „Wenn du nur lange genug bleibst, dann wirst du dein Image mit Sicherheit aufpoliert haben!“

„Gut, wenn das so ist, dann viel Freude an meiner Wenigkeit!“, lachte Caro, und Em schob ihr ein gut befülltes Glas hin, nickte einladend. „Du bist uns herzlich Willkommen, bleib, solange du willst!“

Ein kleiner Junge kam in den Laden gelaufen, blieb vor den dreien stehen und musterte sie, Caro lächelte munter. „Hi!“, sagte sie.

Em sagte auch etwas zu ihm, doch sein Blick sprach nicht gerade Bände. „Er versteht dich nicht, er spricht Deutsch!“, erklärte Caro Em.

„Gut!“, meinte Em. „Ich nicht!“, sie ging zur Tür und ließ ihren Blick schweifen, keine Eltern in Sicht. „Na dann bleibt er halt hier!“, rief Ira, und lächelte ihm freundlich zu.

„Wie heißt du?“, das war Caros Vorstoß auf Deutsch, und dafür erntete sie von Ira und Em beeindruckende Blicke, der Knabe verknotete seine Finger ineinander. „Ralf!“, meinte er, und grinste.

„Und wo hast du deine Eltern gelassen Ralf?“, bohrte Caro weiter, und setzte ihn auf den Tresen.

„Ich habe mich umgedreht und sie waren weg!“, sagte er, und erspähte die Bananen, Ira gab ihm eine, er sagte danke und aß sie genüsslich.

 

„Die finden sich wieder!“, bemerkte Em, und trank einen Schluck aus ihrem Glas, und es dauerte wirklich kaum eine Minute und eine Frau erschien in der Tür. Nach einigen versuchen in Englisch den Dreien zu erklären, wie das alles passieren konnte, winkte Em ab und schenkte ihr ein Lächeln, goss noch ein Glas ein und reichte es ihr, sie winkte dankend mit den Händen und auch in ihrem Gesicht erschien ein Lächeln.

Caro hielt sich wieder bedeckt und Iras Blick schien tausend Worte zu sprechen, warum sie sich nicht mit ihr in Deutsch unterhielt, wo sie es doch anscheinend flüssig sprach. Caros Finger krabbelten durch die Haare des Jungen, der immer wieder seinen Kopf an Caros Brust lehnte, die Frau sah von ihm zu ihr, versuchte sich wieder in ihrem grauenhaften Englisch mitzuteilen, bis Ira Caro leicht anstupste, diese trank aus ihrem Glas und fing an zu kichern, die Frau hielt in ihrer Wortsuche inne. „Tut mir leid!“, sagte Caro auf Deutsch, und ein überraschtes Flackern zog sich durch das Gesicht der Frau.

„Mein Englisch ist grauenvoll, ich weiß!“, entschuldigte sie sich, und ihr Blick lief in das Gesicht ihres Sohnes, ich heiße übrigens Elisabeth!“, stellte sie sich vor.

„Em, Ira, Caro!“, übernahm Em die Vorstellung.

„Komm Ralf, wir wollen nicht stören!“, sagte sie schnell, und hob Ralf von der Theke, der sich sträubte und zu meckern begann.

„Er kann gerne hierbleiben, und helfen!“, bot Ira an, und lachte wie ein Glöckchen.

Sie sah Caro an, die ihr den Satz übersetzte, neigte ihren Kopf und schien Ralf zu fragen, der sofort lachend nickte, und immer wieder ja sagte. „Wann soll ich ihn wiederholen?“

„Em?“, fragte Caro.

„Egal, wies ausgeht, wir müssen noch zu den Schafen, da kann er mit!“, erklärte sie, und band sich wieder ihr buntes Band in die Haare.

 

Caro war zu Luc gefahren, um sich eine Jacke zu holen, er war gerade dabei den Abwasch zu erledigen, während die Putzfrau die Zimmer sauber machte. „Hallo Caro, und wie gefällt es dir hier auf der Insel?“

„Supergut, danke!“, rief sie im Vorbeigehen, und verschwand in ihrem Zimmer, setzte sich auf das frisch gemachte Bett, und atmete tief durch. Dann öffnete sie ihre Tasche und zog das Handy heraus. Es war ausgeschaltet, ihr Blick lief über die Natur, sollte sie oder nicht, stell dich nicht so an verdammt, schallte es einfach ein und dann wirst du schon sehen. „Und du mich auch!“, sagte sie sich, und legte es wieder weg, sie hatte es Ben versprochen, Handy wenn dann nur im Notfall.

 

Die Schafe weideten friedlich auf einer kleinen Wiese inmitten von Natur und Meer. Em hatte sich umgezogen, wie man das auch immer nennen wollte, sie trug nun hohe Gummistiefel und eine blaue Latzhose, auf ihrem Kopf saß ein alter Cowboy Hut, sie brauste mit einem Quad über die Wiese, auf dem Gepäckträger saß ein Border Collie und vor ihr Ralf.

Caro legte sich in die Wiese und ließ sich treiben, unendliche Ruhe ließ sie sanft entschlummern. Bis sie eine feuchte Zunge weckte, eine bunte Hundeschnauze beschnupperte sie, neben ihr erschien Ralf. „Das ist Easy und der ist jetzt mein Freund!“, rief er und umarmte den Hund wild.

„Cool!“, entfuhr es Caro, erhob sich, Em kam dröhnend herangebraust, stieg ab und ließ sich neben Caro nieder, nahm ihren Hut ab und zupfte einen Grashalm ab. „Wieso habe ich nur das Gefühl, dass dein Besuch hier auf der Insel einen tiefschürfenden Grund hat!“

„Wie kommst du darauf?“

„Nennen wir es Inselschläue!“, schmunzelte Em, und erhob sich wieder, sie hatte an alles gedacht und wollte auf keinen Fall verhungern, auf ihrem Gefährt war ein Picknick Koffer geschnallt, der tausend leckere Dinge beinhaltete.

„Sag mal, wie viele Jobs hast du eigentlich?“, murmelte Caro, während sie die Decke ausbreitete und einige Teller und Gabeln aus dem Korb nahm.

„Eigentlich nur den Lokal Job, das mit den Schafen mach ich nur so aus Jux und Tollerei, und was treibst du so wenn du nicht gerade auf Inseltour bist?“, wollte Em scheinheilig wissen, und öffnete den Deckel der Tunfischsalat Dose.

„Ich bin die rechte Hand des Teufels!“, flunkerte Caro, und wich Ems Blick aus, die ihr den Salat unter die Nase hielt. „Isst die rechte Hand des Teufels auch Eiersalat?“, fragte Em schelmisch.

„Sehr gerne, und wo werden wir jetzt Ralf und Easy finden?“, meinte Caro leise, und sah sich suchenden Blickes nach den beiden um.

Em stand auf und legte die Hand vor die Augen, ließ einige kurze Pfiffe los und wartete. „Easy!“, schrie sie lauthals.

 

„Dann werden wir wohl die beiden suchen gehen!“, murrte Caro, und hatte sich auch erhoben, suchte den Horizont ab.

Em war auf das Quad geklettert, und zu Caro gefahren, gemeinsam brausten sie über die Felder.

„Ralf, Easy!“, schrie Caro.

Sie kamen an einen Sandstrand, dessen Sand weiß schimmerte, und das Meer versuchte sich in einem karibischen Blau, und siehe da, die beiden tollten in den auslaufenden Wellen herum. Em steuerte das Gefährt hinunter und Easy kam gleich auf sie zugelaufen, sprang an ihr hoch. „Wir haben uns Sorgen gemacht!“, rief Caro vorwurfsvoll, Ralf sah sie betreten an, er hatte seine Schuhe sauber nebeneinander in den Sand gestellt.

„Entschuldigung!“, säuselte er, und seine Zehen gruben sich in den Sand. „Schon gut, ist ja nichts passiert, na komm, wir wollen essen!“, lächelte ihm Caro aufmunternd zu, und ergriff seine kleine Hand.

„Was gibt’s denn zu essen?“, fragte er schüchtern.

„Schnecken, paniert, und dazu grünen Glibber!“, meinte Em geheimnisvoll dreinblickend.

„Oh, gut!“, raunte er, und sah sie verheißungsvoll an.

Am anderen Ende des Strandes erschien eine Gestalt, Easy entdeckte sie als erste und sprang wie ein Känguru davon, Em stemmte die Hände in die Hüften und pfiff ihr wieder. „Wenn sie nicht so ein guter Schäferhund wäre, aber ich denke das könnte Paul sein!“, Easy hatte die Person erreicht und hüpfte wie ein Gummiball an dieser Gestalt hinauf. „Ja, das ist wohl Paul!“, seufzte Em, und zuppelte an ihrer Latzhose herum.

„Paul, und?“, Caro wollte neugierig sein und stupste sie an.

„Nichts und, ihm gehören die Schafe und Easy!“, prustete sie, und der Wind blies ihr immer wieder eine Haarsträhne ins Gesicht.

Besagter Paul war endlich bei ihnen angekommen, begrüßte Em und Caro freundlich. „Geht’s meinen Schafen gut?“, fragte er ernst.

„Super, Easy hatte wohl was anderes zu hüten!“, sprudelte Em drauf los, und deutet zu Ralf.

Paul nickte, und winkte Ralf, der zurückwinkte.

„Wir wollten gerade essen, und es reicht auch für vier!“, forderte sie Paul auf, mitzukommen.

Caros Blick heftete sich an Paul, er war groß und breitschultrig, sah nicht wirklich aus wie ein Insulaner, eher wie ein amerikanischer Cowboy um die Fünfzig, der auf der Suche nach einem Wasserloch sein Pferd verloren hatte.

 

„Nein danke, Em, wann bringst du Easy nach Hause?“, fragte er brummig.

„Gegen sechs, passt das!“, Ems Stimme hatte sich einige Oktaven erhöht, sie schien unsicher zu sein in seiner Gegenwart.

„Sehr gut, ich wünsche euch noch einen schönen Tag, und danke, dass du dich immer um meine Schafe kümmerst, Em!“, lächelte er sanft.

„Bitte Paul, das mache ich doch gerne!“, kicherte sie wie ein Teenager.

 

„Naturbursche!“, erlaubte sich Caro zu sagen.

„Ihm gehören die ganzen Felder hier, oder wie man das auch nennen möchte, eigentlich die halbe Insel, sein Urgroßvater war einer der Begründer dieses Dorfes!“, erklärte sie, und winkte Ralf.

Gemeinsam quetschten sie sich auf das Quad und Ralf hatte die höchste Freude mit Easy, weil er bei ihr sitzen durfte, die Drei nahmen auf der Decke Platz und bauten weiter an ihrem Luxus Picknick unter der Sonne.

 

Und dann kreuzte eine Truppe von Reitern ihr Revier. „Was ist denn das heute für ein Durchgangsverkehr hier!“, polterte Em plötzlich, und rollte mit den Augen.

„Jetzt sei nicht so hart, wir waren ungefähr zwei Stunden vollkommen allein, und die paar Reiter hier!“

Em schaufelte sich einen Löffel voll Tunfischsalat auf einen Teller und schien zu überlegen. „Man merkt, dass die Saison kommt!“, sinnierte sie, und versuchte sich in einem sehr wichtigen Gesichtsausdruck, sah aber eher nach, ich-bin-am-verhungern aus.

„Hi Em!“, rief der Anführer der Truppe, sie hob die Gabel und winkte, die Reiter drehten ab und waren verschwunden.

„Du kennst hier irgendwie jeden, oder?“, bemerkte Caro kauend.

„Logisch, ich bin hier aufgewachsen!“, schniefte Em.

 

Wie immer verging die Zeit viel zu schnell, Em musste wieder in das Lokal und Caro brachte Ralf zu seinen Eltern zurück. Die Bühne schien fertig zu sein und es hatte sich eine kleine Piratenstadt gebildet, ringsherum eingesäumt von einigen Buden, an denen die Damen des kleinen Ortes Kuchen, Kaffee, und Krimskrams verkauften. Wieder war eine neue Fähre angekommen allerdings gingen diesmal nicht sehr viele Leute an Land. Caro fuhr mit ihrem Rad zu Luc, das Bed and Breakfast war voll geworden, im Flur standen mehrere Koffer herum, und lautes Gelächter strömte aus dem Frühstücksraum.

Sie wollte sich vorbeischleichen, wurde allerdings von Luc bemerkt. „Hallo Caro, ich soll dir schöne Grüße von Ben ausrichten und er hofft, dass du dich hier wohl fühlst!“, rief er brummend, und schob seinen Körper durch die Koffer in den Flur.

„Oh, danke für die Nachricht!“, murmelte Caro, und versuchte nicht nachdenklich auszusehen.

„Und?“, setzte er neugierig nach, rückte sein Schürzchen zurecht, das er sich umgebunden hatte.

„Und was?“, fragte Caro nach, ahnte schlimmes, stand es ihr etwa schon sichtbar auf der Stirn, dass sie dringend eine Auszeit gebraucht hatte.

„Gefällt es dir denn wirklich bei uns, Kind?“, schnaufte Luc, und rückte einen Samsonite Koffer aus dem Flur, dessen Griff immer wieder spurlos im Futter versank.

„Ja, Onkel Luc!“, kicherte Caro, und kam wieder die Treppe herunter, half ihm den Koffer beiseitezuschieben.

Luc rieb sich seine Nasenwurzel. „Diese Koffer machen mich noch fertig!“

„Eher der Inhalt, wie lange wollen die bleiben, drei Jahre?“, neckte sie ihn, und bald hatten sie eine Schneise gerückt.

„In welchem Verhältnis stehst du eigentlich zu Ben, oder er zu dir?“, fragte Luc neugierig.

„In einem sehr innigen!“, lächelte Caro, und setzte sich auf einen Schalenkoffer.

„Ah ha!“, schlurfte Luc, und schien Caro ganz genau zu mustern, sein Kinn schob sich langsam vor, schüttelte sich danach und machte nur hm, hm, hm.

Caro hatte es geschafft, und hinterließ einen wirren, sich in tausend Gedanken drehenden Luc.

 

Die Gäste strömten auf den Flur, zu ihren Koffern, ein legerer gekleideter Mann reihte sich auch ganz brav in die schnatternden Damen um die sechzig ein, die anscheinend nur mit Ohs und Ahs, oder wie blumig, ausgerüstet waren.

Luc hatte sich vorsichtshalber in Sicherheit gebracht, zupfte Caro mit sich, gemeinsam betrachteten sie das wilde Treiben, der legere gekleidete Mann schien Besitzer des Schalenkoffers zu sein, und bei sich trug er einen anthrazitfarbigen länglichen Metallkoffer, der Caros Aufmerksamkeit erregte.

„Ich zeige Ihnen ihr Zimmer Sir, bevor sie noch ein Trauma erleiden!“, warf sich Luc in die Hölle, zerrte den Mann aus der Masse der Ohs und Ahs, dankbar nickend folgte er Luc, und Caro in eine ganz andere Richtung des Hauses. „Wollen wir die Damen mal unter sich lassen!“

 

Der Mann trug seinen Koffer mit einer Leichtigkeit, als wäre er leer, was Caros Adleraugen nicht verborgen, geblieben war, ließ ihre kriminalistische Intuition erwachen. „Machen sie länger Urlaub hier auf dieser netten idyllischen Insel?“, fragte sie laut.

Der Mann sah um. „Ein paar Tage!“, meinte er knapp, und folgte Luc weiter, der in den anderen Teil des Hauses verschwunden war.

„Sie sind wohl wegen des Festivals hier, oder?“, stocherte sie weiter. Luc öffnete eine Türe, ging in das Zimmer und stieß das Fenster weit auf, der Mann stellte seine Koffer ab und behielt den Metallkoffer bei sich, trat ans Fenster sah sich um und nickte nur.

„Sehr schön, genauso hatte ich es mir vorgestellt, danke Luc!“, sagte er, und lächelte freundlich.

Caro linste auch durch den Raum, was konnte man wohl alles sehen, wenn man aus diesem Fenster sah, sie wollte gerade hinein gehen, als Luc sie hinausdrängte. „Wir sollten den Gast erst einmal ankommen lassen!“.

„Sollten wir?!“, schnüffelte Caro, und sah noch einmal kurz um, doch Luc hatte die Türe schon wieder geschlossen.

„Wir sind nicht neugierig?“, grinste er verschwörerisch.

„Nein, nie im Leben!“, bemerkte Caro mit tiefer Stimme und zwinkerte. „Wo kommt er her, wie heißt er und wie alt ist er?“, sprudelte sie weiter.

„Wusste ich´s doch, Ben hat mich vor dir gewarnt!“, kicherte Luc hechelnd, und schob Caro vor sich her.

„Ben hat meine intimsten privatesten Dinge ausgeplaudert!“, rief Caro spaßeshalber.

„Ben meint es nur gut, außerdem wohne ich lange genug auf der Insel, um ein wenig mitreden zu können, und hier steigen keine seltsamen Menschen ab, zumindest nicht wirklich sichtbare!“, grunzte Luc keck, und stapfte die Treppe wieder hinunter.

 

„Ah so ist das hier, aber die Schmuggler und Piraten, das waren dann wohl keine seltsamen Menschen, oder?“

Luc schnaufte, betrat vor Caro die Küche, ergriff ein Gemüsemesser und drückte es ihr in die Hand. „Schmuggler und Piraten, die gab es, das ist dokumentiert und belegt, aber so richtig geschmuggelt haben die hier nicht, vielleicht Schnaps oder Tabak, aber nichts Spektakuläres!“

Caro fing an eine Kartoffel zu schälen. „Schade!“

„Bleibst du zum Essen, es gibt was echt Leckeres, ein Rezept meiner Mutter!“, meinte Luc stolz.

„Sehr gerne, kochen scheint deine Leidenschaft zu sein?“, entdeckte Caro, und ließ die Kartoffel in das Salzwasser plumpsen.

„Ich war mal Koch und das ziemlich enthusiastisch, jetzt bin ich aus Leidenschaft Rentner und Hobbykoch, außerdem backe ich für morgen noch einen Kuchen und mache Luc Spezial-Erdbeerbowle mit extra großen Fruchtstücken!“

Diese Worte zauberten ein Lächeln auf Caros Gesicht und sie vergas den Stein, der auf ihrem Herz lag, für eine kurze Weile.

Dann rumpelte es an der Vordertür, Luc bewegte sich keinen Millimeter, Caro spähte in Richtung Tür. „Ahoi, ihr Landratten!“, rief Cullen, und war im Flur stehen geblieben.

„Hallo Cullen, komm nur rein!“, forderte Luc ihn auf, und legte die Paprika beiseite, trat zu ihm auf den Flur, nahm ihm die Fische ab, gemeinsam betraten sie dann die Küche.

„Ah, sehr flexibel euer Gast, das muss ich schon sagen, den sollte man einstellen!“, brummte Cullen, und kratzte sich an seinem Seebär Bart.

„Hi Cullen!“, grinste Caro, und legte auch ihr Schneidewerkzeug weg, Luc hatte inzwischen eine Flasche aus dem Regal gezaubert und goss drei Gläser voll. „Wie gehen denn die Geschäfte?“, wollte er wissen.

„Sehr gut, das liegt wohl an dem guten Wetter!“, entdeckte Cullen freundlich, und seine Augen blitzten, als er das Glas von Luc erhielt.

„Gute Urlaubszeit, du hast recht, auch bei mir ist das Haus voll, und das sogar über vier Monate!“

„Das liegt nur an dem Festival, eine wirklich gute Idee!“, meinte Cullen und hob sein Glas, Luc tat es ihm gleich und Caro stieß hinzu, „Wie lange bleibst du?“

„So lange, bis sie mich nicht mehr ertragen können!“, grinste sie, und das edle Getränk lief rau durch ihre Kehle.

„Sehr schön, dann hast du morgen sicher Zeit!“, verplante Cullen Caro.

„Habe ich das?“, wunderte sich Caro lächelnd.

„Ja, denn ich würde gerne mit dir hinausfahren, dir meine Fischgründe zeigen!“

„Oh, super, sehr gerne!“, rief Caro und ihr Grinsen schien sich über das ganze Gesicht auszubreiten.

„Na dann, wir sehen uns Morgen um sechs Uhr früh, bei mir an der Hütte, zieh dich warm an, es ist um diese Zeit noch sehr frisch!“, empfahl er, und stellte sein Glas auf die Anrichte, verschwand grüßend aus dem Haus.

Luc winkte ihm nach und widmete sich wieder seinem Gemüse. „Wirklich bemerkenswert!“, flüsterte er, und schnippelte die Paprika klein.

 

Gegen 19.00 Uhr wurde gegessen und danach machte man sich für das Festival bereit. Fackeln wiesen den Weg an den Hafen und von überall kamen die Menschen, die Bühne war hell erleuchtet, ein Pirat kassierte den Eintritt und jeder Besucher bekam eine Augenklappe und ein Programm gratis.

Em hatte vor ihrem Lokal die Tische gedeckt, überall hingen Taue von denen alte Laternen baumelten, in denen Kerzen brannten, sie selbst hatte sich in eine Piratenbraut verkleidet, die immer wieder verstohlen an ihrem Kopftuch zupfte. „Du siehst echt gut aus!“, meinte Caro, und trat zu ihr.

„Hallo du Landratte!“, knarrte sie, und lachte grimmig.

„Das sieht gut aus Em, die Deko, da!“, meinte Caro, und verschränkte begutachtend ihre Hände vor ihrem Körper.

Em beugte sich zu Caro hinüber. „Ich habe ein Attentat auf dich vor!“, wisperte Em.

„Ich bin ganz Ohr!“, flüsterte sie verschwörerisch.

„Kannst du eventuell den Musikern etwas zu trinken bringen?“, fragte Em leise.

„Sicher, warum nicht!“, erklärte sie sich gleich bereit, und beobachtete die Menge, die Stühle füllten sich.

„Sehr schön!“, beide verschwanden im Lokal, und Em füllte die schweren Krüge mit Bier, schob ein Tablett mit kleinen dickwandigen Gläsern über die Theke zu Caro. „Hier bitte den Whisky für die Schauspieler einfüllen!“, Caro nickte, Em verschwand in der Küche, ein Gast betrat das leere Lokal, es war der Mann mit dem Koffer. „Kann ich bei dir ein Glas Bier bestellen?“.

Caro sah auf, und schien ein wenig verwirrt. „Gläser gibt es heute nicht!“, meinte sie robust.

„So, na dann ein Fass bitte!“, korrigierte sich der Mann und trat näher.

„Moment!“, sagte Caro, und ergriff einen Krug, füllte ihn. „Gefällt es ihnen hier?“

„Sehr nette Gegend!“, sagte er locker.

„Wo kommen sie denn her?“, bohrte Caro weiter, der Mann um die vierzig zwinkerte, legte einige Münzen auf die Theke, ergriff seinen Krug und verschwand wieder.

Caro schnaubte, nahm erneut die Flasche zur Hand und goss weiter ein, trank dann ein Gläschen selbst.

„Du sollst doch nicht gleich alles selbst trinken!“, wedelte Em mit ihrem Zeigefinger durch die Luft.

„Notwehr!“, konterte sie, und erhob das Tablett, verließ das Lokal, Em folgte ihr mit schwingendem Gang.

 

„Eine kleine Stärkung, die Herren!“, rief sie hinter die Bühne gleitend, versuchte nicht über ihren Rock zu stolpern und stapfte wackelig über eine Treppe, die Bühne selbst war eine komplizierte Geschichte, die Theatergruppe hatte ein altes Schiff restauriert, und es zu einem Piratenschiff umgebaut, das sich wirklich im Hafenbecken befand, und sogar segeltauglich war, man wollte so authentisch spielen, wie nur irgend möglich.

Ein wahres Meisterwerk der Pyrotechnik ergoss sich über die Besucher, echte Fechtszenen, laut knallender Schüsse, Männer, die über Bord gingen, fesselten das Publikum auf ihre Stühle.

Em freute sich wie ein kleines Kind zu Weihnachten über das gelungene Spiel, man enterte und brannte nieder, nach ca. zwei Stunden sank das Schiff, die Gäste klatschten und die Luft brannte, Caro hatte versucht währenddessen den Mann mit dem Koffer wieder zu finden, doch er schien in der Menge verschwunden zu sein.

Bald füllten sich die Tische vor dem Lokal von Em und Ira, Luc wälzte sich zu Caro. „Willst du es mir den nicht verraten?“, fragte er, sich an seinen Bierkrug klammernd.

Caro sah Luc nur kurz an, wusste was ihn plagte. „Ganz einfach, ich liebe Ben und er liebt mich, was ist daran so schwer?“, ärgerte sie Luc, der aussah, als würde er an seiner eigenen Atemluft ersticken.

„Em, schnell!“, rief Caro und winkte wild, schlug Luc auf den Rücken, der hustend krebsrot wurde, Em kam geflogen. „Hast du dich verschluckt?“, wollte sie besorgt wissen, Luc schüttelte seinen Kopf und deutete immer auf Caro die sich das Lachen nicht verkneifen konnte.

„Ich kann euch nicht folgen!“, meinte Em und ihr Blick lief zwischen Caro und Luc hin und her, der sich endlich gefangen hatte. „Aber er ist doch mindestens dreißig Jahre älter als du, Ben könnte dein Vater sein!“, keuchte Luc

„Und ich seine Tochter, genau!“, quiekte Caro, Tränen liefen ihr bereits vor Lachen über das Gesicht.

„Du bist fies!“, warf Em schelmisch tadelnd ein, und stellte Luc ein Gläschen mit gar köstlichem Inhalt hin.

Nachdem Luc das Glas geleert hatte, fand er seine Worte wieder. „Welche Erleichterung!“, krächzte er.

„Ich fahre Morgen mit Cullen fischen!“, fing Caro ein anderes Thema an.

„Welch Ehre, er nimmt nie jemanden mit, langsam wirst du mir seltsam, erst schenkt er dir seine beste Marmelade und dann noch fischen mit Cullen!“, meinte Em, wurde aber dann wieder an die Theke gerufen.

 

Luc und Caro waren wenig später in einem sehr wichtigen Gespräch vertieft, zu dem sich der Vater von Ralf gesellte, man hatte sich, um es richtig schnuckelig zu haben, um den kleinsten Tisch draußen vor dem Lokal gequetscht, langsam machte sich die kalte Seeluft bemerkbar.

Und dann entdeckte Caro wieder den Mann mit dem Koffer, er wanderte über den Hafenplatz mit dem Anker in der Mitte und bog in einen Fackelweg ab, inzwischen waren schon einige Fackeln erloschen, und diesmal hatte er seinen Koffer dabei, und dann wurde sie wieder in das Gespräch gezogen und hatte keine Chance mehr sich weitere Gedanken zu machen.

 

Das Kommen und Gehen verebbte langsam, der Platz leerte sich, bis eine Person auftauchte, die ein wenig Aufmerksamkeit erregte, sie bewegte sich graziös über den Kopfsteinpflasterweg, schnurstracks in das Lokal, Kinsley knuffte Luc leicht in die Seite und machte eine Kopfbewegung in Richtung Theke, löste sich leicht aus der netten Runde, und beobachtete den Neuzugang.

Luc konnte sehen, dass er einige Worte mit Em wechselte, sie nickte nur und ein freundliches Lächeln erschien um ihre Mundwinkel, sie gab ihm ein Bier und kassierte gleich.

Caro verabschiedete sich gerade von Ira, die immer noch durch ihre Küche wirbelte, verließ den Ort des Genusses.

Em hatte sich neben die Tür gelehnt und auf sie gewartet, sie mit einer Umarmung überfallen. „Ich danke dir für die enthusiastische Unterstützung!“, flötete Em, wankte mit Caro hin und her.

„Das habe ich doch gerne gemacht!“, kicherte Caro und drückte Em an sich, doch dann hatte sie das Gefühl von Blicken im Nacken, sie löste sich von Em, die sie mit ihren lustigen Augen tief im inneren berührte, kein Wort, nur Blicke, Caro legte ihren Kopf in den Nacken und kicherte laut, sah um, und ihr kichern erstarb, Em hatte ihre Reaktion bemerkt. „Lasst euch von mir nicht stören!“, sagte die Person langsam, sah weg.

Caros Blut rauschte wie ein wilder Gebirgsbach, in ihren Ohren, wispern breitete sich wie ein blitzartig aufgezogenes Unwetter aus, zu viele Hormone auf einen Haufen, das ging nie gut, Em nahm ihre Hand in die ihre, drückte sie leicht. „Starr ihn nicht so an!“, flüsterte sie ihr zu.

„Wie?“, blubberte Caro gestrandet, Em zog sie mit sich aus dem Lokal in die kühle Nacht, die Gäste waren gegangen, nun waren sie allein mit dem Meer, und der Dunkelheit. „Er ist einer von denen!“, bemerkte Em vorsichtig.

„Ja?“, mehr Worte gab es nicht.

„Er ist aus dem Sanatorium!“, flüsterte Em verlegen.

„Und?“, stotterte Caro herum.

„Psychiatrie, na egal…!“, fing Em umständlich an.

„Kommt er öfter?“, Caro hatte wieder zu Worten gefunden.

„Selten, eigentlich, und wenn, dann trinkt er nur ein Bier und verschwindet wieder, aber wieso interessiert…!“, sprudelte Em dahin, brach aber gleich ab, der seltsame Gast verließ das Lokal.

„Gute Nacht!“, flüsterte er nur.

Verlegenheit breitete sich aus. „Gute Nacht, Em, wir sehen uns morgen!“, verabschiedete sich Caro im selben Moment.

„Mit Sicherheit, denn ich komme mit zum Fischen, denke, dass Cullen mit dir allein Angst hat!“

„Das ist ja super, also bis dann!“, rief Caro und ergriff ihren fahrbaren Untersatz, flitzte davon. Ein frischer Wind wehte ihr um die Ohren, jene unsagbare Begegnung hatte einen bitteren Nachgeschmack.

Kenny hatte sie nicht erkannt, oder vielleicht spielte er nur wieder mit ihr, wie er es so oft tat. Wut und Hilflosigkeit kämpften in ihrer Brust, sie strampelte über den Fußradweg am Meer vorbei. Tränen brannten in ihren Augen, sie musste halten, der Wind biss ihr ins Gesicht, mit dem Ärmel wischte sie die Tränen aus den Augen und schniefte kurz.

Ihr Blick lief über die glitzernde gluckernde Fläche vor ihr, sie konnte das Meer riechen und schmecken, und dann konnte sie sehen, wie ein kleines blinkendes Licht sich langsam auf der dunklen Fläche bewegte, plötzlich blinkte es vom Festland zurück, ein Signal, einmal, zweimal, dann war es verschwunden.

 

Gegen fünf Uhr morgens versuchte Caro ihre müden Knochen aus dem Bett zu bewegen, schlaff schleppte sie sich in die Dusche und versuchte sich wach zu wässern.

Im Haus herrschte noch morgendliche Stille, leise, um niemanden zu wecken, schlich sie eingepackt in alles, was sie so an Klamotten dabei hatte in die Küche, dort lag ein Zettel, den sie gähnend ergriff. „Liebe Caro, Freundin meines lieben Bruders Ben!“, dabei musste sie schon kichern. „Ich habe dir Kaffee gemacht, der befindet sich in der Thermoskanne, ein paar belegte Brote und das wirklich wichtige, der Flachmann, aber der ist für Cullen, fisch uns was Schönes zum Mittagessen, Gruß Luc!“, las sie leise, ergriff den Rucksack verschwand in der Morgendämmerung, radelte zu Cullen.

„Guten Morgen!“, riefen ihr Em und Cullen gemeinsam zu, sie stellte ihr Rad ab und wurde von Cullen ins Haus geschoben, dort duftete es nach Schinken and Eiern, sie frühstückten noch gemeinsam, bevor es losgehen konnte.

 

Em schlüpfte wenig später in ihre blaugelben Regenklamotten, Cullen hatte noch einmal dasselbe Ensemble für Caro bereitgelegt, ein wenig zu groß, aber sehr bequem. Bepackt mit Reusen, Angeln, Köder und Eimer gingen sie an die Bucht, dort lag Cullens Kutter. Em sprang gekonnt hinauf, während Caro sich überall festhalten musste, das Meer gluckste an den Kutter, Cullen kam als letzter und dann ging die Fahrt los, tuckernd und schnaufend prustete der alte Kutter aus der Bucht, an einigen Bojen vorbei hinaus aufs Meer, die Weite legte sich auf die Gemüter, Gedanken waren auf Stand-by.

Em lehnte an der Reling und wiegte sich summend hin und her, Caro saß am Ende des Kutters und ihr Blick lief über die ruhige See.

„Er hat schöne Augen!“, warf Em in die Zeit, Caro ignorierte diese Feststellung, wollte nichts davon hören.

„Er sieht gut aus, wir haben schon spekuliert, aus welchen Gründen er wohl hier ist!“, stichelte Em weiter.

Wieder kam aus dem hinteren Teil des Kutters nichts, Caro legte ihre Gummistiefelfüße auf eine Kiste.

„Ira denkt, dass er aus gutem Hause kommt, vielleicht hatte er auch einen guten Job, und Familie, ein Unfall vielleicht, er spricht sehr langsam, als ob er sich vorher immer alle Buchstaben zurechtlegen würde!“, bohrte Em weiter, und summte ihr Liedchen.

Cullen hatte sein Steuer mit beiden Händen fest umklammert. „Bald sind wir da!“, rief er hinunter.

Em nahm ihren gelben Regenmantelhut und zog ihn tiefer ins Gesicht, bewegte sich sehr zielsicher, ließ sich neben Caro plumpsend nieder, legte ihren Arm quietschen auf ihre Schultern. „Du, Frau der großen Geheimnisse, werde ich in den Genuss kommen?“,

Caro lachte. „Sicher, was würdest du den gerne wissen?“

„Alles!“, rief sie, und dann wurde der Kutter langsamer, bis er stoppte, Cullen kam heran und die Arbeit begann.

 

Wieder war die Zeit relativ, man hatte eine Menge gefangen und viel Spaß gehabt, Caro packte dann Lucs Lunchbox aus und mit den besten Grüßen den Flachmann für Cullen.

„Als ich gestern nach Hause geradelt bin, habe ich ein blinkendes Licht auf dem Meer bemerkt!“, fing Caro locker an.

„Eine Boje vielleicht!“, überlegte Em.

„Nein, doch nicht dort draußen, wie hat es denn geblinkt?“, fragte Cullen genüsslich an seinem Käse-Schinken-Brot kauend.

„Blink, Blink, Blink!“, sagte Caro, und formte mit Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger eine Form, die sie immer wieder öffnete und schloss, Cullen neigte seinen Kopf und ahmte Caro nach, Em brach in wildes Gelächter aus. „Blink, blink, blink!“

„Ha ha ha!“, schnarrte sie, und grinste bitter.

„Und dann, was geschah weiter!“, forderte Em sie immer noch gackernd auf.

„Dann kam dasselbe noch einmal vom Festland, aus!“, erklärte sie nüchtern.

„Das Blinken?“, setzte Cullen hinzu.

„Ja genau, und dann war der Spuk beendet, es sah aus, als ob jemand ein Signal gab!“, konstruierte Caro.

„Das nennt man auch eine Überdosis Festival!“, ärgerte Cullen Caro.

„Kann sein, aber ich habe gesehen, was ich gesehen habe!“, knurrte Caro und schürzte ihre Lippen.

„Wir werden nachsehen, kein Problem, die Stelle ist ganz in der Nähe!“, erkläre Cullen wichtig, ahnte etwas.

Und bevor sie sich auf den Weg zurück machten, steuerte Cullen seinen Kutter zielsicher durch das Gewässer bis an den Ort, der nächtlichen Signale. „Hier?“, fragte er Caro, die ihn nur ansah, als ob er Plutonium versenkt hätte.

„Oh, entschuldige!“, brummte er, und gab ihr ein Fernglas, ihr Blick lief über das Festland. „Was glaubst du, war es hier?“

„Ich bin mir nicht sicher, vielleicht, könnte sein, na ja, danke trotzdem!“, meinte Caro, und ließ ihren Kopf hängen.

„Da drüben ist eine alte Schmugglerhöhle, vielleicht hast du wirklich was gesehen, aber manchmal treiben die Jugendlichen der Insel dort auch Schabernack!“, erklärte Em, fingerwedelnd.

Die wilde Reise über das Meer endete gegen 13.00 Uhr mittags, unsere Helden fuhren gemeinsam zurück in das Dorf, die Sonne hatte die Luft auf feine fünfundzwanzig Grad erwärmt, die kleine Familie saß bei Ira zu Mittag, Em und Caro trudelten bepackt mit ihrem Fang und guter Laune ein. „Sollten wir vielleicht ans Meer gehen, ein wenig baden?“, wollte Em listig wissen.

„Baden, geht denn das hier, das Wasser sieht ziemlich frisch aus!“, rümpfte Caro ihre Nase.

„Das geht, und zwar in der Bucht, mit dem weißen Sand, dort wo wir Ralf und Easy gefunden haben!“

„Na, dann gerne!“, sagte Caro, legte ihren Fisch und den Beutel mit den Muscheln, in das Körbchen, das sich auf dem Gepäckträger des Rades befand. „Ich bringe meine Beute mal zu Luc und bin dann auf 15.00 Uhr wieder hier, reicht das?“, Em nickte weich.

„Darf ich mit?“, rief Ralf, auf die beiden Frauen zulaufend.

Die beiden Damen sahen sich kurz an, nickten gleichzeitig, Ralf freute sich wie ein Glückskeks, lief zu seinen Eltern zurück und erzählte ihnen gleich die Neuigkeit.

 

Caro fuhr denselben Weg wie letzte Nacht und bemerkte vom Radweg aus, eine kleine Hütte, doch für eine Inspektion war keine Zeit. Der Fisch musste in die Kühltruhe, und sie sich umziehen, sie stürmte in die Küche, niemand vor Ort, schnell legte sie den Fisch in den Kühlschrank. Schrieb Luc noch einen Zettel, ergriff ihre Tasche, stopfte Bikini und Badetuch hinein, doch dann fiel etwas leise klingend zu Boden, sie hielt kurz inne, bückte sich, es war unter das Bett gefallen.

Ächzend fingerte sie den Gegenstand hervor, es war der Ring, stöhnend erhob sie sich und hielt ihn mit spitzen Fingern, Kennys Ring. „Wie kommst du hier her, ich hatte dich nicht mitgenommen!“, schimpfte sie mit dem Schmuckstück, und steckte es in die Hosentasche, die Zeit drängte, es war kurz vor 15.00 Uhr.

Außer Atem kam sie dann bei Em an, die Ralf bereits in den Anhänger gepackt hatte, die Fahrt über die Insel konnte beginnen. „Ich habe eine Hütte entdeckt!“, rief Caro Em zu.

„Ja, schön, die gibt es überall hier!“, schmunzelte diese.

„Signal Hütte!“, bemerkte Caro tief.

„Ach so, und schon besichtigt?“

„Nein, keine Zeit, später!“, rief Caro, und der Strand wurde sichtbar. Ein Traumstrand in weiß mit karibischem Meer, und das Beste überhaupt, keine Menschen. Sie suchten sich eine windgeschützte Stelle, Ralf packte Eimer und Schaufel aus, hatte Förmchen dabei, und das Wichtigste überhaupt, Paul brachte Easy vorbei.

Em schälte sich aus ihrer Alltagskleidung, die aus einem Tank-Top mit dünnen Trägern bestand und einer Short mit tausend Taschen, darunter hatte sie einen richtig eleganten Bikini an, sie ließ sich gemütlich auf ihre groß karierte Decke gleiten. „Nun mal runter mit den Klamotten, hier ist es sauheiß!“

Sauheiß war was anderes, aber für Insulaner schien, dass das höchste der Gefühle zu sein, Caro schlüpfte nur aus ihrem Top, legte sich neben Em. „Hattest du Langeweile?“, fragte sie, und musterte Caros über und über tätowierten Körper, mit einem Oh je hier und Musste-das- sein, dort.

„Die Sucht!“, sagte Caro dösend.

 

Easy lag neben Ralf, der eine Sandburg baute, dann erhob sich der kleine Mann, ergriff vor sich hinredend seinem Eimer und war auf dem Weg ans Meer. Die Wellen schwappten um seine Füße und er sprang kichernd immer wieder zurück, er fing Wasser in seinen Eimer ein und trug es hinauf zu seiner Burg. Das ging eine kleine Ewigkeit so, begleitet wurde er dabei auch immer von Easy, bis er seine Plastikschaufel im Wellenauslauf liegen ließ, das Meer hatte das wichtige Utensil bereits mit sich gespült, Ralf schimpfte und stapfte hinein.

Caro und Em waren sanft entschlummert, Fische fangen zu so früher Morgenstunde hatte etwas Ermüdendes, Easy hüpfte wie ein Gummiball hinter Ralf her und versuchte ihn zurückzudrängen.

Em wurde vom Hundegebell wach, und dann schrie Ralf wie am Spieß, Caro schreckte hoch. „Ralf!“, rief sie, sprinteten ans Ufer. Jemand hatte sich allerdings schon in die Fluten geworfen, und kam gerade mit dem Hund ans Ufer, Ralf brüllte und weinte, Em war zu Easys Lebensretter gelaufen, der weiß-schwarze Border Collie hing schlapp über die Arme des Mannes. „Sie kann nicht schwimmen!“, erklärte Em, und nahm ihm den halben Hund ab.

Caro stand wie angewurzelt vor der Szene, hatte den weinenden Ralf auf dem Arm, beobachtete die Aktion mit schaudern, Easys Lebensretter ließ den Hund auf den Sand gleiten, sank in die Knie und atmete schwer.

Ralf strampelte sich los und lief zu dem sich langsam wieder erholenden Hund, schlang seine Arme um dessen Hals, redete beruhigend auf ihn ein, bedankte sich immer wieder bei seinem Retter.

Em ließ sich auch neben Easys Retter nieder. „Alles klar?“, fragte sie ihn besorgt, er nickte nur schnaufend. „Danke!“, meinte Em aufatmend, als sie sah, dass Easy wieder den Kopf hob.

Caro war aus ihrer Starre aufgetaucht und hatte ein Handtuch geholt, legte es dem Mann über den Rücken. „Danke!“, sagte sie leise, er sah um, nickte nur, erhob sich schwerfällig, trocknete sich kurz ab und ergriff sein Shirt, streifte es sich ungelenkig über und setzte sich wieder.

„Ich heiße Em, das ist Caro, die beiden heißen Ralf und Easy!“, stellte Emma die Runde schnell vor, er sah von einem zum anderen. „Kenny!“, brummte er nur, schlüpfte in seine Schuhe.

„Wie können wir das nur gut machen, ich koche, du bist eingeladen!“, sprudelte Em drauf los.

Er schüttelte nur seinen Kopf, erhob sich, ein wenig atemlos noch aber wieder erholt. „Nein, danke!“, sagte er, und war am Gehen.

„Aber du hast meinem Hund das Leben gerettet, irgendwie, wir stehen in deiner Schuld!“, rief Em ihm hinterher, Caro ergriff ihre Hand drückte sie leicht, und folgte Kenny, hatte ihn schnell eingeholt. „Bitte!“, drängte sie ihn.

Seine blitzeblauen Augen sahen traurig aus, verloschen, sein Blick traf ihren. „Du würdest uns eine Freude machen!“

„Schon gut!“, flüsterte er langsam, und ging weiter.

 

„Wieso kann der Hund nicht schwimmen?“, wollte Caro wenig später wissen, als sie wieder gemeinsam auf der Decke saßen.

„Keine Ahnung, er tut mir leid!“, bemerkte Em seltsam.

„Weil er nicht schwimmen kann?“, fragte Caro hoch.

„Nicht der Hund der Typ, hast du seinen durchtrainierten Körper gesehen, er sah mir nicht so aus, als hätte er sein Leben auf der Couch verbracht!“, überlegte Em, und ließ Easy nicht mehr aus den Augen.

„Dann frag ihn doch einfach das nächste Mal, wenn du ihn triffst!“, murrte Caro grummelig.

Em prustete. „Du wolltest mir doch eine Anekdote aus deinem Leben erzählen, oder?“

„Okay, ich wohne mit meinem Bruder zusammen, habe einen guten Job, viele Freunde, ja, mehr gibt es nicht zu erzählen!“

„Das glaubst du wohl selbst nicht, Freund, Mann, verheiratet, ledig, Kind!“, brummelte Em und rieb sich die Schläfen.

„Nichts von alledem, eingefleischter Single, und du?“, gab Caro verzückt die Frage zurück.

„Nein, keine Zeit, oder es hat sich halt noch nicht ergeben!“

„Komm, wir besuchen ihn!“, rappelte sich Em auf, und fing an einzupacken.

„Wen?“, fragte Caro schlapp.

„Easys Retter, wie hieß er noch gleich?“, meinte sie alles in ihre Tasche stopfend.

„Kenny!“, ergänzte Caro, erhob sich auch und fing an, das Handtuch zusammen zu falten, der leichte Duft von Kennys Eau de Toilette schwebte an ihre Nase, sie atmete tief durch.

Mit einem unguten Enthusiasmus bewaffnet sammelte Em Ralf und Easy ein. „Wo fahren wir denn hin?“, fragte Ralf

„Wir bedanken uns noch mal bei dem Mann der Easy gerettet hat, ist das ok für dich?“, rief Em übermütig.

„Oh ja, gute Idee!“, rief Ralf, und schon ging die Reise los, Caro folgte dem Tross schweigend, abseilen war nicht angesagt, bald standen sie vor dem Sanatorium, Ralf hatte noch ein paar Blumen gepflückt und sie Easy ans Halsband gebunden, Em kritzelte noch einige Zeilen auf ein altes Butterbrotpapier, Caro schien nicht begeistert zu sein. „Das wird reichen, und du wirst sehen, er wird kommen!“, murmelte sie mit erhitztem Gemüt.

„Na dann, dein Wort in Gottes Ohr!“, brummte Caro, und setzte sich halb auf ihr Rad.

 

Ralf ließ Easy laufen, und der Hund sprintete durch den Garten, und es dauerte eine kleine ewige Weile, bis er wieder heran trabte, der Blumenstrauß war weg, nur der Zettel hing noch in ihrem Halsband. „Los vorlesen!“, forderte Em, Caro sachte auf.

„Ich, wieso?“, und Ems Gefühl, was Caros Verhältnis zu dem Mann anbetraf, bestätigte sich mit jedem Mal mehr, der Hund setzte sich und sie zupfte ihm den Zettel aus dem Halsband, reichte ihn Em, „Keine Antwort!“

„Oh schade!“, raunte Em, und zuckte mit den Schultern, schlüpfte wieder in ihre Flip-Flops.

„Es steht keine Uhrzeit drauf!“, meinte eine Stimme aus dem Hintergrund, beide Damen sahen fast gleichzeitig um, Kenny stand mit den Händen in den Hosentaschen in der Auffahrt.

„19.00 Uhr, und es gibt Pudding mit Kirsch Grütze!“, rief Ralf verschmitzt in Deutsch.

Em sah von Ralf zu Caro, die wiederum versuchte seinem Blick auszuweichen. „Er sagt…!“, fing sie unmotiviert an.

„Gut- ich- komme!“, Kennys Worte kamen zusammenhangslos, verlegen versuchte er sich in einem Grinsen, das genauso wenig gelang.

Easy rettete die Situation und lief zu ihm, leckte seine Hand und hüpfte wieder wie ein Gummiball herum.

„Bis später, sollen wir dich abholen?“, fragte Em ungezwungen, und wieder schien die Sonne aufzugehen.

„Nein!“, murmelte er leise, und setzte sich wieder in Bewegung.

Em lächelt über das ganze Gesicht. „So und jetzt werde ich uns, was Schönes kochen“, flötete sie, schwang sich auf ihren Drahtesel. „Und wehe du kneifst!“, drohte sie Caro mit dem Finger.

„Nie im Leben würde ich kneifen, auf der Stelle versinken wäre mir lieber!“, flüsterte Caro, und folgte Em wieder, ihre Wege trennten sich bald.

 

Der Mann mit dem Metallkoffer kreuzte erneut Caros Weg, während sie das Haus von Luc betrat, verließ er es, und zwar mit dem Koffer. Erhitzt stolperte sie in ihr Zimmer, spähte dort aus dem Fenster, beobachtete den Mann wie er in Richtung Hafen davon ging, schnell schlich sie über den Flur und verharrte vor der Zimmertür ihres zu observierenden Objektes. Er hatte nicht abgeschlossen, wie unvorsichtig, mit zitternden Fingern und fliegenden Herzen schnüffelt sie durch das Zimmer, und es war nichts Ungewöhnliches an dem Zimmer, der Schalenkoffer stand vor dem Bett und sah irgendwie ungeöffnet aus, und er hatte ein Zahlenschloss, war ja klar, sie warf einen Blick in sein Bad, auch nichts Absonderliches.

Schritte kamen den Flur entlang und gingen an der Tür vorbei, sie hielt ihren Atem an und verließ vorsichtshalber das Zimmer, schlenderte durch den Flur, die Schritte kamen zurück, der Mann mit dem Koffer lächelte verhalten und betrat wieder sein Zimmer, legte den Koffer auf sein Bett, und schloss seine Zimmertür ab.

 

Em und Ira zauberten ein wunderbares Essen, bei dem Ralf mit großem Tatendrang half, zu guter Letzt kam Easy an die Reihe und leckte den Puddingrest aus der Schüssel.

Heute war musikalischer Abend angesagt, die ersten Gäste betraten bereits die Hafen Lokation.

„Meine Nase sagt mir, dass die beiden sich kennen, Ira!“, bemerkte Em nebenbei.

„Spinnst du dir wieder eine Geschichte zusammen, du bist echt unheilbar romantisch!“, meinte Ira froh.

„Und was, wenn es so ist?“, meinte sie, und sah an sich hoch. „Ich schau aus, wie eine Sau, falls ich noch nicht hier sein sollte, wenn er kommt, dann wirst du ihn unterhalten!“, rief Em im obersten Stock verschwindend.

„Logisch, und die Gäste werden verhungern müssen!“, kicherte Ira mit ihrem Schürzchen wedelnd.

 

Kenny verließ das Sanatorium mit einem sehr unguten Gefühl im Kopf, seine Erinnerungen reichten genau von heute bis gestern, und das bereitete ihm Schmerzen. Was war vor seinem Ausflug in die Hölle passiert, er konnte sich ja noch nicht mal mehr an seinen eigenen Namen erinnern, geschweige denn an die wichtigen Dinge des Lebens. Alles ausgelöscht, alles weg, keine Bilder mehr im Kopf, nur noch wage Gedanken, die sich als nicht real erwiesen, wo war sein Ich geblieben, sein Leben, alles verdampft, und dass wegen ein paar Drogen zu viel.

Seine Stärke, entschwebt, alles verloren, ein Leben lang, er legte die Handinnenflächen an die Schläfen, sein Kopf schmerzte bei jedem tiefen Gedanken, Schatten legten sich in seinen Geist. Dein Sprachzentrum ist gestört, man wird abwarten müssen, ein Logopäde wird helfen können, dein Körper hat sich gewehrt.

Seine Knochen schmerzten, als hätte er Gicht, oder Rheuma, keine großen Anstrengungen, Kenny blieb stehen, atmete tief durch, plötzlich verließ ihn der Mut.

Caro fuhr bereits in Richtung Hafen, und wieder bemerkte sie, dass sie Angst davor hatte, ihn zu treffen.

Ralf hatte sich mit Hilfe seiner Mutter fein angezogen und den ganzen restlichen Abend nur noch von Easys Rettung erzählt, dann platzierte er sich an den Eingang des Lokals, bewaffnet mit einem selbst gebastelten Orden.

 

Kennys Zustand wurde unüberwindlich, seine Brust zog sich krampfhaft zusammen, er musste wieder in das Sanatorium zurück, aber dann würde er wieder nur davonlaufen. Kenny schüttelte sich und zog eine kleine Box aus der Tasche, öffnete sie, und nahm eine kleine Pille heraus, die sollte er nehmen, falls er das Gefühl hatte, dass nichts mehr ging.

Caro parkte ihr Rad und schlenderte über den Vorplatz, Ralf begrüßte sie winkend. „Bin ich die Erste?“

Er nickte heftig. „Ist es denn schon sieben?“

Caro sah auf ihre Uhr, es war schon nach sieben. „Nein, es ist noch Zeit!“, log sie und entdeckte Kenny, der langsam über den Platz kam, Ralf entdeckte ihn sofort und lief auf ihn zu.

„Ich dachte schon, dass du gar nicht mehr kommst, Mann, bin ich froh!“, sprudelte der Junge, und ergriff seine Hand.

Kenny wirkte wieder verlegen. „Habt ihr schon gewartet?“

„Nein, es ist ja noch nicht sieben, hat Caro gesagt!“, brauste Ralf weiter.

„Hallo!“, krächzte sie mit einem Frosch im Hals, und versuchte sich in einem Lächeln, das nicht gelang.

„Hi!“, murmelte er, und wich ihrem Blickkontakt aus, da war nichts, kein Déjà-vu, kein Funken eines Erkennens.

Em spielte Schicksal, nicht gut. „Ich hätte nicht kommen sollen!“, erklärte er ihr, und wieder wollten Worte und Satzbau nicht sofort funktionieren.

 

Die Musiker setzten zum ersten Takt an, Caro neigte ihren Kopf leicht, lauschte. „Du musst nicht hier sein, wenn du nicht willst, oder was auch immer für Gründe dich dazu bewegen, zu gehen, oder wie auch immer!“, stöpselte sie wage herum.

„Sagen wir es so, ich wurde einfach vergessen, oder verlegt, ich weiß nicht, wer ich bin und es ist sicher besser, man gibt sich nicht mit mir ab, ich fühle mich, als hätte ich nie existiert!“, sagte er ganz leise, und seine Worte stolperten durch seinen Mund, dann wand er sich ab und entzog sich Ralf, kämpfte mit sich, legte den Kopf in den Nacken und seine Hände ins Gesicht.

Am liebsten hätte sie ihn in den Arm genommen, er tat ihr so leid, doch wie sollte sie reagieren, wie würde er reagieren. „Ich vermisse dich!“, dachte sie, und kämpfte mit Tränen.

„Wenn Papa traurig ist, dann nimmt Mama ihn in den Arm!“, warf Ralf wichtig ein.

Caro entfuhr ein schluchzendes Lachen, sie wackelte mit dem Kopf, Kenny sah zu den kleinen Jungen, wischte sich etwas aus den Augenwinkeln und hob ihn hoch. „Lass uns Pudding mit Grütze essen!“, versuchte er sich in einem Kauderwelsch Deutsch.

Em hatte die Szene genau beobachtet und schob ihren frisch kultivierten Körper elegant zwischen Tür und Angel. „Schön, dass du gekommen bist, das Dinner wäre dann serviert!“.

Sie schob Kenny aus der kühlen Dämmerung in das angenehm temperierte Lokal, und das Essen duftete gar köstlich.

 

„Du trägst einen Ring, bist du verheiratet, oder so?“, fragte Em neugierig, sie musste fragen, sonst wäre sich sicherlich geplatzt.

Kennys Blick lief über seine Hand, er drehte den Ring einmal um seinen Finger, das edle Metall glitzerte und der blaue kleine Stein leuchtete wie das Meer zur Mittagsstunde, Caros Herz blieb stehen. „Ich habe keine Ahnung!“, flüstert er.

„Hast du denn überhaupt keine Erinnerungen mehr, das ist ja, als würde man komplett ausradiert, schlimm, schlimm!“, bemerkte Em, und erhob sich schnell, als müsste sie flüchten.

Ralf war auf der Relax Couch im Lokal eingeschlafen, lag quer über den Hund. „Wer bringt denn den Jungen nach Hause?“, wollte Ira wissen, und sah in die Runde.

„Das werde ich übernehmen, seine Eltern liegen auf dem Weg, und es ist ja schon spät!“, entdeckte Caro, und erhob sich müde. „Ich begleite dich ein paar Meter, wenn du nichts dagegen hast!“, schloss er sich an.

 

Em koppelte ihren Universal Anhänger an Caros Rad und legte noch eine Decke hinein. Easy schlich vorsichtig von der Couch, der ruhig schnarchende Junge bewegte sich keinen Millimeter. Kenny schob seine Hände unter den Körper des Jungen, hob ihn hoch, Schmerzen bohrten sich wie kleine Nadelstiche in seine Arme, er schloss kurz seine Augen und biss die Zähne zusammen, trug Ralf in den Anhänger.

„Nein Easy du bleibst hier, kommt gut nach Hause, ihr zwei!“, flüsterte Em winkend.

„Danke für das super Essen, bis morgen!“, flüsterte Caro leise, und umarmte Em fest, sie schmeckte nach Meeresfrüchten, unendlicher Weite und Zufriedenheit.

Dann kam Kenny an die Reihe, er hatte sich vorsichtshalber ein wenig weiter weg postiert, um der ganzen Abschiedszeremonie aus dem Weg zu gehen, der Tross setzte sich in Bewegung, in der Weite konnten sie eine Boje hören, die leise vor sich hin bimmelte.

Der Wind brauste durch die Nacht und ließ Caro erschaudern, sie schob wortlos das Rad neben sich her. „Da vorne wohnt Ralf!“, sie zeigte mit dem Finger auf das kleine Hotel, leise, um ihn nicht zu wecken, luden sie ihn bei seinen Eltern ab.

 

„So, na dann werden sich unsere Wege wohl trennen!“, entdeckte Caro, schniefte kurz, es war kalt geworden.

„Gute Nacht!“, sagte Kenny knapp, und zog den Reisverschluss seiner Jacke hoch, versteckte seine schmerzenden Hände in den Taschen, und ging davon.

„Hast du morgen Zeit?“, rief sie ihm leise nach.

Er verharrte kurz in seinem Schritt, schüttelte seinen Kopf. „Nein!“, meinte er nur, und verschwand.

 

Caro fuhr auf dem Radweg entlang und ihre Gedanken drehten sich im Kreis, natürlich gab es ein Für und Wider, seine Arroganz schien verebbt zu sein, allerdings, dass machte ihn auch aus. Kenny war nur noch eine Hülle seiner selbst, und er alterte, als sie so ihren Gedanken nachhing entdeckte sie wieder das Blinklicht auf dem Meer. Sie hielt an und wartete, weit und breit nichts außer Natur und ein paar grasende Schafe, als das Blinken erlosch, tauchte es ein wenig weiter rechts von ihr erneut auf, und zwar oberhalb eines Hügels. Sie lauschte, konnte außer dem Meer und der Schafe nichts hören, von Em hatte sie eine Taschenlampe bekommen, bewaffnet mit dem Utensil leuchtete sie durch die Nacht und plötzlich war das Blinken verloschen. Caro trat an den Rand des Radweges, und suchte nach einem Weg, der sie zum Strand führte, sie warf sich in die Wiese und stolperte über die Unebenheiten des Untergrundes.

Endlich kam sie an den Strand, drehte sich ein paar Mal und versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen, waren da nicht Stimmen, sie kamen vom Meer, oder hatte sie sich getäuscht. Schnell tauchte sie in der Böschung unter, ein Boot legte an, drei Personen stiegen aus, mit ihren Taschenlampen leuchtete sie immer wieder in Caros Nähe, dann gingen sie den Strand entlang.

„Schmuggler!“, murmelte Caro, und schlich an das Boot, leuchtete hinein, es befand sich nur eine Kiste darin, und die schien gut verschlossen zu sein. Ein Tau lag zusammengerollt an Steuerbord, die Lampe, mit der sie das Lichtsignal gaben, stand daneben.

 

Nächster Tag, neues Glück, sie kippte ihren Kaffee hinunter verbrannte sich ihre Zunge und schob sich den Toast ganz in den Mund, Luc sah sie nur verwundert an. „Kann es sein, dass du unter Zeitdruck leidest?“, fragte er sie, und goss ihr noch Kaffee nach.

„Zeitdruck, was ist, dass? Luc, kannst du ein Geheimnis für dich behalten?“, fing sie leise an, das nächtliche Geschehen, brannte ihr unter den Nägeln, sie musste das Gesehene loszuwerden.

Er sah sie grinsend an. „Ich bin verschwiegen, wie ein Grab!“, brummte er, und tat so, als verschließe er seinen Mund.

„Als ich gestern Abend nach Hause gefahren bin, habe ich wieder dieses Licht auf dem Meer gesehen und man hat geantwortet, danach legte ein kleines Boot an und drei Männer stiegen aus, und verschwanden am Strand!“, erzählte sie leise.

„Ja und dann?“, fragte er nach.

„Nichts dann, sie kamen zurück und fuhren wieder weg!“, meinte Caro mürrisch.

„Fischer!“, sagte Luc, und bemerkte den Mann mit dem Koffer im Flur, deutete mit seinem Kopf in Richtung Tür.

Caro beendete ihre Ausführungen, „Gibt es denn so was wie ein Museum hier?“

„Ja sicher, im Ort, du wirst es gleich finden, und tu mir den Gefallen, pass auf dich auf!“, meinte er väterlich.

„Danke Luc, bis später!“, verabschiedete sich Caro und verließ das Haus.

 

Das Wetter schien heute nicht mehr mitzuspielen, dicke Wolken hingen über der Insel, und es sah sehr nach Regen aus. Alle Fischerboote lagen noch im Hafen, das Meer schlug kräftig gegen die Kaimauer, Em bog gerade mit ihren Einkäufen um die Kurve, nebenher lief Easy und sah aus wie ein Schwein, in ihrem Fell klebten dicke Schmutzbrocken, in der Schnauze trug sie einen bizarr aussehenden Stock. „Es gibt gleich Kaffee!“, rief Emma, und brauste an Caro vorbei, die erschrocken zusammenzuckte.

Ira saß, den Kopf in beide Hände gelegt, am Tresen. „Was ist denn mit dir los, mein Schatz!“, fragte Em, und stellte die Kiste mit dem Gemüse auf einen Tisch.

„Migräne, mein Kopf explodiert sicher gleich!“, meinte Ira weinerlich, und rieb sich ihre Stirn.

„Geh ins Bett und bleib dort!“, sagte Em zärtlich, und kraulte ihren Nacken.

„Wer kocht, und der Kuchen?“, meinte Ira säuselnd.

„Wir werden einfach Luc fragen, soll ich dich nach Hause bringen?“, fragte Em, und zupfte sich ihr Kopftuch vom Kopf, knüllte es zusammen.

Ira erhob sich dankend und verließ das Lokal, Em sah ihr lange überlegend nach, bis eine Bö die Tür zuwarf. „Na, was soll das denn!“, murmelte sie, und öffnete wieder, Caro stand mit dem Fisch in der Hand davor. „Ich habe das Licht gesehen letzte Nacht!“, fiel sie mit der Tür ins Haus.

„Welches Licht?“, Em drängte sich an Caro vorbei, und packte den letzten Rest aus dem Zweitanhänger.

„Das Blinklicht!“

 

„Wie war’s denn gestern noch?“, wollte Em ohne Umschweife wissen, das Licht schien sie relativ wenig zu interessieren.

„Was war, wie?“, Caro tat so, als ob sie keine Ahnung hätte, von was Em sprach.

„Kenny!“, flüsterte sie schelmisch, und setzte Kaffee auf.

„Nichts, er ist gleich nach Hause gegangen!“, meinte Caro sauer. „Du spielst hier nicht rettender Engel?!“

„Würde mir nie einfallen!“, grinste Em belegt, und stellte Caro eine Tasse mit duftendem Kaffee vor die Nase.

 

Kenny blickte in den Himmel, es würde sicher bald regnen, die Tür zu seinem Zimmer öffnete sich. „Guten Morgen, wie geht’s dir heute?“, fragte eine ältere Frau, ihr Haar war leicht ergraut und zu einem Dutt zusammengebunden, unter dem Arm trug sie ein Buch.

Kenny sah um. „Hallo Mae!“, flüsterte er, und wand sich zu der Frau.

„Wie hast du geschlafen Kenny?“, wollte sie wissen, und setzte sich auf den Stuhl, der im Zimmer stand, die Räumlichkeiten waren wunderbar eingerichtet, hier fehlte es einem an nichts.

„Nicht besonders!“, sagte er, und setzte sich ihr gegenüber.

„Was glaubst du, wie alt du bist?“, setzte sie erneut an.

Er schien zu überlegen. „Ende Dreißig?“

„Du bist Anfang dreißig, um es genau zu sagen 33ig!“, ihre Stimme war weich und angenehm.

Er schnaubte leicht. „Auch gut, allerdings sehe ich nicht so aus!“, rief er, und hatte sich wieder erhoben, sie sah ihm nach.

„Wie lange bist du im Koma gelegen, hast du eine Ahnung?“, fing sie erneut an.

„Dad sagte was von sechs Monaten, ich weiß es nicht!“, seine Stimme wurde immer dünner.

Mae nickte. „Ich habe von deiner Heldentat gehört, das war sehr wagemutig in deiner Verfassung!“, sagte sie.

Er sah zu ihr. „Bin ich verheiratet, oder habe ich eine Freundin?“

Mae sah überrascht zu ihm. „Was sagt dein Gefühl?“

Kenny setzte sich wieder, legte die Hände auf den Holztisch. „Kein Gefühl Mae, deshalb frage ich dich ja!“

Ein Lächeln zog sich um ihre Mundwinkel. „Ich habe dir etwas mitgebracht, vielleicht regt das deine Erinnerungen an!“, lenkte sie, und legte das Buch auf den Tisch, blätterte es mit ihren langen schönen Fingern um. „Hier!“, sagte sie, und tippte auf eine Zeichnung. „Erkennst du es?“

Er runzelte seine Stirn, und drehte seine Hände, so dass die Unterarme nach oben zeigten, dann las er einige Zeilen des Textes. „Auszeichnungen eines Meisters, der Drache und der Tiger!“, wieder entpuppten sich Worte als Stolperfallen.

„Du bist ein Meister!“, sie ließ ihre Finger, über die wunderbar verheilten und sehr gut sichtbaren Kunststücke gleiten.

Er schüttelte seinen Kopf, schlug das Buch resigniert zu. „Jeder Knochen schmerzt, jede Bewegung ist eine Qual, ich kann nicht mal richtig meine Hände benutzen, geschweige denn mich elegant bewegen, wie also könnte ich ein Meister sein!“

„Du warst bei Em zum Essen, wie war das für dich?“, wollte Mae wissen.

„Peinlich, wenn du deine Worte nicht ordnen kannst und sprichst wie ein knapp Dreijähriger, keine Kontrolle über dich hast, und jeder tiefere Gedanke plötzlich erlischt, als wäre er nie da gewesen, so fühlt sich ein Alzheimerkranker, denke ich!“

 

„Dein Körper hat sich gewehrt und sich eine Auszeit genommen, und wie lange er das noch tut, das kann ich dir nicht sagen, vielleicht für immer, aber du machst positive Fortschritte!“, meinte Mae lächelnd.

„Es wird nie wieder so wie vorher, oder Mae?“, wollte er ahnend wissen.

Ihr Lächeln erlosch und sie nahm seine Hände vorsichtig in ihre. „Du darfst nicht aufgeben, versprichst du mir das?“

„Sag schon, Mae, ich würde gerne die Wahrheit hören?“, stöhnte er traurig.

 

Em hob gerade die Tasse an die Lippen und wollte einen Schluck nehmen, als Elisabeth ins Lokal stürzte, Schmutzfink Easy nahm das zum Anlass, um auch hineinzuschlüpfen. „Raus hier!“, rief Em aufgebracht, und fing den Hund wieder ein, verfrachtete ihn nach draußen.

„Ralf, ist er bei euch?“, fragte sie aufgeregt.

„Nein, nicht hier!“, meinte Caro.

„Er lag nicht in seinem Bett heute Morgen, ein Zettel mit Ralf typischen gekritzelte lag auf dem Küchentisch, wir müssen ihn suchen!“, ihr Körper bebte vor Angst.

„Mach dir keine Sorgen, den finden wir schon!“, sagte Em seelenruhig, und ging mit Caro auf die Suche nach Ralf, sie fuhren zu den Orten, von denen sie dachten, dass er dort hätte sein können, doch der Junge blieb verschwunden.

 

Währenddessen hatte Mae Kenny in ihr Behandlungszimmer verfrachtet und ihre Öle und Salben ausgepackt. „Warum hast du mir noch keine Antwort auf meine Frage, ob ich verheiratet bin oder eine Freundin habe, gegeben!“, fing er wieder an, sie goss ein wohlriechendes Öl in ihre Hände und massierte seine Arme damit.

„Hat dich Emma das gefragt?“, fragte Mae leise, er nickte seicht, schloss die Augen und Schmerzen brannten bei jeder Berührung in seinen Sehnen.

„Du trägst einen wunderschönen Ring, da drängt sich die Frage auf, aber ich kann sie dir nicht beantworten, da ich es nicht weiß!“, meinte Mae, nahm ein Handtuch und wischte sich ihre Finger darin ab. „Schmerzen?“

Er nickte nur, und ballte seine Finger immer wieder zu Fäusten, kniff dabei empfindlich seine Augen zusammen.

„Zieh bitte dein Shirt aus und lege dich auf den Bauch!“, befahl sie ruhig, und folgte seinen Bewegungen.

Nach einem kurzen robusten Klopfen wurde die Tür zu Maes Behandlungszimmer geöffnet, der weibliche General betrat unerwartet den Raum. „Kinder sind hier nicht erlaubt, das hier ist kein Spielplatz, sondern ein Sanatorium!“, rief sie im Kommando Ton.

Mae sah sie nur lange an. „Und das ist ein Behandlungszimmer und keine Kaserne, Miss Weinman!“

Die Dame an der Tür rümpfte ihre Nase. „Wo kämen wir denn da hin!“, brummte sie, und stemmte ihre Hände in die Hüften, neben ihr erschien ein wirklich eingeschüchterter Ralf. Sie schob den Jungen in den Raum und verschwand genauso schnell, wie sie gekommen war, wieder.

Kenny drehte seinen Kopf. „Ralf, was machst du denn hier, bist du allein?“, fragte er den jungen Mann, der kein Wort verstanden hatte.

Mae nahm ihn bei der Hand und setzte ihn auf den Schreibtisch, so dass er Blickkontakt mit Kenny hatte. „Wie heißt du denn?“

„Er spricht nur Deutsch!“, sagte Kenny leise.

„Gut, ich kann etwas Deutsch, und wie heißt du nun?“, fragte sie nochmals.

„Ralf!“, quiekte der Junge.

„Bist du allein?“, wollte Mae wissen, und fing an Kenny zu massieren.

Ralf fing an zu erzählen, wie ein Wasserfall sprudelten die Worte aus seinem Mund und er erklärte Mae, dass Kenny sein Held sei, weil er Easy gerettet hatte, und noch besser sei wie Spiderman, oder Batman oder Pokémon, sie lauschte grinsend. Ihre Finger tanzten über seinen immer noch wohlgeformten Körper, aber wie lange würden seine Muskeln noch mitspielen, der Abbau war wohl unaufhaltsam. „Wir sind fertig, Kenny!“, flüsterte sie ihm in sein Ohr, er öffnete seine Augen. „Endlich!“, keuchte er.

„Ich habe gestern nämlich vergessen, Kenny seinen Orden als Lebensretter zu geben, und dann bin ich heute Morgen gleich ganz früh aufgestanden, noch vor dem Frühstück, damit keiner was mitkriegt!“, erzählte Ralf hektisch.

Mae sah auf ihre Uhr. „Sie werden dich bereits suchen, Ralf, es ist fast 11.00 Uhr!“

Ralf verdrehte die Augen, und rutschte vom Schreibtisch, Kenny hatte sich erhoben und saß zusammengesunken auf der Liege, seine Hände ruhten locker im Schoß, Mae ließ sich neben ihm nieder, und reichte ihm sein Shirt. „Geht’s allein?“

„Gleich wird es gehen!“, stöhnte er, und versuchte sich in einem Lächeln. „Es wird jeden Tag schwieriger!“, bemerkte er resigniert. „Wie lange noch?“

Mae schraubte ihr Öl zu und stellte es weg. „Ich kann es dir nicht sagen!“, sie öffnete eine Schublade und nahm zwei Rundhölzer heraus, gab sie Kenny. „Nimm sie in die Hände und halte sie fest!“

Er versuchte krampfhaft, die beiden Hölzer festzuhalten, doch es war, als würden seine Hände ihm nicht mehr gehorchen wollen, polternd fielen sie zu Boden, Ralf hob sie auf. „Macht nichts!“, sagte er und gab sie Mae, Kenny schlüpfte in sein Shirt, sie half ihm, sein Herz schlug wild und er starrte auf den Boden.

„Ich kann dich immer besuchen kommen, und ich kenne eine Menge Geschichten, die echt spannend sind!“, versuchte Ralf ihn abzulenken.

„Danke!“, krächzte er, und ging ans Fenster, ließ seinen Kopf an die Scheibe sinken, kühlte seine Stirn daran.

 

Em und Caro trafen sich auf dem Weg ins Dorf wieder. „Ich habe wirklich jeden Ort abgesucht, an dem wir waren, aber ich konnte ihn nicht finden!“, schnaufte Em resigniert.

„Wir suchen jetzt schon drei Stunden, ich fahr noch mal in die Sanatoriums Richtung!“, meinte Caro.

„Gut, wir treffen uns um Mittag wieder im Lokal, dann müssen wir es der Polizei melden!“, rief Em und fuhr davon.

 

„Komm, ich bringe dich zu Em und Caro zurück, sie werden sich sicher schon sorgen machen, Ralf!“, sagte Kenny plötzlich sehr bestimmend, sodass Mae ihn überrascht ansah.

Gemeinsam schlenderten die beiden über den Radweg in Richtung Dorf, und Ralf erzählte und erzählte, auch wenn er fast kein Wort verstand, und dann kam ihnen Caro entgegen.

Erleichtert fiel sie fast vom Rad und umarmte Ralf fest. „Du meine Güte, wir haben uns schon die wildesten Gedanken gemacht!“, rief sie freudig.

„Wieso denn, ich habe doch einen Zettel hingelegt, da drauf steht genau, wo ich bin!“, murrte Ralf missmutig.

Einen Zettel, ich kann mir vorstellen, wie der wohl aussah, nun aber schnell zu deinen Eltern!“, riet Caro. „Danke Kenny!“

„Bitte!“, sagte er knapp, und vergrub wieder seine Hände in den Jackentaschen.

Ralf zupfte so lange an Caro herum, bis sie sich zu ihm hinabbeugte und er ihr etwas ins Ohr flüstern konnte, sie schien rot zu werden, dann erhob sie sich wieder. „Nun mach schon, Helden haben nicht den ganzen Tag Zeit!“, drängte Ralf konsequent.

Caro kicherte, er sah sie nur fragend an. „Er meint du hättest einen Dankeschön-Wiederfinden- Kuss verdient!“

Ralf sah von ihm zu ihr. „Mach schon!“, drängte er wieder.

„Nun gut, aber ich muss schon erst mal fragen, ob ich überhaupt darf!“, sagte sie zu ihm.

„Im Kindergarten gebe ich Anna auch immer, ohne zu fragen einen Kuss, dann lacht sie, die werde ich heiraten!“, erklärte Ralf.

Caro atmete tief durch, trat einen Schritt vor. „Darf ich?“, fragte sie vorsichtig.

Er schien zu überlegen, wich leicht zurück. „Ein andermal vielleicht!“.

„Feigling!“, rief Ralf, und streckte ihm die Zunge heraus. Kenny musste grinsen, nahm seine Hände aus den Jackentaschen und zeigte ihm eine lange Nase, Ralf wiederum stopfte seine Finger in den Mund zog ihn breit und kniff seine Augen zusammen, Caro sah von einem zum anderen. „Nun ist aber gut!“, sagte Kenny und lächelte.

„Und wenn deine Hände keine Lust mehr haben, dann leih ich dir meine!“, sagte Ralf stolz, und hielt sie ihm hin, Kenny atmete tief durch, wand sich ab, Caro war irritiert und versuchte seinen Blick zu deuten, der sich sofort verschloss, beherzt ergriff sie seine Hände, Schmerzen durchzuckten ihn, er hielt seinen Atem an, wollte sich ihr entziehen. „Wie hat er das gemeint?“

„Das geht dich nichts an!“, meinte er erstickt, wollte nur noch fliehen.

„Kenny!“, drängte Caro, und ließ nicht locker.

„Was kümmern dich meine Probleme, du kennst mich nicht und ich kenne dich nicht!“, keuchte er erdrückt, und ein dreijähriges Kind war grammatisch wohl besser aufgestellt als er.

Sie hielt immer noch seine Hände, er konnte sich ihr nicht entziehen, zu schmerzhaft waren diese Bewegungen. Caro hob sie vorsichtig hoch, sie waren schön und feingliedrig, und irgendwann waren sie auch tödliche Waffen gewesen. Ihr Blut rauschte laut in den Ohren, und sie bemerkte, wie unwohl er sich fühlte, dann kniff er seine Lippen fest zusammen, schluckte schwer, und ein flehender Blick streifte ihr Gesicht.

Ralf hampelte um die beiden herum und wurde ungeduldig. „Kommst du bitte!“, drängelte er, der Junge schien Kennys Rettung zu sein.

Kenny nahm alle seine Kräfte zusammen und entzog sich Caro, ein leises Stöhnen trat über seine Lippen, dann wand er sich schnell wand ab und ging davon.

 

Gegen Mittag fanden sich unsere Helden wieder im Ort ein, Elisabeth war heilfroh, dass Ralf wieder aufgetaucht war, sie vergaß vor Erleichterung sogar mit ihm zu schimpfen, und er erklärte ihr nur ganz breit die Geschichte mit dem Zettel und dass man echte Helden nicht jeden Tag treffen würde.

Elisabeth war so überrascht, dass sie sogar vergaß ihren Sohn die für sie schreckliche Situation zu erklären, und während sie gemeinsam über den Hafenvorplatz wanderten, riss sich Ralf nochmals los, stürmte zurück in das Lokal. Caro und Em saßen an einem der Tische, unterhielten sich gerade über die heutige Küchensituation, Ralf knallte den beiden eine zerknautschte Karte auf den Tisch. „Und der kann echt zaubern und Wünsche erfüllen!“, rief Ralf wütend.

Em ergriff die Karte und sah sie sich genau an. „Eine Pokémon Karte!“

„Yu-Gi-Oh!“, erklärte Ralf wieder und stapfte davon.

„So, jetzt bist du im Bilde!“, kicherte Em, und ergriff die Karte noch einmal, sah sie sich genau an. „Da komm ich nicht mehr mit!“

Caro verzog ihren Mund. „Das Licht, ich sah es letzte Nacht wieder!“

„Wir werden das heute Nacht mal abklären!“, sagte Em und überlegte. „Du kannst vielleicht hinter der Theke einschenken, kannst du?“

„Klar, sollte kein Problem sein!“, brummte Caro, und Ralfs Worte wollten ihr nicht mehr aus dem Kopf gehen.

 

Nieselregen hatte eingesetzt und die Veranstalter der räuberischen Freinacht überlegten krampfhaft einen Ortswechsel. Das Motto der heutigen Nacht, wilde Jagd durch die Lokalitäten.

Am Nachmittag erschienen drei Männer des Tourismusverbandes bei Em, setzten sich zu den beiden an den Tisch, um den heutigen Abend zu besprechen.

Man beschloss, das Spiel auf dem alten Schoner zu beginnen, sollte das Wetter mitspielen und es bei Nieselregen bleiben, man wollte ein Sonnensegel über die Bestuhlung spannen, danach die Plünderung und die Jagd in Ems Lokal fortsetzen.

 

Kenny war wieder in seinem Zimmer angekommen, mühsam war der Weg gewesen. Mae hatte ihm das Buch dagelassen, indem er im Vorbeigehen herumblätterte, schnaubte wild, drehte und wendete seine Hände und runzelte dabei seine Stirn. „Ein Meister!“, keuchte er abfällig und schlug es wütend zu, ging an seinen Schrank, nahm einige Kleidungsstücke heraus, tauschte Alltagskleidung gegen eine weite Jogginghose und ein enganliegendes ärmelloses Shirt, schlüpfte in seine Turnschuhe, verschwand wieder. Der Nieselregen hatte sich in Regen verwandelt, missmutig verzog er sein Gesicht und sah in den Himmel, es war ihm egal, und wie egal es ihm war, als er am Strand angekommen war, war er bereits klitsch nass. Die Wellen schlugen laut an das Ufer, Kenny blieb stehen und sah sich um, schüttelte sich und wischte sich den Regen aus dem Gesicht. „Ein Meister, wie lächerlich!“, brummte Kenny, und fing an zu laufen, erst langsam und dann immer schneller.

 

Caro wurde in Lucs Haus gespült, eine böse Böe ließ die Türe hinter ihr krachend ins Schloss fallen, durchgeweicht und mit tropfenden Haaren stieg sie nach oben. Das ganze Haus schien zu flüstern, überall knarrte und krachte es, Caro ging am Zimmer des Mannes mit dem Metallkoffer vorbei, die Tür stand weit offen, neugierig spähte sie hinein, konnte ein großes Fernglas auf dem Fensterbrett stehen sehen, und der Metallkoffer lag geöffnet auf dem Bett. Adrenalin pur und von der hoch dosiertesten Art durchflutete plötzlich ihren Körper.

Caro schlich hinein, sah durch das Profifernglas und konnte den Strand, das Meer, die Boje, die immer so nett bimmelte in der Nacht glasklar erkennen, und dann betrachtete sie den Inhalt des Koffers, ein Hightech Bogen, präzise und ultragenau, feinste Handarbeit, und diese Technik lag vor ihr fein säuberlich in Schaumstoff gebetet, daneben drei Pfeile.

„Oh je!“, flüsterte sie sich leise zu, mechanisch trat sie wieder an das Fernglas, sah noch einmal hindurch und konnte eine Person erkennen, und zwar so genau und nah das man sie hätte mit der Hand berühren können, Kenny, die Haustüre öffnete sich, Caros Herz rutschte in die Hose, schnell sprang sie an den Metallkoffer, ließ ein kleines Teil des Bogens in ihrer nassen Jacke verschwinden und verschwand vorsichtshalber aus dem Zimmer.

Schritte kamen schnell näher, Caro lief um die Ecke und die Treppe hinauf in ihr Zimmer, ihr Adrenalinspiegel war immer noch ziemlich hoch und ließ sie vor Aufregung zittern.

Der Mann mit dem Metallkoffer betrat elegant schwungvoll sein Zimmer, und blieb abrupt stehen, etwas schien anders zu sein, er ergriff schnell das Fernglas und beobachtete den Strand, seine Zielperson befand sich immer noch am Meer. Er ließ die Tür ins Schloss gleiten, zog Handschuhe an und nahm den Bogen aus dem Koffer, baute ihn flink zusammen, doch das wichtigste Teil fehlte, der Mann sah sich suchend um, legte den Bogen vorsichtig beiseite, ging auf die Knie und warf einen Blick unter das Bett. Doch dort lag auch nichts, er grunzte missmutig und erhob sich, ergriff erneut das Fernglas und sah hindurch, die Situation samt Objekt hatte sich noch nicht verändert, rückte seinen Alukoffer ein Stück weg, nichts. „Verdammt!“, fluchte er leise.

 

Peitschender Regen vom Meer her stach ungemütlich in Kennys nackte Haut, der Wind peitschte hart in sein Gesicht, und die Schmerzen hatten eine angenehme Dosis erreicht, waren überall, bohrten sich durch seine Muskeln, krochen in seine Sehnen, atmen wurde zu einer Qual, während seine körperliche Kraft langsam versiegte.

 

Der Mann mit dem Metallkoffer nahm immer wieder das Fernglas zur Hand und das Objekt seiner Begierde lief immer noch am Strand entlang, als er nach seinem Bogen griff, fiel sein Blick auf die kleine Pfütze neben seinem Bett, sein Gesichtsausdruck wurde wütend und er legte den Bogen wieder in den Koffer zurück.

 

Caro stand tropfend in ihrem Zimmer, der Typ war ein Killer, und er hatte einen Auftrag, und er wohnte einige Meter neben ihr, wie unpraktisch, sie wühlte in ihrer Reisetasche herum und förderte das Handy an die Oberfläche. „Nur für den Notfall!“ sie warf es wieder in die Tasche zurück, schlüpfte aus ihrer Jacke, Kennys Ring purzelte aus der Hosentasche und kullerte vor ihre Füße. „Du schon wieder!“, bemerkte sie hob ihn auf, der kleine blaue Stein glitzerte aufmunternd.

Sie musste zu Em, Gefahr erkannt, Gefahr gebannt, dachte sie und zog sich um, an der Garderobe hing ein Regenmantel, den sie auf den Gepäckträger ihres Rades packte und kämpfte sich durch den immer stärker werdenden Wind an den Strand, sah sich hektisch um, die Fernglas Gestalt hatte ihren Schritt stark verlangsamt, Caro ging ihr schnell entgegen, und bevor sie noch etwas sagen konnte, sank die Person vor ihr in den nassen Sand, hatte seinen Kopf auf die Oberschenkel gelegt und seine Arme fest um den Körper geschlungen. Sie breitete den Regenmantel schützend über den zitternden Körper. „Komm hoch es ist kalt!“, forderte sie ihn leise auf.

Kenny verbarg sein Gesicht, hatte seine Augen geschlossen, gut, dass es regnete, dann konnte man seine Tränen nicht vom Regen unterscheiden. „Komm!“, forderte sie ihn nochmals auf.

Mit vereinten Kräften kämpften sie sich durch den Regen. „Lass uns zu Luc gehen, sein Haus ist gleich dort oben!“

„Nein, ich muss ins Sanatorium zurück!“, meinte Kenny gequält.

„Aber…!“, fing sie erneut an.

Er schüttelte seinen Kopf, sah sie nur an, der Weg durch die langsam einsetzende Dämmerung war trotz Kälte sehr schweißtreibend, sie stützte ihn und endlich kam die Einfahrt des Sanatoriums, endlich, sie ergriff den schweren Eisenring und schlug ihn dreimal gegen die Tür, Mae öffnete, sie sah die beiden überrascht an. „Schnell, kommt rein!“.

In seinen vier Wänden angekommen ließ er sich auf sein Bett fallen, Mae half ihm noch mit den nassen Sachen, dann rollte Kenny sich zusammen und sie zog die Decke über seinen zitternden Körper, schob Caro aus dem Zimmer. „Danke, wo hast du ihn gefunden?“

„Am Strand, ich war auf dem Weg zu Em!“, meinte Caro besorgt, und stoppte immer wieder.

„Was hat er dort gemacht?“, fragte sich Mae wissend, und sah schmunzelnd zu Caro.

„Es sah so aus, als wäre er gejoggt!“, sagte sie vorsichtig.

„Du bist Lucs Feriengast, wie lange wirst du bleiben?“, wollte Mae therapeutisch wissen.

Caro setzte sich wieder in Bewegung. „Ach, ich hatte mich nicht festgelegt!“

„Ihr tut ihm gut!“, bemerkte sie, und hatte Caro bis an die Tür gebracht.

Caro wich ihrem tiefen Blick immer wieder gekonnt aus, ihr Herz krampfte sich zusammen, und wieder war sie Zeuge seiner Schwäche geworden, am liebsten hätte sie laut losgeheult und sich zu erkennen gegeben. „Ja, er ist nett!“, stotterte sie erstickt, und Tränen füllten bereits ihre Augen, nur schnell weg.

„Er ist allein!“, meinte Mae fest, und hielt Caro ganz vorsichtig zurück, die ihre Tränen kaum noch bändigen konnte. „Ich weiß, dass es sehr viel verlangt ist, aber vielleicht könntet ihr ihn weiter ein wenig in eure Umgebung mit einbringen!“, sagte sie freundlich.

Aus Caros Kehle kamen statt Worte nur erstickte Glucksen, sie räusperte sich und nickte, Mae musterte sie genau. „Schenkt ihm noch ein paar Tage!“, setzte sie hinzu, und dann hatte sie die Reaktion erwirkt, die sie in ihrer Ahnung bestätigte, Verwirrung stand Caro deutlich ins Gesicht geschrieben, „Wie meinst du das?“

„Ich bin seine Therapeutin und ich unterliege der Schweigepflicht!“, sagte sie leise.

„Sein Körper baut ab, ist es das?“, fragte Caro mit erstickter Stimme.

Mae nickte. „Es wäre wirklich nett von euch!“

Caro schnappte kurz nach Worten, doch es fanden sich keine geeigneten, dann nickte sie schweigend und verschwand im Regen.

Mae wiegte sanft ihren Kopf, schloss die Türe und ging den langen Flur hinunter, betrat erneut Kennys Zimmer, der flach atmend in seinem Bett lag, sie setzte sich zu ihm und streichelte ihn vorsichtig. „Du wolltest es wissen, oder?“

Keine Antwort, Kenny atmete tief durch und sank in einen ruhigen Schlaf.

 

Caro kam pitschnass im Lokal an. „Da bist du ja, ich dachte schon, dass du mich hängen lässt!“, lachte Em hektisch, musterte Caro dabei intensiv. „Du siehst aus wie eine nasse Ratte!“

„Danke für die Blumen, und falls du es nicht bemerkt haben solltest, es regnet draußen!“, brummte Caro mürrisch.

„Komm mit, ich gebe dir deine Arbeitskleidung, so wie du gekleidet bist hätte das heute sowieso nicht funktioniert!“, kicherte Em, und nahm die Augenklappe vom Auge.

Caro folgte Em nach oben, die ihr schon ein komplettes Piratenoutfit zurechtgelegt hatte, eine Rüschenbluse, breitgestreifte Hosen, hohe Stiefel mit einer riesigen Schnalle, ein buntes Tuch, Säbel, Ledergürtel. „Nicht dein Ernst, oder?“, fragte Caro vorsichtig nach.

Em kniff die Lippen zusammen, nickte robust, machte mit dem Finger der rechten Hand einen Wirbel in der Luft und verschwand.

Zehn Minuten später war Caro wieder erschienen, zupfte ungemütlich an sich herum, platzierte ihre Gestalt hinter die Theke, noch waren außer Gäste keine Schauspieler vor Ort, Luc brutzelte in der Küche ein paar Krebse und summte ein Liedchen vor sich hin.

„Gibt es hier ein Waffengeschäft?“, warf Caro in den Raum, Em sah sie lange an.

„Ja, einen Jagd-und-Zubehörladen?“, sagte sie, und sah Caro herausfordernd an. „Wieso?“

„Das erklär ich dir später, unter vier Augen!“, flüsterte sie, und die letzte Begegnung kam ihr wieder in den Sinn.

 

Luc kam mit zwei Tellern köstlich duftenden Steaks aus der Küche, stellte sie auf die Theke. „Essen!“, rief er, und sah wartend durch das Lokal, ein etwas korpulenter Mann sprang auf.

„Luc ich muss dir etwas erzählen!“, sagte Caro schnell, und stellte dem Mann auch noch gleich ein Bier hin.

„Keine Zeit, später!“, wisperte er, verzog sich wieder, und die Zeit tropfte dahin wie eine undichte Wasserleitung.

Als der Schabernack begann, zerrte Em Caro in eine ungestörte Lokal Ecke. „Was ist los, du siehst so nachdenklich aus!“

Caro zog eine Schnute. „Ich muss wohl einen schlechten Tag erwischt haben!“

„Vor fast zwei Stunden war er aber noch gut!“, überlegte Em, und beobachtete das Treiben in ihrem Lokal, ein paar Krüge gingen zu Bruch und die Laternen an der Decke baumelten gefährlich wild umher.

„Ist irgendetwas vorgefallen?“, sie blieb hartnäckig, und dann zerbrach eine Tischplatte, zwei Piraten fingen an zu fluchen und zogen dann ihre Säbel.

„Sie zertrümmern dir dein Lokal!“, versuchte Caro abzulenken.

„Lass sie nur, jetzt geht’s um dich, also was ist passiert?“, Em bohrte weiter, und kippte einen Whisky, schüttelte sich.

 

„Essen!“, schrie Luc, ein Bierkrug flog nahe an seinem Kopf vorbei und zerbarst an der Wand hinter ihm.

„Verflucht, mein Gemüseauflauf!“, zeterte Luc.

„Ich höre!“, stichelte Em weiter, und Caro sank in sich zusammen. „Es ist alles so verworren, und ich kann gar nicht richtig denken!“

„Nun erzähl endlich!“, rief Em in den Tumult hinein, und die Kapelle spielte immer falscher und manchmal wurde auch mit einem Instrument zugeschlagen.

Die Gäste hatten ihren Spaß daran und mischten kräftig mit, immer wieder flogen kleine Gläschen durch die Luft, Luc hatte das Kochen aufgegeben, Em musste wieder bedienen, die Meute rief nach Bier, besorgt sah sie immer wieder zu Caro die in diesem Chaos versuchte unfallfrei Bier zu zapfen.

Als der Spuk beendet war, lagen überall Scherben und die Bude stank nach allem Trinkbaren, das in Ems Pub zu finden gewesen war, Luc hatte einen Besen geholt und die Scherben hinter der Theke zusammengeschoben, dann sah er sich um und legte die Stirn in Falten. „So eine Saubande!“

„Ach lass nur, das machen wir morgen!“, meinte Em müde, und setzte sich auf einen relativ sauberen Platz, Luc und Caro gesellten sich dazu.

„Jetzt bist du dran, wolltest du mir nicht etwas Ultrawichtiges erzählen?“, fragte Luc und verschwand in der Küche, Caro sah ihm nach und nahm einen Schluck aus ihrem Bierkrug, bei dem der Henkel fehlte.

Em gähnte und lümmelte sich in den Stuhl, Luc kam sogleich zurück und stellte eine Pfanne in die Mitte des Tisches, gab noch jedem eine Gabel, er hatte Kartoffeln, Schinken und Zwiebeln gebraten.

„Dein Gast, der Mann mit dem Metallkoffer, er ist ein Killer!“, warf Caro und kaute genüsslich.

Em und Luc sahen sich an, als hätte jemand den Stöpsel aus dem Meer gezogen. „Wie viel Bier hattest du heute schon?“, wollte Em wissen.

„Nein, echt, ich habe ihn auf frischer Tat ertappt, als er gerade dabei war, den Bogen aufzubauen!“, murrte sie, und legte die Gabel bei Seite.

„Bitte, Caro!“, tadelte Luc.

„Er wollte einen Bogen aufbauen, ein Ultra Hightech Teil, daneben lagen Präzisionspfeile, echt!“, sie glaubten ihr nicht, war klar, nach so einem Abend.

„Und auf wen wollte er schießen oder besser warum hat er es nicht schon getan?“, fragte Em neugierig.

„Ich, ähm, ja!“, nun hakte es, sollte sie ihnen die Wahrheit sagen.

„Eben, außerdem schießen meine Gäste auf keine Passanten!“, erklärte Luc.

Em lehnte sich vor. „Wieso habe ich nur das Gefühl, dass du weißt, auf wen er schießen wollte!“

Luc ergriff die Whisky Flasche. „Er hat ein Zimmer mit Blick auf den Strand, nichts Besonderes!“

„Und das sagt doch schon alles!“, murrte Caro wild, klimperte mit ihrer Gürtelschnalle herum.

„Also, wer ist denn sein Objekt?“, drängte Em, und ergriff ihre Hände.

„Kenny!“, schnappte Caro.

„Der Typ aus dem Sanatorium, so eine Utopie, den bräuchtest du nun wirklich nicht mit Pfeil und Bogen umbringen, ein Fahrrad würde reichen!“, mümmelte Luc leicht benebelt.

Em rammte ihm den großen Zeh ins Schienbein, dabei verzog er jaulend sein Gesicht, und Caro knurrte irgendetwas Böses.

„Entschuldigung, ich werde morgen gleich den Mann mit dem Metallkoffer fragen, ob er ein Killer ist, denn, falls es so ist, dann werde ich ihn bitten müssen, auszuziehen!“, ärgerte Luc die beiden Damen.

„Du bist uns eine sehr große Hilfe, Luc, du kannst doch nicht über einen Menschen urteilen, den du überhaupt nicht kennst!“, polterte Em, und schenkte sich und Caro noch einen klitzekleinen Whisky ein.

„Mädchen, seht ihn euch doch an, sieht er aus, als ob man ihn töten müsste, er kann sich kaum bewegen, und das mit dem Denken liegt ihm auch nicht mehr, und ich spreche da aus Erfahrung, entweder er hat sich einen Whisky zu viel eingegossen, oder zu viel Drogen, oder vielleicht beides, es wohnen nur solche Typen dort im Sanatorium!“, erklärte er den beiden. „Fast nur!“, fügte er hinzu.

„Aber er tut mir leid, und ich finde ihn nett!“, brummelte Em, und legte ihre Büchse auf den Holztisch.

Caro atmete tief durch. „Und was, wenn er wirklich in Gefahr ist, ich habe dem Mann mit dem Metallkoffer ein Teil seines Bogens gestohlen!“

„Was, bist du des Wahnsinns!“, rief Em. „Er wird kommen und dich kielholen lassen!“

„Er weiß doch nicht, dass ich es war!“, winkte sie ab, und traf dabei Lucs Glas, das gefährlich überschwappte.

„Und was, wenn er es doch weiß, so neugierig wie du immer warst, und außerdem denke ich, dass er eins und eins zusammenzählen kann!“, erklärte Luc, stand auf und machte noch einmal drei Krüge mit Guinness voll.

„Sag mal, hat der Typ eigentlich keinen Namen?“, murmelte Em, und fühlte sich unheimlich leicht, der Alkohol schien zu wirken.

Luc schien zu überlegen, rieb sich sein Kinn, kratzte sich am Hinterkopf, sah zu Caro, die nur ihren Kopf schüttelte. „Ich denke, dass er keinen Namen hat!“

Caro und Luc übernachteten bei Em in der oberen Etage des Lokals, und das war bestimmt gut so, denn wer weiß, ob die beiden nach Hause gefunden hätten, das Regengebiet hatte sich verzogen, als Caro gegen acht Uhr aus einem tiefen Schlaf erwachte.

 

Em hatte die Hände in die Hüften gestemmt und stand tadeln in der Tür von Caros Schlafgemach, sie hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, sich auszuziehen, lag quer über dem Bett, ihre halb nassen Sachen hingen noch immer über den Stuhl, auf dem Boden unter ihrer Hose lag Kennys Hexenmeisterring, sie bückte sich und ergriff ihn. „So ein schönes Stück!“, der breite anthrazitfarbene, mit dem kleinen Mondstein besetzte Ring blinkte zwischen ihren Fingern, innen zierte eine feine Schrift das Schmuckstück.

„Er gehört einem guten Freund!“, krähte Caro heiser, und setzte sich auf.

„Und den trägst du einfach so in deiner Hosentasche herum, hast du ihn gestohlen?“, lächelte Em zärtlich, und setzte sich zu Caro aufs Bett.

„Nein, er verfolgt mich!“, krächzte Caro, und versuchte sich aus den Klamotten zu schälen, ergriff ihr Shirt. „Nass, verdammt!“

„Du kannst was von mir haben!“, meinte Em, und starrte immer noch auf den schönen Schmuck. „Gib ihn doch zurück!“

„Geht nicht!“, sagte Caro kurz angebunden, und knöpfte ihr Rüschenhemd auf. „War’s schlimm gestern?“, fragte sie leise, und rieb sich die Schläfen, in ihrem Kopf drehte sich alles.

„Das kommt darauf an, wie du Schlimm definierst!“, grinste Em, und sah müde aus.

„Ich meine mich, habe ich wieder viel Mist gelabert, nach einigen Whiskys passiert mir das manchmal!“

„Nö, aber du hast dich nicht von der Tatsache abbringen lassen, dass ihr einen Killer im Haus habt!“, prustete Em, und fing an zu lachen.

 

Caro tapste halbnackt über den weichen Teppichboden und griff in ihre Jackentasche, nahm das Teil des Bogens heraus, und hielt es triumphierend in die Höhe. „So, und was ist das?“

Em zuckte mit den Schultern. „Das habe ich mir geliehen, wie spät ist es?“, fragte Caro schnell.

„Gleich halb Neun!“, meinte Em, und hatte immer noch so ein seltsames Gefühl.

„Ich muss los, sofort!“, stresste Caro plötzlich. „Was zum Anziehen schnell!“

„Jetzt mach mal nicht so einen Wind, hier öffnen die Geschäfte erst um Zehn und es ist noch genug Zeit für ein Frühstück!“

„Was, wenn er aber…!“, fing Caro wieder an, doch Em bremste sie ein. „Hat er nicht, und jetzt komm, ich gebe dir etwas zum Anziehen!“

Luc kreierte gerade ein Frühstück, das sich sehen lassen konnte, Em hatte inzwischen Platz gemacht, und Caro deckte den Tisch, zwischen Verwüstung und Chaos.

„Na, mein Kind gut geschlafen?“, fragte er, und stellte das köstlich duftende Essen auf den Tisch.

„Gut ist was anderes, und du?“, gab Caro die Frage zurück.

„Wunderbar!“, lachte er, und setzte sich zu den beiden, Em goss sich ein Glas Orangensaft, ein und nuckelte daran. „Mein schönes Lokal!“

„Das kriegen wir schon, nur keine Sorge!“, bemerkte Luc, und schaufelte Eier auf seinen Teller, in diesem Moment öffnete sich die Tür des Lokals, Em machte sich nicht die Arbeit umzusehen. „Wir haben wegen Depression geschlossen!“, rief sie.

„Nicht gut, denn wir würden gerne dein Lokal wieder zusammenschrauben!“, rief eine Männerstimme in der Tür.

Luc neigte seinen Kopf. „Na dann kommt mal rein, habt ihr schon gefrühstückt?!“

Drei Männer gingen durch das demolierte Lokal und gesellten sich zu Em, Caro und Luc. „Es tut uns wirklich leid, dass es so ausartete!“, meinte einer der Männer sichtlich geknickt.

Em zeigte auf einige leere Stühle. „In den Originalzustand?“

„Dachten wir uns so, die Kosten tragen selbstverständlich wir, und das Inventar besorgen wir dir auch, ist das ok für dich?“

Für Em schien an diesem Tag die Sonne aufzugehen. „Das ist ok für mich!“, grinste sie über das ganze Gesicht.

Brian, Tom und Pete, waren wohl die drei grausamsten Randalierer der Piratenrunde von gestern gewesen.

 

Gegen Zehn Uhr morgens verschwand Caro aus dem Lokal, gefolgt von Em, die es sich nicht nehmen lassen wollte, ein wenig mehr über das Bogenteil, und den Mann mit dem Metallkoffer zu erfahren, das Jagdgeschäft lag ein wenig außerhalb des Dorfes, und es hatte noch nicht geöffnet.

Sie warteten einige Minuten, und dann kam ein Mann auf einem Motorroller herangebraust.

„Guten Morgen, Em, du willst doch nicht etwa zu mir?!“, rief der Besitzer freundlich.

„Guten Morgen, Tucker, ausnahmsweise!“, sagte Em und ihr Ton war schneidend, der junge Mann grinste breit und öffnete seinen Laden, eine kleine Glocke bimmelte hell und er bat die beiden herein.

„Ich bin gleich bei euch!“, sagte er, und verschwand im hinteren Teil des Geschäftes, Caro sah sich um, überall hingen Angeln, und Gewehre, Schlafsäcke lagen in einem Regal, und es roch nach imprägnierten Jacken, auf einem Ständer hingen Hüte, in einer Vitrine befanden sich Angelhaken und Zubehör, Tucker kam zurück. „Hast du was gefunden Em!“, fragte er Em zynisch.

„Nein, du weißt doch, dass ich gegen die Jagd bin, und auch gegen Waffen, aber Caro hätte eine Frage!“, meinte sie zickig.

 

Tucker sah aus wie ein richtiger Jäger, wahrscheinlich hätte er auch kein Problem gehabt mit bloßer Hand einen Bären zu erwürgen, Caro lehnte an seiner Theke und begutachtete die Waffen, die unter ihr lagen, wackelte mit dem Gesäß hin und her, Em trat zu ihr. „Und?“

„Kann ich die mal haben?“, fragte sie, und drückte ihren Finger auf die polierte Scheibe.

Tucker runzelte seine Stirn und kam um die Glastheke herum. „Das ist eigentlich nichts für…!“, fing er vorsichtig an, doch Caros Blick tötete ihn gerade, seine Augen formten sich zu schlitzen, und er ging wieder nach hinten, kam mit einem Schlüsselbund zurück, öffnete den Kasten nahm die Waffe samt Unterlage heraus, schob sie zu Caro, deren Augen groß wurden, Em verstand die Welt nicht mehr.

Sie ließ einen Finger darüber gleiten. „Wunderschön!“, hauchte Caro, und zog einen seltsamen Blick auf sich, Tucker beobachtet sie nur, sagte nichts mehr, ihre Finger legten sich um den Griff der Waffe, eine Sig-Sauer, so eine hatte Leon, Erinnerungen breiteten sich aus überfluteten sie, geschmeidig entsicherte sie das Teil lud sie durch, Tucker verschränkte seine Hände vor seinem Körper und nickte bewundernd, warf Em einen zynischen Blick zu.

Caro nahm das Magazin heraus, leer, steckte es wieder hinein und sicherte die Waffe wieder, legte sie zurück, atmete tief durch. „Danke!“

„Bit-te!“, stotterte Tucker, und legte sie wieder zurück. „Und was kann ich noch für dich tun?“, sein Jagd Herz schlug, Em rümpfte die Nase. „Tiermörder!“, zischte sie.

Er verzog seinen Mund. „Ich lebe davon Em!“, flüstert er, Caro sah zwischen den beiden hin und her. „Ich denke, für Beschimpfungen ist später auch noch Zeit!“, Caro zog das Teil aus der Jacke und legte es auf die Theke, Tucker verneigte sich fast davor. „Was ist kaputt?“, fragte er überrascht.

„Hast du einen?“, warf Caro in den Raum, und sah ihn lange an, seine honigkaramellgelben Augen leuchteten wieder, er verschwand in seinem Geschäft, und kam mit einem Bogen zurück. „Linkshänder!“, Caro nickte, nahm ihn an sich.

Em sah Schnute ziehend zu ihm. „Wie geht’s Amelie?“, warf sie ihm zu.

„Gut, danke!“, sagte er knapp, und beobachtete Caro akribisch, sie drehte und wendete das Ding. „Kommt mal mit!“, meinte er, und nahm ihr den Bogen wieder aus der Hand, legte ihn auf die Theke, ging an die Tür schloss sie ab, kam schnell zurück, der Weg führte eine Treppe hinunter, im Keller befand sich ein Schießstand, er knipste das Licht an, und Caro sah verwundert zu ihm, er lächelte, Em hielt sich im Hintergrund, sie mochte diesen Ort nicht.

 

Tucker drückte auf ein paar Knöpfe und es erschien eine Scheibe im Hintergrund, er zog seine Weste aus, legte sie weg, nahm einen Sehnenschutz schlüpfte hinein. „Das ist ein 2007er Raptor, von Bow Tech, aus der Diamond Serie, Bogenlänge 31,5“, Pfeilgeschwindigkeit 300 fps, Auszugslänge 26“-31“, eingestellt auf 29“, Gewicht 1,43 Kilo, Brace Height 8“, ein Bogen mit 7 Schwingungsdämpfer, je einem auf dem Wurfarm, zwei auf der Sehne, jeweils eine auf dem Kabel, und einem auf dem Kabelabweiser, 3 Pin Fiber Optik Visier, und geräuscharmen Schussverhalten!“, seine Ausführungen endeten mit einem Pfeil, den er zur Hand nahm und einlegte, die Sehne des Bogen spannte, ein leises Knirschen drang an Caros Ohr, und der Pfeil sauste blitzschnell und ultragenau in die Scheibe, und blieb präzise in der Mitte stecken.

„Uh!“, drang es aus Caros Kehle, sie ging am Rand des Schießstandes entlang bis zur Scheibe, und versuchte ihn wieder herauszuziehen, mit etwas Gewalt funktioniert es dann letztlich, sie kam zurück, Tucker hatte den Bogen sinken lassen, Caro ließ den Pfeil zwischen den Fingern hin und her gleiten. „Man hört ihn nicht!“

„Wen?“, fragte Tucker vorsichtig nach.

„Den Pfeil!“, säuselte sie, und gab ihn Tucker zurück.

„Nein, wirklich sehr gute Technik, aber nun mal ganz ehrlich, um was geht es hier?“, fragte er, und lehnte sich an den Schießstand.

Em sah zu Caro. „Hast du das Teil, das ich dir gezeigt habe als Ersatzteil im Laden?“

Tucker nickte. „Klar!“

„Kannst du mir einen Gefallen tun?“, fragte sie vorsichtig.

Tucker legte seinen Kopf in den Nacken. „Gut, ich weiß zwar nicht warum, aber ich tu dir den gefallen, welchen?“

„Es wird ein Mann kommen, und der wird dieses Teil haben wollen, sag ihm einfach es sei vergriffen und ist erst wieder in drei Wochen lieferbar!“, meinte Caro knapp und sachlich, Em sah sie lange an.

„Gut, werde ich dann erfahren, warum das so ist?“, seine Gestalt sah sportlich-elegant und sympathisch aus.

„Mal sehen!“, brummte Em, und tingelte immer wieder zum Ausgang. „Können wir jetzt den Ort des Grauens verlassen?“

„Gleich, Em, einen Moment noch, kannst du es noch so lange aushalten?“, wollte Tucker freundlich wissen, und tätschelt dabei ihre Schulter, sie rümpfte die Nase, nickte rabiat, er verschwand nach oben, und kam mit der Sig-Sauer wieder.

 

„Jetzt bist du dran, ich habe dir gezeigt wie man mit Pfeil und Bogen umgeht, nun zeigst du mir was!“, seine Stimme klang herausfordernd, er legte sie Caro vor die Nase, ihr Blick klebte an dem Schmuckstück von Eleganz, Tucker schob eine Schachtel mit Munition neben die Waffe.

Caro ergriff die Waffe und ließ wieder das Magazin herausgleiten, füllte es mit einer schnellen Handbewegung, schob es wieder in die Sig-Sauer, elegant entsichert, einmal durchgeladen, sie war ganz in ihrem Element, setzte die Ohrenschützer auf, und legte an, drückte ab, es knallte dreimal, dann sicherte sie die Waffe wieder legte sie weg, Tucker kniff seine Lippen fest aufeinander und ging nach hinten, brummelte etwas vor sich hin, kam zurück. „Klasse, drei Treffer!“.

Em blieben vor Überraschung die Worte im Mund stecken, oben an der Tür klopfte es. „Ich muss den Laden wieder aufsperren!“, sagte Tucker, und ergriff seinen Bogen, sprintet nach oben, Caro und Em ihm hinterher.

Caro legte die Waffe wieder in die Vitrine, und Tucker hängte den Bogen wieder auf, ging an die Ladentür und öffnete sie wieder.

„Sag mal Tuck hast du etwa verschlafen?“, brummelte eine alte Stimme, und dann erschien ein älterer Mann im Geschäft, die beiden Damen hatten sich vorsichtshalber verkrümelt, Roy kaufte ein paar Angelhaken, redete über das Wetter und verließ den Laden wieder, Em und Caro kamen aus der Versenkung hervor.

„Danke Tucker, schönen Tag noch!“, bemerkten Em, und Caro im Gehen.

„Halt, Moment, ihr Schuldet mir etwas!“, rief Tucker den beiden hinterher.

„Munition, und einen Testschuss mit einem Superbogen, du hast ein Bier gut bei mir!“, rief Em brüsk, und verließ den Laden.

Tucker war hinter den beiden hergeeilt, doch sie hatten sich schon auf ihre Drahtesel geschwungen.

 

Ralf, Easy, Caro und Em parkten wenig später am Sanatorium, und klopften, Miss Weinman öffnete, und warf der kleinen Gruppe einen taxierenden Blick zu. „Das hier ist kein Kindergarten!“, rief sie militärisch und hob den Kopf.

„Wir wollen Kenny besuchen!“, sagte Ralf drohend.

Ohne auch nur noch ein Wort zu sagen, deutete sie um das Haus herum in den Garten, verschwand genauso schnell wie sie gekommen war.

Er saß auf der Mauer, die das Land zum Strand und dem Meer abgrenzte, „Hey!“, rief Em, und klopfte ihm vorsichtig auf die Schulter, er sah um, sie versuchte nicht geschockt zu wirken, er sah aus wie eine lebendige Leiche. „Wir sind hier, um dich zu entführen!“

Er schüttelte nur den Kopf, Ralf stapfte zu ihm. „Komm schon, wir gehen auf Piratenjagd!“, lachte der Junge.

„Lasst mich mal allein mit ihm!“, sagte Caro, und trat aus dem Hintergrund, Em grinste froh, und nahm Ralf bei der Hand zog ihn fort.

„Willst du dich hängen lassen, aufgeben, hat denn dein Leben keinen Wert mehr?“, meinte Caro fest.

 

Wieder kam keine Reaktion, sie konnte diese Resignation nicht ertragen, er schwang sich ungelenkig von der Mauer, warf ihr einen bösen Blick zu, ging in Richtung Sanatorium, „Danke trotzdem, wegen gestern!“, versuchte er zu sagen.

„Ich hätte dich dort draußen liegen lassen sollen!“, warf sie ihm vor die Füße.

Er blieb stehen. „Es hat dich keiner darum gebeten, zu helfen!“, seine Worte stolperten durch die Gegend.

„Wo liegt das Problem?“, fragte Caro, und verstellte ihm den Fluchtweg.

„Es gibt kein Problem mehr, verstanden, und es wäre nett, wenn ihr mich in Ruhe lassen würdet, danke!“, presste er langsam hervor, und diese Worte waren wohl gewählt.

„Bitte!“, fing sie an, doch er winkte nur ab.

„Ich habe Scheiße gebaut, mir mein Leben versaut, bin selbst schuld an allem. Wenn sie mir nicht gesagt hätten, wie ich heiße, dann würde ich es wohl nicht wissen, denn erinnern kann ich mich nicht mehr, an rein gar nichts mehr. Mein Vater dachte wohl, dass mir der Aufenthalt hier wieder ein Stück Lebensqualität schenkt, oder vielleicht ein paar Erinnerungen, aber es gibt keine mehr, außer meinen optischen, und mit denen, kann ich, rein gar nichts mehr anfangen, gut, nicht, ich finde das sehr gut. Mae sagte, dass ich ein Meister bin, schön, ich weiß es nicht, aber eins weiß ich sicher, dass ich nicht mehr im Stande sein werde eine Gabel allein zuhalten. Es kann auch sein, dass ich irgendwo dort draußen eine Frau oder Freundin habe, vorausgesetzt sie hat sich nicht schon von mir getrennt, wegen meiner Drogenabhängigkeit, und wollte nichts mehr von mir wissen, ach ja, und ich hatte mit Sicherheit auch einen Job, irgendwann mal, aber von alledem ist nichts mehr übriggeblieben!“, schrie er wütend resignierend.

Caro hatte sich alles geduldig angehört. „War das alles, wenn ja, dann könnten wir jetzt starten, oder?“, meinte sie trocken.

Seine Augen blitzten, die Wut erlosch. „Ihr lasst nicht locker, oder?“

„Nein!“

 

Der Mann mit dem Metallkoffer betrat Tuckers Laden und sah sich um. „Kann ich dir helfen!“

„Ich bräuchte einen Splint, für meinen Bogen, muss meinen wohl verloren haben!“, meinte er freundlich.

Tucker stutzte. „Welches Model?!“

„2007er Raptor!“, sagte er leicht, und setzte ein komisches Grinsen auf, Tucker nickte, und verschwand im Hinterzimmer, kam kurz darauf wieder und schüttelte seinen Kopf. „Leider nicht vorrätig, aber ich kann’s bestellen!“

„Nicht nötig, ich werde deinen nehmen!“, grinste der Mann, und legte seine Handschuhe auf die Theke.

„Einen neuen Bogen, aber…!“, fing Tucker vorsichtig verdutzt an, der Mann neigte seinen Kopf leicht. „Gibt es da ein Problem?!“

„Nein, nein!“, sagte er, und verschwand zwischen seinen Regalen, schnaufte einige Male und ergriff den Bogen.

„Wunderschöner Bogen, er liegt so seltsam elegant in der Hand, findest du nicht auch, man muss ihn gut behandeln wie eine Frau vielleicht, sonst verliert er seinen Reiz!“, meinte der Mann und legte Bargeld auf die Glastheke, Tucker zählte die Summe in die Kasse. „Brauchst du eine Quittung?“

„Nein danke!“, er öffnete seinen Metallkoffer und verpackte geschmeidig den Bogen.

„Danke für den Einkauf!“, murmelte Tucker, und hatte das Gefühl versagt zu haben, der Mann verließ den Laden.

 

Die kleine Kolonne wanderte an den Strand, und Em beschloss, die alte Schmuggler Höhle zu besuchen. Während der ganzen Zeit über, versuchte sie Kenny nach seinem Leben auszuquetschen.

Caro tippelte hinter den zweien her, und machte sich ihre eigenen Gedanken, sie bedankte sich im insgeheimen bei dem Buch, das ihr letzter Wunsch so tadellos über die Bühne gegangen war, war das vielleicht eine Art Rache für alles, was er ihr angetan hatte in diesen verdammt langen Jahren, nein, so durfte sie nicht denken, das war wirklich gemein. Ein Grinsen huschte über ihr Gesicht, wie seltsam er ihr doch erschien, so glanzlos und so normal, nichts mehr Besonderes, sie stupste einen Stein vor sich her, und musterte ihn ab und zu, aber wieso war überhaupt nichts übriggeblieben, hatte ihm Richard den keine Bilder gezeigt. War Kenny denn nicht in seiner Wohnung gewesen, sicher, das Buch hatte sich aus dem Staub gemacht, genauso wie das Schwert, aber, aber, aber, tausend dieser Worte türmten sich zu einem Berg auf. Em lachte und ihre schlingernde Gestalt brachte so viel Freude in ein Gespräch. Easy sprang mit Ralf durch den nassen Sand, und weit und breit nichts, außer das Rauschen des Meeres.

 

Endlich waren sie angekommen, Em breitete in einer der Dünen ihre große karierte Decke aus, den Leiterwagen, den sie hinterher gezogen hatte, parkte sie daneben und packte aus, Ralf hatte sich wieder einen Eimer bereitgestellt, und baute an einem Turm, den Easy immer wieder mit ihrer Schnauze zerstörte.

Caro war ans Wasser gegangen, sah sich um, und konnte Lucs Haus sehen, man hatte wirklich eine gnadenlose Aussicht. Sie beobachtete Em und Kenny die wie gewohnt mit Händen und Füßen redete, legte ihre Handfläche auf die Augen und kicherte, nahm ihre Flip-Flops und rammte sie in den Sand, so dass sie aussahen wie zwei Hasenzähne, Kenny musste grinsen, eine Reihe ebenmäßiger weißer Zähne erschien. Sie hielt in ihren Ausführungen inne und schmunzelte, senkte ihren Kopf, er sah bei Seite, seine Hand ergriff ihr Kinn und hob es hoch, dann sagte er etwas zu ihr, sie lachte wieder hell, Moment war das jetzt der falsche Film. Caro drehte sich um, warf den Stein in das weite Meer, besser wäre allerdings ein ganz neuer Anfang für ihn, nichts würde halten das auf Lügen aufgebaut wäre. Sie sah vorsichtig zu den Dünen, Em beschrieb irgendetwas mit ihren Fingern, schlüpfte dann aus ihrem Shirt, erhob sich, und schüttelte ihre Hose ab, lief zu Caro. „Was wird das, lässt mich mit ihm allein du Verräter!“, schimpfte Em schnippisch.

„Es sah so aus, als ob ihr ganz gut ohne mich zurechtkommen würdet!“, murrte Caro beleidigt.

„Sicher, aber ich kann leider nicht alle Fragen über dich beantworten, denn so gut kenne ich dich nun auch nicht, mein Schatz!“, bemerkte Em, legte ihren Arm um Caros Schulter. „Ist es denn so schwer, oder ist er nicht dein Typ, vielleicht lebst du ja im Trennungsschmerz, wer weiß du erzählst ja nichts!“, keckerte Em, hielt eine Zehe ins Wasser, prustete. „Saukalt!“

„Nichts von alledem, du willst doch nicht allen Ernstes in dieses Wasser gehen!“

„Kein Trennungsschmerz, und nicht dein Typ, aber es bleibt dir ja noch Tucker, den hast du zutiefst beeindruckt, mit deiner Anni-get-your-gun-Nummer!“, seufzte Em tragisch.

Caro runzelte ihre Stirn. „Es ist nicht so ganz einfach zu erklären Em!“

„Dann Versuchs doch!“, meinte Em, und fröstelte in ihrem Bikini.

„Du wirst mich nicht mehr mögen…!“, fing Caro leise an, und spielte mit dem Sand unter ihren Schuhen, Em sah ihr tief in die Augen. „Freunde sind dafür da, und ich dachte wir wären Freunde!“, flüsterte sie traurig.

Diese Worte hatte sie vor nicht allzu langer Zeit auch gebraucht, und was hatten sie ihr gebracht, sie raunte, und sah wieder zu Kenny. „Er ist…Em…!“, und der Pfeil kam präzise genau und ohne Vorwarnung, Caro schrie, und Kenny hatte sich erhoben, Easy bellte wild, Ralf stand wie angewurzelt. „Nimm das Kind und bring es weg!“, schrie Caro aus Leibeskräften.

Kenny schlüpfte in seine Schuhe. „Ralf, Easy hinter die Düne, sofort!“, rief er dem Jungen zu.

Caro hatte sich über Em gebeugt, der Pfeil hatte ihre rechte Körperhälfte gestreift, und ihr eine tiefe Fleischwunde verpasst, Kenny kam zu den beiden gelaufen, wirkte irritiert. „Verschwinde!“, herrschte sie ihn an.

Em stöhnte leise, Tränen liefen aus ihren Augen, Caros Blick lief zu Lucs Haus und sie konnte das geöffnete Fenster sehen. „Lauf, lauf, bitte nimm das Kind, und lauf!“, schrie Caro außer sich.

In diesem Moment sauste noch ein Pfeil durch die Luft, sie sprang auf und riss Kenny zu Boden, der Pfeil schlug genau neben ihm ein, seine Bewegungen waren einfach zu langsam. „Was passiert hier?“, rief er, und versuchte sich zu sammeln.

„Bleib liegen!“, flüsterte sie, und hoffte das Ralf bei Easy blieb, das Fenster schloss sich, der Spuk hatte ein Ende, der Mann mit dem Metallkoffer dachte wohl, dass er Kenny auch getroffen hätte.

Caro lag über Kenny gebeugt, der flach atmete, sie ließ den Kopf auf seine Brust sinken. „Mein Gott Em!“

Seine Hände ergriffen ihren Kopf, Schmerzen breiteten sich wie eine Flutwelle aus. „Wir müssen ihr helfen!“, stöhnte er.

Gemeinsam brachten sie Em auf die Decke, er drückte ein Geschirrtuch auf die Wunde. „Gibt es hier Indianer?“, fragte Ralf beeindruckt.

Caro hatte Em zugedeckt, die Pfeile hatte sie dabei und Tucker würde sie den Kopf abreißen.

 

Man brachte Em zum Doktor, der ihre Wunde versorgte und sie außer Gefecht setzten wollte, doch sie wehrte sich vehement. „Wer übernimmt den Laden in der Zwischenzeit, das geht nicht und das bisschen Wunde da!“, polterte sie aufgebracht, und hatte nichts von ihrem Sonnenschein verloren.

Caro und die anderen warteten draußen in einem rustikalen Wartezimmer, Ralf konnte es immer noch nicht glauben, dass es hier keine Indianer gab, und diskutierte mit seinen knapp sieben Jahren, Caro in Grund und Boden.

„Sag mal, wie löst den deine Mama diese Art von Problemen!?“, fragte sie ihn nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen.

„Sie hat immer eine Antwort, oder ein Buch, aber Mama weiß alles, sie ist eine Frau Doktor!“

„Ah ja, aber du kannst mir ruhig glauben, dass es hier weder Indianer noch Cowboys gibt!“

Kenny schmunzelte. „Weil du gerade so schön am Erklären bist, erklär mir das auch noch mal bitte!“

Caro tüdelte an ihrer Jacke herum. „Was genau?“

„Wie die Pfeile an den Strand kommen?“, lauerte er, und versuchte in ihrem Gesicht zu lesen, früher hätte er ihre Gedanken gelesen.

„Ja, das ist nicht so einfach zu erklären!“, fing Caro an, und dann kam Em aus dem Behandlungszimmer, winkte, und zog die Tür hinter sich zu.

„Ihr habt gewartet?“, fragte sie überrascht, als sie die kleine Gruppe entdeckte.

„Em!“, meinte Kenny sichtlich froh, hatte sich erhoben und war zu ihr gegangen.

„Ich habe ihm erzählt ich wäre in einen Stacheldraht gestürzt, ich glaube, dass er mir nicht geglaubt hat?“, sagte sie freudig.

„Ich an seiner Stelle hätte es auch nicht geglaubt!“, bemerkte Kenny, und fixierte Ems Blick, sie lachte schüchtern und stupste ihn an.

„Danke ihr beiden!“, schnüffelte sie, und hakte beide unter, Ralf tapste vor der kleinen Gruppe herum.

 

Ems Lokal erstrahlte in neuem Glanz, es sah besser aus als jemals zuvor, die Männer saßen schon an einem der neuen Tische und probierten gerade die neue Tischplatte aus, als die Gruppe hereinkam.

„Das ist doch wunderbar heute, oder, ich lade euch auf ein Essen ein!“, lachte sie, und schlurfte in die Küche, dort zauberte gerade Ira, die hocherfreut ihren Kochlöffel beiseite warf, um Em zu umarmen. „Ich habe mir ja schon solche Sorgen gemacht!“

 

Kenny und Caro setzten sich an einen separaten Tisch, Ralf stürmte in die Küche zu Ira, um dort zu helfen.

Er verschränkte die Hände vor seinem Körper. „Ich würde gerne mehr über dich erfahren!“, fing er leise an.

Caro sah verdutzt zu ihm. „Und was?“, fragte sie.

„Warum du so hartnäckig an mir klebst, da macht man sich schon den einen oder anderen Gedanken, an meiner Wenigkeit kann es ja wohl nicht liegen!“, wisperte er über den Tisch, und diesmal funktionierte sein Satzbau fast.

„Helfersyndrom!“, sprudelte Caro, und versuchte nicht rot zu werden.

Er schüttelte seinen Kopf. „Nehme ich dir nicht ab, oder liegt es vielleicht wirklich an meiner glänzenden Person?!“, meinte er sarkastisch.

Nun war guter Rat teuer, Lüge oder Wahrheit. „Vielleicht ist es ja dein Zustand!“

„Mein trauriger Zustand, ah, ja, hätte ich mir denken können, war klar, und ganz einfach eigentlich. Es ist also nicht meine Person, die dich interessiert, sondern meine erbärmliche körperliche Konstitution, die Gedächtnislücken, oder meine Geschichte, vielleicht auch die unerträglichen Schmerzen, die meinen Körper jeden Tag ein Stückchen mehr zerfallen lassen, oder auch meine Worte, die sich nie ordnen lassen, Schade!“, erklärte er erstickt.

 

In Caros Magen rumorte es, wieder legte sich diese Hilflosigkeit auf ihren Körper, Wahrheit oder Lüge, sie beugte sich über den Tisch, rieb sich die Nase. „Falsch, es ist weder deine körperliche Konstitution noch der Rest, es geht schlicht und ergreifend um dich als Mensch!“

Kenny räusperte sich, lehnte sich auch vor, seine Hände erschienen auf der neuen Tischplatte. „Diese Geschichte hier, wird sie einen Anfang haben, oder nach drei Wochen als Urlaubsflirt enden, wirst du dann wieder in dein reales Leben zurückkehren, vielleicht zu deinem Freund, Familie, Beruf, ab und zu noch ein paar nette Telefonate, aus den Augen aus dem Sinn?“, fragte er ohne Umschweife.

Caro schmunzelte, und ihre Fingerkuppen berührten seine, er zuckte kurz unsichtbar zusammen, Wärme strömte durch seinen kalten Körper. „Du willst also wissen ob ich dich mag, nett finde, oder so einen Krimskrams, gut!“, sie lehnte sich zurück, legte ihre Hände locker ineinander, er sah sie nüchtern an, ein Kenny ohne Drogen, sein ab und zu Out-of- Orderblick war verschwunden, sein Geist war reif für einen neuen Download. „Nett ist wohl untertrieben, schau in den Spiegel, du bist alles andere als nett!“, sie hielt kurz inne, musterte sein Gesicht, das aussah, als hätte er die weiße Frau gesehen, dieser Anfang saß. „Du bist süß!“, er wollte gerade etwas sagen, doch sie hob ihre Hände abwehrend hoch. „Ich bin noch nicht fertig…!“, aber sie kam auch nicht dazu den Satz zu beenden, Tucker betrat schwungvoll Ems Lokal, hatte Caro entdeckt, stürmte auf sie zu, grüßte Kenny kurz. „Ich muss sofort mit dir sprechen!“, murmelte er, und wackelte nickend mit seinem Kopf in Richtung Ausgang.

Kenny musterte den jungen Mann mit den honigkaramellgelben Augen lange, und sog die Luft dann zwischen den Zähnen ein, Caro biss sich auf die Unterlippe, er nickte nur, sie erhob sich und beide verließen das Lokal.

 

Sie ging zu Ems Anhänger und zückte die beiden Pfeile, drückte sie Tucker an die Brust. „Diese beiden netten Teile hätten Em fast das Leben gekostet!“, rief sie wütend, und legte ihre Stirn in Runzeln.

„Hör mir bitte zu, fünf Minuten, dann kannst du mir gerne den Kopf abreißen!“, meinte er.

Sie nickte und lauschte, „Er war heute Morgen im Laden, wollte ein Ersatzteil für den Bogen kaufen, aber ich habe ihm gesagt, dass ich es erst bestellen müsse, dann hat er einfach einen neuen Bogen gekauft, und bar bezahlt!“, erzählte Tucker ruhig.

Caro kratzte sich am Kopf, ließ ihren Blick schweifen, überall tummelten sich Touristen, sagte eine Weile nichts. „Polizei!“, meinte sie dann.

„Gute Idee!“, sagte plötzlich eine Person, sie war hinter Tucker erschienen, der Mann mit dem Metallkoffer, allerdings ohne Koffer, seine legere Gestalt macht ihr Angst, Tuck sah um, räusperte sich nur.

„Ich werde…!“, fing Caro robust an, und ihre Stimme versagte als der Mann ein Lächeln in sein Gesicht zauberte, das die Antarktis hätte schmelzen lassen.

„Was, der Polizei erklären das ein Verrückter mit Pfeil und Bogen auf Passanten schießt!“, raunte er weich, Caro lief es kalt den Rücken hinunter, Tucker sah ihn nur wütend an.

„Genau!“, brach es aus ihr heraus, immerhin hatte sie ja die beiden Pfeile, als Beweismaterial.

„Ach, und die beiden gehören dann wohl mir!“, bemerkte er ruhig, und hielt die Hand auf, Tucker machte keine Anstalten ihm die Pfeile zu geben, der Mann mit dem Metallkoffer lächelte schief, Kenny erschien in der Tür.

„Probleme?“, fragte er selbstsicher, Tucker warf ihm einen verschwinde Blick zu, Caro sah dankbar um.

„Oh, Mr. Baker, wie ist denn das werte Befinden?“, säuselte er sanft.

„Gut!“, bemerkte Kenny knapp, und kam näher.

„Das am Strand war nur so eine Art Warnung, denn für gewöhnlich treffe ich immer meine Ziele!“, flüsterte er Caro schnippisch zu, und ging.

Tucker brummte etwas Wütendes und verzog sein Gesicht, sah zu Caro die dem Typen nur lange nachsah.

 

Em war aus der Küche gekommen und alle waren verschwunden, sie lief zur Tür. „Was macht ihr denn hier draußen, so schön ist es nun auch nicht, außerdem wäre das Essen fertig!“, flötete sie leicht, und hatte sich neben Kenny in den Türrahmen gequetscht, dieser atmete tief durch.

„Ich habe Coop angerufen, der will sich den Typen mal genauer ansehen!“, erzählte Em nebenbei, und dann trafen sie die Blicke der anderen wie kleine Nadelstiche. „War das falsch?“

„Gefährlich!“, warf Tucker in die Stille. „Denn hier geht es nicht um dich Em, oder um sonst jemanden, der Kerl hat es auf ihn abgesehen!“, sein Finger zeigte auf Kenny, dessen Blick sich in Tucks Gesicht heftete, und da waren sie wieder die blitzeblauen Augen, die Caro so sehr vermisst hatte, für eine Millisekunde flackerten sie auf, wurden dann aber sofort wieder blassblau unscheinbar.

„Keine Anschuldigungen vor dem Essen!“, rief Em, um die Situation zu retten, verschwand im inneren des Lokals, Tucker rempelte ungehalten an Kenny vorbei, der leise aufstöhnte, Caros Gedanken flogen, sie legte ihre Zeigefinger an die Schläfen und rieb sie. „Eine Idee, jetzt!“

 

Coop, der örtliche Polizist, setzte sich auf sein Dienstfahrzeug und brauste über den schmalen Weg, der zu Lucs Haus führte, auf der Insel waren Straftaten ziemlich selten, vielleicht mal ein Vergehen in Sachen Alkohol oder ein abhanden gekommenes Boot, aber ein Kerl, der mit Pfeil und Bogen auf Strandwanderer schoss, das war neu.

Der Polizist lehnte sein Rad an Lucs Haus und betrat es mit einem, „Hallo ist denn hier niemand?“

Luc trat überrascht aus der Küche. „Hey Coop was kann ich denn für dich tun, bist du geschäftlich oder privat hier?“

„Geschäftlich, Em meinte wohl das einer deiner Gäste mit Pfeil und Bogen herumhantiert!“

„Oh, ich denke sie meint meinen Gast im hinteren Teil des Hauses, aber du wirst ihn jetzt nicht belästigen, oder?“, wollte Luc wissen.

„Doch, ich muss jedem Verdacht nachgehen!“, meinte er, und sah sich aufmerksam um.

Luc ging voran, klopfte an der Tür, der Mann öffnete. „Sir mein Name ist Cooper, ich bin hier die Polizei, und ich hätte da einige Fragen!“, fing er locker an.

„Bitte, kommen sie doch herein!“, forderte er Coop freundlich auf. „Um was geht es denn?“

„Sie wurden angeblich dabei beobachtet, wie sie mit Pfeil und Bogen auf Passanten schossen!“

„Oh, schwere Anschuldigungen, aber ich kann ihnen leider in diesem Fall nicht weiterhelfen, ich besitze keine Waffen, bin hier nur zum Entspannen!“

„Dann darf ich sie wohl bitten diesen Metallkoffer, der dort auf dem Bett liegt zu öffnen, wenn sie schon nichts zu verbergen haben!“

„Gerne!“, säuselte der Mann, und öffnete, ohne mit der Wimper zu zucken den Koffer, Coop zog eine Schnute, und räusperte sich. „Danke Sir!“

„Bitte!“, grinste der Mann, und klappte seinen Koffer wieder zu.

„Schönen Tag noch, und entschuldigen sie bitte!“, brummelte Coop.

 

„Nur Bücher!“, meinte Luc, und schien wenig überrascht zu sein, brachte Coop nach unten. „Was kochst du gerade?“, schnupperte Coop.

„Hast du Zeit, dann probiere es einfach!“, meinte Luc, und führte den Polizisten in die Küche.

„Em würde nie im Leben jemanden so schwer belasten!“, fing Coop leise an, und setzte sich an den Tisch.

Luc nahm den Fisch aus der Pfanne und legte ihn vorsichtig auf einen Teller. „Er ist mir ganz ehrlich auch ein wenig unheimlich, und ich habe ihn zufällig gesehen wie er mit einem Feldstecher am Fenster stand, und den Strand beobachtete, außerdem ist sein Schalenkoffer leer, das hat zumindest meine Putzfrau entdeckt!“

„Mit welchen Namen hat er sich denn in dein Gästeverzeichnis eingetragen?“, wollte Coop wissen, und zog einen exakten Schnitt am Rücken des Fisches entlang.

„Robert Kramer, aus London, aber mal was anderes, hast du etwas über dem jungen Mann aus dem Sanatorium herausfinden können, mit dem unsere Damen so intensiv ihre Freizeit verbringen?!“, wollte Luc wissen, und kostete sein neues Dressing.

„Hm, würdest du mir glauben, wenn ich dir erzählen würde, dass er Chefsuperintendent beim Scotland Yard wäre?“, fing Coop schmatzend an.

„Nein!“, kaute Luc.

„Ist aber so, sein Partner ist vor über einem Jahr an Krebs gestorben, dann ging es irgendwie bergab mit dem jungen Mann, seine Alkohol-und-Drogenprobleme haben ihn dann letztlich hierhergebracht!“, meinte Coop und piekte ein Salatblatt auf.

„Tja, so schnell kann es gehen, Job dahin, Kariere dahin, Leben dahin!“, zitierte Luc.

„Er lag anscheinend nach einer Überdosis ein halbes Jahr im Koma, Gehirn und Körper haben ihn im Stich gelassen, der Rest weilt hier!“, erzählte Coop weiter. „Dein Fisch ist köstlich Luc!“

„Danke, für die Blumen, Caro, in welchem Verhältnis steht sie zu ihm?“, wollte Luc leise wissen.

Coop schluckte erst hinunter ergriff eine Serviette und wischte sich über seinen Mund. „Sie ist die Assistentin deines Bruders, falls es dir entgangen sein sollte, Baker war mal ihr Chef, und ich nehme mal sehr stark an das da noch mehr ist als nur kollegiale Zuneigung!“.

„Du glaubst also, dass die beiden zusammengehören!“, spekulierte Luc.

„Keine Ahnung, ich kann dir leider nicht mehr sagen, nur reine Spekulationen, aber tu mir einen Gefallen, behalte das für dich!“, grinste Cooper.

 

Das Essen verlief wortlos, ab und zu wurden Blicke getauscht, oder Speisen weitergegeben, aber mehr passierte nicht, eine ungute Stimmung, so etwas mochte Em ganz und gar nicht.

„Coop wird den Kerl festnehmen!“, fing sie schließlich an.

„Er wird nichts finden!“, bemerkte Tucker kauend. „Der Typ ist kein Anfänger!“.

„Wir sollten ihn verscheuchen, ihm Angst machen!“, überlegte Ira.

Caro sah von einem zum anderen. „Wir sprechen hier nicht von einem Kinderstreich, Leute, Em wurde von einem Pfeil verletzt!“, polterte sie.

„Und er wird es wieder versuchen!“, meinte Tucker mürrisch. „Allerdings haben wir die Wunschkarte gezogen, denn er will nur dich!“, sein Ton war schneidend, als er Kenny mit diesen Worten streifte.

Kenny legte seine Gabel beiseite, sah zu Caro. „Was könnte er von mir wollen?!“, fragte er eindringlich.

„Es ist mir egal was er von dir will, Hauptsache ist doch das er uns in Ruhe lässt, aber noch einfacher wäre es, wenn du die Insel verlassen würdest!“, schimpfte Tucker.

„Gib Ruhe Tuck, er kann nichts dafür!“, rief Em mit ihrem langsam nervenden Gerechtigkeitssinn.

„Lass nur, vielleicht hat er Recht, es tut mir leid, in Gefahr wollte ich euch nicht bringen, aber ich kann mich leider an nichts mehr erinnern!“, versuchte Kenny zu erklären.

„Gute Ausrede, nach mir die Sintflut!“, sagte Tucker leise, und versuchte Caros Blick zu fixieren.

„Ich wäre froh, wenn es eine Ausrede wäre, aber ich kann mich wirklich an nichts mehr erinnern, außerdem muss ich mich hier nicht rechtfertigen!“, meinte Kenny sauer.

 

Tucker brummte missgelaunt. „Nun sollen wir wohl auch noch Rücksicht nehmen, weil sich der Sohn reicher Eltern aus lauter Langeweile mit Drogen oder und Alkohol vollgekippt hat!“.

Kenny saugte an seiner Unterlippe, insgeheim hatte Tuck ja recht, er war an seinem Zustand selbst schuld, langsam erhob er sich, ging wortlos aus dem Lokal, die Gruppe sah ihm nach, Em wollte ihm folgen, doch Ira hielt sie zurück.

Caro warf Tucker einen missbilligenden Blick zu, erhob sich und folgte Kenny, Ralf hatte die Szene mitbekommen und war wütend neben Tucker erschienen.

„Du bist wirklich fies!“, rief er, und ballte seine Faust holte aus knuffte ihn in den Oberarm.

„Ralf, das macht man nicht!“, meinte seine Mutter entsetzt, und kam an den Tisch unserer Helden.

„Schon gut, war meine Schuld, ich war wohl nicht ganz fair!“, winkte Tucker ab, erhob sich auch und folgte Caro, er musste unbedingt noch ein paar Punkte sammeln.

 

Inzwischen auf dem Festland, Will saß vor seinem Notebook und sprach mit sich selbst, überall um ihn herum liefen irgendwelche Programme, Überwachungskameras brachten ihm die Welt ein Stückchen näher. Big Brother is watching you, die Wogen hatten sich geglättet, mit Caros letztem Wunsch waren auch die vergangenen Monate verblichen wie ein zu heiß gewaschenes buntes T-Shirt, Alltag war wieder eingekehrt, so als wäre nie etwas passiert.

„Post!“, rief jemand an seine Bürotür klopfend, Will sah überrascht um, so etwas wie Post, in Papierform hatte er schon lange nicht mehr erhalten.

Er schlurfte an seine tausendmal abgesicherte Tür, und öffnete sie einen Spaltbreit, könnte ja eine Finte sein, oder Außerirdische. Eine Frau stand draußen und wedelte mit einem Brief, er nahm ihn entgegen, schloss ab, und setzte sich wieder in seinen Spezial-lümmel-Stuhl, nahm seine Pseudobrille von der Nase und legte sie weg. Steckte den Brief in ein Gerät, das ihn auf seine Echtheit prüfen sollte, und der Brief war echt, Will öffnete ihn, zog den Bogen Papier heraus und las ihn. „Du hast E-Mail bekommen!“, las er, und legte den Brief weg, rückte an seinen Computer, öffnete sein Postfach und siehe da, es war ein höchst mysteriöses E-Mail in seinem Postfach. „Ein Trojaner, oder Virus!“, flüsterte er sich zu. „Und kein Absender, haben denn die keine Ahnung an wen sie diese E-Mail schicken!“, er öffnete es mit tausend Scans, und mehreren Umwegen, dann erschienen ein ewig langer Text, keine Anrede, Will sog die Luft tief ein, lehnte sich zurück, und fing an zu lesen.

 

„Ich spare mir die Anrede, und dieses E-Mail kannst du nicht zurückverfolgen, wenn du das hier liest, dann wird dir sicher einiges klar, oder euch, ich bin ein stiller Teilhaber dieser Intrige, die sich fast gelohnt hätte. Aber auch nur fast, geplant war, dass Kenneth Baker niemals wieder das Licht der Welt erblickt, was nicht funktioniert hat, aber ich fange einfach mal am Anfang an. Die Regierung hat etwas Entwickelt, das nicht in falsche Hände geraten sollte, aber wie es der Teufel so will, passierte es doch. Das Experiment glückte, man kreierte einen super Menschen, eine Kampfmaschine, sehr effektiv, halb Mensch halb Tier, ein Supersoldat, doch das Ding ging seine eigenen Wege, sammelte Lakaien um sich, und mordete gezielt, Baker kam dahinter, wollte das Experiment stoppen. Doch die Regierung hatte andere Pläne, man wollte beobachten und zusehen, sie manipulierten Baker wo sie nur konnten, sei es mit Drogen die sie in seine Zahnpasta mischten, oder auch durch Eric, sie hetzten seine Freundin Caro gegen ihn auf, bis sie sich endgültig hassten, seine Freunde, wollen wir sie so nennen, hatten keine Chance in diesem unspektakulären Spiel, und alles lief wunderbar, dann wurde er außer Gefecht gesetzt, mit einer Überdosis, und wieder waren seine Freunde zu langsam, alles lief wunderbar. Baker war damals auf Entzug, und es brauchte nicht viel, um ihn ins Land der lebendigen Toten zu schicken, aber er starb nicht, zu unserem Leidwesen.

 

Seine Mutter musste weg, sie hatte über Umwege und aus Versehen das Virus entdeckt, das wir den Probanden gespritzt hatten. Durch Blackhurst wollten wir sie aus dem Weg räumen, unsere Kreation sollte ihm das Mittel verabreichen, funktionierte wunderbar, bis die echten Geschöpfe der Nacht auftauchten, und langsam Wind bekamen von unseren Machenschaften. Die gefundenen Toten, waren Mitarbeiter und auf die Vampire und Wölfe angesetzt, aber auch hier lief irgendetwas schief, und zwei oder drei mussten sterben, wir schoben es den Wölfen in die Schuhe, und die Umgebung zerbrach. Aber wir hatten eines übersehen in unserem Größenwahn, und zwar Caro und ihr Buch, wir lachten über die Geschichte die es beinhaltete, war ein Fehler,(Mr. Ettking starb damals, weil er wusste was er transportierte, und sein Absturz war geplant, sie wollten das Virus vernichten, das konnten wir nicht zulassen, also haben wir ihm eine leere Schachtel mitgegeben, und ihn dann in die ewigen Fliegerjagdgründe geschickt, auf diese Geschichte ist dann Dave gestoßen, wir haben ihn großzügig abgefunden, was wir nicht wussten war, dass Ettking dieses Buch besaß, seine Lebensversicherung für die Zukunft seiner Familie) , Adrian (unsere Kreation) warnte uns, aber es war zu spät, noch bevor wir das Buch an uns bringen konnten, hatte es Caro vernichtet, und einen letzten Wunsch ausgesprochen. Den Rest kennt ihr, wir sind uns nicht ganz sicher, inwiefern Bakers Gesundheitszustand wieder hergestellt ist, seine Erinnerungen könnten wiederkehren, vielleicht auch seine körperliche Kraft, aber darauf wollen wir nicht hoffen, sondern handeln, es wird diesmal ein leichtes Sein, wenn es nicht schon beendete ist, da wir wissen wo er sich befindet, und ihr nicht.

 

Noch ein letztes, Mark ist keiner von euch, die Story mit dem Unfall, den er in jener Nacht hatte, war ein Fake, über kurz oder lang wird er sich nicht mehr verwandeln, Mensch bleiben, seine Kräfte werden wachsen, was geht nun in dir vor, bist du entsetzt, vielleicht überrascht, oder nichts dergleichen.

Schönen Tag noch Will, wenn du das alles gelesen hast, dann lösch doch bitte diese Zeilen, tust du es nicht, dann wird sich innerhalb 24Std. ein Virus deiner Computer annehmen, und zwar allen!“, las Will, legte seine Hände auf sein Gesicht und rieb es, lehnte sich zurück, war am Ende.

 

Ben saß an seinem Schreibtisch, gut verdeckt von seinen Akten, las die Times, als sich die Tür seines Labors öffnete. „Hi Ben!“, rief Will und warf sich in den Stuhl, vor Bens Schreibtisch.

Ben machte sich nicht die Mühe von seiner Zeitung aufzuschauen. „Ich habe keine Ahnung, egal was du mich gleich fragen wirst!“, blubberte er.

Will zog sich seine halben Handschuhe aus, und schob den Aktenberg bei Seite, sein Kopf erschien zwischen zwei Türmen. „Es ist aber sehr wichtig!“

„Klimaschutz ist auch wichtig!“, konterte Ben.

„Es geht um Kenny!“, warf er ihm auf den Tisch, und las einige Zeilen der Times mit.

„Ich weiß nicht, wo er sich herumtreibt!“, brummelte Ben, und seine Augen flogen über die Zeitung.

„Caro, wo ist sie geblieben, man kann sie weder telefonisch noch zu Hause erreichen, bei Harry war sie auch schon seit einer Woche nicht mehr, vielleicht ist ihr ja etwas zugestoßen!“, rief Will leise.

Ben blätterte um. „Sie hat Urlaub!“

„Und in diesem Urlaub ist dann wohl die Netzabdeckung so schlecht, dass man sie nicht erreichen kann?“, meinte er krümelig.

„So könnte man es nennen!“, murmelte Ben knapp, und rückte sich seine Brille zurecht.

„Und wenn es um Leben und Tod geht?“, meinte Will drängend.

„Denke, dass dieses Thema abgehakt ist!“, sagte Ben, und senkte seine Zeitung, musterte Will der tief ausatmete.

„Wenn du mir nicht helfen willst, dann werde ich eine Methode finden, glaub mir!“, schimpfte Will, und ergriff wieder seine Handschuhe.

„Warum könnt ihr sie, denn nicht einmal in Ruhe lassen, Will!“, polterte Ben, und seine dunkle Stimme klang wie ein Donnergrollen.

Will nahm seine Designerbrille Marke Klebestreifen von der Nase, legte sie vor sich auf die Schreibtischplatte, rückte sich sein Mützchen zurecht. „Jemand will Kenny aus dem Weg schaffen, und das, was ich dir jetzt gleich erzähle, sollte unter uns bleiben, hörst du!“, flüsterte er.

Ben schnaufte und faltete seine Zeitung zusammen. „Ich bin dann so weit!“, meint er, und Will begann zu erzählen.

 

„Caro warte!“, rief Tucker ihr hinterher, sie hielt inne, und sah um, wartete auf ihn. „Was?“

„Ich war wohl ein wenig unfair zu ihm!“, meinte er, und starrte auf die Straße.

„Vielleicht, aber irgendwie hast du ja Recht!“, sagte Caro, und sah Kenny nach, der langsam zwischen den Häusern verschwand.

„Können wir ein paar Meter gehen?“, fragte er sie, und trat von einem Fuß auf den anderen.

Sie nickte ihm zu, und beide wanderten am Hafen entlang. „Verbessere mich, wenn ich falsch liege, aber du kennst ihn, und dass nicht erst ein paar Tage!“, bemerkte er sachte.

„Ertappt, stimmt!“, meinte Caro unwirklich.

„Welches Spiel spielst du mit ihm?“, Tucker hatte sich neben ihr aufgebaut, und wirkte doppelt so groß als sonst, die kleinen Fischerboote gluckerten sachte in der einsetzenden Flut.

Caro sah zu ihm. „Rache eventuell?“, presste sie hervor, Tucks Gesicht wurde nachdenklich. „Was hat er dir angetan?“

„Einiges!“, sagte sie vorsichtig, und der Wind zerzauste ihr Haar, sie streifte es sich aus dem Gesicht.

„Und die Kraft, die du in diese Aktion hineinlegst, kannst du sinnvoller einsetzen, glaubst du nicht?“, fragte er sanft, sie sah ihn an, seine honigkaramellgelben Augen leuchteten.

„Du hast Recht!“, entgegnete sie ihm.

„Gut, ich denke, dass er genug gezahlt hat, zumindest sieht es so aus!“, entdeckte Tucker, und bog in eine kleine Gasse ein, sie führte zu seinem Laden.

„Mit Sicherheit, es ist an der Zeit die Wahrheit ans Licht zu bringen, vielleicht hilft ihm das, sich zu erinnern!“, überlegte Caro unsicher.

Tucker grinste. „Nun noch eine letzte indiskrete Frage, in welcher Verbindung stehst du zu ihm?“

Caro musste lachen. „Er ist mein Chef, und ein sehr guter Freund!“, die Notlüge brannte heiß.

 

„Dann besteht ja keine Gefahr, wenn ich dich jetzt um ein Date bitte, dass du es eventuell ablehnen könntest, meinte ich!“

Sie kniff ihre Augen zusammen. „Bist du der Meinung, dass das eine gute Idee ist?“

„Warum nicht, du scheinst ein sehr interessantes Leben zu führen, und ich bin sehr neugierig!“, kicherte er, und ein nettes Grübchen erschien um seine Mundwinkel.

„Na dann, warum nicht!“, meinte sie, und lächelte.

 

Ben grunzte. „Nicht gut, nicht gut!“, schnaubte er und schien zu überlegen, Will fummelte an einem fiktiven Fussel herum. „Ich hatte da so eine Ahnung…!“

„Wo ist Caro, und wo befindet sich Kenny?“, fragte Will drängend nach.

„Kenny ist auf Kur, oder bessergesagt Richard hat ihn in ein Sanatorium geschickt, dort soll er sich wieder erholen!“, meinte Ben brummig.

„Wo wir nun schon beim Thema wären, wie geht es ihm und was haben die mit ihm gemacht?“

„Es geht ihm den Umständen entsprechend gut!“, murrte Ben bescheiden.

„Ok Ben, leg die Karten auf den Tisch!“

„Er hat sein Gedächtnis verloren, keine Erinnerung mehr an das Gewesene. Sein Sprachzentrum ist erheblich gestört, und sein Körper baut nach und nach ab, die Überdosis von dieser Droge, wir konnten sie nicht komplett analysieren, hat seine Gelenke angegriffen, jede Handbewegung schmerzt, und mit seiner wunderbar eleganten Kampfkunst ist es auch vorbei. Er ist sowieso am Ende seiner Kraft warum wollen sie ihn dann noch aus dem Weg schaffen!“, polterte Ben wütend.

„Weil er zu viel weiß, und sie glauben das er sein Gedächtnis wieder erlangt, deshalb, sie sind sich einfach nicht sicher!“, erklärte Will trocken.

„Er kann nicht mal mehr einer Fliege etwas zu leide tun!“, schimpfte Ben, und schlug auf den Tisch.

Will runzelte die Stirn. „Warum hast du ihm Caro nachgeschickt, soll sie ihn kontrollieren?“

Ben nahm einen Scone aus seiner Schublade und biss herzhaft hinein, kaute lange wortlos darauf herum. „Wir hatten gehofft, dass er sich erinnert, oder zumindest nicht aufgibt, aber es scheint doch hoffnungsloser zu sein als ich dachte!“

„Also weißt du wo Caro und Kenny sich befinden, Ben bitte!“, flüsterte Will drängend.

 

Tucker spielte mit seinem Schlüssel herum und grinste verlegen. „Wann darf ich dich denn abholen?“, fragte er mit seiner angenehm tiefen Stimme.

„Sieben, wie wäre das?“, meinte sie charmant.

Er nickte bestätigend, Caro ging den Weg wieder zurück, und schnurstracks nach Hause, Luc wartete schon auf sie. „Ich bin entsetzt!“, rief er ihr schon von weitem zu, Caro platzierte ihren schlanken Körper in seine Küche.

„Ja warum?“, wollte sie wissen.

„Der Überfall am Strand heute, deswegen, Cooper war auch schon hier, aber euer Mann mit dem Metallkoffer ist sauber!“, polterte Luc.

„Ist er nicht, nur geschickt!“, meinte sie krümelig.

„Verscheuch mir ja meine Kunden nicht, Caro, außerdem hat Ben angerufen, du sollst ihn zurückrufen es ist ein Notfall eingetreten!“, erklärte Luc rauchig.

Caro zog eine Schnute. „Em tut so, als wäre nichts passiert!“.

Luc schnippelte eine Paprika in tausend kleine Teile. „Bleibst du zum Essen?“

„Nein, danke, Tucker hat mich eingeladen, und ich konnte irgendwie nicht nein sagen!“, überlegte Caro, und fingerte sich einen Paprikawürfel vom Brett, Luc legte das Messer beiseite und sah zu ihr. „Tucker, ist denn jetzt die ganze Welt verkehrt?!“, brummelte er.

„Wieso?“, schnurrte Caro und ahnte nichts Positives.

„Tucker hat nur seine Waffen im Kopf, oder die Jagd, aber dass mit den Frauen funktioniert bei ihm nie!“, bemerkte Luc grinsend.

„Super, wieder so ein übriggebliebener Typ mit zu großem Schatten, war ja klar, aber ich kann es trotzdem nicht verstehen, er sieht ganz gut aus, kann Worte zu einem Satz formen, wo liegt das Problem?“, murrte sie, und nahm sich noch eine Paprika.

„Tucker, ist seit ich ihn kenne Single, und ich kenne ihn nun schon seit vielen Jahren, um genau zu sein, seit achtundzwanzig, und nun will er mit dir ausgehen!“, Luc nahm das Brett und schob die Paprika in die Pfanne, zischend schmurgelten sie in der Butter.

War klar, dass die Sache einen Haken hatte, murrend verschwand sie nach oben, zerrte ihre Tasche unter dem Bett hervor, und nahm das Handy heraus, aktivierte es, und wartete ab, es dauerte eine kleine Weile, bis das angebissene Logo ihres Anbieters erschien, und dann wählte sie Bens Nummer.

 

Bens Handy bimmelte, und er fand es für gewöhnlich nicht, wie immer, Will räumte einen Berg Akten beiseite und vermutete es darunter, doch dort lag es nicht, Ben öffnete eine Schublade, und siehe da gefunden.

Caro hatte sich ans Fenster gesetzt, und ihre Augen flogen über das weite Inselland, momentan ließ das Wetter wirklich zu wünschen übrig, Regenwolken quetschten sich über den Himmel, dass die dort oben alle Platz hatten, dachte sie fasziniert und das Freizeichen tutete gemächlich vor sich hin.

„Hallo Caro, schön dass du gleich zurückgerufen hast!“, brummte Ben am anderen Ende.

„Das war purer Zufall, und wie heißt der Notfall?“, wollte sie mürrisch wissen.

„Wie geht’s Kenny?“, fragte er sachte, und sein Blick lief dabei zu Will dessen Gesichtsausdruck ein wenig einer glatten Eisfläche glich.

„Das kann man sehen, wie man will, ist das der Notfall?“, meinte Caro, und öffnete das Fenster, die kalte Seeluft strömte in den Raum, sie konnte das Salz schmecken, atmete tief durch.

„Ich kann dir hier am Telefon nicht viel zu diesem Notfall sagen, weil ich nicht weiß ob die Leitung sicher ist, aber eines ist sicher, Kenny ist in Gefahr, und du mit Sicherheit auch!“, sprudelte es ungewöhnlich schnell aus Bens Mund.

Caro streckte ihre Zunge heraus. „Ja gut, dann ist es doch eh wie immer!“, murrte sie.

Ben stutzte, und schob sich seine Brille zu Recht. „Was ist los?“

„Nichts!“, sagte sie knapp, und ihre Gedanken waren wieder ganz woanders, der Himmel verdunkelte sich immer weiter, das Meer schlug stürmisch ans Ufer.

„Nichts, hört sich allerdings anders an, könntest du bitte so nett sein, und mir etwas erzählen?“, forderte Ben sie auf.

„Die Verbindung hier ist ein wenig schlecht, ich ruf dich zurück, Ciao Ben!“, beendete sie das lästige Gespräch.

„Sie hat aufgelegt!“, rief Ben grollend, und musterte sein Handy genau.

„Gut, dann werde ich jetzt handeln, wo ist sie, und wie komme ich zu ihr!“, fragte Will, sein Handy Marke ultramodern fing an in allen Farben zu blinken und schrie noch dazu hysterisch, er schnaubte, und meldete sich widerwillig.

„Ich kann gerade nicht!“, sagte er. „Ich rufe dich zurück, nein, ich habe gerade eine wichtige Besprechung, Mark!“, seine Stimme hatte sich erhoben, und eine Zornesfalte erschien auf seiner Stirn.

Ben wanderte an seine Arbeit zurück, und grummelte etwas Unverständliches vor sich hin. „Mark- was, was wenn er die ganze Zeit über seine Finger im Spiel hatte?“

Will räusperte sich, ergriff seine Handschuhe, zog sie wieder an, und stülpte sich sein Mützchen wieder über die stacheligen gelben Spitzen seiner Haare.

„Das werden wir herausfinden!“, bemerkte er kühl, klemmte sich seinen Laptop unter den Arm, und war am Gehen. „Sie sind auf Fryar´s Island!“, rief Ben ihm nach, er hielt kurz in seinem Schritt inne, nickte und verschwand.

 

Will hatte sein Gammel Outfit gegen sein privates getauscht, und war in die Stadt gefahren, sein Weg endete in Marks Loft, er fuhr mit dem Fahrstuhl nach oben und klingelte, Mark öffnete, sein makelloses Outfit zeigte auch diesmal keine Lücke, Will hatte das Gefühl, als würde er seinen Freund nicht mehr kennen, sein Magen rebellierte, und er trat nur sehr vorsichtig in die große Wohnung.

„Nun was gibt’s?“, fragte er leise, und ständig auf der Hut.

Mark führte Will in sein Wohnzimmer, dort setzten sie sich. „Nun ich bin ganz Ohr!“, meinte dieser.

Mark schob mit einer eleganten Bewegung einen Brief über seinen Glastisch, den Will ergriff und schon fast ehrfürchtig öffnet, seine Augen liefen über die Zeilen, zwei Seiten voller Worte, die einem das Leben schwer machen wollten, Hass, Wut, Trauer, alles auf zwei Seiten Papier gequetscht, Will ließ den Brief sinken und sah zu ihm. „Du hast diesen Brief die ganzen Jahre über nicht geöffnet, warum jetzt!“, fragte Will gestrandet.

„Ich hatte den Drang es jetzt tun zu müssen, wie wird es jetzt weitergehen?!“, fragte er schon fast hilflos.

„Was geht jetzt in dir vor!“, wollte Will wissen, und seine Hände fingen an zu zittern.

Mark hatte sich erhoben, und war durch den Raum gewandert. „Was wenn es wieder nur ein Fake ist, was wenn sie uns schon wieder nur ausspielen wollen?“, meinte er unsicher.

„Du bist anders als wir, gut, das war uns klar, die ganzen Jahre über, hast du denn keine Geburtsurkunde mehr, ich meine irgendwo müssen doch die Namen deiner Eltern aufgezeichnet sein, was ist damals passiert, du bist doch nicht vom Himmel gefallen?“, erklärte Will rau.

„Fuck!“, rief Mark, und starrte aus seiner Panoramascheibe in die Gegend. „Vielleicht ist das alles eine Intrige, ich mache mir Sorgen um meine Adoptiveltern, Will, was wenn sie durch diesen blöden Brief hier in Gefahr geraten, oder es vielleicht schon sind!“.

Will war zu ihm gegangen. „Wir werden das zusammen durchstehen, und ich werde versuchen deine leiblichen Eltern zu finden, dann wirst du sicher zur Ruhe kommen, und um deine Adoptiveltern brauchst du dich auch nicht sorgen, immerhin ist unsere Verbindung weitläufig!“, lächelte er, und klopfte seinem Freund auf die Schulter. „Es ist noch nicht vorbei, wir müssen nach Kenny sehen, es ist an der Zeit ein wenig zu zaubern, der Zukunft zu liebe und der Nacht, und ich habe eine Idee!“, fing Will grinsend an.

 

Der Regen konnte sich anscheinend nicht wirklich entscheiden, Caro schaltete ihr Handy aus, und schlüpfte aus ihren Klamotten, wanderte unter die Dusche, das warme Wasser verwandelte ihre steifen Glieder wieder in brauchbares Material.

Kenny las in dem Buch, das ihm Mae mitgebracht hatte, sein Kopf schmerzte bereits, und auch der Gedanke an Caro ließ ihn nicht los, sie war nicht zufällig hier, das konnte er spüren, sein Blick lief auf den Ring an seinem Finger, es klopfte und Mae trat ein, hatte ein längliches Paket dabei, er sah auf, und wisperte ein Hallo.

„Hallo Kenny, ich habe dir etwas mitgebracht!“, meinte sie ruhig und legte das Paket auf den Tisch, sah ihn nur nickend an, er klappte das Buch zu, „Wieder ein Geheimnis?“, mit gemischten Gefühlen öffnete er die Schleife an diesem Paket, das in ein bordeauxfarbiges Samt Tuch gehüllt war, dann lag es vor ihm, überrascht sah er zu Mae, „Soll ich damit Tucker töten?“, meinte er sarkastisch.

Mae grinste, „Gibt es etwa ein Problem mit ihm?“

Kenny legte seinen Zeigefinger auf die Klinge des wunderschönen Schwertes, und ließ ihn darüber gleiten, es fühlte sich gut an, warm und kraftvoll, „Welch ungewöhnliches Design!“, bemerkte er leise.

„Ein Meister braucht ein Schwert!“, sagte sie lächelnd, und setzte sich zu ihm, er schniefte, seine Hand legte sich um den Griff, eine Welle der Macht durchbrach seinen schwachen Körper, er schloss die Augen und hielt die Luft an, es war wie eine wilde Fahrt mit einer Achterbahn, sein Herz schlug schneller, dann ließ er es wieder los, hielt seine Hände abwehrend in die Höhe, atmete schwer, für einen kurzen Moment waren alle seine Schmerzen verschwunden gewesen, doch jetzt prasselten sie wieder über ihn herunter wie ein Platzregen, krampfhaft zogen sich seine Gelenke zusammen, er kniff seine Augen zu und krümmte sich zischend, Mae erhob sich und trat zu ihm, nahm ihn in den Arm, wiegte ihn wie ein kleines Kind, „Es wird alles wieder gut!“, flüsterte sie beherzt.

Dieses Mal schien der Schmerz kein Ende nehmen zu wollen, immer wieder bohrte er sich durch seinen Körper, „Mae, bitte gib mir, was damit es aufhört!“, stöhnte er, Erschöpfung schlich sich ein, sie verschwand aus dem Zimmer.

 

Mark parkte seinen Volvo auf eine der vorgesehenen Parkbuchten, und lief durch den Regen in den Terminal, dort warteten wie immer eine Menge Touristen auf ihre Fähre.

Er löste ein Ticket, und reihte sich unerkannt ein.

 

Em lehnte an der Tür und sah über den Vorplatz, Caro erschien, sie parkte ihr Rad vor dem Lokal, „Wie geht’s dir?“, fragte sie knapp, und umarmte Em, die sie zärtlich an sich drückte, würziger Kräuterduft stieg in Caros Nase.

„Müde, ich sollte mich hinlegen, aber heute Abend liest Mona hier die Legende der Insel vor!“

„Ich kann ja helfen!“, meinte Caro leise, und hatte augenblicklich Tuckers Date vergessen.

„Ach, Caro, du bist doch Gast hier, und nicht Personal!“, stöhnte Em, und verknotete ihr Kopftuch.

„Em, du wurdest verwundet und tust so, als hättest du dich mit einem Messer in den Finger geschnitten, das hätte auch ins Auge gehen können!“, meinte Caro vorsichtig.

Sie schnitt eine Grimasse, „Wenn er mich hätte töten wollen, dann hätte er es getan, und ich habe ein Gefühl Caro, ein ganz komisches, dieser Mann mit dem Koffer, der hat nichts Böses im Sinn!“, erklärte Em.

„Em, aber du hast doch Cooper zu Luc geschickt!“, polterte Caro sauer.

„Ja, aber ich habe mich wohl getäuscht, Caro, was wenn er uns nur beschützen will!“, meinte Em zaghaft.

Caro schnaubte, „Was zum Teufel wird, hier gespielt, oder nennt man das Inselkoller!“

„Keine Ahnung, du bist doch hier diejenige die solche Vermutungen an den Tag legt!“, einige Sonnenstrahlen durchbrachen die Wolken, Caro sah in den Himmel, Em schob ihre Hände in Caros, „Ich habe Angst davor, dass wenn du wieder fährst, alles vorbei sein wird!“, flüsterte Em traurig.

Caro kaute nervös auf ihrem Kaugummi herum, der in der Zwischenzeit geschmacksneutral geworden war, wieder würden Freunde gehen, und eine angenehme Zufriedenheit wäre Vergangenheit, „Ich bin sehr gerne hier bei dir Em!“

„Wenn ich dich bitten würde zu bleiben, würdest du?“, fragte Em vorsichtig.

Das war eine sehr tiefgreifende Überlegung, sie hatte ein funktionierendes Leben, Arbeit, Freunde, und hier, war es ungefähr so spannend wie in einem leeren Gurkenglas, seufzend drückte sie Ems Hand, das Fährschiff legte an, die Uhr zeigte genau 17 Uhr, aus einem Sonnenstrahl waren viele geworden, und dieses Mal strandeten eine ganze Menge Touristen.

„Es ist wunderschön hier Em, so natürlich, frei, jeder hilft jeden, das gibt es in der Stadt nicht, aber ich bin mir nicht sicher ob ich hier her passen würde!“, wand sich Caro durch die Worte, die ihr sehr schwerfielen, und sie wollte Em auf keinen Fall verletzen, die beiden standen nebeneinander in der Tür und beobachtete die Gäste, wie sie in der Tourist Information verschwanden, „Tucker hat mich auf ein Date eingeladen!“, platzte es aus Caro heraus.

„Tucker weiß gar nicht wie man Date schreibt, geschweige denn was ein Date ist!“, kicherte Em, und hatte ihre fröhliche Art wieder gefunden.

„Und ich habe eigentlich Null Bock!“, murmelte Caro und kicherte wie ein Teeny.

„Dann sag´s doch ab, außerdem hast du so und so keine Zeit, weil ich dich heute Abend hier brauche!“, meinte Em, und wackelte robust mit dem Kopf.

Die ersten Gäste kamen ihnen bereits entgegen, die beiden Grazien machten den Weg frei, und langsam füllte sich das Lokal zum fünf Uhr Tee.

Ira hatte das Kuchen Buffet auf der Theke aufgebaut und sie sahen alle wieder einmal lecker aus, was auch die Gäste fanden.

 

Mae betrat erneut Kennys Zimmer, er lag auf seinem Bett, hatte die Augen geschlossen, sie setzte sich zu ihm, „Ich hatte eine Erinnerung, Mae!“, flüsterte er zögerlich.

„Und kannst du damit etwas anfangen?“, fragte sie ihn, fühlte seinen Puls.

„Nein, es waren nur Bruchstücke und ein wirres Durcheinander!“, sagte er, und sah sie an.

„Deine Augen…!“, bemerkte sie, „Sie sind wieder blitzeblau geworden!“

Langsam erhob er sich, wankte mit heftigen Kopfschmerzen ins Bad und sah dort in den Spiegel, und tatsächlich, sie hatten wieder ihre alte grelle Farbe angenommen, Kenny kam zurück, „Gehörte es mir, ist es mein Schwert?“, fragte er lauernd.

Mae wand sich zu ihm, schlug das Tuch um das Schwert und verknotete das Band wieder zu einer Schleife, nickte, „Heute Abend liest Mona in Ems Lokal die Legende der Insel, willst du nicht hingehen?“

Kenny schmunzelte, „Ist es den hörenswert?“, es waren die ersten Worte seit langer Zeit, die einen Satzbaulichen Sinn ergaben.

„Sicher doch!“, nickte Mae und verließ flugs sein Zimmer.

 

„Wie kann ich denn Tucker erreichen?“, fragte Caro Em, die immer wieder mit Tee bewaffnet an ihr vorbeihuschte.

„Warum, was willst du denn von ihm?“, wollte Em gehetzt wissen.

„Absagen!“, rief Caro ihr hinterher, „Oder soll ich ihn vielleicht versetzen?“

„Kann ich vielleicht auch was zu trinken bekommen?“, fragte jemand an der Bar, Caro sah sich genervt um, und die Worte, die ihr auf der Zunge lagen, blieben dort auch liegen.

Zwei leuchtend eisblaue Augen sahen sie einladend an, „Mark!“, keuchte sie überrascht.

„Und, bekomme ich nun etwas zu trinken?“, setzte er tückisch grinsend nach, ein Grübchen erschien um seine Mundwinkel.

„Was willst du hier, ich dachte, dass du mit mir nichts mehr zu tun haben willst!“, krähte Caro leise, Em war zurückgekommen.

„Gibt’s ein Problem?“, warf sie in die Runde, Mark sah sie lächelnd an, „Nein!“

„Du schnüffelst mir nach, stimmts, poh, das ist ja widerlich, ich bin wirklich der größte Idiot überhaupt!“, schimpfte Caro mit sich, und knallte Mark ein Guinness auf die Theke, dass sich mit dem Überlaufen, wirklich nicht schwertat, er zuckte zurück.

„Niemand schnüffelt dir nach, es geht um Kenny, und ich muss mit dir reden, es ist sehr wichtig!“, erklärte er sich ernst, und versuchte ihren Blick einzufangen.

„Ben, hat er die Finger im Spiel, oder vielleicht auch Will, sag schon, ihr habt mich angepeilt als ich mit Ben telefoniert habe!“, polterte sie böse.

„Nein, das ist es ja das ich dir erklären muss!“, seine Stimme war leise, zu viele Ohren und Augen.

„Verschwinde aus meinem Leben!“, keuchte sie verletzt.

Em kam aus der Küche und lehnte sich neben Caro an den Tresen, „machst du Urlaub hier?“

„Ja, so kann man das auch nennen, aber eigentlich bin ich wegen der Piraten und Schmuggler Wochen hier!“, meinte Mark charmant lächelnd.

„Ja dann noch viel Spaß hier, in gut zwei Stunden wird Mona hier die Legende vorlesen, bleibst du?“, fragte Em freundlich.

„Nein, er wird…!“, fing Caro sauer an, doch Em hatte ihr an den Fuß getreten.

„Gerne bleiben!“, ergänzte er, und zwinkerte Em verschworen zu.

„Schön, ich muss dann wieder mal mit meinen Gästen reden!“, blinzelte Em vielversprechend, das Lokal füllte sich immer weiter, und Caro hatte alle Hände voll zu tun, zapfte ein Bier nach dem anderen, stellte eine ganze Litanei Whiskygläser auf ein Tablett, nahm eine Flasche Edeltropfen, und schenkte wildrustikal ein.

 

Mark blieb weiter an der Bar in ihrer Nähe sitzen, und beobachtet die Gäste, ab und zu warf Caro ihm einen Blick zu, den er gerne erwiderte, dann wurde es 20 Uhr, Mona betrat Ems Lokation.

Kenny kam kurz nach ihr, er gesellte sich gleich zu Luc und Cooper, Em schwirrte an ihren Tisch, „Kenny schön… deine Augen!“, bemerkte Em leuchtend, und ihre Wangen wurden auf der Stelle rot, und große ebenfalls rote Flecken zogen sich über ihren ganzen Hals.

Kollektiv starrten sie ihm ins Gesicht, er blickte verlegen zur Seite.

„Das sind Kontaktlinsen!“, meinte Luc brummig.

„Die sind echt!“, hauchte Em, und musterte seine wunderbaren Augen lange, wurde dabei nur noch verlegener.

„Sie sind echt!“, flüsterte Kenny, und ergriff vorsichtig Ems Arm, sie neigte ihren Körper, balancierte ihr Tablett akrobatisch neben sich, dann flüsterte er ihr etwas ins Ohr, sie kicherte verhalten, „Nicht dein Ernst!“, meinte sie barsch.

Er nickte nur, und ihr Lachen brachte Blumen zum Blühen, die Band hatte ihre Instrumente ausgepackt Fiedel, Gitarre und Löffel, stimmten ein Seemannslied an, Chicken on the raft.

 

Caro linste durch die Menge, und entdeckte ebenfalls die kleine Runde, und auch sie konnte schon von weitem eine Veränderung an ihm erkennen, von seinen Augen ganz zu schweigen, seine ganze Person hatte wieder ein wenig Glanz angenommen.

Mona, eine wahre Inselschönheit, mit langem nussbraunem gewelltem Haar, und Sommersprossen, betrat die Bühne und setzte sich, zog ein paar vergriffene alte Seiten aus ihrer Tasche.

Die Menge verstummte, alle lauschten Monas Auftritt, Em hatte sich in ihrem Seemannskostüm neben Kenny geparkt, sie konnte seine Nähe spüren, und fühlte sich plötzlich sehr wohl, bis Luc, Mister Neugierig Kenny ungebremst anstupste, „Gerüchte sagen, dass du im Scotland Yard arbeitest!“

„Davon habe ich auch schon gehört!“, meinte Kenny forschend, und hatte plötzlich wieder eine Erinnerung, schüttelte sich dezent, wand sich Em zu die mit ihrem Tablett spielte, und an ihrer Rüschenbluse herumzupfte, Kenny neigte seinen Kopf, und legte seine Lippen an ihr Ohr, ein Hauch von Kuss streifte Em, ließ sie kurz erstarren, wurde wieder rot, „Das ist nicht gut!“, flüsterte sie ihm zu.

„Was?“, er tat so, als wüsste er nicht um was es geht, lächelte verhalten, Mark hatte ihn beobachtet, und wirkte sichtlich überrascht.

„Das eben, ich muss gehen, vielleicht trinkt ja jemand noch was!“, rief sie peinlich, doch Kenny hielt sie zurück, „Ich fand es sehr schön!“

Em stob davon, und warf ihr Tablett auf die Theke, ergriff ein Whiskyglas, und machte sich einen doppelten Glenmorangie, den sie schnell hinunterkippte.

„Hey, was ist passiert?“, fragte Caro und tauchte aus dem Hintergrund.

Em sah erschrocken zu Caro, und stotterte irgendwelche Worte zusammen, „Mir passiert das nach drei Guinness und drei Whisky immer!“, sagte sie kühl.

„Du wirst mich hassen Caro!“, summte Em, und ergriff wieder das Tablett, benutzte es als Schutzschild. „Er hat mich sachte geküsst!“, schwelgte sie, verdrehte ihre Augen und hielt den Atem an.

Wieder war da dieses Gefühl, Caro schluckte kurz, ihre innere Stimme brabbelte irgendwas von, lass ihn gehen, von vorne anfangen, und so weiter, und außerdem war ihre gemeinsame Zeit schon lange vorbei.

Mona bat um Ruhe, und fing an zu lesen, eine wilde und gleichzeitig traurige Geschichte von einer Frau, einer vergangenen Liebe, Trauer und Verzweiflung, Caro hatte sich neben Mark gesetzt, seine Nähe fühlte sich Gut und weich an, seine Schulter berührte ihre, er sah sie lange an, Em schenkte gedankenversunken Getränke ein, sah ab und zu verstohlen zu Kenny.

 

„Wie geht’s ihm eigentlich, er scheint mich nicht zu erkennen!“, flüsterte Mark Caro zu, die stur geradeaus sah, und so tat, als wäre sie ganz in Monas triefende Geschichte vertieft.

„Er hat keine Erinnerung mehr, und auch seine Kraft ist verschwunden, die Drogen haben ganze Arbeit geleistet, und was willst du hier, warten bis es Vollmond wird, und mich dann fressen!“, ärgerte sie ihn sarkastisch, und dann kam Tucker, er stapfte sauer durch das Lokal, hatte tatsächlich Jagdkluft gegen ein legeres Outfit getauscht, er setzte sich neben Em, würdigte Caro keines Blickes, die ihm allerdings ordentlich abgesagt hatte um nicht irgendwelche doppeldeutigen Vermutungen aufkeimen zu lassen

„Ja dann fehlt nur noch der Mann mit dem Pfeil und Bogen, dann wären wir wieder komplett!“, meinte Caro, und nahm einen großen Schluck Bier.

„Genau, um das geht es, Caro, wir müssen reden, jetzt sofort!“, drängte Mark, und legte seine sauber manikürten Hände in den Schoß, der Ring der Sippe war verschwunden, Caro sah weg, „Ich muss mehr über die Inselgeschichte erfahren!“, wich sie aus, wollte mit ihm nicht irgendwelche Nachtgetier Dinge diskutieren.

„Es gibt ein Stadtarchiv!“, wisperte Mark, seine Lippen bewegten sich kaum dabei.

 

Luc kam an die Bar, „Schatz, gibt es bei dir heute nichts mehr?“, rief er lachend über die Theke. Em warf ihm einen knappen bösen Blick zu, und rief dann: „Ich, bin hier ganz allein!“

Caro die den letzten Satz laut und deutlich vernommen hatte, schwang sich ohne Worte hinter die Bar, „Was willst du denn trinken, und wo ist dein Feriengast abgeblieben?“, fragte Caro wirsch.

„Drei Guinness, drei Jameson, und mein Gast ist auch hier, falls du das in deiner detektivischen Laufbahn übersehen haben solltest!“, kicherte Luc rabenartig.

„Kenny sollte vielleicht nicht so viel trinken!“, bemerkte Caro leicht, und schenkte ihm die Gläser voll.

Ralf und seine Familie saßen auch an einem der Tische, und lauschten der Frau, die von Tragik und Intrigen erzählte, Ralf, tödlich gelangweilt, hatte sich zu Ira in die Küche verschanzt, um dort zu helfen, wie er es nannte.

 

Die Band spielte in den Pausen einige Stücke, die sie selbst komponiert hatten, Löffel klatschten hell im Takt aufeinander, „Dieser nette Typ an der Theke, wer ist das?“, fragte Em irgendwann später neugierig nach.

„Das ist Mark, und ich…hatte fast mal das Gefühl, dass ich ihn mag, aber er ist und bleibt nur ein Freund, sagen wir es so, er wollte nur Freundschaft, Männer!“, sagte Caro schon leicht bedudelt, und Wehmut überfiel sie wie ein Raubtier.

„Er sieht gut aus, und er ist dir nachgereist, das sagt schon mehr als alles!“, stupste Em, Caro, auch schon nicht mehr nüchtern, an.

Em versuchte, ohne den Inhalt zu verschütten, die Gläser auf das Tablett zu stellen, und ging damit an Lucs Tisch, „Isch bringe die näschste Runde!“, lallte Em.

Cooper ergriff das Tablett, „Der gute Alkohol, gib her!“, kicherte er tief.

Kenny zog Em zu sich, sagte etwas zu ihr, sie lachte laut, doch dann küsst er sie sachte, auf den Mund, und dass in aller Öffentlichkeit.

„Mach den Mund zu Tuck!“, flüsterte Caro, emotional mit sich kämpfend der einzige Sieger des Abends schien Mark zu sein, er war sich nie sicher gewesen, was wenn er alles an Gefühlen in diese eine Option legte, um dann nur wieder gegen Kenny zu verlieren, lieber hatte er sie sich Caro durch Lügen vom Leib gehalten, aber das, was ihm dort ein paar Tische weiter geboten wurde, machte ihn frei, er sah zu Caro, die mit zusammen gekniffenem Mund neben Tucker stand.

 

Monas Geschichte hatte etwas von Romeo und Julia, für Anfänger, Em musste nach dem Kuss erst einmal tief atmen, der ihr übrigens durch Mark und Bein gegangen war, noch zudem war es ihr äußerst peinlich, sie sah verstohlen durch die Menge, und niemanden schien es bewusst aufgefallen zu sein.

Nur drei Augenpaare hatten sie unbewusst fixiert, und jene drei visierte sie just in diesem Augenblick an, verstört wand sie sich aus der schlüpfrigen Situation, ging hinter ihre Theke.

„Ich wollte das nicht, echt!“, versuchte sie sich recht zu fertigen, und sah von einem zum anderen.

„Was rechtfertigst du dich!“, meinte Tucker milde, „Wenn´s dir gut geht dabei!“

Caro warf ihm einen komischen Blick zu, und wieder war sie fasziniert von ihm, seine honigkaramellfarbenen Augen wirkten glücklich, Mark sah einmal durch die Reihe, und Mona erzählte weiter.

„Wo wohnst du eigentlich“, fragte Caro in die ungute Situation hinein, die anscheinend nur sie so beklemmend empfand.

Mark reagierte nicht gleich, „Wie?“

„Wo du wohnst?“, wollte Caro leise wissen.

„Am Strand, eigentlich wollte ich mit der letzten Fähre zurück aufs Festland fahren, ich sollte nur die Lage sondieren, aber die letzte Fähre ist schon lange weg!“

„Du kannst bei mir schlafen, vielleicht fühl ich mich dann besser!“, bemerkte Em, wieder zog sie alle Blicke auf sich.

„Ich habe ein Gästezimmer, falls das noch niemanden aufgefallen ist!“, protestierte sie.

„Nein, danke, die nächste Fähre geht um vier ich werde im Terminal schlafen!“, meinte Mark stolz.

Caro schüttelte ihren Kopf, „Idioten, wenn ein Killer bei Luc wohnen kann, dann kann es auch Mark!“, und zwischen auch, und Mark, hatte Caro die Werwolf Pause gelassen.

 

Monas Geschichte war endlich beendet, Em lehnte benommen an der Tür zur Küche, „Geht’s dir nicht gut?“, fragte Caro, und schob sich neben Em, die nur mit ihren Händen wedelte.

„Gut, was ist denn das für ein Wort, ich fühl mich so leicht!“, flötete Em, und knotete zum x-ten Mal ihr Kopftuch zu.

„Ja, das kann er wirklich sehr gut, und anscheinend hat er wieder ein wenig zu sich gefunden!“, murrte Caro.

„Wie?“, meinte Em müde.

„Wir werden gehen!“, meinte Mark, und nahm das Kapitel in die Hand, doch dann stand Tucker in der Tür, „Caro war heute Abend ursprünglich mit mir verabredet!“, brummte dieser.

„Es macht dir doch nichts aus, wenn ich sie nach Hause bringe!“, murrte Mark, und eine Reihe weißer Zähne erschienen samt einem leichten Knurren, das tief aus seiner Kehle brach.

„Ich gehe mit Luc nach Hause, ihr könnt machen, was ihr wollt!“, rief Caro, und hatte sich bereits eingehakt.

 

Kenny war an der Bar, neben Mark, aufgetaucht, musterte den jungen Mann kurz und sein Geist wurde von zusammenhangslosen Erinnerungen geflutet, langsam ballte er seine Hände zu Fäusten. „Gute Nacht!“, warf er Caro lächelnd zu, von erkennen keine Spur.

Caro ergriff Ems Schulter und nickte gut gelaunt, „Hey Em, da will sich jemand verabschieden!“, rief sie.

Em schwankte an die Bar, „Du willst also gehen?“

Kenny nickte, nahm ihre Hände in die seinen, wieder sah sie schüchtern zu Boden, „Wir sehen uns Morgen, ich freu mich!“

Küss ihn, das kann er sehr gut, dachte Caro, und sah fast wehmütig zu den beiden, doch Mark ergriff ihren Körper und schleppte ihn nach draußen zu Luc, der schon wartete.

 

Ihr Weg führte über den kleinen Fußweg am Strand entlang, der Wind hatte zugenommen und trug einige Regentropfen mit sich, und dann entdeckten die drei das Licht auf dem Meer. „Schaut!“, rief Caro, und hielt an.

„Lichtsignale!“, meinte Luc robust, „Ich dachte eigentlich das du uns ein Märchen erzählt hast!“

„Wie ein Märchen sehen die Lichtsignale nicht aus!“, bemerkte Mark präzise, und Caro schlug ihm die Faust gegen den Oberarm, zurück blieb ein stechender Schmerz im Handgelenk, den sie zischend mit ein paar wütenden Worten kommentierte.

„Lasst uns nachsehen!“, forderte Caro die beiden Männer überdreht auf.

„Nein, nein, kommt überhaupt nicht in Frage, viel zu gefährlich, es ist dunkel!“, brummelte Luc, und versuchte die Lichtzeichen zu deuten, sah sich um, „Hügel, dort oben!“

Mark folgte Lucs Blick, „Ich werde nachsehen gehen!“

„Der Strand ist aber gefährlich, hier, überall Steine und abschüssig noch dazu!“, versuchte Luc Mark umzustimmen.

„Kein Problem, Mark ist so was wie ein…!“, fing Caro an, und wurde aber von Luc robust unterbrochen.

„Morgen habe ich gesagt, aber wenn du dir unbedingt etwas brechen willst, gerne auch jetzt, aber ich werde dich nicht retten, Mark!“, murmelte Luc.

Marks schnippisches Lächeln verschmolz mit der Nacht, während er sich in das hohe Gras am Wegesrand warf, sprang gekonnt über die unzähligen Steine, und erreichte unfallfrei den Strand, Wind kitzelte durch sein kurzes Haar.

Eine kleine Jolle legte an, drei Personen stiegen aus, „Ihr seid spät dran heute!“, sagte eine Person, aus der Dunkelheit kommend.

„Der Wind ist fast zu heftig, wir können nicht wirklich lange bleiben!“, meinte eine tiefe Männerstimme.

„Das wird auch nicht notwendig sein, wir kommen gut voran!“, wisperte eine Frau.

„Wie lange noch?“, fragte eine andere Person.

 

Mark lauschte dem Gespräch, gut verdeckt durch das hohe Dünengras, der Wind wurde stärker, und auch die Regentropfen verdoppelten sich, Ungemütlichkeit machte sich plötzlich breit, die vier Personen fingen an hektisch zu werden.

„Hier!“, sagte die Frau, und hievte einen orangen Rucksack aus dem Boot, übergab ihn. „Passt auf euch auf, und bringt es endlich zu Ende, die wollen nicht mehr länger zusehen!“

„Sollte kein Problem sein, wir hören uns!“, rief der Mann, und fing an das Boot wieder ins Wasser zu schieben.

Das kleine Boot wurde wild umhergeschüttelt, allein vom Hinsehen wurde einem schon übel, die beiden anderen Personen verschwanden in die entgegengesetzte Richtung Strand, Mark spürte die Kälte des Windes am ganzen Körper, schnell lief er zu Luc und Caro zurück, die wartend auf dem Weg standen.

„Und?“, wollte Luc brummig wissen, fror, und wurde langsam nass.

„Man hat etwas übergeben, einen orangen Rucksack, aber mehr konnte ich nicht in Erfahrung bringen.

„Was übergeben, an wen?“, quengelte Caro, und versuchte in der Nacht noch etwas Brauchbares zu erkennen.

„Es waren vier Personen, man hat eine Tasche oder einen Rucksack übergeben, mehr konnte ich nicht sehen!“, erklärte er und drängte Caro weiter, das Wetter wurde immer übler.

Luc brummelte etwas und setzte sich auch in Bewegung, „Schmuggler, kann denn das nicht aufhören!“

„Weißt du was, hm, hm, sprich es aus!“, rief Caro neugierig.

„Morgen ist auch noch ein Tag, ich werde Cooper Bescheid sagen, er soll zum Frühstück kommen, dann können wir darüber reden!“, meinte Luc schleppend, und kramte seinen Schlüssel aus der Tasche.

„Und wieso konntest du nicht mehr sehen?“, flüsterte Caro, Mark zu, der in sicheren Abstand neben ihr hergegangen war.

„Lange Geschichte!“, wisperte er.

„Ich habe Zeit!“, warf sie ihm zu, und wartete geduldig bis Luc den richtigen Schlüssel gefunden hatte, im Haus war es angenehm warm, Luc hing seine nasse Jacke auf, „Wo lassen wir dich jetzt schlafen, ich bin leider bis unters Dach voll!“, überlegte er sich das Kinn reibend.

„Er kann bei mir schlafen, das kann er gut!“, stichelte Caro müde.

Mark legte seine Stirn in Falten, hob eine Augenbraue und wollte gerade etwas darauf sagen, doch Luc war schon verschwunden, kam wenig später mit einer Decke und einem Kopfkissen zurück, „gute Nacht, ich mache morgen das Frühstück für uns, um halb neun, die Couch ist ausziehbar!“.

Caro stapfte die Treppe nach oben, und ging in ihr Zimmer, schloss hinter Mark ab, „Der Bogenschütze wohnt im anderen Teil des Hauses!“, warf sie in den Raum, und schlüpfte aus ihren feuchten Schuhen, „Ich dachte immer das Urlaub auch was mit schönem Wetter zu tun hat, aber dem ist nicht so, wie ich das langsam hasse!“, schimpfte sie vor sich hin.

Mark linste aus dem Fenster, man konnte das Meer toben hören, und der Regen platschte ab und zu an das Fenster, „Du bist wegen Kenny hier, nicht des Urlaubs wegen, oder liege ich falsch!“, bemerkte er.

 

Caro hatte ihre Kleidung gewechselt, und kam, sich die Haare trocken rubbelnd, zurück, „Ja und, mag sein, ganz zu schweigen von deinen Absichten!“

„Bens Absichten!“, rückte Mark, Caros Gedanken zu Recht.

Sie setzte sich auf ihr Bett, „Nun gut, um was geht es hier genau, und ich dachte jetzt an eine detailgenaue Ausführung!“

Er schmunzelte, verschwand aus dem Raum, und kam wenige Minuten später wieder zurück, hatte sich in ein riesiges Handtuch gewickelt, „Zu so später Stunde gibt es keine detailgenaue Erklärung für die Dinge, die gerade passieren, nur so viel zum Anfang, Kenny hat etwas entdeckt, das ihm sozusagen das Leben kostete, und nun haben sie nicht vor es darauf ankommen zu lassen, dass er sein Gedächtnis wieder erlangt, und sich vielleicht doch noch erinnert, er ist in Gefahr, auch wenn das blöd klingt in seinem Zustand!“

Caro hatte sich auf ihr Bett gesetzt, und die Beine ineinandergeschlungen, „Was hat er denn entdeckt!“

 

Marks dunkle Haut hob sich in der seichten Beleuchtung dezent ab, er rückte seinen Körper zurecht, die Vorhänge waren zugezogen und die Gedanken brannten, „Was er ganz genau entdeckt hat, das weiß anscheinend nur Kenny, nicht mal seine Feinde sind sich sicher, aber sie empfinden ihn als Bedrohung, die beseitigt werden muss, sie hatten gute Karten alles zu zerstören, aber du hattest das Ass, das Buch, mit deinem letzten Wunsch hast du sein Leben gerettet und die Vergangenheit geändert!“

Caro hing neugierig an Marks Lippen, die sich unaufhörlich bewegten ,und alles andere sagten als nur Worte, Gefühle wanderten durch den Raum, und flatterten wie Vögel an ihnen vorbei, setzten sich auf die Vorhangstangen, und beobachteten sie, Mark redete mit seinen Händen, und ein kleines winziges Grübchen erschien manchmal auf seiner Wange wenn er schmunzelte, sie nickte nur ,sagte nichts, lauschte seiner angenehmen sanften Stimme, während er versuchte ihr alles haarklein zu erklären, die Stunden wanderten, verflossen wie Eis dass in der Sonne lag, zu schnell, Caro hatte sich am Kopfende angelehnt, gähnte ab und zu herzhaft, und konnte sich kaum losreißen, nebenbei wuchsen immer wieder alte, uralte Gedanken in ihrem Kopf heran, die sie sofort verwarf, und dann verebbte sein Redeschwall, Caro sah ihn mit leicht geöffneten Mund an, schürzte ihre Lippen, eine Locke ihres langen kupferroten Haares wackelte unwirklich hin und her.

 

„Müde?“, fragte er noch einmal, denn, mit diesem Worten hatte seine Geschichte geendet.

„Wie, ja, nein, ich bin, ich fühle mich überfordert, irgendwie!“, stotterte sie wirr, rutschte vom Bett und öffnete ihren Schrank, kramte dort ein T-Shirt heraus, reichte es ihm, er nahm es wortlos an sich und schlüpfte hinein, sie kuschelte sich unter ihre Decke, es war ein wenig frisch geworden, „Langsam mutiert mein Leben zu einem unentwirrbaren Chaos heran, kann ich dich mal was intimes Fragen?“

Er sah zu ihr und fixierte ihren Blick, seine Augen leuchteten wie ein Eiswürfel, in den die Sonne schien, Mark nickte, Caro überlegte, die Tage flogen wieder von den Vorhangstangen, und verwandelten sich zurück in Vögel, „Mir ist aufgefallen, dass du den Ring nicht mehr trägst, gibt es einen Grund dafür?“

Mark atmete tief durch, er würde sie viel lieber küssen, als immer nur irgendwelche unnützen Fragen zu beantworten, die sich so und so immer nur um das eine Thema drehten, er biss sich auf die Unterlippe, schien sich seine Worte genau zu überlegen, beugte sich leicht vor, „Vergangenheit!“, flüsterte er grinsend, und versuchte in ihrem Gesicht zu lesen.

„Oh!“, prustete sie knapp, man konnte förmlich sehen, wie es in Caros Gehirn kochte.

„Jetzt habe ich wohl meinen Monsterbonus verspielt, bin ich jetzt auf der interessant Skala auf minus Null gerückt“

Caro legte ihm den Zeigefinger auf den Mund, „Scht, scht, scht!“, zischte sie.

Er küsste ihren Finger, und zog sie sachte zu sich, seine Lippen legte sich auf ihre, und fühlten ihren Pulsschlag, die Testphase begann, wie weit konnte er gehen, wann würde die Natur ihn wieder einen Strich durch die Rechnung machen, aber es passierte nichts, er fühlte ihre warmen Lippen, und kostete ihren Mund, Hitze breitete sich aus und strömte über seine Haut, zärtlich schob er seine Hand unter ihr T-Shirt und fühlte ihre Gänsehaut, die ihm ein Lächeln entlockte, sein Herz pochte laut und rhythmisch.

 

In Caros Blut befanden sich zu viele große Blasen, die jetzt alle auf einmal platzen, und ein prickelndes Gefühl hinterließen, er öffnete seine Augen, und wich zurück, sie holte tief Luft, und schien auf der Stelle rot zu werden, fast schon schüchtern wand sich sein Blick ab, „war das nur wieder ein Ablenkungsmanöver, ein taktischer Schachzug, nachdem was du mir das letzte Mal an den Kopf geworfen hast, verwirrt mich das jetzt ein wenig sehr…!“, fing sie leise an, er hatte sich erhoben, und war an das Fenster gegangen, öffnete es einen spaltbreit, kalte Nachtluft strömte herein und umgarnte seinen aufgeregten Körper, ein zittern legte sich auf seine Finger, „Ich kann dich gut verstehen, aber kannst du mich vielleicht auch ein wenig verstehen, es ist nicht gerade einfach, das alles!“, fing er an sich zu erklären.

Caro hatte sich auch erhoben, war zu ihm an das Fenster getreten, „Du, wolltest doch heute Nacht keine tiefschürfenden Dinge mehr diskutieren, wie wäre es mit der Wahrheit, weil wir gerade so schön dabei sind!“, fing sie fröstelnd an.

„Für die ganze Wahrheit, ist die Zeit noch nicht reif!“, er sah zu ihr, „Frag mich einfach, vielleicht kann ich dir antworten geben!“

„Das Tagebuch, dass ich in deiner Wohnung fand, du sagtest, dass du mich damit gefangen hast, und nichts darin wäre wahr gewesen, ist dem so?“, fing sie leise an.

Er schniefte kurz, „Was glaubst du denn?“

„Schwierig, ich bin wahrscheinlich viel zu misstrauisch, sag´s mir, ich werde es verkraften!“, meinte Caro fest.

Ein flüchtiges Lächeln flog über seine Augen, „Das Tagebuch war ein Köder, ich wollte wissen, wie du auf mich reagierst!“, fing Mark stockend an.

Sie räusperte sich, „Und ich habe falsch reagiert!“

„Nein, aber ich wollte mir sicher sein, in allem, Gefühle, Gedanken, Ideen, ich wollte wissen, wo ich stehe!“

Caro sah zu ihm, „Du wolltest deine Chancen ausloten, wegen Kenny, oder?“

„Nicht nur wegen ihm, das ganze rundherum!“, sagte er vorsichtig, und schloss das Fenster wieder.

„Ich verstehe, mein Ruf eilte mir voraus, hast du deshalb den unnahbaren gemimt…!“, fing sie umständlich an.

„Ich bin keine siebzehn mehr, und diese ganzen Spielchen sind mir zu blöd, Caro, ich werde dir nicht ewig zusehen, ich will mir im Klaren sein wie das mit uns weitergehen soll!“, sagte er fröstelnd.

So viele Worte, sie stolperte wand sich ab, wo waren den die Worte geblieben, die sie sich zurechtgelegt hatte, „Uns?!“, fragte sie erstickt, und hüstelte, hatte sie wieder irgendwo vergessen abzubiegen, oder nannte man das ignorant.

Mark nickte schüchtern, und kaute wieder an seiner Unterlippe, Nervosität quoll durch seine Gedanken, „Kenny, du empfindest immer noch was für ihn, hoffst du auf einen sauberen Download, noch ist er jungfräulich in seinem Wesen?!“

 

Caro schüttelte energisch ihren Kopf, „Ich fühle mich ein wenig überfahren, lass mich das noch mal wiederholen, du willst wissen, wie das mit uns weitergehen soll?“

Er schlug seinen Blick nieder, und das eisblau seiner Augen wirkte plötzlich grau.

„Freunde, oder mehr?“, setzte sie nach, und wanderte in ihrem Zimmer auf und ab.

„Nur noch mal zur Info, vor nicht allzu langer Zeit hast du mir noch erklärt, dass du weder Freundschaft noch mehr willst, weil du deiner Meinung nach zu gefährlich bist, oder was auch immer, jetzt stehst du hier, vor mir, mitten in einer Regennacht und stellst Forderungen, die mich überfordern!“, keuchte Caro.

 

„Es ist ganz einfach im Grunde genommen!“, drängte er, und versuchte in ihrem Gesicht eine kurze Regung zu deuten.

„Du verlangst, dass ich dir vertraue, und du verarscht mich nach Strich und Faden?“, murrte Caro.

Mark stutzte, sein Blick schien sich zu verdunkeln, er schluckte kurz, hatte er sich so getäuscht, oder war seine Überheblichkeit mit ihm durchgegangen, aber dieser Blick damals in ihren Augen, als er ihr gesagt hatte, dass es besser wäre sich von ihm fernzuhalten, alles nur Hokuspokus.

„Du würdest dich nicht verwandeln, oder, war auch nur alles gelogen, oder…!“, sie stöhnte schwer.

Wieder streifte sie sein eisiger Blick, der sie erzittern ließ, Mark wich zurück, in einen etwas dusteren Teil des Zimmers.

„Keine Antwort?“, fragte Caro und schnaufte, „Es ist spät, lass uns schlafen!“

Seine Gestalt bewegte sich leicht durch den Raum, Caro hatte sich inzwischen unter ihre Bettdecke gekuschelt, „Zu spät?“, meinte er, und kroch auf die Couch.

 

„Freunde, der Rest ist Geschichte!“, sie hatte das Gefühl, als müsse sie sich rechtfertigen.

„Sehr gut, und nun zu uns, ich überlasse dir die Entscheidung!“, schnaubte er, und döste leicht dahin, sein Körper wurde träge, er fühlte sich schwer und müde an.

„Danke, dass ist nett von dir, ich werde es mir durch den Kopf gehen lassen!“, murmelt sie, und entschlummerte sanft.

 

Luc rührte lesend in seiner Pfanne herum, seine ersten Frühstücksgäste waren schon aus dem Haus, die Damentruppe verließ gackernd das Grundstück, und verschwanden auf der Promenade, Mark erschien geschniegelt und gebügelt in der Küche, „Einen wunderschönen Guten Morgen!“, rief er gut gelaunt.

Luc musterte ihn, „Den wünsch ich dir auch, wo hast du Caro gelassen, war wohl eine sehr anstrengende Nacht!“, zwinkerte dieser.

Mark schmunzelte, überprüfte noch einmal den Sitz seiner Frisur, jedes Haar hatte seinen Platz, in diesem Moment betrat Cooper das Haus, „Ich wäre dann auch da!“, rief er durch den Flur.

„Wir sind in der Küche!“, meinte Luc brummend.

„Es gibt eine schlechte Nachricht!“, platzte Cooper in die Küche und betrachtete den jungen Mann lange, der sich vor ihm aufgebaut hatte, und doch ein wenig unterernährt wirkte neben dem Polizisten.

„Hallo Coop!“, flötete Caro, und drängte sich ebenfalls in die winzige Küche.

„Raus hier, alle, setzt euch gefälligst in den Frühstücksraum, meine Küche ist kein Aufenthaltsraum!“

Die kleine Kolonne wanderte ab, Luc hatte den Tisch geschmackvoll gedeckt, in der Mitte standen viele kleine Leckereien, geschmackvoll angerichtet in Blümchenschälchen, er selbst, kam mit einer Kanne Kaffee und der Pfanne voller duftender Eier mit Speck nach.

„So, und nun können wir uns der schlechten Nachricht des Tages widmen, Caro brauchst du noch Vitamine oder so was?“, prustete Luc neckisch.

Caros Blick bewölkte sich ein wenig, sie warf Mark einen bösen Blick zu, der nur mit den Schultern zuckte, „Welcher schlechten Nachricht!“

„Wir haben heute Morgen euren Bogenschützen im Hafenbecken gefunden, tot!“, warf Coop in den Raum, alle sahen sich der Reihe nach an.

„Gut, ich meine, nicht gut!“, verbesserte sich Caro, und spickte unauffällig zu Mark, dessen Gesichtsausdruck wie versteinert wirkte, sie konnte genau spüren, wie krampfhaft er sich an die letzte Nacht zu erinnern versuchte.

 

„Eine Leiche zum Frühstück, möchtest du Eier dazu, und so wie ich dich kenne hast du noch keinen Täter?!“, ärgerte Luc Coop.

Coop ignorierte seinen Freund, und ergriff eine Scheibe Toast, klatschte einen Klecks Orangenmarmelade darauf, und biss hinein, „Muss wohl ertrunken sein, der Gute!“, mampfte er.

„Ah, ganz klar, und wie, wo und wann?“, spottete Caro, lehnte sich mit ihrer Tasse in der Hand zurück.

„Auf dem Nachhauseweg eventuell, zu viel Bier, und dann noch das schlechte Wetter, ausgerutscht Kopf gestoßen und ins Hafenbecken gestürzt, ganz schlicht und einfach!“, meinte Coop, beobachtet dabei Mark, „Machst du Urlaub hier?“, redete Coop weiter.

„Kurzurlaub!“, meinte Mark, und schüttelte sich unsicher.

„So, so ganz ohne Gepäck?“, lauerte Coop weiter.

„Hör auf damit, er ist mein Gast!“, polterte Luc aufgebracht.

„Er war die ganze Nacht bei mir, falls du auf irgendetwas anspielen willst!“, warf Caro kauend ein.

„Schließlich bin ich hier der Polizeiapparat, und muss jeder Spur nachgehen, so meine Lieben, dann bin ich wieder weg, danke für das leckere Frühstück!“, grunzte Cooper ergriff seinen Hut, „Passt auf euch auf!“

 

Die Nachricht über den Tod des Bogenschützen breitete sich wie ein Lauffeuer aus, und hatte schon eine märchenhafte Gestalt angenommen, als Caro und Mark Ems Lokal betraten.

Ira studierte die Tageskarte, neben ihr saß Ralf und zeichnete, sein Gesichtsausdruck wirkte hoch konzentriert und verbissen, Easy saß knurrend neben ihm, „Guten Morgen!“, meinten Caro und Mark wie aus einem Mund, Ira und Ralf sagten ebenfalls guten Morgen, und sahen Caro nach, wie sie, auf den Weg in die Küche war, „Das ist nicht gut!“, meinte Ira träge, und verzog ihren Mund, Mark hob eine Augenbraue, „Wie meinst du das?“

„Das wirst du gleich merken!“, sagte Ralf verschwörerisch, kniff seine Augen zusammen, und widmete sich wieder seiner Zeichnung.

Caro steuerte zielstrebig durch die Tür und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen, Kenny und Em eng umschlungen sich küssend, wobei das schon nichts mehr mit küssen zu tun hatte, sondern eher mit verschlingen, peinlich stolperte sie rückwärts wieder aus der Küche, und schlurfte zu der kleinen Gruppe, „Wir sollten uns die Gegend anschauen!“, räusperte sie sich, und zog Mark mit sich aus dem Lokal.

„Was habe ich dir gesagt?“, flüsterte Ralf Ira zu, die nur grinste.

 

„Geist gesehen?“, fragte Mark, dessen Worte vor lauter Genugtuung förmlich trieften.

„Sie haben sich geküsst, in der Küche!“, hauchte Caro geheimnisvoll.

„Schön, wenigstens tun sie es, bist du vielleicht eifersüchtig!“, ärgerte er sie schelmisch grinsend.

„Ich, nein, nie im Leben!“, rümpfte Caro ihr Näschen, trotzdem hatte sie ein komisches Gefühl.

Mark grinste, „Du kannst es ruhig zugeben, ich werde es wie ein Gentleman ertragen!“

„Wenn sie wüsste…!“, fing Caro wieder an, und schüttelte ihren Kopf dabei so heftig, dass ihre roten Locken durcheinanderwirbelten, „…Dann könnte es dir auch egal sein, und sie weiß es nicht, lass ihnen doch das Glück, wer weiß was daraus wird, wenn er sich wieder erinnern kann, du kennst ihn doch!“, erkläre Mark ruhig, gemeinsam wanderten sie an der bunten Häuserpromenade entlang.

„Du hast irgendwo recht, aber sollten wir sie nicht aufklären?“, polterte Caro energisch.

„Nein sollten wir nicht, das geht dich nichts an, Caro du bist außen vor, hoffe ich zumindest!“

„Ich bin außen vor, ich bin außen vor, ich bin…!“, zitierte sie vor sich hin, und tippelte neben Mark her.

Er dreht sich blitzschnell zu ihr, ergriff ihre Schultern und sah ihr lange schweigend in die Augen, „Hast du dir etwas überlegt?“

„Überlegt, überlegt, ja, nein, ich will mir nichts überlegen!“, rief Caro störrisch.

„Gut!“, murrte er enttäuscht, und eine unsichtbare Mauer zog sich zwischen den beiden hoch.

„Wo werden sie den Bogenschützen hingebracht haben?“, lenkte Caro das ungute Thema um.

„Noch wird er bei Cooper sein, es kann dauern bis sie ihn abholen!“, sagte Mark resigniert.

„Gut dann lass uns einfach zu Cooper gehen!“, forderte sie ihn energisch auf, versuchte ein Lächeln, dass er nicht erwiderte.

 

Schweigend wanderten sie nebeneinanderher, die Stille war fast unerträglich, einige Wanderer kamen ihnen entgegen und die Einsamkeit hatte ein Ende, „Willst du reden?“

Caro schoss einen bösen Blick ab, der ihn genau in die Stirn traf, „Du bist mir ein Rätsel, nein unheimlich, was wird das wieder werden, wer steckt genau dahinter Ben, Will oder vielleicht Lucien, sollst du dein falsches Spiel weiterspielen, ich soll mich in dich verlieben, was ja eigentlich nicht schwer wäre, weil du sehr gut aussiehst, charmant bist, und deine weiche Seite auch zeigst, Balsam auf meiner geschundenen Seele, weg von Kenny, logisch, und dann kommt das dicke Ende mit Schrecken, und ich stehe wieder da, und ärgere mich, weil ich auf dich hereingefallen bin, und du hattest deinen Spaß!“, quoll es ohne Punkt und Komma, aus ihr heraus, jene Worte hatten Spitzen und taten unheimlich weh.

Mark ließ sie los, und rieb sich die Nase, biss sich wieder auf seine Unterlippe wie er es anscheinend immer tat, wenn er nervös wurde, „Was bist du doch misstrauisch!“, sagte er enttäuscht.

„Wärst du es denn nicht?“, meinte Caro, und ihre Tonlage wurde eine Oktave höher.

„Wie lange kennen wir uns, ich denke lange genug oder, sicher es mag sein, dass wir manchmal nicht mit offenen Karten gespielt haben, aber irgendwo war immer ein Funken Wahrheit da!“, meinte er lauernd.

„Ja genau, immer irgendwo, und irgendwo kann überall sein, du hast mich total auflaufen lassen, mit deiner Kochkunstgeschichte, die fand ich nämlich super, oder deiner zurückhaltenden Art, die sanfte weiche verletzliche Seite, deine Angst mich zu verletzten, oder das du mich nie angerührt hast echt Gentlemen, und dann die verzweifelte Geschichte das du dich verwandelst, dich nicht unter Kontrolle hast in so manchen Situationen, toll, echt toll, und ich fall drauf rein wie ein dummer Teeny!“, rief Caro wütend, und ihr Gesicht wurde purpurrot.

Mark verschränkte seine Hände vor seinem Körper, ging einige Schritte weiter, sein cremeweißes Hemd flatterte wild umher, er hatte den Kragen aufgestellt, seine ausgewaschene Jeans hing legere über die Fersen und schleifte am Boden entlang, sie musterte seine Gestalt, und zupfte an ihrer Jacke herum, sag was, wirf mir irgendetwas an den Kopf, egal was, aber rede mit mir, dachte sie, „Mark!“, rief sie ihm laut nach.

„Ich werde die nächste Fähre nehmen!“, rief er ihr zu, und ging.

„Verdammt!“, knurrte sie verächtlich.

Mark schüttelte seinen Kopf, und murmelte etwas vor sich her, als er an den Hafen kam herrschte reges Treiben, einige Touristen waren dabei die Insel zu verlassen, er mischte sich darunter, setzte sich in die Lobby, und starrte aus dem Fenster.

 

Caro kam wenig später bei Em an, die überglücklich durch ihr Lokal wirbelte, „Was ziehst du denn für ein Gesicht, es ist wegen Kenny, es tut mir unendlich leid, aber es hat sich so ergeben!“, Caro winkte brüsk ab, und knurrte sich ärgernd.

„Es geht nicht um euch, werdet glücklich!“, meinte sie forsch.

„Um was geht’s dann, wo ist dein netter Typ von gestern geblieben?“, fragte Em, und hampelte vor Caros Statur herum.

„Weg, ich habe ihn verbal verscheucht, ich bin ein Elefant, und ich fühle mich scheußlich!“, sagte sie.

„Er sitzt noch im Hafen!“, meinte jemand hinter ihr das Lokal betretend, sie sah um, Kenny, der hatte ihr gerade noch gefehlt, „Falls Bedarf besteht!“, hakte er nach.

 

Mark schlenderte zu seinem Wagen, öffnete den Volvo und glitt elegant in das Innere des silbernen Volvo, steckte den Schlüssel in das Zündschloss, sein Blick fing sich im Innenspiegel, gescheitert sog er die Luft tief ein, leichter Nieselregen benetzte seine Windschutzscheibe, Mark nahm den Brief aus dem Handschuhfach faltete ihn auf, und las ihn wieder und wieder, es war der Brief seiner Eltern, von dem Mrs. Ettking gesprochen hatte, seine Mutter, sie war fünfzehn als sie schwanger wurde, und sein Vater knappe neunzehn, sie durften ihn nicht groß ziehen, das hatten die Eltern seines Vaters beschlossen, und die kleine Familie getrennt, ihn zu einer Adoptivfamilie gegeben, und den Kontakt untersagt, dieser Brief war handgeschrieben, leserlich, kein Datum, keine Anrede, kein Poststempel, es ist uns nicht gelungen dich wieder zu uns zurück zu holen, aber wir wussten, dass es dir gut ging, deine neuen Eltern haben uns gut über dich informiert, auch wenn sie das eigentlich nicht durften, im Hintergrund sang Rihanna Umbrella, Mark lehnte sich zurück und konnte seinen Blick nicht von den Zeilen lösen, du bist nun achtzehn und wir wünschen dir alles Gute für dein Leben, auch wenn wir nicht dabei sein durften, finanziell bist du versorgt, dein Leben lang, und du bist anders als die anderen, das wirst du bald bemerken, und lass dich nicht in die Irre führen, sie werden es versuchen.

Wir lieben dich und vermissen dich sehr.

 

Mark legte den Brief zurück ins Handschuhfach, und startete seinen Wagen fuhr in die Stadt, reihte sich in die Anonymität der Gesellschaft ein, der Verkehr schob sich über die Tower Bridge vorbei an großen Wolkenkratzern, sein Loft war nicht mehr weit, wenig später glitt der silberfarbige Volvo in die Tiefgarage seines Wohnblocks, von dort aus fuhr Mark nach oben in seine Wohnung, Wut streifte sein Ego, und lenkte seinen Geist.

 

Caro war noch immer sauer, über sich und ihr Verhalten, Tucker betrat das Lokal, und lehnte sich an die Theke, „Habt ihr schon gehört, euer Bogenschütze ist tot!“, rief er leicht.

„Wissen wir schon!“, meinten alle wie aus einem Mund.

Tuck rollte mit seinen Augen, und öffnete den Reißverschluss seiner Jacke, zog sie aus und setzte sich an einen Tisch, Em erschien mit einer Kanne Kaffee, „Und kennt ihr die Ursache eventuell auch schon!“, fragte er in die Runde, Caro deckte stillschweigend den Tisch, wobei Kenny sie intensiv dabei beobachtete, „Kannst du mir bitte den Zucker zeigen, die Büchse ist leer!“, meinte er leise, und lockte somit Caro vom Tisch fort, sie folgte ihm bis in die Küche dort herrschte Totenstille, „Der Zucker ist dort oben!“, meinte sie lasch, und zeigte in irgendeine Richtung, wand sich um und wollte gehen.

„Ich habe mich erinnert!“, sagte Kenny leise, und öffnete, ohne sie zu beachten den Kasten, Caro sah zu ihm, sie hatte irgendwo keine Lust auf Erinnerungen, „Ja gut!“

„Finde ich auch, es ist zwar immer noch sehr lückenhaft, aber es fügt sich langsam alles irgendwie zusammen!“, lächelte er.

„Und, an was kannst du dich so erinnern?“, lauerte Caro, hatte sich vorsichtshalber am Ende der Anrichte platziert.

„An einige Dinge, aber ich kann sie nicht verstehen, nicht zuordnen, aber vielleicht kannst du mir ja dabei helfen!“, säuselte er, schüttete den Inhalt des Paketes in die Büchse und wand sich an Caro, sein Outfit glänzte, und seine Augen leuchteten so wunderbar wie früher, eine kleine Weile lang betrachtete sie ihn verzückt, und so manch Worte lösten sich auf wie Säure.

Kenny leckte sich leicht die Oberlippe, „Ich bin Polizist?“, fing er an, sie nickte, „Chefsuperintendent, um genau zu sein!“, setzte sie hinzu, Kenny nickte, „Wir kennen uns schon sehr lange, über viele Jahre, oder?“, lauerte er, Caros Blut knisterte plötzlich, „Stimmt, fünfzehn!“, Kenny bewegte sich langsam auf sie zu, „Sind wir ein Paar?“, fragte er sehr vorsichtig. „Nein!“, schoss Caro schnell, und wurde unwillkürlich bleich,

Erleichterung zeigte sich nicht gerade in seinem Gesicht, „Freunde, gut, aber warum hast du mir nicht auf die Sprünge geholfen?“, fragte er leise nach

„Du solltest dich so gut wie selbst an alles erinnern!“, sprudelte sie schnell, während sie das schlechte Gewissen plagte.

„Nur noch eine Frage, habe ich eine Familie, Frau, Kinder?“, fragte er zaghaft, und spielte mit dem Deckel der Zuckerdose, Caros Herz schlug schnell, sie könnte in binnen Sekunden sein ganzes getüttel mit Em zerstören, wenn sie wollte, aber wollte sie das, sie rieb sich die Nasenwurzel, „Ähm, eigentlich nicht!“, fing sie leise, an und beobachtete ihn sehr genau.

Kenny atmete tief durch. „Eigentlich?“, seine Stimme hatte einen unwirklichen sanften Klang angenommen.

„Kannst du es denn nicht vielleicht fühlen, ich meine, wenn du dich schon erinnern kannst, wieso nur an solch banale Dinge?“, wollte sie neugierig wissen.

„Es erscheinen immer wieder Bruchstücke von irgendetwas, nichts genaues, Menschen, die ichglaube zu kennen, aber nicht einordnen kann, Sequenzen, die mich zu Fall bringen, die man lieber nicht wirklich erzählt, und immer wieder ein und dieselbe Szene, dass ich Blut trinke, und in diesem Moment kann ich es sogar förmlich riechen, pervers, ich weiß nicht wie ich es dir erklären soll, wenn ich mit Em zusammen bin, dann habe ich das Gefühl als würde ich jemanden betrügen!“, sagte er leise, wirkte verlegen.

 

Marks Worte spukten unaufhörlich energisch in Dauerschleife durch Caros Gedanken, -du wartest doch nur auf einen sauberen Download- du wartest doch nur auf einen sauberen Download….

Bewegt schüttelte sie sich leicht, musterte erneut Kenny der seinen Kopf in den Nacken gelegt hatte, leise stöhnte, seine Lippen fest aufeinanderpresste und sein Blick wieder zu ihr wandern ließ, „Em ist ein lieber Kerl…!“, Ira unterbrach schwungvoll die Küche betretend, die Szene und Caro hatte augenblicklich das Gefühl, als wäre sie irgendwo verdeckt gestanden und hatte sie belauscht.

„Ah ihr beiden, habe ich euch etwa bei was wichtigem gestört?“, flötete sie linkisch.

Caro knurrte leicht, und verzog dann ihren Mund, „Nein, passt schon!“

Kenny musterte Ira so eindringlich, als hätte er ein Flashback, schloss kurz seine Augen, umklammerte dabei die Zuckerbüchse das seine Fingerknöchel weiß hervortraten, Gedankenblitze durchzuckten zusammenhangslos sein matschiges Gehirn, letztendlich verließ er ohne Worte die Küche.

 

„Wo hatte den Em ihren Zucker versteckt, in Sibirien?“, murrte Tucker, und nagelte Caros seltsamen Blick fest.

Ems Sonnenlachen verebbte urplötzlich, sie sah zwischen Kenny und Caro hin und her, und ahnte das etwas vorgefallen war, Kenny setzte sich ungelenkig neben Em, sein Blick wirkte verhalten und verkrampft.

„Glaubt ihr, dass wir die Leiche des Bogenschützen sehen dürfen?“, warf Caro geschickt in die Runde.

Tuckers honigkaramellgelben Augen blitzten mürrisch, „Ich will den gar nicht sehen!“

„Ich auch nicht!“, hastete Em schnell, und versuchte ihre zitternden Finger unter dem Tisch zu verbergen, Kenny atmete tief durch, „Was, wenn es Mord war?“

„Mord, du bist doch nicht ganz bei Trost, das hier ist eine Touristeninsel!“, brummelte Tucker, und trank einen Schluck aus seiner Tasse.

Ira gesellte sich wenige Minuten später auch zu der kleinen Frühstücksrunde, hatte ein Tablett mit Kuchen dabei, „Zitronenkuchen!“, rief sie laut, und warf ein Lächeln in die angespannte Runde.

 

Ben rückte sich den Objektträger unter seinem Mikroskop zurecht, und brummelte den Refrain eines Liedes, dass er heute Morgen im Radio gehört hatte vor sich hin, dann öffnete sich die Tür zu seinem Labor. „Hallo Mark!“, schnurchelte der füllige Mann, würdigte ihn keines Blickes.

„Guten Morgen!“, sagte Mark, und schloss die Tür hinter sich.

Ben sah auf seine Uhr, wand sich um, „du bist früh dran!“, hüstelte er.

„Ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich…!“

Ben schob sich seine Brille zurecht, „Du siehst blass aus, fühlst du dich nicht gut?“

Mark sog die Luft durch seine Zähne ein, „Es geht!“, meint er knapp.

„War wohl keine so gute Idee dich in die Höhle des Löwen zu schicken, aber konntest du trotzdem mit Caro reden?!“

„Ja, aber es sieht wohl wirklich so aus, als hätte Kenny keine wichtigen Erinnerungen mehr, ganz zu schweigen von seinem gesundheitlichen Zustand, er ist am Ende Ben!“, meinte Mark vorsichtig.

„Das denken die anderen allerdings nicht, für sie ist er eine gedankliche Bedrohung, die, falls er sich wieder erinnern sollte, hoch gehen wird!“

Mark stöhnte, rieb sich seine Stirn, „Es hat heute Morgen einen Toten gegeben auf der Insel!“

„Es hat was, gegeben…!“, rief Ben außer sich, drehte sich und rollte mit seinem Drehstuhl auf Mark zu.

„Der Tote war Caros potenzieller Mörder, ein undurchsichtiger Typ bewaffnet mit Pfeil und Bogen, der nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet hat, um Kenny zu töten, man fand ihn heute Morgen tot im Hafenbecken vor, die örtliche Polizei glaubt an einen tragischen Unfall, nicht an Mord, zu viel Whisky und so weiter und so fort!“

„Wo ist der ominöse Tote jetzt?“, polterte Ben und fing an nach seinem Handy zu suchen, Mark runzelte seine Stirn, „Noch auf der Insel, denke ich!“

 

Em, Caro und Kenny hatten sich ein Stück des herrlich duftenden Zitronenkuchens genommen, und lobten Ira damit in den Himmel hinauf, „Ich muss den Laden aufsperren!“, bemerkte Tucker, hatte sich bereits erhoben, ergriff seinen olivgrünen Parker und schlüpfte hinein, zog den Reißverschluss hoch und verabschiedete sich,

„Halt, warte, ich begleite dich!“, rief sie und erhob sich ruckartig, die kleine Runde musterte sie verhalten.

Tucker stapfte nach draußen vor die Türe und verharrte kurz, wand sich dann an Caro, „was war das gestern, und wer war dieser schnöselige Typ?“, überfiel er sie sauer.

Caro senkte ihren Blick, und trottete neben dem großen Mann her, der Wind blies ihnen kalt um die Ohren, und einige neu angekommen Touristen säumten die Promenade, kreuzten ihren Weg „Es tut mir leid, aber Em hat mich gefragt ob ich ihr helfen kann, und irgendwie konnte ich nicht nein sagen!“, säuselte sie vor sich hin.

Tuck schnaubte, seine honigkaramellfarbenen Augen blitzten, „Das mit Em stört mich nicht, aber der Typ von gestern, das war doch dein Freund, oder?“

Caro wagte es nicht von der Straße aufzusehen, „Nein!“, schnappte sie, und ihre Stimme hatte sich um einige Oktaven gehoben.

Tuck bog in die kleine Seitenstraße ab, und ging den engen Weg entlang, blieb abrupt stehen und drehte sich zu ihr, Caro wäre fast in ihn hineingelaufen, „Klar!“

„Das geht dich außerdem nichts an, oder?“, knurrte sie wütend.

„Stimmt, aber, seid ihr hier seid gibt’s nur ärger, und das ist doch wohl komisch!“, murrte er, und ging weiter.

Caro verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse, und streckte ihm die Zunge heraus, kam sich dabei allerdings albern vor, Tucker fingerte seinen Schlüssel aus der Tasche und schloss seinen Laden auf, der Duft von Leder und Wachsklamotten schwebte ihr entgegen, dann zog er seine Jacke aus und verschwand im Hinterzimmer.

Währenddessen lümmelte Caro auf der Glastheke herum, ihre Nase berührte fast die Scheibe, dann kam Tuck zurück, „Wehe du machst mir sabberflecken auf die Vitrine!“

Sie schüttelte ihren Kopf, „Sag mal, kann man denn hier auf einer so sauberen braven Touristen Insel, mit so was Geld machen?“, fragte sie, und deutete auf die Waffen.

„Es gibt hier viele Hobbyjäger, die nur des Jagens wegen auf die Insel kommen…auf was willst du hinaus?“, fragte er vorsichtig.

„Ach, nichts, war nur so eine Idee, am Anfang habe ich nicht geschalten, aber so nach und nach hatte ich dann ein paar Gedankenblitze!“, fing Caro listig an.

„Die da wären?“, brummte er, und hatte sich auf seinen Stuhl gesetzt.

„Die Hightech Präzisionsbögen werden sehr selten für die Jagd genommen, Sportschützen bevorzugen die Dinger eher…!“, warf sie ihm vor.

Um Tuckers Augen spielte sich ein Lächeln, und seine schönen Augen leuchteten glitzernd. „Du hast mich durchschaut, ich bin ein Freak!“

Caro sank in sich zusammen, „Tucker kannst du nicht ernst bleiben!“

„Bitte, Caro, ich sammle Waffen, unter anderem eben auch den Bogen, den habe ich mir schicken lassen, weil er mir gefallen hat, und das mit dem Typen da, das war reiner Zufall, ehrlich!“, erklärte er, und beugte sich vor, „Du bist ja echt ein bisschen paranoid!“

„Nein, besorgt um Ems Leben, weil sie sich mit Kenny eingelassen hat!“

Tuck grummelte ungehalten, „Ich wusste es, der Typ würde nur Ärger machen, schon vom ersten Tag an wusste ich es!“

„Jetzt hör auf damit, bist du etwa eifersüchtig?“, kicherte Caro und wackelte mit dem Po hin und her.

Tucker kniff die Augen zusammen, und schnalzte mit der Zunge, „Em ist so was von naiv!“

„Und er ist der Teufel in Person, nur gut, dass er sich an nichts erinnern kann!“, plauderte Caro aus dem Nähkästchen, wie weit musste sie ihn noch locken, um an das gesuchte heranzukommen.

 

Ben überlegte kurz, und nahm seine Brille von der Nase, „Hm, und nun?“

„Ich muss gehen!“, murmelte Mark kurz angebunden, hatte keine Lust Kennys Haut zu retten.

„Kann es sein, dass deine Verstimmung am Inselwetter liegt, ich kann mir das gut vorstellen!“, lächelte Ben wissend.

Mark hatte sich kommentarlos erhoben und war sich verabschiedend verschwunden, auf dem Weg nach draußen bimmelte sein Handy, er linste auf das Display und rümpfte grollend seine Nase, ließ es klingeln, stieg in seinen Volvo und fuhr zu Mrs. Ettking, die ihn schon sehnsüchtig erwartete.

„Hallo Eleana!“, rief er freundlich, ging durch den Flur.

„Hallo Mark, du bist überpünktlich!“, meinte sie, lächelte wissend.

„Ich dachte, dass wir heute den Rasen mähen, bevor es wieder zu regnen beginnt!“, sagte er legere, und versuchte sich nichts anmerken zu lassen.

„Das ist wirklich eine sehr gute Idee, ich werde dir helfen dabei!“, Eleana schlüpfte in ihre Gartengloggs, und schlurfte nach draußen, Mark sah ihr lächelnd nach.

Sie hatte sich ihr ergrautes Haar zusammengebunden, trug ein buntes Kopftuch, das sie vor der Sonne schützte, ihre Hände steckten in bunten Gartenhandschuhen, sie schnippelte schmunzelnd an ihren Rosen herum, entfernte die verblühten Blüten und beobachtet den jungen Mann bei der Arbeit, nach gut einer Stunde war der Rasen gemäht, sie hatte inzwischen Tee zubereitet, und das Tablett auf den langen Holztisch an der gemütlichen Hausfassade geparkt.

Mark wischte sich den Schweiß von der Stirn, und setzte sich, sie sah kichernd zu ihm, und es war ein verdammt junges Kichern, er musste auch lächeln, Eleana goss den Tee in die Tassen, setzte sich zu ihm, musterte ihn lange, „Du hast den Brief gelesen, wie fühlst du dich?“, fragte sie vorsichtig.

Er schniefte kurz. „Ich kann es dir nicht genau sagen, durcheinander, enttäuscht vielleicht, wütend, hilflos!“, erklärte Mark, und goss Milch in den Tee rührte lange darin herum.

„Und, wurden wenigsten ein paar Dinge aufgeklärt?“, wollte sie wissen.

Mark schüttelte seinen Kopf, „Nichts, kein einziges Detail!“, murrte er enttäuscht.

Eleana nahm einen Schluck aus der Tasse, und ließ ihren Blick schweifen, „Heute ist Vollmond!“

Er stöhnte und lehnte sich zurück, blinzelte in die Sonne, „Welch schöner Tag, um Mist zu bauen!“, raunzte er böse.

„Willst du es denn?“, fragte sie leise.

Mark wackelte mit dem Kopf, zupfte einen Grashalm von seinem T-Shirt, „Eventuell!“

„Du warst auf der Insel, wie geht es denn unseren Fahnenflüchtigen!“, fragte sie neugierig.

„Sie sind nach wie vor in ihrer kleinen Welt gefangen, und versuchen großes zu tun!“, schmunzelt er, und seine Stimme hatte einen drohenden Unterton angenommen.

„War klar, für Caro wäre es wohl besser, man würde sie entführen, weit weg von ihm, und seinem kläglichen Zustand, zumindest wäre sie dann sicherer!“, erklärte Eleana stilvoll.

Marks Blick lief schnell in Eleanas Gesicht, „Wie meinst du das?“

„Oh, er wird nur wieder zu seinem eigentlichen Ich finden, wenn er ein Opfer findet, der wache Teil von ihm hat ihm schon den Weg gezeigt, seine Träume werden immer klarer werden, und dann wird er das tun, was ihm seine Träume inzwischen jede Nacht zeigen…!“, erzählte die alte Frau.

Mark atmete grummelnd ein, ballte seine Hände zu Fäusten, „Und es ist nicht Em, die er für diesen Zweck…das hätte ich mir denken können, was wird aus Emma werden, wenn er das bekommen hat, was er braucht?“, fauchte er.

„Kenny liebt sie nicht, für ihn ist Liebe immer mit Genuss verbunden, das wird er bald realisieren, und den findet er nicht bei jeder x-beliebigen Frau, hattest du das nicht gewusst?“, meinte Eleana überrascht.

Mark schüttelte seinen Kopf, „So lange spiele ich noch nicht mit in dieser Truppe, und ich bin mir gar nicht sicher, ob ich überhaupt eine Rolle will in dem Theaterstück!“, bemerkte er überlegend, und es war ihm klar, dass er nur mit ihr zusammen sein wollte, koste es was es wolle.

Eleana lächelte milde, „Ich denke, dass du auf die Hauptrolle spekulierst!“

Ein weiches Grinsen huschte um seine Mundwinkel. „Allerdings bin ich im Text lernen immer so schlampig!“

Die alte Frau lachte lauthals, „Das Buch hat euch allen einen neuen Weg geebnet, ihr müsst ihn nur noch benutzen, und ihr alle werdet sehen, dass man alte Gepflogenheiten ablegen kann!“, erzählte sie leicht.

„Ist er ein Halbblut?“, fragte er sie, öffnete die Kanne, der Tee war fast alle.

Sie schüttelte ihren Kopf, „Finde es selbst heraus!“

„Tucker, er gefällt mir nicht!“, warf Mark in den Raum.

Eleana goss den restlichen Tee nach. „Es gibt die Guten und die weniger Guten!“

„Und wo gehört der Jägerverschnitt hin?“, seine Stimme wurde drängender.

„Zu keinen der beiden Kategorien, er ist das absolute Böse in Menschengestalt!“, lenkte die alte Frau wachsam.

 

Der Nachmittag verstrich und Mark verabschiedete sich von seiner inzwischen guten Freundin, fuhr nach Hause, dort wartete schon Lucien vor der Tür, sein gepflegtes Aussehen strahlte ihm monumental entgegen, er lächelte freundlich und Mark erwiderte die Geste, „Wartest du schon lange?“, fragte er nebenbei.

„Nein!“, entgegnete ihm Lucien, und folgte seinem Freund in die Wohnung, „Will hat mir die Geschichte mit dem Brief erzählt, wie fühlst du dich?“

„Durcheinander!“, Mark warf seinen Schlüssel auf den Glastisch im Wohnzimmer, ging an seine Musikanlage, drückte ein paar Knöpfe, Musik ertönte und erfüllte den ganzen Raum.

„Ich habe mich ein wenig umgehört, und es regt sich etwas, ich kann dir allerdings noch nichts genaueres sagen!“, seine Stimme klang melodisch und sanft wie immer, seine elegante Gestalt war durch den Raum gewandert und blieb am Fenster stehen, Mark trat zu ihm öffnete die Glasfront und beide traten auf die weitläufige Dachterrasse.

„Sind meine Eltern in Gefahr?“, fragte Mark in die Stille hinein.

Luciens Haar wehte flockig umher, er rieb sich den drei Tages Bart, „Das ist eben die Frage, nach dem es plötzlich so still geworden war, alle wiegten sich in Sicherheit, auch Tamira!“

 

Marks Finger bewegten sich zum Takt der Musik, „heute ist Vollmond, ich fühle mich nicht allzu gut, und du weißt das, was wenn ich einfach hingehe und allem ein Ende mache?“, brummelte er vor sich hin.

„Wem willst du denn bitte ein Ende machen, wenn wir die Erschütterung noch nicht mal spüren, Mark!“, erkannte Lucien ruhig.

„Ich war auf der Insel, und ich könnte dem ganzen dort ein Ende machen!“, rief er grollend.

Lucien hielt dem Atem an, „Du weißt, wo Kenny sich befindet?“, prustete er.

„Ja, und noch könnte ich alles zu unseren Gunsten verändern, kein Kenny, kein Ärger!“

„Mark, wir brauchen Kenny als Hexenmeister, wie geht es ihm?“

Aus Marks Kehle trat ein tiefes Knurren an die Oberfläche, Lucien sah verkniffen zu ihm. „Ich würde dir raten momentan keinen Mist zu bauen!“, wisperte Luc drohend.

Marks eisblaue Augen färbten sich bernsteingelb. „Ich soll zulassen, dass er Caro erneut zu seinem Opfer macht, nicht in diesem Leben!“, rief er wütend, und sein Blut rauschte heiß durch seinen Körper, seine Muskeln spannten sich, dann schlug er mit der Faust auf die Brüstung, Lucien ergriff Marks Unterarm und drückte ihn auf den kalten Marmor, „Beruhige dich!“, drängte er.

„Ich will mich nicht beruhigen!“, schrie Mark, und riss sich los, trat einen Schritt zurück, funkelte Lucien grimmig entgegen.

Lucien lachte laut, „Dir sind wohl Josephines Seren zu Kopf gestiegen, die Zeit wird für uns laufen glaub mir!“

„Ok, ich bin ganz ruhig, denke ich, Versuchs zumindest zu sein!“, keuchte Mark, atmete ein paar Mal tief durch.

 

Der späte Nachmittag ließ die Sonnenstrahlen länger werden, und Caro war ganz und gar nicht zufrieden mit dem plötzlichen Ableben ihres Mörders, sie hatte Tuck verlassen und sich unter die Touristen gemischt, die an der Promenade entlangwanderten, und sich irgendwann zerstreuten.

Immer wieder versuchten tausend blöde Gedanken sie durcheinander zu bringen, bedächtig stieg sie eine kleine Treppe zwischen zwei Häusern hinauf, von unten sah es fast so aus als wäre sie ein Stockwerk höher gegangen, von dort konnte man sehr gut auf die Bucht hinaussehen, Cullen war dort draußen, fischen, sie ging weiter und dann konnte sie eine Frau mit einem orangen Rucksack sehen, aber sicher gab es Millionen Rucksäcke die so aussahen, dennoch, auf dieser Insel vielleicht nicht, also folgte sie der Frau, die den kleinen Weg entlang schlenderte, und dann wieder abbog, ihr Weg führte an ein Haus, an dessen Tür sie wenig später klopfte, Caro blieb hinter einer Ecke im verborgenen stehen, die Frau verschwand im Haus, prustend wartete sie eine kleine Weile, dann schlich sie zu dem Haus, spionierte mit wild klopfendem Herzen durch die Fenster, entdeckte Ira und einen ihr unbekannten Mann, sie zog etwas aus dem Rucksack, der Mann nickte kurz und dann wechselten die beiden in einen Nebenraum.

 

„Uh, jetzt wird es aber spannend!“, flüsterte Caro sich selbst zu, von der Neugierde gepackt stapfte sie um das Haus herum, eigentlich zwischen zwei Häuser durch…

 

Mae entdeckte Kenny im hinteren Teil des Sanatoriums Garten, hier versuchte er sich gerade von seinen Schmerzen zu lösen. „Störe ich dich?“, fragte sie leise.

Mit geschlossenen Augen saß Kenny im Schneidersitz auf dem frischen Gras, Mae den Rücken zugewandt. „Ich kann mich erinnern, an verschiedene Dinge, Taten, Personen, und an mich selbst!“, flüsterte er.

Mae ließ sich neben ihn nieder, „Schön, und wie geht es deinem Körper?“

„Tut nicht das, was ich verlange, auch fällt mir nach wie vor das Denken und Sprechen sehr schwer, aber ich habe einen immer wiederkehrenden Traum, Mae, was bin ich?“, fragte er schüchtern.

Mae ergriff Kennys Hände und massierte seine Fingerglieder, „Erzähle mir von deinem Traum!“

„Das ich Blut trinke!“, flüsterte er, und sah sich elegant um, hatte Angst das er gehört wurde, Mae lächelte flüchtig, „Und empfindest du Ekel dabei?“

Schüchtern sah er zu Boden, seine blitzblauen Augen leuchteten, „Nein, Genuss, dass ist es ja!“

„Mit wem teilst du in deinen Traum deinen Genuss?“, wollte sie sachte wissen.

„Ich denke das es Caro ist, ah… ich will das nicht fühlen!“, knurrte er, und sah auf.

Sie lächelte charmant, „Ich würde meinen Träumen folgen!“, hauchte sie, und erhob sich wieder.

Er sah ihr übermannt nach, konnte das gehörte nicht wirklich glauben, war er denn ein Monster oder nur ein perverser Fetischist, oder beides, ein leises schmutziges Lachen entfleuchte seinem Mund, Kenny erhob sich geschmeidig und genoss die letzten Sonnenstrahlen, die sich über die schier endlose Weite des Gartens reckten.

 

„Schnüffeln ist gesundheitsschädlich!“, schimpfte Em, als Caro wenig später ihre Entdeckung Preis gab.

„Aber was, wenn Ira ein Spion ist, oder so was?“, redete Caro einfach weiter.

„Genau, jetzt mach mal halblang, dein Bogenschütze ist tot, und jetzt gehen dir die Mörder aus, spinnst du denn jetzt!“, polterte Em, stemmte ihre Hände in die Hüften und sah wirklich ziemlich verärgert aus.

Caro verzog das Gesicht, „Gut, gut, vielleicht spinne ich, aber vielleicht auch nicht!“

In diesen köstlichen Moment krachte Ira, sie fegte in das Lokal grüßte mit einem Lächeln, und verschwand sogleich in der Küche, die beiden Streithähne sahen ihr lange nach, Em schüttelte ihren Kopf, sodass ihr Piratenkopftuch verrutschte, Caro musste grinsen, „Das ist echt nicht lustig, das sind wilde Anschuldigungen, die du da an den Tag legst!“, flüsterte Em, Caro zu.

„Heute Abend koche ich Pilzgulasch, und so, wer von euch beiden hübschen besorgt mir denn die netten kleinen Teile?“, rief Ira durch die Küchentür.

„Ich!“, erwiderte Em, und rauschte aus dem Lokal, Caro schnaubte wütend, Ira trat aus ihrer Küche, stellte Caro ein Tässchen mit charmant duftendem Inhalt hin, „Das bringt schlechte Laune zum Schmelzen!“, entdeckte sie.

Caro schnupperte an der Tasse, und nippte davon, „Lecker!“, entfuhr es ihr.

 

Die Sonne war bereits untergegangen, als Will gestylt aus dem Bad kam, Lucien und Mark warteten bereits auf ihn. „Für was hast du dich so in Schale geworfen?“, fragte Lucien belustigt.

„Nadines Party, schon verdrängt?“, leckte er sich lüstern die Lippen.

Lucien zog eine Augenbraue in die Höhe und grinste, „Wo?“

„Im Sept Rouge, nur geladene Gäste!“, sagte er neckisch, und wedelte mit drei Karten herum.

„Wann gedenkst du denn dort einzutrudeln?“, überlegte Mark laut.

Will schüttelte seinen Kopf, ergriff seine Armbanduhr, „Mond geht erst um zwei Uhr auf!“, brummelte er, tippte dabei auf das Glas der eleganten Breitling Uhr.

 

Immer noch emotional geladen fuhr Em zu Kinsley, um bei ihm die Pilze für Ira einzukaufen, aber irgendwie ließen sie Caros Worte auch nicht los, dann kreuzte auch noch Coop ihren Weg, „Na, Em, schon gewappnet für heute Abend, Messer gewetzt, Whisky entkorkt?“

„Wie man’s nimmt, und war der Unfall nun ein Unfall, oder nicht?“

„Das kann nur der Pathologe feststellen, ich habe die Leiche ins Yard geschickt, wird es heute noch regen geben, was glaubst du?“, fragte Coop mit seiner tiefen Stimme, schob sich seinen Hut zurecht.

„Nein, heute mal nicht, ich muss dann wieder weiter!“, winkte Em, und beendete das Gespräch.

„Ach Em, dein neuer Freund…!“, fing Coop verklemmt an, sie schwang sich auf ihr Rad, und sah ihn grimmig an, „Ja!“

„Hast du eine Ahnung, wo der herkommt oder so was?“, wollte er vorsichtig wissen.

„Nein, aber schön, dass ihr alle so besorgt seid, übrigens ich kann selbst auf mich aufpassen!“, murmelte sie, und trat fest in die Pedale.

 

„Mir ist nicht nach Party, glaub ich!“, überlegte Mark, und schenkte sich einen Whisky ein, Lucien beobachtete ihn dabei.

„Wir sind immer in deiner Nähe!“, bemerkte Will.

„Oh, ja, so wie das letzte Mal, oder?“, lachte Mark forsch.

Lucien kniff die Lippen aufeinander, sah zu Will, „Ich denke, dass Josephine ihre Arbeit gut macht!“

„Sicher!“, murrte Mark und lächelte, die Sonne war bereits verschwunden, und auch die letzten Zeichen des Tages schmolzen mit der einsetzenden Nacht, er kippte den Inhalt des Glases hinunter und wirkte plötzlich unnahbar, der Raum versickerte, Mark schloss seine Augen, und dann wurde er mitgerissen, in eine andere Zeitdimension.

 

„Du schnüffelst gerne!“, sagte Ira kalt.

„Bringt mein Job so mit sich, warum?“, überlegte Caro, und kam sich ertappt vor.

„Ah, dein Job, was arbeitest du denn?“, fragte Ira weiter.

„Scotland Yard, Forensik!”, plauderte Caro, um endlich mal die Katze aus dem Sack zu lassen.

„Ach echt!“, ihre Stimme hatte einen komischen Tonfall angenommen.

„Ja, echt, und du, warst du schon immer Köchin, hier, bei Em?“, wollte Caro neugierig wissen.

„Nein, das war eher Zufall, ich bin mal als Tourist hierhergekommen und habe mich gleich in das Dorf verliebt, und Em fiel mir vom Himmel, ihr Koch hatte gerade gekündigt!“, sprudelte Ira lächelnd, aber dieses Lächeln gefiel Caro nicht.

 

…Mark beobachtete die sich ihm dargebotene Szene mit Vorbehalt, und irgendwo drängte sich wieder das Gefühl auf, ob er der Vision trauen konnte, oder war sie wieder nur ein Schicksalsscherz, so wie das letzte Mal, als überhaupt nichts von alledem eintraf, waren das wirklich seine Gedanken, oder die des Universums...

 

„Und wie lange bist du nun schon hier?“, drängte Caro weiter.

„Ach, so genau weiß ich das gar nicht, vielleicht ein halbes Jahr!“, erklärte Ira legere, und dann kam Caros Geistesblitz.

„Sechs Monate, wau!“, Caro wurde grün um die Nase, nicht der Bogenschütze war die Gefahr, sondern Ira, man hatte sie eingeschleust, wie clever.

„Gut nicht?“, meinte Ira spöttisch, und kicherte.

„Wie kommst du mit dem Inselwetter zurecht, ich würde Depressionen bekommen, und der ständige Wind!“, plapperte Caro unbehaglich weiter.

„Nicht so schlimm, aber du und Kenny, da ist, oder war doch mehr, hm?“, spionierte Ira, das Thema war eröffnet.

„Nicht, dass ich wüsste, warum, wegen Em, oder?“, log Caro ungeschickt, und schob die Tasse über die Theke, Mark Vision bekam Objektivität, er fand sich plötzlich neben Caro stehend wieder, konnte Ira erkennen und das schemenhafte Pub durch milchige Schleier wahrnehmen, bitterer Geruch stieg in seine feine Nase und er beugte sich vor, um in Caros leckere süße Schokolade mit Schuss zu schnuppern, verzog das Gesicht, und sah wieder zu den beiden.

„Er passt nicht zu Em, Stadtmensch, Inselgewächs, ich habe so das Gefühl, das er etwas verbirgt, und das mit seiner Amnesie kann ich ihm auch nicht so ganz abkaufen, man weiß ja mit wem man es zu tun hat, wenn „Die“ aus dem Sanatorium kommen, tausend Probleme schleppen DIE mit sich herum!“, irgendwas an dem Gespräch gefiel Caro ganz und gar nicht mehr.

„Vielleicht trügt ja der Schein, oder vergönnst du Em ein wenig verliebt sein nicht!“, wollte sie wissen.

„Verliebt sein, er benutzt sie nur, hast du ihn dir eventuell schon einmal genauer angesehen!“, brummte Ira mürrisch.

„Er ist in Ordnung!“, versuchte Caro die Situation zu entschärfen, leichter Schwindel legte sich auf ihre Gedanken, was war plötzlich los....

 

…Mark, trat hinter sie, wollte sie berühren, doch seine Finger glitten durch sie hindurch...

 

„So, so…, geht’s dir nicht gut Caro?“, wisperte Ira zynisch grinsend, und schob die Tasse weiter weg.

„Irgendwie ist mir ganz elend!“, murmelte sie, und hielt sich ihren Kopf, der Boden unter ihren Füßen zerfiel in tausend Teile, und dann drang noch eine weitere Stimme an ihr Ohr. „Das hat aber ziemlich lange gedauert!“, hörte sie jemanden sagen, und dann kam die Dunkelheit.

 

…Dann war der Spuk, genauso schnell wie er gekommen war, vorbei, ein wenig orientierungslos sah Mark sich um, atmete einmal tief durch, Will und Lucien standen an der Tür zum Flur, redeten über belanglose Dinge, Mark stellte das leere Glas auf den Tisch und lenkte seine Schritte zu den beiden, „Ich muss weg!“, raunte er, doch Lucien hielt ihn zurück, „Wo willst du so spät noch hin?“

Mark legte seine Stirn in Falten, „Was geht dich, dass an!“, grollte er.

„Du wirst heute Nacht schön in unserer Nähe bleiben!“, meinte Lucien bestimmend.

„Sicher!“, lachte Mark zynisch, „Ich kann auf mich selbst aufpassen!“

„Genau, um das geht es hier, du hast dich nicht unter Kontrolle, was die letzten Male betrifft, zumindest!“, erklärte Lucien ruhig.

„Lass mich los verdammt, was wird das hier!“, rief er wütend, knurrte drohend, Will wich einen Millimeter zurück, sah zu seinem Freund, „Reiß dich zusammen verdammt!“

„Wenn du uns verrätst, wo du hinmöchtest, dann gerne!“, forderte Lucien mit gedämpfter Stimme.

Mark spürte die Hitze seiner Wut, wie sie langsam Aufstieg und versuchte seinen Körper zu übernehmen, seine Hände fingen an zu zittern, und der Griff um sein Handgelenk wurde fester, seine eisblauen Augen wirkten noch kälter als sonst schon, „Wohin?“, setzte Lucien drohend nach.

„Auf die Insel!“, rumorte er, und sah zu seinem Freund, Will schüttelte seinen Kopf, „Das ist nicht dein Ernst, oder?“

„Mein voller!“, konterte Mark erbost, Lucien hatte ihn inzwischen losgelassen, war einen guten Schritt zurückgewichen.

„Du hattest eine Vision?“, erkannte Lucien besorgt, Mark nickte schweigend.

Will verbarg schmunzelnd sein Gesicht, hob beide Hände abwehrend in die Höhe, kam dann blitzschnell auf Mark zugelaufen, schleuderte ihn an die gegenüberliegende Wand, seine Augen hatten sich giftig verfärbt, und seine Hände waren zu gefährlichen Klauen mit langen messerscharfen Krallen mutiert.

 

„Nun, kontrollier dich!“, bellte Will zähnefletschend, und auf jede Aktion folgt eine Reaktion, Mark hatte sich genauso unter Kontrolle wie ein Raubtier das Blut gewittert hatte, nämlich gar nicht, mit nur einem Wimpernschlag hatte er sich verwandelt, und fiel über Will her, schlug ihm seine Krallen in die Brust, zerfetzte ihm seine Haut, Blut sickerte aus zerklüfteten Fleischwunden, bis Lucien grob dazwischenging. „Aufhören!“.

Mark wich wie ein geschlagenes Tier zurück, und verharrte in einer Ecke, Will blieb auf dem Boden liegen, und schüttelte nur seinen Kopf, „Gute Aktion!“

Francis der den Tumult gehört hatte war schnellen Schrittes durch den Flur geeilt, verharrte vorsichtshalber in der Tür, „Master Will!?“, fragte er mit missbilligendem Unterton.

Dieser erhob sich geschwind, sein Hemd hing ihm in Fetzten über die Brust, Blut sickerte aus seinen Wunden, dann schenkte er Lucien und Mark einen kurzen aber äußerst wütenden Blick. „Danke Francis, es geht schon!“, grollte Will, und verschwand im Haus.

„Nun Wills Lektion verstanden? Es würde eine Klitzekleinigkeit reichen, zumindest heute Nacht!“, erklärte Lucien schnaubend.

„Fuck!“, krähte Mark, und stob an Lucien vorbei verließ das Haus, sprang in seinen Wagen und fuhr in die Stadt zurück.

 

 

„Wo ist den Caro abgeblieben?“, fragte Em, als sie mit den Pilzen bewaffnet in die Küche stolzierte.

„Nach Hause gefahren, war sauer!“, meinte Ira extra schnippisch, und ergriff den Korb.

„Oh, schade, na ja, auch gut!“, murmelte sie und schnaufte, „Ich fühl mich heute wie eine alte Frau!“

Ira leerte den Korb aus, und begutachtete die Pilze, „Sehr schöne Exemplare, das wird eine leckere Pilzpfanne geben!“, sagte sie, und nahm eine kleine Bürste zur Hand.

„Ja, du kommst allein zurecht, ich werde mich eine Stunde aufs Ohr legen!“, überlegte Em.

„Mach, dass, ich krieg das schon hin!“, meinte sie grinsend.

 

Will und Lucien waren Mark in die Stadt gefolgt, um ihn davon zu überzeugen mit auf Nadines Party zu gehen, amouröse Ablenkung nannte das Will, und dessen Ablenkung musste heute dringend weiblich schmecken.

 

Ben deckte den frisch eingetroffenen Leichnam ab und verzog keine Miene, „Das ist der Tote der Insel!“, bemerkte Jenkins, und ergriff das Diktiergerät, „Sind wir dann so weit?“

„Ja!“, brummte Ben, und zog sich seine Einweghandschuhe über.

Jenkins ergriff ein Skalpell und setzte es gerade dem Mann an die Brust, als die Tür zur Pathologie geöffnet wurde, „Warten Sie bitte draußen, wir sind beschäftigt!“, rief Jenk, ohne sich umzudrehen.

„Ich auch!“, meinte die Person, aus Richtung Tür, Ben und Jenk sahen gleichzeitig um. „Welch Glanz!“, grummelte Ben, „Was kann ich denn für dich tun!“

„Einen kurzen Blick werfen lassen!“, riet Mac, und wehte zu Jenk.

„Und, was sagt uns der kurze Blick, Mac?“, raunte Jenk, trat von einem Fuß auf den anderen.

„Danke!“, grinste Mac, und wollte wieder gehen, doch Ben hielt ihn zurück, „Halt Moment, du kommst doch nicht hierher, um mir einen schönen Tag zu wünschen, und dir meine Leichen anzusehen!“

„Vielleicht nicht ganz korrekt, aber nun muss ich wieder!“, rief Mac, zwinkerte, und verließ die Pathologie, Jenk sah ihm nickend nach und setzte dann wieder sein Skalpell an, „Wie kann man nur so gut aussehen!“, flüsterte er, und zog einen feinen Schnitt.

„So gut wie ich, sieht so und so niemand aus!“, krähte Ben stolz.

„Du meinst wohl so rund?“, ärgerte ihn Jenk.

 

Das Sept Rouge lag im Zwielicht der Scheinwerfer, die es beleuchteten, der alte Louisiana Stil belebte das Gemäuer, von überall her ertönte moderner Cajun, zwei Typen in Blues Brothers Style standen mit verschränkten Händen, Sonnenbrille, Hut, vor der Tür und sortierten aus.

„Na, ist denn das nicht gut!“, rief Will, und lenkte seinen Körper an die Tür, zückte die Karten, der Typ nahm sie, und nickte nur.

„Wunderbar!“, wisperte Mark abwesend, und folgte seinen Freunden, im inneren des Lokals tobte schon der Bär, mitsamt Nadine inmitten des Getümmels.

„Schön, dass ihr kommen konntet!“, schrie sie durch den Lärm, und schwebte auf Will zu, der sie umarmte und ihr rechts und links ein Küsschen auf die Wange drückte, „Danke für die Einladung!“

„War doch selbstverständlich, kennst du schon Shari und Kira, Freundinnen von mir!“, meinte sie neckisch, und begutachtete Mark und Lucien, der allerdings schon jemand ganz anderen im Auge hatte, „Ihr entschuldigt mich!“, summte er, und war weg.

 

Em wachte benommen gegen 21 Uhr abends auf ihrer Couch auf sie hatte das Gefühl als würde ihr Kopf sofort in tausend unbrauchbare Teile zerplatzen, träge schleppte sie sich in ihr Bad und begutachtete ihr Gesicht, „Tausend kleine Fältchen, wie grauenhaft!“, murmelte sie, und drehte den Wasserhahn auf, ließ kaltes Wasser in ihre Hände laufen wusch damit ihr Gesicht, danach spähte sie auf die Uhr an der Wohnzimmerwand, „Oh du große Güte, es ist schon zu spät, für was auch immer, und Ira alleine!“, rief sie schon fast hysterisch, lief über die Treppe hinunter in das brechend volle Lokal, verwirrt sah sie sich um, hinter der Theke stand Caro, die ein Bier nach dem anderen zapfte, war erleichtert als Em endlich neben ihr erschien, „Mann, bin ich froh, geht’s dir besser?“

„Ja danke, ich dachte schon, dass du nicht mehr kommst wegen heute Mittag!“, schnaufte Em, ergriff auch ein Glas, ließ es von einer Hand in die andere wandern.

 

„Schon gut, mag sein das wieder einmal meine Fantasie mit mir durchgegangen ist…!“, Caros Ausführungen stockten als Kenny die Lokation betrat, in Ems Gesicht schien die Sonne aufzugehen, nicht gut dachte Caro, er schlenderte auf die beiden zu, beugte sich zu Em über die Theke, winkte sie zu sich, und küsste sie dann zärtlich.

„Pharisäer!“, flüsterte Caro, aber ihre Worte verliefen sich im gepolter der Musik, die Truppe fiedelte sich einen Wolf, und die Gästedosis war wohl schon weit überschritten.

Caro kaute auf ihrem Kaugummi herum, und platzierte ihr Gesicht dicht neben den beiden Turteltauben. „Nimm deine Zunge aus ihrem Mund, sofort!“, drohte sie leise, so leise, dass es wirklich nur Kenny hören konnte in dem Rummel, er neigte seinen Kopf leicht, und seine Lippen rutschen von Ems, sie öffnete ihre Augen, sah mit glühenden Wangen verzückt zu ihm und wackelte mit dem Kopf, ihr nächster Griff war der zu einem leeren Glas, kichernd zapfte sie ein Bier.

„Passt was nicht?“, zischte er schalkhaft, und Caro konnte genau sehen, dass er sich wieder ein Stückchen mehr erinnert hatte.

„Sie ist zu schade für einen One-Night-Stand!“, murrte Caro, jemand tippte ihr auf den Rücken, „Was?“, fauchte sie, und wand sich um, hinter ihr war Tuck erschienen, er wedelte wild mit seinen Händen, und zeigte nach draußen, „Sofort!“, meinte er, und verschwand in der Menge, Caro wand sich erneut Kenny zu, „Und wir sind noch nicht fertig, Meister!“, drohte sie, und schwang sich hinter der Bar hervor, verließ das Lokal.

„Mit Sicherheit nicht!“, lächelte er, sah ihr nach.

 

„Was gibt’s!“, fragte sie hart, der kalte Wind ließ sie sofort frieren.

„Ich habe was für dich!“, meinte er unruhig.

„Ja, was?“, wollte Caro auf der Stelle wissen, eine Boje bimmelte gemächlich in der Ferne vor sich hin.

„Ich zeig es dir!“, forderte er sie auf, und ergriff ihre Hand.

„Keine Zeit, der Laden kocht!“, rief sie mürrisch.

„Ja und, arbeitest du bei Em, nein, also, komm, es ist wichtig!“, riet er ihr leicht nervös.

 

Marks Vision war nur reine Fiktion, noch war nicht das Geringste passiert, trotzdem ließ sie ihn nicht klar denken, er nuckelte an einem Bier herum, die Musik nervte, also musste er gehen, sofort, der Weg nach draußen war ein wenig beschwerlich, endlich in der kalten Nacht angekommen, machte er sich auf den Weg durch das Moor ins nirgendwo.

 

Tucker schleifte Caro durch die eben selbe Nacht, endlich angekommen, drückte er die Tür zu seinem Laden auf, und schob Caro hinein, sie verharrte in der Dunkelheit, „Ich kann nichts sehen!“, maulte sie.

„Ja, das wird gut sein!“, er schlich durch seinen Laden und ließ sie stehen, ging ins Hinterzimmer dort knipste er ein Lichtlein an, sie folgte dem Lichtschein und blieb am Tresen stehen, „Nun!“, forderte sie ihn auf.

Tucker kam mit einer Schachtel zurück. „Das ist heute mit der Post gekommen, und ich denke der Inhalt gehört dir!“, seine Stimme klang weit weg, als er ihr das Teil zuschob.

Caro rümpfte die Nase, tüdelte die Schnur, die darum herumgewickelt war, herunter, klappte die Schachtel auf, eine Schatulle erschien, er sah sie neugierig an, sie legte ihre Hand darauf. „Wie schön sie ist!“, flüsterte Caro, und nahm die Schatulle heraus, ein Schlüsselchen klebte an der Seite.

„Mach es auf!“, fordert Tuck sie auf, Caro schloss das Kleinod auf, und hob den Deckel an, schnaufte laut, Tuckers Augen wanderten über den Inhalt, „Wau!“, entfuhr es ihm.

 

Caros Hände zitterten, vor ihr lag eine Waffe, sanft eingebettet, ehrfurchtsvolles schweigen folgte, während sie tausend Ahnungen überfielen, mit klammen Fingern ergriff sie das Utensil, er schob ihr eine Schaumstoffunterlage hin, doch Caro drehte die Waffe, eine Gravur erschien im matten Schein der Lampe, ließ ihren Atem stocken, Tucker musterte die beiden, aber für Worte war noch kein Platz.

Die letzten Stunden mit Leon quollen wie eine Flutwelle nach oben, und erdrückten ihr Herz, sie stöhnte gequält, legte die Waffe auf die Unterlage, und ließ ihren Blick noch einmal in die Schatulle laufen, das leere Magazin und eine Patrone schmiegten sich ebenfalls in das Samt Bett, sie kratzte sich am Kopf und nahm alles bis auf die Patrone heraus, legte das Magazin neben die Waffe, Tuck verschwand wieder in seinem Hinterzimmer, als er zurückkam hatte er ein Kuvert dabei, „Das war auch dabei!“, flüsterte er.

„Oh!“, entfuhr es Caro, sie drehte das wunderschöne Kuvert, das Papier zeigte eine grazile Maserung und fühlte sich leicht rau an, „Öffnen oder lieber nicht!“, wisperte sie.

„Mach ihn auf!“, forderte Tuck sanft.

„Gut!“, stieß Caro hervor, und öffnete den Brief, auf dessen Vorderseite ihr Name stand, und zwar geschrieben in einer ihr bekannten Handschrift, sie vermisste diese Person die dahinter steckte, mit zitternden Fingern nahm sie das Papier heraus und faltete es auf, eine leichte schwungvolle Schrift zog sich über das Blatt Papier.

 

„Ich wusste das es so kommen würde, sei nicht traurig…vielleicht holen sie mich irgendwann wieder zurück…

…ich sehne mich schon jetzt nach dir, deinem Duft...deinem Blut, in dessen Genuss ich leider nicht kommen durfte, kleiner Scherz am Rande…

…ich habe dir meine Waffe geschickt, und eine Patrone gefüllt mit violettem Silbernitrat, du wirst nur eine Kugel brauchen…!“

 

 

„Leon“

 

 

Caro ließ das Papier ächzend sinken, und sah zu Tucker, dessen Gesichtsausdruck irgendwie befriedigt aussah, „Wie um Himmels Willen…ich meine…muss ich das Verstehen?“

Tucker lächelte milde, „Verstehen vielleicht nicht, aber vertrauen!“

„Und was bitte hast du damit zu tun, ich meine wieso habe ich das Gefühl, dass das kein Zufall ist?“, stöhnte sie gefallen.

„Eine Patrone, ein Schuss, wie prosaisch!“, ergänzte Tuck, und packte vorsichtshalber die Waffe wieder in die Schatulle zurück.

„Ich kann nichts damit anfangen, echt, das ist mir zu viel!“, sprudelte sie unbeholfen, Tuck war um seinen Tresen herumgegangen, und ging vor Caro in die Hocke, legte seine Hände auf ihre Oberschenkel, seine honigkaramellgelben Augen strahlten im Zwielicht der kleinen Lampe hell und freundlich, „Mach dir nicht zu viele Gedanken, wir sind alle bei dir, und das mit Em, regeln wir auch!“, flüsterte er sachte.

Caro legte das wunderschöne Papier auf den Tresen und konnte ihm nicht widerstehen, ihre Finger wuschelten durch seine kurzen Haare, die wie Igelstacheln von seinem Kopf abstanden.

„Wer bist du?“, fragte sie flüsternd, sein Blick wich ihrem gekonnt aus, „Lass uns gehen, sonst kommen sie noch auf blöde Ideen!“, lenkte er sie ab, doch Caro ließ sich nicht irritieren. „Ja und?“, schnurrte sie, und drückte ihn von sich weg, er schmunzelte, Grübchen erschienen auf seinen Wangen, langsam erhob er sich, und beugte sich zu ihr hinunter, seine Nase berührte ihre, Caro kaute wild auf ihrem Kaugummi herum, „Gut!“, meinte sie robust, und schlängelte sich unter ihm hervor, ging an die Tür, ihr Herz raste und sie schien rot zu werden, mit einer unwirklichen Bewegung zog sie die Ladentür auf, und der kalte Wind tat ihr verdammt gut.

 

Bei Em steppte der Bär, und sie federte ein wenig überfordert hinter der Bar hin und her, dann endlich betrat Caro wieder die Szene, „Wo warst du, du bist meine letzte Hoffnung, heute!“

„Ja, ja die Hoffnung stirbt zuletzt!“, überlegte Caro, und schenkte sich einen Drink ein, „Wo hast du Kenny gelassen?“

„Der sitzt bei Luc, warum, und überhaupt was war das vorhin, könntest du bitte mir zuliebe mit offenen Karten spielen?“, rief Em, ein wenig beleidigt.

„Ich habe ein ganz schlechtes Blatt, um es offen zu spielen!“, wand sich Caro, und trank einen Schluck aus dem Glas, ließ ihren Blick durch den Raum laufen, und entdeckte Kenny, wie er sich gerade mit Cooper unterhielt.

Die rustikale Uhr an der Wand zeigte nicht mal 23 Uhr, und der Laden kochte, es wurde gesungen und getrunken, und niemanden fiel auf das Ira verschwunden war.

Tucker hatte sich an die Theke gesetzt, Em ließ sich neben ihm auf einen Barhocker fallen, legte ihr Tablett auf ihre Knie und trommelte den Takt zur Musik darauf mit, „So voll könnte es gerne jeden Tag sein!“, schmachtete sie, und zwinkerte Kenny zu, der ihr ein Küsschen schenkte.

„Ist das, was festeres?“, wollte Tuck laut wissen, und sein Blick klebte an Kenny.

„Oh ja!“, hauchte sie glücklich, und wackelte mit ihrem Kopf, das Seemannskopftuch verrutschte, sie musste lachen, es war ein frohes sonniges Lachen.

Caro tippte Tucker von hinten auf die Schulter, er sah um, sie reichte ihm ein Guinness, er nahm es entgegen und nickte dankend. „Trinkst du mit mir einen Whisky Seemann?“, rief sie in das Getümmel.

„Gerne!“, rief er zurück, und erhob sich kam zu Caro, hinter die Bar.

 

Lucien hatte sich elegant durch die hormongesteuerte Masse bewegt, und war vor seiner Zielperson angekommen, „Schön dich hier zu treffen!“, flötete er, und legte ein charmantes Lächeln auf.

„Hi!“, raunte die Frau, die an der Wand lehnte und sich gerade prickelnd unterhalten hatte, ihre klaren blauen Augen leuchteten wie ein tiefer kristallklarer Bergsee, „Auf der Jagd?“, wollte Lucien wissen.

Sie lachte auf, und drückte sich von der Wand weg, „So könnte man das auch sehen, und du?“

„Ich hatte eine Einladung!“, meinte er, und zauberte sein charmantestes Grinsen in sein Gesicht.

„Du bist nicht allein?“, meinte sie, und kräuselte ihre Lippen.

Er schüttelte seinen hübschen Kopf, „Du auch nicht!“, hauchte er, und kam näher, „Lass uns doch den Raum wechseln!“

„Gute Idee, Nadines Party ist sehr unbefriedigend!“, keckerte die Frau und schwebte geschickt und engelsgleich an Lucien vorbei durch die Menge.

„Das kommt ganz darauf an, wie man das Wort unbefriedigend auslegt!“, überlegte er, und folgte ihr, nicht ohne noch ein Flasche Prosecco im Vorbeigehen mitzunehmen.

Sie betraten die Chill-out Zone, dieser Abschnitt war auch nicht voller oder leerer als der Rest des Lokals, und dennoch fanden sie ein stilles Örtchen, sie glitt auf eines der Riesenkissen und beobachtete ihn genau, seine Endorphine spielten verrückt, und polterten wild durch seinen Körper, die Uhr tickte.

„Warum bist du noch hier?“, fragte er vorsichtig.

Sie grinste schelmisch, „Ach warum nicht, es hat mir hier ganz gut gefallen!“

„Wie soll das Funktionieren, Kenny ist wieder aufgewacht, das Buch ist endlich aus unserem Leben verschwunden und alles hat sich gedreht, das ist gegen jedes Gesetzt der Zeit!“, flüsterte er, und goss ihr Glas voll, dass sie ihm demonstrativ hinhielt.

„Ich bin eben sehr neugierig, und er ist auch sehr interessant, euer Leben ist zumindest interessanter als das in meiner Zeit!“, kicherte sie.

„Kenny ist ein Monster, hast du zufällig eine Ahnung…!“, fing Lucien böse an, doch sie unterbrach ihn energisch, „Egal, Lucien, lass es gut sein, ich will das für mich tun, um ein für alle Mal mit mir ins Reine zu kommen!“

Lucien sah sie überfahren an. „Du bist sein Fleisch und Blut, was gibt es daran zu rütteln!“, lächelte er, und spürte den Mond in sich wachsen.

„Es gibt einiges zu rütteln daran, aber lass das mal meine Sorge sein!“, meinte sie, und nippte an ihrem Getränk.

„Lina!“, flüsterte er sachte, und seine Augen wanderten langsam in ihr Gesicht.

„Lucien?“, lächelte sie wissend.

 

Es war knapp Mitternacht, und das Lokal immer noch voll, die Musiker spielten schon zum x-ten Mal das selbe Lied, und Em unterhielt sich mit Kenny , dessen Blick immer wieder zu Caro wanderte, einige Erinnerungen waren wieder da, sie waren über ihn hereingebrochen wie ein Flutwelle, radikal und heimtückisch, was noch nicht wieder funktionierte war sein Körper, und seine Sprache die sich nach wie vor wie das Gebrabbel eines dreijährigen anhörte, aber auch das war eine Frage der Zeit, und diese Zeit saß an der Theke, und trank ein Guinness nach dem anderen.

„Tuck, komm lass uns nach dem Licht sehen!“, forderte Caro ihn unsanft auf, er zuckte mit einer Augenbraue, „Licht, wo?“

„Ich zeig es dir!“, schnell kam Caro hinter der Bar hervor gesprintet, und ergriff Tucks Hand, niemand im Lokal bemerkte ihr verschwinden, sie zog ihn über den großen Vorplatz und bog dann ab, „Caro, es ist mitten in der Nacht!“, meinte er vorsichtig.

„Mich würde interessieren, ob das Licht heute auch da ist!“, rief sie, und ging weiter.

Er schüttelte seinen Kopf und folgte ihr, gemeinsam wanderten sie über den schmalen Fußweg, und siehe da auf dem Hügel blinkte es wie schon in den Nächten zuvor, er hielt in seinem Schritt inne und sah in die Richtung, „Signale!“, bemerkte er, und warf dann einen Blick auf das Meer, konnte sehen, dass auf die Signale geantwortet wurde.

„Und, glaubst du mir jetzt!“, quengelte Caro wie ein kleines Kind.

„Ja, aber was hat das zu bedeuten?“, fragte er sie.

„Wir glauben, dass sie Kenny töten wollen!“, meinte sie ernst.

Tuck schnaubte. „Wer ist er, komm erzähl schon, jetzt ist die Stunde der Wahrheit gekommen!“, forderte er ruhig, noch umgarnte ihn die Nacht, der Wind war abgeflaut und ein wenig Regen fiel vom Himmel.

 

Caro trat von einem Fuß auf den anderen, fror, wickelte sich ihre Jacke fester um den Körper. „Er ist Chefsuperintendent des Scotland Yard, und war einer Riesensauerei auf der Spur, kurz bevor er sie aufdecken konnte, hat man ihn zu Fall gebracht!“, erzählte sie in Kurzform.

„Caro, hier auf der Insel in diesem Sanatorium sind nur so Typen, die mal ein Drogen Problem hatten, und er sieht so aus, als hatte er eins!“

„Drogen, Alkohol, man hatte ihn mit einer Überdosis ins Reich der ewigen Jagdgründe schicken wollen, hat nicht funktioniert, er lag sechs Monate im Koma, jetzt ist er hier!“, erklärte Caro und der Alkohol wirkte schauderhaft.

„Und was noch?“, forderte Tuck, ergriff ihre Schultern, schüttelte sie leicht.

„Er ist ein…ein…Meister…!“, schlängelte sie sich.

„Von was… Caro…Ems Leben steht mit auf dem Spiel, und ich kann...!“, rief er wütend.

„Du liebst sie, oder!“, zitterte Caro, der Alkohol sprudelte durch ihr Blut und verwandelte einige Gedanken in missgestimmte Kreaturen.

„Ich liebe sie sehr sie ist fast so was wie eine Schwester für mich, Caro!“, meinte er schalkhaft nickend.

Caro öffnete ein paarmal den Mund und konnte nichts dazu sagen, „Du, ich…aber…er ist ein Hexenmeister!“, warf sie ihm zu, und es war klar, dass er ihr nicht glauben konnte, wie auch, wer glaubt schon an Märchen, oder diverses.

„Er hat seine Kräfte verloren?!“, quoll es aus Tucker heraus, gut dass es so dunkel war, sonst hätte man Caros entgleisten Gesichtszüge gesehen.

„Ja, hat er…!“, meinte sie fahrig.

„Lass mich raten, kein Schwert, kein Ring, nichts?!“, bemerkte Tuck gnadenlos und faszinierte Caro damit.

„Kein Opfer!“, flüsterte sie, und der Wind trug diese tragischen Worte elegant zu ihm, sie merkte wie er den Atem angehalten hatte, „Du?!“, hauchte er, und drückte sie zärtlich an seine Brust, oder sagen wir eher an seinen Parker.

„Ich will das nicht mehr, aber ohne mich wird er seine Titel nie wieder erhalten, außerdem bin ich im Besitz des blöden Ringes!“, schnaufte Caro, und plötzlich war das Licht aus.

„Du hast den Ring bei dir!“, sie nickte, „Gib ihn ihm wieder, bald!“, erklärte er locker.

„Aber wieso weißt du so gut Bescheid?“, die vielen Guinness hemmten ihr logisches Denkvermögen.

„Das Licht ist aus, ein Boot legt an!“, bemerkte er, und schälte sich aus Caros Umarmung.

Beide stolperte über den Grünstreifen hinunter an den Strand, dort konnten sie ein Boot sehen, zwei Personen stiegen aus, zwei warteten am Strand, Stimmen drangen flüchtig an ihr Ohr. „Wie lange denn noch?“, fragte eine Frau.

„Em hat sich in den Typen verliebt!“, meinte die andere Frau.

„Ja und, wenn er sich erinnert, dann sind wir geliefert, er wird unsere ganze Arbeit zerstören!“, meinte der Mann.

„Lasst mich das nur machen, wir sehen uns morgen, ach, und man ist nicht erfreut über den Tot des Bogenschützen, zu auffällig, Caro glaubt nicht an einen Unfall, war ja auch sehr laienhaft inszeniert!“

„Es gibt nur ein Problem bei der ganzen Sache, wir haben ihn nicht verunfallen lassen!“, ergänzte er das Gespräch, stumme Blicke folgten.

 

Das Boot legte wieder ab, und die beiden verschwanden in den Schmugglerhöhlen, am Strand.

„Wo führen die Höhlen hin?“, wollte Caro durchgefroren wissen.

„In das Dorf, aber ganz genau weiß ich das auch nicht, komm lass uns gehen, es ist spät, es wäre besser, wenn du bei mir bleiben würdest!“, meinte Tuck.

„Tuck, ich…, gut!“, meinte sie, und folgte Tuck, der den Weg am Strand weiterging, immer begleitet durch das Meer das leise ans Ufer klatschte, irgendwann bogen beide ab und kamen an ein paar einsame Häuser, Tucker steuerte auf eines zu, zückte einen Schlüssel sperrte auf, knipste Licht an, ein angenehmes Ambiente breitet sich aus, er zog seinen Parker aus und hängte ihn auf, hier herrschte Totenstille, nur das ticken einer alten Uhr konnte man hören, eine ganze Weile standen sie ein wenig hilflos herum, bis Tuck das Wort ergriff.

„Ich heiße eigentlich Seth!“, meinte er zögerlich, und verschwand in einem Zimmer am Ende des Flures.

Caro schlüpfte aus ihren Schuhen, und linste in sein Wohnzimmer, hatte irgendwelche Tierköpfe an der Wand erwartet, doch nichts dergleichen war zu finden, „Schöner Name!“, meinte sie wirr, Tuck war mit einem Buch unter dem Arm geklemmt zurückgekommen.

„Mich würde doch interessieren, warum du dich so gut auskennst!“, drängte sie weiter und war zu ihm getreten, er zog die Vorhänge zu, wandte sich dann wieder an sie, „Es ist schon spät!“

„Spät, wie spät muss es denn noch werden!“, rief sie aufgebracht, und legte ihren Kopf in die Hände, Tod den restlichen Gehirnzellen durch Erfrieren.

Er wanderte an ihr vorbei, knipste eine kleine Lampe an, und das große Licht aus, setzte sich auf die Couch, „Caro komm her!“, meinte er, und hob seine Hände, sie zögerte kurz, doch dann trat sie zu ihm, er ergriff ihre Hände und zog sie an sich, sie landete neben ihm auf der weichen Couch, seine Augen leuchteten, freundlich, vertraut.

 

„Ist es an der Zeit?“, kicherte Lina verführerisch, trank ihr Glas leer.

Lucien neigte seinen Kopf, „Für was?“

„Nach draußen zu gehen, die Nacht ist jung!“, sprudelte sie, und wollte sich erheben, doch seine Hand schnellte vor und zog sie zurück, „Ich verstehe nicht ganz!“

„Komm schon!“, lachte sie, und verschwand in der Menge, Luciens Gestalt erhob sich und folgte ihr durch die Masse, nach draußen, leichter Nebel war um das alte Gemäuer gezogen, einige Gäste saßen draußen vor dem Lokal in den bunt durcheinander gewürfelten Stühlen und Sesseln, hier herrschte magische Ruhe, Lina war hinter einem der großen alten Blauglockenbäume verschwunden, schwebte wie ein Geist in die Nacht, verharrte kurz.

Lucien erschien in einem unwirklichen Zwielicht, elegant und graziös, fuhr sich durch seine halblangen Haare, und entdeckte den Mond, wie er sich langsam über den Nachthimmel schob, „Ich muss gehen!“, flüsterte er zaghaft, entlockte Lina ein glockenhelles Lachen. „Ich komme mit!“

„Nein!“, knurrte er blitzschnell, schüttelte sich, „Nein, das geht nicht!“

„Und wie das geht!“, kicherte sie, und ihre Gestalt tänzelte um den Baum herum, eine Hand legte sich in sein Gesicht und er hielt seinen Atem an, „Der Mond, Lina!“, presste er hervor, ergriff ihre Hand, und wand sich ab, dann war sie verschwunden, zurück blieb ein helles Lachen, Lucien stieß die Luft aus seinen Lungen, sah sich um, die Nacht flammte auf, und tauchte in den Vollmond, seicht schüttelte er seinen Kopf, Will kam durch die Nacht gelaufen, geschmeidig und schnell, „Mark ist verschwunden!“

„Verflucht!“, fluchte Lucien und fauchte, behände knöpfte er sein Hemd auf, das so und so nur legere zugeknöpft war, ließ es von seinen Schultern gleiten und öffnete den Verschluss seines Gürtels, „Wann glaubst du ist er denn verschwunden?“, fragte er, während er sich auszog, Will schüttelte seinen Kopf, „Ich habe es nicht mitbekommen, sorry!“, flüsterte dieser.

 

 

Tucker hatte das Buch aufgeschlagen, „Hier sind ein paar alte Aufzeichnungen über die Schmugglerhöhlen, mein Großvater hat an diesem Buch mitgearbeitet, er war selbst bezeichnete sich auch als Schmuggler!“, erklärte er schmunzelnd.

„Gut, und wo führen die jetzt hin?“, überlegte Caro, und folgte mit dem Finger den Zeichnungen, überall standen Zahlen und Schlagwörter, darunter eine Auflistung jener Zahlen, und ihre Beschreibungen. „Vom südlichen Strand durch ein Labyrinth aus verschiedenen Tunnelgängen in das Inselinnere, bis hin zum Leuchtturm!“, las sie laut, sah auf, „Wau!“

„Die meisten Gänge wurden verschlossen, zu gefährlich Einsturzgefahr!“, er tippte auf einige Skizzen der Seite.

„Auch gut, und die, die nicht verschlossen wurden, wo führen die hin?“, wollte Caro neugierig wissen.

Tucker runzelte seine Stirn, „Gute Frage!“, überlegte er, und blätterte weiter, las einen Absatz über die Geschichte der Insel.

„Die Legende!“, überlegte Caro, und sah zu ihm, „Ist denn diese Frau nicht immer durch einen Tunnel unter ihrem Haus ans Meer geschlichen, um ihren Liebsten zu treffen?“

Tuck musste schmunzeln, „Das ist eine Legende, Caro, und der Wahrheitsgehalt dieser Geschichten liegt bei um die drei Prozent!“

„Du bist aber auch was von fantasielos!“, murrte sie und lehnte sich zurück, „Aber mal angenommen, wenn dem nicht so ist!“

„Mona erzählt die Geschichte seit ich weiß, und ich denke sie hat sie selbst geschrieben, aber wenn es dir so wichtig ist, dann können wir sie ja morgen gerne besuchen, und du kannst sie selbst fragen!“, sagte er leise, und klappte das Buch zu, legte es weg, fummelte an einer seiner vielen Taschen seiner Hose herum und zupfte ein Handy heraus, Caro staunte nicht schlecht, ein relativ neues Model kam zum Vorschein, auch wenn sie auf einer Insel lebten, waren sie nicht von übervorgestern.

Der Regen wurde stärker und peitschte an die Scheiben der Fenster, man konnte das Meer rauschen hören und der Wind heulte unheimlich. „Ein wenig unheimlich ist das schon hier!“, bemerkte Caro und spionierte durch den Spalt des Vorhanges, das hohe Gras neigte sich bei jedem Windstoß, und man konnte von hier aus sogar das Meer sehen, wie es sich dunkel hob und senkte, „Man gewöhnt sich daran!“, meinte er aus dem Hintergrund, ein Krachen und Poltern ließ sie erschaudern, Caro wich vom Fenster zurück, sah um, „Und dass, ist das auch normal?“, fragte sie leise.

„Nein!“, meinte er knapp, und schüttelte den Kopf, dabei hatte sich seine Mine nicht verändert, kurz darauf war er im Hausflur verschwunden, und in seine Schuhe geschlüpft, „Du bleibst, wo du bist!“, rief er rau.

„Klar!“, meinte sie hoch, und dachte gar nicht daran dort zu bleiben, wo sie war, schlich ebenfalls in den Flur.

 

Tuck war an seinen privaten Waffenschrank gegangen, öffnete ihn, und nahm ein Gewehr heraus, lud es, und verschwand durch die Hintertür, Caros Augen liefen über, vor ihr eröffnete sich das Paradies, so eine Sammlung hatte sie zuletzt nur bei Mac gesehen, „Welche von euch Schätzchen würde den gerne mit mir mitkommen?“, rieb sie sich die Hände.

Der Wind nagte an der Akustik und ließ die Geräusche, die die Nacht im Verborgenen hielt, trügerisch wirken, gespannt stapfte er um sein Haus, irgendetwas war dort draußen gewesen, aber wo war es nun hin. „Dieser verdammte Köter!“, brummelte er sauer, und lauschte.

Caro hatte sich entschieden und spähte in die zugige Nacht, Regen peitschte ihr entgegen, und sehen konnte sie auch nichts, stolpernd trat sie weiter in die grausame Wetterlage, wandte sich nach links, am Haus war Holz aufgestapelt, sie ließ ihren Blick mit gezückter Waffe schweifen, dann konnte sie Schritte hören.

 

Tuck war ein wenig weiter in die Nacht hinaus getreten, weil er dort den wildernden Hund vermutete, der schon einige Schafe von Paul auf dem Gewissen hatte, schnaubend senkte er das Gewehr, er war nur kurz unaufmerksam, diese wenigen Sekunden brachten ihn zu Fall, das Gewehr schleuderte zur Seite und landete im tiefen Gras, etwas traf ihn wie ein Hammerschlag, benommen blieb er liegen, sein Geist versuchte sich auszuklinken, und ihn in eine tiefe Bewusstlosigkeit zu treiben, durch den Wind konnte er nicht das geringste hören, und der Regen nahm ihm die Sicht, schwindelnd versuchte er sich zu erheben, doch wieder traf ihn ein Schlag, direkt in die Magengrube, Übelkeit brannte in seinen Eingeweiden.

 

Fräulein neugierig schlurfte einmal um das Haus herum, und blieb dann erschrocken stehen, konnte weiter draußen zwei Gestalten erkennen, die miteinander kämpften, „Ich glaub es nicht!“, flüsterte sie, und entsicherte ihre Waffe, lief auf Tuck zu, der sich wirklich gut schlug. „Verschwinde!“, schrie sie aus Leibeskräften, und setzte an, doch der Wind trug ihren Befehl in die falsche Richtung, ihre Schuhe saugten inzwischen den Regen auf wie ein Schwamm, nasse Füße, wie sehr sie das hasste.

 

Die Person ließ von Tuck ab, und sah um, ein dröhnendes Lachen flog knatternd an ihr Ohr, drehte sich wirbelnd herum und schlug Tucker graziös nieder, wand sich dann erneut Caro zu, sprang geschmeidig lautlos auf sie zu, und Caro drückte ab, im Magazin waren nur vier Kugeln, sie hatte nicht nachgesehen, und dann klickte es nur noch, die Gestalt war zu Boden geplatscht wie ein nasser Sack, sie hatte mehrmals getroffen, ihr Adrenalinspiegel hatte die Dosis für Caros Überschritten, und ließ ihren Körper kreiseln, ihr Atem ging stoßweise, sie senkte die Waffe, wollte sich bewegen, doch ihre Füße fühlten sich an als wären sie festgewachsen, dann erhob sich die Nacht böse lachend, wand sich nochmals um und verschwand in der Dunkelheit, „Ich weiß wo du wohnst, na warte!“, rief sie wütend, und knurrte.

Tuck hatte sich wieder gefangen und war langsam zu Caro gewankt, inzwischen waren beide durchnässt bis auf die Unterwäsche, er hielt sich die rechte Bauchseite, und trug in der linken Hand sein Gewehr, wortlos gingen sie wieder in das Haus zurück, dort stellte er sein Gewehr in den Schrank zurück, sah zu Caro, die ihm wortlos die Walter PPK reichte, das Magazin hatte sie herausgenommen, und es wieder an seinen Platz gelegt.

Tropfend schloss Tuck seinen Waffenschrank ab, und man merkte ihm sichtbar an das jede Bewegung zu schmerzen schien, langsam schlurfend ging er in seine Küche, stützte sich stöhnend auf seine Anrichte.

„Tuck!“, fing sie leise an, verharrte in der Türe, spürte wie ihr Adrenalinpegel langsam sank, zu langsam, er schloss kurz seine Augen und atmete einmal tief durch, Caro trat zu ihm, parkte ihren Körper neben seinem, Tuck drehte seinen Kopf, kleine Wassertropfen liefen an seinem Gesicht hinunter. „Danke!“, flüsterte er, und versuchte sich in einem Grinsen.

Erleichtert lächelte sie, schien wieder rot zu werden, im insgeheimen hatte sie sich schon auf eine Zurechtweisung eingestellt.

„Ich werde mal meine nassen Klamotten ausziehen, sonst überschwemme ich hier noch alles!“, keuchte er schmerzlich, und versuchte sich aufzurichten

„Ich helfe dir, vorausgesetzt das verletzt dein männliches Ego nicht!“, versuchte sie die angespannte Atmosphäre zu entspannen.

„Ich wäre dir sehr zu Dank verpflichtet!“, meinte Tuck, Caro hakte sich bei ihm ein, und führte ihn in sein sehr geräumiges Badezimmer, sie streifte ihm sein olivgrünes T-Shirt von seinem Körper, ein wohlgeformter durchtrainierter Oberkörper erschien, nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel, genau richtig, er hatte den Atem angehalten, „Konntest du es erkennen?“, fragte er sie leise.

Sie schüttelte ihren Kopf, „Es war zu schnell, und du?“

„Keine Ahnung, was das gewesen sein könnte, du hast es im Übrigen getroffen, denke ich!“, raunte er, und merkte genau, dass sie ihm etwas verschwieg.

„So?“, schnappte Caro fragend, und versuchte seinem Blick auszuweichen.

„Du hast ihm nachgerufen, dass du ihn kriegen wirst, wie steht`s mit der Wahrheit?“

„Ach, war wohl nur so eine Reaktion!“, log sie, merkte aber gleich, dass er ihr nicht glaubte, Tuck lächelte. „Du bist keine gute Lügnerin, deine Ohren werden dabei purpurrot!“

Er fingerte mit schmerverzerrtem Gesicht nach einem Handtuch, struwelte sich zischend seine Haare trocken, „Den Rest schaff ich allein!“, wisperte er.

„Gut, wie du meinst!“, knarrte sie hin und her gerissen, ergriff auch ein Handtuch wickelte ihre nassen tropfenden Haare damit ein, „Tuck, wieso habe ich nur das Gefühl, dass du sehr genau weißt, wer oder was, dort draußen über dich hergefallen ist!“

Ein schüchternes Lachen schwebte durch das Bad, „Raus jetzt, trockene Sachen findest du im ersten Stock, dritte Türe links!“

 

Sie wanderte nach oben und stand ein paar Gedanken später in seinem Schlafzimmer, dort standen einige Angeln in der Ecke, ein flacher Glaskasten in dem sich bunte Fliegen befanden hing an der Wand daneben, grinsend schlüpfte sie aus ihren nassen Klamotten und legte sie erst mal über das Treppengeländer, ging wieder in den Raum zurück, öffnete seinen Schrank, sauber geordnet, wie sollte es auch anders sein, und wie passend, lauter Farben die man so für die Jagd bevorzugt, alles dabei von Braun bis Petrol, wie spannend doch diese Farbpalette wirkte, sie ergriff ein langarmiges Shirt und zog es über, sah an sich hinunter. „Entweder bin ich zu klein oder er zu groß!“, bemerkte Caro, die Ärmel hingen nach irgendwo, und der Rest ging ihr fast bis über die Knie, „Ja und was haben wir denn da noch alles!“, sagte sie zu sich selbst, und schob seine Hosen zur Seite, ein Fernglas, Zielfernrohr für ein Gewehr, eine Taschenlampe, mehrere Schachteln Munition, „Alles, was das Herz begehrt!“

„Vielleicht nicht alles!“, meinte Tuck, und blieb in einiger Entfernung stehen.

Caro sah ertappt um, „Ich habe…nur durch Zufall!“, stotterte sie herum. „Und wie geht’s?“

Tuck atmete tief durch, ein blutender Riss zierte seine Oberlippe, „Ich denke es geht, und dir?“

„Ich bin durcheinander, irgendwie!“, stöhnte sie, und schloss seinen Schrank, kam auf ihn zu, „Nirgendwo hat man seine Ruhe!“

Die Uhr an der Wand schob ihre Zeiger immer weiter in den Morgen hinein. „Wir sollten schlafen, es ist spät geworden!“, bemerkte Tuck, und sah ihr nach, „Wo willst du hin?“

„Ach!“, murrte sie, und schlenkerte mit den zu langen Ärmeln ihres, oder besser seines Shirts, kam zurück, wackelte mit ihrem Kopf, seine honigkaramellfarbenen Augen glänzten wieder so unnatürlich wie am ersten Tag ihrer Begegnung in seinem Laden.

Tuck wanderte in sein Schlafzimmer, schlug langsam seine Decke zurück, wieder durchbohrte ihn ein stechender Schmerz, mit einem seichten grummeln ließ er sich nieder, „Du kannst es dir aussuchen, ich habe zwei Gästezimmer!“

„Zwei gleich?!“, wiederholte sie belustigt.

„Genau, ich beherberge ab und zu einige Jagdgäste!“, stöhnte er, und versuchte sich hinzulegen.

„Geht’s, oder?“, verharrte unschlüssig im Raum, war viel zu aufgedreht, um eigentlich zu schlafen, das Adrenalin hatte sich zu einer glibberigen Masse verformt, die just in diesem Augenblick zäh über ihren Körper hinwegflutete, „Was, wenn ES wieder kommt?“

„Ich werde sicher kein Auge zumachen können!“, zischte Tucker.

„Ja dann, Gute Nacht!“, rief sie ihm noch zu, und verschwand im Flur, er konnte die Tür gegenüber ins Schloss fallen hören und knipste das Licht aus, der Wind heulte nach wie vor laut um das Haus und der Regen trommelte stetig auf das Dach.

 

Caro hatte sich unter die Decke gekuschelt und lauschte dem Wetter, war darüber eingeschlafen, ein wilder konfuser Traum riss sie mit sich, und so sehr sie versuchte aufwachen, umso weniger gelang es ihr.

Starke Klauen zogen sie immer tiefer, unbändige Hitze strömte durch sie hindurch, kochende Schmerzen bohrten sich durch ihren kämpfenden Körper und ihr Blut zirkulierte pochend in ihren Schläfen, Gestalten die sich nicht zu erkennen gaben reihten sich in die Traumgeschichte, gekoppelt mit unendlicher Angst umschloss ihr Denken, Gewalt prasselte auf sie herunter wie dichter Regen, sie schrie, laut, bis ihre Kehle heiser war, und eine Stimme in ihr Bewusstsein drang, „Wach auf!“, sagte sie immer wieder, und endlich durfte sie erwachen, Schweiß brannte lodernd auf ihrer Haut, ein Gesicht hatte sich über sie gebeugt, „Was?“, hauchte sie gefangen.

„Schon gut, du hast nur geträumt!“, flüsterte Tucker, hatte sich neben sie gesetzt.

Caro legte ihre Hände auf die Augen und konnte den Schweiß fühlen, der in Perlen von ihrem Körper lief, sein Blick suchte ihren, peinlich sah sie weg, was musste er von ihr denken, Caro rutschte unter der Decke hervor, ihr Shirt war nass geschwitzt, leichte Übelkeit breitet sich aus.

„Es tut mir leid, der ganzen Umstände meinetwegen!“, flüsterte sie gefallen.

Tucker verschwand aus dem Zimmer, sie sah ihm ausatmend nach, „Peinlich!“, doch dann stand er plötzlich wieder in der Tür, nickte ihr nur wortlos zu, sie kapierte nicht gleich, doch dann hob er eine Hand, wackelte mit den Fingern, sie erhob sich und trat zu ihm, er nahm sie bei der Hand, wie ein kleines Kind, verfrachtete sie in sein Zimmer, noch immer wortlos, zog er ein T-Shirt aus seinem Schrank und hielt es ihr hin, nickte wieder nur, Caro hatte jegliches Gefühl verloren, tiefe Leere waberte in ihrem Kopf, mechanisch zog sie sich aus, hatte ihm dabei den Rücken zugekehrt, er konnte die lange breite Narbe sehen, die sich über ihre Schulter bis ans Schlüsselbein zog, wieder angezogen steckte sie ihren unruhigen Körper unter seine Bettdecke, Tuck knipste das Licht aus und lag bald neben ihr, sie drehte sich zu ihm, konnte in der Dunkelheit seine Silhouette kaum erkennen, „Was denkst du jetzt, über mich!“, fragte sie in die Nacht.

Er drehte sich zu ihr, beide sahen sich an, seine Augen leuchteten, bezaubernd, unheimlich. „Denk nicht immer über das nach, was andere über dich denken könnten!“, flüsterte er.

Erstaunt schniefte sie, und ihr Körper fühlte sich immer noch heiß an, er rückte ein Stück näher, seine Finger legten sich sachte auf ihre Haut, berührten sie, Caro nahm einen seiner Finger und küsste ihn zärtlich, Tucker hielt in seiner Bewegung inne, dann konnte sie seine Lippen spüren, die lecker schmeckten, wieder wirbelten zu viele Hormone durch ihr Blut, gezogen und getrieben ließ sie sich fallen, er nahm sie mit sich, und trug sie hinfort, in eine unartige Lust.

 

Will und Lucien hatten sich dem Mond gebeugt und waren mit ihm verschmolzen, hasteten durch die helle Nacht, suchten nach Mark, doch dieser blieb verschwunden, sie hetzten durch die Gassen der Vorstadt, dann tauchte plötzlich Lina wie aus dem Nichts auf, grazil und nicht von dieser Welt, neben ihr Nick, das Licht der Straßenlampe tauchte die Umgebung in ein düsteres Ambiente, die beiden Wölfe verharrten in einigem Abstand, „Spielen wir ein Spiel, wer als erstes etwas findet, darf es behalten!“, rief Lina glockenhell.

Lucien sah zu Will, der tief grollte und verachtend den Kopf schüttelte, „Gut, einverstanden!“, knurrte Lucien, „Hier die Regeln, keine Kinder, keine Babys!“

Nicks unwirkliche Gestalt trat einen Schritt aus dem Lichtkegel der Straßenlampe, „Wir dachten da eher an euch, und nicht an so banale Dinge!“, rief er melodisch.

„Das hört sich ja noch besser an!“, grollte Will, und machte einen Satz nach vorne.

„Das Spiel kann beginnen!“, flötete Lina, und drückte Nick einen flüchtigen Kuss auf die Wange, „Wir sehen uns!“, wisperte sie, und war verschwunden.

„Lina, vergiss nicht das du nur ein…!“, rief er ihr nach, und sah schon die beiden Wölfe auf sich zukommen.

„…Halbblut bin!“, antwortete sie schnippisch.

Die Stadt leuchtet in den irrsten Farben als sie es sich auf einen Dachvorsprung bequem gemacht hatte, und auf die Stadt hinuntersah, „So wunderbar!“, hauchte sie in die Nacht.

„Du bist!“, tippte Nick sie von hinten an, und gesellte sich zu ihr, ließ seinen Blick über die Stadt schweben, „Da unten sind sie!“, meinte Nick, leise lachend.

„Nicht ganz richtig!“, polterte eine Stimme, beide sahen überrascht um.

 

Sinnlich stöhnend bewegten sich ihrer beider Körper in dieser unsagbaren Nacht, begleitet vom Regen, der gemächlich auf das Dach trommelte, Tucker unterbrach kurz seine Begierden, den Caro hatte ihm in die verwundete Lippe gebissen, Blut lief in seinen Mund, er stöhnte, sie schmeckte das Blut und ließ von ihm ab, „Deine Lippe!“, hauchte sie schon fast entschuldigend.

„Schon gut!“, entschärfte er die Lage, und ließ sich weitertreiben, genoss jede Reaktion an ihr.

 

Nick war sofort in Angriff Stellung gegangen, „Mark!“, rief er ihm zu.

„Schönes Bild, gleich zwei auf einen Streich, und ich bin nicht Mark!“, grölte er tief und bewegte sich auf die beiden zu.

„Versuch es erst gar nicht!“, sagte Nick klar und deutlich, Lina war zu ihm getreten.

„Du spielst nicht mit!“, zwitscherte sie.

„Und wie ich mitspiele, und ich werde gewinnen, denn ich habe eine sechs gewürfelt und darf noch einmal!“, drohte Es, fletschte seine spitzen Zähne, in Lina keimte plötzlich ein winziges Fünkchen Angst auf.

„Geh!“, forderte Nick seine Gefährtin mit leuchtend bösen Augen auf.

„Nein, ich kann dich doch nicht allein lassen mit ihm!“, raunte sie unruhig.

„Wer immer du auch bist, lass es gut sein!“, rief Nick, und baute sich vor ihr auf.

Doch das Es schüttelte seinen Kopf, und fing an auf die beiden zu zulaufen, setzte zu einem Sprung an Nick wirbelte herum, doch Lina war einfach einen Wimpernschlag zu langsam, der Wolf riss sie mit sich und beide kullerten über den Dachvorsprung…

 

Tuck liebte sie hingebungsvoll, bestimmend und zärtlich, die Zeit wurde relativ, hatte keine Macht mehr über sie.

Caro wachte gegen acht Uhr morgens in seinem Bett auf, musste sich erst einmal sammeln, was war das für eine ergiebige Nacht gewesen, noch immer schwirrten ihre verrückten Hormone durch ihr ploppendes Blut, seine Bettseite war leer, war klar, es war ja auch nur ein verrückter Traum, und wie immer, nie passiert, brummend sammelte sie ihr Shirt auf und verschwand aus dem Raum, ging in das Badzimmer und duschte ausgiebig, ihre Klamotten hingen immer noch über dem Treppengeländer, und waren auch immer noch klamm, egal, nach so einer Nacht, sie schlüpfte in ihre Hose und ihr Teilchen, trabte in das Erdgeschoss, steuerte in die Küche, Kaffeeduft waberte durch die Küche, Tuck saß bereits am Küchentisch, ein Lächeln erschien in seinem Gesicht er erhob sich ein wenig schwerfällig, nahm sie in den Arm. „Einen wunderschönen guten Morgen wünsch ich dir!“, hauchte er ihr ins Ohr.

Sie schmiegte sich an ihn und seufzte. „Ich hatte schon Angst, dass ich das nur alles wieder geträumt habe!“

„Ein sehr befriedigender Traum!“, meinte er und ergriff die Kanne, goss Kaffee in eine Tasse, „was frühstückst du für gewöhnlich so?“

„Ich, ja!“, das war eine sehr gute Frage, in ihrem letzten Leben war das mit dem Essen, zu so früher Morgenstunde nie wirklich erwähnenswert gewesen.

Er sah schmunzelnd zu ihr, „Mich eventuell!“

Sie schien rot zu werden, „Gute Idee!“

 

Ira klapperte mit ihren Töpfen und Pfannen so laut herum, das Em vorsichtshalber in die Küche kam, „Bist du sauer?“, wollte sie wissen.

„Ich, nein, wieso?“, fragte Ira Ultra schlecht gelaunt.

„Na dann ist ja gut, ich dachte nur!“, fing Em lauernd an, und kniff dabei ein Auge fest zu.

„Es ist nichts!“, knurrte Ira, und zeigte ihre Zähne, Em verkrümelte sich vorsichtshalber.

„Schlechte Laune am Morgen bringt Kummer und Sorgen!“, meinte Em, und in diesem Moment betrat Cooper das Lokal.

„Hallo Em, gibt’s Kaffee?!“, rief seine tiefe brummige Stimme, hinter ihm erschien Luc, schnaufte wie ein Walross. „Für mich auch einen Liter bitte, und ist Caro zufällig bei dir?!“

„Nicht das ich wüsste!“, bemerkte Em nachdenklich, Kenny kam die Treppe zu Ems Wohnung herunter, und sah von einem zum anderen, „Ist was passiert?“

„Caro ist weg!“, keuchte Luc, und hatte sich gesetzt, wischte sich den Schweiß mit einem Tuch von der Stirn, dass er auf dem Tisch gefunden hatte, Em grinste, „Das nennt man beizeiten auch Tischtuch Luc!“

Coop setzte sich zu Luc an den Tisch, „Nun mal ganz ruhig, hier auf der Insel geht niemand verloren!“

 

Em stellte fünf Tassen auf den Tisch, danach gab sie Kenny die Milch, die er elegant zwischen dem Zucker und einigen Sweetys platzierte.

„Im Übrigen habe ich heute Morgen den Obduktionsbericht erhalten!“, fing Coop wichtig an.

„Was schreibt Ben denn!“, fragte Kenny, ohne überlegt zu haben, was er gerade von sich gegeben hatte, die Tischrunde blickte ihn wortlos an.

Er sah von einem zum anderen, „Erinnerung!“, versuchte er von sich abzulenken.

Cooper musterte ihn lange, „Wo ist denn Ira, kommt sie nicht?“

„Schlecht gelaunt, sozusagen!“, flüsterte Em, und verzog ihr Gesicht.

„Ben schreibt, dass der Mann nicht eines natürlichen Todes gestorben ist!“

„Ah ja, und was noch?“, wollte Kenny förmlich wissen.

Cooper beugte sich vor, „Ben geht von einem Mord aus, der Schlag wurde mit einem stumpfen Gegenstand ausgeführt, dann schwupp die wupp ab ins Hafenbecken!“, sagte er verschwörerisch, Luc musste lachen.

„Das ist nicht witzig!“, rief Em, und zog eine Schnute.

„Nein sicher nicht, denn es läuft sozusagen ein Mörder auf dieser Insel herum!“, brummelte Cooper.

„Mit welchem Gegenstand wurde er den erschlagen?“, fragte Kenny locker weiter, und wieder waren alle Blicke auf ihn gerichtet.

„Für jeden am Tisch, der es noch nicht weiß, mit wem er es hier zu tun hat, auch wenn’s nicht danach aussieht, darf ich vorstellen, Kenneth Baker, Chefsuperintendent des Scotland Yard!“, beendete Cooper seine Ausführungen.

Em blubberte irgendetwas, von, der Kaffee ist alle, und erhob sich wackelig, Kenny sah zu ihr, „Danke Coop!“, zischte er ihm zu.

„Oh bitte, hat leicht sein können!“, grunzte er, und Luc schürzte seine Lippe.

„Was?!“, polterte Ira, und rührte energisch in einem Topf herum, als sie Em in die Küche laufen sah.

 

Tamira saß still in ihrem wunderbaren Salon, „Was habt ihr euch dabei gedacht!“, meinte sie glasklar.

„Nicht viel!“, summte Nick kalt, seine makellose Gestalt bewegte sich keinen Millimeter.

Lina hatte ihren Kopf gesenkt, und starrte auf ihre Schuhspitzen, „Es war ja nur so was wie ein Spiel!“

„Du bist zu weit gegangen Lina, das hier ist nicht deine Zeit, auch wenn Kenny dein Vater ist, hast du nicht das Recht dazu, die Werwölfe bleiben trotzdem unsere Feinde!“, polterte Tamira.

„Nein, das stimmt nicht, sie würden auch eure Verbündeten sein, wenn ihr sie nicht immer als Feinde behandeln würdet, in meiner Zeit sind sie unsere Freunde, gute Freunde!“, rief Lina drohend.

Tamiras Gesicht versteinerte sich, „Geh!“, meinte sie leise.

Lina legte den Kopf kurz in den Nacken, und sah zu Nick, der wie versteinert neben ihr stand und keine Worte fand, schimpfend verließ sie wenig später die Villa am Stadtrand Londons.

 

Mark fand sich in den frühen Morgenstunden in seiner Wohnung wieder, sein Körper schmerzte, nervendes sturmklingeln ließ ihn wieder in die Gegenwart zurückkehren, er stürzte in den Flur, doch ein Blick in den Spiegel ließ ihn inne halten, seine Augen waren immer noch gelb, und seine Haare standen ihm wild zu Berge, überall hatte er kleine Risse, und eine tiefe Wunde an der Schulter, das Klingeln wurde zu einem polternden Klopfen, „Wenn du nicht in drei Sekunden diese Tür öffnest, dann werde ich sie eintreten!“, rief eine sehr erzürnte Stimme von der anderen Seite her.

„Oh, oh!“, murmelte Mark und öffnete, Lucien stand mit wutentbranntem Gesicht vor ihm, schob ihn in seine Wohnung, „Was denkst du dir eigentlich dabei…!“, schrie er außer sich.

„Nichts?!“, antwortete Mark unruhig, und sah sich um, der Raum hatte sich verändert, die Dimensionen waren weiter, er konnte Luciens Stimme als klirrenden Hall vernehmen, und schüttelte sich leicht.

„Was sollte das gestern auf dem Dach des Galerie Gebäudes mitten in der Stadt werden!“, schrie Luc.

„Ich war nicht dort!“, knurrte Mark seicht.

Lucien hielt in seinen Anschuldigungen inne, „Wo warst du dann?“

„Nicht dort oben zumindest, wieso, was war denn los?“

„Irgendjemand aus unserer Sippe hat gestern versucht Nick und Lina elegant zu beseitigen, es kam zu einer Auseinandersetzung und zu einem Kampf, und dieser Jemand stürzte dann vom Dach und verschwand in der Nacht, jetzt gibt es wieder Ärger!“, erzählte er, „nun gut ich will dir glauben, aber wo warst du dann, und wie siehst du aus?!“, fragte Lucien Mark, begutachtete seinen Freund sehr genau.

„Ich weiß es nicht, verdammt!“, keifte dieser wütend.

Lucien schob das Hemd seines Freundes ein wenig zurück, „Das ist eine Schusswunde!“, meinte er vorsichtig.

„Ja, ich weiß!“, knurrte Mark biestig.

 

 

„Tucker, dachte schon, dass ich heute ohne Köder fischen muss!“, krächzte Cullen, und wischte sich über sein Gesicht.

„Tut mir leid, Cullen!“, rief er, und öffnete seine Ladentür.

Kenny war Em gefolgt, „Es tut mir leid, aber ich war mir nicht sicher, aber meine Erinnerungen sind jetzt fast wieder vollständig!“, erklärte er sich.

Sie sah zu ihm, „Und an was kannst du dich jetzt sonst noch so erinnern!“, wollte sie enttäuscht wissen, und in diesem Moment konnte sie hören, wie Luc Caros Namen rief.

 

„Wir haben uns schon Sorgen gemacht, wo warst du denn die ganze Nacht über!“, rief Luc erleichtert.

„Ich war unterwegs!“, log sie, und entdeckte Kennys Ohr an der halb geöffneten Küchentür.

„Unterwegs, in so einer stürmischen Nacht, wie abenteuerlich!“, scherzte Cooper, der ihr ihre Geschichte nicht glaubte.

„Ja war echt gruselig!“, grinste Caro, und goss sich Kaffee ein, das war nun schon die dritte Tasse dieses Morgens.

„Wo bleibt Tuck, was ist denn heute los?“, kicherte Cooper, und blinzelte zu Caro die augenblicklich, rot anlief.

„Gibt es denn hier so was wie ein Stadtarchiv?“, wollte sie ablenkend wissen.

„Ja, was willst du den einsehen?“, fragte Luc und sah sie lange an.

„Alte Piratenpläne, oder historische Dinge, und wo kann ich Mona finden?“, fragte Caro schnell.

Em und Kenny kamen wieder zurück, die Stimmung hatte einen Dämpfer bekommen, wortlos setzten sich die beiden wieder.

„Wir spielen gerade Berufe raten!“, ärgerte Cooper Em, die ihn böse anfunkelte.

„Oh gut, wer ist dran?“, spöttelte Caro, und sah dabei zu Kenny dessen blitzblaue Augen sich tief in ihre Gedanken bohren wollten, „Also, wo werde ich Mona finden?“

„Wo ist Tucker geblieben?“, fragte nun auch Em in die Runde schauend.

„Sich gruseln!“, sagte Luc scherzhaft, und wie es der Teufel so will, steuerte Tuck ins Lokal, Runde vollständig, alle Blicke waren urplötzlich auf ihn gerichtet, er blieb stehen und sah in die Runde, „Ist was?“, wollte er wissen, und zog eine Augenbraue in die Höhe.

„Gruselig!“, flüsterte Coop Luc zu.

Caro rammte Luc ihren Fuß ins Schienbein, der lachend aufheulte.

Em kam sich vor wie eine Aussätzige in dieser Verschwörung, Kennys Hand schob sich auf ihre, und drückte sie, leicht, „Setz dich, Tuck!“, sagte sie tonlos.

Tucker trat an den Tisch, und nahm auf dem leeren Stuhl zwischen Em und Caro Platz, ergriff die Kanne mit dem Kaffee, und schenkte sich ein, „Plant ihr eine Verschwörung oder so was in der Art!“, fing er leicht an, denn er hatte die unangenehme Spannung zwischen ihnen bemerkt.

„Nein, die spinnen heut alle, muss am Mond liegen!“, murrte Em, und sah traurig drein.

„Ah, gut, Coop deine bestellten Sachen sind da!“, meinte Tuck ruhig, und da war er wieder der sanfte Unterton in seiner Stimme, der Caros Gedanken schmelzen ließen.

„Wie ist denn das passiert?“, fragte Em, und wedelte mit dem Finger in seinem Gesicht herum.

Luc flüsterte Coop etwas zu, der lachen musste, doch dann kam eine völlig unerwartete Antwort, „Ich wurde gestern vor meinem Haus überfallen!“, erzählte Tuck, Ems Augen wurden riesengroß, „Oh Gott, und?“

„Nichts oh Gott!“, meinte er, und tat so, als wäre nichts geschehen.

„Bist du verletzt?“, fragte Cooper.

„Ein paar blaue Flecken, nichts weiter!“, bemerkte Tucker fixierte Kenny Blick, der sich dem Duell wacker stellte.

„Und wie er aussah weißt du auch nicht, oder?“, kam ihm Kenny mit der Frage zuvor, Cooper räusperte sich missbilligend.

„Nein, bei diesem Wetter gestern schier unmöglich, außerdem war es stockdunkel!“, murrte Tuck, und rührte in seinem Kaffee herum, nahm einen Schluck, „Ich muss dann langsam wieder!“

„Was könnte er von dir gewollt haben?“, fing Luc einen weiteren Satz an, Caros Herz schlug zwei Takte schneller, sie ergriff den Löffel, der ihr wie ein Akrobat aus den Fingern sprang und klirrend auf der Zuckerbüchse landete, jeder kicherte, nur Kenny nicht, ihre Hand glitt wie eine Schlange über das Tischtuch, doch Tuck war schneller, mit einer flüchtigen Berührung streichelte er ihren Handrücken und nahm den Löffel an sich, seine Augen funkelten und Kenny hatte die Botschaft erhalten und verstanden. „Wir sehen uns Leute!“, meinte Tuck und erhob sich ächzend.

„Vielleicht solltest du doch zu Dr. West gehen!“, meinte Em einfühlsam.

„Mir geht’s gut!“, antwortete er zärtlich.

 

Ira hatte an der Türe zur Küche gelauscht, und grunzte wie ein Schweinchen, verzog das Gesicht und polterte weiter mit ihren Pfannen und Töpfen, „Bla bla bla!“

Caros Finger trommelten nervös auf dem Tischtuch, immer wieder sprang die vergangene Nacht mit Tucker durch ihre Gedanken, Gefühle wirbelten durch ihren Bauch, fühlten sich an wie wirre Schmetterlinge.

Tucker war neben sie getreten, tippte fest mit dem Finger auf den Tisch, nickte, und verließ das Lokal, während es die ersten Gäste des Tages betraten, Caros ließ ihre Augen unsichtbar über das Tischtuch wandern, und entdeckte eine Nachricht, er hatte eine Zahl auf das Tischtuch geschrieben, und daneben ein Herz gemalt, Em hatte ihren besten Freund dabei beobachtet, und sah überrascht aus, Caro wischte darüber, lehnte sich zufrieden zurück.

 

Eine neue Fuhre Gäste brach über die Insel herein, endlich hatte es aufgehört zu regnen und die Sonne stahl sich durch die Wolken, Em erhob sich und war hinter die Bar gewandert, sah ein wenig betrübt aus, nahm einen Bleistift und einen Zettel zur Hand, um einige Gedanken für den Einkauf festzuhalten, die Frühstücks Runde hatte sich aufgelöst, Kenny war zurück in das Sanatorium gegangen, er hatte eine Sitzung mit Mae, so gegen zehn.

Caro ging hinter die Theke, legte ihren Arm um Ems Taille, „Gab´s Ärger?“

„Hm, nein!“, winkte sie ab und schrieb weiter, „Ira brauchst du auch was?“, rief sie in die Küche, ohne umzusehen.

„Nein!“, bellte Ira, Em deutet nickend nach hinten. „Sie ist schlecht gelaunt!“

„Und was ist mit dir, wo ist denn heute dein Sonnenstrahlenlachen!“, fragte Caro ein wenig besorgt.

„Weg, liegt wohl am Wetter, ich muss dann, kommst du vielleicht mit?“, lauerte Em traurig.

„Wenn du mir zeigst, wo Mona wohnt?“, forderte Caro sie herzlich auf.

„Mona, du hast Nerven?!“, prustete Em, ergriff ihren Korb, wackelte aus ihrem Lokal, „Vergraul mir nicht die Gäste!“, rief sie noch schnell in die Küche.

„Ist Mona denn so anstrengend?“, wollte Caro wissen, und folgte Em.

„Engel in der Neuzeit, oder wie parke ich mein Ufo, Lichtwesen, und wo kann ich auf der Insel Trolle beobachten, sagt denn das nicht schon alles!“, erklärte Em, und lachte wieder ihr Sonnenstrahlenlachen.

„Oh, genau richtig für mich!“, überlegte Caro, und trat in ihre Pedale.

 

Diesmal war das durchkommen gar nicht so einfach, viele Gäste säumten die Uferpromenade, und behinderten unser Essen auf zwei Rädern, es war knapp elf als die zwei bei Mona angekommen waren, sie wohnte ein wenig außerhalb, Em stieg ab, und schob ihr Rad durch die beiden Steinmauern hindurch, das Gras wucherte wild auf der eingesäumten Rasenfläche, und das Haus hatte etwas von einer Öko Bude, fehlte nur noch der Rabe auf dem Dach, die Kräuterbüschel hingen schon fein aufgefädelt an der Wand, „Mona, bist du da?“, rief Em ungebremst.

Die Haustüre öffnete sich einen spaltbreit, „Was willst du Em, ich habe keine Zeit, es ist wichtiger Besuch da!“

„Caro muss dich sprechen, wegen der Legende der Insel!“, Ems Ton war trotz der wirschen Begrüßung Monas sehr freundlich.

„Nun gut, soll um 15 Uhr vorbeikommen, da habe ich Zeit!“, murrte Mona, winkte, und verschwand wieder.

 

„Seltsamer Mensch!“, dachte Caro, und beide radelten wortlos weiter.

„Wo warst du denn heute Nacht nun wirklich?“, diese Frage brannte Em schon den ganzen Vormittag unter ihren Nägeln.

„Ich war am Strand, das Licht, du weißt schon!“, meinte sie neutral.

„Caro bitte!“, drängte Em, und ihre Stimme klang unsicher.

„Bei Tucker!“, murmelte Caro kaum hörbar.

Em öffnete ihren Mund und gluckste ein oh lala, ihre gute Laune war zurückgekommen, „Und was war da so zwischen euch, ich will ja wirklich nicht neugierig sein!“

„Es war sehr nett!“, grinste Caro schelmisch.

„Was nur nett, du wirst mir doch jetzt nicht erzählen, dass ihr nur gequatscht habt!“, polterte Em laut, und klingelte einen Wanderer bei Seite, der erschrocken an den Wegrand sprang und den beiden Damen wild gestikulierend irgendetwas nachrief, das der Wind sogleich mit sich nahm.

„So kann man das auch nennen!“, genoss Caro ihre Gedanken an Tucker.

„Ich kann ihn mir so…in Aktion gar nicht vorstellen!“, neckte Em Caro, die ihr die Zunge rausstreckte, „Geht dich auch rein gar nichts an!“

 

Mae betrat Kennys Zimmer, der am Fenster stand und hinaussah, seine Gedanken waren bei Em, „Hallo Mae!“, wispert er.

„Hallo Kenny!“, rief sie gut gelaunt, er kam auf sie zu und setzte sich.

„Wie geht es deinen Erinnerungen?“, wollte sie wissen, und packte wieder eine kleine Überraschung für ihn aus, er sah ihr zu dabei, wirkte wie ein neugieriges Kind.

„Kannst du etwas damit anfangen?“, fragte sie ihn, und setzte sich zu ihm, vor ihm ausgebreitet lagen ein Dolch und ein kleines Fläschchen mit schillerndem Inhalt, er betrachtete es eine Weile, ergriff dann den Dolch, schnitt sich in den Unterarm, helles Blut sickerte heraus schnell leckte er über die Wunde schmeckte sein Blut, tausend Gedanken kamen geballt zurück, der Schnitt verschwand vor seinen Augen. „Vince hat mir meinen Titel aberkannt, weil ich Schindluder getrieben habe mit meinen Utensilien, ich kann mich erinnern!“

Mae nickte, zeigte auf das Fläschchen, „Und das?“

Kenny schien zu überlegen, nahm es an sich, öffnete es und schnupperte daran, „Leben schenken!“, hauchte er.

„Genau, um deinen Titel wieder zu erlangen, wirst du dich beweisen müssen, dies hier wird dir dabei helfen!“, erklärte Mae listig.

„Mein Schwert?“, hakte er nach.

„Kommt Zeit, kommt Schwert!“, ihre Stimme klang überlegen.

„Em hat sich in mich verliebt, wie soll ich ihr erklären, wer und was ich bin!“, seine Stimme klang deprimiert.

Em ist ein lieber Kerl, brich ihr nicht das Herz, das hat sie weiß Gott nicht verdient!“, riet Mae.

„Ich sollte es am besten sofort beenden, bevor sich unsere Gefühle verlaufen, was wenn sie sich schon verlaufen haben?“, überlegte Kenny unglücklich.

„Caro?“, fragte sie mit sonorer Stimme, er nickte nur, „Sie ist es, von der ich jede Nacht in den schillerndsten Farben träume, und dann wenn es so weit ist, und ich sie gerade liebe, dann passiert immer dasselbe, ich beiße sie, und ergötze mich an ihrem Blut, sie schreit und wehrt sich, doch ich packe nur noch fester zu, es ist wie eine perverse Befriedigung, dann schmecke ich ihr wertiges Blut es kocht in meinem Magen, und erregt mich nur noch mehr, sie wehrt sich kaum noch, stumme Schreie, Energie steigt auf, und beflügelt meinen Körper, die Schmerzen verschwinden und ich bin wieder Ich, Gedanken ordnen sich, ich kann wieder ohne Knoten in der Zunge denken, und vor allem sprechen!“, Kennys Worte fielen wie Gummitiere in einer Badewanne bei zu hohem Wellengang hin und her, seine Finger zittern, und er war aufgeregt auf und ab gegangen, Mae sah ihn nur schweigsam nach, „Befriedigt dich nur ihr Blut, oder kommst du auch?“, mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet, wie vor den Kopf gestoßen blieb er stehen, und sah sie beschämt an, „Wie darf ich das verstehen?“

„Ganz einfach, befriedigst du dabei auch deine sexuellen Gelüste, ejakulierst du auch dabei?“

Er nickte schal und kam sich ertappt vor dabei, „Es ist irgendwo ein absolut geiler Traum!“

Sie nickte nur stumm, beobachtete ihn, „Hast du Angst, dass es bei Em auch so sein könnte?“

„Irgendwo ja, ich versuche sie hinzuhalten, was immer schwerer wird, immer öfter ertappe ich mich bei dem Gedanken, dass ich sie sofort und auf der Stelle…pervers, triebhaft, ich ekle mich dann vor mir selbst, und ich kann nicht glauben das ich so war, bin!“

Mae nickte wieder, „Du bist auch nur ein Mensch, mit Gefühlen und Vorlieben, sechs Monate sind eine lange Zeit!“

 

Ems und Caros Shopping Tour war beendet, es war halb zwölf Uhr mittags, „Ich muss noch mal schnell weg, komme später nach!“, stresste Caro, und verließ die schmachtende Em.

Ihr Weg führte sie in Tuckers Laden, und zu ihrer großen Überraschung tummelten sich dort eine Unmenge von Kundschaft, sie schlängelte sich bis an die Glasvitrinen Theke durch, atmete erst einmal tief durch, er erklärte gerade einem älteren bärtigen Typ ein Zielfernrohr, der Marke edel und exakt, nickte ihr nur lächelnd zu, sie linste durch die Vitrine und sah sich die ganzen Revolver, Gaspistolen, Colts und so weiter und so fort an, ein Mann erschien neben ihr, ungefähr sechzig Jahre alt, ein wenig untersetzt, „Na Mädchen, hast dich wohl im Laden geirrt!“, meinte er überheblich.

„Sicher nicht!“, konterte Caro knapp, und begutachtete gerade eine ihre Lieblingswaffen, eine Beretta.

Er lachte hüstelnd, und schob seine Hände in die Hosentasche seiner Cordhose, „Also meine Frau hätte hier nichts zu suchen!“, provozierte er sie weiter.

„Habe ich irgendwo das Schild, Zutritt für Frauen verboten übersehen?“, fragte sich Caro laut.

Der Typ verzog das Gesicht, „Emanzipiert nennt man das wohl, es wäre besser, wenn ihr bei euren Aufgaben bleiben würdet, Weibsvolk!“

Das war zu viel des Guten, sie schluckte ihren Ärger hinunter, schüttelte nur ihren Kopf und wanderte eine Vitrine weiter, der Mann schien sie zu verfolgen, „Wenn man dir eine dieser Pistolen geben würde, dann hättest du sicher Angst dir einen Fingernagel abzubrechen, oder?“

„Sig Sauer p 226 Sport II SL 9 mm Para, Verschluss und Griffstück Stainless Steel, Laufgewicht am Griffstück befestigt, Nill-Holzgriffschalen, Flache LPA Visierung, Abzug getunt mit Triggerstop, Abzugsgewicht SA 1,6 kg DA ca. 4,5kg, speziell geformte Bedienungshebel, Gummiummantelter Magazinboden!“, erzählte Caro mit triumphierenden Augen.

Tucker hatte das Gespräch so nebenbei mitbekommen, und die Überraschung stand auch im ins Gesicht geschrieben, er verlor sogar für kurze Zeit den Faden, dann hatte er das Gefühl er müsse Caro retten, „Deine Waffe ist noch hinten!“, rief er ihr durch den Laden zu, Caro nickte verhalten, war zu ihm an die Theke gegangen, dort drückte er ihr einen Schlüsselbund in die Hand, „Sie ist im Tresor, der Schlüssel hängt am Ring!“

 

Caro ging nach hinten, und steckte den Schlüssel in das Schloss des Tresors, sperrte auf, und nahm die Schatulle behutsam heraus, öffnete das Kleinod, sank in einen Stuhl damit, lehnte sich ächzend zurück, musste an Leons letzten Stunden denken, schloss ihre Augen.

Vorne im Laden stiegen sich immer noch die Kundschaft auf die Zehen, Tucker hatte inzwischen das Zielfernrohr verkauft, ließ seinen Blick kurz durch die Menge schweifen, und verdrückte sich nach hinten, beugte sich zu Caro hinunter, und gab ihr einen Kuss auf die Lippen, den sie genussvoll erwiderte, legte ihre Hände um seine Taille, „Ich habe heute um drei einen Termin bei Mona!“, flüsterte sie ihm zu, er ging in die Knie und raunte ein „Hmm!“

Seine sinnlich geformten Lippen wanderten über ihre Wange an ihrem Hals hinab, und denselben Weg wieder zurück, „Ich habe so das Gefühl, als ob jemand auf den Zeigern der Uhr sitzt!“, wisperte er, und stöhnte wohlig.

„Tuck!“, hörte er jemanden aus dem Laden rufen, er rollte mit seinen Augen und schnaubte.

„Ich bin dann weg!“, sagte sie, und schloss die Schatulle wieder, erhob sich mit ihm.

„Ok, wir sehen uns bei Em?“, wollte er noch wissen, und stand ein wenig hilflos vor ihr, sie nickte nur, „Sei vorsichtig!“, sagte Caro bedrückt.

„Bin ich doch immer!“, haucht er, und nahm sie in den Arm, schmiegte sich an sie.

Gemeinsam verließen sie das Hinterzimmer, Tucker wurde sofort beschlagnahmt und Caro radelte wieder in den Ort, es war knapp 12.30 Uhr, Ems Lokal war gut besetzt, als sie es betrat.

 

Sie konnte Em nirgends entdecken, und ging ohne Umwege in die Küche, dort fegte immer noch Ira wie ein Orkan über ihre Töpfe und Pfannen hinweg, „Em bei dir?“, rief Caro.

Ira sah angespannt auf, „Nein!“, polterte sie, nahm den Pfefferstreuer und schwenkte ihn flott über das Essen.

„Mann o!“, jaulte Caro, und verließ die Küche wieder, an der Theke warteten bereits die Gäste, Ralf schob sich an die vorderste Front, „Caro, wir fahren heute nach Hause, tschüss!“

„Oh was, heute schon, schade!“, sie verzog traurig ihr Gesicht, Ralf lachte, „Wo ist Em ich will tschüss sagen!“, rief er ihr zu, und sah sich um.

Gute Frage dachte Caro für sich, und bemerkte das die ersten Gäste unruhig wurden, und dann kam sie aus der Toilette gewirbelt, rückte ihr Kopftuch zurecht, und lief an die Theke. „Hallo ihr beiden!“, rief sie, doch ihre Stimme versagte ein klein wenig.

„Alles klar auf dem Piratenschiff!“, wollte Caro vorsichtig wissen, und betrachtete Em.

Sie wand sich ab, und ließ sich vor Ralf nieder. „Es ist wirklich schade, dass du wieder nach Hause fährst!“

„Ich find´s auch sehr traurig, aber Papa sagt, dass er wieder mal was arbeiten muss, sonst können wir nicht mehr kommen!“, leierte Ralf, in diesem Moment betraten seine Eltern das Lokal und verabschiedeten sich, als die vier zur Tür hinaus waren, schniefte Em, und ging hinter die Theke, nahm sich ein Taschentuch und wischte sich ihre Tränen aus den Augen, Caro erschien neben ihr, legte ihr die Hand auf die Schulter. „So schlimm?“

„Ja, und du wirst auch irgendwann wieder nach Hause fahren, und dann, und dann…!“, schniefte Em heftig, Caro nahm sie in den Arm. „Em schon gut!“

„Der Fisch ist fertig!“, schrie Ira aus der Küche, Em putzte sich ihre Nase und verschwand schnellen Schrittes.

Caro blies ihre Backen fest auf, zapfte sich ein Wasser mit Kohlensäure, nahm es mit nach draußen, setzte sich auf die Bank vor dem Lokal, trank ihr Glas leer und machte sich auf den Weg in das Stadtarchiv, eine Frau saß an der Pforte, musterte sie desinteressiert, wieder ein Hindernis auf dem Weg nach oben, „Hallo!“, flötete sie, und setzte ihr süßestes Grinsen auf, dass sie hatte finden können.

 

Lucien war äußerst ungehalten über den Zwischenfall der letzten Nacht, und war zu Will ins Yard gefahren.

„Mark sagt, dass er nichts mit dem Zwischenfall zu tun hat, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich ihm glauben soll!“

Will drehte sich in seinem Stuhl, und drückte auf eine Taste der Bildschirm wurde schwarz. „Ich habe die Kameras in der Stadt mal gecheckt, könnte ja sein, dass die eine oder andere nicht richtig funktioniert!“, aus seinem Tonfall konnte man schließen, dass er das, nicht zum ersten Mal machte.

„Und?“, murrte Lucien aufgewühlt, nahm neben ihm Platz, Will tippte sich durch seine Ordner, und ein Rasterbild erschien, die Kameras die auf den Ampeln montiert waren zeigten ein wirklich sehr klares Bild, „das ist jetzt, und das hier war heute Morgen!“, erklärte Will Lucien und ergriff einen Stift, tippte an den größten Monitor, die anderen Bilder verschwanden nur noch das eine Objekt blieb, noch einmal tippte er auf das Bild, das sich vergrößerte, „Hier, das ist etwa die Zeit, zwischen zwei und halb drei, und hier sind wir!“, er zeigte auf zwei Gestalten die sich aus dem Bild bewegten, Lucien hielt den Atem an, „Falls das jemand zu Gesicht bekommt sind wir geliefert, ist dir das eigentlich bewusst?“, meinte er entsetzt, sein Blick heftete sich auf den Bildschirm, „Was glaubst du eigentlich weswegen ich hier sitze, wegen der guten Luft oder was, pass auf, jetzt kommt´s, Will tippte erneut auf den Bildschirm, ein Ausschnitt wurde vergrößert, „Da ist er!“

„Kannst du was machen, damit!“, fragte Lucien heiß.

Will wackelte mit seinem Kopf, und ließ das Bild verschwinden, der Ausschnitt blieb, er klickte über seine Symbolleiste, und überarbeitete dieses Bild immer wieder und wieder, bis es dann wirklich scharf vor ihnen erschien, Will lehnte sich in seinem Spezialsessel zurück, nahm den Stift wieder zur Hand, und ließ ihn durch seine Finger laufen, „Wer ist das?“, fragte er Lucien, der sich auch zurücklehnte. „Das ist nicht Mark, gut, wer ist es dann, und wo war unser Junge dann gestern!“, überlegte Lucien, und konnte wieder den Mond in seinen Eingeweiden spüren, „Tamira wird sich das nicht gefallen lassen, wir müssen mit ihr reden!“, erklärte Will seinem Freund.

„Ja, wenn die Sonne untergegangen ist, dann werden wir zu ihr gehen, wir müssen Mark nur für diese Nacht aus dem Verkehr ziehen!“, Lucien klang besorgt.

Will kramte etwas aus einer seiner tausend Schubladen, „Das ist noch von Josephine, falls das mit Mark nicht wie gewünscht funktioniert!“

„Was ist das?“, wollte Lucien wissen, und sah nicht gerade beglückt aus.

„Er wird schlafen, die ganze Nacht über, wie ein Baby!“, krähte Will und gab es Lucien.

 

„Was genau junge Frau wollen sie denn nun einsehen, die Geschichte, oder Historie?“, fragte die Dame, die hinter ihrem kleinen Tresen saß, hochmütig.

„Gibt es eine Karte über die Schmugglergänge der Insel?“, flüsterte Caro, sie hatte Angst, dass jeder noch zu laute Ton das Gebäude zum Einsturz bringen könnte.

„Moment!“, meinte sie spitz, verschwand in eine undefinierbare Richtung, kam aber bald mit einem riesigen Ordner zurück. „Kommen sie!“, meinte die Frau und Caro folgte ihr gehorsam in den kleinen Raum hinein.

Die Frau legte die Mappe auf einen breiten Tisch, und nahm die Karten heraus, vor ihr lagen tatsächlich Karten aus der Seemannszeit um 1600 herum. „Die Karten sind sehr alt, und wir sind wirklich sehr stolz darauf sie noch in unserer Sammlung zu haben, ein Vorfahre von Cullen besaß alle Karten, auf denen auch die Schmugglergänge zu finden sind, sehen Sie sich alles in Ruhe an, wenn ich helfen soll, dann rufen Sie mich ruhig!“

Caros Neugierde war geweckt, so viel Spannung war nicht mal mit einem Ü-Ei verbunden. „Bleiben Sie bitte!“, hauchte sie, und entlockte der Frau dabei ein Lächeln. „Gerne, ich heiße Anna!“

„Am Strand ist doch diese gut sichtbare Höhle, Sie wissen, von was ich spreche, oder?“, fing Caro an, die Frau nickte mit geröteten Wangen, kramte ein Karte aus dem Stapel und schlug sie auf, „Das hier ist der Strand, und dass die Höhle, sie führt ins Dorf, endet unter einem Haus!“, forschte Anna, und nahm ihre Brille von der Nase, „Moment!“, sie zog noch eine Karte hervor, eine Skizze des Dorfes, legte beide übereinander, „Old Man’s Ship!“

Caro sah aus, als hätte sie Gold gefunden, „Was ist Old Man’s Ship!“, drängte sie die Frau.

„Ems Lokal, der Tunnel endet dort, aber er verzweigt sich hier, sehen Sie, und wo führt der zweite Gang hin, mitten ins Nichts, aber sehen Sie ruhig selbst weiter, ich muss weiterarbeiten!“

Caro rückte weiter an den Tisch heran, und forschte durch die Tunnel und Gänge, las die Chroniken, bis ihr Gehirn brannte, viele dieser Tunnel wurden verschlossen, weil sie einsturzgefährdet waren, und bei den anderen Gängen waren Eisengitter angebracht worden.

Es war wie zu viel Prosecco, ihr Gehirn flog, und ihre Fantasie kochte sich bereits die kühnsten Ideen zusammen, gegen 14.30 Uhr nachmittags verließ sie das Archiv, radelte zu Mona.

 

„Du bist pünktlich!“, grinste Mona freundlich, und lud sie ins Haus ein, dort stapelten sich viele Bücher, an Orten, an denen man nicht unbedingt mit Büchern rechnete, Caro war beeindruckt. „Setzt dich doch!“

Gesagt getan, ein Räucherstäbchen qualmte dezent, und tauchte den Raum in eine angenehme Atmosphäre. „Was kann ich für dich tun, Handlesen, Karten legen, oder willst du deine Schutzengel kennen lernen, Aura lesen?“, fing Mona sofort an.

„Die Geschichte über die beiden Liebenden, die sich immer heimlich am Strand trafen, wie hoch ist denn der Wahrheitsgehalt der Legende!“

Mona schürzte ihre Lippen, und hob ihre Hände, „Die reine Wahrheit, wieso?“

„Der Tunnel, ist er noch offen, ist es der am Stand, den man sehen kann?“, wollte Caro wissen.

„Soll ich dir nicht lieber deinen Schutzengel vorstellen?“, versuchte Mona das Thema zu ändern.

„Den kenn ich schon, der Tunnel, Mona, es ist wirklich wichtig!“, drängte Caro weiter.

Mona ergriff Caros Hand drehte die Handfläche nach oben.

„Du hast eine komische Lebenslinie, jemand hat die Hand über deinem Leben, wie sonderbar!“, Mona sah Caro lange in die Augen, bevor sie weitersprach. „Und du hast viel Magie in dir die jemand sehr begehrt, hm, hm, …die Liebe, viele Enttäuschungen, viele Schmerzen, Tod, Trauer, dein Weg war nicht leicht, du hast deinen Mann verloren, du bist wütend darüber, eine gute Freundin ist in Gefahr, schrecklich, schrecklich!“, Mona rieb über Caros Handfläche.…„Ah, sehr schön, viele Gefühle tiefe, ehrliche, ha!“, rief sie, und Caro zuckte zusammen, „Leidenschaft, unendliche, tiefe Liebe, Freude, Kompromisse, lange Gespräche, das freut mich!“, dann kam tiefes Schweigen, Mona wanderte mit ihren Fingern über die winzigen Linien ihrer Handfläche. „Eine Prüfung steht noch bevor, du darfst nicht aufgeben, versprich es mir!“, drängte Mona, und ließ ihren Finger in Caros Handfläche kreisen. „Der Tunnel endet unter Ems Lokal!“, das war der abschließende Satz, dann drängte sie Caro zu gehen.

 

Wirbelig fuhr sie an der Strandpromenade entlang , die Sonne lud auf einen Strandspaziergang ein, sie stellte ihr Rad an den Zaun, und sprang über die Grasbüschel hinunter an den Strand, wanderte dort einige Meter entlang, kam an die Höhle, ging in die Felsenformation hinein, Kälte schwebte ihr feucht entgegen, es roch nach Algen und Meer, ein massives Eisengitter versperrte den Eingang, sie näherte sich dem Schloss, und rüttelte ein wenig an der Kette die mehrmals in die Eisengitter geschlungen waren, die Kette platschte klirrend zu Boden, Caro musste grinsen, ging weiter hinein, doch es war so stockdunkel dass sie fürs erste umkehren musste, aber das sollte kein Problem sein.

 

Man hatte lange diskutiert, und sich endlich dazu entschlossen die Filmnacht doch im Freien abzuhalten, die Arbeiter zogen gerade eine große Leinwand auf, während einige andere den kleinen Buden den letzten Schliff gaben.

 

Kennys Gespräch mit Mae hatte ihn wieder ein Stück mehr erwachen lassen, er konnte sich wieder an seine diversen Tätigkeiten erinnern, unter anderem auch in Sachen Sex, jene Triebhaften Erinnerungen ließen unangenehme Gefühle zurück, er packte den Dolch in seine Hülle zurück, und versteckte alles in einer Schublade, das Fläschchen nahm er vorsichtshalber an sich, der Tag neigte sich, es war 17.00 Uhr geworden.

 

Caro wanderte ins Lokal, dort verfrachtete man gerade Em auf die Couch, deren Körperlicher Zustand sich gerade in den roten Bereich bewegt hatte.

Ira immer noch schlecht gelaunt, war nun noch schlechter gelaunt. „Jetzt gib Ruhe ich werde dir den Laden schon schmeißen!“, brummelte Luc wild, Iras böser Blick streifte ihn.

„Ich helfe!“, zwitscherte Caro äußerst gut gelaunt, und lenkte damit alle Blicke auf sich, ihre Worte verebbten.

„Sehr gut!“, bemerkte Luc, und schob Em die sich mit Händen und Füßen dagegen wehrte die Treppe hinauf, bis Kenny das Lokal betrat, Caros Herz machte einen Satz, es war fast vollbracht, dachte sie, er sah optisch fast wieder so aus wie in seinen besten Zeiten, und er hatte seine Art Menschen zu verzaubern scheinbar wiedererlangt.

„Was ist hier los?“, fragte er mit sonorer Stimme, Caro und Luc zuckten nur ihre Schultern. „Em ist am Ende!“, polterte Ira von hinten.

„Ich mach das!“, schmunzelte er, ergriff sie und verschwand mit ihr nach oben.

„Wau, ich bin baff, dass nenne ich erfolgreich abgeschlossenen Therapieerfolg, er sieht nach den sechs Wochen hier auf der Insel äußerst erholt aus, wenn ich so an seine Anfänge denke!“, überlegte Luc, und fing an Bier zu zapfen, die erste Gäste strömten herein.

„Welchen Film dürfen wir uns den heute ansehen?“, fragte Caro scheinheilig.

„Erol Flynn, in die Seemannsbraut, und dann die ersten zwei Teile von Piraten der Karibik!“, murrte Ira, und verschwand wieder in der Küche.

„Schön!“, meinte Caro, und ergriff das Guinness, dass Luc ihr hingestellt hatte.

 

Die Sonne verschwand von der Bildfläche es wurde dunkel, alle Plätze waren besetzt, und Erol Flynn der schmucke Pirat hatte sich gerade die Lady des Barons geschnappt, Caro war ganz damit beschäftigt die Gäste mit Getränken zu versorgen, dass ihr gar nicht aufgefallen war, dass Ira verschwunden war, und Tucker, der sich, obwohl er schon vor über einer Stunde hatte, hier sein wollen auch verschwunden blieb.

Endlich waren die ersten Ströme versorgt, die Turmuhr schlug gerade 18.00 Uhr abends, sie ließ ihren Blick schweifen, legte wenig später seufzend das Tablett bei Seite und ging zu Em hinauf, klopfte, niemand antwortet, vorsichtig öffnete sie die Tür, Em lag schlafend auf der Couch, Kenny saß gegenüber, in einem Korbstuhl.

„Ich wollte nur mal nach Em sehen, kommst du mit runter, der Film ist echt gut!“, unbehaglich sah sie zu ihm.

„Sicher!“, murrte er, und erhob sich, trat zu ihr, „Wie können wir das Regeln?“

Hitze, stieg auf, Schweiß sammelte sich an den unmöglichsten Stellen, und ihr Gehirn versuchte verschiedene Möglichkeiten, sowie sofortige Flucht, durchzuspielen. „Was regeln?!“, Kenny nickte wage. „Ich brauche dein Blut, um meinen Titel wieder zu erhalten, meine Energie bist du, mein Leben auch, und meine…!“, fing er an, wurde jedoch behutsam von Caro unterbrochen. „Das mit der Liebe vergessen wir gleich wieder!“

Kennys süßes Wangengrübchen erschien als er ein zärtliches Lächeln in sein Gesicht zauberte, „… Beste Freundin!“, vollendete er seinen angefangenen Satz.

Caros Unterkiefer klappte nach unten, welch ungewöhnliche Worte aus seinem Mund.

 

Es war als würde sich die Welt plötzlich zu schnell drehen, leichter Schwindel legte sich auf Caros Geist, der Boden schwankte, ihre Schuhe versanken im Teppich, zu viel Hormone waren generell sehr schlecht für sie, oder war es auch das ungleiche Verhältnis zu ihren Blut und den komischen Plättchen Dingern von denen Josephine gesprochen hatte, Dosis eindeutig überschritten, Kenny war inzwischen zu Em gegangen, und hatte sich zu ihr hinunter gebeugt, küsste sie zärtlich auf die Wange, sie raunte wohlig, „Du bist noch hier?“

Er nickte nur, „Wie geht’s dir, besser?“, Em erhob sich, „Rundumerneuert!“

 

Schwärze zog sich energisch durch ihren Kopf, Wände zum Festhalten fehlten, sie versuchte anzuhalten, doch umsonst, Caros Beine wurden weich, und sie fiel zu Boden, Em entfuhr ein Schreckensschrei, Kenny war blitzschnell bei ihr, fühlte ihren Puls, „Kannst du ein Glas Wasser holen?“, seine Stimme klang besorgt.

„Sicher!“, rief sie nervös und sprang die Treppe zum Lokal hinunter.

„Caro?“, flüsterte Kenny ihr sanft zu, streichelte dabei ihren Hals. „Wach auf, komm!“

Als Em mit dem Glas Wasser zurückkam saß Caro bereits wieder, ihr Kopf drehte sich immer noch, Kenny stützte sie vorsichtig.

„Sie hatte recht!“, keuchte Caro, und versuchte sich zu erheben, Kenny half ihr dabei.

„Mit was hatte wer, recht?“, wollte er wissen.

Em reichte Caro das Glas mit dem Wasser, und alle drei setzten sich auf die Couch, „Ich habe anfangs immer gelacht darüber, aber Josephine hatte recht!“, erklärte sie sich, Kenny atmete einmal tief durch, Em kapierte Null.

„Hilfe, rettet mich, ich ertrinke!“, drang Lucs Stimme in den ersten Stock.

„Wir sind gleich bei dir, Moment noch!“, rief Em hinunter, und sah immer noch aus, als wären ihr alle Gummibärchen weggelaufen.

 

Alle drei waren wenige Minuten später schweigend auf der Bildfläche erschienen, Caro, noch grün um die Nase hatte sich nach draußen verzogen, setzte sich auf eine der alten Bänke vor dem Lokal und widmete sich dem Treiben auf der großen Leinwand, es war wirklich ein gelungener Abend, Kenny gesellte sich etwas später zu ihr.

„Erklärst du es mir, ich stehe ein wenig neben meinen Erinnerungen!“, forderte er sie sachte auf, Caro schluckte und überlegte, „Du siehst verändert aus, ich dachte das alles wieder funktioniert!“

„Fast alles, wenn man von den kleinen Dingen des Alltags mal absieht, es fehlen nach wie vor viele Teile in dem großen Puzzle, dass sich Erinnerung nennt!“, sagte er leise, und lehnte sich an die warme Wand des alten Hauses.

Erol Flynn fuchtelte gerade mit einem edlen Säbel über das Deck seines Schiffes, Caro sah zu ihm. „Es muss die Waage halten hat deine Mutter erklärt, als sie das Serum für Mark hergestellt hatte, zapfte sie mir immer genügend Blut ab, so dass sich das Bakterium wieder neu bilden musste, jetzt bildet es sich in Mengen, zu viel des Guten, ist auch nicht gut!“

„Oh, ich verstehe, deshalb sind alle immer hinter dir her, weil du gar köstlich schmeckest!“, zitierte Kenny hochgestochen, und beugte sich über sie wie ein Vampir, der gerade zu seinem Mal ansetzen wollte, sie quiekte lachend und hob ihren Arm schützend vor sich, „Nein bitte beiß mich nicht ich bin doch noch so jungfräulich!“, rief Caro mit hoher verstellter Stimme.

„Du kommst mir nicht davon, sei meine Göttin, du wirst es nicht bereuen!“, dichtete Kenny mit tiefer Stimme, und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, einige Gäste sahen den beiden belustigt zu.

„Oh, bitte, nein, lass ab von mir du schreckliches Geschöpf der Nacht, Hilfe!“, stöhnte Caro kichernd und legte sich ihre Hand auf die Stirn, entblößte ihren Hals.

„Ah, wie du mir munden wirst, ich kann schon spüren, wie dein Blut heiß durch meine Kehle läuft!“, krächzte er wild.

„Nein, bitte, tu mir das nicht an, ewiges Leben will ich nicht besitzen!“, flehte sie gekünstelt.

Kennys Augen glitzerten in der Abenddämmerung, sie konnte seinen Atem spüren und schnupperte sein Eau de Toilette, er knurrte kehlig und kicherte nebenbei, „Die Nacht wird dein Hüter sein, und du auf ewig mein, verbunden bis in alle Ewigkeit!“, zitierte er und die Gäste der letzten Reihe schmolzen fast dahin.

„Sehnsucht, und Endlosigkeit wird mich hinfort tragen, ein Leben mit dir will ich nicht führen!“, bald würde sie sterben müssen, drängendes Lachen hatte sich in ihrer Brust festgefressen, doch dann nahte die Erlösung.

„Hinfort du Bestie!“, schrie Luc, und kam mit einem Kranz Knoblauch aus dem Lokal gelaufen sprang zu den beiden und wedelte damit vor Kennys Nase herum, der sich nun fauchend seinen Arm vor sein Gesicht hielt, und zurückwich.

Tucker erledigte den Rest, „Hier Doktor nehmen sie das Weihwasser, und den Pflock!“, sagte er fest, und drückte Luc ein Glas Wasser in die Hand, der es an sich nahm und ein wenig auf Kenny spritzte, der erneut fauchend zurückwich, sich gelenkig erhob und Caro auf der Bank zurückließ, sie sank ohnmächtig nieder.

Luc lief mit dem Pflock bewaffnet auf die fauchende Bestie zu und stach mit grimmig versteinerter Miene zu, Kenny verschwand in der Nacht und lief um das Haus herum, und durch die Hintertür wieder in das Pub hinein, Em stand an der Tür und hatte die Stegreif Szene munter mitverfolgt.

 

Die ohnmächtige Maid ward nun von einem schmucken Edelmann gerettet worden, Doktor Luc van Helsing grinste euphorisch während er mit seinem Knoblauchzopf wild herum wedelnd.

Tucker lachte aus vollem Halse, „lass mich mal die Maid retten Luc!“, flüsterte er ihm zu, und trat an die Bank, kniete neben ihr nieder, „Oh, Geliebte bitte wach auf, du bist nun in Sicherheit vor der Bestie, ich werde dich auf mein Schloss mitnehmen, dort wirst du sicher sein!“, sagte Tuck und versuchte sich in Ernsthaftigkeit.

Caro konnte nicht mehr, öffnete ihre Augen, „Holder Edelmann, mein Retter, natürlich komme ich mit dir!“, keuchte sie prustend, Tuckers Arme schoben sich unter ihren Körper hoben sie von der Bank.

 

Kenny war hinter Em erschienen und betrachtet die Szene, seine Lippen legten sich in ihren Nacken, brachte sie zum Kichern, „Kenny!“, flüsterte sie flüchtig, er gluckste nur, und verfolgte das Geschehen weiter, Tucker hatte Caro von der Bank gehoben und war mit ihr in Richtung Lokal Eingang gegangen, Luc hintendrein, er hatte sich den Kranz Knoblauch umgehängt und sah sehr schmackhaft aus damit, Em und Kenny traten vorsichtshalber schon mal einen Schritt beiseite, und noch bevor Tucker mit seine Beute im Pub verschwunden war, küsste er sie zärtlich, Caro hatte die Arme um seinen Hals gelegt und zog ihn sanft an sich, erwiderte seinen Kuss, Kenny schmunzelte, wand sich ab.

Die letzte Reihe, die sich das Schauspiel gegeben hatte, klatschte nun Beifall, laut riefen sie ihnen zu wie großartig es gewesen war, „Geht noch mal raus!“, rief Em stolz, und winkte.

Luc schüttelte seinen Kopf. „Ich brauch jetzt ein Bier, schließlich ist das Fangen des Vampirs eine sehr trockene Angelegenheit.

„Luc, Kenny!“, schubste beide in Richtung Tür, sah sich nach Tucker und Caro um, die sich immer noch küssten, „Tuck, Caro!“, meinte Em bestürzt, doch da löste Tuck sich von ihr und stellte Caro wieder auf die Füße, gemeinsam traten sie noch einmal durch den Eingang, die Leute klatschten wieder, und mit dem Happy End der Laienspielgruppe war auch Erol Flynn am Ende angelangt, der Nachspann lief, und Stimmengewirr erhob sich, verschluckte das Klatschen der letzten Reihe.

 

„Em spazierte durch die Menge, und stieg auf die Bühne vor der Leinwand, „Wir machen jetzt zwanzig Minuten Pause, dann folgt der nächste Film, für das leibliche Wohl ist ausreichend gesorgt, wir haben das Buffet in den kleinen Buden aufgebaut, bitte bedient euch, es ist genug da!“

Die Gäste strömten in alle Richtungen davon, und Em und Luc waren damit beschäftigt Getränke zu servieren.

Caro nutzte die Gunst der Stunde und wanderte einmal durch den Pub, und entdeckte die Treppe in den Keller, öffnete die Tür dazu und kalter moderartiger Geruch schwang ihr schwer entgegen, knipste das Licht an und eine alte gammlige Glühbirne produzierte nur so viel Licht, das man nicht die Steintreppe hinunterfallen müsste.

Vorsichtig ging sie hinunter, ein wenig weiter unten war das mit dem Licht schon wesentlich schwieriger, düster und kalt war es dort in der tiefe des Gewölbes, in dem nicht mehr viel lagerte, verschimmelte Kisten standen an einer Wand, berühren verboten sonst Zerfall, dachte sie sah sich weiter um, es tropfte von der Decke und der Boden war glitschig, besagte Tür zum Tunnel war mit einem großen Vorhängeschloss versperrt, sie rüttelte daran und siehe da, klirrend schnappte das alte marode Vorhängeschloss auf, Caro zog an der Holztür und ohne zu murren schwang das Gebilde knarren zurück, vor ihr lag ein schwarzes Loch, der Geruch von alt und gammlig drängte sich auf, ohne Taschenlampe würde das nicht funktionieren, überlegte Caro, entschied sich wieder nach oben zu gehen.

 

Tucker hatte sich draußen auf die Bank vor den Pub gesetzt, beobachtete die Menge, Kenny gesellte sich zu ihm, eine kleine Weile saßen sie schweigend nebeneinander, bis Tucker das Gespräch begann. „Darf ich dich was fragen?“.

„Nur zu, nimm kein Blatt vor den Mund!“, antwortete Kenny locker, und fühlte sich irgendwie gut.

„Du und Caro, war da mal mehr als nur Freundschaft?“, tastete er sich vor.

Kenny beobachtet die Menge, nahm einen kleinen Schluck aus seinem Glas, nickte nur.

„Wie viel mehr?“, hakte Tuck nach.

„Das ist schon lange, lange, lange vorbei!“, erzählte Kenny, und sah zu seinem Banknachbarn.

„Und das mit Em, ist das, was ernstes?“, seine Stimme klang ruhig, besonnen.

„Ich wüsste nicht, was dich das angeht!“, erklärte er ihm.

„Eigentlich nichts, aber Em hat ein wenig Glück wohl verdient, du bist ein Stadtmensch, und sie ist ihr Leben lang auf dieser Insel gewesen, und auch du wirst irgendwann diesen Ort hier verlassen, um in dein altes neues Leben zurückzukehren…!“, meinte Tuck leise.

„Mein altes Leben!“, hauchte Kenny, und kniff kurz seine Augen zusammen, „Nein, das will ich nicht mehr, ich habe mir viel kaputt gemacht, jetzt muss sich einiges verändern, und ich fühle, dass es gut sein wird, sicher werde ich die Insel verlassen, irgendwann!“

„Liebst du Em?“, wollte Tucker wissen, und leerte sein Glas, der nächste Film begann.

Kenny zögerte mit seiner Antwort, Tuckers Augen leuchteten als er in das Gesicht seines Banknachbarn sah, „Du liebst sie nicht, richtig?!“

„Ich bin mir nicht sicher ob ich sie lieben kann!“, fing er vorsichtig an.

„Du hast Angst Em zu lieben, warum?“, wollte Tucker wissen, und schälte sich aus seiner Jacke.

Kenny schnaubte. „Ich führe kein normales Leben so wie du oder Em, ich gehen zwar in die Arbeit, aber ich habe da noch so einen kleinen Nebenjob, und ich bin nicht, dass kränkliche kleine Menschlein, dass du hier sitzen siehst!“

Tucker verzog schmunzelnd seinen Mund, „Und du glaubst das wäre ein Hindernis!“

„Sicher, über kurz oder lang wird es eins sein!“, versuchte Kenny sich zu erklären.

„Dann wirst du mit ihr reden müssen, Kenny, denn ich glaube, sonst wird es zu spät sein!“, meinte Tucker verschränkte seine Arme vor seiner Brust.

„Und du, Caro wird die Insel auch wieder verlassen, ihr Lebenskreis wartet auch schon auf sie!“, murmelte Kenny, sich erinnern, kann ganz schön schmerzhaft sein.

„Mark!“, sagte Tucker, und lehnte seinen Kopf an die Hauswand, schloss kurz seine Augen.

Kenny entfuhr ein Glucksen. „Oh, ich glaube sie hat ihm mal das Leben gerettet, und seit der Zeit sind sie ein wenig enger verbunden, aber ganz genau erinnern kann ich mich nicht!“

„Wie eng?!“, raunte Tuck, und ließ sich das leichte Lüftchen über die Nase wehen.

„Nicht das, was du denkst, die beiden versuchen Freunde zu sein!“, lächelte Kenny.

„Sie hat außergewöhnliche Interessen!“, meinte Tucker leise, stieß leicht gegen Kennys Schulter.

„Ja, immer schon, und ein Talent sich immer in Gefahr zu bringen, viel Spaß!“, lächelte Kenny.

„Ha ha, wie witzig!“, krähte Tucker, und ergriff sein leeres Glas, „Willst du auch noch ein Bier!“, Kenny nickte und sah ihm nach, es dauerte keine drei Minuten und Tucker war wieder zurück.

„Wie weit hast du dich eigentlich schon hinausgebeugt!“, bohrte Kenny sachte.

Ein brummen drang an sein Ohr. „Weit!“

„Wau, wie hast du das geschafft!“, ärgerte Kenny Tucker lächelnd.

Tucker verstand nicht, und sah ein wenig verdutzt aus der Wäsche, „Wie meinst du das?“

„Caro und Männer, oder Caro und Sex, das ist ein eigenes äußerst umfangreiches Kapitel, seit Vince tot ist hat sie sich weitgehendst losgesagt vom männlichen Geschlecht!“, erzählte Kenny.

Tucker runzelte seine Stirn, „Vince?“

„Vince, war Caros Freund, er starb vor zwei Jahren!“, Kennys Ausführungen hielten sich in Grenzen.

„Verstehe, na dann hatte ich wohl Glück im Unglück, oder vielleicht lag es auch an der Situation…!“, überlegte Tucker nervös.

„Ich hoffe für dich, dass es an dir lag!“, bemerkte Kenny, und sah wieder auf die Leinwand.

„One-Night-Stand, eins kam zum anderen, glaubst du, dass es nur ein Verlangen war, dem sie erlegen war?“, fragte Tucker unsicher.

Caro hatte durch Zufall den Anfang des Männergesprächs erhascht und ihr Herz raste, wie konnte sie nur an etwas anderes glauben, Tucker war groß gutaussehend, und mit diesen Sixpack Bauch konnte er wirklich jede haben, er hatte wunderbare Augen, eine sehr angenehme Stimme, und wohnte hier auf der Insel, und sie würde wieder abfahren, war klar. „Ich Idiot!“, schimpfte sie vor sich hin, und wanderte wieder zu Em an die Bar. „Hast du eine Taschenlampe?“

„Ja hier!“, meinte sie, und gab Caro eine große alte Taschenlampe. „Für was brauchst du…?“, wollte Em wissen wurde aber von einem Gast unterbrochen, konnte nur noch Caro roten Haarschopf in der Menge verschwinden sehen.

 

„Was glaubst du, meint sie das hier ernst?“, überlegte Tucker leise.

„Und du, meinst du es ernst?“, fragte Kenny schalkhaft.

„Für Kindergartenspiele bin ich zu alt!“, murrte Tucker gekränkt.

„Oh, sicher mit Mitte zwanzig, klar, in deinem Fall wäre es besser, mit ihr darüber zu reden!“

„Ende zwanzig!“, verbesserte Tucker Kenny.

„Gut, Ende zwanzig, es ist egal wie alt du bist, wenn du nur ehrlich zu ihr bist!“

 

Bewaffnet mit der Taschenlampe stapfte Caro wieder in den Keller hinunter und startete ihr personifiziertes Abenteuer, mit dezenter Wut im Bauch riss sie die Tür auf, Wasser tropfte von oben herab, vorsichtig schlitterte sie in den Tunnel, schauerartiges Frösteln durchwanderte ihren Körper, und sie konnte sehen das an den Wänden Fackeln angebracht waren, die allerdings schon lange ausgedient hatten, die Halterungen strotzten vor Rost und Spinnenweben, Caro musste kichern. „Wie in einem alten Geheimgang!“, entdeckte sie.

 

„Wo ist Caro überhaupt abgeblieben?“, ahnte Kenny vorsichtig, hatte da so ein Gefühl.

„Ich weiß es nicht!“, meinte Tuck, und sah sich um, Em kam mit einem Tablett voller Getränke aus ihrem Pub, ein Auge war unter dem Kopftuch verschwunden, „Hilfe, schnell!“, rief sie hektisch, und balancierte das volle Tablett schwankend durch die Gegend, Kenny war aufgesprungen und so schnell konnte Tucker gar nicht reagieren, war das Tablett gerettet, „Wau das war aber extra schnell!“, bemerkte er, und sah Kenny forschend an, der ein wenig verlegen bei Seite sah.

Em lächelte wieder ihr Sonnenscheinlächeln, und schob ihr Kopftuch nach hinten, blinzelte kurz, „Danke, du Schurke!“, brummte sie dunkel, Kenny nickte grinsend. „Wo hast du Caro versteckt?“

Em schürzte ihre Lippen, nahm Kenny das Tablett aus der Hand, und sah zu Tucker, der nur verneinend seinen Kopf schüttelte.

„Vorher wollte sie mal eine Taschenlampe, aber ich kam leider nicht dazu, sie zu fragen was sie damit vorhatte, seither ist sie verschwunden!“, meinte Em, und wackelte mit dem Tablett davon.

„Wohin verschwunden!“, rief Kenny ihr nach. „Ungefähre Richtung!“, sein Blick fiel in den Nachthimmel. „Bist du gestern bei dem Angriff irgendwie verletzt worden?“, sein fragender Blick richtete sich an Tucker.

Dieser schüttelte seinen Kopf, „Ich sagte doch schon, dass es nur blaue Flecken sind!“

„Und das?“, wollte Kenny wissen, tippte sich auf seine Lippe.

„Nur geplatzt, nicht beigebracht, aber auf was willst du hinaus?“, Tuckers Stimme klang genervt.

„Erklär ich dir beizeiten!“, meinte Kenny, und betrat das Lokal, gefolgt von Tucker, „Luc, hast du Caro gesehen?“

„Sie kam vorher aus dem Keller!“, rief er über die Bar hinweg.

„Die Schmugglertunnel, sie war heute im Stadtarchiv, deswegen!“, erklärte Tucker, und schlug sich gegen die Stirn.

„Dann wird sie wohl das Gesuchte gefunden haben!“, brummelte Kenny.

„Die Tunnel sind verschlossen, mit Eisengittern und schweren Schlössern!“, bemerkte Tuck brummig.

„Bist du dir sicher?“, hakte Kenny nach, und linste in den Keller, derber Modergeruch schwang ihm entgegen, nickte und stapfte vorsichtig die Treppe hinunter, Tucker folgte ihm, sie entdeckten die Holztür, die offen stand, „Das Schloss ist offen!“, sagte Tucker, und nahm es in die Hand.

„Wo führt der Tunnel hin?“, wollte Kenny wissen, und seine Stimme hörte sich besorgt an.

„An den Strand, aber ich denke das man ihn nicht zu Ende gehen kann, wegen der Flut, ein Teil wird überschwemmt sein!“, dachte Tucker, und war wieder auf dem Weg nach oben.

„Wo willst du hin?“, rief ihm Kenny nach.

„Lampe holen, ich sehe nichts!“, antwortete er.

Tucker hatte sich mit einer Lampe bewaffnet, drückte Kenny auch eine in die Hand, dieser sah ihn nur irritiert an, „Brauch keine!“, wisperte er, und kassierte einen überraschten Blick.

 

Caro kam an eine Gabelung, und blieb überlegend stehend, „Links oder rechts!“, flüsterte sie sich zu, entschied sich dann für links, wanderte weiter, es wurde feuchter und kälter, und siehe da ein hoher Raum erschien vor ihr, monumental und bizarr wölbte sich der Fels über ihr, überall konnte sie im Schein des Lichtkegels Nischen und alte Laternen stehen sehen, Holzkisten, und Seile lagen herum, ein alter Anker lehnte an einer der Felswände, wie prachtvoll doch diese Entdeckung war, trotz der Kälte.

Und dann konnte sie Stimmen hören, zwei, Caro sah sich aufgescheucht um, versteckte sich hinter einem Vorsprung.

„Du bist dir sicher, dass sie es nicht bemerkt haben, immerhin bist du ja nun schon eine gute Stunde weg!“, sagte die Männerstimme.

„Bei der Menge an Menschen, außerdem habe ich heute die Mimose gespielt, und hatte meine Ruhe!“, antwortete die Frau.

„Du unterschätzt Baker!“, murrte der Mann sauer.

„Der ist doch so und so nur noch ein Teil seiner selbst, vor dem müssen wir wirklich keine Angst haben!“, wisperte sie böse.

„Und Caro?“, wollte er wissen.

„Die tut uns auch nicht weh, und jetzt mach endlich die Kiste auf, ich will mir das Zeug anschauen!“, forderte sie ihn auf.

„Das geht dich nichts an, wir sollen es nur hier deponieren, nicht herumspionieren!“, rief er aufgebracht.

„Aber überleg doch mal, wir könnten es doch auch verscherbeln und vielleicht noch mehr Geld dafür herausschlagen!“, bemerkte sie.

„Wie denn, willst du es ins Internet stellen, oder bei Ebay versteigern!“, keuchte er sarkastisch.

„Nein, aber ich hätte da schon einen Interessenten dafür, und der zahlt das Dreifache!“, meinte sie schnippisch.

„Nein, damit will ich nichts zu tun haben, es reicht doch jetzt wirklich!“, grunzte die Männerstimme verstimmt.

„Du hättest dich eben mit Baker nicht spielen sollen, eine gute Dosis, und er wäre jetzt tot, aber nein!“, grollte sie.

„Mein Auftrag bestand darin ihn langsam zu töten, damit es nicht auffällt, es ist mir ja auch noch bis heute ein Rätsel, wie er diese enorm hohe Dosis an Drogen überlebt hat!“

„Er lebt, das reicht, ich habe das Gefühl, dass er sich wieder erinnern kann, wir sollten es nicht darauf ankommen lassen, denn dann sind nicht nur wir dran, sondern auch unsere Auftraggeber!“, ergänzte sie mürrisch.

„Ich geh mal schauen, ob sie schon kommen!“, murrte er, und schlurfte nach draußen, die Flut drückte bereits das Wasser in die Höhle.

 

Die Frau blieb zurück, und wartete bis ihr Partner außer Sichtweite war, dann zog sie einen Schlüssel aus der Tasche, und öffnete damit die kleine Kiste, dann leuchtete sie mit ihrer Taschenlampe hinein, Caro konnte nichts sehen, die Frau kicherte wie eine Hexe, nahm etwas aus der Kiste und verschloss sie wieder, schob das Etwas in ihren Rucksack und der war orange, eine kleine Weile tat sich überhaupt nichts.

 

Tucker und Kenny waren falsch abgebogen und kamen irgendwo im nirgendwo heraus, und zwar bei der Lichtzeichen Hütte. „Wir sind falsch!“, flüsterte Kenny.

„Das sehe ich auch, wir hätten links abbiegen sollen!“, meinte Tucker angestrengt.

„Genie!“, brummelte Kenny schniefend, und sah sich um. „Sie sind schon am Strand!“

Tucker schloss die Falltür, und ging voran, ihr Weg führte über die Felder, der Wind war stärker geworden, die Rispen der Gräser bogen sich tief, und er bewegte sich geschickt über den engen Weg, „Das Boot legt ab!“, sagte er, und sah um.

Kenny hielt inne und lauschte dem Wind, „Wir sind nicht allein!“, bemerkte er, und tippte Tucker an die Schulter, dieser sah sich um, der Kegel seiner Lampe tanzte über die Gräser, Kennys Hand legte sich langsam auf die Taschenlampe, „Ausmachen!“, befahl er Tuck, der die Taschenlampe schnell ausknipste. „Ich kann nichts hören!“, wisperte er.

Kennys Gestalt drehte sich einmal im Kreis, „Dort!“, meinte er dann, und zeigte auf eine ebene Stelle im Gelände.

„Und nun!“, fragte Tucker unbehaglich.

„Erzähl mir jetzt bitte nicht, dass ausgerechnet du unbewaffnet bist!“, in Kennys Stimme sank die Hoffnung, seine Finger schmerzten wieder, und ganz zu schweigen von seinen Gelenken.

„Dann muss ich dich jetzt leider enttäuschen, ich bin unbewaffnet!“, erklärte Tucker flüsternd.

„Zurück in den Tunnel, schnell!“, rief Kenny, gemeinsam liefen sie zurück, doch auch das Etwas bewegte sich knurrend in ihre Richtung, Tucker ergriff den verrosteten Metallring und zerrte daran, doch die Falltür bewegte sich keinen Millimeter, Kenny legte mit Hand an, doch auch seine Hilfe erbrachte nicht den gewünschten Erfolg.

„Die Tür hat sich verkeilt!“, schrie Tuck wütend am Ring zerrend, der, wie sollte es anders sein, mit einem kurzen plopp abriss und beide auf ihre Hinterteile beförderte.

„Verdammtes Mistvieh!“, fluchte Tuck, und Kenny hatte sich erhoben, wieder platzte eine Erinnerung in seinem Kopf, er hielt sich seine Schläfen, stöhnte, „Alles klar!“, Tucks Stimme klang plötzlich weit weg, Kenny schloss seine Augen.

„Geht, danke, aber wir sollten verschwinden!“, hetzte Kenny angespannt.

Zu spät, das Knurren kam nun aus der unmittelbaren Nähe, und ehe sie es sich versahen, lag Tucker am Boden, die Gestalt hatte ihn zu Fall gebracht, hechtete über ihn hinweg, Kenny wirbelte herum, „Steh auf!“, schrie er.

Keuchend rappelte sich Tuck auf, und konnte das Etwas schemenhaft in unmittelbarer Nähe erkennen, mit zitternden Fingern und zu viel Adrenalin im Blut, zupfte er etwas aus seiner Hosentasche.

„Fang auf!“, rief er Kenny zu, warf das Kleinod, das hell klingen durch den Wind surrte, Kenny fing es geschickt auf, öffnete seine Hand, und staunte nicht schlecht, als er realisierte das es sein Hexenmeisterring war.

 

Es blieb keine Zeit, um Fragen zu stellen, atemlos steckte er den Ring an den Finger, das Etwas hatte wieder Anlauf genommen, und in diesem Moment öffnete sich die Luke und ein Kopf erschien in der Nacht. „Hierher schnell!“, lotste die Person, die beiden Männer die ohne zu stoppen in das dunkle Loch hinuntersprangen, die Klappe schloss sich, und man konnte nur noch ein wütendes Bellen hören, Tucker sank schwer atmend an die kalte feuchte Tunnelwand, Kenny stöhnte und war zu Boden gesunken, hielt sich seine Hand, die wie Feuer brannte, es war als würde ein Strom aus glühender Lava durch seinen Körper quellen, Gedanken kamen und gingen, tausend Reizüberflutungen, Schmerz, Liebe, Hass, Wut, Hoffnung, Angst, alles auf einmal, ein sauberer Download.

„Luc, du, ich werde dich jetzt nicht fragen, was du hier treibst, danke du hast uns gerettet!“, japste Tucker.

„Was hattet ihr beiden denn hier zu suchen, die Tunnel sind gefährlich!“, brummelte Luc.

„Caro ist verschwunden!“, ergänzte Tuck.

 

Kenny konnte Tamira und die anderen in seinen Gedanken hören, und dann war es plötzlich dunkel geworden, und er fand sich am See wieder, sah sich um, das Gefühl, das er dabei verspürte, war ganz und gar nicht negativ. „Hi Kenny!“, sagte Vince, und trat neben ihn, lächelte.

„Vince, warum bin ich schon wieder hier?“, wollte er leise wissen.

„Du hast deinen Ring wieder, wie ich sehe, schön!“, sagte Vince gelassen, aber der Ton seiner Stimme klang voller Wehmut.

„Ja, aber…!“, fing er an, doch Vince unterbrach ihn.

„Geh den richtigen Weg, und tu mir den Gefallen, lass die dunklen Seiten des Buches ein für alle Mal sein, ich hoffe für dich, dass du aus den letzten Monaten gelernt hast!“, Vince verschränkte seine Hände.

„Ich bin ein Hexenmeister, nicht Bambi, manchmal werde ich die schwarze Magie brauchen!“, sagte er vorsichtig.

„Das weiß ich, und du sollst sie haben Kenny, aber nutze sie mit Verstand, gib Caro einen Kuss von mir, und sag ihr das ich sie sehr liebe!“, lächelte Vince.

„Hmm, Vince, ich glaube, es gibt da ein Problem!“, presste er zögernd hervor, räusperte sich leise, und wand sich kurz ab, „So?!“, flüsterte Vince verhalten.

„Ein Gefühl!“, legte Kenny schnell nach, „Tucker…!“

„Schon gut, pass auf dich auf, es ist noch nicht vorbei, noch werden sie immer wieder versuchen dich zu töten, deinen Titel, das Buch sowie das Schwert und den Rest der Utensilien erhältst du erst, wenn es dir gelingt Caros Blut zu trinken, ohne Gewalt, sie muss ihr Einverständnis geben, also viel Glück!“, Vince Stimme klang seltsam, Kenny atmete tief durch und nahm seinen Freund in den Arm, drückte ihn fest.

„Du fehlst mir so!“, hauchte Kenny

„Du musst gehen!“, Vinces Stimme zerbrach Stück um Stück, ebenso die Umgebung, in der er sich befand, und dann war Kenny wieder zurück im Tunnel, Kälte wanderte gierig über seinen schmerzenden Körper hinweg.

„Kommt Jungs, ein warmer Tee mit viel Rum wirkt Wunder!“, rief Luc, und knipste seinen tragbaren Scheinwerfer an, ging voran.

 

Wieder in Ems Keller angekommen, verharrten die drei kurz. „Ihr seht aus wie zwei Dreckspatzen!“, bemerkte Luc belustigt, Tucker sah an sich hinunter, schüttelte nur seinen Kopf, während Kenny unverständlich murrte.

Em und Caro saßen, wie zwei Hühner auf der Stange hinter der Bar, ihre Blicke waren auf die Kellertür geheftet, die sich nun endlich öffnete. „Und Schatz geborgen!“, rief Em, mit tief verstellter Stimme.

„Die Schiffbrüchigen brauchen einen Tee!“, Lucs Bariton klang schelmisch.

„Tee kommt sofort!“, kicherte Em, und machte sich an die Arbeit.

Währenddessen setzten sich Kenny und Tucker nebeneinander an die Bar, Caro beugte sich über die Holztheke, „Was habt ihr da unten nun wirklich gesucht!“

„Dich!“, sagte Kenny ruhig, und nagelte ihren Blick fest.

„Mich, ich, ja, danke, aber ich brauche kein Kindermädchen!“, krähte sie säuerlich.

„Die Tunnel sind gefährlich, die Eisengitter hat man nicht aus Spaß an die Ein und Ausgänge gemacht!“, prustete Tucker missgestimmt.

„Nun gut, ich muss euch was erzählen!“, flüsterte sie der Männerrunde zu, ergriff die Kanne Tee, Em packte den Rum und Luc sein Bier, gemeinsam setzten sie sich an einen kleinen Tisch, „Wo ist Ira?“, wollte sie noch vorsichtshalber wissen.

„Nach Hause gegangen!“, erklärte Em.

Caro neigte ihren Kopf ein wenig, „Du bist ein guter Blender, ich hätte dir fast geglaubt!“, warf sie Tucker vor, der überhaupt nicht wusste, was Caro meinte.

„Wie meinst du das?“, wollte er wissen.

Kenny hatte ihre Worte vernommen, klinkte sich ein. „Kann es sein das du wieder nur die Hälfte eines Satzes mitbekommen hast und jetzt deine Schlüsse daraus ziehst?“

Luc und Em sahen gespannt in die Runde, Caro lief krebsrot an, und Tucker schoss es. „Darf ich das bitte selbst regeln, was hast du gehört?“

„Du hast, was von einem One-Night-Stand erwähnt, und Lust und Situation!“, warf sie ihm vor.

„Dann hast du nur die Hälfte mitbekommen, warum hast du nichts gesagt!“, meinte Tucker ernst, und rührte in seinem Tee herum, ergriff die Flasche mit dem extra hochprozentigen Rum, dessen Flasche, ein Totenkopflabel auf schwarzen Hintergrund zierte.

Caro sagte nichts, sah nur verlegen auf den Tisch. „Na ja ich war so was von enttäuscht!“

Tucker lachte sanft, und seine honigkaramellgelben Augen leuchteten tiefgründig. „Ich sagte nur, dass ich hoffe das es nach dieser Nacht nicht vorbei sei!“

Luc sah wieder zu Em, und dann in die Runde. „Ihr beide hattet einen One-Night-Stand?“, seine Stimme klang aufgebauscht, und der Schalk triefte.

„Nein!“, riefen Tucker und Caro wie aus einem Mund, und mussten beide lachen.

Em hatte ihren Atem angehalten. „Pah ihr macht mich fertig, aber jetzt will ich Caros Geschichte hören!“, lachte sie prustend.

 

Der Kies knirschte unter ihren Schuhen, als Will und Lucien den Rest der Auffahrt hinauf gegangen waren, überall wisperte und bewegte sich die Umgebung, Samsarkin öffnete die Tür, ein pinker Haarschopf erschien. „Oh, welch hoher Besuch!“, flötete sie zynisch, Lucien verzog sein Gesicht und nickte nur.

Die beiden wurden zu Tamira gebracht. „Lucien, Will, was kann ich für euch tun?“, ihre Stimme klang heller als das Bimmeln einer Glocke.

„Es geht um die letzte Nacht, und wir haben da etwas für euch!“, sagte Lucien, und Will zog eine DVD aus der Jacke, Steven erschien neben seiner Frau, elegant, geschmeidig, gefährlich, sein Kuss flog wie ein Schmetterling an ihre Lippen, Lucien fühlte diese tiefe innige Beziehung, die ohne Worte funktionierte, erschauderte kurz.

„Nick!“, rief Tamira. „Leg bitte die DVD ein!“

Will konnte seinen Blick kaum von Nick abwenden, der charmante und hübsche Mann schwebte ihm förmlich entgegen, streckte seine Hand aus, die wie weißer Marmor schimmerte. „Will!“, hauchte Nick auffordernd grinsend, denn er kannte sich aus, in Sachen Verführung und Wirkung seiner Person, auf alles noch menschliche, Will gab ihm die Scheibe, die Nick in das Gerät legte.

Steven setzte sich neben Tamira. „Setzt euch!“, befahl sie den beiden.

Nick hatte sich absichtlich neben Will gesetzt, dessen Hände langsam feucht wurden und sein Wolf begehrte stark auf, noch war der Mond in den Hintergrund getaucht, der Film lief, und Steven stoppte an der Stelle, an der man den Wolf sehr gut sehen konnte, drückte auf Standbild vergrößern, „Das ist nicht Mark, oder?“, wollte Steven klar wissen.

„Nein!“, meinte Lucien ruhig.

„Und wer ist es?“, drängte Tamira und ihr Haar schimmerte in der düsteren Beleuchtung violett schwarz.

„Wir kennen ihn nicht, keiner aus unserer Sippe, aber auch kein Einzelgänger, das haben wir gecheckt, wir hatten gehofft, dass ihr uns weiterhelfen könntet!“, übernahm Will das Gespräch.

 

„Er war nicht gekommen, um zu töten, sondern euer Besucher wollte nur einen Aufschrei verursachen!“, erklärte Lucien.

„Adrian!“, meinte Nick ruhig, und erhob sich langsam.

„Nein, Adrian ist kein Wolf!“, bemerkte Tamira hell, und hatte sich auch erhoben, ergriff ihre Tarot Karten, fing an sie zu mischen.

„Tamira!“, Will reichte ihr den Brief, den er als E-Mail bekommen hatte, von wegen löschen sonst Virus.

Sie las die Zeilen und gab den Brief an Steven weiter. „Nun gut, wie viele Plagiate denkt ihr, haben sich unter uns gemischt?“

„Wir können es nicht genau sagen, aber anscheinend hatte Kenny so was wie eine Hitliste!“, erzählte Lucien.

„Und wo befindet sich Kenny?“, fragte Tamira vorsichtig, denn seit seinem Unfall konnte sie den Hexenmeister nicht mehr hören.

„Fryar´s Island!“, kam es aus Richtung Tür, alle Blicke waren auf die hübsche Frau gerichtet, die gerade den Raum betreten hatte.

„Lina!“, hauchte Lucien kaum unhörbar, die junge Frau kam tänzelnd näher. „Ich habe in den Polizeiakten geschnüffelt, Kenny hat zwar alles akribisch und genau dokumentiert, aber die Liste mit den Namen der falschen Personen, die hat er hier!“, zwitscherte sie, und tippte sich an den Kopf.

 

„Dann werdet ihr ihm einen Besuch abstatten!“, ergänzte Nick und hatte Lina weich umarmt, aus Luciens Kehle drang ein tiefes leises grollen, Nick hob sein hübsches Köpfchen, und zeigte Zähne.

Tamira hob ihre Hand. „Gut, aber wir können euch dabei nicht helfen Lucien!“, bemerkte sie.

Nick hatte die DVD wieder aus dem Gerät genommen und war zu Will gegangen, gab sie ihm mit einem schelmisch hinterhältigen Grinsen zurück. „Musste Mark zu Hause bleiben?“

Luciens Blick richtete sich funkelnd auf den Vampir, dessen zynisches Grinsen provokativ auf den beiden Männern weilte. „Es ist besser, so!“, murrte Will.

„Er ist auch ein Produkt der Testreihe!“, sagte Tamira wissend, und sah sich das Kartendeck lange an.

Lucien nickte und fixierte Lina, die sich ein wenig abseits an den Tisch gesetzt hatte. „Ich könnte ja…!“

Steven wischte ihre Worte beiseite, „Nein, du mischt dich hier nicht ein!“, faucht er, und seine bemerkenswerte Person hatte sich kaum bewegt, doch sein Gesicht war plötzlich wie versteinert.

Lina zog einen Flunsch und senkte ihren Kopf, während Nick mit verärgertem Gesichtsausdruck zu Steven sah.

Will ließ die DVD wieder in seine Tasche gleiten, und erhob sich geschmeidig, die Nacht hatte sich langsam, aber unsichtbar bewegt, eine verrückte Dunkelheit legte sich auf die Villa.

 

Die letzten Gäste hatten das Lokal verlassen, um sich den zweiten Teil des Piratenfilms zu geben, eine lange Nacht, diese Nacht, die kleine Verschwörung saß immer noch am Tisch und lauschte Caros Beobachtungen.

„Ira, was hat sie denn damit zu tun, du musst dich geirrt haben!“, rief Em vorwurfvoll.

„Mark hatte damals eine Person mit einem orangen Rucksack am Strand gesehen, und heute war es ihre Stimme und der Orange Rucksack, sie ist es mit Sicherheit, und überhaupt…!“, fing Caro sauer an, doch Kenny schüttelte sachte seinen Kopf, Caros Stimme senkte sich wieder.

„Wie lange kennst du sie denn schon?“, fragte Kenny vorsichtig nach.

„Halbes Jahr!“, stotterte Em, und rückte sich ihr Totenkopfkopftuch zurecht.

„Siehst du, und was ist eigentlich aus deinem ehemaligen Koch geworden, auch schon mal darüber nachgedacht?“

Em schürzte ihre Oberlippe, „Der war plötzlich wie vom Erdboden verschwunden!“, erklärte sie und spielte mit einem Zuckerstück.

„Wir sollten Cooper den Spaß an Jack Sparrow verderben!“, überlegte Luc leise, und sah in die Runde.

„Warum sind DIE hinter dir her?!“, warf Tucker Kenny taxieren vor.

Kennys Augen wurden zu Schlitzen. „Caro?“, fing er lauernd an.

„Ich weiß nichts, ich bin nur so zum Spaß hier!“, log sie geschickt.

„Ok, ich bin auf etwas wichtiges gestoßen, und kurz bevor ich es weitergeben konnte, hat man mich elegant aus dem Verkehr gezogen, zu ihrem größten Leidwesen bin ich nicht gestorben dabei, als ich hierher kam, war ich am Ende, mein Körper meine Gedanken alles war wie weggeblasen, kein Leben mehr an das ich mich erinnern konnte, doch durch eure Hilfe und Hartnäckigkeit ging es mir jeden Tag ein Stückchen besser, schlecht für Ira, nun mussten sie handeln, schnell, zum Glück ist jeden Tag auf der Insel Action und ihre Abwesenheiten fielen nicht sonderlich auf, doch so sehr ich versuchte mich zu erinnern, es funktionierte nicht, bis auf heute, dank Tucker!“, Kennys Ausführungen verebbten, Caro sah ihn lange an, und ihre linke Hand glitt in die linke Hosentasche ihrer Jeans, der Ring war weg, sie musste ihn verloren haben irgendwo, käsebleich blickte sie umher, doch dann entdeckte sie das Kleinod an Kennys Finger, wieder erleichtert sank sie in sich zusammen.

 

„Ich kann das nicht verstehen, Ira, sie war so was wie eine Freundin für mich!“, krümelte Em.

„Das war auch gut so, dann konnte sie tun und lassen, was sie wollte, und sie wollte ja schließlich nicht auffallen Em!“, meinte Luc, und sein Gesicht wirkte angespannt.

„Schön, schön, dass wir nun wissen, dass Ira dahintersteckt, aber erwischen sollten wir sie auch, dass wäre wirklich gesünder, denkt an den Bogenschützen!“, ergänzte Caro die Gedanken der Runde.

„Das werden wir, keine Sorgen, vorausgesetzt du bleibst diesen Tunneln fern!“, murrte Luc väterlich.

„Ich muss telefonieren!“, hauchte Kenny, und hatte sich erhoben, ging in das Hinterzimmer an Ems Apparat, doch das Gerät war Tod.

„Schnelles Telefonat!“, grinste Caro.

„Dein Telefon ist kaputt!“, sagte Kenny, und sah sich forschend um, man konnte im Hintergrund immer wieder einige Sequenzen des Filmes hören.

„Sehr schön, wir sitzen hier auf einer Insel, und das Wetter ist scheußlich, Strom und Telefon haben sich verabschiedet, ein Mörder oder mehrere Mörder treiben sich hier herum und warten nur darauf uns einzeln abzuschlachten!“, bemerkte Caro in einem sehr ernsten schwungvollen Tonfall.

Tuckers honigkaramellgelben Augen funkelten, seine sinnlich geschwungenen Lippen kräuselten sich.

„Es tut mir leid, ehrlich sehr leid!“, schmachtete er, und hatte sich erhoben war einen Schritt zurückgetreten, alle sahen ihn fast gleichzeitig an, in Kenny spannten sich plötzlich alle Muskeln, Schmerzen waren gestern, Luc fiel die Kinnlade herunter, Em blubberte irgendwelche Worte vor sich hin.

„Mir auch!“, gluckste Caro, deren Gesichtsfarbe sich in ein ungesundes grün veränderte.

„Aber ich musste euch doch hierherlocken!“, entschuldigte er sich, keine einzige Regung war mehr in seinem Gesicht zu erkennen. „Ich kann doch nicht zulassen das alles den Bach runter geht!“, flüsterte er, und sein Gesichtsausdruck glich Hans Clarin in das Indische Tuch.

„Junge!“, rief Luc forsch, und wollte sich erheben, doch Tuck hatte eine Gabel ergriffen, fuchtelte damit wild herum.

„Was willst du denn mit der Gabel?“, prustete Luc aufgebracht.

Tucker warf die Gabel weg, und griff nach dem nächst Besten, das er hinter der Theke finden konnte, blitzschnell schnellte seine Hand hervor und dann warf er eine Zitrone, die Kenny überrascht elegant auffing, verblüfft starrte sie ihn alle an.

„Ich bin getroffen!“, keuchte dieser und sank sich an die Brust greifend in den Stuhl.

Tucker lachte schallend, Em hatte sich schimpfend erhoben, lief auf ihn zu. „Das war nicht lustig!“, keifte sie böse, konnte sich das Lachen nicht verkneifen.

 

Caros Gesichtsfarbe hatte sich wieder normalisiert, sie nutzte den Tumult für ein kleines Gespräch mit Kenny. „Du trägst deinen Ring wieder, wie fühlst du dich?“

Kenny öffnete seine Augen, legte die Zitrone auf den Tisch. „Danke sehr gut, woher hatte Tucker den Ring, und warum wusste er davon?“, meinte er, redete schnell.

„Ich muss ihn wohl bei ihm verloren haben, ich hatte den Ring von Vince bekommen, Tucker wusste Bescheid, über dich, aber mehr weiß ich auch nicht, ist er etwa auch Mitglied in eurem Verein?“, ärgerte sie sich leise.

„Nein, ich denke, dass er vollkommen normal ist, keine Sorge, vielleicht nur ein Zufall!“, meinte Kenny, und grinste leuchtend.

 

Caro nickte. „Ich bin froh, dass du wieder hergestellt bist!“, flüsterte sie gutgelaunt, und drückte ihm ein Küsschen auf die Wange, er hielt seinen Atem an, legte seine Wange sachte an ihre. „Danke!“, hauchte er, und ihm war Tuckers Blick dabei nicht entgangen, schnell wand er sich ab und versuchte sich zu ordnen.

Luc war nur kopfschüttelnd zurück an die Bar gegangen. „Ich bin zu alt für so was, ehrlich Leute, wie könnt ihr mir das antun!“, rief er barsch. „Möchte wer Bier, oder einen Whisky, oder beides!“

„Nein, ich sollte nüchtern bleiben!“, dachte Em laut, und versuchte ihr Kopftuch in die richtige Stellung zu bringen, Kenny kam mit der Zitrone in der Hand auf sie zu, und schob ihr das Kopftuch über die Augen, küsste sie zärtlich. „So sieht es gut aus!“

Caro lehnte sich neben Tucker an die Bar, „du…!“, ihre Worte hatten keine Chance, seine Nasespitze traf Caros Nase. „Ich liebe dich!“, flüstert er ihr sachte zu, das waren die drei Worte, die Caros Herzschlag ordentlich durcheinanderbrachten, und ihre Ohren rot wurden.

 

„Wenn ihr dann wieder zum Thema zurückkehren könntet, der Film dauert noch genau eine Stunde und dann ist es Mitternacht, und die Gäste werden wieder das Lokal belagern!“, zerstörte Luc die Situation.

Tucker hatte auf eine Antwort gewartet, die jetzt nicht kam, genervt sah er zu Luc. „Was?“

„Genau, was war denn das für ein riesiger Köter, der euch dort draußen angefallen hat!“, fragte er in die Runde, Caros Körper erstarrte, Tucker bemerkte ihre Regung und sah zu ihr, Kenny ergriff das Wort, „Tucker sagte was von einem wildernden Hund“.

„Ach, ja, dieses Mistvieh, es wird Zeit das wir etwas gegen ihn unternehmen!“, meinte Luc.

„Hund!“, brach es aus Caro heraus, „Sicher doch!“

„Ich dachte ihr hättet ihn schon lange erschossen?“, Ems Stimme klang vorwurfsvoll.

„Paul sagte was davon, dass er ihn erwischt hätte!“, erklärte Tuck vorsichtig.

Caro war an die Tür des Lokals gewandert, und ließ ihren Blick gegen Himmel laufen, noch war der Mond nicht aufgegangen, „Mark!“, dachte sie laut, und konnte spüren, wie sich unbändige Wut in ihr ansammelte.

„Wurde eigentlich besagte Kiste von den anderen beiden mitgenommen?“, fragte Em plötzlich das Thema ändernd.

Caro sah um, „Ja, Ira ist zumindest mit der Kiste nach draußen gegangen, nachdem der Typ ihr etwas zugerufen hatte!“

„Schade!“, meinte Em enttäuscht.

„Wenn sie das Zeug nur von hier fortbringen, wo bitte haben sie es dann gelagert, oder war das die letzte Kiste?“, wollte Luc wissen.

„So viele W-es!“, keuchte Em erschüttert.

„Sie lagern es hier, weil es bei so vielen Touristen nicht auffällt, und sie bringen immer nur eine geringe Menge auf das Festland!“, erklärte Kenny, „Ich muss telefonieren!“

Tucker zückte sein Handy, reichte es Kenny, „Wen rufst du an?“

„Ben!“, meinte Kenny steif.

 

„Entschuldigung kann ich vielleicht noch was zu trinken haben?“, der Kopf eines Gastes war in der Tür erschienen.

„Sicher doch, was darf ich Ihnen denn bringen!“, rief Em schon von weitem.

 

Ben hatte seine Arbeit an den Haken gehängt, und wollte gerade das Büro verlassen, als sein Handy anfing zu bimmeln, er zog es aus seiner Jackentasche, „Unbekannt am Abend nicht wirklich erquickend und labend, Ben hier, wer stört so spät!“, murrte er.

„Kenny-, ich muss mit dir sprechen, dringend!“

„Junge, bist du wahnsinnig, das, was du treibst, ist gefährlich, du sollst nicht mit mir in Verbindung treten!“, brummte Ben.

„Tu mir einen gefallen, und geh in mein Büro, in der obersten Schublade Schreibtisch findest du eine Telefonnummer, die rufst du bitte an!“, meinte Kenny hektisch, sprach schnell.

„Moment, Moment, ich kann nicht in dein Büro gehen!“

Kenny am anderen Ende der Leitung stutzte kurz, und ging in die Küche, „das soll heißen?“

„Na ja, dein Büro, in diesem Sinne gibt es nicht mehr!“, brummelte Ben, und verließ seinen Keller.

„Oh!“, sagte Kenny schal.

 

Em nahm die Bestellung entgegen und sammelte alle Getränke auf ein Tablett, nahm es und ging damit in die Nacht hinaus.

 

Will und Lucien hatten sich zurück in die Stadt begeben. „Mark auf Eis gelegt?“, wollte Lucien noch einmal wissen.

Will nickte, „Der schläft, tief und fest!“, bemerkte dieser, und schloss seinen Audi ab, verschwanden gemeinsam in einem der momentan angesagtesten Clubs der Stadt.

Nick und Lina waren unsichtbar gefolgt. „Ich würde viel lieber ganz was anderes machen!“, lauerte Nick.

„Und was wäre das genau?“, grinste Lina zynisch, schlenderte tänzelnd vor ihm her.

„Ein bisschen jagen gehen!“, hauchte Nick, und leckte sich seine Lippen.

„Mhhh, ja das wäre sehr schön, wohin?“, überlegte Lina leicht.

„Komm ich entführe dich!“, meinte Nick einladend verführerisch, gemeinsam verschwanden sie in der Hitze der Nacht, und verließen die Hauptschlagader der Stadt, weg von den Menschen.

 

Deprimiert kam Kenny zurück, „Lief wohl nicht so?!“, fragte Luc vorsichtig.

„Nicht wirklich!“, sagte er ernüchtert, schüttelte seinen Kopf

„Lass den Kopf nicht hängen!“, meinte Luc, und wartete nervös auf Em, leere Biergläser stapelten sich bereits auf der Theke.

„So das war die letzte Bestellung, wir schließen!“, schnaufte sie erschöpft.

„Das ist eine sehr gute Entscheidung!“, Luc sah zu Caro, die ein wenig gedankenverloren neben ihm stand.

„Ich werde euch jetzt verlassen!“, sagte Kenny, und ergriff seine Jacke, hob die Hand zum Gruß, und ließ die Gruppe stehen, Em knallte das Tablett auf die Bar und rückte verlegen ihr Kopftuch zurecht.

Caro prustete, war auch in ihre Jacke geschlüpft, Tucker sah ihr dabei verächtlich zu. „Begleitest du mich?“, fragte er dann.

„Gerne!“, grinste Caro schelmisch, während Tuckers Gesicht sich augenblicklich aufheiterte.

 

„Gute Nacht!“, murmelte Em beleidigt, und räumte ihre Gläser weg, Tucker und Caro waren gerade auf dem Weg nach draußen, als ihnen Kenny nochmals entgegenkam, er ging schnurstracks auf Em zu, die plötzlich überrascht aufsah, Kenny nahm sie in den Arm und küsste sie entschuldigend.

„Es geschehen noch Zeichen und Wunder!“, entdeckte Caro, und schloss die Tür hinter sich, gemeinsam wanderten sie über den großen Platz, und bogen auf die Promenade ab, Tucker hatte sich seine Jacke weit über die Nase hochgezogen, eine kleine Weile gingen sie schweigend nebeneinanderher, als er sachte ihre Hand ergriff, „Was wirst du tun, wenn das hier vorbei ist?“

„Gute Frage, darüber habe ich mir noch nicht wirklich Gedanken gemacht!“, gab sie ehrlich zu.

„Wie ernst ist es dir?“, wollte Tucker schniefend wissen.

Caro konnte so schnell keine Antwort auf diese delikate Frage geben, ließ ihren Blick lieber über das dunkle Meer schweifen, die Stimmung sank.

Gute halbe Stunde später betraten sie gemeinsam sein Haus, Tucker verschwand stillschweigend in sein Bad, kurze Zeit später konnte man das Wasser rauschen hören, Caro war durch die Zimmer gewandert und begutachtete die Einrichtung, auf einem Tisch lagen Prospekte von Jagdausflügen, die er organisierte, sie ergriff einen der Flyer und blätterte ihn durch, schüttelte den Kopf und setzte sich auf die Couch, lehnte sich leicht in die großen Kissen und lauschte dem säuselnden Wind hören der leise sein Liedchen sang, und dämmerte dabei weg.

 

Dann konnte sie Lippen spüren, die sie sanft weckten, „Caro!“, sagte jemand zu ihr, sie öffnete raunend ihre Augen.

„Du riechst gut!“, flüsterte sie ihm leise zu, Tucker war neben ihr in die Hocke gegangen.

„Lass uns die Nacht noch ein paar Stunden genießen!“, forderte er sie auf.

„Gute Idee, aber warum nur ein paar Stunden!“, fragte sie müde, erhob sich mühsam, seine Person war schon vorgegangen, „Ich habe morgen Gäste“, erklärte er ihr.

„Ach ja, Jagdgesellschaft!“, meinte sie, folgte ihm

„Ist es dir unangenehm?“, fragte er vorsichtig.

Sie schüttelte ihren Kopf. „Nein, wieso?“

„Weil Frauen mit der Jagd nicht immer was anfangen können?“, seine Stimme klang wieder so angenehm, dass sie ihm ewig hätte zuhören können.

„Ich nicht, die Hauptsache ist doch, dass deine Kunden ihren Spaß daran haben, und du unbeschadet wieder zurückkommst!“, erkannte sie gähnend.

Tucker schmunzelte, „Gerne!“, sagte er, und nahm sie in den Arm, küsste sie zärtlich.

 

Die Nacht umgarnte die beiden mit spitzen Fingern und sanften Klängen, er zog sie langsam aus und genoss jeden Zentimeter nackte Haut den er zu sehen bekam, Tucker nahm sie mit in seine Welt, aus purer Leidenschaft und edler Lust, noch nie hatte sie sich so aufgehoben, geliebt und verehrt gefühlt, es war, als würde glitzernde Magie über ihnen schweben, die nur den beiden gehörte, Eigentum dieser Nacht und den sich darin Liebenden.

 

Der Sommer verabschiedete sich langsam, die Nächte wurden wieder kühl, Nick wandelte über die feuchten Straßen Lina folgte ihm, sie fühlte sich aufgeladen und unendlich kräftig, ihre Gestalt baute sich neben Nick auf, seine grellen Augen suchten ihre, sie lächelte und schmiegte sich ohne Vorwarnung an ihn, er schnupperte zärtlich an ihrer Haut, „Weißt du eigentlich das du so gut riechst wie deine Mutter? Aber ich muss zugeben, dass sie einen Tick intensiver frischer, duftet!“, meinte er und befeuchtete seine Lippen.

Linas blitzblaue Augen betrachtete ihn lange an, „Das hast du mir nie gesagt!“, hauchte sie sanft.

„Du bist mein Himmel, und gleichzeitig meine Hölle, ich kann mich noch an den Tag erinnern an dem du geboren wurdest, ein wunderbarer Tag, so viel Sonne, so viel Glück!“, sinnierte Nick dahin.

„Erzähl mir davon!“, hauchte sie aufgeregt, „Wie war das?!“

„Wie es war, wundervoll, die Prophezeiung hatte sich wieder einmal erfüllt, Kennys Tochter wurde geboren, obwohl ihm ein Sohn sicher lieber gewesen wäre, doch dann kristallisierte sich dein wahres Ich langsam heraus, stärker, magischer, anders, und er wollte es nicht wahrhaben, du würdest seine Nachfolgerin werden, Probleme wuchsen, und er verwandelte sich zu einem sehr strengen Vater, den Rest kennst du!“, meinte er und ging weiter.

Sie tänzelte über den Asphalt, „Wie immer hast du die romantische Geschichte ausgelassen!“, rief sie.

„Romantisch, was, bitte!“, sein tiefgründiges Grinsen zog sich über sein hübsches bleiches Gesicht, er wusste genau, was Lina hören wollte.

„Die Liebesgeschichte!“, meinte sie neckisch, und lief an ihm vorbei um die nächste Hausecke, dort wartet sie auf ihn, schoss hervor und machte buh.

„Du hast da was vergessen, ich darf dir nichts erzählen, denn du gehörst nicht in meine Zeit!“

„Ein bisschen, bitte, bitte, sei lieb, Nick!“, rollte sie mit ihren Augen und zwinkerte.

„Nein, vergiss es, und es wäre wirklich besser, wenn du nicht mehr da wärst, wenn Kenny wieder hier eintrifft!“, sagte Nick ernst.

„Aber er sieht doch so verdammt interessant aus!“, rief sie, und war verschwunden.

„Lina!“, rief er ihr nach, doch sie antwortete nicht, „Lina, lass die Spiele!“, seltsame Angst überkam ihn und er folgte ihren Weg, sie war verschwunden, er sah an der Häuserfront hinauf, nichts, eine Mülltonne schepperte, vorsichtig schlich er weiter, seine Sinne waren justiert, er konnte gleichmäßigen Atem hören, dann ein Tapsen, „Lina?“

 

Lucien und Will hatten sich gerade einen Snack gegönnt als sich Lucien wieder zurückverwandelte, Will fauchte irritiert, ließ den halb angeknabberten Menschen liegen, sah zu seinem Freund, „Was?“, keifte er wütend.

„Komm!“, bellte Lucien, wurde wieder Tier und sprang davon, Will ihm hintendrein, die Jagd ging durch die halbe Stadt und dann stoppte er in einer Seitenstraße.

Nick fühlte sich urplötzlich unwohl und unsicher, diese Art an Gefühlen kannte er nicht, und Lina blieb verschwunden, „Nick!“, rief Lucien, und die beiden Wölfe kamen geifernd näher, er hob seinen Kopf und legte ihn stolz in den Nacken, „Ihr?“

„Was geht hier vor!“, fragte Lucien grollend, trat vorsichtig zu Nick, der zurückwich.

„Gute Frage!“, fauchte er bissig, zeigte Zähne.

„Wo ist Lina!“, bellte Will, kam auf Nick zugelaufen, blieb vor ihm stehen.

„Sie ist verschwunden!“, murrte Nick, bewegungslos, seine schöne Person verschmolz fast mit dem Mondlicht.

„Wohin?“, knurrte Lucien tief, reckte seine Nase schnüffelnd in den Wind, winkte Will, der ihm sogleich zur Seite stand, gemeinsam verschwanden sie in die nächste Seitenstraße, Nick folgte mit Abstand, und siehe da, Lina ward gefunden.

„Lina!“, schnaubte Nick erleichtert, ging auf sie zu, doch ihr Gesicht war wie versteinert, Lucien verstellte dem hübschen Mann flugs den Weg.

„Halt warte, das ist eine Falle!“, grollte Lucien angespannt.

Nick blieb stehen, sah sich um, und konnte einen zarten Schatten erkennen. „Ich geh nach oben!“, Nick versuchte sich in Telepathie, hatte allerdings nur wenig Hoffnung, dass einer dieser stupiden Wölfe ihn verstehen würde, doch zu seiner großen Überraschung nickte Lucien, und Nick verschmolz mit der Nacht.

„Was geht hier vor?“, fragte Will.

„Einen wunderschönen Abend, die Herren!“, meinte eine Stimme aus der Dunkelheit, Lina knurrte sachte, die Gestalt kam hinter ihr hervor, groß unsichtbar, „Lasst euch auf nichts ein!“, rief Lina wütend.

„Spar dir deine Kräfte, mein Kind!“, hauchte die Person, und schnupperte an ihr, mit glühenden Augen wich Lina wütend zurück.

„Ja verwandle dich, es wäre mir eine Ehre, wenn ich schon bei deinem Vater nie die Ehre hatte, so will ich diesen Moment deiner Wandlung auskosten!“

Lina spuckte der Gestalt wütend ins Gesicht, die nicht lang fackelte und ihr einen harten Schlag ins Gesicht verpasste.

 

Lucien ging in die Hocke Wutgesteuert sprang er auf die beiden zu, gefolgt von Will, während Nick von oben herab über die Dächer gekommen war, aus einem Gegner wurden zwei, und sie waren schnell, böse und gefährlich.

Will konnte den zweiten Angreifer überrumpeln und verbiss sich in dessen Kehle, Lina hatte sich befreien können und den Wicht mit ein paar eleganten Aikido Schlägen in die Flucht geschlagen, die kleine Gruppe schlugen sich gut, bis ein dumpfer Ruf durch die Nacht drang und die Gestalten sich vor ihren Augen in Luft auflösten.

Nick hatte Zähne gezeigt, Blut lief aus seinem Mundwinkel, er hatte mindestens einen der Angreifer zur Strecke gebracht, Lina lehnte an der kalten schmutzigen Hausmauer, während Will und Lucien die restlichen Personen in die Flucht schlugen.

„Alles klar bei dir?“, fragte Nick vorsichtig, sein wahres Ich beherrschte immer noch seinen Körper.

„Danke, Nick!“, stotterte Lina, und versuchte sich zu sammeln, der Nebel schmiegte sich drängend wie eine Katze um ihre Füße, und sie konnte fahles Blut in ihrem Mund schmecken, schüttelte sich angeekelt. „Was zum Teufel wollten sie?“

„Dich, sie wissen nun, wer und was du bist, das allein ist die größte Gefahr, überhaupt!“, murrte Nick und schüttelte sich.

„Sie sind ebenso schnell verschwunden, wie sie aufgetaucht sind!“, meinte Will sich etliche Male räuspernd, sah zu Luc der sich immer wieder lauschend umsah.

 

Lina wuschelte sich durch ihre kurzen dunklen Locken, sprang wütend auf und ab. „Ich bin und bleibe einfach ein Halbblut, und ich hasse das!“, rief sie stockend, ihre Lippen bewegten sich kaum, die drei sahen sie nur schweigsam an, dann ergriff Lucien Linas Handgelenk und zerrte daran, sie fauchte, und ihre Augen leuchteten funkelnd.

„Hör auf damit, sei froh, dass du so bist, wie du bist!“, knurrte Lucien biestig.

„Wir müssen gehen, lass uns das morgen klären!“, brummte Will, Lucien ließ Linas aufgebrachte Person los, die ihren Mund kräuselnd verzog und sich wie eine hysterische Henne vor den beiden Männern aufplusterte.

Luciens schöne menschliche Gestalt trat erneut einen Schritt auf sie zu. „Treib dich nicht in diesen Nächten herum, ich sag’s nicht nochmal!“

Lina streckte Lucien zickig wie ein fünfzehnjähriger Teeny die Zunge entgegen, der grollend lachte, und ihr einen seichten Kuss zu hauchte, Will leicht auf die Schulter schlug und beide Wölfe verschmolzen wieder mit der Nacht.

 

Caro war aus einem unangenehmen Traum erwacht und lag nun hellwach neben Tucker, heiß schossen tausend Emotionen durch ihren Körper, vorsichtig erhob sie sich und tapste aus dem Zimmer, den Flur entlang und nach unten dort lag sein Handy, das sie mit gemischten Gefühlen ergriff.

„Alles nur Blödsinn, alles in Ordnung, es geht allen gut, und es ist nichts passiert!“, flüsterte sie sich selbst zu, setzte sich auf die Couch, es war kurz nach 1 Uhr morgens, der Wind wisperte immer noch seine alte Geschichte, ihr Blick heftete sich an die Umgebung, Blitze tanzten vor ihren Augen, und Gegenstände verwandelten sich in Gestalten, sie rieb sich müde die Augen.

„Kannst du nicht schlafen!“, fragte eine Stimme, Caro sah erschrocken in Richtung Türe.

„Äh, ich hatte einen Traum, nichts Besonderes!“, flüsterte sie, und beobachtet die Person, die sich kaum bewegte.

„Und von wem hast du geträumt?“, wurde sie gefragt.

„Vince!“, hauchte sie, und wieder brannten Gefühle wie kleine Feuer, „Was treibst du hier?“

„Ich musste dich sehen, und es ist mir egal ob ich damit alle Gesetzte breche, hör gut zu, Kenny braucht dich, dringend, auch wenn dir das nicht gefällt, ich möchte dich bitten es mir zuliebe zu tun!“, sagte er fordernd und setzte sich neben sie, seine Gestalt wirkt so lebendig.

„Ich will aber kein Opfer mehr sein, Vince, bitte!“, flehte sie ihn an.

„Du bist der Schlüssel, das weißt du, bitte, nur dieses eine Mal, du musst ihn wieder aktivieren!“, meinte er leise.

„Warum bist du nicht zurückgekehrt?“, fragte sie ihn dumpf, und Wut fühlte sich immer gut an.

Vince lächelte, „Kenny hat mir erzählt das dich jemand liebt, liebst du ihn auch?“

Caro verzog ihr Gesicht, „Das ist äußerst gemein, Vince, das weißt du, schließlich waren wir glücklich!“, sinnierte sie.

„Ich war es, mit dir, die Zeit war viel zu kurz, aber sehr schön, ich hatte mich so auf unsere gemeinsame Zukunft gefreut!“, erzählte er glucksend, und sein Gesicht zeigte tiefe Trauer.

Caro legte ihre Fingerspitzen an seine Wange, die sich warm und weich anfühlte.

„Ich liebe dich!“, hauchte sie, und legte ihren Kopf in die Kuhle seines Halses.

„Mach dir das Leben nicht so schwer, ich bitte dich!“, meinte er vorsichtig, und sein Herz überschlug sich. „Ich muss gehen!“, meinte Vince gequält.

„Nein, bitte, geh nicht!“, flüsterte sie weinerlich. „Aber zu einem Hexenmeister gehört doch auch ein Meister der Künste, wie soll das ohne dich nur weitergehen!?“, forderte sie ihn.

„Kommt Zeit kommt Rat, nun geh wieder zu ihm!“, stupste Vince sie leicht an.

„Aber der Traum?“, fing sie erneut an, er schüttelte seinen Kopf.

„Es war nur ein Traum, Caro!“, murrte er, konnte ihre Traurigkeit in jeder Faser seines Körpers spüren.

„Nicht traurig sein, bitte!“, hauchte er, küsste sie flüchtig, dann war er verschwunden.

 

„Tucker!“, sagte Caro leise, und rüttelte ihn sanft wach, er öffnete seine Augen und sah sie ein wenig verwirrt an.

„Ja, was?!“, sein Körper brauchte drei Sekunden, um aufzuwachen, dann erhob er sich langsam.

„Du hast verschlafen, es ist gleich 8 Uhr!“, meinte sie gerädert.

„Verdammt!“, krähte er und versuchte sich aus der Nacht zu schälen, Caro ließ sich wieder in die Kissen sinken, schnaubte verächtlich, Tuck beugte sich über sie, küsste sie, doch sie wich ihm geschickt aus, so dass seine Lippen nur ihr Ohr trafen, ein wenig vor den Kopf gestoßen erhob er sich, duschte und kam in voller Montur zurück, eine Hose in Petrol, mit vielen Taschen, dann das T-Shirt in Olive, einen Pullover darüber, seine Haare standen wie die Stacheln eines Igels von seinem Kopf ab.

„Kaffee!“, sagte sie tonlos, und reichte ihm eine Tasse Kaffee, musterte sie vorsichtig, führte dann die Tasse an seine Lippen und nahm einen leichten Schluck.

„Habe ich irgendwas falsch gemacht, letzte Nacht, dann wäre jetzt noch die Gelegenheit, um es klarzustellen, denn ich komme vor übermorgen nicht wieder!“

Caro trank ihre Tasse aus, stellte sie in die Spüle, „Ich habe nachgedacht letzte Nacht, konnte nicht schlafen, hat das wirklich einen Sinn mit uns?!“

Ihre Frage überforderte Tucker, nicht nur dass es ihm die Sprache verschlagen hatte, nein er stand auch unter enormen Zeitdruck.

 

Caro runzelte ihre Stirn, „Blöde Frage, entschuldige!“

„Nein keineswegs!“, meinte er, während er sich seine Trekkingstiefel zuband, sich erhob, den letzten Schluck aus seiner Tasse trank und ein wenig mutlos wirkte. „Ich muss gehen, meine Kunden warten am Hafen!“, seine Stimme klang tonlos, schnell schlüpfte er in seine Jacke, ergriff seinen Rucksack, und fand immer noch keine plausible Antwort, seine Gedanken brannten, wie ein Wespenstich. „Wenn du gehst, dann schließ bitte ab!“, das war das Letzte, das sie von ihm hörte, nüchtern, gestrandet, enttäuscht, er schulterte seinen Rucksack über ging in Richtung Dorf.

 

Kenny erwachte aus einem tiefen traumlosen Schlaf, es war wohl seit langem die erste Nacht ohne seinen neckischen Traum, mit steifen Gliedern erhob er sich, ging an das Fenster und öffnete es, die kalte Luft des noch nebligen Morgens umgarnte seinen Körper, er hielt die Hände in den Himmel und betrachtet seinen Ring, wie würde sein Dasein sich nun gestalten, hatte er den Kampf gewonnen, und wie sollte es ohne Vince weitergehen, seufzend legte er den Kopf in seine Hände er vermisste seinen Freund, jeden Tag, jede Stunde, jede Nacht, beherztes klopfen beendete Kennys Gedanken. „Herein!“, sagte er leise.

Mae betrat sein Zimmer. „Guten Morgen Kenny, wie hast du geschlafen?“, wollte sie wissen.

„Gut!“, antwortete er sehr knapp, machte sich nicht die Mühe umzusehen.

„Träume?“, fragte sie weiter, und hatte das Tablett mit einem üppigen Frühstück auf den Tisch gestellt.

„Nein!“, meinte er, und sah um, ein Lächeln erschien in seinem Gesicht, „Wann darf ich nach Hause?“

Mae zwinkerte mit ihren Augen, „Setz dich, und frühstücke erst einmal!“

Kenny sank in den Stuhl und goss sich Kaffee ein, rührte gedankenversunken in der schwarzen Köstlichkeit. „Ich liebe sie!“, flüsterte er.

„Em?“, Mae kannte die Antwort, legte ihre Hände in den Schoß.

Er schüttelte seinen Kopf, und legte den Löffel bei Seite, sagte nichts dazu, seine blitzeblauen Augen funkelten wie Prismen.

„Caro!“, hauchte er, und legte seine stark zitternden Hände auf den Tisch, „Meine Hände zittern!“, bemerkte er. „Warum empfinde ich so, wenn es doch schon angeblich so lange nur Freundschaft ist, Mae!“

Sie neigte ihren Kopf, und ein sanftes Schmunzeln überquerte ihr Gesicht, sie nahm sich auch Kaffee und goss Milch dazu, antwortete nicht.

„Weil es nie vorbei war!“, ahnte er, erhob sich und kramte den Ring mit dem blauen Stein wieder aus der Versenkung hervor, legte ihn zwischen sich und Mae auf den Tisch.

„Es ist nur ein Gefühl, Kenny, vielleicht trügt es auch!“, meinte sie leise, legte ihre Hand auf seine.

„Dann ist das, was ich für Em empfinde Liebe?“, keuchte er, und seine Stimme wurde wieder sehr dünn.

Mae kniff die Lippen zusammen, „Lass dich nicht hinters Licht führen!“

Kennys Finger spielten mit dem Ring. „Das ist Vergangenheit, sie kommt nie wieder, und das hier ist die Gegenwart, dass Jetzt!“, erklärte sie ihm, und tippte auf seinen Hexenmeisterring.

Er erhob sich so schwungvoll, sodass sein Kaffee überschwappte. „Ich kann die Gefahr nicht einschätzen, Mae!“

„Die Gefahr, wie du sie nennst, sitzt wie ein Schalk in deinem Nacken!“, erklärte sie mütterlich.

„Sie befindet sich unmittelbar in der Nähe?!“, meinte er unsicher.

„Ja, du solltest handeln, bald…!“, sie vollendete ihren Satz nicht, sondern erhob sich und war auf dem Weg nach draußen.

Kenny sah zu ihr, Mae nickte nur, und war verschwunden.

 

„Laus über die Leber gelaufen?“, fragte Luc Caro, als sie das Bed and Breakfast betrat, ohne zu grüßen.

Caro stapfte nach oben und warf ihre Klamotten in die Tasche, sie hatte genug, stolperte wenig später die Treppe hinunter.

„Was bin ich dir Schuldig?“, brummelte sie, und baute sich in Lucs Küche auf, dieser sah sie nur wortlos an, schüttelte seinen Kopf, öffnete einen Schrank und ergriff eine Flasche und zwei Gläser, goss sie voll und stupste das Glas in Richtung Caro, die es nur schief begutachtet.

„Vergiftet?“, fragte sie träge.

„Sicher, und du wirst nichts spüren!“, neckte er sie.

Caro ergriff das Glas und trank einen Schluck Whisky zum Frühstück, wie praktisch doch plötzlich das Leben sein konnte.

„Nun, was ist passiert, hat dich Tucker abserviert?“, wollte er schelmisch wissen, Caro verzog schmerzhaft ihr Gesicht, Luc sah sie entgeistert an, „Echt?“

„Nicht direkt!“, quetschte sich Caro durch das Gespräch, und trank ihr Glas leer, Luc ergriff wieder die Flasche und füllte nach.

„Nun, lass mich nicht hängen, dazu bin ich zu neugierig!“, fordert er sie auf.

„Ich wollte heute Morgen nur wissen, ob er es ernst meint, oder ob er nur eine, na du weißt schon braucht, für ein paar Wochen!“, ihre Stimme verebbte.

Luc schnappte nach Luft. „Böses Foul Mädchen!“

Caros Gesichtsfarbe wich, gut dass sie schon saß. „Wie?“, krähte sie hoch, verstand die Welt plötzlich nicht mehr.

„Tucker ist keiner dieser Typen die nur schnellen Sex wollen, und dann auf ewig Ciao sagen, dazu kenn ich ihn nun schon zu lange!“, prangerte er sie an.

 

Lina schlug ihre Augen auf und starrte an die Decke. „Einen wunderschönen Guten Morgen Lina!“, rief sie sich selbst zu und erhob sich.

„Wie war denn deine Nacht so?“, fragte sie sich, stülpte ihre Bettdecke zurück.

„Ach danke, war ganz gut, bis auf dies und das und dies und jenes, und wie findest du denn Lucien so?“, meinte sie einen Ton tiefer.

„Interessant!“, antwortete sie sich eine Oktave höher.

„Nur interessant, so, nicht mehr?“, kicherte sie, und öffnete ihre Tür zum Badezimmer.

„Ja nur interessant nichts weiter, außerdem würde er nicht in meine Kariere Pläne passen, Lina!“, brummte sie sehr tief.

„Ah so ist das, Kariere vor Privatleben, und wie sieht die aus?“, wollte ihr Ego wissen.

„Na ganz einfach, erst werde ich…!“, das Klingeln ihres Telefons riss sie aus ihrem Zwiegespräch, sie ging ran, meldete sich mit einem kurzen knappen ja.

„Ich bin in drei Minuten bei dir!“, rief sie in den Hörer, legte schnell auf und lief ins Bad zurück kultivierte sich, sprang in eine bunte Auswahl an Klamotten, fuhr dann in die Stadt, zu Josephine, die schon aufgeregt in ihrem Labor wartete.

„Guten Morgen!“, rief Lina, außer Atem, „Sprich!“

Josephine hatte ihre wilden langen Locken nach hinten gebunden, trug eine Brille, die sie sehr konservativ wirken ließ.

„Komm mit!“, meinte sie schon fast verschwörerisch, Jose verschwand in einem anderen Raum.

 

Will steckte den Schlüssel in das Schloss und sperrte damit die Tür des Kellers auf, ging den langen kalten Flur entlang, sein Weg endete am Ende des Flures, dort öffnete er noch eine Tür, und betrat einen weiteren Raum, knipste das Licht an, sah sich um, gähnende Leere, verließ fluchend den Keller und lief wieder nach oben, ergriff sein Handy und wählte Luciens Nummer. „Er ist weg!“, meinte Will nur, und legte wieder auf.

 

„Nun, was ist denn so wichtig?!“, fragte Lina Josephine, die vorsichtshalber die Tür hinter sich absperrte, „Hinter was genau war Kenny her, und erzähl mir jetzt bitte nicht, dass du nicht das geringste davon weißt!“, fing sie an.

Lina formte ihre Lippen zu einem Kussmund. „Er hat herausgefunden, dass die Regierung Experimente gemacht hat mit Menschen, und das schon über sehr viele Jahre, er stand kurz vor dem Durchbruch, den Rest kennst du, und nun sind sie wieder hinter ihm her, weil sie glauben, dass er ihnen immer noch schaden könnte!“, erzählte Lina leicht.

„Oh Gott, er muss seine Therapie abbrechen!“, rief sie aufgeschreckt, und rückte ihre Brille zurecht.

„Nein, Kenny ist im Sanatorium sicherer, was wir brauchen, ist diese Liste!“, meinte Lina mürrisch.

„Welche Liste, was steht in dieser Liste?“, wollte Jose aufgekratzt wissen.

„Namen, derjenigen Personen, die für die Experimente benutzt worden waren!“, sagte sie leise.

„Gut, dann habe ich was für dich, ich fand es in meinen Unterlagen heute Morgen während des Frühstücks!“, flüsterte Jose, und öffnete eine Schublade, nahm eine Klarsichthülle heraus und reichte sie Lina, ihre Augen wurden groß und sie musste sich setzten, nahm die Papiere aus der Hülle. „Was ist das, es liest sich wie ein…!“

„Es ist ein Krankenblatt, und es liest sich auch fast wie eines, ich habe die Wörter unterstrichen, die nicht in den Bericht gehören, vielleicht…!“

„Josephine!“, rief jemand, beide sahen sich nur an, Josephine legte einen Finger an ihren Mund, und zischte ein „Scht!“

„Josephine!“, wiederholte die Person, man konnte Schritte hören, dann eine Tür, die sich schloss.

„Nimm es mit, und versuch es zu entschlüsseln!“, riet Jose geheimnisvoll.

„Ja aber…!“, plusterte sich Lina vorwurfsvoll auf, nickte dann.

„Danke Großmutter!“, kicherte Lina schalkhaft, Josephine verzog ihr Gesicht zu einer missbilligenden Grimasse. „Sag nicht Großmutter zu mir, ich fühle mich noch nicht so alt!“

Lina wirbelte mit dem Zeigefinger ihrer rechten Hand einen Strudel in die Luft, „Ich finde dich supertoll, immer schon!“, ergänzte Lina, und verschwand aus dem Labor.

 

Die Jagdgesellschaft hatte sich eingefunden, und bestand aus fünf Personen, Tucker nicht mitgezählt, ausgerüstet und bewaffnet bis an die Zähne.

Sie hatten sich in der Wartehalle der Fähre zusammengefunden, ein wenig atemlos und nicht wirklich gut drauf betrat Tuck die Lokalität. „Sorry ich bin ein wenig zu spät, wurde noch aufgehalten, mein Name ist Seth Masters, ich bin euer Führer für die nächsten Tage, aber ihr könnt Tucker zu mir sagen, die, die jedes Jahr mit mir unterwegs sind wissen schon wie die Tage ablaufen!“, rief er in die Menge, die ihn begutachtete wie ein Pferd, das zum Verkauf stand, die alteingesessenen winkten lächelnd.

„Ich werde dann mal die Namen aufrufen!“, ergänzte er, mit dem Kopf nicht bei der Sache, gesagt getan, die Gesellschaft war komplett, „Habt ihr alles dabei, was ihr braucht, falls euch noch etwas fehlt, dann bitte jetzt sagen, später ist es nicht mehr möglich!“

„Wie war das mit dem Proviant?“, fragte ein Mann aus der Gruppe.

„Unser Ziel ist die Big Bear Hütte, dort werden wir die nächsten Tage bleiben, sie ist komplett bestückt, von dort aus gehen wir in das Gelände, sonst noch Fragen, wenn dem nicht so ist, dann sollten wir aufbrechen, immerhin werden wir fast drei Stunden unterwegs sein!“, erklärte Tucker genau.

„Tuck, was steht den heuer auf der Speisekarte?“, fragte einer seiner Gäste, und rückte sich seinen Hut zurecht.

„Wie meinst du das, Walt?“, Tucker schulterte seinen Rucksack wieder auf, und hängte sich Feldstecher und Gewehr um.

„In der Zeitung stand was von Wölfen oder eventuell Bären, die hier gesehen worden wären!“, meinte Walt mit einem sehr unguten Gefühl in der Magengegend.

„Hier gibt’s so was nicht, wir sind auf einer Insel, einer großen zwar, aber das wäre mir neu!“, meinte Tuck vorsichtig.

„Es stand in der Zeitung, ich habe das auch gelesen, die Insel grenzt im Norden an das Festland Tuck, vielleicht sind die Tiere geflüchtet!“, rief ein anderer Mann.

„Dort soll es nicht tief sein, das Meer, die Biester können echt gut schwimmen!“, erklärte ein kleiner hagerer Typ.

„Ja, mag sein, übertreibt es nicht mit euren Spekulationen, ich war erst letzte Woche im Gelände, und es war so wie immer, sehr still, und eine Menge Hasen, Rehe, usw.!“, winkte Tuck ab.

Ein Wispern und Diskutieren streunte durch die kleine Gruppe, man lachte und packte sich dann endlich zusammen, die Truppe marschierte los und verließ das Gebäude, ging den Weg entlang aus dem Dorf hinaus, und verschwand im Morgennebel.

 

Eigentlich studierte Tucker einen Tag vorher noch einmal genau seine Route und die Gegend, überprüfte seine Ausrüstung, und kontrollierte die Hütte, Waffen, einfach alles was dort oben wichtig sein konnte, aber diesmal hatte er es nicht getan, seine Gedanken waren letzte Woche nicht wirklich bei der Jagd gewesen, sondern bei seiner aktuellen Situation, immer wieder kamen Caros Worte zurück, sie verfolgten ihn, lachten ihn aus, und mit diesen Wortgeistern schlichen sich auch böse Gedanken Monster in sein Gehirn, er trottete neben Walt her und nahm kaum am Gespräch der Männer teil, das Wetter wurde wieder unbeständiger und kalter Wind kam auf, sie folgten einem kleinen Bach und steuerten dann in den wunderbaren Farn Hain.

 

Lina war zu Ben gefahren, stürmte in die Forensik, entdeckte Jenk und ihn bei einem kleinen Kaffeeklatsch.

„Na sind wir heute wieder sehr schwungvoll unterwegs!“, meinte Jenk kauend, und streifte sich seine schwarzen halblangen Haare hinter seine Ohren.

„Ich habe es!“, rief sie, und wedelte mit der Klarsichtfolie herum, ließ sich auf den Tisch kannte sinken.

„Was hast du?“, wollte Ben nicht wirklich wissen, und sein Blick fiel auf den letzten Sweety in der Tüte, Lina schnappte ihm die Tüte weg und schnupperte hinein, „Oh lecker, kann ich den haben, bitte, bitte!“, fragte sie kindlich, Jenk lächelte sein Pathologenlächeln, tiefe sympathischen Grübchen erschienen dabei um seine Mundwinkel.

„Bediene dich!“, brummelte Ben, und hatte das Papier an sich genommen, „So, was hast du uns denn so schönes mitgebracht?“

„Die Liste!“, mampfte sie, und erntete ein überraschtes Gesicht.

„Woher weißt du denn von der Liste?“, fragte Ben.

„Ach, Zufall!“, schmunzelte sie schüchtern.

„Geschnüffelt, du bist echt keinen Deut besser als deine Mutter!“, ärgerte Jenk Lina, die sich augenzwinkernd den Sweety schmecken ließ.

Ben hatte sich seine Brille aufgesetzt und Josephines unterstrichenen Worte aus dem Text genommen, sie auf einen extra Zettel geschrieben.

 

Caro war mit tausend wirbelnden Gedanken über den kleinen Weg in die Stadt gewandert, sie hatte es sich wieder absichtlich schwer gemacht, es war immer dasselbe, eine Beziehung mit Tucker würde so gesehen auf Dauer nicht gut gehen, sie bekam alleine schon bei dem Gedanken wie er reagieren würde, wenn sie ihm Tamira oder eventuell Nick vorstellen würde Gänsehaut, er wäre ein gefundenes Fressen, Wort wörtlich, wie lange würde er dem ganzen Treiben standhalten, gute Frage, und als Krönung Kenny, das Sahnehäubchen des Kuchens, sie lauschte in sich hinein, war sie stark genug für etwas neues, und dann kam noch die verdammte Entfernung dazu, jedes Wochenende auf die Insel pendeln, für ein paar Tage, war das rentabel.

 

Caro schnaufte schwer, sie war zu weit gegangen, hatte mit ihm geschlafen, ihn genossen, ohne auf die Konsequenz zu achten die sich daraus zog, für ihn war sie nicht nur ein Urlaubsflirt, er wollte sie ganz, und sie selber war im ganzen ungenießbar, giftig, zu sehr mit ihrem Lebenskreis verwurzelt, und die Nacht aufgeben für einen Menschen, der irgendwie verdammt gut aussah und noch dazu einen edlen Charakter hatte, sie schüttelte angewidert ihren Kopf, die schwarzen Wolken waren der Sonne gewichen, endlich, sie steuerte den großen Platz an, setzte sich auf eine der Bänke und beobachtete die Menschen, das Spektakel hatte fast jeden Tag unendlich viele Touristen angelockt, und die Insel aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt, man merkte förmlich die gute Laune die in der Luft lag, die Kutter wiegten sich sanft im Hafenbecken, und einige hatten inzwischen Exkursionen um die Insel angeboten, man konnte sich die Lachszuchtplätze anschauen, oder die alten Ruinen verschiedener Herrenhäuser aus einer alten vergangenen Zeit entdecken, Vögel, oder auch nur das Meer genießen, die Häuser wurden aufpoliert, Schilder restauriert, Fassaden neu bepinselt.

 

Ira hatte Caro zufällig entdeckt, gesellte sich zu ihr. „Hallo, Caro, du siehst nachdenklich aus!“

Sie hatte keine Lust ausgerechnet Ira ihr trauriges Herz auszuschütten, und schnaufte nur laut, Iras grüne irischen Insel Augen leuchteten weich, „Weißt du, dass es manchmal für alles eine Lösung gibt, aber man sie nur nicht sieht!“

Caro ließ den Kopf hängen, und spielte mit ihren Fingern, sah dann aber doch zu ihr, ein aufmunterndes Lächeln schwebte ihr entgegen.

„Ich hätte mir mehr Glück gewünscht für Em!“, flüsterte Ira, öffnete den Reißverschluss ihres Rucksacks und kramte darin herum, nahm einen Gegenstand heraus, legte ihn Caro so unsichtbar in den Schoß wie es ging, „Gib das Kenny, und es ist nicht alles so, wie es vielleicht in euren Augen aussieht!“, meinte Ira vorsichtig, und erhob sich wieder, nickte Caro zu, und ging über den großen Platz in Richtung Ems Lokal.

Verdutzt sah Caro auf den Gegenstand zwischen ihren Oberschenkeln, es war eine kleine Ampulle mit einer gelblichen Flüssigkeit darin, das Mutanten- Serum, aus Caros Gesicht wich wieder die Farbe sie nahm es und schob es verstohlen in ihre Tasche, wieder versuchte sich die Welt krampfhaft zu drehen, Ira war gar keine Intrigantin, sondern eine eingeschleuste V-Frau, nun war es aus, Caro erhob sich von der Bank und ihre Knie sanken weg, das Kopfsteinpflaster wurde zu undurchdringlichem Glibber…

 

Die Sonnenstrahlen fielen durch den Wald, und zauberten wunderbare Effekte in die Natur, die kleine Gruppe wanderte gemütlich dahin, „Warum bist du so schweigsam Tucker?“, fragte Walt.

„Ich habe da einen Freund, der ein echt nettes Mädchen kennengelernt hat, eigentlich hat er sich verliebt, und sie scheint auch Gefühle für ihn zu haben, doch dann tauchen einige kleine Probleme auf, sie ist aus der großen Stadt, hat eine guten Job, Freunde dort, und sie ist sehr unsicher was seine Gefühle für sie angeht!“

Walt schmunzelte, „Hat sie in der großen Stadt auch einen Freund?“, seine Hände hatten sich kurz in die Höhe geworfen, um ein Anführungszeichen in die Luft zu werfen.

„Nein, sie ist Single!“, erzählte Tuck, obwohl ihn wieder die Unsicherheit, in Form von üblen Gedanken packte, was wenn sie, doch jemanden hatte in der großen bunten Stadt.

„Er wird sie nicht halten können, auf der Insel, sie würde eingehen wie eine Pflanze mit zu wenig Licht!“, zwinkerte Walt wissend, Tucker hatte tief eingeatmet, „Könnte sie es nicht versuchen?“

„Kommt darauf an, dass musst du vorsichtig ausloten Tuck!“, erklärte Walt.

„Vielleicht sollte ich mir nicht so viele Gedanken machen, die Dinge einfach auf mich zukommen lassen!“, meinte Tucker neutral.

„He Tucker, was wird uns den hier vor die Flinte laufen!“, rief ein Mann von hinten.

Tucker drehte sich um, „Hasen, Enten, Rehe…!“, meinte er, und sah durch den Wald, es war ihm so, als hätte sich im Unterholz etwas bewegt.

„Sonst nichts?“, murrte der Typ grunzend.

„An was hattest du denn so gedacht?“, wollte Tucker vorsichtshalber wissen, und blieb stehen.

„Ach man munkelt doch, dass sich seltsames Getier auf dieser Insel bewegt, wäre doch sicher abenteuerlich mal so etwas abzuschießen!“, ergriff die einzige Frau aus der Gruppe das Wort.

Tucker zuckte mit einer Augenbraue, und stemmte seine Hände in die Hüften, immer wieder waren solche Typen dabei und versauten einem den Tag, „So, und wie sieht deiner Meinung nach dieses seltsame Getier aus?“

„Groß, unheimlich, wie ein großer Wolf oder eventuell auch ein Bär, egal ich schieß auf alles!“, erklärte Alex zynisch.

„Das hier ist ein Jagdausflug, kein Abschlachten, und ich erklär euch gerne noch einmal, hier gibt es weder Bären noch Wölfe, kapiert!“, Tuckers Stimme hatte einen gereizten Unterton angenommen.

„So, im Prospekt stand was anderes!“, rief Brandon sauer, zupfte an seiner Kappe und musterte Tucker, der einen guten Kopf größer war als er.

„Ja, was stand denn da?“, fing Tucker gefasst an.

„Na nun last mal gut sein, wir sollten weitergehen, das Wetter sieht nicht so aus, als würde es auf uns warten, und ich denke das du das Kleingedruckte hättest lesen sollen, außerdem kannst du jederzeit umkehren, niemand hindert dich daran!“, Walt hatte das Wort ergriffen.

„Schon gut, schon gut!“, murmelte der Jäger frustriert, und die Gruppe setzte ihren Weg fort.

 

„Hast du diesmal eventuell vergessen die Namen zu überprüfen?“, wollte Walt vorsichtig wissen.

Tucker stapfte mit stark gerunzelter Stirn neben Walt her, „Ja!“, antwortete er knapp, und ärgerte sich über sich selbst.

„Sie hat dir ja wirklich ganz schön den Kopf verdreht!“, bemerkte Walt lachend.

„Dad!“, murrte Tuck, und sah zu ihm.

„Werde ich in den Genuss kommen, und das Objekt deiner Begierde kennenlernen?“, fragte Walt immer noch schmunzelnd.

„Vielleicht!“, flüsterte Tuck, sie kamen an einen Bach, eine Weile begleitete dieses freundliche Gewässer die Gruppe, bis sie immer tiefer im Wald verschwanden, die Bäume standen nun schon fast drohend über ihnen, das Dickicht war dichter geworden, die Sonne hatte sich verabschiedet, Wolken bildeten sich wieder, der Weg wurde ein wenig matschig und rutschig.

 

„Caro!“, flüsterte Em, und hatte sich über sie gebeugt, sah sich ein wenig hilflos um, wenn man einen Touristen brauchte war keiner da, „Ira!“, schrie sie so laut sie konnte, doch Ira hatte das Radio laut gemacht, und schwebte gehörlos durch ihre Küche.

„Caro wach auf!“, rief Em verzweifelt.

 

„Ich habe mir extra Munition mitgebracht, falls man doch etwas anderes entdecken würde!“, flüsterte der Mann seinem Freund zu.

„Das ist verboten, du wirst Ärger bekommen, John!“, wisperte dieser.

Walt sah auf seine Uhr, nach genau zwei Stunden entdeckten sie ein Zeltlager, lauter Iglu-Zelte standen im Kreis um eine große Feuerstelle, die noch nicht ganz kalt war, die kleine Gruppe sammelte sich in der Lichtung, es hatte wieder leicht zu regnen begonnen, „Hallo, ist wer zu Hause!“, rief Fred.

Nichts regte sich, Totenstille herrschte, die Männer sahen sich vorsichtig um, das geschossene Wild lag, oder hing sauber an einem Fleck, Walt zog den Reißverschluss eines der Zelte auf, ein Schlafsack lag darin, Schuhe, Kleidung, ein Gewehr und Munition, „Tuck!“, rief Walt leise, und winkte seinen Sohn heran, „Irgendetwas ist da faul!“

„In den anderen Zelten sieht es auch nach Panik aus!“, entdeckte Tucker, und schien vorsichtig zu werden, seine Hand umklammerte das Gewehr.

„Hier ist Blut!“, rief einer der Truppe, die anderen stürzten zu ihm, auf einem Klapptisch lag ein Messer, daneben ein Tuch, „Vielleicht haben sie ein Tier ausgenommen!“, sagte Fred, und sah sich unwohl um, der Wald schien zu wachsen und man konnte ihn optisch kaum noch überblicken.

„Last uns weitergehen!“, riet John, sah sich mit wachsamem Blick um.

„Leute!“, rief Alex, die einzige Frau der Gruppe, „Tierspuren!“

Tucker zischte kurz, und sah sich die gut sichtbaren Spuren im Matsch genauer an, sie schienen sich um das ganze Lager auszubreiten, er sah zu Walt, schloss kurz seine Augen, atmete tief durch, „Lasst uns weitergehen!“

 

Em war in die Küche gegangen, um Tee zu kochen, mit zitternden Fingern stellte sie mehrere Tassen auf das Tablett, Ira gesellte sich neben Em, legte ihre Hand auf die ihrer Freundin, beide sahen sich lange an, „Ich habe dir vertraut!?“, flüsterte Em rauchig.

Ira schüttelte ihren Kopf, schlug ihre Augen nieder, „Es tut mir leid, dass es so kommen musste, Em, aber eins musst du wissen, du bist die beste Freundin, die ich je hatte!“

Kenny betrat das Lokal, die beiden Frauen sahen schweigend zu ihm, er blieb stehen, und neigte seinen Kopf leicht, „Em?“

„Caro!“, sagte diese wuselig, und deutete nach oben, Kennys Blick wurde wachsam, er nickte nur und verschwand über die Treppe in den ersten Stock, dort entdeckte er Caro, sie lag auf der Couch, ihr Gesicht war kalkweiß, und sie atmete flach, er kniete sich neben sie und fühlte ihren Puls.

 

Unruhe hatte sich ausgebreitet, und heftige Diskussionen angezettelt, es wurde laut spekuliert, und John fühlte sich augenblicklich bestätigt, „Ich habe es immer gesagt, aber mir wollte ja keiner glauben!“, warf er in den Wald, und der Wald antwortete mit dem hysterischen Gekreische mehrerer Vögel, die aufgeschreckt aufflogen.

„Wir sollten umkehren Tucker!“, meinte Walt unsicher, sein Blick folgte der Vogelschar am Himmel, wie sie immer kleiner wurde.

„Sie waren sicher alle jagen!“, versuchte sich Tuck zu beruhigen, und dann sickerten Caros und Kennys Worte in sein Gedächtnis, die Silberkugel, die mit der Sig-Sauer kam, was um Gottes Willen war hier los.

„Stellt sich die Frage wer in diesem Part die gejagten sind!“, überlegte Walt laut, und sah sich um, „Und die haben jetzt Blut geleckt!“

„Wie praktisch!“, schnaubte Tucker missgestimmt.

 

Em rührte in der Kanne herum, und entfernte das Tee Ei, eine köstlich duftende Sommermischung schwebte an ihre Nase.

„Mir war aus heiterem Himmel schwindelig!“, flüsterte Caro, und öffnete ihre Augen, Kennys blitzblauen Augen musterten sie ruhig.

Ein Finger legte sich an ihren Hals, streichelte sie sanft, er konnte das Pulsieren ihrer Vene spüren, ihr Herzschlag wanderte sanft durch ihn hindurch, entlockte seiner Kehle ein feines Stöhnen.

Em rührte immer noch in der Kanne herum, der Tee kreiselte vor sich hin, „Ira, darf ich dich etwas fragen?“

Ira kam wieder aus der Küche, und blieb vorsichtshalber in der Tür stehen, „Frag!“

„Diese ganzen Spekulationen, der Tote, die nächtlichen Überfälle, Kenny, usw., hast du etwas damit zu tun?“, fragte Em konsequent.

Ihre Freundin prustete, „Em, das ist eine lange Geschichte, und die kann ich nicht zwischen Tür und Angel erzählen, und ja, ich habe etwas damit zu tun, und nein, ich kann, und darf dir nichts erzählen, eure Leben hängen am seidenen Faden, aber bald wird es zu Ende sein, für immer…!“, Iras Stimme klang weich, sie zwinkerte eine Träne aus ihren Augenwinkeln heraus, und verschwand wieder in der Küche, ließ Em verwirrt zurück.

 

Caro hatte sich wieder erhoben, ihre Knie waren immer noch aus Glibber, „Hier!“, meinte sie, und kramte die Ampulle aus ihrer Hosentasche, gab sie ihm, eine kleine Weile lag sie in seiner Handfläche, wieder kamen tausend Erinnerungen zurück, er schloss seine Augen, wurde durch die Zeit gezogen, konnte plötzlich Düfte wahrnehmen und Stimmen hören, das Gespräch bei Stephano, die Abfuhr, die sie ihm elegant erteilt hatten, dann wieder ein Flash aus tausend Lichtern, bunt, wild, unnatürlich, mehrere Personen, deren Gesichter er nicht kannte, ein höhnisches Lachen, kein Ausweg mehr, er versuchte sich zu retten, geschmeidige kräftige Bewegungen, schnell und elegant, jedoch nutzlos, Schmerzen, die seinen Geist ertränkten, Blut, Stille, Dunkelheit, Hände die ihn berührten, einen Raum, vier Wände, anonym, wieder Stimmen, die ihm sagten, was nun mit ihm passieren würde, eine Schatulle wurde geöffnet, etwas heraus genommen, ein kleiner Stich, Gedanken verbrannten wie ein Stück Papier, flüchtig und schnell, Übelkeit, Kälte, es war als würde sein Körper tausend Tode sterben, wie ein Ertrinkender versuchte er wieder an die Oberfläche zu schwimmen, doch er kam nie dort oben an…

Em nahm das Tablett und stieg die Treppe hinauf in den ersten Stock, blieb wie angewurzelt stehen, schnappte kurz nach Luft und versuchte nicht über zu reagieren, „Ein Aspirin vielleicht, oder Melissengeist!“, dachte Em laut, und sah Caro fragend an, die sie zu sich winkte, das Tablett bei Seite stellte.

 

Der Himmel öffnete wieder seine Schleusen, und die Wanderer wurden nass, auch das Blätterdach der Bäume schützte sie nicht mehr.

Endlich tauchte die Hütte auf, wobei Hütte nicht mehr ganz gerechtfertigt war, eher schon Luxusunterkunft, Walt und Tuck hatten die alte Behausung gekauft und umgebaut, eine richtige freundliche Umgebung geschaffen, man musste heute schon etwas bieten, um die Gäste befriedigen zu können, vor allem Duschen, ein WC und Komfortbetten.

Tucker sperrte die Tür auf, und betrat die Blockhütte, die anderen folgten ihm, warfen ihre Rucksäcke auf den Boden und sahen sich genau um, „Nett hier!“, sagte John, und legte sein Gewehr vorsichtig bei Seite.

Walt hatte einen Arm voll Holz dabei, und machte gleich mal Feuer, Jacken wurden ausgezogen, und aufgehängt.

Die Runde hatte sich gut zusammengefunden, Alex kochte Kaffee, während Walt die Truppe unterhielt, trat Tucker vor die Hütte, der Regen hatte sich in einen unaufhörlichen Dauerregen verwandelt, Wind und Kälte schlichen sich durch seine Jacke, er saß auf der Holzbank und ließ seinen Blick schweifen, hier oben sagten sich Fuchs und Hase gute Nacht, unendlich viel Natur um einen herum, der relax Effekt bei dieser Geschichte hatte sich eingestellt, er lehnte am Haus und hing seinen Gedanken nach.

 

Mark blieb verschwunden, Lucien war zu Mrs. Ettking gefahren, die alte Frau öffnete, beäugte ihn misstrauisch, „Hallo Mrs. Ettking, ich wollte sie fragen, ob Mark bei ihnen aufgetaucht ist?“

„Mark, wer will das wissen!“, meinte sie spitz.

„Ich bin Lucien!“, erklärte er, sie öffnete ihre Tür und bat ihn herein.

„Das ich auch noch einmal in den Genuss deiner Person komme, hatte ich nicht gedacht!“, sagte sie leicht, und ging voran.

Lucien lächelte sanft, „Es ist mir auch eine Ehre Mrs. Ettking, nach so vielen Jahren!“, hauchte er.

Sie trat zu ihm, und umarmte ihn fest, „Mein Mann hätte sich sicher sehr gefreut, aber nun zum wesentlichen, du suchst Mark, er ist nicht erschienen heute!“, erzählte sie ihm leise.

Lucien kniff seine Lippen fest zusammen, „Und wo er eventuell sein könnte?“

Sie zuckte mit den Schultern, „Ihr solltet ihn finden, vorausgesetzt sie haben ihn nicht schon gefunden!“

„Ist er denn in Gefahr?“, wollte Lucien schnaubend wissen.

„Er ist die Gefahr!“, sagte sie ein wenig stockend.

Luciens Augen weiteten sich, er fuhr sich nervös durch sein halblanges Haar, „Das hatte ich befürchtet!“

„Falls es denn so wäre, und sie hätten ihn schon, dann habt ihr ihn verloren Lucien, er war ihr gelungenstes Werk, so etwas gibt man nicht auf!“, meinte sie, und setzte sich in ihren Sessel.

Lucien schüttelte seinen Kopf, „Ich war mir so sicher!“

„Das war sich Josephine auch, ihr Gegenmittel wirkte, ganz zum Leidwesen der anderen, also mussten sie etwas tun, seine unkontrollierten Verwandlungen waren für sie wie ein gefundenes Fressen, in diesen Zeiträumen verabreichten sie ihm immer wieder ihr Serum, das bei ihm zu massiven Gedächtnislücken führte, er war sich seiner nicht mehr sicher, hatte Zweifel an allem!“, traurige Wahrheit füllte den Raum, Lucien hatte sich auch gesetzt.

„Dann ist es wohl besser, wenn er…!“, Lucien vollendete seinen Satz nicht.

„Stirbt, es wäre eine Erlösung, denke ich, bevor er noch jemanden tötet, den er…!“, Eleana sah zu Lucien, „Liebt!“, ergänzte dieser trocken.

„Der Brief seiner Eltern, was ist damit?“, fragte er weiter.

„Oh, ja, das war so was wie eine Art Druckmittel!“, erklärte sie.

„Caro und Kenny?“, setzte Lucien hinzu.

„Kenny hätte fast die Blase zum Platzen gebracht, und Caro war als effektvollstes Mitglied der Truppe, immer in Gefahr, dass wusste Kenny, und wich ihr nicht von der Seite, ganz zum Leidwesen unserer Caro, die immer ungehaltener wurde, und genauso reagierte, wie sie es erwartete hatten, mit wachsender Antipathie gegen Kenny.

„Also war alles, dass sich in dieser Zeit ereignete durchdacht und geplant?“, erkannte Lucien trocken.

Eleana nickte ruhig, „Alles, man hatte Kenny in Adrians Machenschaften eingeschleust, ihn zum Buhmann degradiert, man wollte das Serum, die ganzen Namen der Probanden und der Drahtzieher, ringsherum hatte man Missgunst gesät, die Umgebung aufgehetzt, und fast jeder spielte mit in diesem Spiel aus Herrschsüchtigkeit und Macht, auch du und Leon, ihr alle. Kenny verlor seinen Titel dafür, und nahm es hin, man nahm ihm Caro, und er konnte nichts tun dagegen, und ein guter Schauspieler war er allemal, er hatte damals ein Kästchen erhalten von Adrian, gefüllt mit Serum, der Plan und das Ende nahten, mit diesem Beweis ging er zu seinem Vorgesetzten, ohne zu wissen das die Drahtzieher und Intriganten in der obersten Position saßen, das Kästchen verschwand, aber Kenny hatte alle Beweise kopiert und gut verwahrt, aber wem konnte er noch glauben und trauen, er folgte einem Hinweis, Italien, doch das war die Falle, sie waren sich ein für alle Mal sicher dass sie ihn los werden würden, den Rest kennst du!“

Lucien schnappte nach Luft, „Und das Buch?“

„Das gute Buch, eine Versicherung, jeder war hinter ihm her, auch wenn der Inhalt nur eine Liebesgeschichte beinhaltete, geschrieben von einem Meister der Künste, abgesegnet durch einen Hexenmeister, alles Humbug, aber wenn man nur fest an eine Sache glaubt, dann hat sie manchmal einen Glückseffekt, als Caro jenes Buch ins Meer warf, erfüllte sich ihr Wunsch, manchmal geschehen eben noch Zeichen und Wunder!“, lächelte sie zart.

„Puh, ich bin schockiert, und die ganzen Geschehnisse auf der Insel?“, hauchte Lucien entgeistert.

„Ira, Kennys Schatten in der ganzen Geschichte, sie war sein Kontakt, seine rechte Hand, unsichtbar, bis jetzt!“

„Caro!“, murrte Lucien, Eleana nickte, „Wie sollte es auch anders sein, sie hat sie beobachtet und glaubt nun, dass Ira an den ganzen Taten und Ereignissen mit Schuld ist, aber Schuld ist so gesehen jemand ganz anderer, nämlich Adrian, der Drahtzieher auf diesem Inselchen!“

Eleana nickte, „Die ganze Geschichte spitzt sich zu!“

 

Kenny hatte seinen Kopf in Caros Schoß gelegt, und sie mit seinen Armen fest umklammert, weinte, Em kam zu den beiden und sank neben ihm auf den weichen Kuschelteppich, streichelte seinen Rücken, ihre Augen liefen in Caros Gesicht, sie konnte ihre Tränen nicht zurückhalten, schniefte, und wischte sie sich aus den Augen, sein Körper bebte und nach einer kleinen Weile, hatte er sich einigermaßen gefangen, Em reichte ihm ein Taschentuch, dort verbarg er sein Gesicht, und wand sich ab, es war ihm peinlich, dann setzte er sich neben Caro auf die Couch, die beiden Damen hatten keine Worte parat, waren immer noch sehr mitgenommen, Em schenkte mit zitternden Fingern Tee in die Tassen, reichte sie in die Runde, jeder nahm einen Schluck, dann ergriff Caro das Wort, nachdem sie ihre lahmen Knochen zurecht gerückt hatte.

„Darf ich?“, ihre Stimme klang unwirklich, er sah sie nur fragend an, ebenso Em, die gar keinen Plan hatte, ihre Finger knöpften sein Hemd auf, doch seine Hand ergriff schnell ihre, Ems Blick sprang hin und her, doch sie entschlüpfte seinem Griff und öffnete weiter Knopf für Knopf…

 

Die Zeiger der Uhr wanderten in die späte Nachmittagsstunde, man hatte sich noch eine Stunde über diesen verlassenen Zeltplatz unterhalten, und neigte danach zum Aufbruch, die Jäger zogen ihre Jacken wieder an, schnürten Bergschuhe und Trekkingstiefel, ergriffen ihre Gewehre, traten in die kühle Nachmittagsluft, der Regen hatte nicht aufgehört, war eher noch stärker geworden.

Walt hatte sich seinen Feldstecher um den Hals gehängt und wartete auf Tucker, der eigentlich seinen neuen Bogen ausprobieren wollte.

„Und du glaubst, dass du, mit diesem Ding etwas erlegen wirst, die Tiere lachen dich doch nur aus damit!“, neckte ihn John, und steckte sein großes Buschmesser weg.

Gegen John war ein Guerillakämpfer zaghaft bewaffnet, er sah auf seinen Kompass, und in die Runde, „So, können wir dann!“, forderte er die anderen wirsch auf.

„Sicher doch!“, meinte Tucker, und führte die Truppe in den Wald, wieder war es ein wenig unheimlich, sie stapften über den kleinen Weg auf eine Lichtung zu, Walt trat an Tucks Seite, „Ich habe das Gefühl, als würden wir beobachtet!“, flüsterte er, und sah in den Wald, die Bäume schienen sich von der Stelle zu bewegen, Steine lagen nicht mehr da wo sie sonst immer gelegen hatten, man plauderte über den letzten Jagdausflug, und tauschte Gedanken aus, „Ich habe von euren…hast du das auch gesehen?“, fragte Walt urplötzlich, und blieb stehen.

„Nein, was, hör auf damit!“, murrte Tucker, und sah seinen Vater streng an, boxte ihm in die Seite.

„Dort drüben!“, rief er, und zeigte in den Wald, nun konnte es Tucker auch erkennen, das Unterholz bewegte sich und die Farne schwankten hin und her, John hatte sich schon gerüstet, die Jagdtruppe verschwand hinter den Bäumen und legte sich auf die Lauer, doch dann war es verschwunden, das Unterholz regte sich nicht mehr, „Wir sind gleich an der Lichtung!“, rief Tucker in die Runde.

„Das ist unheimlich, hier!“, bemerkte Alex, und kassierte einen trüben Blick von Fred, war ja klar Frauen gehörten nicht wirklich in den Wald.

Man legte sich auf die Lauer und wartete, Tucker hatte sich ein wenig abseits durch den Wald bewegt, jedoch immer mit einem Auge bei seiner Gruppe, auf dem nassen matschigen Waldboden konnte er mehrere Fußspuren entdecken, unter anderem auch von Tieren, mit einem zischen betrachtete er die Abdrücke, und sah sich um, dass hier waren keine Füchse oder Luchse, dazu waren sie zu groß, heute würde es schnell dunkel werden, vielleicht sollten sie in die Hütte zurückkehren.

 

Als sie ihr Werk beendet hatte, schob sie das Hemd zur Seite und entdeckte eine Schusswunde, „Woher, ich meine, das ist doch eine Schusswunde!“, schnaubte Em entsetzt, und trank einen Schluck Rum pur aus ihrer Tasse.

Caro hatte einige seiner Erinnerungen aufgefangen, und gesehen wer auf ihn geschossen hatte, es war Adrian gewesen, er zupfte das Hemd wieder an seinen Platz und atmete tief durch, die Wunde war immer noch nicht ganz verheilt, „Die Kugel war mit Silbernitrat gefüllt, oder?“

Er nickte nur, und legte seine Hände in den Nacken, senkte seinen Kopf, Em schüttelte nur ihren Kopf, „Ich verstehe kein Wort!“

„Egal, du musst das nicht verstehen!“, sagte er hastig.

 

Die ersten Gäste betraten das Lokal, Em erhob sich wirr. „Ich denke, dass ich mit deinem Leben nicht mithalten kann Kenny!“, wisperte sie gestrandet, wagte es nicht umzusehen.

Caros Herz raste, diese Worte kamen wie ein Gewitter aus heiterem Himmel, er sog die Luft laut durch die Zähne ein, „War klar, wer kann das schon!“, flüsterte er fast lautlos.

Em stieg die Treppe hinunter, und begrüßte, so gut gelaunt wie es die Situation gerade eben erlaubte ihre Kunden.

„Kenny!“, rief Caro aufgebracht, und rückte sich wieder zurecht, wedelte wild mit ihren Händen, die er flink ergriff und zum Stillstand bewegte. „Ich denke, dass du weißt, was in naher Zukunft geschehen würde!“, meinte er wütend.

„Du hättest es wenigstens einmal versuchen können!“, forderte sie ärgerlich, er hatte sich erhoben, immer noch gefangen in seinen Erinnerungen, wanderte er auf und ab.

„Sicher, hätte ich, und dann, sie wäre ständig in Gefahr, das weißt du am besten oder, und ich kann nicht ständig hinter ihr herlaufen, nur weil irgendein Adrian Verschnitt sich an mir rächen will, außerdem hast du das Wichtigste vergessen!“, seine Stimme war zerbrochen, er sah zu Caro, fesselte sie mit seinem Blick.

„Ich verstehe!“, schnaufte sie, und war langsam aufgestanden, ging an ihm vorüber, war auch auf dem Weg nach unten, Em erschien auf der untersten Stufe, „Besuch für euch!“

 

Das Zwielicht der Dämmerung breitete sich gehässig aus, und verschlang unsere Jäger, es regte sich schon seit fast zwei Stunden nichts, der Wald schien leer zu sein, „Wo sind denn die ganzen Tiere hingekommen!“, fragte Alex flüsternd, ihre Finger waren langsam steif gefroren.

„Das ist eine wirklich gute Frage!“, bemerkte Walt.

 

Als Caro die Besucher erblickte, wurde ihr augenblicklich wieder ein wenig schwummerig, Kenny war dicht hinter sie getreten, stupste sie sachte.

Der Besuch saß an einen der hintersten Tische, abseits des regen Treibens, unsere beiden Grazien gesellten sich dazu. „Hallo!“, Caros Stimme hörte sich trostlos an.

„Hallo Caro!“, rief Lina, und war aufgesprungen, ihre schlanke Gestalt tänzelte zu ihr, und umarmte sie schwungvoll, Kenny räusperte sich, und musterte die junge Frau genau, und da war etwas in seinem Blick. „Kennen wir uns nicht?“, meinte er gelassen, fühlte sich aber nicht wirklich danach.

„Ich bin Lina!“, flötete sie, und schüttelte ihm die Hand, setzte sich danach wieder.

Caro und Kenny setzten sich auch, Lucien warf ein trockenes Hallo in die Runde, „Kommen wir doch gleich zum Geschäft!“, meinte Will leise, und sah sich nervös um.

Em beäugte die kleine Gesellschaft genau, schnappte sich die Karte, und erschien neben Kenny, „Was darf ich euch zu trinken bringen Jungs und Mädels!“, ihre Stimme versuchte froh zu klingen, aber ihr Gesichtsausdruck sagte etwas anderes, Will hob seinen Blick, ein charmantes Grinsen erschien, „Für mich Kaffee, bitte!“, er ließ seinen fragenden Blick schweifen, Luciens tiefgründige braunen Augen schwebten zu Em, „Dasselbe bitte, Lina?“

Lina zwinkerte ein paar Mal, ihre blitzblauen Augen funkelten, Kenny konnte seinen Blick kaum abwenden, Em merkte das wohl, und schürzte ihre Lippen, „Cappuccino, mit Milchschaum!“, bestellte Lina hell.

„Kenny?“, fragte Em leise, seine Hand hatte sich auf ihren Rücken gelegt, Wärme strömte durch sie hindurch, ihr Blut rauschte, und ihre Wangen röteten sich, sie schob ihr Kopftuch verlegen nach hinten, und ihre großen Augen sprühten, ihre gute Laune schien wieder aufzuflammen, „Nichts danke!“, hauchte er ihr zu, und brachte sie wieder aus der Fassung.

 

Lina kicherte sanft und beugte sich vor, ihre ebenmäßigen Gesichtszüge verformten sich zu einem weichen Traum aus ewigem Glück, und diesen Blick schickte sie Em, deren trauriges Herz plötzlich wieder schlug.

„Danke!“, sagte Em, und verschwand schnell in der Küche.

„So nun zum Geschäft!“, meinte Lucien, und musterte Kenny, „Wie geht es dir?“

Kennys Lippen kräuselten sich, „Gut, aber mein Gesundheitszustand ist sicherlich nicht der Grund das ihr hier seid, oder!?“

„Nicht unbedingt, es geht um die Namensliste, und das Serum!“, Luciens Stimme war kaum hörbar.

Kennys Puls erhöhte sich, „Und?“, presste er hervor.

Lina kramte in ihrer Tasche herum, und förderte eine Mappe zu Tage, schob sie über den Tisch, „Hier!“

Kenny öffnete sie, und wieder kamen Erinnerungen wie ein Unwetter im Spätherbst, Ben hatte die Liste aus dem Krankenblatt erstellt, und einige Namen mit Marker herausgehoben, Kenny schnalzte mit der Zunge, sah in die Runde, „Das ist die Liste, schön, und gut, habt ihr das Serum auch?“, fragte er Lucien.

„Nicht wirklich, wir konnten den Weg der Ampullen bis zu der Insel hier zurückverfolgen, aber die anderen wissen, dass wir es wissen, es könnte sein, dass sie die restlichen Ampullen verschwinden lassen!“, erklärte Will nüchtern, und sein Blick hatte sich an Em geheftet.

„Wer sind die anderen?“, warf Caro neugierig ein, und Lina tauchte wieder in ihre Tasche, legte diverse Dinge auf den Tisch, als sie das Gesuchte gefunden hatte, packte sie den Rest wieder weg, und stellte eine feine Viole in die Mitte des Tisches, das hauchdünne geschmackvoll verzierte Utensil, strahlte magisch „Beantwortet das meine Frage?“

Lina schüttelte ihren Kopf, „Das ist mir gerade eingefallen, bin manchmal ein wenig schusselig, wahrscheinlich hätte ich es vergessen!“

„Oh, gut, dann eine Antwort auf meine Frage, oder soll ich sie mir selbst beantworten?“

Lucien nickte schalkhaft, und dann kam Em an den Tisch, das Gespräch verebbte, servierte den Kaffee und stellte einen Teller mit schmackhaften Dingen auf den Tisch.

 

Cooper wanderte in das Lokal und sah sich neugierig um, „Hallo Em!“, rief er brummig in den Raum, und setzte sich an die Bar, Em schwebte heran, „Hallo Coop, was darf ich dir bringen?“, wollte sie freundlich wissen.

„Einen Tee, bitte!“, meinte er, und nahm seinen Hut ab, legte ihn auf den Stuhl neben sich. „Du Em, ist Tucker heute nicht mit einer Gruppe unterwegs?“, fragte er beiläufig.

Em stellte die Zuckerbüchse, Milch und Zitrone auf die Bar vor Cooper und nickte, „Ja, schon den ganzen Tag, warum?“

„Hm, hat er sich schon gemeldet?“, fragte er weiter.

„Nein, bei mir nicht, aber vielleicht bei Caro, soll ich sie mal fragen?“, Em setzte ein sorgenvolles Gesicht auf.

„Frag sie, bitte!“, meinte Cooper, und hatte die Gruppe entdeckt, „Sie haben Besuch?“

„Ja, Freunde von Kenny und Caro!“, krümelte sie eifersüchtig.

Em erschien wieder am Tisch der anderen, flüsterte etwas in Caros Ohr, Lina hatte es gehört und wurde aufmerksam, „Entschuldigt mich mal!“, sagte Caro leise, und erhob sich von der Tafel, ging mit Em an die Bar zu Cooper.

Luciens Blick wanderte in Linas Gesicht, „Sie sprachen von einem Tucker!“, hauchte sie in die Runde, Kennys Augen wurden wachsam, und starrten Lina an, „Du bist ein Vampir?!“, schoss er überrumpelt.

Linas helles Lachen waberte zu ihm, er lehnte sich mit versteinertem Gesicht zurück, „Ich muss zugeben, dass ich positiv überrascht bin, euch gemeinsam hier sitzen zu sehen!“, seine Stimme klang erfreut.

„Nur eine kurze Info, ich bin ein Halbblut, was sich manchmal ein wenig schwierig gestaltet, und ich kann die beiden ganz gut leiden, auch wenn sie manchmal ziemlich ätzend sein können!“, lachte sie frisch.

„Interessant, Vince würde sich über diesen Erfolg freuen!“, fing Kenny vorsichtig an.

„So ganz einfach war oder ist es allerdings nicht, Tamira ist noch nicht wirklich davon überzeugt das es funktioniert mit uns, aber ich werde nicht lockerlassen!“, Lina hatte energisch mit der Faust auf den Tisch geschlagen, Kenny musste lachen.

Wills Blick lag bei Cooper, Em und Caro, die sich neben den Polizisten gesetzt hatte.

 

„Hallo Caro, hat sich Tucker zufällig bei dir gemeldet?“, wollte Coop wissen, und ließ sich Iras Früchtekuchen schmecken.

„Nein!“, sagte Caro knapp, und sicher würde er sich bei ihr nie wieder melden, aber das war auch egal, denn sie würde übermorgen nicht mehr da sein.

„Nun sag schon Coop, was ist denn, du machst mir Angst!“, forderte Em ihn erhitzt auf, nahm ihr Kopftuch ab, und ein dunkelblonder Haarschopf kam zum Vorschein, sauber zusammengesteckt.

„Ach, wir habe eine vermisste Wanderer Gruppe, sie sind vor vier Tagen in dieselbe Richtung wie Tucker und seine Truppe gegangen, haben dann dort auf der Lichtung ihr Lager aufgeschlagen, und jetzt sind sie verschwunden!“, erklärte Coop neutral.

„Ja, und, was wenn sie ihre Ruhe haben wollen?“, fragte Caro nicht wirklich überrascht.

„Vorgestern hat einer aus der Gruppe noch mit einem Freund telefoniert, und über seltsame Ereignisse gesprochen, und dass sie bald aufbrechen wollten, wegen des schlechten Wetters, das war sozusagen der letzte Kontakt!“, erzählte Coop ruhig, doch Em hatte bereits ihr Tuch zerknautsch.

„Von welchen Ereignissen sprichst du Coop!“, fragte Em mit dünner Stimme nach.

 

„Es gibt Probleme!“, flüsterte Will, und alle Augenpaare richteten sich auf ihn.

„Welche?“, wollte Kenny wissen.

„Der Polizist spricht von verschwundenen Wanderern, oder Jägern!“, lauschte Will.

Kenny zuckte zusammen, sah zu den dreien an der Bar.

 

„Ein paar Tage vorher hätten Wanderer ein Rudel Wölfe gesehen!“, warf Coop in den Raum, Em schüttelte sich, „So was gibt’s hier nicht!“, quiekte sie.

„Wölfe!“, hauchte Caro, und wieder kam der Schwindel zurück, sie spickte an den Tisch, der anscheinend jedes Wort mitgehört hatte, sie erhob sich ruckartig von ihrem Stuhl der gefährlich zu wackeln begann.

Em war in das Hinterzimmer gelaufen, und versuchte Tucker telefonisch zu erreichen, doch der Teilnehmer war nicht erreichbar, „Und?“, fragte Caro, als sie wieder erschien, doch Em schüttelte ihren Kopf, dann fiel es Caro wie Schuppen von den Augen, schnell trat sie zurück an den Tisch, baute sich neben Lucien auf, „Wo ist Mark?!“, fragte sie mit drohendem Unterton in ihrer Stimme.

„Genau, dass ist das Problem, er ist seit drei Tagen verschwunden!“, meinte Will vorsichtig.

Lina klappte die Mappe mit der Liste darin behände zu, doch Caro zog sie ratzfatz vom Tisch, und sprang einen Schritt zurück, denn Kenny wollte gerade danach greifen, ein glucksender erstickter Aufschrei drang aus ihrer Kehle, Mark stand auf der Liste ganz oben, und auch noch mit Marker hervorgehoben, wie grotesk, und nun saßen sie hier und diskutierten, anstatt zu handeln, wütend warf sie Lucien die Mappe hin, und stob schnellen Schrittes an die Bar, „Wo sind sie hingegangen!“

„Big Bear Hütte, wie immer!“, sagte Cooper, und erhob sich vorsichtshalber.

„Gut, dann werden wir auch dort hingehen, wenn uns schon die moderne Technik im Stich last!“, drängte Caro aufgeregt.

 

Lucien, Will, Lina und Kenny erschienen hinter Cooper und Caro, monumental und wirksam. „Wir werden gehen!“, murrte Will angefressen.

„Nicht ohne mich!“, drohte Caro, mit gerümpfter Nase.

„Und nicht ohne mich, schließlich ist er mein bester Freund!“, rief Em, und stampfte mit einem Fuß auf, sah fest in die Runde, die ihr doch ein wenig Angst einjagte, Will sah kopfschüttelnd zu ihr, „Keine gute Idee!“, flüsterte er seicht.

„Nehmt ihr mich auch mit, schließlich bin ich hier der örtliche Polizeiapparat!“, meinte Coop zynisch.

„Wollt ihr wirklich in die Nacht hineingehen?“, meinte Em vorsichtig, und bekam jetzt doch weiche Knie. „Ich meine, der Weg ist bei diesem Wetter wirklich nicht sehr gut, und Tucker macht das ja nicht zum ersten Mal!“

„Em, es wäre besser du würdest hierbleiben!“, sagte Kenny.

„Nein, ich komme mit!“, rief sie laut, „Braucht irgendwer was Warmes zum Anziehen, ich habe genug!“

Lina musterte neugierig die junge Frau mit dem Sonnenschein Lachen, „Ein paar Schuhe vielleicht?“, überlegte sie.

„Es ist nicht unbedingt von Vorteil, wenn sie mitkommt!“, riet Will vorsichtig.

„Wir sollten bald aufbrechen, heute wird es sicher bald dunkel!“, grummelte Cooper, und verließ das Lokal.

 

Em, Caro und Lina standen vor Ems Kleiderschrank, „Eine gute Kleidung macht den halben Jäger aus!“, sagte Em, und gab Lina eine wasserdichte Wanderhose, eine Jacke und Mütze.

Caro starrte aus dem Fenster, „Ich muss noch mal weg, wartet auf mich!“

„Wo willst du denn hin?“, rief Em ihr nach, doch Caro war schon die Treppe hinuntergesprungen.

Sie lief über den großen Platz am Hafen entlang und bog dann in die kleine Seitengasse ein, kam an Tuckers Laden heraus, fischte flink ihren Dietrich aus der Hosentasche und öffnete das Schloss, ging durch den Laden ins Hinterzimmer, nahm den Schlüsselbund vom Haken und öffnete damit den Tresor, dort stand die Schatulle, Caro nahm sie heraus, öffnete das geschmackvoll verzierte Behältnis, ergriff die Sig-Sauer samt Magazin und Patronen, stellte alles wieder zurück, und verschloss den Tresor.

 

Die kleine Truppe hatte sich zerstreut, Lucien und Will waren im Lokal zurückgeblieben, dann polterte Em wieder die Treppe herunter, sah aus wie ein Model für Bergbekleidung Outdoor, und Trekking, „Ihr wollt doch sicher nicht so gehen, oder?“

Lucien nickte schelmisch, und schlüpfte in seine etwas dickere Jacke, Lina war auch wieder erschienen.

„Kein Wort!“, rief sie schon von weitem Lucien und Will zu, die sich prustend abwanden, Lina sah aus wie ein Michelin Männchen, „Ich werde nicht nass, und auch nicht frieren, ihr dagegen schon!“, rief sie trotzig.

Em stand wartend an der Theke, Will trat zu ihr, „Kennst du dich dort draußen aus?“, fragte er mürrisch.

„Ja, wie in meiner Westentasche!“, sagte sie locker, und musterte den nicht allzu großen Mann neben sich, der sich vorsichtshalber sein Mützchen zurechtrückte.

 

 

Inzwischen hatten unsere Jäger kleinere Tiere geschossen, wie Hasen und einen Fasan, allerdings befriedigte das nicht des Jägers Herz, Luis schimpfte vor sich hin, und schüttelte seinen Hut aus, der Regen hob auch nicht gerade die Laune, Walt schaute durch seinen Feldstecher, und siehe da, ein Reh, vorsichtig pirschte er sich heran, das Reh trippelte in die Lichtung, auch Tucker hatte es erspäht, Walt schoss, das Tier fiel zu Boden, die kleine Gruppe marschierte durch das nasse Gras, und vor ihnen lag jungfräulich und schön, der Rehbock.

„Last uns zurückgehen, es wird bald dunkel!“, forderte Tucker seine Gruppe auf, die ihm ohne Widerworte folgte, in der Hütte angekommen war es warm und angenehm, Alex und John hatten den Küchendienst übernommen, während Walt und Tucker das Reh ausnahmen.

Fred kam mit einem Arm voller Holz hinter der Hütte hervor, „Könnt ihr mal kommen!“, rief er hastig.

„Im Wald!“, rief er leise, und fuchtelte mit einem Holscheit herum, im Zwielicht des Waldes bewegte sich etwas, und kam immer näher wurde sichtbar, eine Person kristallisierte sich aus dem Unterholz heraus, fiel zu Boden, Walt und Tucker stürzten auf die Person zu, und halfen ihr.

John und Alex staunten nicht schlecht als die vier in die Hütte stolperten, die gefundene Person setzten sie auf die lange Bank, sein Gesicht war blutverschmiert, die Haut über seinem linken Auge war geplatzt, und er faselte immer wieder etwas von einem Rudel Wölfe, dass sie überrascht und angefallen hätte, Walt ging in den Nebenraum, und kam mit dem Verbandskasten zurück, versorgte die Wunden des Mannes in den Mitte Fünfzigern, der sich mit Jack vorstellte.

„Mir gefällt das ganz und gar nicht!“, dachte Walt laut, und erntete dabei einen bösen Blick von Tucker.

„Wo sind die anderen, Jack?“, fragte Alex tiefenentspannt.

„Tot, aber ich bin mir nicht sicher, die Viecher sind über uns hergefallen und haben uns zerstreut, wir waren zu zehnt, das erste Mal bemerkten wir sie vorgestern in der Nacht, als sie um das Lager schlichen, wir zündeten ein großes Feuer an und schoben abwechselnd Wache, am nächsten Tag entschlossen wir uns zurückzugehen, doch Tim kam vom Wasser holen nicht mehr zurück, wir sind ihn dann suchen gegangen und fanden ihn, tot, am Wasser, das war dann sozusagen der Anfang vom Ende, wir wurden scheinbar schon erwartet, aber irgendwie war das komisch, es war als würden sie jemanden suchen, jemanden ganz bestimmten, und den haben sie nicht gefunden, aber es war auch schon zu spät, ich habe mich totgestellt und habe gehofft hier jemanden zu finden!“, erzählte er rauchig.

 

Die bunt gemischte Gruppe trottete wortlos nebeneinanderher, bis Will das Wort ergriff, „Wir werden vorgehen, vorsichtshalber!“

„Wir bleiben zusammen!“, rief Cooper laut.

„Wir sind schneller!“, murrte Will, genervt.

„Wer auch immer, hat vor uns mit der Aktion in den Wald zu locken, um dann ungehindert über uns herfallen zu können!“, sagte Lina zögerlich.

„Alle auf einen Streich, wie geschickt, und der Köder, Tucker!“, überlegte Kenny, und zog den Reißverschluss seiner Jacke höher.

„Wer ist denn dieser Tucker?“, wollte Lina unbedingt wissen, und empfand die Gegenwart ihres Jetztzeit Vaters als sehr angenehm und charmant.

„Ihm gehört ein kleines Jagdzubehörgeschäft im Ort, und er hat eine Liaison mit Caro!“, sagte Kenny vorsichtig.

„Wauwi, wie romantisch, und sieht er gut aus?“, Linas helle klare Stimme flog durch den Regen.

Kenny sah zu ihr, stutzte, „Könnte es sein, dass wir die Lage der Dinge nicht ganz erfassen?“

„Die Lage, oh, sicher doch, Moment lass mich das mal eruieren, eigentlich wollen sie dich, weil du der Allwissende hier bist, aber so gesehen wollen sie auch Caro, weil sie so lecker schmeckt, und so gesehen bekommen sie dann gleich drei auf einen Streich, und wir sind eigentlich nur da, um Mark einzufangen!“, ihre Hände kreisten wild hin und her.

„So in etwa, ja!“, lächelte er sanft.

 

„Warum bist du so ruhig, ich an deiner Stelle wäre im Arsch!“, sprudelte Em.

„Du bist im Arsch, Em, wenn du dich sehen könntest, und ich bin nicht ruhig!“, polterte Caro aufgebracht.

„Hoffentlich geht’s noch allen gut!“, schnaufte sie, und wischte sich den Regen aus dem Gesicht.

„Hoffen wir es!“, ergänzte Caro, und versuchte nicht an Tucker zu denken.

 

„Wölfe!“, meinte John zynisch, sah dabei Tucker an, der nur seine Stirn runzelte.

„Ja Wölfe, ziemlich große sogar, und aggressiv!“, keuchte Jack erschöpft.

„Ich denke, wir sollten die Augen aufhalten, heute Nacht!“, schlug Fred vor, und warf einen Blick auf sein Gewehr, das friedlich bei den anderen an der Wand hing.

„Hier sind wir sicher!“, lenkte Walt robust ein.

Der Tag neigte sich, und Nebel zog auf, legte sich auf die Lichtung und hüllte den Boden kuschelig ein, Tuck ergriff seine Jacke schlüpfte hinein, ging vor die Tür, Luft schnappen, er lauschte in die Natur und konnte wieder nichts hören, keine Laute, nur Stille und den Regen, der leise auf das Dach prasselte, ziemlich erledigt setzte er sich auf die Hausbank, und ließ seinen Blick schweifen, lehnte sich zurück und hing seinen Gedanken nach, und es waren einige Dinge zu denken, vor allem beunruhigte ihn das Verschwinden der Wanderer, keines der Handys schien zu funktionieren, was ziemlich selten vor kam, musste wohl am Wetter liegen, flockiger Nebel wanderte über das satte Grün, verwandelte die Stimmung wildromantisch.

Mehrere Augenpaare beobachteten ihn, „Das ist er!“, flüsterte eine Männerstimme knurrig.

„Gut!“, sagte eine andere, und huschte fort.

 

„Wie lange noch!“, fragte Lina Em, die auf ihre Uhr sah, und einen flehenden Blick in den Himmel warf, „Eine gute halbe Stunde noch!“, antwortete sie, und dann entdeckten auch sie die Iglu Zelte der Wanderer.

Will und Lucien verharrten in ihrem Schritt, „Sie waren hier!“, sagte Lucien zu seinem Freund.

„Drei, und sie waren ziemlich hungrig!“, erkannte Will, schnüffelte in die Luft, Em beobachtete ihn mit zusammen gekniffenen Augen, „Was macht der da?“, fragte sie Caro.

„Will ist so was wie ein Profiler!“, schummelte sie sich elegant aus der Affäre.

Lina huschte an Luciens Seite, und ließ die Umgebung wirken, „Sie sind alle weg!“

Lucien nickte stumm, winkte Will zu sich.

„Es ist nicht mehr weit!“, rief Em.

Caro hatte den Reißverschluss eines der Zelte aufgezogen und entdeckte pures Chaos, „Sie sind wohl ein wenig unter Zugzwang gewesen, die Munition liegt verstreut auf dem Boden herum!“, sagte sie zu Coop, der seinen Kopf auch in das Zelt steckte.

„Ich denke, dass mir das nicht gefällt!“, erkannte er.

 

„Was machst du, wenn du, nicht mit den beiden durch einsame Wälder ziehst?“, wollte Kenny neugierig wissen.

„Ich gehe arbeiten, und verdiene ein bisschen Geld!“, grinste Lina zaghaft.

„Du gehörst also nicht zu Tamiras Sippe?“, fragte er weiter.

Lina schüttelte ihren Kopf, „Nein, ich bin zu wenig von allem, um dazu zu gehören!“, ihre Stimme wurde zickig, Kenny musste lächeln.

„Möchtest du denn mehr sein, wäre dir denn dieses Leben so viel Wert, um es gegen dein jetziges zu tauschen?“, Kenny schnaubte leise.

„Es ist unfair nirgendwo gehöre ich richtig dazu!“, polterte sie hastig, und stolperte über eine Wurzel, schnell und elegant fing er sie auf, und dann trafen sich ihrer beiden Herzen, ein Tosen brach los, und brachte Gefühle in Aufruhr, wieder funkelten ihre Augen wie zwei Opale. „Dann wirst du lernen damit umzugehen!“, sagte er in einer bestimmt sanften Tonlage.

Lina atmete tief durch, er hatte sie berührt, ihr Vater vermied das so lange sie denken konnte, nicht einmal kuscheln wollte er mehr mit ihr, alle Zärtlichkeiten, und ihr inniges Verhältnis waren mit jenem Tag den sie immer den Tag ihres Erwachens nannte erloschen, und da war sie gerade fünf Jahre alt gewesen, es war als hätte er ihr das Herz aus dem Leibe gerissen und verbrannt, sie schnupperte die frische Regenluft, und den Duft seiner Haut, und es war wie früher, als er sich zu ihr ins Bett gekuschelt hatte um ihr eine seiner Geschichten zu erzählen, die so unheimlich spannend gewesen waren.

„Alles noch dran?“, hauchte er zärtlich, war benommen von diesem Spektakel seiner Sinne.

„Ja, danke alles noch dran, aber wie meinst du das mit dem Lernen?“, fragte sie vorsichtig nach, und beide folgten wieder der Gruppe, die nun schon fast außer Sichtweite war.

„Hattest du denn niemanden der dich führt, einen Mentor, deine Eltern, z.B.!“, fing Kenny an.

„Nein, mein Vater hasste mich, er wollte mit mir nichts zu tun haben, weil ich so war, wie ich war!“, und wieder kam der hassende Unterton zum Vorschein.

„Wer von den beiden war denn…!“, sie ließ ihn nicht ausreden, legte einen Finger an den Mund, und verharrte in ihrem Schritt, sah sich um, „Sie sind in der Nähe!“

Kenny versuchte sich zu konzentrieren, „Er ist allein, und er würde es nicht wagen, nun zurück zu meiner Frage, bekomme ich eine Antwort?!“

Lina ging einen Schritt schneller, „Mein Vater!“, knurrte sie knapp.

 

„Sind sie dir auf die Nerven gegangen?“, Alex gesellte sich zu Tucker auf die Bank.

„Ein wenig, du bist zum ersten Mal dabei, und wie gefällt es dir?“, lenkte Tucker sich ab.

„Ach ja, ganz interessant, wildromantisch, abenteuerlich, mal was anderes!“, meinte sie gelassen.

„Seit wann gehst du denn diesem Hobby nach?!“, wollte Tucker wissen, und sah zu ihr.

„Schon länger, dort wo ich sonst immer jage, gibt es ein wenig mehr Action, ich meine das jetzt nicht negativ, versteh das nicht falsch!“, erklärte sie listig.

„Nein, nein, schon gut, was schießt du denn für gewöhnlich, und wo?!“, sein Interesse hielt sich in Grenzen, kannte er doch die Sorte von Jägern, die für viel Geld auf alles schossen was ihnen über den Weg lief, unter anderem auch Menschen.

„Ich schieße selten ich fange eher!“, flüsterte sie, und erschien mit ihren Lippen an seinem Ohr, er zuckte zusammen, und seine honigkaramellfarbenen Augen blitzten, „Kann es sein, dass ich mich gerade verhört habe?“, seine Stimme hatte sich erhoben.

Sie schüttelte ihren Kopf, und lächelte seicht, „Du hast richtig gehört, ich fange, und dann töte ich meist!“, zischte sie blinzelnd eine Reihe ebenmäßiger Zähne erschienen.

Seine Finger schlossen sich um sein Gewehr, ihre Finger legten sich auf Tuckers Hand, „Das würde ich an deiner Stelle lassen Tucker, obwohl wer möchte, schon ewig leben!“, hauchte sie zynisch, und kräuselte ihren Nasenrücken.

„Was wird das?!“, fauchte er und erhob sich ruckartig, nahm sein Gewehr in den Anschlag, sie blieb sitzen und ließ ihren Blick in den Wald laufen, „Ja was wird das, kann ich dir ehrlich nicht sagen, das kommt irgendwie ganz auf die anderen an, wie wertvoll du ihnen erscheinst!“, kicherte sie laszive.

„Wertvoll?“, knurrte er, und neigte seinen Kopf leicht.

„Mach dir aber nicht allzu viele Gedanken darüber, denn du bist so gesehen nur ein Mensch!“, lachte sie und sah wieder zu ihm.

„Es reicht, wie paranoid bist du, pack deine Sachen und verschwinde aus meiner Gruppe, sofort!“, rief er wütend.

„Gut, aber ich werde dich mitnehmen, ist das ok für dich!“, keckerte sie, und sah wieder zu ihm, „Du bist wütend, dass gefällt mir!“, schäkerte Alex.

Tucker versuchte die Situation nun lieber diplomatisch zu regeln, „Es ist wirklich besser, wenn du das Camp verlässt, dein Geld erstatten wir dir zurück!“, meinte er vorsichtig.

„Das war mir der Spaß wert, können wir jetzt gehen!“, ihre Gestalt hatte sich erhoben.

Tucker richtete sein Gewehr auf Alex, die es nur beiseiteschob, „Das würde nichts bringen, ehrlich, und ich müsste dir wehtun, das wiederum wollen die anderen nicht, jetzt mach es mir doch nicht so schwer!“, sagte sie ruhig.

„Walt!“, rief Tucker, nichts regte sich, er stutzte wieder und ging an die Tür öffnete sie, ein Bild des Grauens bot sich ihm, er schnappte nach Luft, in der Hütte lagen vier Körper, blutverschmiert und sichtbar tot, grausam niedergemetzelt, „Dad!“, schrie er erstickt, und wollte zu ihm eilen, doch ein harter Schlag traf ihn, bewusstlos sank er zu Boden.

„Musst du es denn immer so spannend machen!“, murrte der Täter, nahm Tucker unter die Arme und schleifte ihn davon, das Gewehr ließ er liegen.

 

Die Lichtung erschien, samt Hütte, man konnte Licht sehen und den Rauch, der aus dem Schornstein quoll, „Gott sei Dank, sie sind in Sicherheit!“, sagte Em erleichtert, und ging schneller.

Lucien hatte Em überholt, konnte bereits das Blut riechen, Lina war an seine Seite gehuscht. „Sie waren schon vor uns da!“, flüsterte er, und sah sie lange an, ihre blitzeblauen Augen sprühten hassend, die Gruppe betrat die Veranda.

Lucien spähte durch das Fenster, schloss seine Augen, Kenny war an seine Seite getreten, öffnete die Türe, der Anblick jagte ihm einen gewaltigen Schrecken durch die Glieder, er schnaubte nur, trat ein, gefolgt von Lucien, dessen Wut tief in ihm grollte.

Caro, Cooper, und Em waren auch angekommen, „Endlich, Tucker, Walt, wir sind’s!“, rief Emma, und sprang die Stufen zur Veranda hinauf, doch Will kam blitzschnell um die Ecke gehechtet, und rumpelte Em uncharmant von der Tür weg.

„Hey was soll das!“, quiekte sie.

„Es wäre besser, wenn du da nicht hineingehst!“, sagte er gedämpft, und führte die sich wehrende Em um das Haus.

 

Caro erkannte die Aktion und rannte über die nassen Holzbretter in die Hütte, blieb schockiert inmitten des Massakers stehen, legte ihre Hände vor den Mund und versuchte nicht zu schreien, Cooper schüttelte nur seinen Kopf, „Wer ist denn zu so etwas fähig!“, keuchte er angewidert.

Kenny packte Caro und drückte sie an sich, sah sich weiter um, „Tucker ist nicht hier!“, bemerkte er.

Lucien grollte tief, und ging von Opfer zu Opfer, Lina hatte sich in eine Ecke des Raumes begeben, ihre Augen geschlossen, versuchte die Situation wirken zu lassen, Kenny betrachtete die wunderschöne Frau und musste lächeln.

„Das war nicht Mark, das war eine Frau!“, dachte sie, und bannte den Blick ihres Jetztzeit Vaters, er fing ihre frischen Gedanken auf, und nickte nur, schleppte Caro nach draußen.

Cooper kniete neben Walts Körper, „Es tut mir so leid!“, hauchte er, und legte seine Hand auf dessen Rücken, ein seichtes Stöhnen drang an sein Ohr, „Er lebt, er lebt!“, schrie er aufgebracht, Lucien kam zurück, ließ sich neben ihm auf die Knie fallen, fühlte den Puls, des Opfers, Lina hatte den Verbandskasten ausgepackt und war neben ihnen erschienen, sah von Lucien zu Cooper.

 

Caro hatte sich an Kenny geschmiegt und zitterte am ganzen Körper, „Die Chancen stehen gut, dass er noch lebt, immerhin war er nicht unter den toten!“, flüsterte er ihr ins Ohr.

„Aber was nicht ist, kann ja noch werden, sie haben ihn auf jeden Fall als Köder für euch mitgenommen, und du hast ganz recht mit dem, was du heute gesagt hast, es ist einfach zu gefährlich, sie werden immer die Zielscheiben sein!“, entdeckte Caro schniefend.

 

Über Ems Gesicht liefen Sturzbäche von Tränen, sie schlug Will mit ihren Fäusten gegen die Brust, der wütend grunzend ihre Handgelenke ergriff.

„Hör auf!“, rief er, und verzog sein Gesicht zu einer wütenden Fratze, „Waren sie dort im Haus, sind sie tot?“, schnüffelte sie, und sah ihn flehend an.

„Wer?“, murrte er, und atmete einmal tief durch, Em sank in sich zusammen, „Walt, Tucker!“, herrschte sie, weinend.

Will kannte weder Walt noch Tucker, sah sie nur an, dann zog er sie an ihren Handgelenken, die er immer noch fest umfasst hielt an sich, nahm sie in den Arm.

 

„Und was tun wir jetzt!“, fragte Lina in die Runde.

„Warten, denn wenn sie was wollen, dann kommen sie wieder, wir wissen das sie Tucker haben, vielleicht wollen sie ja tauschen!“, erklärte Lucien, und lehnte sich über die Verandabrüstung.

„Tauschen!“, knurrte Will und nagte an seiner Unterlippe, „Kenny gegen Tucker!“

„So in etwa!“, meinte Kenny und ihm war gar nicht wohl bei der Sache, er ging um die Ecke des Hauses herum, wollte allein sein, brauchte kurz etwas Abstand.

Lina war lautlos neben ihm erschienen, „Du hast Angst!“, hauchte sie glockenklar.

Kenny sah sie ertappt an, „Hättest du denn keine Angst, an meiner Stelle, immerhin haben sie mich ja schon fast einmal ins Jenseits geschickt!“

„Wie kann ich dir helfen!“, fragte sie aufgeregt, nie wäre ihr in den Sinn gekommen ihren Vater so etwas zu fragen, der große Meister hätte sie ausgelacht, doch jetzt war es anders, sie spielte mit ihren Fingern, lange feingliedrige Finger, an dessen Ringfinger ein breiter Titanring steckte.

Er schrubbte sich durch seine kurzen dunkelbraunen Haare, „Ich habe keine Kraft mehr, mein Körper macht das nicht mehr mit!“, fing er zaghaft an sich zu erklären.

Sie starrte in den Regen, „Du trägst den Ring, wo liegt das Problem!“.

„Ja, der Ring allein macht noch keinen Hexenmeister, ich habe weder Kräfte noch Magie, bin nur Mensch, falls du mir folgen kannst!“, Kennys Worte wanderten schwer durch die einsetzende Nacht.

Linas Herz schlug heftig, Rache, rief ihre innere Stimme, jetzt hast du die Chance dich zu rächen, für alles, was er dir angetan hat, sie schnaubte, und stellte sich aufrecht neben ihn, er sah überrascht an ihr hoch, „Keine Magie, keine Kraft, so ein Käse, du bist was du bist!“, ihre Stimme war fast ein Singsang, sie zwinkerte ihm zu, und hielt ihm beide Hände hin. „Nimm!“, forderte sie ihn sachte auf, „Augen schließen nichts denken!“, meinte sie leise, und der Regen trug ihre Gedanken weit fort.

 

„Wann!“, fragte sie ihn.

„Geduld, Alex, wie bist du nur auf diesen bescheuerten Namen gekommen!“, wollte er wissen, und lachte sie aus.

Sie blähte sich auf, „Ich denke es ist Zeit!“

„Ja, Zeit, gute Zeit!“, kicherte er, sein Weg führte an Ira vorbei, sie saß ängstlich in einer Ecke der Höhle, ihre Hände waren fest zusammengebunden. „Auf Verrat steht die Todesstrafe!“, grinste er ging weiter, „Mark, mein liebstes Mittel zum Zweck, jung, hübsch, gefährlich, lenkbar!“, sein Körper lag ruhiggestellt auf dem nassen kalten Höhlenboden, „Und zu guter Letzt, Seth, oder einfacher Tucker, nun ist wohl der Jäger der gejagte, und glaubst du immer noch das Caro dich lieben würde, das Verliebte auch immer so blauäugig sind, sie hat dich so gesehen nur benutzt, du weißt schon wie das ist mit der Lust, na ja manchmal überkommt sie einen, aber sei nicht traurig, es ist so und so bald ausgestanden!“, erklärte er ihm, Tucker zerrte an seinen Fesseln und warf ihm einen wütenden Blick zu, „Spar dir deine Kräfte für später, wenn ich dich vor ihren Augen foltern werde!“

 

Lucien, Will und Cooper hatten die Leichen in den Schuppen gebracht, Walt verarztet, die Spuren verschwinden lassen.

„Kommt rein die Nacht wird kalt werden!“, forderte Lucien Caro und Em auf.

„Da geh ich nicht rein!“, stöhnte Em würgend.

„Du wirst nichts mehr sehen, glaub uns!“, meinte Lucien, und war auf der Veranda erschienen.

 

Lina nahm Kenny mit sich, weit weg, „Mach deine Augen auf!“, flüsterte sie ihm ins Ohr, er tat was ihm geheißen wurde, sah sie nur verblüfft an, „Darf ich dir meine Welt vorstellen!“, sagte sie bestimmend, und drehte sich mit offenen Armen im Kreis.

Der Himmel war blau, und die Sonne schenkte ihnen Wärme, „Komm!“, forderte sie ihn lächelnd auf, zog ihre Schuhe aus und lief Barfuß über die weiche grüne Wiese, flauschig fühlte sich das Gras zwischen ihren Zehen an, Kenny folgte ihr langsam, sie sprang wie ein übermütiges Rehlein vor ihm her, ein klares Lachen klang aus seiner Kehle, Linas Weg endete, sie ließ sich in die Wiese sinken, und verschränkte ihre Hände hinter dem Kopf, Kenny erschien über ihr, „Du bist göttlich!“, meinte seine ruhige Stimme, legte sich neben seine Tochter und blinzelte in den Himmel.

„Kannst du so was wie ein gutes Gefühl spüren!“, fragte sie ihn leise.

„Ich bin umgeben davon, du bist ein sehr talentiertes Halbblut!“, entdeckte er, und schloss seine Augen wieder.

„Man tut, was man kann!“, blubberte Lina, und pflückte ein Gänseblümchen, und zupfte die Blütenblätter ab, streute sie auf Kennys Stirn, ein warmer starker Strom riss ihn mit sich, viele Eindrücke kamen zurück, Ereignisse, Ideen, Taten, Erfolge, er versank in seinem Ich, ließ sich treiben, wie wunderbar, sie summte ein Liedchen vor sich hin, dann streichelte sie seine Stirn, es war so unheimlich, so tragisch, sie berührte ihren Vater, ihr Herz schrie, endlich konnte sie das tun wonach sie sich die ganzen Jahre als Kind gesehnt hatte.

„Ich kann ihn nicht verstehen!“, warf er in den wunderbaren Traum aus Leichtigkeit.

„Wen kannst du nicht verstehen?“, fragte sie ihn vorsichtig.

„Deinen Vater, warum hat er dich nicht mitgenommen in seine Welt, welche Vergeudung!“, murrte er leise, sie schnappte laut nach Luft.

„Weil er ein konservatives Arschloch ist, und egoistisch noch dazu, ich habe mich immer um seine Gunst bemüht, aber sie nie erhalten, er hat mich schlicht und ergreifend ignoriert, für ihn zählten weder meine Tränen noch, mein Schmerz!“, und da war er wieder, besagter Unterton, Kenny öffnete seine Augen und wand sich an sie.

„Du scheinst ihn ja nicht wirklich in dein Herz geschlossen zu haben, und deine Mutter, wie war sie?“, wollte er wissen.

„Oh, Mom, sie ist einfach eine Superfrau, und meine beste Freundin!“, schmachtete Lina, ihre Finger zupften an seinen Bartstoppeln, er wischte ihre Hand weg, drehte sich geschmeidig und dann lag Lina unter ihm, ihre Augen leuchteten, sie zog einen Flunsch, „Die Kraft, die du brauchst, liegt in Caro!“, lenkte sie das Thema ab.

„Ich weiß!“, hauchte er, und musterte ihr Gesicht, Finger erschienen an ihrer Wange, „Du bist wunderschön, viel zu schön, um dein Leben nur in der Nacht zu verbringen!“

Lina juchzte und rollte unter ihm hervor, „Die Nacht, Kenny, sie kann so viel Glück bringen!“

„Oder Leid!“, sagte er trocken, und setzte sich auf.

„Ich habe da was für dich!“, rief sie, und kramte in ihrer Tasche herum, legte alles Wichtige auf den Rasen, und verzog ab und zu ihren Mund, schnalzte mit der Zunge, formte einen Kussmund, Kenny sah ihr dabei amüsiert zu, „Gleich hab ich´s!“

„Sicher lass dir Zeit!“, meinte er schmunzelnd.

Lina nahm die Viole heraus, „Ich nenn das immer Notgroschen, falls mal kein Mensch zur Verfügung steht, das kennst du sicher!“

Kenny schüttelte seinen Kopf, „Nein!“

„Ja ich vergas du stehst ja über den Dingen!“, meint Lina, und stellte die Viole auf ihr Handy.

„Nein!“, dieses Nein klang sehr kläglich.

„Es ist zwar nicht das wertigste, aber es schmeckt!“, grinste sie breit, und zeigte darauf, „Für dich!“

Er sah sie stirnrunzelnd an, „Blut?“

Sie nickte aufmunternd, „Ja, ja!“

„Ich trinke nicht jedes Blut!“, sagte er gefallen, und hatte sich erhoben, Lina sah ihm nach. „Aber es wird dir schmecken!“, rief sie klingend.

Ein heiseres Lachen brauste über die Illusion, „Es geht hier nicht nur um den Geschmack, Lina!“

„Das weiß ich doch, jetzt vertrau mir doch einfach!“, schnurrte sie, und tippte ihm von hinten auf die Schulter.

Er atmete tief durch, und nahm die Viole aus ihrer Hand, sie nickte nur…

 

Em betrat wirklich äußerst zögerlich die Hütte, und hatte dabei ihre Augen fest zusammengekniffen, „Aufmachen!“, sagte Will, und ergriff ihre Hand, die sie sehr gerne nahm.

Sie hatten Recht behalten, die Hütte war sauber, Em stellte sich gleich an das offene Kaminfeuer, hielt ihre Hände in die Wärme der Flamme.

Lina und Kenny waren zu den anderen gestoßen, Will trommelte nervös auf die Tischplatte, Caro ging zu ihm und drückte seine Finger auf das Holz, „Hör auf damit!“, knurrte sie genervt.

Wills Augen wurde zu Schlitzen, „Ich bin nervös!“

„Das kann man hören!“, murrte sie, und grummelte gereizt.

Cooper stand am Fenster und versuchte in der regnerischen Nacht etwas zu erkennen, „Was, wenn sie uns nur an der Nase herumgeführt haben!“

Niemand antwortete, Stille herrschte wie eine Mauer, Em kam sich unendlich einsam vor. Lina hatte sich zu Caro gesellt, nahm sie mit sich, gemeinsam setzten sie sich auf die urgemütliche Couch, „Was denkst du?“

„Ich habe einen Fehler gemacht, und mich auf etwas eingelassen, dessen Konsequenz ich nicht ertragen werde!“, meinte sie, und lehnte sich müde in die Kissen.

„Du meinst Tucker damit, du bist erwachsen genug, um eine Entscheidung zu treffen!“, riet Lina wachsam, „Lass mich raten, er ist dir zu normal, stimmts, oder habe ich recht!“, lästerte sie.

„Ha, ha er ist schlicht und ergreifend viel zu gut für mich, außerdem wird er dem ganzen Ringsherum nicht gewachsen sein, und irgendetwas ist absonderlich, aber ich kann nicht sagen was es ist!“, polterte Caro, Kenny sah zu den beiden, und gesellte sich dann zu Em.

„Kann ich was für dich tun?“, wollte er wissen.

Sie schniefte, „Ich bin ganz durcheinander, Mörder, Schmuggler, alles ist aus den Fugen geraten, meine heile langweilige Welt schwankt!“

Kenny sah sie nur an, „Tut mir leid, dass alles so gekommen ist, aber ich muss dir etwas sagen!“, seine Stimme klang zärtlich.

Sie nickte nur, „Spar dir deine Worte, ich weiß es doch schon lange, und ich bin auch gar nicht traurig, vielleicht ein wenig enttäuscht, aber schon gut, ich werde es verkraften!“

Er sah sie nur an, war ein wenig von den Socken, „Du hast etwas anderes verdient als dein Leben lang Ärger!“

Ihre großen Augen leuchteten, „Ja Glück!“, sagte Will, und warf Kenny einen verachtenden Blick zu.

 

Die Zeit verging, nichts regte sich, außer der Regen, der auf das Dach prasselte, Cooper hatte sich keinen Millimeter vom Fenster wegbewegt, Lucien saß immer noch in dem Ledersessel seine Sinne geschärft, und vor sich hindösend, ab und zu schenkte ihm Lina einen kleinen Gedanken, den er mit einem sanften Lächeln beantwortete.

Em war auf der Couch eingeschlafen, Will deckte sie vorsichtig zu, und sein Blick lief über ihren schlafenden Körper, „Vergiss es!“, hauchte ihm Lina in den Nacken, er sah sich übertölpelt um, „Hör auf damit Lina!“, zickte er.

Sie lächelte zynisch und schwebte an ihm vorbei, „Hier sind nur ernstgemeinte Angebote gefragt, und keine Imbissanfragen!“

„Du bist echt das durchtriebenste, das mir je über den Weg gelaufen ist!“, knurrte er kehlig, Kenny sah zu den beiden, auch Lucien öffnete seine Augen, beobachtet seinen Freund genau.

„Luftschnappen, sofort!“, schnaubte Will, und verschwand vor die Tür, seine Hände umfassten die Brüstung, und sein unruhiges Ich drängte sich an die Oberfläche, Hände wurden zu Klauen, und Fingernägel zu messerscharfen Waffen, die Iris seiner Augen wandelten sich in ein grelles gelb dessen Ränder rot umfasst waren, sein Körper verschwand in der Nacht.

Lucien konnte seinen Freund nur noch davonhetzen sehen, und schlug mit der Faust wütend gegen den Türrahmen, „Verdammte Scheiße!“

Lina erschien schmunzelnd neben ihm. „Ein wenig ungestüm der Junge!“

„Hör auf damit, ich nehme an, dass du seine Gefühle gespürt und manipuliert hast!“, knurrte Lucien wütend.

„Sicher, aber wie sollte man den Em sonst vor den bösen Monstern der Nacht schützen, Lucien!“, sagte sie hart.

„Er hätte sie nicht angerührt!“, rief er.

„Hätte er nicht, bist du dir da so sicher!“, murrte sie ihm überlegen.

Lucien trat in die rebellische Nacht und verschmolz mit ihr, „Was hast du gesehen?“

Lina lachte hell, „Das nennt man Privatsphäre, das geht dich rein gar nichts an, Lucien!“, noch im selben Atemzug wurde Lina von zwei starken Händen, die aus der Nacht schossen gepackt, und mit sich gerissen, glucksend wirbelte sie über die nasse schlüpfrige Veranda, bis Lucien den Angreifer über Lina hinweg nach unten in den Matsch beförderte, einen Wimpernschlag später, drehte sich das Bild erneut und der Angreifer schlug Luc seine rechte Klaue tief in dessen Brust, lachte dabei höhnisch. „Geht schlafen damit ihr fit seit!“

 

Caro hatte den Tumult draußen vor der Hütte gehört, mit schnellen Schritten ergriff sie ein Gewehr und stob nach draußen, Cooper und Kenny folgten ihr flink, der Regen und die vernebelte Nacht krümmten ihre Optik.

Sie lud mit einer kurzen exakten Bewegung das moderne Gewehr durch, und trat bis an den Rand der Veranda, der nächtliche Angreifer thronte immer noch über Luciens Körper, knurrte aus tiefster Kehle, sie legte an, entspannte ihren Atem, drückte ab, ein Schuss knallte durch die Nacht, das Ungetüm krachte getroffen gegen einen Baum und klatschte danach zu Boden.

„Was bin ich doch gut!“, lobte sie sich selbst, Coopers Waffe hatte sich in seinem Holster verkeilt, und als sie endlich befreit war, kam jede Hilfe zu spät, Caro war bereits in den Regen hinausgetreten, und ging mit gezücktem Gewehr auf das Getier zu.

„Bleib weg von ihm!“, keuchte Lucien, konnte sich kaum bewegen, Schmerzen brannten säureartig in seiner Brust, doch sie überging seinen Zuruf, drückte noch einmal ab, jaulend rollte das Etwas zur Seite, erhob sich jedoch sehr schnell wieder, und sprang auf Caro zu, die noch ein weiteres Mal abdrückte, bis Kenny ihr das Gewehr aus der Hand riss und ihren adrenalingesteuerten Körper zurück in Richtung Hütte zerrte.

„Wir sehen uns morgen, am Strand, vor der Schmugglerhöhle, mit der Liste, und Baker, wir dagegen bieten Tucker, Ira und eventuell Mark an!“, bellte das Getier, und lief in die Nacht.

 

Cooper schob sich seine Waffe fluchend wieder in den Holster, „Ich bin zu alt für so was, echt!“, rümpfte er seine Nase, und ging wieder in die Blockhütte zurück.

„Das war unverantwortlich, ES hätte dich töten können!“, schimpfte Kenny, und fuchtelte mit dem Gewehr herum.

„Hat ES aber nicht!“, krähte Caro, und stampfte trotzig mit einem Fuß in die nasse Wiese.

Lucien hatte sich erhoben, „Wo verdammt ist Lina?“, fragte er heiser, bewegte sich stockend in Kennys Richtung.

Die kleine Gruppe sah sich um, jedoch ohne Ergebnis, Lina blieb verschwunden, sie war dem Etwas durch den Wald gefolgt, der Regen peitschte ihr bösartig ins Gesicht, jeder Tropfen brannte auf ihrer erhitzten Haut.

 

Die Uhr an der Wand tickte gemächlich, als die drei die Hütte betraten, Kenny stellte das Gewehr in eine Ecke, schüttelte sich den Regen aus seinem kurzen Haar, und schälte sich aus seinem nassen Hemd, murmelte irgendetwas unverständliches vor sich hin, hängte sein Kleidungsstück an den Kamin, verschwand im Bad.

Lucien tat es ihm gleich, jedoch war seine Klamotte nicht mehr viel Wert, wütend warf er das Teil in den Kamin, das Feuer verebbte kurz, und antwortete mit einem bösen Fauchen, auf das nasse Kleidungsstück, Caro stand immer noch wie aufgeladen im Raum, ihr Kopf rauchte, und ihre Wut kochte, sie setzte sich, sah von Cooper, zu Em, und dann zu Lucien, der immer noch in das Feuer starrte.

„Wir…!“, fing Caro einen Satz an, wurde jedoch sofort von Lucien unterbrochen, der blitzschnell herumfuhr. „Es gibt kein wir!“, polterte seine Stimme hatte sich drohend erhoben.

„Was soll das jetzt werden, immerhin hängen wir…!“, setzte Caro wütend an, war auf ihn zugegangen, standen sich plötzlich wie zwei bitterböse Rivalen gegenüber.

„Bitte, sie wollen nur die Liste, und Kenny, kein Problem, wir werden keine Lieferschwierigkeiten haben!“, murrte Lucien sauer, und seine Gestalt wuchs drohend.

„Ihr wollt ihn ausliefern, nur wegen Mark, ich habe mich wohl verhört!“, keifte sie schrill, und weckte Em damit.

„Genau, wir wollen Mark zurück, auch wenn du das nicht verstehen solltest!“, brummte er nun, und versuchte sich ein wenig zu beruhigen.

Caros Gesicht lief purpurrot an, sie öffnete ein paar Mal nach Atem ringend ihren Mund, und ihre Lippen bebten pulsierend, der Ausbruch stand kurzbevor, aus ihren Ohren konnte man schon den Dampf quellen sehen, „Und die anderen?!“

„Die sind uns schlicht und ergreifend egal!“, und diesmal klang seine sonst so sonore Stimme spröde.

Wortlos brodelnd stand sie vor Lucien der gut anderthalb Kopf größer war als sie und in diesem Moment nicht wirklich freundlich wirkte, dann kam der Schlag und traf ihn wie aus heiterem Himmel, mitten ins Gesicht, Em quiekte, und blieb wie versteinert sitzen, ihre Augen wurden wieder riesengroß, Lucien stockte der Atem, Kenny hatte das ganze beobachtet, und betrat nun vorsichtshalber das Schlachtfeld.

Luciens Gesicht zeigte Verblüffung kombiniert mit Hass, seine braunen Augen verfärbten sich in Sekunden schnelle, zu böse funkelnden Wolfsaugen. „Sollte Mark etwas zustoßen dann werde ich dich finden!“, hauchte er, und verließ die Hütte.

Caro lief ihm nach, „Ohne mich wärst du tot!“, schrie sie ihm hinterher, der Regen verschluckte ihren verbalen Wutausbruch, ihr Körper bebte, und sie konnte das Rauschen ihres Blutes in den Ohren hören, eine Überdosis Hormone flossen durch ihre Adern, und ließen ihre Sinne flattern, sie stieß ihm noch einen Urschrei hinterher, den sie mit einer eindeutigen Handbewegung dokumentierte, dann kam wieder der Schwindel zurück, ihre Knie wurden weich und sie sank auf die letzte Stufe der Veranda, ließ den Kopf in ihre Hände gleiten.

 

Nach einer sehr ereignisreichen Nacht kam ein wenig spektakulärer Morgen, Cooper hatte seine Leute per Funk angewiesen, das Gebiet weiträumig abzusuchen, und einen Wagen an die Big Bear Hütte zu schicken, denn er hatte nicht vor, wieder vier Stunden durch den Wald zu latschen, außerdem war die Stimmung am Boden.

Man verfrachtete Walt in einen der Jeeps die Cooper angefordert hatte, und verließ den Ort des Schreckens, und das einzig Positive an jenem Morgen war wohl, dass die Sonne durch die Wolken spitzte.

 

Missgelaunt betrat Caro Lucs Bed and Breakfast, konnte schon von weitem Stimmen hören, steckte den Kopf tiefer in die Mütze, und stapfte mit gesenktem Blick am Wohnzimmer vorbei, murmelte ein klägliches Hallo.

„Na wieder zurück aus dem Märchenwald, und habt ihr unsere Jägertruppe gefunden?“, rief er fragend in den Flur.

„Nein!“, murrte Caro, und ihr Kopf erschien nun doch in der Tür, sie sah aus wie ein Zottelmonster aus der Sesamstraße, Luc musste unweigerlich lachen.

„Du siehst ein wenig zerzaust aus, wie geht’s Tucker?“, fragte er nochmal.

„Zu Punkt eins, es hat die ganze Zeit geregnet, und zu Punkt zwei, nein, wir haben sie nicht gefunden!“, zickte sie.

Lucs Lachen erstarb, er erhob sich aus seinen Gästeschar und kam in den Flur, schob Caro ein Stück weiter, „Ihr habt sie nicht gefunden, ist ihnen etwas zugestoßen?“

„Ja so kann man das auch nennen, wenn man davon absieht, dass sie sich keine Sorgen mehr um ihre Rente machen brauchen!“, bemerkte Caro zynisch.

Luc brauchte einige Sekunden, um das eben gesagte zu verarbeiten, dann sah er aus als hätte ihn der Heilige Geist persönlich zu einer Tasse Tee eingeladen, „Soll das etwa heißen, dass sie nicht mehr leben?“

„Ja, das soll es heißen!“, murmelte sie, und stülpte ihre Mütze vom Kopf, sah danach noch wilder aus.

„Alle, auch Walt, Tucker?!“, wollte er tonlos wissen.

„Walt hatte Glück im Unglück, und Tucker ist spurlos verschwunden!“, erzählte sie ihm müde.

„Und die Wanderer, was ist mit denen?“, Luc schien in sich zusammen zu sinken.

„Die sind Tod!“, bemerkte Caro.

Lucs Tag war gerade den Bach runtergegangen, er wankte in seine Küche, ergriff die Notfallflasche Whisky aus dem Sideboard, schenkte sich ein großes Glas ein, Caro war ihm gefolgt.

 

Lina hatte den Tag abgewartet, schlüpfte nun aus ihrem sicheren Versteck, der Tunnel, indem sie sich befand, war dunkel und feucht, es tropfte stetig von der Decke, ein wirklich klassischer Ort um jemanden gefangen zu halten.

Die Entführer schienen nicht zu Hause zu sein, also konnte sie ihre Schritte gezielt durch einen der Zugänge lenken, kam in die große Höhle, kleine Lampen leuchteten die hohe Räumlichkeit diffus aus, „Wie romantisch!“, flüstert sie sich zu.

Ein unbeleuchtetes Boot legte an, drei Personen stiegen aus, gesellten sich zu den beiden am Strand wartenden.

Lina stöberte weiter und entdeckte Ira, Tucker und Mark, sie waren gut verschnürt in einer Nische untergebracht, Mark lag nach wie vor im feuchten Dreck, bewegte sich nicht, Hände und Beine waren mit Kabelbindern zusammengebunden, Ira saß in einer Ecke der Höhle und zitterte am ganzen Leibe, als sie Lina entdeckte schrie sie erleichtert auf, „Gott sei Dank du hast uns gefunden!“

Lina legte ihren Finger an die Lippen, „Scht!“, zischte sie, und trat näher an Ira heran, „Wie geht’s dir?“

„Es geht, du musst Tucker wegbringen, bevor sie Mark aktivieren!“, wisperte Ira zitternd.

Lina konnte Tucker sehen, sein Körper lehnte außerordentlich gut verschnürt, an der kalten nassen Höhlenwand.

„Du bist also Tucker, he aufwachen!“, zischte sie.

„Was willst du!“, knurrte er benommen, öffnete seine Augen.

„Euch hier rausbringen!“, ihre Worte waren gerade verklungen, als man Stimmen hören konnte, die sich schnell näherten, Lina huschte in ihr Versteck zurück.

Fünf Personen betraten die Höhle, ihre Schritte hallten laut wider, „Wann werden wir das Vergnügen haben?“, fragte ein Mann Mitte fünfzig.

„Sie werden kommen, nur keine Sorge!“, antwortete der Drahtzieher.

„Das Hoffen wir für sie Adrian, sonst ist unser Geschäft hinfällig!“, sagte eine Frau.

„Dürfen wir ihnen vorab Mark vorstellen?“, lenkte Alex, alias Claudia, das Thema Versuchsobjekt.

„Gerne, auf ihn sind wir ja besonders gespannt!“, meinte der Dritte im Bunde, und sah sich naserümpfend um, „Auch wenn das Ambiente ein wenig zu wünschen übriglässt!“

„Es tut uns wirklich leid, dass wir sie nicht in einem Hotel empfangen konnten, aber sie müssen uns auch verstehen, wie würde es in ihren Augen aussehen, wenn sie einen Tag später auschecken, und das Zimmer wäre ein einziges Schlachtfeld.

„Schon gut, zeigen sie uns das Objekt!“, rief der Mann böse, zückte ein Taschentuch.

Adrian trat zu Mark, der nach wie vor regungslos im Matsch lag, „Darf ich ihnen Mark vorstellen, er ist das gelungenste Objekt ihrer Testreihe, gefährlich, kontrollierbar, und sehr attraktiv, das kann von Vorteil sein!“, bemerkte Adrian zynisch.

„Ah, ja, wir haben den Bericht von Baker damals erhalten, wir kennen Marks Vorzüge bereits!“, murmelte die Frau aus der Gruppe.

„Wir würden gerne einer Kostprobe beiwohnen, nur damit wir wissen, wo unser Geld hinfließt!“, sagte der Mitte Fünfziger.

„Bitte gerne!“, kicherte Claudia, und verschwand.

„Wer sind die anderen?“, wollte die Frau wissen, und musterte die beiden Gefangenen.

„Das sind unsere Köder, irgendjemanden brauchen wir doch um Mark zu testen!“, lächelte er.

Tucker kniff seine Lippen fest zusammen und versuchte wach zu bleiben, das Schlafmittel, das sie ihm injizierten brachte, seinen Geist zum Stillstand.

Claudia hatte eine Ampulle genommen und eine Spritze aufgezogen, war zu der kleinen Gruppe gegangen, zückte ein Handy, wählte eine Nummer, es dauerte nicht allzu lange und ein Freizeichen war zu hören.

 

Tuckers Handy bimmelte, Em erschrak, lief an den Rucksack und leerte den Inhalt hektisch aus, ein kleines Smartphone kullerte über den Tisch, „Geh rann!“, sagte Kenny, war im Lokal erschienen, frisch gebügelt und geschniegelt, Em nickte fasziniert, ergriff mit zitternden Fingern das Gerät und meldete sich, „Hallo!“, sagte sie räuspernd.

„Hallo Emma, hier spricht Claudia, steht er neben dir, sicher tut er das!?“, ihre Stimme hatte diesen speziellen italienischen Singsang, melodisch und feurig.

Em nickte, das konnte Claudia jedoch nicht sehen, dann entsann sie sich, und surrte ein kurzes klägliches ja, am anderen Ende war ein zynisches Kichern zu hören. „Gut, dann sag ihm das wir jetzt Mark wecken, und er dann genau eine Stunde Zeit hat, sich in der Schmugglerhöhle am Strand einzufinden!“

„Ja ich sag’s ihm, wie geht’s Tucker!“, flüsterte Em zaghaft, ihr Blick weilte in Kennys Gesicht, das sie ausdruckslos ansah.

Ein heiseres Lachen knatterte durch die Sphäre, „Noch gut, aber weißt du Emma, Caro geht für gewöhnlich über Leichen, und Tucker wird auch ihren Weg pflastern, einer mehr oder weniger was macht das schon aus, wir sehen uns in einer Stunde, seit pünktlich!“, mit einem melodischen Ciao endete das Gespräch.

„Sie möchten, dass du in einer Stunde in die Höhle am Strand kommst!“, flüsterte sie, und legte Tucks Handy weg, schlurfte hinter die Theke, „Wo bin ich gelandet, sag dass das nicht wahr ist!“

Kenny zischte laut, wand sich überfordert ab, wieder einmal hatte er einen Scherbenhaufen hinterlassen, „Ich geh dann mal!“, meinte er leise, fühlte sich nur noch schlecht, die erhoffte Kraft war nicht zurückgekehrt, er hatte niemanden mehr an seiner Seite der ihm half, das war wohl nun die letzte Prüfung überhaupt in seinem Leben, einmal dem Tod von der Schippe gesprungen ein zweites Mal würde Ned nicht mit sich reden lassen.

 

Claudia zerschnitt Marks Fesseln, stach ihm die feine Nadel der Spritze in die Vene und drückte den Inhalt langsam hinein.

„So, das wäre dann alles gewesen!“, sie legt die Spritze beiseite, trat zu Tucker, „Na schon aufgeregt, ich an deiner Stelle wäre es, aber was hast du schon zu verlieren, dein langweiliges Leben auf dieser Insel vielleicht, obwohl ein wenig schade ist es schon um dich, zumindest optisch gesehen!“, meinte Claudia, zog ihn hoch.

„Was wird jetzt geschehen?“, wollte die Frau wissen, und ließ ihren Blick von Mark zu Tucker wandern.

„Mark wird Tucker töten!“, sagte Adrian leicht, und ein gefälliges Grinsen schwebte in sein Gesicht.

„Und was ist daran so futuristisch?“, fragte der Mitte Fünfziger abfällig.

„Ganz einfach, alle auf einen Streich, sie wollten sehen wie das Mittel bei einem normalen gesunden Menschen wirkt, Mark ist das Ergebnis einer langen Testreihe, er hat alle Vorzüge die ein Werwolf auch hat, allein schon seine Sinne sind fast besser als die eines Wolfes, er kann besser hören, sehen, schmecken, riechen, fühlen, nimmt seine Umwelt detailgenauer wahr, und das Beste überhaupt, er wird sich bald nicht mehr verwandeln, ein Killer der feinsten Art, und das i-Tüpfelchen, er ist mittlerweile abhängig von unserem Serum, bekommt er es nicht regelmäßig verabreicht, hat er, wie bei einer starken Droge, Entzugserscheinungen, die sehr schmerzlich in Erscheinung treten, unsere Versicherung!“, lächelte Claudia.

„Sehr schön, ein Killer der Eliteklasse, man setzt ihn auf eine Spur, und er tötet gezielt das Objekt, und sollte man ihn einmal nicht mehr benötigen, dann lässt man ihn einfach elend krepieren?!“, die Stimme des Dritten Mannes wurde vorsichtig.

„Nun lassen sie uns über die Bezahlung sprechen, wir hätten gerne den ganzen Kuchen, das Geld, die Macht, das Serum, die Weltherrschaft, so was in der Art!“, rief Adrian sarkastisch.

 

Lina legte die Hand vor den Mund, sonst hätte sie wahrscheinlich laut losgelacht, Adrian war wirklich eine Klasse für sich, die Weltherrschaft, und dann das Weltall. „Idiot!“

„So war das nicht abgemacht Adrian, wir haben euch immer gut bezahlt, wir haben über die misslungene Aktion in Sachen Baker hinweggesehen, und eines darfst du nie vergessen du bist auch ein Produkt unseres Labors!“, rief die Frau ängstlich.

„Hatten wir denn eine Abmachung, vergessen, na so was, egal, Mark wird diesmal sicher ganze Arbeit leisten, und man wird sie alle nicht vermissen, und niemand hat je von irgendeiner Testreihe gewusst, einschließlich Baker, aus den Augen aus dem Sinn!“, Adrian winkte Claudia, die der Frau den Koffer abnahm.

„Danke!“, flüsterte sie, und öffnete ihn, er war voller Geldbündel, und einer Ampulle, gefüllt mit einer purpurfarbenen Flüssigkeit, Claudia nahm sie heraus. „Was ist das?“, ihr Gesicht wanderte zu dem Mann Mitte fünfzig, der ein wenig blässlich wirkte.

„Das Gegenmittel!“, knarrte die Frau trocken.

„So?“, überlegte Adrian, nahm es an sich, warf es hoch in die Luft, ließ es zu Boden fallen, wo es an einem Stein in tausend kleine Glassplitter zerbarst. „Entschuldigung wie ungeschickt von mir, aber wir werden es hier und heute nicht brauchen, und ich denke das es auch nicht das Einzige war, das sie hatten!“.

 

Claudia zuppelte Tuckers Fesseln von seinen wunden Handgelenken, begutachtete den jungen Mann kurz als wäre er ein Tier, das zum Verkauf stand, er war in eine Sache mit hineingezogen worden, von der er null Ahnung hatte, wütend über Kenny, der ihm die ganze Geschichte eingebrockt hatte schnaubte er kurz.

Claudia ergriff sein Kinn hob es an, Tuck schüttelte ihre Hand ab, „Fass mich nicht an!“, keuchte er, und seine Stimme klang bedrohlich stark.

„Warum habt ihr ausgerechnet ihn ausgewählt, was hat er mit Baker zu tun?!“, wollte der Mann Mitte fünfzig wissen, und war ein wenig aus der einsetzenden Flut getreten, die jetzt langsam den Höhlenboden benetzte, seine feinen Wildlederschuhe vertrugen keine Staunässe.

„Mit Baker indirekt, er hat etwas mit unserer lieben Caro zu tun, er hatte sich wohl Hoffnungen gemacht, zumindest hat er es ernsthaft versucht, aber unser Vögelchen fliegt gerne mal dahin mal dorthin, hat er nicht gewusst der gute Junge, und ein Manko hat er auch noch, er ist normal, mit so was kann sie nichts anfangen!“, ärgerte Adrian Tucker, der sich das alles geduldig angehört hatte, diesem Typen konnte und wollte er nicht glauben, hatte sie ihn wirklich nur benutzt, ein kalter Schauer lief über seinen Rücken, Gänsehaut überzog urplötzlich seinen ganzen Körper.

„Man hat dich verladen, Tucker, sie ist mit Mark zusammen, schon eine ganze Weile, und sie wird dir keine Träne nachweinen, glaub mir, denn er ist im Gegensatz zu dir kreativer, so nun ausgequatscht, wir sollten uns auf Kenny freuen!“, erklärte Adrian zynisch lächelnd.

Adrians Worte taten weh, er sah zu Mark, dieser Typ, Yuppie, Großstädter, so wie er sich kleidete, musste er wohl Kohle ohne Ende haben, war klar, er konnte ihr etwas bieten, ja aber ist, denn das immer das wichtigste im Leben.

 

Kenny hatte sich inzwischen an den Strand begeben, allerdings nicht ohne Cooper vorher zu aktivieren, langsam wanderte er am Meer entlang, Caro ging neben ihm her, er hatte sie nicht abhalten können mitzukommen, schließlich ging es hier um Tucker.

„Sag mal, wenn das alles hier vorbei ist, und Tucker sollte noch leben, was wirst du tun?“, fragte Kenny vorsichtig.

„Wir wollen doch nicht den Teufel an die Wand nageln, oder, sicher lebt Tucker noch, und ich weiß noch nicht wie ich mich entscheiden werde, und du, was wirst du tun?“, fragt Caro.

„Ich, gehe in meine Wohnung zurück, in mein Leben, versuche damit klarzukommen, dass sich alles verändert hat!“, meinte er unglücklich.

„Was soll sich den groß geändert haben, du lebst, sei doch froh, der Rest ergibt sich von selbst!“, munterte sie ihn auf.

„Einiges, ich bin arbeitslos, kein Hexenmeister mehr, nach wie vor funktioniert mein Körper nicht so, wie ich es mir manchmal wünsche, wer weiß, ob er es jemals wieder tut, war es das alles wirklich wert?“, überlegte er, nüchtern,

„Tja, gute Frage, ich kann sie dir nicht beantworten, aber du bist nicht allein, das darfst du nie vergessen!“

Kenny sah zu ihr, ihre Nasespitze hatte sich durch den kalten Wind, der ihr stetig ins Gesicht blies, gefährlich gerötet, unsichtbar wischte sie sich eine Träne aus dem Augenwinkel, er stoppte sie, sie sah ihn nur an…

 

Mark erwacht schwerfällig, seine Glieder schmerzten, zischen hielt er sich seinen Kopf, hatte das Gefühl, als würde er gleich in tausend Teile zerspringen, stöhnte, Adrian lief zu ihm, ging vor ihm in die Hocke, „Wie fühlst du dich?“

Mark sah langsam zu ihm hoch, seine klaren hellblauen Augen leuchteten stechend, und dann umspielte ein sarkastisches Lächeln seine Mundwinkel, und das war dann wohl das Letzte, was Adrian so mitbekam von der Weltherrschaft, mit einem unverhofften Schlag zwischen die Augen, lag er kurz darauf ausgeknockt in der einsetzenden Flut, Claudia schrie hysterisch, die drei Typen starrten auf den am Boden liegenden Körper, Ira hatte ihre Augen fest geschlossen, und zitterte am ganzen Leibe.

Mark war aus seiner Position gesprungen und ergriff dabei die Spritze, die Claudia auf einen Felsvorsprung gelegt hatte, packte die Frau an der Kehle, drückte sie hart gegen die Felsmauer.

„Das Serum!“, schrie Mark wütend, und konnte es bereits in jeder Zelle seines Körpers spüren, bald würde er sich zu einer mordenden Bestie verwandeln, und sie alle, ohne mit der Wimper zu zucken niedermetzeln.

„Wir haben es nicht!“, rief die Frau aus der Gruppe, und wich paralysiert zurück.

Mark stach voller Wucht die leere Spritze in Claudias Hals, die quiekend erstarrte, sie konnte seinen heißen Atem an ihrer Wange spüren, die Erkenntnis dem Tode näher zu sein als je zu vor, ließ sie hyperventilieren „Wo!“, hauchte er ihr rauchig ins Ohr.

„In Ems Keller!“, wimmerte sie, und regte sich nicht, er stach fester zu und drückte Luft in ihre Vene, sie gluckste blubbernd, sank in sich zusammen und war auf der Stelle tot, ihr Körper platschte schwer in das kalte Wasser der einsetzenden Flut.

Mark nahm das Messer zur Hand, dass Claudia dazu benutzt hatte, um Tucker loszuschneiden, Marks gelb stechende Augen suchten die seines Gegenübers, inzwischen brannte das Serum wie Feuer in seinen Adern, er schüttelte sich kurz, Gedanken schwanden bereits, langsam verwandelten sich seine Hände zu knorrig sehnige Klauen, Angstschweiß lief von Tuckers Stirn, dann blitzte das Messer vor seinen Augen auf, „Ich tu dir nichts, zumindest jetzt noch nicht, das heißt für dich, dass du, wenn ich dich losgeschnitten habe, läufst, und zwar schnell, bevor ich es mir noch anders überlege!“, knurrte Mark kehlig, die Fesseln fielen zu Boden, Tucker senkte seine Arme, Schmerzen waberten durch seine Schultern, Blut lief in kleinen Rinnsalen von seinen Handgelenken, er stand dicht vor Mark, dessen Verwandlung langsam aber stetig Fortschritt.

 

Lina war wieder aus ihrem Versteck geschlichen, ergriff Iras Körper und kam sichtbar in die Höhle, Mark wand sich ihr zu, „Lina!“, rief er, das Messer glitt aus seiner Hand, prallte hell klirrend auf einen Stein, und klatschte leise ins Wasser, der Flut, sank sich dann vor Schmerzen krümmend zu Boden, „Tucker lauf!“, grölte er.

 

„Moment!“, sagte jemand neben Lina, es war Adrian, „Es wäre doch wirklich sehr schade, wenn du uns jetzt schon verlassen würdest, Tucker, und Lina wird sich uns gerne anschließen!“

„Lass sie gehen!“, krähte Mark, und verlor sich langsam, sein Monster zerrte und zog an ihm wie ein kleines Kind am Rockzipfel seiner Mutter.

„Besuch, genau rechtzeitig, Kenny, Caro!“, lachte Adrian, als er die beiden erblickte.

„Wir sind zu spät!“, hauchte sie Kenny zu, versuchte sich möglichst schnell zu orientieren, dieser schüttelte nur seinen Kopf, ging weiter, und die nette Gruppe war fast vollständig.

„Deine Vorgesetzten brauch ich dir ja nicht mehr vorzustellen!“, Adrians Schalk in der Stimme war kaum zu überhören, Kennys wütender Blick streifte seinen Chef, dessen Sekretärin, und die Militärmacht, Daves Vorgesetzten, „Das im Übrigen ist Daves Chef, Major Briggs, der Dave großzügig abgefunden hatte, damals, der Scheck, du kannst dich erinnern!“, Kennys Stimme hallte dumpf in der Höhle wider, Caros Augen verengten sich zu Schlitzen.

„Baker, wie schön zu sehen, dass es ihnen gut geht!“, sagte der Mitte Fünfziger sarkastisch.

„Sparen sie sich die Floskeln, Sie sind hier am Ende angekommen, Sir!“, meinte Kenny wütend.

„Das Ende, du hast recht Kenny, ein Ende für allemal, ein richtig klassisches, schade, wir haben das was wir wollten!“, rief Adrian und sah zu Mark der immer noch mit sich kämpfte.

Lina starrte in den Boden, verwandeln oder nicht, dachte sie sich und schüttelte Adrians Hand ab.

„Lass wenigstens Ira und Tucker gehen!“, forderte Lina ihn wütend auf.

„Oh ja bitte, verwandle dich!“, hauchte Adrian ihr zu, warf ihre einen Kussmund entgegen, Lina rümpfte ihre Nase, und stieß die Schuhspitze in den durchweichten Boden der Grotte, einige Steine spritzen durch die Höhle.

Kenny schüttelte seinen Kopf, und schlug seinen Blick nieder, er sah zu Tucker der irgendwie nicht in das Bild der hilflosen Opfer passte, „Ich werde so eine Ahnung nicht los!“, wisperte er, und ergriff Caros Körper, schleuderte sie herum, seine Arme und Hände schmerzten dabei lodernd, er biss die Zähne zusammen, ein erstickter Schrei drang aus ihrer Kehle, „Was machst du!“

Mark platzte in die verklungenen Worte Adrians, erhob sich flink und griff ohne Umschweife Kenny an, brachte ihn ohne viel Krafteinwirkung zu Fall, Caro landete hart an der Höhlenwand, blieb benommen liegen, Lina erfasste die Situation messerscharf, wechselte Platz und stand urplötzlich hinter Adrian.

„Eine Bewegung und es ist ausgestanden!“, flüsterte sie ihm ins Ohr, er atmete aus, spitzte seine Lippen.

 

Die drei folgten dem Schauspiel mit kalter Grausamkeit, Ekel stand ihnen ins Gesicht geschrieben, sie traten einige Schritte in den Schutz der Höhle.

Inzwischen hatten sich Marks Zähne zu spitzen Mordwaffen verformt, die geifernd über Kennys Gesicht erschienen waren, flugs rollte sich Kenny unter Mark hervor, versuchte sich wieder zu erheben, doch Mark drehte sich automatisch und bohrte seine Krallen tief in den Rücken seines Opfers, zerrissen dessen Shirt, Ira schrie laut auf, Lina brachte sie mit einem gekonnten Handgriff zum Schweigen, Adrian wagte kaum zu atmen, und irgendwo genoss er das perverse Gefühl der nackten Angst im Nacken, und vor allem das Schauspiel der beiden sich am Boden wälzenden Personen.

 

Tucker hielt sich im Abseits, ließ seine Blicke durch die Höhle schweben, keuchend blieb Kenny in der sich nähernden Flut liegen, spuckte würgend das Salzwasser aus, Mark bewegte seinen halbverwandelten Körper wieder in Richtung Opfer, drehte ihn auf den Rücken.

„Das ist dein Ende Baker!“, knurrte er hassend, hob seine sehnige Klaue, spitze messerscharfe Krallen glänzten in der schlechten Höhlenbeleuchtung, schlitzten Kennys Brust schluchzend auf, ein kurzes zucken folgte, Kennys Geist klinkte sich aus, er konnte sein Blut spüren, wie es aus den Wunden quoll, tödliche Schwärze ergriff ihn und fing ihn unfreundlich auf, doch dann wurde Mark von einem Gegenstand getroffen, irritiert sah er fauchend in die Richtung aus der der Gegenstand geflogen kam.

Tucker hatte seine Hände erhoben und winkte Mark lässig zu sich, „Na komm!“, sagte er gefasst, Mark war so schnell, dass ihn das bloße Auge kaum mehr wahrnahm, er stürzte mit Tucker zu Boden, „Du wirst mir Caro nicht wegnehmen!“, schnurrte Mark leise, schenkte Tucker ein zynisches Lächeln.

Tucker atmete schnell, sein Herz schlug wild, Angstschweiß perlte an seinem Hals hinunter. „Du hast Angst, wie schön!“, zischelte Mark, leckte sich genüsslich seine Lippen und bohrte seine spitzen Zähne in Tuckers Fleisch, Knochen barsten knirschend, Blut lief heiß über seine Haut, Tuck schrie laut auf, schlug Mark mit der Faust in die Rippen, dieser schnaubte nur bellend.

 

Caro hatte die Welt wieder betreten, rieb sich schmerzvoll den Hinterkopf, versuchte sich zu orientieren, Kenny lag bewusstlos in einer rotgefärbten Pfütze, die drei Drahtzieher der Geschichte hatten sich leise aus dem Staub gemacht, waren verschwunden, und Lina hielt immer noch Adrian in Schach.

Nach ein paar tiefen Atemzügen konnte sich Caro schwankend erheben, das wechselnde Licht in der Höhle erschwerte ihre Wahrnehmung, sie konnte das Meer rauschen hören, wankte bis in die Mitte der Höhle, Lina schnurchelte zischend, Adrian lachte laut, „Du kommst zu spät!“

„Was tust du!“, schrie sie erstickt, torkelte in die Richtung in der Mark gerade Tucker niedermetzelte, Lina hielt ihren Atem an, sie konnte nicht eingreifen, Kenny hatte es ihr untersagt, ihr seine letzten Gedanken geschickt, bevor er bewusstlos wurde.

Mark sah um, richtete sich auf, sein menschliches Ich versuchte wieder an die Oberfläche zu stürmen, wurde jedoch sogleich wieder verdrängt, grunzend ließ er das wimmernde Bündel Mensch blutend liegen, kam langsam auf Caro zu, Klauen wichen Händen, Zähne formten sich wage zurück, sein Körper war blutüberströmt, immer wieder leckte er sich seine Lippen, schmeckte nach wie vor das köstliche Blut in seinem Mund.

„Mark, was hast du getan!“, quoll es weinerlich aus ihr heraus.

„Caro, du, ich, was, ist passiert!“, er hob seine Hände, drehte sie hin und her, gluckste wie ein Ertrinkender, „Nein, nein!“, hauchte er erschüttert, stand ganz nah bei ihr, und sie war wie paralysiert, konnte kaum klar denken, bemerkte die Gefahr nicht, die sich als jungfräuliche Schönheit tarnte, verblendet wie ein Mädchen das ein Einhorn erblickt hatte, doch dann kam er über sie wie ein tosendes Gewitter im Sommer, zog ihren grazilen Körper an sich, Caro konnte ihre Wut und seinen falschen Wolf nur allzu deutlich spüren, die Hitze die von ihm ausging, wenn sich sein Körper formierte, Marks Augen färbten sich urplötzlich wieder, schenkte Caro einen letzten traurig Blick, dann knallte ein Schuss, das Echo der Höhle hallte lange nach, Mark schluckte blubbernd, hielt sich an Caro fest und rutschte an ihr hinunter, sank auf die Knie, griff sich an den Bauch, seine Lippen versuchten Worte zu formen, doch mehr als ein gurgelndes Blubbern brachte er nicht mehr zustande, sie sank mit ihm in die Knie, Tränen flossen über ihr Gesicht, „Schon gut, nicht weinen, es ist gut!“, hauchte er, und brach zusammen, sein Kopf lag in ihrem Schoß, er hustete und atmete stoßweise, hob seine Hand, die unkoordiniert in ihrem Gesicht landete, seine blutigen Finger versuchten ihre Tränen aufzufangen, er zwinkerte kurz, seine Augen waren wieder eisblau geworden, er starb. „Mark!“, weinte sie, er gluckste wieder, Blut quoll aus seinem Mund, „Ich wollte dir noch-etwas-sagen!“, keuchte Mark, seine Stimme war fast nicht mehr hörbar, sie nickte nur wartete ab, er versuchte sich in einem Lächeln, Caros Tränen liefen hemmungslos, dann erschlaffte sein Körper.

 

Lucien und Will betraten die Höhle, sahen sich übermannt um, „Oh Gott!“, hauchte Lucien, lief zu Caro die immer noch weinend auf dem nassen Boden saß, die Sig-Sauer in der linken Hand, Marks Körper in ihren Schoß gebettet, „Ich habe ihn erschossen!“, schluchzte sie herzhaft.

Lucien nickte nur, und zog sie unter ihm hervor, ihre Knochen waren steif vor Kälte, und ihre Hände rot von seinem Blut, „Tucker!?“, flüsterte er ihr zu, sie schnappte nach Luft und schleppte sich zu ihm, doch auch er bewegte sich nicht mehr, Caro ließ die Waffe liegen, und zog ihre feuchte Jacke aus, legte sie ihm auf die Brust, fühlte seinen Puls…

Mit Lucien und Will waren auch Cooper die Marine und die Polizei, in der Höhle aufgelaufen, das Ende einer korrupten Ära an der Spitze des Scotland Yards war angebrochen.

 

Die Verletzten und Toten wurden samt den machtgeilen Geiern auf das Marine Schiff gebracht, das für diese Insel zuständig waren, …

Zurück blieben Lucien, Will, Caro und Lina, und der Tag, man brachte sie in die Stadt zurück, Caro sah aus, als hätte sie einen Amoklauf hinter sich, Em betrachtete die kleine Gruppe schockiert, eilte gleich zu ihnen, drückte Caro, „Tucker?“

Caro schüttelte ihren Kopf, schälte sich aus Ems Umarmung, wanderte schlapp durch das Lokal ließ sich in einen Stuhl sinken.

Em sah von einem zum anderen, sie waren ihr plötzlich so fremd, ihre kleine heile Welt erstickte in hilfloser Trauer, „Kenny?“, warf sie in den Raum, Lucien schlug seinen Blick nieder, Lina wirbelte um das arme Geschöpf herum nahm sie in den Arm, „Du musst jetzt ganz stark sein!“

„Ira?“, fügte sie hinzu, versuchte in Linas blitzeblauen Augen zu lesen, „Der geht’s gut, sie ist mit aufs Festland gefahren.

„Ein Schuss ein Treffer!“, sagte Caro immer wieder, bis Luciens Hände von hinten über ihre Schultern glitten, sein Kopf neigte sich und seine Wange berührte ganz sachte die ihre, „Du hast das einzig richtige getan!“, flüsterte er ihr zu, und öffnete seine Hand, sie linste hinüber. „Nimm es!“, forderte er sie auf, mit blutverkrusteten Fingern zupfte sie einen Anhänger aus seiner Hand, dann erhob er sich wieder, ließ sie allein, sah nickend zu Will, der sich auch in Bewegung setzte, beide verließen den Pub und gingen über den großen Platz durch die Touristen in Richtung Hafen.

 

Em riss sich los und lief über den freien Platz, „Will!“, rief sie ihm nach, er sah zu Lucien der ihm nur zunickte, Em hatte ihn erreicht, wusste nicht was sie sagen sollte, er sah sie nur wartend an, ergriff dann die Initiative.

„Es hat mich gefreut, dich kennen zu lernen!“, sagte er charmant.

„Ja mich auch, vielleicht kommst du mich mal besuchen!“, keckerte sie verlegen.

„Sicher!“, meinte er, und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange, gesellte sich wieder zu Lucien der ihm auf die Schulter schlug, etwas zu ihm sagte.

 

Die ersten Gäste betraten den Pub und entdeckten Massaker Caro, wisperten sich verstohlen hinter vorgehaltener Hand zu.

„Sie ist ein Opfer der Piraten geworden, gehört alles zu der Show, dem Festival!“, bemerkte Lina lächelnd, packte Caro ein und führte sie ins Hinterzimmer, „Du solltest duschen!“

„Ich dusche nie mehr!“, murmelte Caro tonlos, und spielte mit dem Anhänger, stand dann doch auf und verschwand im ersten Stock, des kleinen gemütlichen Hauses.

 

 

 

 

 

Auf den Weg in die Hölle

 

 

 

Zwei Tage später verließen Lina und Caro die Insel, steuerten das Festland mit gemischten Gefühlen an, „Was wirst du jetzt tun?“, fragte Lina.

„Ich werde nach Hause fahren!“, überlegte Caro ein wenig verloren.

„Darf ich dich begleiten?“, fragte Lina hinterlistig, Caro nickte, zückte den Schlüssel ihres abgestellten Wagens, nahm das Schild Scotland Yard aus dem Fenster startete und fuhr nach Hause, dort traf sie der nächste Schock, Dave war ausgezogen.

Verwundert war sie im Wohnzimmer stehen geblieben, sah sich bestürzt um, „Wie lange war ich fort, ein Jahrhundert?“

„Fast zwei Monate, und du hast mit Sicherheit in dieser Zeit deine Post nicht gelesen!“, erklärte Lina, wedelte mit einem Stapel Briefe, Werbung und Zeitung umher, Caro ergriff den Stapel und sah ihn durch, legte Daves Briefe bei Seite.

An der Pinwand in der Küche hing ein riesengroßer Zettel, „Hochzeit am 22.09 in der Base, um 10 Uhr bitte melde dich!!!!!, liebe dich Dave!!“, las Caro, und war nun ganz kaputt.

„Dein Bruder heiratet, wie romantisch!“, flötete Lina, und wirbelte durch das Haus.

„Romantisch, genau!“, brummte Caro, und schlurfte die Treppe nach oben, warf ihre Tasche aufs Bett und fand die Welt gemein, unfair und niederträchtig.

Lina wanderte durch die Zimmer, viel war nicht mehr übriggeblieben, ungemütlich, das war wohl das richtige Wort für diesen Zustand, „Wie heißt denn die Glückliche Braut?“, fragte Lina nach, tat so, als ob sie das nicht schon wusste, ihr Onkel hatte Anastasia geheiratet, die Schwester von Kennys Freund, und Kollegen.

„Anastasia!“, rief Caro nach unten, „Können wir ins Krankenhaus fahren!“

Lina tänzelte an die Treppe, „Sicher!“

 

Beide marschierten den polierten Krankenhausflur entlang, fuhren mit dem Fahrstuhl ein Stockwerk höher, schwenkten nach links, wieder eine Treppe hinunter, und hatten ihren Weg beendet, standen im Privatpatientenbereich, Caro klopfte beherzt an Kennys Zimmertüre ein herein gewährte ihnen Einlass, über Kennys Gesicht huschte ein erfreutes Grinsen wanderte um seine Mundwinkel, und ließ seine süßen Grübchen wachsen. „Meine beiden Lieblingsfrauen!“, bemerkte er froh.

Lina eilte zu ihm, „Ich habe mir solche Sorgen gemacht!“, prustete sie, und gab ihm ein Küsschen, Caro hielt sich ein wenig im Hintergrund, doch Lina brachte so viel Sonne in den miesen Tag.

„Wie geht’s dir, wir haben uns Sorgen gemacht!“, sprudelte Caro ihre Nervosität weg.

Seine blitzblauen Augen funkelten, „Danke, die Wunden heilen!“, meinte er, und sah zu Lina, die nur lächelte, „Dave heiratet!“, rief sie klingend dazwischen, irgendwie musste sie das jetzt in die Wege leiten, dafür kassierte sie einen bösen Blick von Caro.

„Nett, und?“, stotterte er die Lage nicht peilend.

Noch bevor sich die Lage zuspitzen konnte, öffnete sich die Tür und Richard betrat den Raum, „Caro, Lina, wie schön!“, rief Kennys Vater, wackelte mit dem Kopf, Caro umarmte den älteren Mann stürmisch, sie war so froh eine Familie zu haben, Lina tat es ihr gleich. „Grandpa!“, flüsterte sie Richard ins Ohr, entlockte ihm ein dunkles Lachen.

„Ich habe schon von euren waghalsigen Aktionen gehört, und ich bin sehr froh, dass euch nichts passiert ist!“, mit diesen Worten schob er ein Tischchen heran, Kenny erhob sich schwerfällig, Richard schnitt den Verband auf, und zum Vorschein kamen tiefe Wunden, Lina trat um das Bett herum und begutachtete Kennys Körper, das wiederum blieb Caro nicht verborgen.

Richard nahm eine Zange, klemmte ein Tuch hinein und tupfte damit die Wunden seines Sohnes ab, „Ich vermute, dass er von einem Bären angefallen wurde!“, sagte Richard schmunzelnd.

„Ja, ein riesengroßer Braunbär!“, rief Lina wichtig, und zeigte überdimensionale Ausmaße, „Solche Zähne!“, nuschelte sie, und bleckte die ihren, Caro musste kichern, „Krallen, hatte der Mann o Mann!“, erzählte sie weiter, hob ihre Hände, und formte ihre zarten langen Finger zu Klauen, fauchte wie ein Tiger, Kenny konnte nicht mehr, brach in lautes Gelächter aus, in das Richard miteinstimmte.

„Aufhören!“, rief Kenny, und sank schmerzerfüllt in sein Kissen, „Das tut weh!“

„Mimose!“, kichert Lina, und streichelte seine nackte Schulter, er atmete tief durch, wieder wuchs das Traumgefühl zwischen den beiden, sie blühte förmlich, wie ein Rosenstrauch im Mai, fruchtig und würzig ihr Duft, er konnte sie riechen, war ein wenig benommen davon, denn genau das war es was er auch an Caro so liebte, ihren Geruch, doch Lina duftete um viele Blüten intensiver, er schloss seine Augen für kurze Zeit, Richard hielt in seiner Wundversorgung inne, „Hast du Schmerzen Sohn!“

Schnell schlug er seine Augen wieder auf, sah irritiert in die Runde, Caro entging nichts, sie hatte ihre Arme vor ihren Körper verschränkt, ihr Blick wanderte hin und her, „Etwas!“, stöhnte er.

„Richard!“, fing Caro leise an, er sah zu ihr nickte brummend.

„Wie geht es Tucker?“, fragte sie schon fast schüchtern.

Er schob das Tischchen weg, „Seth Masters, meinst du wohl, du kannst ihn besuchen, wenn du willst, allerdings ist er nicht wach, wir haben ihn noch ein Weilchen schlafen geschickt!“, erklärte er, und zog eine Spritze auf, Lina sah von ihm zu Kenny, „Das heißt, dass er lebt?“

Richard nickte, sah allerdings besorgt aus, „Er hatte Glück im Unglück, dieser ominöse Bär, der anscheinend auch ihn anfiel, hat wirklich gute Arbeit geleistet!“

„Das soll heißen, Dad?“, Kenny ahnte schreckliches.

„Wichtige Sehnen und Nerven wurden durchtrennt, sein Schlüsselbein ist nur noch ein Haufen Schrott, dazu hat er noch Unmengen an Blut verloren, er wird seinen Arm nie wieder ganz optimal bewegen können, vom Rest ganz zu schweigen!“

Caro schnaufte entsetzt, und musste sich setzten, wieder kam der Schwindel, Richard beäugte sie akribisch, „Kommst du mal bitte mit!“, sagte er dann, sie erhob sich schwerfällig und folgte ihm, als sie die Tür geschlossen hatte waren Lina und Kenny wieder unter sich.

„Du hast es nicht getrunken!“, sagte sie schelmisch grinsend, und wanderte um das Bett herum.

„Nein!“, meinte er grinsend, Lina ließ sich auf sein Bett plumpsen, schob ihren Arm unter seinen Nacken, „Du bist wahnsinnig!“

„Mag sein!“, flüsterte er ihr zu.

„Du traust mir nicht!“, brummelte sie kichernd, und schnupperte an seiner Schläfe.

„Wer weiß, vielleicht willst du mich ja vergiften, oder viel schlimmer, willig und gefügig machen!“, Kennys Stimme flog an ihr Ohr, umgarnte sie.

„Ich doch nicht, nie im Leben!“, polterte sie frech, und stupste ihn mit ihrer Nase an.

„Caro wird inzwischen bemerkt haben, dass etwas nicht stimmt, und sie weiß sicher ganz genau um was es geht, ich kann warten!“, summte er.

„Das kannst du nicht, das weiß ich, ich kann’s nämlich spüren, bäh!“, rief sie wie ein kleines Kind, und kitzelte ihn im Ohr, er wischte ihre Hand weg, „Nun gut, du hast mich durchschaut!“

„Siehst du, also tu das richtige, und trink es, es ist doch nur für den Übergang, bis sich Caro bereit erklärt!“, erklärte Lina hell.

 

Gemeinsam gingen die beiden den Flur hinunter, „Fünf Minuten!“, sagte Richard leise, und öffnete eine Türe, sie verharrte einige Sekunden, ging dann aber hinein, schloss die Tür hinter sich.

Eine kleine Ewigkeit verging, in der sie Tuck nur anstarrte, ging dann an sein Bett, küsste ihn flüchtig auf seine weichen fein geschwungenen Lippen, nickte nur und wollte gerade wieder gehen.

„Ich bin wach!“, flüsterte er schwach, Caro erstarrte, und konnte spüren, wie ihre Ohren rot wurden, trat wieder zu ihm. „Und wie fühlst du dich?“

Er schlug seine Augen auf, das Honigkaramell seiner Iris leuchtete, „Irgendwie schlecht!“

„Das alles tut mir unendlich leid!“, sagte sie mit knitteriger Stimme.

Tucker atmete tief durch, sein Kopf bewegte sich sachte, „Mir auch!“, log er.

„Ich geh dann mal, und lass dich in Ruhe gesund werden!“, versuchte sich Caro aus der Affäre zu ziehen.

Ein blubberndes Glucksen kam aus seiner Kehle, sie sah ihn nur berührt an, winkte ihm und machte auf dem Absatz kehrt.

„Ist es wegen der dubiosen Gesellschaft, die dich umgibt?!“, krächzte er fest, schluckte schwer, sie blieb stehen, sah um, nickte.

„Du wärst immer in Gefahr!“, sagte Caro zärtlich, und versuchte stark zu sein.

„Immerhin habe ich überlebt!“, keuchte Tucker.

„Dieses Mal vielleicht, aber das nächste Mal?“, fragte sie ihn mit schwankender Tonlage, schüttelte mürrisch ihren Kopf, „Bist du vielleicht tot!“

„Das würde ich in Kauf nehmen!“, sagte er leise, Caros Gesicht wurde genauso rot wie ihre Ohren, sie setzte zu einem Satz an und prustete, „Du bist doch nicht ganz dicht!“

„Nein, aber vielleicht verliebt!“, schnaufte er schwer, seine Worte fielen laut polternd zu Boden.

 

Lina saß immer noch neben Kenny auf dem Bett, „Wenn du es nicht willst, dann werde ich es wieder mitnehmen!“

„Ich bitte darum!“, lächelte er schwerfällig, „Ich bin froh, dass alles vorbei ist!“

„Na ja so gesehen ist es noch nicht wirklich vorbei!“, überlegte Lina, kramte wieder in ihrer Tasche herum, „Ich muss es doch irgendwo haben!“, murrte sie kindlich, er sah ihr wieder amüsiert dabei zu, endlich zog sie ein Kuvert aus der Tasche, wedelte damit in der Luft herum, stellte ihre Tasche wieder auf den Boden und öffnete es theatralisch.

„Bist du bereit?“, fragte sie gehaltvoll.

„Bereit, für was auch immer!“, meinte er leise.

„Gut!“, sie stellte sich vor das Bett, und hob ihre rechte Hand, „Sehr geehrter Mr Baker…!“, Lina las und las, ab und zu schielte sie über den Brief hinweg, beobachtet Kenny genau dabei.

In diesem Brief kamen Worte vor, wie Existenzverlust, schwere körperliche Schäden, usw., sie las laut und deutlich, ihre Stimme klang hell, frei, einfach wunderbar, er atmete einige Male tief durch, dann endeten ihre Ausführungen, mit einem „Daher möchten wir sie am 4. Oktober in unser Büro bitten, mit freundlichen Grüßen Austin Reginald Morrow!“

Kenny schwieg, Lina faltete den Brief wieder zusammen, stopfte ihn in den Umschlag und wanderte wieder an seine Seite, „Und?“

„Hm, ich bin ein wenig sprachlos, das muss ich gestehen!“, sagte er.

 

Caro stapfte mit dem Fuß auf, „Warum machst du es mir den so schwer!“, sprudelte sie wehleidig. „Wirst du denn das alles ertragen, was da noch kommt?“, überlegte sie, und sah Schnute ziehend zu ihm.

„Was kommt denn noch?“, hauchte Seth müde.

„Na ja, so manches!“, wisperte sie, und zog sich einen Stuhl heran, ließ sich darauf nieder.

„Ziemlich fadenscheinig deine Argumente, und wie wäre es, wenn du es mir einfach ohne Umschweife ins Gesicht sagen würdest, dass du nichts für mich empfindest, mich nicht liebst, oder meine Zähne schief sind, vielleicht gefällt dir mein Körper nicht, das Gesicht, die Nase, meine Art, mein Charakter, mein irgendwas, oder so was um den Dreh, dann könnte ich mich darauf einstellen!“, seine Stimme zwickte und hakte.

Diese Art an Ausführungen hätten von ihr sein können, keiner der eben vorgebrachten Gründe hätte eine Kündigung nach sich gezogen, sie schien zu überlegen, sein Körper, der war makellos, gut trainiert, wohl geformt, Zähne weiß ebenmäßig, Gesicht schön Nase passend, Charakter keine Frage, und das irgendwas konnte man nicht genug genießen, Vertrauen, gutes Wort, Liebe, Liebe, wenn sie ihn liebte, dann würde sie verwundbar werden, nicht gut, man würde ihn immer wieder als Zielscheibe benutzen, obwohl, wer nichts wagt der nicht gewinnt, sie spielte mit ihren Ringen, „Was ich an dir nicht mag, es gibt nichts!“

Tucker sah schwach zu ihr, Schlaf zupfte energisch an seinem Körper, erleichtert atmete er tief durch, seine Schulter schmerzte, ein seltsam zirkulierendes Pochen legte sich dumpf auf seine Gedanken, bösartig ergriff es die Oberhand und raubte ihm die Realität, „Kannst du eine Schwester holen, bitte!“, keuchte er, Caro schreckte aus ihren Gedanken hoch, „Tucker!“, sie drückte auf den Klingelknopf, und es dauerte auch nicht lange, und eine Schwester kam herein, „Gehen sie bitte!“, forderte sie Caro auf, die nur unter Protest verschwand.

 

Caro wartete eine kleine Weile, die Schwester kam eilig heraus und lief den Flur entlang. „Wie…!“, fing sie an wurde jedoch ignoriert

Caro murrte und blickte in das Zimmer, konnte sehen, dass sich Tuckers Verband blutrot gefärbt hatte, und er bereits bewusstlos war. „Tucker!“, flüsterte sie, und spürte das seine Lebensgeister schwanden, in diesem Moment kamen Richard und die Schwester wieder, er schob Caro bei Seite, und schnitt den Verband auf, aus der Wunde sprudelte förmlich das Blut.

„Wir müssen ihn gleich in den OP bringen, veranlassen sie alles für eine Notoperation!“, sagte Richard gefasst.

Die Schwester verschwand wieder, Richard blieb zurück, „Es ist besser du gehst!“

„Ich bleibe!“, sagte Caro hart.

„Du gehst, das kann dauern!“, murmelte Richard.

Caros Augen wurden groß, Worte fehlten, Lina hatte die Situation mental mitbekommen, und ihr Redeschwall verebbte, „Ich muss gehen, wir sehen uns!“, rief sie Kenny schnell zu, warf ihm noch ein Küsschen zu und verließ sein Zimmer so schnell, dass er ihr nicht antworten mehr konnte.

Flink sprang sie den Flur hinunter und erreichte gerade noch rechtzeitig das Zimmer, man fuhr gerade Tucker aus dem Raum, „Was ist hier los!“, fragte sie Caro, die irgendwie benommen wankte.

„Die Wunde, die Arterie, sie ist wieder aufgeplatzt, sagt Richard!“

„Die kriegen das wieder hin, komm lass uns gehen, Sorgen machen kannst du dir später, oder in einem anderen Leben!“, sprudelte Lina positiv, legte Caro ihren Arm um die Schulter, nahm sie mit sich.

 

Wenig später schlenderten Lina und Caro durch die volle Stadt, die Sonne hatte sich schüchtern blicken lassen und kitzelte ihre kalten Herzen, „Hast du dir denn schon Gedanken gemacht, was du zu Daves Hochzeit anziehen wirst?“, kam Linas Frage, und traf sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel.

„Ich geh da nicht hin!“, warf Caro wirsch, und blieb vor einem Buchladen stehen, „Ich kauf mir ein Frust Buch!“

„Nein das wirst du nicht tun, wir beide suchen dir jetzt ein Kleid aus, und du wirst sie alle ausstechen!“, rief Lina leicht, ihre Art hatte so etwas Warmes, man fühlte sich immer wohl in ihrer Nähe.

„Nie im Leben, ich trage keine Anlass Kleider!“, sagte Caro forsch, und war im Begriff den Buchladen zu betreten, doch Lina zog sie mit sich.

„Nun sei nicht so zickig, du wirst es auch nicht tragen, sondern anziehen!“, erklärte sie, und schlängelte sich durch eine Gasse hinauf, in die Nobel Shopping Gegend.

„Ich will aber nicht allein auf Daves Hochzeit gehen!“, grummelte Caro miesepeterig.

„Ich begleite dich gerne, ich liebe Hochzeiten, sie sind immer so romantisch, und die prunkvollen Kleider, ich mag das!“, lachte Lina hell, ihre Augen leuchteten in der Sonne wie das kristallklare Wasser zweier Bergseen, Caro verharrte kurz, gönnte Lina ein herzhaftes Grinsen sie konnte sich irgendwie spüren.

„Du bist meine Rettung, ehrlich!“, entdeckte Caro schmunzelnd.

Lina war vor einem sauteuren Laden stehen geblieben, „Das ist das richtige, hier werden wir etwas finden, für dich!“, flötete sie, und fuchtelte mit ihren Händen in der Luft herum, sodass die Verkäuferin, die im Laden stand, irritiert nach draußen sah.

„Klar, und wer soll das bezahlen?“, kicherte Caro, und wollte Lina mit sich ziehen, doch diese ergriff Caros Handgelenk, öffnete die Tür und betrat mit ihr das Luxusgeschäft, die Verkäuferin sah bestürzt zu den beiden Frauen, die so gar nicht nach potenzieller Kundschaft aussahen, nahm sich jedoch ein Herz und eilte herbei, „Wie kann ich euch helfen?“

 

„Hallo, unser Bruder heiratet, und wir brauchen ein Kleid, oder auch zwei, und Schuhe, mindestens zwei Paar!“, Linas Stimme klang so hell wie der Ruf einer Nachtigall, am Morgen, die Verkäuferin, setzte ein zufriedenes Grinsen auf, „Sehr gerne, kommt bitte mit!“

Ein wenig schüchtern folgte Caro der Frau, die elegant durch den Laden schwebte, an einem Ständer stehen blieb, sich Caro zu wand, „Farbe?“

Lina tänzelte hinter den beiden her, „Rot, oder dunkelblau, vielleicht auch was in creme!“

„Schön!“, die Verkäuferin nahm mehrere Kleider von der Stange und zeigte sie Caro, „Probiere einfach alle!“

Lina grinste aufmunternd, und hatte sich auch etwas neckisches gesucht, ein tiefrotes Kleid für die Frau mit dem elfenbeinfarbigen Teint, und den kurzen schimmernden braunrotem Haar, das inzwischen anstatt wie sonst in Locken wild herumwackelte, sauber glatt gekämmt auf ihrer Kopfhaut klebte, und glitzerte, Lina hatte sich aus ihrer Hose geschält, und war in das Kleid geschlüpft, es passte wie angegossen, sie schwebte an einen Spiegel, die Verkäuferin war schier sprachlos, „Passt wie angegossen?“, entdeckte sie ehrfürchtig.

„Finde ich auch!“, kicherte Lina frech, und wartete auf Caro, die nicht ganz so graziös aus der Kabine schwebte wie Lina, doch auch sie sah in diesem Traum aus einem hellen blau aus, wie eine Braut, „Oh wie schön du bist!“, fuchtelte Lina mit ihren Fingern herum. Die Verkäuferin wich geschickt aus, war zu Caro marschiert und hatte ihr den Haargummi herausgezogen, lange kupferrote Locken sprangen wie in die Freiheit gelassene Pferde herum, Caro ergriff den dicken Haarschopf und wickelte ihn mit ein paar Handgriffen zu einer Wurst zusammen und hielt ihn hoch, die Verkäuferin kam geschwind mit einer Spange, die sie Caro kunstvoll ins Haar klemmte.

„Schuhe!“, meinte die Verkäuferin, und stellte ein traumhaft schönes Paar Pumps deren Absätze nicht allzu hoch waren, vor Caro ab, Lina schlüpfte gerade in ein richtig heftiges paar High Heels.

„Wir nehmen alles!“, rief Lina, bevor Caro noch protestieren konnte, ein Strahlen erschien auf dem Gesicht der Verkäuferin, als sie Kleider und Schuhe auf den Tisch vor der Kasse drapierte.

„Haben wir alles?“, frage Lina Caro, und biss sich dabei nachdenkend auf die Lippen.

„Unterwäsche, Schmuck?“, wagte sie einzuwerfen.

„Ja genau, wo bekommen wir denn so was?“, rief Lina hell.

Erstaunte Blicke liefen von Caro zu Lina, „Ich gebe ihnen eine Adresse!“

Die Verkäuferin tippte die Preise in ihre Kasse, Caro bekam fast Atemnot, doch Lina schien das nicht im geringstem zu berühren, „Mit Kreditkarte bitte!“

Ohne mit der Wimper zu zucken, nahm die Frau das Plastikgeld, in Form einer Platin Titan Gold, ich habe zu viel Geldkarte, und steckte sie in ihr Gerät, nach einigen Sekunden war der Ausdruck da, und sie konnte unterschreiben, mit einer sehr grazilen Handschrift schwang sich ihr Namen über das feine Papier, „Herzlichen Dank Mrs. Baker, eine schönen Tag noch!“, wünschte sie unseren Damen und beide verließen das Geschäft, Caro hatte so etwas wie einen Flash, der ihre Auffassungsgabe schwächte, und so war ihr auch nicht aufgefallen das die Verkäuferin Lina mit Mrs. Baker ansprach.

„Weiter, morgen heiratet dein Bruder, und du hast nichts zum drunter ziehen, wer weiß vielleicht lernst du einen netten Mann kennen und dann, Liebestöter, das Ende einer Nacht!“

Caro versuchte einzuwenden, Liebestöter hatte sie sicher keine, aber Lina ließ ihr kaum Luft, hatte bereits nach einem Taxi gepfiffen, schwang sich hinein und zerrte Caro wieder mit sich, diese Frau hatte Energie für drei, „Trafalgar Square, Kutscher, bitte fahren sie uns zu Secrets!“, sprudelte Lina fast über.

 

„Lina!“, rief Caro und versuchte Linas Energieschub zu bremsen, jedoch erfolglos.

Im Taxi bimmelte Linas Handy sie wühlte in ihrer Tasche herum und konnte es nicht finden, räumte den ganzen Inhalt der Tasche in Caros Schoß die ziemlich überrascht, die ganzen Dinge begutachtet.

„Da bist du ja!“, wisperte sie dem kleinen Dingelchen zu, und meldete sich, „Hallo mein allerliebster Schatz, wie geht es dir denn?“, ihre Stimme klang glücklich, wie konnte das nur sein, so viel Zufriedenheit auf einen Haufen, und der saß neben unserer immer tausend Dinge denkenden Caro, die Linas Private Dinge inzwischen wieder in die Tasche legte, „Oh ja, ich freu mich, sehr, echt, aber morgen habe ich echt keine Zeit, nein, Onk..Dave heiratet, übermorgen, ja gut bis dann, ich liebe dich Kleiner!“, mit diesen Worten endete sie, und legte auf, „Robin kommt!“

„Uh, ich wusste es, irgendwie habe ich nur darauf gewartet, dass er auftaucht!“, raunte Caro

„Ja, aber nur kurz, er hat gekündigt, wusstest du das nicht, ein paar Dinge muss er noch erledigen!“, erzählte Lina, währenddessen stoppte das Taxi sie waren angekommen, Caro gab dem Fahrer einen Schein, der sich tausendmal bedankte.

 

Secrets war wohl der größte Laden für Unterwäsche aller Art hier in London, beide schlenderte in das Paradies für Frauen und Männer, verführerische Dinge hingen dort in den Regalen und ließen manch unbefriedigtes Männerherz höherschlagen, „Auf was steht Kenny denn?“

Caro blieb die Spucke weg, sah erstaunt zu Lina, „Du hast doch nicht im Ernst vor, diesen Mann zu verführen, obwohl viel verführen bräuchtest du da nicht mehr!?“

„Ich nicht, nein, mich würde es nur interessieren!“, sagte sie so, als würde sie ein Glas Milch, Kaffee vorziehen.

„Ah, ha, interessieren, was glaubst du denn?“, fragte Caro nach, und erschien neben Lina, sie kramte in Spitzenunterwäsche, ergriff ein Nichts aus schwarz und Stickerei, edel, schön, hielt es Caro hin, die schmunzelnd ihren Kopf schüttelte, Lina schob weiter, rot, blau, mit Federn, ohne, Perlen, Brillanten in blau, rot gelb, echt oder Imitation, String oder Tong, Push up, oder eher frivol, Korsage, Lack, Leder, Velours, Caro hatte sich gesetzt, „Ich bin randvoll!“

Lina nahm schlaff ein letztes Teil heraus, „Das ist gut, nimm es!“, forderte sie ihre Begleiterin auf.

Plötzlich erschienen zwei Tassen Kaffee vor ihnen, heiß und duftend, beide sahen auf, Anastasia die Retterin, „Und schon was gefunden?“

„Retter!“, rief Caro, und nahm ihr die Tasse ab, „Welch Zufall!“

„Ich bin auf der Suche nach was…!“, fing Anastasia an.

„Heißem, wie schön, so romantisch, ich bin Lina!“, rief das quirlige Etwas, und hatte sich erhoben, balancierte die Tasse in der linken Hand, und gab Anastasia die rechte, schüttelte sie heftig.

„Ich bin Anastasia!“, stellte sie sich vor, und Lina spielte mit, kannte sie doch die Frau ihres Onkels, den sie über alles liebte.

„Nein, echt, was ist denn das für ein Zufall, wir suchen auch Unterwäsche!“, kicherte Lina wild.

„Ich bin im Arsch, ich suche nichts mehr!“, wisperte Caro, und erhob sich mühsam, „Wie geht’s meinem Bruder?“

„Er hat sich Sorgen gemacht, du warst zwei Monate verschwunden, aber er wird sich freuen, wenn du morgen kommst!“, meinte Anastasia froh.

„Sicher, darf ich Lina mitbringen!“, fragte Caro vorsichtig.

„Klar, es stand doch mit Begleitung auf der Einladung!“, setzte Anastasia hinzu, und lächelte.

„Die Einladung, wo war die nochmal?“, fragte sie Lina.

„Die hing an der Pinnwand!“, rief Lina, und hatte sich wieder ins Getümmel gestürzt.

„Bis morgen ich muss shoppen!“, Caro schüttelte ihren Kopf, neigte ihn in Richtung Lina und war verschwunden.

 

Der Tag verging, es wurde Abend, die Sonne neigte sich, unsere Heldinnen hatten alles, was sie brauchten, und nun waren ihre Mägen leer, sie entschlossen sich noch etwas essen zu gehen.

Lina las die Speisekarte sicher schon zum fünfzigsten Mal, „Salat, nein, Pasta, eventuell, Suppe, auch nicht übel, oder?!“, fragte sie Caro, die von ihrer Karte aufsah, und nur nickte.

„Großartige Frau diese Anastasia!“, warf Lina in die Stille.

„Ja!“, murrte Caro, und nickte heftig.

„Was schenkst du denn Dave zur Hochzeit, darüber eventuell schon mal Gedanken gemacht?“

Caro sah wieder auf, in diesem Moment kam der Kellner herangeschwebt, rettete die gedankliche Situation auf der Stelle zu versagen.

„Habt ihr schon was ausgesucht?“, wollte er freundlich grinsend wissen, und sein Blick hakte sich in Linas Gesicht fest.

Lina lächelte ihm freundlich entgegen, und zählte ihre Speisen auf, danach folgten Caros, er bedankte sich und verschwand.

„Gute Frage, ich habe noch nicht darüber nachgedacht!“, überlegte Caro, und ergriff ihr Handy, das Thema schien erledigt zu sein, sie schürzte ihre Lippen und wählte eine Nummer, Lina lehnte sich zurück, und sah sich um, langsam füllte sich das Lokal, Caro nahm das Telefon vom Ohr blickte auf ihr Display, es kam keine Verbindung zu Stande, sie steckte es wieder weg und sah dann zu ihrer Tischnachbarin, „Wieso habe ich nur das Gefühl, dass du mir etwas verschweigst?“

„Und an was dachtest du denn da so?“

„Du hast Kenny im Sturm erobert, wirklich gute Leistung, in welcher Verbindung stehst zu Lucien und Will, woher wusstest du von Mark, und überhaupt, los raus mit der Geschichte!“, sprudelte Caro los.

„Schon vergessen das ich jetzt da arbeite, wo Kenny vorher sein Unwesen trieb, ich konnte die ganzen Schauer Märchen nicht mehr hören, also habe ich ein wenig recherchiert und bin auf diese abartige Intrige gegen ihn gestoßen, ein bisschen Schnüffeln hier, und ein wenig Ohren auf da und schon wurde ich fündig!“, erzählte Lina offen.

„Und das soll ich dir glauben, na ja ich Versuchs mal, und da sich die Sache anscheinend erledigt hat, werde ich auch nicht weiter nach Fragen!“, sagte Caro, und schmunzelte gruselig.

 

Josephine betrat schwungvoll Kennys Zimmer, „Wie geht’s dir?“, wollte sie gut gelaunt wissen, und rückte sich einen Stuhl heran.

Ein Grinsen erschien auf seinem Gesicht, „Danke, gut Mom!“

Sie zog etwas aus der Tasche, legte es auf den Tisch neben Kennys Bett, und sah ihn dann lange an, „In zwei Wochen ist Vollmond!“

Kenny runzelte seine Stirn, konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, „Mom!“

„Ja?“, ihre Stimme klang ernst, und ihre zusammen gebundenen Haare samt der Brille unterstrichen diesen ernsten Ton.

Er erhob sich vorsichtig, und nahm ihre Hände zog sie zu sich, nahm ihr die Brille von der Nase, sah ihr lange in die Augen, sie leuchteten entschlossen, „Du bist wunderschön!“, hauchte er, und ein Grübchen erschien in seinen Mundwinkeln.

Josephine kicherte wie ein Girlie, „Hör auf damit, Kenneth, das machst du mit Absicht!“

„Logisch, aber was wahr ist, sollte wahr bleiben!“, hauchte er.

„Ich bin so froh, dass du lebst!“, meinte sie, und ihre Stimme schwankte, er nahm sie in den Arm, spürte ihre Wärme, „Ich auch!“

Josephine zupfte ein Taschentuch aus ihrem Kittel und schnäuzte sich, „Das Serum hier, ist nicht für dich gedacht, ich habe dein Blut untersucht und keine Veränderungen festgestellt!“, erklärte sie.

„Tucker?!“, bemerkte Kenny nicht wirklich überrascht.

Josephine nickte locker, und nahm ihre Brille an sich, ließ sie kompetent in ihre obere Tasche gleiten.

„Ich verstehe…!“, Kenny erhob sich wieder.

„Ich habe Tests mit Marks Blut gemacht, er wäre für niemanden eine Gefahr gewesen!“, erklärte sie ernst, und nahm wieder ihre Brille aus der Tasche, setzte sie auf.

„Er war kein echter Werwolf, ich bin ein Idiot, wie konnte ich das übersehen?!“, schimpfte Kenny mit sich, und atmete tief durch.

„Genau, seine Opfer hätten sich, oder haben sich nie verwandelt!“, erkannte sie, und nahm das Serum in ihre Hand, ließ es durch ihre Finger gleiten, „Aber ich habe was anderes in seinem Blut gefunden!“

Kennys Neugierde schien wieder erweckt, „Mom, mach es bitte nicht so ungeheuer spannend!“

„Das darf ich dir nicht sagen, Kenny, Schweigepflicht!“, meinte sie schlaff, und prustete laut.

„Was, Mom, bitte, gut lass es uns so regeln, ich stelle dir eine Frage und du brauchst nur mit Ja oder Nein antworten, und für dich bleibt die Schweigepflicht unangetastet!“, schlug er besonnen vor.

Sie schien zu überlegen, „Gut, dann fang an!“, meinte sie graziös.

 

Linas Essen kam, sie ergriff hungrig eine Gabel noch ehe der smarte Kellner ihr das Essen serviert hatte, „Ihr habt zusammen in dem Haus gelebt, wie war das geregelt!“, fing sie lechzend an.

Caro spießte ein Salatblatt auf und betrachtete es einige Sekunden, „Dave hat die ganzen Kosten übernommen, seit ich denken kann!“

„Erzähl mir mal die ganze Geschichte, von Anfang an!“, forderte Lina, Caro neugierig auf.

„Vom Anfang, Anfang an?“, wiederholte sie, und eine Augenbraue fing an nervös zu zucken.

Lina nickte, und widmete sich nun ihrem Essen, „Alles, jedes Detail!“

„Ich wollte das Lokal nicht als Greis verlassen!“, scherzte Caro lächelnd.

„Wenn du heute noch anfängst, dann könnten wir es bis zur Nachspeise schaffen!“, ärgerte Lina Caro, die den leeren Teller von sich schob, und sich ächzend sammelte.

„Mom hat uns das Haus überlassen, und ist zu ihrem Jetztzeit Mann gezogen, den hat sie auf einer ihrer Urlaubsreisen kennen gelernt, der Typ ist zehn Jahre jünger als sie, sieht gut aus, ist reich und umschwärmt, hat ein Haus am Malibu Beach, und heißt Nick, Rick oder Fred, seit dieser Zeit ward sie nicht mehr gesehen, aber sie schickt jedes Monat einige Bilder, seit es das Internet gibt, jede Woche, das Haus hier in England gehört Dave und mir zu gleichen Teilen, irgendwie, ein Klotz am Bein, und ohne Dave, leer, was soll ich denn noch in diesem Haus, Dave der reiche Bruder, sein Vater war auch nicht gerade ein armer Schlucker, er hat ihm alles vermacht, keine Ahnung was man eigentlich mit so viel Zaster macht, Dave lässt es irgendwo verschimmeln, kleiner Scherz am Rande, nein, ich weiß nicht was er damit macht, falls du mit dieser Frage jetzt gedanklich gespielt haben solltest, weiter im Leben der Reichen und Schönen….!“

„Moment, kurzer Einwurf, ich dachte eigentlich an die Wahrheit, nicht an die Märchenversion!“, lenkte Lina ein, schob eine Kartoffel über den Teller.

„Aber die ist langweilig, Lina!“, entfuhr es Caro sanft.

„Egal, mir ist die lieber!“, knautschte Lina und zerdrückte ihre Kartoffel gewaltvoll.

„Nun gut!“, fing Caro noch einmal an, und erzählte die Wahrheit, nicht wirklich bunt, oder schön, sondern gehaltvoll und manchmal auch ein klitzeklein wenig traurig.

 

Die Zeit verfloss wie Sand in einer Sanduhr, und es war inzwischen dunkel geworden, die beiden verließen die Lokation gegen zehn Uhr abends, und fuhren mit dem Taxi nach Hause, Caro stülpte sich aus dem Gefährt und schlurfte die Hofeinfahrt hinauf, zückte ihren Schlüssel und fummelte ihn in das Schloss, es knackte kurz und die Tür schwang auf, Kälte stob ihr unheilvoll entgegen, erledigt ließ sie die Tüten und ihre Tasche auf den Boden fallen, knipste Licht an und entdeckte das sie nichts entdeckte, bis auf den großen Zettel an der Pinnwand, darunter die Einladung.

„War klar, irgendwer musste anfangen, und wenn ich dazu schon nicht fähig bin dann du, und Anastasia ist die beste Wahl überhaupt!“, sie sprach mit sich selbst, und ging durch die fast leeren Räume, es hallte sogar bei jedem Wort, im Wohnzimmer stand außer der Couch, dem Fernseher, und einem Tisch, sonst nichts mehr, Dave hatte das Regal mitgenommen, und ihre Bücher stapelten sich nun an den Wänden, mit mulmigen Gefühl nahm sie eines in die Hand, Amy Angel, ihr Favorit, der Traum von einem Leben, dass man nicht führen kann, weil man zu schwach dafür ist, und ein Mensch dem man nie nahe genug sein darf, weil es nicht sein soll, seufzend klemmte sie es unter ihren Arm, und wanderte in die Küche damit, dort war fast noch alles beim alten.

„Das Haus ist leer!“, rief sie in den Flur, und setzte sich auf einen der Stühle an den Küchentisch, legte das Buch vor sich, streichelte es liebevoll, Tränen versuchten sich an die Oberfläche zu drängen, sie ließ ihren Kopf auf das Buch sinken, und musste eingeschlafen sein.

 

Kenny und seine Mutter spielten immer noch heiteres Berufe raten, „Nächste Frage!“, forderte Josie ihren Sohn belustigt auf.

„Ist Seth mit der Nacht verbunden?“, wollte er wissen, und sah sie lange an, Josephine schüttelte ihren Kopf.

„Mom, wir rätseln nun seit gut zwei Stunden herum, ich komme nicht weiter!“, seufzte er erledigt, und der Schlaf zupfte an ihm.

„Ich werde dich jetzt schlafen lassen, wir reden morgen weiter, ich kann dir nur eine Sache verraten, es ist nichts schlechtes!“, meinte sie mütterlich, und hatte sich erhoben, streichelte ihm über den Kopf, er lächelte und dämmerte weg.

Vor dem Krankenhaus wartete schon James. „Endlich, ich dachte schon, dass du nicht mehr kommst!“, rief er freudig, und umarmte Josephine zärtlich.

„Jetzt bin ich ja da, hast du die Blutprobe noch einmal untersucht, die ich dir gegeben habe?“, gemeinsam spazierten sie durch das nächtliche London.

„Ja, es besteht kein Zweifel, aber wie ist das möglich?“, fragte er vorsichtig.

„Das weiß ich noch nicht, aber es wäre besser, wenn du niemanden etwas davon erzählst!“, meinte Josephine aufgeregt.

„Mein Ehrenwort, allerdings nur, wenn ich dich zum Essen einladen darf!“, schäkerte James charmant.

„Ich habe einen Bärenhunger!“, lächelte Josephine nickend.

 

Die Nacht schlich weiter, Caro wurde durch rhythmisches Klopfen an der Haustüre aufgeweckt, sie erhob sich langsam, trat an die Tür, „Wer draußen!“

„Ich!“, meinte eine bekannte Stimme, sie stutzte und öffnete die Haustüre.

„Entschuldige, aber ich hatte so ein Gefühl, du weiß schon, so im Bauch!“, erklärte sich Lina, ihre Augen strahlten, Caro bat sie herein.

„Das ist ungemütlich, so kann man nicht wohnen, igitt, igitt, du wirst vorübergehend bei mir wohnen!“, bestimmte Lina, und wirbelte durch die leeren Zimmer.

„Nein, da ist doch auch kein Platz, ich habe noch mein Zimmer, das ist wenigstens komplett eingerichtet!“, rief Caro, und öffnete den Kühlschrank, eine Flasche Prosecco stand noch im Fach, sie ergriff zwei Gläser und kam damit zurück. „Auch was gegen die aufkommende Depression?“

„Ich bin rundum glücklich, aber ich trinke gerne mit!“, erkannte Lina, und knibbelte das Metallhütchen des Korkens herunter.

Nach einigen Gläsern und viel Wehmut, Humphrey Bogarts Casablanca, und einer fortgeschrittenen Nacht, war die Stimmung tot, Ingrid Bergmann forderte den Pianisten auf As time goes bye zu spielen und Caro fing an zu heulen, Lina nahm sie in den Arm, und weinte mit, welch bedrückend romantische Stimmung.

„Wenn du wählen könntest, zwischen Kenny und mir, mit wem würdest du lieber hier sitzen!“, schluchzte Caro, und lauschte der Musik.

„Sei mir nicht böse, wenn ich weder noch wählen würde!“, lächelte sie sanft, und eine Träne glitzerte in ihren Augenwinkel.

„Oh!“, meinte Caro knapp.

„Amy Angel!“, lächelte Lina, und fing eine Caro Träne auf, „Du bist wie sie, Träume, die dir immer näher sind als die Realität, aber manchmal braucht man nur die Hand auszustrecken und danach zu greifen!“

„Lucien!“, entdeckte Caro, und sah sie überrascht an.

„Er ist sehr nett, aber auch sehr unnahbar!“, erklärte Lina leise.

„Er ist nicht, dass, was du zu sehen glaubst, er ist anders als andere!“, versuchte Caro tüttelig zu erklären.

Lina sah sie von der Seite an, „Ja er ist aufregend, und charmant, hübsch, wild!“, schlemmte sie.

„Wild, ja genau, das ist die perfekte Bezeichnung für Lucien!“, brummte Caro sachte.

 

 

Die Nacht hatte irgendwann ein Ende, und der nächste Tag begann mit Sonne, und einem schweren Kopf auf der einen Seite, und Schmerzen auf der anderen Seite der Stadt.

Lina hatte sich schon sehr früh aus Caros instabilen Lebensgerüst verdünnisiert, und war in ihre Wohnung gefahren, dort rekonstruierte sie ihre Gestalt, duschte, zog sich an, machte sich ihre Haare, und schminkte sich, wählte ihre Lieblingsringe und band sich ein breites Samtband um den Hals, steckte sich glitzernde Ohrringe in die Ohren, und legte den Duft der letzten Verführung auf, sprang in den Flur und die Treppe hinunter, „Harry, wie sehe ich aus!“, rief sie schon von weitem.

Ihre Vermieterin erschien im Flur, schnappte kurz nach Luft. Wau!“, war das wirklich, dass einzige was ihr dazu einfiel.

„Sehr gut!“, grinste Lina, und verschwand nach draußen, setzte sich in Kennys Mercedes und fuhr in die Stadt, die ersten Lebenden erklommen den Morgen.

Es war herrlich gewesen mit der Sonne aufzustehen, sie liebte den Tag genauso wie die Nacht, und Kenny gab ihr so viel Energie, nun hatte sie ihn gefunden, den wahren Vater.

Geschickt brach sie in seine Wohnung ein schlemmte durch seine Räumlichkeiten, ihr Ziel, das Schlafzimmer, die violette Wand von damals, war einer hellen freundlichen Farbe gewichen, sie öffnete seinen Schrank, und blieb fast ehrfurchtsvoll stehen, die Klamotten ihres Vaters bestanden irgendwie nur aus Anzügen, aber hier hingen lange, und oder knielange Mäntel, schwarze, violette, welche mit rotem Samt als Innenfutter, Hosen aus feinstem Zwirn, Hosen mit dezentem Muster, Jeans, verwaschen, blau, schwarz, normal, kariert, Hemden, modern, alle Farben, Shirts, alles was das Herz begehrte, sie setzte sich auf das Bett und ließ alle Eindrücke auf sich wirken.

In einer Ecke des Zimmers stand der Ständer für sein Hexenmeisterbuch, doch er war leer, sie jauchzte vor Entzücken, und ließ sich auf das Bett fallen. „Ich bin ja so was von glücklich!“, rief sie laut, und erhob sich gleich darauf wieder, durchstöberte den Schrank und legte sich dies und das zurecht.

 

„Hallo, ihr Schlafmützen, es ist Zeit aufzustehen, ein neuer Tag eine neue Chance!“, rief der Sprecher des örtlichen Senders in sein Mikro, Caro öffnete ihre schweren Augenlider, sah sich um. „Wie spät?“

„Es wird gleich acht, Zeit, um aufzustehen und Jeremy zu hören, wir beginnen mit Matchbox 20, und gleich nach den 8 Uhr Nachrichten, hören wir uns wieder!“

„Oh je!“, Caro erhob sich blitzschnell, lief ins Bad duschte kurz.

 

Lina hatte Kennys halben Schrank eingepackt, und stolzierte verfolgt von neugierigen Blicken über den Krankenhauskorridor. Mit einem smarten lächeln auf den Lippen verschwand sie im Privatpatientenbereich, klopfte, wartete das herein nicht ab, und flog fast durch die Tür, Kenny sah sie nur überrascht an, „Guten Morgen, schon so früh?“

„Guten Morgen, früh? Es ist acht Uhr, wie fühlst du dich, ich hoffe gut, denn du wirst das hier heute anziehen!“, sprudelte sie, und ihre Augen funkelten vor Energie, Kenny schluckte sein Frühstücksbrötchen hinunter und ergriff seine Tasse, Lina warf die Kleidung auf das Bett und nahm ihm die Tasse aus der Hand, nippte daran.

„Wie nennt sich das, Kaffee?“, rümpfte sie ihre Nase, und stellte das scheußliche Gebräu weg.

„Manchmal!“, sagte er nur überfahren, und lehnte sich wieder zurück, Lina Wirbelsturm fegte durch sein Zimmer, hinterließ gedankliches Chaos, sie hatte alle Schubladen aufgerissen, die sie hatte finden können, und schüttelte nur rumorend ihren hübschen Kopf, dann kam seine Hand blitzschnell aus dem Nichts, erfasste ihr Handgelenk und zog sie zu sich, Schmerzen brannten in seiner Brust.

„Bitte, was suchst du?“, seine Stimme hatte sich um eine Oktave erhöht.

„Den Ring!“, rief sie, und sah ihn lange an, Finger legten sich auf seine Wange, er stöhnte, schloss seine Augen, „Mein Lieber Kenny!“, flüsterte sie, und legte ihr Gesicht an seine Wange. „Deine Zeit ist gekommen, nutze sie!“

Dann öffnete Kenny seine Augen, und ihrer beider Blicke kreuzten sich, das Blau ihrer Iris leuchtete vielleicht intensiver, aber war genauso blitzblau, Eis klar, und tiefgründig.

„Was wird das hier werden?“, fragte er zärtlich.

„Du wirst mit uns auf Daves Hochzeit gehen, es wird kein Aber und kein Nein akzeptiert, das ist deine Chance nutzte sie!“

Kenny lachte, „Daves Hochzeit, das ist nicht euer Ernst, er kann mich nicht leiden!“

„Bitte, in zwei Stunden werden wir Caro abholen!“, drängte Lina, und sprang von seinem Bett, stemmte ihre Hände in die Hüften, „Auf, auf, ich weiß, dass du aufstehen kannst!“

 

Kenny schlüpfte in sein drei Quadratmeterbad und duschte ausgiebig, rasierte sich, kam dann wieder zum Vorschein, „Nun?“

Lina sah ihn lange an, „Sehr lecker!“, meinte sie ging zu ihm, schnupperte an seiner Haut, er senkte seinen Blick wie ein kleiner Junge.

„Hm, du riechst gut!“, sie leckte sich unbewusst ihre Lippen, Kenny wich dezent zurück.

„Du solltest daran arbeiten!“, sagte er ruhig, und schlüpfte in sein anthrazitfarbenes Hemd, knöpfte es behände zu, Lina senkte beschämt ihren Blick, „Entschuldige, bitte!“, flüsterte sie, er ergriff ihr Kinn hob es an, „Wenn du willst, dann kann ich dir ein wenig unter die Arme greifen!“

Linas Lachen kam zurück, sie umarmte ihn stürmisch, „Oh ja!“, rief sie, und trat gleich wieder zurück, „Ich würde mich sehr freuen!“

„Was ist dein Vater nur für ein Ignorant!“, brummte er, und schlüpfte in seine Hose, schlängelte den Gürtel durch die Ösen, auf der Schnalle waren seine Hexenmeisterzeichen eingraviert, „Äh, Lina, warum ausgerechnet der extravagante Gürtel?“

„Ich finde, ich fand ihn hübsch!“, stotterte sie.

Er nickte, schön, das war wohl schwer untertrieben, edles Metall, feines Leder, aber nicht mehr Er, Kenny schlängelte sich in sein edles Jackett, und rückte sich zurecht, Lina band ihm seine Krawatte, trat dann einige Schritte zurück, „Du siehst so was von cool aus!“

„Cool, ich fühl mich schwummerig, reicht das zum Cool sein?“

„Es reicht!“, meinte sie, und kramte wieder in ihrer Tasche herum, eine kleine von Samt umhüllte Schachtel kam zum Vorschein, sie öffnete die Schachtel, ein Stück aus vergangenen Zeiten, sie hatte sie von ihrer Mutter erhalten. Sie nannte das kleine schöne Exemplar Schachtel ihrer kleinen Geheimnisse, in ihrem inneren befand sich ein Geheimfach, Lina hatte ihre Milchzähne darin versteckt, und den wunderbaren Ring, das allerliebste Geschenk ihres Vaters, dass er ihr jemals gemacht hatte, noch bevor er sie nie mehr beachtete, und in ihrer Gegenwart meist zu einem Tyrannen wurde, Kenny hielt den Atem an, „Nicht dein Ernst!“

Lina nickte, „Das ist das vollkommenste Schmuckstück, das jemals geschaffen wurde, ein Stück aus einer mächtigen Nacht, und einem Menschen dessen Leben darin verborgen ist, dessen Liebe stärker wäre als der Tot, ein Geschenk, nimm ihn und wähle sorgsam, und merke auf, du hast nur eine Stunde, und eine Chance!“, sagte Lina ernst.

Kenny ergriff den Ring mit spitzen Fingern, „Der Ring, ein Versprechen, eine Verbindung!“

„Genau, dir gehört die Stunde zwischen Mitternacht und 1 Uhr morgens, um dir ein Jawort zu holen!“, erklärte Lina leise, und umarmte ihn leicht.

„Und Tucker?“, fragte er vorsichtig.

Lina fuhr herum, „Denk an dich, nicht an Tucker, um den kümmern wir uns später!“

 

Kenny schnaubte, und schob den Ring in seine Innentasche, verließ mit Lina das Krankenhaus, die Stadt war erwacht, und lebte, viele Menschen tummelten sich auf den Straßen.

„Du fährst meinen Wagen, wie darf ich das verstehen?“, fragte er sie verwundert, als Lina wieder eine ihrer extra bekömmlichen Abkürzungen nahm.

„Der gehört dem Yard, und ich arbeite für das Yard!“, sagte sie, und erhaschte den Blick einer Frau, die an der roten Ampel stand, sie fühlte sich bestätigt, und sauwohl.

„Du bist…!“, fing er unruhig an.

„Ja, ja, ich bin deine Nachfolgerin, aber ich wäre froh, wenn du wieder der Erste wärst, da Robin nicht mehr ist!“, sprudelte sie aufgewühlt, und bog schon zum hundertstens Mal ab.

„Robin, ok, ich werde dieses Gespräch nicht vertiefen, ich fühl mich nicht allzu gut dabei!“

„Kenny, trink meine Notration, dann geht’s dir besser!“, rief Lina laut, und war wieder abgebogen.

„Wo fährst du uns hin?“, fragte er vorsichtig

„Zu Caro!“, rief sie, und endlich waren sie da, Caro saß schon auf heißen Kohlen, Lina sprintete barfuß an die Haustüre.

„Es tut mir leid und so weiter, aber ich wurde aufgehalten, egal, es ist Zeit, und sehr viel Verkehr, und zum Hangar ist es auch noch sehr weit!“, quoll es aus ihr heraus, und Caro folgte ihr ohne Worte, kurz bevor sie am Wagen angekommen waren, bremste sie Lina ab, „Und übrigens du siehst wunderhübsch aus!“

„Danke!“, meinte Caro vorsichtig, und stolperte über die Hofauffahrt, mit solch extra hohen Schuhen kam ihr allein der Weg in Richtung Wagen schon wie eine Kamikaze Aktion vor, dann entdeckte sie Kenny, ein Traum von Mann, immer wieder kamen Marks Worte zurück, du wartest doch nur auf einen sauberen Download, er öffnete ihr die Beifahrertür, „Danke!“, hauchte sie überrascht.

Er nickte nur, schwang sich vor Lina auf die Fahrerseite, „Ich werde fahren!“, grinste er, und erhaschte einen schelmischen Blick von Lina, die sich nach hinten setzte.

„Du siehst bezaubernd aus!“, seufzte er, und konnte sich wieder an die Antipathie die Caro gegen ihn hegte erinnern, hatte sich innerlich auf einen blöden oder abweisenden Spruch eingestellt.

Sie drehte ihren Kopf, sah ihn nur gut gelaunt an, „Schön, dass du mitkommst!“

Kenny nickte schmunzelnd, und die Fahrt führte ohne Umwege in den Hangar, „Bist du schon auf deinen Bruder gespannt!?“, wollte Lina erfahren.

„Mir ist schon ganz flau!“, sagte Caro dünn, diese Aktion hatte sie eiskalt erwischt, aber anders hätte sie es sicher wieder nicht kapiert.

„Ich bin schon sehr gespannt, wie die Braut aussieht, sicher trägt sie ein wunderbares Kleid, lange weiße Schleppe, Stickereien, und einen echt gigantischen Brautstrauß, sie wird aussehen wie eine Prinzessin, ich bin ja schon so was von gespannt, und Dave trägt Uniform!“, sprudelte Lina vor sich hin.

Caro stöhnte tragisch, „Wie himmlisch!“, brummelte sie leise, legte ihre flache Hand an die kühle Scheibe, ihre Ringe klickerte leise, sie sah aus dem Seitenfenster, während die Bäume schemenhaft vorbeiflogen, Kenny richtete seinen konzentrierten Blick auf die Straße, der Tower erschien monumental beleuchtet in der Ferne, und es konnte sich nur noch um Minuten handeln.

Und dann waren sie da die Minuten, Kenny bog in die Hauptschlagader ein, hielt am Tor, die Schranke war geschlossen, ein Soldat trat aus seinem Häuschen heraus und sah in den Wagen. „Sie können passieren, bitte halten sie sich an die Hinweisschilder!“

Kenny nickte dankend, und fuhr weiter, „Schau nicht rechts, schau nicht links, und am besten atmest du nicht!“, krümelte Caro unwohl.

Lina rutschte von einer Seite auf die andere, und dann kamen sie an den Parkplatz, ein Mann in Uniform begrüßte sie freundlich adrett, eine Menge Menschen tummelten sich schon, Lina warf die Wagentür auf und stürzte hinaus, eingefangenen von einem der Uniformierten Parkplatzwächter, der ihr ein verhaltenes Lächeln schenkte, Kenny schwang sich auch aus dem Gefährt, der Soldat stieg ein, der Wagen entfernte sich langsam.

„Auf, auf!“, meinte Lina, und ergriff Caros Hand, die sich kalt und leer fühlte, Blicke trafen sich, Linas Augen leuchteten und versuchten Energie und Kraft zu schenken.

„Das schaffen wir!“, flüsterte Lina Caro zu, und setzte sich in Bewegung.

Die drei wanderten über einen geschmückten Weg, immer den Wegweisern folgend, kamen an eine lange Tafel, viele hohe elegante Gläser mit Prickelwasser reihten sich aneinander, Kellner balancierten volle Gläser leichthändig auf ihren Tabletts durch die Gäste.

„Und, kennst du schon jemanden?“, wollte Lina neugierig wissen.

Caro sah sich vorsichtig um, schüttelte ihren Kopf, bis ein Mann in Uniform neben ihr auftauchte, „Ola Carolina!“, flüsterte er ihr ins Ohr, Caro erstarrte, „Ramon!“, rief sie dann doch erleichtert, wenigsten ein bekanntes Gesicht.

Er umarmte sie rasant, und drückte ihr ein Küsschen links und Küsschen rechts auf die Backe. „Du siehst absolut bezaubernd aus!“, meinte er, in seinem singenden spanisch-englisch.

„Wau, ein echter Soldat!“, erkannte Lina, und salutierte vor ihm, ein fröhliches Ramon lächeln schwebte durch die Menge, Caro schüttelte ihren Kopf.

„Das ist Ramon, Lina, Lina, Ramon!“, stellte Caro unseren Wirbelwind vor.

„Freut mich sehr!“, begrüßte er sie weiter, und wandte sich dann an Kenny, „Du repräsentierst wohl Vince!?“

Kenny nickte, und begrüßte Daves Trauzeugen und engen Freund.

„Sehr nobel!“, meinte Ramon nickend, und widmete sich wieder seinen Frauen, „Kommt mit!“

 

Lina hakte sich bei Ramon ein, und gemeinsam verschwanden sie durch die Gästemenge, nun standen Kenny und Caro allein vor der langen Bar, „Ist es noch zu früh, um schon betrunken zu sein?“, fragte sie sich selbst.

„Denke schon, komm lass uns in Richtung Zeremonie gehen!“, forderte er sie leise auf, und auch er fühlte sich unbehaglich, Caro spielte mit dem Henkel ihres Täschchens und setzte sich dann in Bewegung.

Gemeinsam kamen sie der Masse immer näher, die Bläschen in ihren Gedanken fingen an zu platzen, in vorderster Front entdeckte sie ihre Mutter samt Anhang, hielt kurz in ihrem Schritt inne, Kenny sah sie fragend an, Caro ergriff flink seine Hand, „Mom!“, stotterte sie.

Er nickte ihr nur zu, drückte ihre Hand leicht, und ging voran, in Caro brodelte es, sie wäre am liebsten im Boden versunken, und dann stand sie vor ihrer Mutter, die sich gerade angeregt mit Anastasias Vater unterhielt, der seinen Blick interessiert hob, ein Schmunzeln umwanderte seine Lippen, dann sah auch Caros Mutter um, ein juchzender Jauchzer entsprang ihrer Kehle, und sie fiel Caro ungebremst um den Hals, „Mein Gott Kind, wie sehr ich mich freue, dich endlich wieder zu sehen!“

Caro schnappte nach Luft „Mom ich ersticke!“, keuchte sie, und versuchte sich zu lösen.

„Oh, ja entschuldige, aber ich bin so überwältigt, wie lange haben wir uns den jetzt nicht mehr gesehen?!“, brannte sie vor Freude, und ihr Blick lief ständig zu Kenny, der sich gerade einer Diskussion mit Vinces Vater stellte,

„Du hast es also geschafft, trotz meiner Irreführungen, das freut mich sehr!“, meinte er, und schüttelte anerkennend Kennys Hand.

„Aber zu welchem Preis!“, brummelte Kenny.

„Zu einem sehr guten Preis, mein Sohn wäre sehr stolz auf dich gewesen!“, die Stimme von Vinces Vater schwankte kurz, ein anerkennendes Lächeln wanderte durch sein Gesicht, dann widmete er sich wieder seiner hübschen Frau, und Caro musste sich dem Frage Antwortspiel ihrer Mutter stellen, „Stellst du ihn mir nicht vor?“, fragte sie neugierig.

„Wen?!“, wollte Caro gedankenverloren wissen, und ließ ihre Blicke schweifen, Lina schien spurlos verschwunden zu sein.

„Kenneth Baker!“, stellte sich Kenny selber vor, Caros Mom schien beeindruckt zu sein, und das wirklich im sprachlosesten Sinne des Wortes.

„Sehr erfreut!“, meinte ein Mann aus dem Hintergrund, sehr stylisch und ein wenig jünger als Caros Mom, ihr Mann, er klemmte seine Hand in Kennys, und schüttelte sie kräftig.

Der Moment wurde gerettet, durch die Musik die plötzlich erklang, die Gesellschaft setzte sich, und zu Caros größter Überraschung saß Lina schon, die ersten Reihen war der Verwandtschaft vorbehalten, Caros Mom samt Begleitung setzten sich auf die vordersten Stühle, Kenny und Caro schwebten hintendrein, und dann zog er seine Hand aus ihrer, sie sah ihn erstarrt an, er zuckte mit seiner rechten Augenbraue, und nickte, ihr Blick wirkte flehend, „Das ist dein Platz, na geh schon, wir sitzen hinter dir!“, flüsterte er ihr charmant zu, nüchtern konnte ja so belebend sein, wie sehr hatte er diese sauberen Gefühle vermisst.

Und dann erschienen sie, Anastasia mit ihrem Vater, welch ein wunderbares Paar die beiden doch waren, ihr Kleid bestand wirklich aus einem Traum aus Stickerei und Schleppe, ihr Haar war kunstvoll hochgesteckt und mit kleinen Blüten fixiert, und erst der Brautstrauß, in gelb-orange gehaltenen Rosen, schon allein bei diesem Anblick fing Caros Mom an zu weinen, ihr Mann zückte ein Taschentuch.

 

Dave hatte schon gewartet, und trat nun zu seiner zukünftigen Frau, bei diesem Anblick heulte Rosie nur noch mehr, er wirkte in seiner Uniform wirklich sehr adrett und gehaltvoll, der Brautvater übergab die Braut, und der Pfarrer begann mit der Zeremonie, dann kam die Geschichte mit den Ringen.

Lina seufzte glücklich, und sah zu Kenny, der ihr ein gnadenloses Lächeln schenkte, ihr Herz bebte, jeglicher Hass gegen ihren Vater aus einer anderen Zeit schien verflogen, die Sonne wärmte die Gästeschar und ließ alles glitzern und blinken.

Ramon hatte sich weiße Handschuhe angezogen, hielt das goldene Tellerchen, auf dem die Ringe lagen, dann tauschten die beiden Ringe, und waren Mann und Frau.

Caros Fassung verlor sich Stück um Stück je weiter die Zeremonie voranschritt, inzwischen schnäuzte sie sich schon zum hundertsten Mal, dann schwebten die beiden an ihnen vorbei, und die Gästeschar folgte ihnen, solch eine hohe Dosis Glück konnte man kaum ertragen.

Der Weg endete in einer umgestalteten Flugzeughalle, dort wurden die Gäste noch einmal empfangen, das Brautpaar hatte sich gut platziert, und nahm die Glückwünsche aller entgegen.

Dann kam Caro, erst hatte sie sich überlegt einfach spurlos zu verschwinden, aber wie kindisch wäre das gewesen, schließlich war das, der schönste Tag im Leben eines Menschen, neben einem Lottogewinn vielleicht, sie ergriff ein Glas Sekt und nippte daran, setzte sich dann in Bewegung und kam ohne Umwege bei Anastasia und Dave an.

„Ich wünsche euch alles Glück der Erde, und unendlich Zeit miteinander!“, sprudelte Caro berührt, Anastasia nahm ihre neue Schwägerin fest in den Arm, „Ich danke dir!“, flüsterte sie ihr ins Ohr.

Dann kam Dave an die Reihe, umarmte sie auch, „Es musste sein, sei mir nicht böse, ich liebe dich kleine Schwester!“, seine Stimme schwankte leicht, er räusperte sich, und trat wieder zu seiner Frau.

 

Caros Mom fing wieder an zu weinen, „Ich bin ja so glücklich!“, schniefte sie.

Dann kamen Lina und Kenny aus der Mitte, die Menge teilte sich, Anmut und Grazie bewegte sich leicht, Linas Bewegungen glichen eher einem Reh, weich und leichtfüßig, Kenny repräsentierte Eleganz, Stolz und Ehre, Dave blieb fast die Luft weg, gemeinsam traten sie vor das Brautpaar, „Viel Glück auf eurem gemeinsamen Weg, meistert die tiefen des Lebens genauso wie die Höhen, seit stark und haltet zu einander, dann wird eure Liebe ewig bestehen!“, rezitierte Lina poetisch, und schüttelte beiden die Hand, dann kam Kenny, er zog etwas aus seiner Tasche, reichte es Anastasia, sie nahm es an sich und faltete das rote Tuch mit Vinces Meister der Künste Prägung auf, Vince Symbol schmiegte sich weich in das Tuch, Anastasia sah mit Tränen in den Augen zu Kenny, umarmte ihn, trat dann wieder an Daves Seite, „Danke!“, hauchte sie und nickte.

„Vince hätte es so gewollt!“, sagte er, und nahm Lina mit sich, die Gespräche erhoben sich wieder.

 

Caro stand ein wenig vergessen in einer lauten Menge an Menschen, hielt das Glas mit ihrem Sekt wie ein schützendes Schild vor sich, Lina verstrickte sich gerade in ein Gespräch mit Caros Mom, die sie seit ihrer Kinderzeit als Großmutter aus einem fernen Land kannte.

Dave trat zu seiner kleinen Schwester, „Wie fühlst du dich?“, fragte er leise.

„Es freut mich sehr für dich!“, Caro versuchte ernst zu klingen.

„Wirklich, du siehst traurig aus!“, sagte Dave leise, und legte seinen Arm um ihre Schulter. „Komm lass uns ein paar Meter gehen!“, forderte er sie auf, und führte sie aus der Halle hinaus.

„Wie fühlt man sich denn so als Ehemann?“, wollte Caro schlapp wissen.

„Gut, sehr gut!“, wisperte er, und beide verschwanden hinter einem Helikopter, „Du siehst mitgenommen aus, wo warst du, ich habe mir Sorgen gemacht!“

„Ein Fall, ich konnte mich nicht melden, aber nun ist es ja vorbei, bin wieder hier, das Haus wird sehr leer sein ohne dich!“, murmelte sie

„Du wirst zurechtkommen, sonst kannst du ja immer noch zu Mom ziehen!“, ärgerte er sie zynisch, kassierte dafür einen besonders bösen Blick, „Zumindest scheint in Arizona fast immer die Sonne!“.

„Stimmt, das wäre wirklich eine Überlegung wert, bei diesem Mistwetter hier!“, Caro lächelte seicht, und Dave nahm sie sachte in den Arm.

 

Kenny unterhielt sich mit Caros Stiefvater, oder einfacher gesagt Shawn, als Lina zu den beiden stieß, „Seid ihr zufällig Bruder und Schwester?“, bemerkte Shawn nebenbei.

Lina schüttelte heftig ihren Kopf, „Kollegen, Freunde, so was eben!“, sprudelte sie leicht.

„Ihr seht euch sehr ähnlich, aber vielleicht vertrage ich auch den Sekt nicht!“, prustet Shawn, und trank sein Glas aus.

„Das wird’s sein!“, rief Lina, und entführte Kenny, nahm ihn mit sich, „Du siehst blass aus, geht’s dir nicht gut!“.

Er atmete tief durch, „Meine Wunden schmerzen!“

„Setzen, komm wir setzten uns in den Schatten, auf eine Bank!“, flüsterte sie koordiniert, und steuerte eine der Bänke an, die vor der Halle stand, „Ich bin gleich zurück!“

Caro stolzierte ohne Dave auf die Halle zu, bog ab und entdeckte Kenny sitzen, „Ist hier noch ein Platz frei?“, wollte sie erschöpft wissen, ihre Füße brannten, sie war das Gehen in hohen Schuhen nicht gewohnt.

„Sicher, und hast du dich inzwischen mit deiner neuen Situation angefreundet?“, fragte er schmunzelnd.

„Irgendwie schon, das ist eben der Lauf der Dinge!“, sie schnupperte an der orange-gelbschattierten Rose, die an ihrem Kleid steckte.

„Du hast schon so viel in deinem Leben geschafft, also wirst du diese Hürde mit Bravour nehmen!“, seine Stimme klang in ihren Ohren, wie ein leiser Wind, sie grinste in sich hinein.

Lina hatte einen Sektkühler, samt Inhalt, Flasche und Gläser gestohlen, wackelte auf die beiden zu.

„Die Hauptsache ist doch, dass du lebst, hm, oder, das Drumherum ist zweitrangig!“, lenkte sie geschickt ab, er sah zu ihr, neigte seinen hübschen Kopf, „danke, für alles!“, hauchte er und kam sich wie ein Verbrecher vor.

„Wieso danke!“, fragte sie nach.

„Das du immer da warst, auch wenn du mich eigentlich nicht mehr leiden kannst, und versuch dich jetzt nicht rauszureden, ich konnte mich dank der Anderen Erinnern, eigentlich verachtest du mich mit jeder Faser deines Herzens, ein hoher Preis, zu hoch!“, stöhnte er mit zitternder Stimme.

Caro schien äußerst überrascht über Kennys Sinneswandel, drei Jahre Kampf, Wut, Hass, Lügen, man hatte sie gespielt wie Marionetten, angestachelt, Unmut gesät, „Zu hoch, da hast du recht!“

Lina ließ den Sektkühler neben Caro auf die Bank krachen, „So das wird uns ein wenig beleben!“, rief sie quirlig.

„Gute Idee!“, knautschte Caro, und fingerte die Gläser aus dem Kühler, warf jeweils einen Eiswürfel hinein und Lina goss das Prickelwasser darüber.

 

Die Zeit verstrich und es dämmerte bereits, die Menge tanzte inzwischen ausgelassen zu spanischer Musik, Ramon voll in seinem Element bewegte sich elegant über die Tanzfläche, Caros Mom hatte sich am Sekt vergriffen und sang lautstark mit.

Lina wippte sich in die Menge, das Angebot war sehr verlockend, sie fühlte sich wie im siebten Himmel, ihr Körper bewegte sich erotisch zu der Musik, und sie zog viele Blicke auf sich, Caro schnaufte, „Sie ist so was von hübsch!“, schon wieder redete sie mit sich selbst.

„Sehr hübsch!“, bemerkte Kenny, und legte seine Hände ineinander.

Caro sah ihn lange an, war klar, da war er wieder, der alte Kenny, war sie eifersüchtig, nein, nie im Leben, keine Gefühle mehr, nie wieder, sie rümpfte ihre Nase und streckte ihm die Zunge entgegen.

Er lachte zynisch, „Perfekt!“, setzte er spöttisch hinzu.

„Nichts einzuwenden, alles am richtigen Ort!“, entdeckte sie schillernd

„Detail für Detail!“, ärgerte Kenny sie.

„Genau dein Typ!“, brummte sie, und trank ihr Glas leer, er nahm es ihr aus der Hand, sie runzelte die Stirn.

„Genau!“, hauchte er, und seine Lippen berührten sachte die ihren, Caro hielt den Atem an, alles schien schief zu laufen.

Die Zeit verschlang jede Sekunde, unaufhörlich glitzernd, egoistisch, die Stunde vor Mitternacht zeigte sich nicht besonders schillernd, es war dreiundzwanzig Uhr geworden.

„Du hast mich geküsst!“, entführ es Caro atemlos, ihr Herz schlug schnell, dieser Kuss war anders gewesen, frei und porentief rein, ohne Konservierungsstoffe, mit einem Hauch von Sehnsucht.

„So nennt man das wohl!“, sagte er leise, und erwartete eine Reaktion, vielleicht ein schlagendes Argument, oder ein böses Wort, doch nichts von alledem geschah.

„Carolin, ich muss mit dir reden!“, rief ihre Mutter schon von weitem, und als sie dann bei den beiden angekommen war, ergriff sie Caros Handgelenk, die flehend zu Kenny sah, der nur lächelnd nickte, „Ich muss mit dir reden!“, mit diesen Worten verschleppte sie Caro.

 

Kenny fühlte sich elend, seine Kraft wich, Schmerzen brannten in seiner Brust und auf seinem Rücken, dann konnte er Lina entdecken, die sich an einen Offizier heranmachte, zu offensichtlich, in seinen Augen, er schlenderte über die Tanzfläche und tippte ihr auf die Schulter, schüttelte seinen Kopf, „Kann ich dich kurz sprechen!“

„Sicher was gibt’s?“, fragte sie ahnend.

„Du solltest dich beherrschen, zumindest hier in der Menge!“, sagte er ruhig.

„Es tut mir leid, ich muss das wohl noch ein wenig üben!“, peinlich senkte sie ihren Blick, er hatte recht hier kannte man sie inzwischen, „Aber wenn ich doch so Hunger habe!“, neckte sie ihn, und zog einen Flunsch.

Er versuchte ihren Blick zu fangen, „Lass uns fahren!“, sagte er sanft.

„Gute Idee, ich fahr euch heim!“, scherzte sie froh.

„Ich fahre, mit deinen Abkürzungen werden wir nicht vor 2023 zu Hause ankommen!“, lästerte er.

 

Caro war überglücklich das Lina sie von ihrer Mutter befreite, allerdings musste sie ihr hoch und heilig versprechen den morgigen Tag mit ihr zu verbringen, und der Anblick des Mercedes in der Nacht erleichterte ihr Herz ungemein, ein Himmelreich für ein Bett.

„Wer will wo hingebracht werden?“, fragte Kenny dünn, als sie in die Stadt kamen, „Du kannst mich am Dragon rauswerfen!“, rief Lina erheitert.

„Mich bei mir!“, wisperte Caro schlaftrunken.

„In deinem Haus wohnt man nicht, zumindest nicht zwischen Mitternacht und Ein Uhr!“, warf Lina locker ein, Kenny sah zu Caro die es sich bequem gemacht hatte.

„Dave hat sein Mobiliar mitgenommen!“, meinte sie müde, hatte keine Lust dieses Thema jetzt auszubreiten.

„Alles, das macht doch so keinen Spaß!“, rief Lina sonnig.

„Kann man bei mir noch wohnen?“, fragte er vorsichtig, er war seit fast einem Jahr nicht mehr in seiner Wohnung gewesen.

„Kann man, ich habe ab und zu nach dem rechten gesehen, deine Post gelesen, deinen Whisky getrunken und in deinem Bettchen geschlafen!“, erklärte Caro schläfrig, und gähnte herzhaft.

Kenny gluckste, bog in eine Seitenstraße ein, und fuhr auf den Parkplatz des Dragons, „Hier ist ja einiges los, wie lange war ich out of Order?!“, bemerkte er überrascht.

„Ja, sie haben ihr Willkommen in der Hölle Schild abmontiert, seit dieser Zeit läuft das Geschäft wieder!“, erklärte Lina frisch, und zupfte sich ihre Haare zurecht, öffnete die Wagentür, kalte Nachtluft strömte um ihren schlanken Körper, erfrischte sie zärtlich.

„Parken, aussteigen, ein Bier trinken, Hallo sagen!“, murmelte Caro im Schlagwortstil.

Kenny nickte zustimmend, gesagt getan, gemeinsam gingen sie mit noch fünf anderen Personen auf den Eingang zu, einer der Gäste klopfte, Samsarkin blinzelte durch den Spion und öffnete.

„Nur herein, mit euch!“, lächelte sie der kleinen Gruppe zu, umarmte Lina und Caro, verharrte dann kurz vor Kenny, ihr pinker Haarschopf leuchtete wie ein Signal in der regnerischen Nacht, „Endlich!“, meinte Samsarkin, und verneigte sich schon fast vor ihm.

Neue Töne waberten durch den Club, der Tod grüßte nicht mehr allzu offensichtlich, die Drei quetschten sich durch die vielen unbekannten Gesichter und stiegen die Treppe empor, Steven erschien makellos wie immer an der Bar, seine schwarzen Augen glänzten im Licht der Thekenbeleuchtung, „Welch seltene Gäste!“, rief er lächelnd.

„Hi Steven!“, flötete Caro, und raffte sich noch einmal auf, umarmte ihn von weitem.

„Schön, dass du uns wieder besuchen kommst!“, flüsterte er ihr sinnlich zu.

Lina hatte Nick entdeckt, und war zu ihm geflogen, umarmte ihn herzlich, er drückte ihr ein Küsschen auf die Stirn, Kenny beobachtete die Geste mit Vorsicht, wand sich dann an Steven.

„Du hast es also geschafft!“, erkannte er freudig.

 

Pat stellte eine Flasche edlen Rotwein auf die beleuchtete Glastheke, „Ein Geschenk des Hauses!“, rief sie, und gab Caro zwei Gläser, ein jeder wusste und hoffte auf diese eine Stunde zwischen Mitternacht und Ein Uhr.

„Wenn ich noch eine Flasche Alkohol trinken muss, dann fall ich auf der Stelle um!“, stöhnte Caro, und verzog ihr Gesicht.

„Ich helfe dir gerne!“, grinste Kenny, nahm die Flasche und verschwand in den hinteren Teil der Empore, allerdings tummelten sich dort, für seinen Geschmack, auch zu viele sehr junge Leute, lümmelten herum, betrunken, high oder vergnügten sich miteinander, Caro war Kenny gefolgt, der plötzlich kehrt machte, sie lief frontal in ihn hinein.

„Ich kann so was nicht leiden!“, knurrte er, Caro sah an ihm vorbei, „Tja, das war unter anderem auch ein Grund hier nicht mehr regelmäßig zu erscheinen!“, schimpfte sie leise, und zeigte auf eine kleine Gruppe Teenys, die sich sichtbar ausgelassen Vergnügten.

„Kann ich euch vielleicht aushelfen?“, fragte Tamira, auf ihrem makellosen Teint erschien ein Lächeln.

„Oh Tamira, Thema des Abends Kindergartenparty, findest du nicht das dein Publikum zu jung ist ?!“, fragte Caro zynisch, und wollte sich verdünnisieren, doch Tamira versperrte ihr den Weg.

„Ihr solltet euch nicht von Kleinigkeiten ablenken lassen, ich werde euch in eurer Ortswahl unterstützten!“, sagte Tamira klar, und führte die beiden in das geschmackvolle Separee.

Caro blieb in der Tür stehen, schüttelte nur ihren Kopf, sie kannte den Raum der Wünsche nur zu gut, Tamira hatte die beiden hier vor längerer Zeit miteinander eingesperrt.

„Danke, aber dazu bin ich nicht in der Stimmung!“, übernahm Kenny das Wort, wandte sich ab, und quetschte sich durch die Menge.

„Wir sehen uns Tamira!“, rief Caro, und folgte ihm.

 

Draußen auf dem Parkplatz angekommen, musste Kenny erst einmal die düstere Lokation abschütteln, die Zeit lief, und er hatte das Gefühl, dass sie nicht für ihn lief, „Komm, lass uns verschwinden!“, meinte er, drückte auf seinen Schlüssel, der Wagen blinkte kurz und er stieg elegant ein, Caro ließ sich auf den Beifahrersitz gleiten, schlüpfte aus ihren Schuhen und knetete sich ihre schmerzenden Fußsohlen, legte die Gläser auf die Rückbank des Wagens und fuhr mit Kenny gemeinsam in die Stille Nacht hinein

„Könntest du mich heute Nacht ertragen?“, flüsterte Caro leise in die Stille hinein.

Kenny antwortete nicht, sie drehte ihren Kopf und sah aus dem Seitenfenster, wie denn auch, erst giftest du ihn fast jeden Tag an, und dann spielst du den Samariter, du bist ein Pharisäer, und dann wäre da noch Tucker, sie mochte gar nicht daran denken, Caro du bist eine linke Bazille, schweigsam bog er in seine Straße ein, konnte sehen das ein Wagen im Hof stand, parkte den Mercedes daneben, „Scheiße, ich wusste es!“, zischte sie, und griff sich an den Kopf.

„Muss ich noch was wissen, bevor ich mein Haus betrete?“, schmunzelte er, und sah zu ihr, seine Augen funkelten sogar in der Nacht.

„Dein Vater hat Vinces Wohnung in der Zwischenzeit vermietet!“, stöhnte sie erschöpft, die Mitternachtsstunde kam Sekunde für Sekunde näher, Kenny stieg aus, öffnete Caro die Wagentür und reichte ihr gentlemanlike seine Hand, „Darf ich dich in meine Wohnung geleiten?“

„Du kannst ja richtig charmant sein!“, grinste sie von einem Ohr zum anderen.

„Kannst du mir einen Gefallen tun?“, fragte Kenny leise, und wieder verschwand sein Körper in der Nacht.

„Sicher!“, plusterte sich Caro auf, ergriff ihre Schuhe, stellte sie vor sich und schlüpfte wieder hinein.

„Können wir unsere Vergangenheit vielleicht ruhen lassen, nur für diesen einen Abend, ich bitte dich nur um diese eine Chance, und ich weiß auch, dass sie mir nicht im Entferntesten zusteht!“, erklärte er ihr leise, sein Atem gefror bereits zu einer weißen Wolke.

„Nun gut, eine letzte Chance, die wohl einhunderttausendste!“, hauchte sie, und beide gingen an die Haustüre, dann sah er sie lange an. „Schlüssel?“, meinte er verdrossen.

„Ah, Moment!“, erkannte Caro, und griff in ihre kleine Tasche, zog seinen Schlüssel heraus und sperrte auf und gingen hinein. „Und wer wohnt nun in Vinces Wohnung?“

„Robin!“, sagte sie spitz, und zog eine Grimasse.

„Du scheinst ihn nicht zu mögen!“, entdeckte er an ihrer Tonlage, musste schmunzeln.

„Wie man’s nimmt, er war dein Nachfolger, arrogant, akribisch, spitzfindig, und er hat mich rausgeworfen!“, erzählte sie.

„Er hat dich rausgeworfen, so, so, was hast du angestellt, eine Leiche mit nach Hause genommen?“, witzelte Kenny neckisch, und zog die Haustüre ins Schloss, die Wohnungstüre im Erdgeschoss öffnete sich, Robin entgleisten sämtliche Gesichtszüge als er Kenny entdeckte, schweigend standen sie sich ein paar Atemzüge gegenüber.

„Hi Robin, alles klar?!“, rief Caro im Vorbeigehen, zog wieder ihre Schuhe aus und stapfte nach oben.

„Hallo Caro, danke!“, sagte er leise, und konnte seinen Blick kaum abwenden, dann legte sich ein warmes Lächeln in Kennys Gesicht, „Wir sehen uns sicher morgen!“

„Sicher!“, stotterte Robin, und sah Kenny nach, bis dieser verschwunden war.

Kenny betrat vorsichtig seine Wohnung, die unbewohnt roch, kalt und nicht wirklich sympathisch wirkte.

Er hängte seinen Mantel auf, und knipste überall das Licht an, ein Riesenhaufen Post lag auf seinem Küchentisch, daneben stand wirklich ein Glas, und eine Flasche Whisky.

Caro hatte es sich inzwischen auf seiner Couch bequem gemacht. „Und erkennst du dein Leben wieder?“

Kenny schüttelte seinen Kopf, „Es ist alles noch ziemlich lückenhaft!“, seine Gestalt wanderte in das Schlafzimmer, währenddessen entkorkte Caro die Flasche Rotwein, goss den Edeltropfen in die bauchigen Gläser, dann kam Kenny zurück, hatte sich aus seinem Edelzwirn geschält, war in bequeme Kleidung geschlüpft.

„Gleich Mitternacht!“, Caro hielt ihm ein Glas Rotwein hin, dass er verhalten entgegennahm.

„Ich muss dir etwas gestehen!“, fing er vorsichtig an.

„Ich weiß, warum ich hier bin!“, erkannte sie zäh, und trank einen Schluck, erhob sich, „Der Zukunft wegen!“

„Es wird keine Zukunft geben!“, sagte er resigniert, war durch den Raum gewandert, und baute sich groß in der Tür auf.

„Aha, und wieso nicht?“, fragte Caro oberflächlich, hatte sich ebenfalls erhoben, „Macht es dir etwas aus, wenn ich mein Kleid ausziehe, ich kann so nicht ordentlich denken!“

„Tu dir keinen Zwang an!“, lächelte Kenny und Caro verschwand in seinem Schlafzimmer, setzte sich auf das Bett, legte ihren Kopf in die Hände, „Was bitte soll ich tun!“, flüsterte sie sich zu.

„Es geschehen lassen, und ein Held sein, die Welt retten, es reicht auch die Nacht, schon gut wir wollen es nicht übertreiben, und was wird dann aus uns werden, ich ahne schlimmes, er wird sich erinnern und wieder der Alte sein!“, mit diesen Worten zog sie sich ihren Reißverschluss auf, und ließ die Träger ihres Kleides von den Schultern fallen, „Vielleicht habe wir auch Glück, aber da war noch das andere Problem, Tucker!“, das Kleid glitt sanft zu Boden, sie lupfte ihre Füße heraus, und hob es auf, legte es neben sich, „Und was wenn´s nicht funktioniert, dann war alles umsonst!“, sie öffnete seinen Schrank und zog einen Bademantel heraus, schlüpfte hinein, „Außerdem kann ich das bescheuerte Ritual nicht leiden, bäh!“, ihr Blick fiel auf den leeren Buchständer in der Ecke, „Und das alles nur wegen diesen blöden pseudo Monstern der Regierung, und wie war das mit der dummen Liebe, ohne Liebe keinen Titel mehr, verfluchte Scheiße!“, murrte sie, und schloss die Türen des Schrankes wieder, er hatte ihr Zwiegespräch belauscht und war hinter sie getreten, zupfte ihr die Spangen aus dem kunstvoll hochgesteckten Haar, Strähne für Strähne fiel herunter, Caro hatte den Atem angehalten, „Bitte!“, hauchte er ihr in den Nacken.

Bitte, das war ja ein ganz neues Wort, noch nie hatte er bitte gesagt, „Ich liebe dich nicht mehr!“, log sie geschickt, Kenny verharrte in seiner Tätigkeit, seine Finger zitterten plötzlich. „Gut, wenigstens bist du ehrlich!“, schnaubte er.

Caro wagte es nicht sich umzudrehen, „Ich habe es satt euer Spielball zu sein, ein Drink, ein zwischendurch, oder was sonst noch, ich bin es leid, ich hasse die Schmerzen, diese Ohnmacht, ewige Sehnsucht gepaart mit der Hölle, was soll das, erst stirbt Vince, und dann gehst du ins Nirgendwo, jeder Tag war vollgefüllt mit unendliche Hoffnungslosigkeit, wollt ihr mich quälen, ist das so was wie eine Strafe!“, ihre Stimme erstarb, er legte seine Stirn in ihren Nacken, Tränen tropften auf ihre weiche warme Haut, Caro erstarrte, drehte sich blitzschnell um, er wollte sich gerade abwenden, doch sie ergriff sein Gesicht.

„Die Hoffnung stirbt zuletzt, und ich habe gehofft, jeden Tag, bis zu jenem Tag, an dem sie dich gehen lassen wollten!“, Kenny legte ihr seinen Finger an die Lippen.

„Sie haben mir keine Wahl gelassen, nicht einmal eine Entscheidung durfte ich treffen. Meine damaligen Drogentests waren alle positiv, und sie haben mir noch diese eine Chance gegeben, entweder ich nehme den Fall an, oder ich werde auf ewig suspendiert, und erst viel später bemerkte ich, dass sie mich ganz elegant loswerden wollten, doch da war es schon zu spät. Ich habe meine Individualität verloren, meine Familie und mein Leben, ich stehe in einem Scherbenhaufen, und ich kann verstehen wenn ihr alle die Schnauze voll habt, so wie ich mit euch umgesprungen bin, doch das allerschlimmste, waren nicht die Exzesse oder der Alkohol, nein, ich hatte dich verloren, wieder einmal, aber ich musste meine Rolle weiterspielen, ob ich wollte oder nicht!“, er wand sich aus ihrem Blick, Caro schnappte nach Luft, setzte sich, wieder einmal schwankte der Boden, wieder einmal brach ihr Herz, sie wurde kalkweiß ihre Haut kriselte, schwarze Flecken tanzten vor ihren Augen, er sank vor ihr auf die Knie.

„Kann man dir glauben, oder ist das alles wieder nur Bullshit!“, keuchte sie, und versuchte sich festzuhalten obwohl sie schon saß, er nahm ihre Hände, „Ich…!“

 

Die Turmuhr der nahen Kirche schlug Mitternacht, und die Stunde zwischen Ein Uhr und Mitternacht begann.

„Wenn du mir versprichst, mich danach für immer und ewig in Ruhe zu lassen, mich nie wieder zu bedrängen, dann tu was du tun musst, der Nacht und ihren Geschöpfen zuliebe!“, flüsterte sie, versuchte klar und deutlich zu sprechen.

Kenny war wieder gestürzt, er wollte solch ein Versprechen nicht geben müssen, er konnte sie nicht schon wieder gehen lassen, war denn alles zu spät.

„Versprochen!“, drang es gequält aus seiner Kehle wie ein armer kleiner Wurm der sich durch hartes Erdreich zu wühlen versuchte.

„Und wie möchtest du vorgehen, Schnitt hier Blut da?“, immer noch schwankten ihre Gedanken.

 

Kenny erhob sich grinsend, ging die Weinflasche holen, knipste das Licht aus und schloss die Tür zu seinem Schlafzimmer, dann entzündete er die vielen verschiedenen Kerzen, die immer noch ein Teil seines Hexenmeisterdaseins verkörperten, und losch auch dort das Licht, die Flammen tanzten wild umher und ein leises Knistern strömte durch den Raum.

„Wie würdest du es denn gerne machen?“, fragte er sie leise, und setzte sich auf sein Bett, fühlte sich wie ein Teenager, der das erste Mal richtigen Sex haben würde.

„Gute Frage, ich habe keine Antwort darauf!“, meinte sie, und fühlte sich verirrt.

Kenny atmete tief durch, dass es schwer werden würde, dass wusste er, aber so schwer, das hatte er nicht gedacht, Caro zog eine Schnute, und rückte ein Stück näher.

„Ich werde es dir mal vormachen!“, lächelte sie, und stupste ihn in die Kissen, ihr Gesicht erschien über seinem, und dann küsste sie ihn, die Zeit wanderte, sinnlich gelassen, frei, er lebte seinen Traum, detailgenau, jeder Zentimeter Haut, eine Explosion, jede Regung erzeugte tausend neue Momente, Kenny fingerte nach seinem Dolch, er hatte ihn vorher unter das Bett gelegt, „Ich kann mich nicht verwandeln!“, flüsterte er ihr zu, sie öffnete ihre Augen, stöhnte. „Ich wusste es!“, schnaufte sie.

„Es wird nicht wehtun!“, hauchte er, und küsste sie wieder, setzte die Klinge des kleinen Schmuckstücks vorsichtig an Caros Haut und hinterließ einen zarten Schnitt , sie zuckte leicht zusammen, ein dünnes Rinnsal des roten Goldes lief über ihre Schulter, Kenny leckte es ab, metallisch süßer Geschmack breitete sich explosionsartig in seinem Mund aus und er konnte sein Verlangen nach mehr nur zu deutlich spüren, sie merkte wie er sanft saugte und wieder zu Kräften kam, ihr Unwohlsein wich einem Hochgefühl, Erotik ergoss sich wie leckere Vanillesauce über einer Portion Apfelkuchen, Gefühle erwachten, kamen wieder zurück, seine Hände berührten ihren Körper, heiß beflügelte das Blut seine Lust, und sein Verlangen nach allem wurde lebendiger, „Willst du es tun?“, fragte sie leise.

„Was?“, meinte er, und sah ihr tief in die Augen.

„Mit mir schlafen und das zu Ende führen worum wir heute hier sind, die Stunde neigt sich dem Ende zu!“, flüsterte Caro.

„Möchtest du es denn?“, fragte er vorsichtig, Mae hatte in allem Recht behalten.

 

Die Stunde war verstrichen, Kenny hatte sich an Caro gekuschelt, „Wie geht es dir?“, wollte er leise wissen, konnte ihren Herzschlag spüren.

Ein rauschendes Stöhnen schwang an sein Ohr, „Befriedigt, irgendwie!“

Kenny streichelte sie vorsichtig, spürte den Schweiß auf ihrer Haut, dann küsste er sie wieder, seine Zunge glitt erneut über ihre Wunde, aus der immer noch Blut in feinen Rinnsalen über ihren Hals lief.

„Du bist immer noch erregt!“, entdeckte er, und konnte ihre wallenden Gefühle spüren, seine Fähigkeiten kehrten nicht wie gedacht explosionsartig zurück, dennoch prasselten tausend Eindrücke über ihn herein, bunt, wild, sein Magen rebellierte, ihm wurde übel, sein Blut schoss wie ein reißender Gebirgsbach durch seine Venen, zu schnell zu heiß, überfahren sank Kenny zischend in sein Kissen, tausend bunte Blitze tanzten durch seine Augen, groteske Bilder liefen wie ein Film ab, und dann war er angekommen, Stille, Schwärze.

„Kenny?“, Caros Stimme drang in sein Bewusstsein, er sah zu ihr, richtete sich auf und küsste sie weiter….

 

Die Sonne schlich sich gekonnt durch den morgendlichen Nebel, in Kennys Schlafzimmer, Caro war schon einige Zeit wach, ein böser Traum hatte sie durch die Nacht gejagt, schwummerig tapste sie in die Küche und öffnete alle Jalousien, dann die Fenster, klare frische Morgenluft durchflutete den Raum, sie goss Wasser in die Kaffeemaschine und zählte den Kaffee dazu, wenig später strömte weicher angenehmer Kaffee Duft, durch die Wohnung, sie nahm Tassen aus dem Sideboard und stellte sie auf den Küchentisch, räumte die Briefe, den Whisky und das Glas weg.

Öffnete denn Kühlschrank, in dem allerdings nur noch das Licht brannte, durchstöberte alle Küchenschränke, und wurde fündig, eine allerletzte Milch hatte sich ganz weit hinten versteckt.

Kenny wurde von dem zärtlichen Duft des Kaffees geweckt, und begab sich langsam in die Küche. „guten Morgen!“, sagte er gut gelaunt, schenkte ihr ein zärtliches lächelnd.

„Wie fühlst du dich?“, wollte sie neugierig wissen, und musterte ihn akribisch.

„Diese Frage sollte ich wohl an dich stellen!“, gab er zurück, und kam näher.

Sie antwortet nicht, schlechtes Gewissen hatte sich breit gemacht, ihr Blick haftete an der Kaffeemaschine, sie hatte Tucker betrogen, und sie hatte es auch noch bis in die letzten Haarspitzen genossen, und das nicht nur einmal, „Elend!“, seufzte sie dann.

Kenny trat zu ihr, nahm sie in den Arm, „Ich wollte dir dieses eine Mal wenigstens keine Schmerzen bereiten, und habe es doch wieder, warum hast du es nicht abgebrochen!“, seine Stimme klang verstimmt.

„Nein, das ist es nicht gewesen, du warst das erste Mal seit… es war…!“, stotterte sie herum, und ließ ihren Kopf hängen.

„Was?“, fragte er nochmals nach.

„Wunderschön, keine Schmerzen, und ich schäme mich fast dafür, solche Gedanken und Gefühle zu haben, ich kann es kaum glauben, nach so langer Zeit, und einem gewissen Erfahrungspotential, noch nie warst du so zärtlich dabei!“, stöhnte sie dünn.

Verwunderung glomm in seinen blauen Augen auf, seine Lippen küssten ihr Gesicht, weich zärtlich, sanft, und dann war er wieder da jener wunderbare Duft, den ihre Haut verströmte, er konnte ihn wahrnehmen, sie roch nach frischen Frühlingsblumen, seine Nase schnupperte an ihrem Hals hinauf, stöhnte leise, Caro schmiegte sich an seinen halbnackten Körper, wieder wallten die Gefühle der Nacht auf, seine Zunge schmeckte ihre Haut und liebkosten ihre weichen Brüste.

 

„Kenny!“, fing sie noch einmal robust an, er atmete tief durch, sah sie wieder nur lange an, nickte und setzte sich an den Tisch.

„Ich bin ein Betrüger, ein hinterhältiger mieser Lügner!“, entdeckte sie, und goss den Kaffee in die Tassen, setzte sich gegenüber, verzog ihren Mund zu einer Schnute.

„Tucker!“, Genugtuung schwang in seiner Stimme, verkniff sich ein Grinsen, „Wirst du es ihm sagen?“

„Hm, es ist sicher besser, wenn ich es tue, er wird es so und so erfahren über kurz oder lang, egal, aber irgendetwas stört mich an der ganzen Geschichte, die in der Grotte passiert ist, kennst du das Gefühl, alle roten Lampen blinken wild und die Sirenen heulen!“

Kenny trank einen Schluck, und sah sie überrascht an.

„Tuck hat mir das Leben gerettet, in dem er Mark von mir weglockte, aber du hast recht, wenn ich so überlege!“

Sie nickte, „Mark wollte noch etwas sagen bevor er starb, aber…!“, ihre Tonlage hatte sich erhoben.

„Darf ich dich etwas fragen?“, fing er einfach an, um ein wenig von Mark abzulenken.

„Sicher!“, nickte Caro, konnte sie ihrem Bauchgefühl, dass sie plötzlich verspürte vertrauen, war wirklich alles neu, alles sauber, immerhin war er anders als sonst immer.

„Wirst du mir verzeihen?“, seine Frage kam sehr vorsichtig.

Caro verschluckte sich fast an ihrem Kaffee, hustet laut und sah ihn groß an, „Jetzt fang nicht schon wieder damit an, ich habe die Nacht mit dir verbracht, sagt denn das nicht alles?“, prustete sie röchelnd.

Kenny war aufgesprungen, und klopfte ihr auf den Rücken, „Ich bin mir unsicher, ich war ein großes Arschloch!?“

„Ja, du hast recht, das warst du, und ich habe immer noch Angst, dass du es wieder wirst!“, erkannte sie missmutig.

 

Er hob eine Augenbraue, nahm ihre Hand und zog sie hoch, „Komm!“, flüsterte er, und nahm sie mit sich, sein Weg endete in seinem Schlafzimmer.

„Es ist nicht viel, was ich tun kann, aber ein wenig Wiedergutmachung ist es so gesehen auch, aber eins würde ich dir dennoch gerne sagen!“, fing er rustikal an.

Caro verzog ihr Gesicht, „Sprich!“, sie hatte Angst vor seinen Worten, mit zitternden Fingern und einem wilden Rauschen im Gehirn saß sie auf seinem Bett, er selbst ging an seinen Schrank, nahm den Ring aus der Innentasche seines Sakkos, und trat wieder vor Caro, öffnete seine Hand, auf seiner Handfläche lag der Ring, sie erhob sich, zitterte am ganzen Körper.

„Danke für diese Nacht sie war wohl eine der ergiebigsten und schönsten Nächte, seit langer Zeit, was mein Gefühl und meinen Zustand betrifft, das hier möchte ich dir noch geben, ich kann die Zeit nicht zurückdrehen, du hast gesagt, dass du nichts mehr für mich empfindest und dass du mich nicht mehr liebst, ich werde es akzeptieren!“, sagte er, und seine Stimme brach immer wieder.

„Den Ring kann ich nicht annehmen!“, räusperte sich Caro, und die Farbe wich aus ihrem Gesicht, „Er ist viel zu wertvoll!“

„Bitte!“, setzte er nach, und fühlte sich plötzlich elend, sein Schwert, das Buch, nichts war zurückgekehrt, auch seine Wunden hatten sich kaum verändert.

Caro zupfte den Ring, nach einem längeren zögern von seiner Handfläche, betrachtete ihn lange, er war angenehm breit und glänzte im Sonnenlicht, „Nein, den kann ich nicht annehmen, ich will kein Abschiedsgeschenk von dir!“, sagte sie unmutig, und drückte ihm das Kleinod wieder in die Hand, er sah aus, als würde man ihm das Atmen verboten haben, sie quetschte sich an seinem Luxuskörper vorbei, und ließ ihn stehen, war bis an die Tür gekommen, wand sich dann noch einmal an ihn.

„Nie wieder, hörst du, nie wieder!“, rief sie erstickt, und zeigte Zähne, Kenny verschränkte seine Arme vor seinem Körper, Schwäche kam wie eine geballte Ladung auf ihn zugeflogen, dann trat er einen halben Schritt auf sie zu.

„Gut!“, sagte er, und senkte seinen Blick.

Caro schürzte ihre Lippen, „Weil ich es nicht noch einmal ertragen könnte dich zu verlieren, trotz allem!“, flüsterte sie in die erdrückende Stille hinein, konnte schon wieder Tränen spüren.

 

Kenny sah auf, stand etwas verloren in seiner Küche, hatte er sich verhört, konnte ihren Worten kaum glauben schenken, „Wie darf ich das Verstehen?“

„So, wie ich es eben gesagt habe!“, ihre Stimme entglitt ihr, sie hatte sich geoutet, hastete aus dem Raum, doch er konnte sie gerade noch abfangen, ergriff ihren Arm.

„Bleib!“, rief er, und zog sie in seine Wohnung zurück, drückte die Tür wieder zu, „Heißt das, dass du doch noch etwas für mich empfindest?!“

„Du warst ein mieses arrogantes Arschloch, ich habe dich wirklich verachtet dafür, du hast mich mit deiner Art verletzt und verhöhnt, aber eines war immer präsent und zwar das verdammte Gefühl, dass ich anscheinend nie mehr los werde, es verfolgt mich, hängt an mir wie eine Zecke, ich habe versucht es los zu werden, es kam immer wieder zurück wie ein böser Fluch! “, säuselte sie, „Ich denke dass sich dieses Gefühl Vertrautheit nennt, was sollte es sonst sein, ich weiß es nicht, oder ist es die Macht der Gewohnheit die sich über unser Leben gelegt hat, sag du es mir!“, schrie sie laut, „Hast du es nun endlich kapiert, ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr, ich ertrage es nicht mehr, es muss vorbei sein, hörst du!“, ihr Atem rasselte, und sie sah verbissen aus, welche böse Macht war nun wieder am Zug, was waren das für Worte aus ihrem Mund, sie atmete schnell.

Kenny nickte nur, ihre Worte prasselten über ihn herein wie Hagelschlag, seine Hände zitterten.

Caro wand sich bebend ab, „Ich habe der Nacht zuliebe, Tucker mit dir betrogen, du hast mein Blut getrunken, und ich habe mich ausgesprochen gut gefühlt dabei, allerdings kann ich keine ersichtlichen Veränderungen an dir feststellen, es tut mir leid, dass ich dir nicht helfen konnte Kenny!“, ihre Stimme versiegte, und sie ergriff wieder die Türklinke, „Ich muss gehen, meine Mutter wartete sicher schon auf mich wir wollten in die Stadt shoppen, du kannst mich später, wenn du möchtest, retten!“

Kenny nickte lächelnd, Caro steckte sich den Ring an den Finger.

„Er steht dir ausgezeichnet!“, bemerkte er kräuselte seine Lippen, sie hob ihre Hand, und bewegte ihren Ringfinger, „Er sieht sehr edel aus, ich danke dir, und ich liebe dich, vergiss das nie!“, meinte sie leise, schlug ihren Blick nieder, Kenny beugte sich zu ihr hinunter, und küsste sie sanft, „Ich danke dir!“, flüsterte er.

 

Caro betrat eine gute Stunde später ihr fast leeres Haus, war trotz der etwas verzwickten Lage gut gelaunt, und ihr schlechtes Gewissen Tuckers wegen, hatte sich verflüchtigt, sie warf den Schlüssel auf den Tisch und sprang die Treppe hinauf, duschte erst einmal ausgiebig, das Wasser tat gut, aber eigentlich wollte sie die letzte Nacht nicht wegspülen, mit geschlossenen Augen lehnte sie sich an die kalte Fliesenwand, „Gib´s zu du hast ihn genossen!“, wieder sprach sie mit sich selber, nickte, öffnete ihren Mund und gurgelte das Wasser das sich darin sammelte.

„Und was ist denn jetzt so schlecht daran?“, fragte sie sich leise.

„Nichts, eigentlich, allerdings, so gesehen!“, antwortete ihr anderes Ich, mit sehr ernster Stimme.

„Genau!“, ergänzte sie brummig.

„Bist du dir sicher, überleg mal?!“, sagte die tiefere Stimme, Caro nahm das Duschgel, seifte sich ein.

„Aber Mona sprach von einer tiefen Liebe, um die man kämpfen muss, und das ist mit Sicherheit nicht Tucker!“, prustete sie.

„So, ich an deiner Stelle wäre vorsichtig mit Tucker, verletzte Gefühle, das Ego angeknackst, du hast ihn verarscht, das ist Gift für jedes Ego!“, ihre innere Stimme klang warnend.

In diesem Moment klingelte es an der Haustüre, Caro sprang aus der Dusche und zog ein Handtuch aus einem Stapel, schlang es sich um die Achseln und hüpfte die Treppe hinunter, öffnete ihre Haustüre, „Mom!“, sie hatte die Zeit vergessen.

„Hallo Caro, bin ich zu früh oder du zu spät, kann ich reinkommen?“, fragte sie vorsichtig, und linste über Caros Schulter, betrat dann ihr ehemaliges Haus, kniff die Augen zusammen und wand sich an ihre Tochter, „Es ist ein wenig ungemütlich hier, kann man das so nennen?“, murrte Rosalie.

„Ja, irgendwie werde ich mit meiner Einrichtung keinen Preis gewinnen, das ist eher was für zu Hause im Glück…!“, sprudelte Caro los, um ihre schlechte Laune Gedanken über Bord zu spülen, ihre Mutter fiel ihr jedoch ins Wort, „Ich denke wir sollten einkaufen gehen, oder denkst du ans Ausziehen!“, fragte Rosalie scharf.

„Nein, Mom, Dave hat nur seine ganzen privaten Dinge mitgenommen, das ist alles!“, rief Caro entsetzt, jetzt ging das schon wieder los.

„Wo hast du denn den netten jungen Mann von gestern gelassen?!“, Rosalie ließ Caro keine Zeit, um durchzuatmen, stolzierte durch alle Räumlichkeiten, Caro hatte sich auf dem Weg nach oben gemacht.

„Nun gut, keine Antwort ist auch eine Antwort, also mach dich schick, und lass uns shoppen fahren, ich bin ganz gespannt auf eure Stadt!“

„Mom, du kennst London!“, rief Caro von oben herab, rollte mit den Augen, „Was habe ich nur verbrochen!“, flüsterte sie sich selbst zu, und schloss die Türe zu ihrem Zimmer ein wenig, öffnete ihren Schrank begutachtete das Innenleben.

 

„Lina, aufstehen!“, flüsterte Nick, und sein Gesicht erschien über ihrem, sie strahlte, erhob sich gähnend.

„So eine schöne Nacht!“, rief sie, und stellte ihre Beine auf den Boden.

Der Vampir lächelte ihr entgegen, „Ich muss gehen, pass auf dich auf Sonnenschein!“, winkte er, und verschwand aus ihrem Zimmer.

 

Caros Mom wirbelte wie ein Meister Proper durch das Haus und bemängelte dies und jenes, nervte schlicht und ergreifend, „Hier die Post!“, rief sie, und schwebte mit einem Packen Briefe durch den Flur, Caro nahm sie ihr elegant ab, hüpfte auf einem Fuß in die Küche, stellte den Schuh, den sie mit hatte auf den Küchentisch, setzte sich, und blätterte die Post durch, dann legte sie alle, bis auf einen Brief beiseite, ihre Mutter erschien in der Tür.

„Liest du deine Post nicht!“, meinte sie gespreizt, und stupste den Schuh vom Tisch, der polternd auf dem Boden landete.

„Hm, später, sind eh nur Rechnungen!“, wisperte Caro, und schlüpfte in den anderen Schuh, ihre Mutter kniff ihre Lippen streng zusammen, zog besagten Brief vom Tisch, drehte ihn hin und her, „Nun sieht mir nicht nach Rechnung aus, Einladung, eventuell!“

Caro legte ihre Stirn in Runzeln, „Na dann mach ihn auf, bevor du noch aus lauter Neugierde stirbst!“

Rosalie öffnete den Brief und setzte sich, ihre Augen flogen über das Papier, „Den solltest du lieber selbst lesen!“

Caro verdreht ihre Augen. „Nun ließ ihn schon vor!“, befahl Rosie

„Liebe Caro, die Wahrheit wirst du in meiner Wohnung finden, Mark!“, Caro ließ den Brief sinken.

„Nun gut lass uns fahren, und eine Wahrheit in einer Wohnung finden, ich bin sehr gespannt!“, rief Rosie, und pflückte ihre Tasche vom Küchentisch.

Die beiden Grazien waren bereits auf dem Weg in die Innenstadt, bis sich Caros Handy meldete, „Kannst du mal rann gehen?“,

Ihre Mutter ergriff elegant Caros Handy, und noch bevor sie sich melden konnte, brach ein Wortschwall der anderen Art über sie herein, mit angeekeltem Blick hielt sie das Gerät weit von ihrem Ohr weg, „Hm, ein gewisser Will ist am Telefon!“, rief sie laut.

„Oh, gut, sag ihm, dass ich im Laufe des Tages bei ihm vorbeischaue!“, lächelte Caro zufrieden.

Rosalie legte das Handy an ihr Ohr und unterbrach den Wortschwall des Mannes am anderen Ende, „Sie lässt ausrichten das sie im Laufe des Tages vorbeikommt!“, beendete das Gespräch und legte das Gerät weit weg, sah zu ihrer Tochter, schüttelte ihren Kopf.

„Mark, Will, und wie hieß dieser außerordentlich gutaussehende junge Mann von gestern, ach ja Kenny, das wären dann drei, sag mal wie viele Männer…!“

Caro sah kurz zu ihrer Mutter, „Zu viele, aber mal was anderes, warum hast du uns nicht zu deiner Hochzeit eingeladen!“, schimpfte Caro, pseudo angefressen.

„Wir sind doch noch gar nicht verheiratet, wer sagt so was!“, keckerte sie missgestimmt.

„Du hast Shawn gestern selbst als deinen Mann vorgestellt!“, entdeckte Caro, bog ab und fuhr in die Tiefgarage, die zu Marks Wohnung gehörte.

Gemeinsam fuhren sie mit dem Fahrstuhl in sein Loft, Caro brach wie schon einige Zeit zuvor mit ihrem Dietrich in die Wohnung ein, Rosalie war bei dem Anblick der Edelluxusbehausung ziemlich überrascht, „Wau das ist aber eine richtig großartige Wohnung, werde ich in den Genuss des Besitzers kommen!“

Caro wanderte in das Wohnzimmer, wie immer war die Bude pikobello sauber und aufgeräumt

„Mark ist verstorben!“, warf sie ohne Rücksicht in den Raum, Rosalie schnappte kurz nach Luft sah sich überlegend um, „Wenn ich alles ausschließe, was sehe ich dann!“

„War er das?“, fragte Rosalie, und tippte auf einen Bilderrahmen, der auf einem Sideboard stand, Caro sah zu ihr, nickte, sah sich nochmals um, und dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen, die Tagebücher, schnell lief sie in sein Schlafzimmer, öffnete die Schublade, in der sie sich befunden hatten, doch sie war leer, „Verdammt!“, fluchte sie.

„Wie ist er denn verstorben?“, rief ihr ihre Mom hinterher.

„Ich habe ihn erschossen!“, flüsterte Caro, „Ein Unfall!“, rief sie hinaus.

Caro setzte sich auf sein Bett, und legte den Kopf in die Hände, „Überleg, überleg, na komm schon!“

 

Kenny hatte sich gestylt, und war ins Scotland Yard gefahren dort hatte er ein Date mit der Obrigkeit.

 

„Wir heiraten in einem Monat, und ich hoffe doch, dass du dann kommst!“, erklärte Rosie Caro vorsichtig, und erschien in der Tür, „Was suchst du denn in dieser Wohnung, komm lass uns shoppen gehen!“

„Du hast recht, das hier kann warten!“, nickte Caro, gemeinsam verließen sie das Loft und begaben sich in die Stadt, das schöne Wetter lockte viele Menschen auf die Straße.

„Wie findest du Shawn eigentlich?“, wollte Rosalie wenig später wissen, Caro schlürfte an ihrem Cappuccino, „er ist jung, wie lange kennst du ihn eigentlich schon, drei Wochen, drei Monate?!“, bemerkte sie sarkastisch.

„Siehst du, dass als Problem, ich nicht, ein junger Mann hält eine alte Schachtel wie mich fit!“, lachte sie.

„Ein junger Mann sieht sich auch nach jüngeren Frauen um, meinst du nicht?“, ärgerte sich Caro, und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.

„Ach, was sind schon fünfzehn Jahre Altersunterschied, sicher bin ich jetzt nicht mehr überall knackig, aber er liebt mich so wie ich bin, sagt er zumindest, und dazu kenne ich ihn jetzt schon zu lange, um deine sarkastische Frage zu beantworten, es sind genau zwölf Jahre!“, ergänzte Rosalie schnippisch.

„Es ist deine Entscheidung, was arbeitete er überhaupt, wenn er etwas arbeitet?“, fragte sie weiter.

„Ich bin auch ohne ihn versorgt, das weißt du!“, murrte Rosie angesäuert.

„Um das geht es nicht Mom…!“

„Hast du Angst, dass er mich ausnimmt und dein Erbe flöten geht?“, geiferte sie, und rührte wild in ihrem Kaffee herum.

„Nein, Mom, jetzt hör auf damit, ich will nur nicht das du plötzlich erwachst und feststellst das er mit einer jüngeren Tussi, deinem Geld, deinem Porsche, und deinem Haus, durchgebrannt ist!“, wisperte Caro bissig.

Rosalie grunzte gereizt, „Sei doch ein wenig locker, Schatz, ich kenne meinen Shawn, und nun zu dir, die ganze Zeit über hast du dich kaum darum gekümmert wie alt er ist, oder was er so beruflich macht, falls ich mich irren sollte dann korrigier mich, und hier und heute spinnst du dir solche abstrakten Dinge zusammen!“, Rosalies Blick weilte lange auf ihrer Tochter.

 

„Mom, ich will doch nur das du glücklich bist, außerdem bist du alt genug!“, grinste Caro, und blinzelte in die Sonne.

„Und du, hast du denn nicht vor mir ein paar Enkelkinder zu schenken, immerhin tickt deine biologische Uhr!“, ärgerte sie Caro charmant.

Caros Gesichtsausdruck verzerrte sich angeekelt, „Bist du wahnsinnig, ich fühle mich gut, so wie ich lebe, und außerdem bin ich nicht alt, merk dir das, und meine biologische Uhr tickt nicht!“, prustete sie.

Rosalie lächelte, „Habe ich dich erwischt!“

Caro schüttelte ihren Kopf, „Mom du bist echt hinterhältig, aber mal wieder zurück zu Shawn und dir, wie verbringst du deine Tage, so ohne jeglichen Arbeitsstress, im Liegestuhl am Pool, oder mit deinen Freundinnen beim Wellnessen?“

„Er hat eine Ferienranch, einige Kühe, viele Pferde, da gibt es immer was zu tun!“, erklärte sie locker, Caros Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig, „Was jetzt, er besitzt keine Yacht oder gar eine Villa, trinkt nur Champagner und lässt sich herumkutschieren?“, Rosalie schüttelte ihren Kopf, „Ich dachte er wäre Banker oder Broker!“

Wieder schüttelte Rosalie befriedigt ihren Kopf, „Sag nur, dass du im Stall arbeitest, und die Drecksarbeit machst?“

„Die Buchhaltung, er macht die Drecksarbeit, so gesehen!“, kicherte Rosalie und winkte dem Kellner, der sogleich herbeieilte, „Zweimal Champagner bitte!“, flötete sie entzückt.

„Er ist ein Cowboy, so sieht er nicht aus!“, entdeckte Caro erschossen.

„Genau, und das schon in fünfter Generation, wir züchten Rinder und Pferde, aber dafür hast du dich nie wirklich interessiert!“, meinte Rosalie ernst, der Kellner stellte zwei hohe Gläser auf den Tisch der Damen und nickte lächelnd.

Caro fühlte sich augenblicklich schlecht, sie war eine wirklich unaufmerksame Tochter, irgendwie schämte sie sich plötzlich dafür.

„Tut mir leid, Mom, ich habe das wohl irgendwie ignoriert!“, flüsterte Caro peinlich.

„Du kannst es wieder gut machen, indem du auf unserer Hochzeit erscheinst!“, meinte Rosie sehr ernst.

 

Nach dem ernsten Gespräch zwischen Kennys Chef und einigen hochrangigen Personen des Yards, verließ Kenny das Gebäude gegen Nachmittag, es lief sehr gut für ihn, rein arbeitstechnisch gesehen.

Man bedauerte die Zustände und Umstände, und sicherte ihm Rehabilitation zu, doch das brachte ihm das verlorene Vertrauen von Caro auch nicht wieder zurück, ein wenig unbefriedigt verließ er das Yard und fuhr in die Stadt, Caro retten, sie hatte ihm vor gut einer Stunde eine SMS geschickt.

Er entdeckte sie auf einer Bank an der Themse sitzen, allein, „Hallo!“, sagte er leise, und setzte sich zu ihr, sie blinzelte kurz und sah dann zu ihm, „Hi!“, meinte sie und grinste.

„Hast du deine Mutter schon in die Flucht geschlagen?“, fragte er lächelnd

„Sie hat mich schachmatt gesetzt!“, entdeckte Caro, und sah zu ihm.

„Ich bin überrascht, wie konnte das passieren!“, lächelte er zynisch und lehnte sich auch zurück, ließ sich die Sonne auf seinen Körper scheinen.

„Und wie war dein Date?“, wollte sie nach längerem Schweigen wissen.

„Nicht ganz so ergiebig wie ich mir erhofft hatte!“, sagte er nebenbei.

„Das soll heißen?“, fragte sie nach, und verschränkte ihre Hände vor ihrem Körper.

„Lass uns ein Stück gehen!“, forderte er sie auf, und erhob sich zögerlich, Caro folgte ihm und gemeinsam wanderten sie an der Themse entlang, Kenny erzählte ihr ein paar Details von dem Gespräch mit seinem Chef, sie nickte manchmal, oder schüttelte den Kopf, dann endete er.

„Wie schon gesagt, du solltest froh sein, dass du lebst, und es ist wirklich scheißegal im Moment wie es im Yard weitergeht, denn es wird einen Weg geben, den hat es bis jetzt immer gegeben!“, sagte sie nachdenklich, und schlappte neben ihm her, Kenny atmete tief durch, legte seinen Arm um ihre Taille.

„Sicher ich bin froh, dass ich lebe, aber komme ich auch mit diesem Leben klar?“

Caro blieb stehen, „was ist das für eine Frage?“, prustete sie aufgebracht.

Er zwinkerte kurz, und nahm sie dann in den Arm, „Das, was du hier siehst, das bin nicht ich, zumindest habe ich so ein Gefühl, es ist, als hätte man mir über die Hälfte meines Lebens gestohlen, es fühlt sich so leer an, hier drinnen!“, flüsterte er, und tippte sich auf sein Herz.

Doch kein sauberer Download, sie versuchte seinem durchdringenden Blick auszuweichen. „Was haben wir vergessen?“, fragte sie ihn vorsichtig.

Seine Augen glitzerten, ein sachtes Lächeln umspielte seine Lippen, „Sag du es mir!“

„Nun gut, lassen wir mal, dass ganze Zaubergedöns weg, keine Rituale, Opfer, keine Stunden zwischen Mitternacht oder Verwesung, kein Blut, was bleibt übrig, welche Macht ist stärker als der Tod?“, sie musste grinsen.

Er sah an ihr hoch, „Die Liebe, wieso bin ich nicht gleich darauf gekommen, ich muss weg!“, sagte er hastig, und küsste sie flüchtig, ließ Caro verwirrt zurück.

„Oh, gut, ich ruf dich an oder du mich!“, rief sie ihm zaghaft hinterher, und wedelte mit ihren Händen wild umher.

Kenny sah um, „Ich ruf dich an!“, rief er ihr noch zu.

 

Tucker hatte seine sieben Sachen gepackt und schlüpfte schwerfällig in seine Jacke, Em half ihm dabei, tausend Worte brannten auf ihrer Zunge, aber sie konnte nicht die richtigen finden, also klappte sie stumm seinen Koffer zu und fädelte die Riemen in die Schlaufen, bis es klopfte, Tucker brummte ein seichtes herein, Kenny trat ein, beide starrten ihn fast gleichzeitig an. „Hallo, wenn ich ungelegen komme, dann geh ich wieder!“, fing er vorsichtig an, Em widmete sich wieder dem Koffer, nur Tucker richtete sich zur vollen Größe auf und musterte Kenny genau, „komm rein!“

„Danke, du verlässt, ohne dich zu verabschieden die Stadt?“, warf Kenny in den Raum.

„Was soll ich denn noch hier?“, meinte er mit betrübtem Gesichtsausdruck.

„Verabschiede dich wenigstens von Caro!“, drängte Kenny.

Tucker schüttelte seinen Kopf, wand sich ab, Em hatte den Koffer aufgestellt und vom Bett gehievt, „Ich warte dann mal draußen!“

Beide nickten und warteten bis Em das Zimmer verlassen hatte, Tucker setzte sich stöhnend. „Sie hat mir unmissverständlich erklärt, dass es aus war, noch bevor es angefangen hat, ich bin eben, was ich bin, ein Jäger, kein Held oder was auch immer!“, schauspielerte er perfekt.

Kenny kniff den Mund zusammen, sah ihn lange an, „Du gibst einfach so auf, ich kenne dich zwar nicht lange, aber dass ich mich so in dir getäuscht habe, schade!“, versuchte Tucker damit aus der Reserve zu locken.

 

Tucker nickte betreten, „Ich muss gehen, meine Fähre geht in einer halben Stunde!“

„Was soll ich Caro sagen?“, fragte Kenny leise.

Tucker zuckte mit den Schultern, „dass es schön war, oder so was in der Art, na du wirst schon ein paar Worte finden, schließlich hast du die Nacht mit ihr verbracht!“, lächelte er mörderisch, und schlug Kenny auf die Schulter, wobei am liebsten hätte er ihn erschlagen.

„Du wusstest Bescheid? Es ist nicht so wie du denkst!“, unterbrach Kenny seinen angefangenen Satz, Tucker legte einen Finger auf seine Lippen, und schüttelte seinen Kopf.

„Besucht mich, wenn ihr es geschafft habt, es ist sicher besser so, ich bin kein Stadtmensch, und Caro wäre auf der Insel sicher nicht glücklich geworden, außerdem teile ich nicht allzu gerne, und dass zwischen euch scheint doch noch sehr stark zu sein, auch wenn du das Gegenteil behauptet hast!“, mit diesen Worten verließ Tucker den Raum, Kenny folgte ihm schnaubte, „Wie soll ich es dir nur erklären?“

„Ich kann sehr eifersüchtig und egoistisch sein, und ich fühle mich hintergangen und verarscht von euch beiden, erst schläft sie mit mir, und dann…überleg mal, wie fühlt sich das für dich an, versetze dich mal in meine Lage, unter der Woche Halligalli mit Kenny, und am Wochenende Sex mit dem Inselgrün, wie prickelnd!“, rief er langsam wütend werdend.

„Ich kann dich sehr gut verstehen, glaub mir, jedoch möchte ich dir eine Sache erklären, ich brauche sie, sie ist mein Leben, meine Kraft, ich liebe sie, das ist richtig, und ich habe mit ihr geschlafen, stimmt auch, aber in aller erster Linie begehre ich ihr Blut…!“

 

Tucker fuhr herum, parkte sein Gesicht gefährlich nahe vor Kennys, „Und ich, begehre sie!“, sein Mund verzog sich zu einem hasslächeln, eine Reihe ebenmäßiger Zähne erschienen, er leckte sich über die Oberlippe, „Ich weiß, was du bist, und ich weiß was du tust, und ich wünsche mir nichts sehnlicher, dass du endlich ankommst, du bist schon viel zu lange unterwegs, mach die Augen auf Kenny, du bist so nahe am Ziel!“

„Am Ziel? Ich habe ihr Blut getrunken, und nichts ist passiert, kein Schwert, kein Buch es ist alles wie immer, meine Wunden heilen nicht, und ich bin, was ich bin, ein körperliches Wrack, jede Bewegung schmerzt, meine Gedanken und Erinnerungen sind trotz alledem sehr lückenhaft, was zum Teufel mache ich falsch!“, herrschte Kenny.

Tucker lächelte wieder, seine honigkaramellfarbigen Augen leuchteten, „Du hast dich zu sehr auf sie fixiert, vielleicht ist sie nicht allein der Schlüssel, überleg mal, ein Hexenmeister ohne einen Meister der Künste!“, seine Stimme klang wie ein Schalk in der Faschingszeit.

„Vince ist tot, und er wird tot bleiben!“, murrte Kenny sauer, einige Passanten sahen die beiden schief an, gingen jedoch schnell weiter.

„Ja, gut, es wird wärmer, Vinces Vater war ein Meister der Künste, dann er, Vince selber hatte keine Nachkommen, die Linie scheint unterbrochen, glaubst du das auch?“

Kenny überlegte, „Ich habe die Macht einen Meister der Künste zu aktivieren, aber dazu brauche ich meine eigene Kraft wieder zurück!“, nach diesem verwirrenden Gedankengang liefen seine Augen in Tuckers, dieser nickte unsichtbar, „Wenn Vince Caro nicht frei gibt, dann wird sie dir nichts nützen, er hat ihre Liebe damals mitgenommen, kein anderer sollte die Möglichkeit bekommen sie ihm wegzunehmen, dann hat er dir den Titel aberkannt, was auch gut so war, du bekommst deinen Titel samt Anhang nur wieder, wenn sie freiwillig ihr Blut gibt, was eine Liebesakt nach sich zieht, immerhin bist du ein Hexenmeister, Vince hatte gewusst, wie sehr du sie liebst, und nur wenn sie dich liebt, alleine das Wort reicht nicht aus, nur dann kannst du wieder das werden was du warst, was aber rein theoretisch nicht möglich ist, da er ihre Liebe besitzt!“, erklärte Tucker bereitwillig, und fing damit Kenny ein.

Kennys Gesichtsausdruck veränderte sich, „Was war ich blind!“, knurrte er sehr überzeugend.

„Ich hatte sie fast so weit, es fehlte nur noch dieser kick du weißt schon, dieser eine Tropfen, der ein Fass zum Überlaufen bringt, aber wieder war er stärker, Vince erschien in der Nacht kurz bevor ich mich mit meiner Jagdgesellschaft traf, und wieder wendete sich das Blatt, als sie am Morgen dann so abweisend zu mir war, wusste ich Bescheid!“, sagte Tucker wütend.

„Es ist meine Schuld, damals im Tunnel, als uns Luc rettete, da hatte ich eine Begegnung, mit Vince, und ich habe ihm von dir erzählt!“, meinte Kenny leise.

„War klar, es bestand Handlungsbedarf, Vince schickte also ein Nachtgetier mit dem Hintergedanken alle Probleme auf einmal zu erledigen, aber er hat wohl nicht mit Caro gerechnet, und wer gibt schon freiwillig so einen mächtigen Titel auf, auch wenn er tot ist!“

„Fuck!“, fluchte Kenny laut, einige Krankenschwestern schüttelten ihre Köpfe und wisperte sich etwas zu, „War es das, was Mark Caro noch sagen wollte?“

„Mark war ihm genauso ein Dorn im Auge wie ich, aber das Problem hat ihm Caro elegant abgenommen!“, erklärte er weiter.

„Ich werde mit Vince reden müssen, so kann es nicht weitergehen!“, murrte Kenny sauer.

„Viel Spaß dabei, freiwillig wird er sich nicht ergeben, und außerdem ist er tot, noch ein kleines Häkchen mehr!“, grinste Tucker, sah zu Em die schon ungeduldig wurde, „Ich muss gehen!“

„Kann ich dennoch irgendetwas für dich tun?“, fragte Kenny leise.

„Du weißt, wo du mich findest, wenn die Zeit reif ist, und sei vorsichtig, immerhin bist du nicht wirklich fit genug, um in seine Welt zu gehen und Forderungen zu stellen!“, flüsterte Tucker, schelmisch grinsend, setzte sich in Bewegung, und ging den Flur hinunter, ließ Kenny stehen.

 

Lina hatte alle Schubladen an ihrem Schreibtisch geöffnet, unzählige Utensilien lagen auf ihrem Tisch, ein Kugelschreiber kullerte von einem Berg Papiere, und fiel zu Boden, jemand hob ihn auf, und zwei Augenpaare trafen sich unter dem Tisch, Will verzog lächelnd sein Gesicht, und erhob sich dann, „Ich komme im Auftrag von…!“, weiter kam er nicht, Lina erhob sich auch und stieß schwungvoll ihren Stuhl nach hinten.

„Ich habe es nicht gefunden, und wenn ich es nicht finde, dann ist das wirklich nicht gut!“, rief sie, und saugte an ihrer Unterlippe.

„Oh gut, und was suchst du?“, fragte er wirr nach, denn in diesem Saustall konnte man auch nicht wirklich etwas finden.

„Ich suche einen Zettel ungefähr so groß!“, meinte sie gehaltvoll, und machte mit den Fingern einen winzig kleinen Kasten nach, „Gelb, es ist ein Abholschein, wichtig!“, rief sie, und runzelte ihre Stirn dabei, stemmte dann ihre Hände in die Hüften, „Und was wolltest du eigentlich von mir?“

Will ließ sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch fallen, rückte sich sein Toilettenrollen Mützchen zurecht, fuhr sich mit der Zunge über seine Zähne, hievte seine Füße auf die Platte des Tisches.

„Sieh selbst!“, meinte Will, und zauberte eine blinkende Scheibe aus der Innenseite seiner Jacke, sein Notebook hatte er bereits auf seinen Oberschenkel platziert, schob die Scheibe in das Gerät und winkte Lina zu sich heran.

„Poh, Will, was soll das, spionierst du mich etwa aus, das ist echt widerlich!“, rief Lina übermannt, und stapfte von einem Fuß auf den anderen.

„Ich spioniere nicht, ich überwache, und diese Bilder stammen von einer Außenkamera Süße, eine von vielen, die ich so kontrolliere, damit solche Typen wie du, und ich, nicht irgendwann das böse Überwachen streift, und das hier ist so offensichtlich passiert, dass die arme Oma von nebenan fast einen Herzinfarkt bekommen hätte, was bist du doch unvorsichtig Lina, wo hast du dein Opfer abgelegt?“, wollte er ernst wissen, Lina hatte einen hochroten Kopf bekommen, ihr elfenbeinfarbener Teint schien sich in Luft aufgelöst zu haben, „In der Seitenstraße gegenüber!“, hauchte sie ertappt.

„Ich dachte der Großmeister sei dein Vater, hat er dir denn nicht beigebracht, dass du so was nicht tun darfst, du bist kein reines Blut Lina, töten dürfen nur die Vampire aus Tamiras Clan, das ist Gesetz, ich nehme an, dass Nick nicht bei dir war, sonst wäre so etwas nicht passiert!“, erklärte er ihr besonnen.

„Ja, aber Kenny, ich meine, er…!“, fing sie hilflos an wurde immer kleiner.

„Kenny würde nie jemanden beißen, um ihn zu töten, er ist wie du, ein Halbblut, und zudem noch der Hexenmeister, er trinkt nur aus Genuss das Blut, und dann auch nur ein bestimmtes Tröpfchen!“, erklärte Will unruhig.

„Aber, aber…!“, fing Lina verzweifelt an, ihr Herz pochte laut.

„Lina, das, was du getan hast, verstößt gegen die Regeln der Nacht…!“, fing er leise an, sie senkte ihren Blick, ließ sich schwerfällig auf den überfüllten Schreibtisch plumpsen einige Papiere flatterten zu Boden, dann rieb sie sich ihr Gesicht.

„Ich war irgendwie so melancholisch drauf, erst war ich im Dragon, später bin ich ein wenig durch die Stadt gewandert, es war so eine schöne Nacht, und ich hab mich so wohl gefühlt, weißt du, so schwerelos, dann vernahm ich ein Geräusch aus der Seitenstraße, erst dachte ich, es sei eine Katze oder eine Ratte, aber als ich dann weiterging konnte ich im fahlen Licht der Lampe einen Typen sehen, dem bin ich gefolgt, er wollte wohl nach Hause, es kam irgendwie über mich, wie ein Tier, dass nur darauf lauert, über sein Opfer herzufallen, er verströmte einen so schmackhaften Duft, mir ist das Wasser im Mund zusammengelaufen, ich wollte ihn nur kosten, hab ihn angesprochen, ein hübscher junger Mann, wirklich nett, und sein Blut schmeckte gar köstlich, Lina wie du sie kennst war urplötzlich verschwunden, zum Vorschein kam Mrs. Hyde, böse skurril, gewalttätig, der Blutrausch trieb mich immer weiter, ich konnte es nicht mehr beenden, ich schäme mich so, Will!“, erklärte sie sich, den Tränen nahe.

 

„Kann ich dir irgendwie helfen?“, wollte er wissen.

„Ich habe Angst Will, manchmal, wenn ich unter Menschen bin, dann kann ich es spüren, es schreit und zerrt, es will an die Oberfläche, und nicht nur mehr kosten, sondern töten, mich ergötzen an den Schreien, dem flehen!“, flüsterte sie, und schloss für Sekunden ihre Augen.

Lina, Kenny ist dein Vater, und du bist wie er, hat er dich den nicht unter seine Fittiche genommen, dir alles erklärt, dich geführt?“, Will war perplex.

„Er, er hat mich gehasst, und mich ignoriert, und einmal sagte er sogar zu mir, das er sich ganz sicher ist, dass ich nicht seine Tochter wäre, und dann ist er auf Mom losgegangen hat sie beschimpft, ihr vorgeworfen Fremdgegangen zu sein, und das Leon mein Vater wäre, seit dieser Zeit hat er mich behandelt als wäre ich gar nicht hier, er war zu mir so kalt wie ein Eisberg, hat ständig mit mir gescholten, nie konnte ich gut genug sein, ich habe jede Schule mit einer glatten eins abgeschlossen, interessierte ihn nicht, dann bin ich auf die Polizeischule gegangen, war ihm auch egal, und ich fühlte mich so alleingelassen, kannst du dir vorstellen wie das für ein vierjähriges Mädchen ist, wenn es von heute auf morgen fallen gelassen wird, keine spannenden Geschichten mehr, nie mehr kuscheln, keine Umarmungen, oder Lob, er war ein Sadist geworden!“, ihre Stimme klang sehr hart und drohend.

„Aber wie kam das, jeder Reaktion geht einer Aktion voraus!“, meinte Will schneidend.

„Ich habe mich entwickelt, sehr früh schon, soweit ich weiß, hat sich Kenny erst mit zwanzig entwickelt, seine Gene waren sehr dominant, das hat Josephine einmal untersucht, gut das ich Nick hatte, ohne ihn wäre ich seelisch und psychisch ein Wrack, er hat mich mitgenommen, mir einen Weg gezeigt, und Mom war meine rettende Hand in allen Lebenslagen, aber da war dann auch noch Onkel Dave, Ramon, die Sippe, Vince meine Großeltern und Mac, Moms große Liebe, an der sie fast zerbrach, als Randy mit der Nachricht seines Todes kam, sie hätte nicht wieder zu Dad zurückgehen dürfen, damals, Will, was wenn ich mich plötzlich verliere, und zu einem bösen Ungetüm mutiere, oder einen lieben Menschen verletze!“, sie rutschte vom Tisch, und wanderte hilflos hin und her.

„Lina, hey, aber jetzt ist es doch anders, es ist uns nicht entgangen, dass du dich mit Kenny sehr gut verstehst, wie fühlst du dich in seiner Nähe!“

Sie flog leicht und anmutig durch ihr Büro, „Ich liebe ihn, er ist so wunderbar, er versteht mich und er hat mir sogar angeboten mich zu unterstützen, und er bezeichnete meinen Vater als Ignorant, er sieht noch dazu gut aus, hast du seine Tattoos gesehen, oder das Branding, die Klamotten, die er trägt, er ist sehr elegant, und er fühlt sich gar nicht konservativ an, alles im allem ich bin sehr froh, dass ich diese Version kennen lernen durfte, mein Vater ist das ganze Gegenteil!“

„Wenn das so ist, dann geh zu ihm, und rede mit ihm, und zwar bald, er wird dir helfen, da bin ich mir sicher!“, erklärte Will Lina, klappte das Laptop zu.

 

Caro schlenderte durch Harrys Garten, langsam war es Herbst geworden, die Blätter lagen in bunten Farben auf dem Boden, und für Harry kam wieder die Zeit um auszuwandern, mit gemischten Gefühlen ging sie durch die Rosenbogenallee, vereinzelt zeigten sich noch Knospen auf den fast kahlen Zweigen, das Jahr war wie im Flug vergangen, die Jahreszeiten ineinander verschmolzen, ein kaltes Lüftchen wehte ihr um die Nase, und dann kamen die Klippen und ihr Stein, sie setzte sich auf den gemütlichen Platz und ließ ihren Blick schweifen, das Meer brach sich schon sehr weit draußen, schien aufgewühlt zu sein, sie konnte das Salz schmecken, schloss ihre Augen und versuchte sich treiben zu lassen.

 

„Wusste ich doch, dass ich dich hier finden werde!“, sagte Lucien, und gesellte sich zu Lina, die das rege Treiben der Stadt in sich aufsog wie ein nasser Schwamm, „Lucien!“, sagte sie trocken.

„Darf ich mich zu dir setzten oder willst du lieber allein sein?“, wollte er wissen, und grinste charmant, das Café war sehr gut besucht, ein jeder versuchte noch die letzten Sonnenstrahlen zu genießen.

„Es wäre mir eine Ehre!“, lächelte sie zurück, und wies ihm einen Platz zu, er setzte sich, seine Gestalt wirkte frei und unendlich leicht, sie beneidete ihn, immer schon, um das, was er war, und sie nie sein würde.

„Du siehst nicht wirklich glücklich aus, so kenne ich dich gar nicht!“, fing er freundlich an.

„Ach ich habe mich danebenbenommen, und jetzt bin ich sehr wütend über mich selbst!“, fing sie an, und ihre blitzblauen Augen leuchteten in der Herbstsonne.

„Dein Zwilling plagt dich?“, meinte er, und malte Anführungszeichen in die Luft.

Lina nickte wild, „Ich bin ein Monster!“, flüsterte sie ihm hinter vorgehaltener Hand zu, und war dabei weit über den Tisch gebeugt.

„Wenn so Monster aussehen, dann bin ich beeindruckt!“, wisperte er ihr entgegen, Lina nickte weich, „Ja, so sehen sie bei Tag aus, aber wenn es dunkel wird, gruselig!“, meinte sie, und eine schwarze Wolke zog durch ihr Gesicht.

Lucien schmunzelte, „Ich weiß, was du getan hast, wenn das mal nicht großen Ärger gibt!“

„Danke, dass du mich so tatkräftig aufbaust, ich finde das gar nicht zum Scherzen!“, knurrte sie, und lehnte sich wieder zurück.

„Scherze sehen anders aus, wie schätzt du deine Lage ein, müssen wir dich wegsperren, oder so in der Art?“

„Könntest du bitte ernst bleiben, Lu-ci-en, ich bin zutiefst beunruhigt, was passiert mit mir?“, flüsterte sie vorsichtig, sah sich dabei des Öfteren um, zu Tag hatte zu viele Ohren.

„Frag deinen Vater!“, grinste er zynisch.

Lina streckte ihm die Zunge heraus, und erhob sich, stolzierte davon, Lucien lächelte in sich hinein und folgte ihr, „Das meinte ich ernst, er kann dir helfen!“

„Es ist mir peinlich, ich bin doch kein dreizehnjähriges pubertierendes Mädchen mehr!“, prustete Lina, und wackelte mit dem Kopf wie eine Puppe.

„Gut, dann sehe ich kein Problem, war vielleicht nur ein Ausrutscher!“, sein Blick lief an ihrem wunderschönen Körper hinauf, Lucien atmete tief durch, seine Gedanken schweiften weit ab, er würde viel lieber ganz etwas anderes mit Lina machen als quatschen, Lina blieb plötzlich stehen, ihre Faust traf ihn fest am linken Oberarm, mit so einer Aktion hatte er nicht gerechnet, „Aua!“, rief er überrascht, und hielt sich den Oberarm, „Hör auf solche verruchten Gedanken zu denken!“, rief sie wütend ,und ihr Gesicht bewölkte sich abermals.

Lucien sah sie bestürzt an, doch dann brach ein keckes Lachen aus ihm heraus, „Bleib locker Lina!“

Sie grummelte irgendetwas vor sich her, und ging weiter, würdigte ihn keines Blickes mehr. „Locker bleiben, klar, bei dieser Philosophie, die ihr hegt und pflegt, sollte das kein Problem sein!“

„Jetzt werde nicht unfair, ich bin, was ich bin, und du bist nur ein Halbblut!“, meinte er knurrig.

„Halbes Blut, halbe Rechte!“, rief sie aufgebracht.

„Keine Rechte!“, korrigierte Lucien vorsichtig, und war stehen geblieben.

Lina wand sich um, ihre Augen waren kalt geworden, und ihr Gesicht wirkte sehr ernst, jetzt hatte er ihren wunden Punkt getroffen, „Genau um das geht es hier, ich bin ein Nichts, habe keinen Status, wäre ich ein Vollblut, dann würden sie mich akzeptieren!“, rief sie verbissen.

„Du bist Lina, hast Charakter bist willensstark, siehst gut aus, bist intelligent, du trägst Kennys potential in dir, was willst du mehr!“

„Du verstehst nichts, wirklich rein gar nichts!“, herrschte sie, und stolzierte davon, die Stadt verschluckte sie mit ihrem großen unersättlichen Maul, und Lucien blieb zurück.

 

Die Villa am Stadtrand, war nach längeren Renovierungsarbeiten wieder zu einem Schmuckstück erblüht, Kenny parkte auf der ausgewiesenen Fläche, neben Steven neuen Austin Martin, stieg aus und ging über die gekieste Auffahrt an die Tür, klopfte, Samsarkin öffnete zaghaft, heute trug sie ihr Haar blau, „Was willst du, es ist Tag!“, wisperte sie mürrisch.

„Haben wir heute nicht einen wunderbar sonnigen Tag?“, fragte Kenny sarkastisch.

„Komm schon rein!“, ihre Stimme klang abweisend, und als er die düstere Lobby betreten hatte schloss sie schnell wieder die Türe, „Also was willst du hier?“, wollte sie desinteressiert wissen.

„Ich muss zu Tamira!“, sagte er freundlich, und sah sich genauestens um, Samsarkin verzog das Gesicht, „Es ist Tag, wie oft soll ich es dir noch sagen, bis du es kapierst!“, rief sie mit ihrer hohen klimpernden Stimme.

„War das jemals ein Problem?“, er verschränkte seine Hände vor seinem Körper, und versuchte einen Gesichtsausdruck von ihr zu erhaschen, ihr perfekt geschminktes Gesicht sah ihn lange an, dann trat sie einen Schritt auf ihn zu, „Hm, ich kann es nicht riechen!“, fing sie vorsichtig an, und schüttelte ihren bunten Haarschopf.

„Was kannst du nicht riechen?“, fragte Kenny nun doch vorsichtig nach, nahm den Rückzug in die gedanklich engere Wahl.

„Egal!“, presste sie hervor, beide wanderte die Treppe hinauf, im ganzen Haus herrschte Totenstille, Samsarkin klopfte und wartete, dann öffnete sie die schöne Kassettentüre, „Bitte!“

 

Der Raum den Kenny betrat erstrahlte in einem alten rustikalen Flair, die Zeit schien sich hier nicht bewegt zu haben, alte Stühle mit geschwungenen Füßen, und ein langer Tisch standen mittig, auf einem runden roten weichen Teppich, Jugendstiel eventuell, im Kamin brannte ein Feuerchen, an den Wänden hingen alte Fotografien, er sah sich um als wäre er noch nie in diesem Raum gewesen, und in gewisser Weise war er das auch nicht, langsam stürmten seine Erinnerungen an die Villa wieder an die Oberfläche, er blieb am Fenster stehen und sah hinaus, vor ihm erstrahlte der ca. 3 ha große Park in neuem Glanz, gebügelt und geschnitten, das würde Caro sicher gefallen, eine Windböe ließ die restlichen Herbstblätter lustig durch die Luft wirbeln, „Der Herbst ist doch eine sehr wildromantische Jahreszeit, findest du nicht auch?“

„Tamira!“, er sah erfreut um, und verneigte sich leicht.

Sie schwebte in den Raum, ihre langen blauvioletten Haare glitzerten im Schein der Sonne, Kenny zog die Vorhänge zu, Tamira setzte sich an den Kamin, „Was kann ich für dich tun?“

„Ich muss zu Vince!“, fing er ohne Umschweife an, und verharrte am Fenster.

„Vince ist tot!“, meinte sie glasklar.

„Genau, das ist mein Problem, er hat Caros Liebe mit sich genommen, und ohne diese Liebe, werde ich ein Mensch aus Fleisch und Blut bleiben, meinen Titel nie wieder erhalten!“, erklärte er ihr.

Tamira erhob sich graziös, und ging durch den Raum, ein Hauch von alten Zeiten erwachte, die Bilder an den Wänden fingen an Geschichten zu erzählen, sie goss Whisky in ein Glas reichte es Kenny, der es zwar nahm, daran schnupperte, aber wieder abstellte, ohne davon getrunken zu haben, sie schmunzelte.

„Das ewige Problem!“, ein hexenähnliches Lachen trat an die Oberfläche, ihre Augen flirrten, Finger legten sich auf seine Wange, er zuckte zusammen, Kälte durchströmte ihn. „Mmhh, du hast es tatsächlich getan!“, eine Reihe weißer Zähne kamen zum Vorschein. „Aber ich kann keine Veränderung an dir erkennen!“, ihr Gesichtsausdruck wurde sehr ernst, wieder wanderte sie durch den Raum, „Du kannst nicht in Vinces Welt gehen!“, sagte sie fest, und kam wieder zu ihm, „Er ist tot, und du lebst!“

„Aber ich war bei ihm, also muss es auch einen Weg zurückgeben!“, meinte Kenny bedrückt.

„Aber nicht für dich mein Lieber, ohne deine Kräfte bist du dazu nicht im Stande, es wäre dein menschliches Ende!“, erklärte sie ihm rücksichtslos.

„Aber ich muss gehen, mein Titel steht auf dem Spiel, Caros Gefühle, mein Ego, Tucker!“, schnaubte Kenny.

„Und wie sieht dein Plan aus?“, fragte sie neugierig ausharrend.

„Ich habe keinen Plan, nur eine Bitte!“, er unterbrach seinen Satz, Nick hatte den Raum betreten, musterte Kenny im Vorbeigehen, beugte sich zu Tamira, und wisperte ihr etwas ins Ohr, eine Augenbraue zuckte leicht, und sie schlug ihre langen Wimpern elegant nieder.

Nicks attraktive Person wandelte in Kennys Richtung, sah ihn nur an, seine glänzenden Augen wirkten böse und aggressiv, „Irgendwann!“, hauchte er, und rümpfte die Nase, „Irgendwann!“

Kennys Ego schien auf Kirschkerngröße zu schrumpfen, seine Macht war entschwunden, er war nur noch Mensch, und mit dieser Option konnte er nicht umgehen, dann schnellte Nicks Hand hoch und ergriff Kennys Jackenaufschlag, zog ihn damit zu sich, „Es wird die Zeit kommen, und dann werde ich da sein!“, herrschte dieser, und zeigte ihm seine Dominanz in Form seiner spitzen Eckzähne, Kenny wischte Nicks Hand beiseite, „Fass mich nicht an!“

Nick lachte dumpf, und verschwand, Kenny atmete tief durch und sah ihm nach, „Tamira!?“

„Deine bitte!“, fragte sie abermals, und hatte sich kaum bewegt.

„Ich muss zu Vince, und du kannst mich zu ihm bringen!“, sagte er tonlos.

„Lass dich doch von einem Auto überfahren, oder spring von einer Brücke!“, schlug Steven sarkastisch vor, als er den Raum betrat.

Tamira sah von ihrem Mann zu Kenny, „Nein, wie kommst du nur auf so eine wahnsinnige Idee, du bist unsere letzte Chance, eine Hoffnung, du bist die Zukunft, wirf dein neu gewonnenes Leben nicht einfach so über Bord!“, die Stimmung knisterte, Steven setzte sich an den Kamin, Kenny war an den Tisch getreten, „Aber scheinbar gibt es nur diesen Weg!“

„Na ja, es gibt sicher noch einen!“, Ned trat aus einer Ecke des Raumes, und kam auf die kleine Gruppe zu, setzte sich in den zweiten Sessel an den Kamin, Steven grinste grüßend.

Er zog sich seinen Schlapphut vom Kopf, legte ihn bei Seite, „Setzen wir uns doch, im Stehen diskutiert es sich so ungemütlich, findet ihr nicht!“

Schweigend blieben Tamira und Kenny stehen, „Wie ihr wollt!“

 

Die Dämmerung brach herein, Caros Mom hatte ihre Familie zum Abendessen eingeladen, sie war frisch gestylt, gebügelt und absolut gut drauf, auch wenn sich Kenny noch nicht gemeldet hatte, doch es war keine Zeit mehr, um lange nachzudenken, wenig später fuhren Rosalie, Shawn, Dave und Anastasia in die Stadt.

Der Abend gestaltete sich angenehm und freundlich, die Lokation war ein Gedicht, doch immer wieder griff Caro in ihre Tasche, um einen Blick auf ihr Handy zu werfen.

„Wartest du auf einen bestimmten Anruf?“, fragte Anastasia dann irgendwann in die rege Gesprächsrunde.

„Nein, nicht wirklich!“, antwortete sie schwer, widmete sich wieder ihrer Familie.

Dave sah glücklich und zufrieden aus, gewachsen und älter, sein goldener Ehering blitzte hell am Ringfinger seiner linken Hand, jungfräulich, ja, das war ein guter Vergleich, Caro starrte ihn offensichtlich zu lange an, er senkte verhalten schmunzelnd seinen Blick, dann endlich kam das Essen, und die Melancholie war ein wenig abseits gerückt.

„Wollt ihr nicht Urlaub auf unserer Ranch machen Kinder!“, fragte Rosalie ohne Vorwarnung in die Runde.

Shawns Blick lief in Caros Gesicht, ihr Lachen verebbte, „Wann?“, fragte sie vorsichtig

„Zu unserer Hochzeit, in zwei Monaten, ihr seid alle herzlich eingeladen!“, meinte Shawn gut gelaunt.

„Wir freuen uns!“, strahlte Rosalie, und ergriff Caros Hand drückte sie fest, „Ich bin so froh!“

Das Essen war mittlerweile längst beendet, „Wollen wir noch ins Golden Earing?“, fragte Dave die Runde, die sein Angebot gerne annahm, gemeinsam fuhren sie noch zu Randy.

 

Ned sah durch die Runde, „Kenny, wie viele Chancen willst du noch, das hier war die Letzte, die allerletzte, du wirst dir einen anderen Weg suchen müssen, aber solltest du noch einmal als sterblicher in meiner Welt erscheinen, dann wirst du bleiben, für immer!“, meinte Ned ruhig, erhob sich, ergriff seinen Hut wieder, „Ich wünsche euch noch eine schöne und ergiebige Nacht!“, lächelte der Tod setzte sich seinen Schlapphut auf, „Ach ja, und du!“, er zeigte auf Kenny, „Du bist zur falschen Zeit, am falschen Ort!“, meinte Ned und war verschwunden.

 

 

Das Dragon ein Ort der Unendlichkeit, der Parkplatz war fast voll, und Caro hatte sich abgeseilt, ein wenig tüdelig wanderte sie in den Club, grüßte Sam an der Bar im Erdgeschoss, und quälte sich wenig später nach oben, dort ließ sie sich an die Bar gleiten, Steven schwebte heran, ergriff ihren heißen Körper, drückte ihn an sich, so viel Mensch, das brachte auch ihn um den Verstand und noch dazu dieser verdammt schmackhafte Duft, den sie verströmte.

„Na du unruhige Seele, heute auf Wanderung?“, fragte er sie, und sog ihren Duft tief ein.

„Familienabend, zu viel davon kann Schäden verursachen!“, erklärte sie ihm, und legte ihren Kopf an seinen Hals, die Kälte, die er ausströmte, verschaffte ihr ein angenehmes Gefühl.

Steven schälte sich aus ihrer Umarmung, ein feines Lächeln zeigte sich in seinem Gesicht, der Duft frischer Frühlingsblumen umgarnte seine Nase, all seine Vampirsinne liefen Amok, und das allerbeste an dem ganzen war eigentlich, dass niemand mehr die Hand auf diesem schmackhaften Geschöpf hatte, seine kalten langen Finger glitten an ihrem Nacken hinunter, über ihren Hals und streiften einige Haarsträhnen beiseite, bewegten sich über ihr Schlüsselbein, fühlten Kennys laienhaften Versuch ihr Blut zu trinken, ein raunen entfuhr ihm als er jene Aktion in seinen Gedanken auffing, und sehen konnte, eine feine Kruste hatte sich gebildet, rau und uneben, Stevens Fingernägel konnten sie ohne Probleme entfernen und ein wenig Blut quoll heraus, Caro erkannte die schleichende Gefahr nicht, war wie benebelt, und es war ein sehr schönes leichtes Gefühl, dem sie nicht entschwinden wollte, er trug sie fort, und brachte sie aus ihrem scheiß Leben, Stevens Augen hatten sich verfärbt, das sonst so wunderbare braun hatte sich in ein tiefes dunkelrot verfärbt, alleine der Geruch des Blutgoldes ließ ihn mutieren, mitten im Trubel schien niemanden aufzufallen was er eigentlich war, die Musik entschwand und die Gäste dümpelten weiter durch die Lokation, sein Zeigefinger fing das Blut auf , das er dann genussvoll ableckte, es schmeckte wie eine süße Praline mit edler Füllung, und wenn man eine gekostete hatte, dann musste man mehr haben, das war das Gesetzt der Nascherei, wie gut konnte er plötzlich Leon verstehen, oder auch Kenny, das Feinste vom Feinen stand vor ihm, einpacken mitnehmen stand darauf, „Soll ich es in Geschenkpapier einpacken?“, fragte er sich selber, und musste lachen.

„Nein danke, ich werde es gleich kosten!“, flüsterte er, und sog die Luft tief ein.

 

„Moment, ich darf doch abklatschen!“, eine Hand landete auf Stevens Schulter, er sah fauchend um, zeigte Zähne, „Was hast du hier zu suchen!“

„Och ich dachte schaust du mal vorbei, sagst hallo, oder so was, trinkst ein Bier, besuchst nette Leute, Steven zum Beispiel!“, grinste die Person linkisch.

Steven ließ Caro los, ging missgestimmt hinter die Bar zurück, „Und was möchtest du trinken?“, seine Frage kam außerordentlich gereizt.

„Ich dachte da so an einen sehr guten alten Jahrgang, Südwesthang, tiefgründiger Boden, nährstoffreich, viel Sonne, na du weißt schon!“, seine Stimme grenzte an einen sonoren lieblichen Singsang.

Steven verzog bitter sein Gesicht, verschwand, und kam mit einem großen bauchigen Glas zurück, dessen Inhalt tiefrot und etwas dickflüssig erschien, der Gast ergriff es und schwenkte es sachte hin und her, sah dann durch den roten Schleier hindurch und beobachtete Steven, legte seine Lippen an den Rand und nippte, „Hm, gut, aber ich denke du hast etwas feineres!“

„Jetzt ist aber genug, ich wollte ihr nichts tun, nur kosten!“, griente er.

„Dann ist ja gut!“, säuselte der Gast, und sah zu Caro, die genießerisch auf der Empore lehnte und den Gästen zusah.

 

„Ich finde die Musik ein wenig ätzend, du nicht auch!“, Caro sah zu ihm, nahm einen Schluck aus ihrem Glas und nickte.

„Bin ich tot, oder steh ich unter Drogen, vielleicht auch zu viel Alkohol, nein jetzt hab ich´s, es ist diese demotivierende Musik!“, rief sie spottend, und leerte ihr Glas auf einen Zug.

„Könnte durchaus sein!“, erwiderte ihr Nachbar, ließ seinen Blick schweifen, es war lange nach Mitternacht und der Altersdurchschnitt ließ sich auf knappe zwanzig aufrechnen, ganz im Gegensatz zu früher.

„Schön, genau das war mein Tagesziel für heute!“, Caro sah sich genau um, die Disco hatte sich nicht verändert, und alles schien noch am selben Ort zu sein, „Ich werde mich mal mit einem neuen Inhalt bestücken!“

Caro stellte ihr Glas auf die beleuchtete Bar, Steven schwebte mit der Flasche heran, „Was hast du mir in den Prosecco getan, sag es lieber gleich!“, knurrte sie, und fühlte sich nicht wirklich betrunken oder high, noch bewegte sich ihr Körper so, wie sie es gewohnt war.

Steven schüttelte seinen hübschen Kopf, „Nichts, warum!“, meinte er ein wenig frustriert.

„Weil ich Dinge sehe, die nicht sein können!“, Steven schniefte, seine Augen glänzten wieder, dann lehnte er sich graziös über die Theke, „Wenn er auftaucht, meine Hübsche, dann wird das sicher einen Grund haben, meinst du nicht auch?“

„Oh, sicher, einen tiefschürfenden Grund, danke, du warst mir eine sehr große Hilfe!“, wisperte sie, und nahm Steven die Flasche aus der Hand, „Die nehme ich mit, du weißt doch wie das mit weiten Wegen ist, danke!“, rief sie noch, und war wieder verschwunden.

„Willst du die allein austrinken?“, wollte ihr Gesprächspartner wissen.

„Dachte ich, aber du kannst gerne etwas abhaben, wenn du mir verrätst, was du hier willst!“

„Nur mal nach dem Rechten sehen!“, lächelte er charmant, und seine Lippen kräuselten sich zart.

Caro prustete, lehnte sich über die Brüstung, „Schön, aber macht es dir etwas aus, bei jemanden anderen nach dem Rechten zu sehen, ich kann das ganz gut allein, und sollte irgendetwas nicht rechtens sein, dann melde ich mich bei dir, ok!“, ihre Stimme war an die Menge gerichtet, würdigte ihn keines Blickes mehr, ließ ihr Glas durch die Finger gleiten, saugte nervös an ihrer Unterlippe.

„Gut, wie du willst, es ist deine Entscheidung!“, schnaufte er, legte seine Hand auf ihren Rücken, „Pass auf dich auf, es wird dich niemand mehr hören, wenn du schreist!“

„Vielleicht möchte ich auch nicht mehr gehört werden!“, sagte sie, und kniff ihre Lippen fest aufeinander, die Melodie veränderte sich, und aus einem Goa- Mix für Fortgeschrittene wurde eine Art Gothic Techno, sie sah sich vorsichtig um, „Nathan!“, doch Nathan hatte sich verkrümelt, Caro ließ ihren Blick wandern und entdeckte Nathan, er war auf dem Weg nach draußen, sah noch einmal zu ihr hoch, tippte sich an die Stirn und verschwand in der Menge.

 

Caro stellte ihr Glas auf einen kleinen Tisch, erwischte allerdings die Kannte des besagten Abstellplatzes, es kippte und rollte von der unebenen Fläche, fiel zu Boden und zerbrach.

„Verdammte Scheiße!“, schimpfend kniete sie sich nieder, und sammelte die ganzen Scherben wieder ein, trug das feine Glas an die Bar, doch der Weg dorthin gestaltete sich ein wenig schwierig, die Massen hatten sich nach oben hin verdichtet, man lümmelte wie gestrandete Fische an der Bar, sicheres durchkommen nicht wirklich möglich, und bis sie endlich angekommen war, hatte sich schon eine Scherbe des sehr dünnen Glases in ihre Handfläche gebohrt, ein feines Rinnsal Blut bahnte sich den Weg über ihre Haut.

„Steven!“, schrie sie in die Masse, es war ihr egal wie viele Gesichter sie urplötzlich taxierten, vor allem die Damenriege, die nur wegen Ihm hier war, jung, hübsch, dynamisch, und geschmacklich nicht wirklich wertvoll.

Der Meister persönlich lenkte noch einen Drink an die richtige Person, um sich dann ganz und gar seiner persönlichen Hölle zu widmen, „Caro?“ ,dieses Wort triefte vor Zynismus, und ohne zu wissen was auf ihn zukam, sie hatte die Scherben in ihrer hohlen Hand gehalten, das Blut hatte inzwischen die Handkante erreicht, sie öffnete ihre Hände leicht, er wich im ersten Moment entsetzt zurück, schluckte schwer, und stieß einen entsetzten Seufzer aus, der Duft der unerträglichen Süße stieg in seine Nase, doch dann ergriff er automatisch ihren Körper und zog sie in einen kleinen Nebenraum, drängte sie auf einen Stuhl, zupfte die Scherben aus ihrer Handfläche und warf sie in den Müll, hielt ein Geschirrtuch unter ihre Hand, drei kleinere Scherben steckten noch in ihrer Haut, er kniete vor ihr und versuchte nicht durchzudrehen, „Das könnte weh tun!“, flüsterte seine geschundene tote Seele.

„Egal!“, hauchte sie, und hielt sich das Handgelenk, ein stechender Schmerz jagte in Impulsen durch ihren Unterarm.

„Geschafft!“, Steven hatte alle Splitter entfernt, tupfte vorsichtig das Blut von der Wunde, wich sanft zurück, „Es ist wohl besser, wenn du jetzt gehst!“, seine Stimme klang angespannt, unruhig.

Caro erhob sich, ein wenig weich in den Knien, wankte zum Waschbecken, drehte zitternd das Wasser auf und ließ das kalte Nass über ihre Wunde laufen, das rote Gold war kurzzeitig im Abfluss verschwunden, „Danke!“

„Geh!“, drängte er sie wieder, der Duft des Blutes schwebte immer noch in der Luft, wie das Parfüm einer vergangenen Nacht, Caros Blick lief wagemutig zu ihm, sie nahm die Hand aus dem Wasserstrahl, Blut sammelte sich erneut in ihrer Handfläche, „Was, wenn ich nicht gehe!“

Er neigte seinen Kopf, und stand plötzlich vor ihr, ihre Augen nahmen seine Schnelligkeit kaum wahr, sie erstarrte, „Du bist das Stück Frischfleisch, das gerade in den Käfig vieler hungriger Wölfe geworfen wurde!“

„Schöne Aussichten!“, flüsterte Caro, und musste lachen, „Dummheit muss bestraft werden!“

Steven war nicht nach Scherzen, „Wenn du nicht in genau drei Sekunden verschwunden bist, dann…!“, befahl er brüsk.

 

„He Steven gibt es hier nichts zu trinken?“, seine Rettung nahte, er verzog seinen Mund und kräuselte die Nase, „Komme gleich!“, rief er, trat zu Caro, nahm ihre Hand und führte sie an seinen Mund, leckte ihr Blut sinnlich aus der Handfläche, sah ihr dann in die Augen, „So gar köstlich wie süßer Wein, betört meine Sinne, ich habe versprochen dich nicht anzurühren, und ich werde mein Versprechen gegenüber Leon halten!“, mit diesen Worten war er verschwunden.

 

Caro verabschiedete sich ohne große Worte und quetschte sich durch die Massen nach draußen, dort traf sie auf eine sehr kalte und ungemütliche Nacht.

Sie sah sich fluchend um, ging wieder in die Disco zurück, „Ich habe meine Tasche vergessen, gut dass mein Kopf angewachsen ist, sonst würde ich den auch noch überall liegen lassen!“, rechtfertigte sie sich bei Samsarkin, die nur sanft lächelte.

Nathan kam aus der Dunkelheit des Vorraums, „Du hast die Wette verloren, sie ist zurückgekommen!“, sagte er zu ihr.

„Schon gut, wette nie mit dem Tod!“, Samsarkin schüttelte ihren Kopf.

Caro stapfte wieder nach oben, ihre Tasche lag im Hinterzimmer, genau dort wo sie sie hingelegt hatte, mit einer wirschen Handbewegung ergriff sie das kleine Fitzelding und trat wieder in den Tumult, ein kleines herumalbern auf der Empore artete zu einer Rangelei aus, verstrickt in dem ganzen Wirrwarr waren mehrere angeheiterte Typen, und während ein Wort das andere gab, mischten sich auch andere Gäste mit ein, lautstark versuchten sie sich verbal zu verletzen, eine Flasche flog, und mehrere Gläser prasselten zu Boden, als einer der Typen einen anderen an die Bar knallen ließ, Steven ergriff sein Handy und orderte Verstärkung.

Caro hatte sich abseits platziert, und beobachtete das Treiben mit rollenden Augen, „Idioten!“, flüsterte sie.

Wüste Beschimpfungen brachen durch die laute Musik, und wie immer drehte es sich um die Ego Frage, Fäuste flogen, Nasen bluteten, dann erschienen Nick, Samsarkin und Valorin, sie stoben die Treppe hinauf, und trieben die Streithähne auseinander, man hatte bald Ruhe und Ordnung in die obere Etage gebracht, Mitstreiter lösten sich urplötzlich in Luft auf, übrig blieben nur noch die beiden, die sich immer noch wüst beschimpften, Nick brachte einen der Kontrahenten nach unten, dieser versuchte ihm zu erklären warum es so weit kam, doch Nick ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, es interessierte ihn schlicht und ergreifen nicht, dann entdeckte er Nathan, am Rande des Besucherstromes, mit verschränkten Armen, in Wartestellung, Nick sah sich schnell um, und die Menge auf der Empore war wieder ineinandergeflossen, doch dann teilte sie sich wie Moses das Meer, die Musik und das diffuse Licht schluckten jegliche fremden Laute, jede Reaktion, Nick ließ den Typen stehen, und raste wieder nach oben, verwunderte Blicke folgten ihm, und als er endlich die letzte Stufe erklommen hatte, war er im Bilde.

„Sie ist schuld!“, rief der Kerl, der sich gerade noch eine blutige Nase eingefangen hatte.

Eine Frau, um die zwanzig, stand wie versteinert inmitten der geteilten Menge, ihre Nasenflügel bebten, „Spinnst du!“, quiekte sie tonlos.

„Du hast uns beide benutzt, und dann ausgespielt!“, schrie der junge Mann, groß schlank und sichtlich nicht ganz auf dieser Welt.

„Das ist nicht wahr!“, meinte sie, und hob ihre Hände leicht.

Er griff sich an den Rücken, fummelte eine Waffe aus dem Hosenbund, wieder ging ein Raunen durch die Menge, der Balkon leerte sich, man flüchtete, „Aber du hast auch mit meinem Bruder geschlafen, ich weiß alles, und versuch es nicht abzustreiten!“

Caro kaute nervös auf ihrem Kaugummi herum, erhob sich von ihrem Logenplatz, ging um die Bar herum.

Die junge Frau wurde verlegen, „Es ist nicht so wie du denkst!“, entfuhr es ihr.

„Wie ist es dann, waren wir denn nicht glücklich?“, meinte der Mann, und ließ die Waffe sinken.

Nick versuchte die Lage zu entschärfen, „Gib mir die Waffe!“, sagte er, und trat zwischen die beiden.

„Verschwinde, das hier geht dich nichts an!“, die Stimme des jungen Mannes dröhnte laut, die Frau bewegte sich nun auch, „Bitte gib sie ihm!“, flehte sie.

Nick hielt ihm die Hand hin, „Tu, was sie sagt, du gefährdest Menschenleben!“

„Halt deinen verlogenen Mund, wie lange geht das eigentlich schon mit meinem Bruder?“, fragte er wütend.

Sie schüttelte ihren Kopf, „Ich kann deine Eifersucht nicht mehr ertragen!“, meinte sie standhaft, „Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben!“

Seine Gesichtszüge entgleisten, er schnaubte und hob die Waffe wieder an, Nick trat noch einen Schritt nach vorne, „gib sie mir!“, forderte er ihn nochmals auf, doch der Typ dachte gar nicht daran, die Frau hatte sich umgedreht, wollte gehen, „Aber, aber!“, fing er gefallen an, drückte ab, Schüsse knallten die Menge schrie, Nick sprang auf ihn zu und riss ihn zu Boden, entledigte ihn der Waffe, warf sie Samsarkin zu, die Frau lag blutend auf der ersten Stufe der Treppe, Nathan war wie aus dem Nichts erschienen, sah in die Runde.

Die Sirenen von Polizei und Rettung waren schon zu hören, die Musik verstummte und die Gäste verschwanden vorsichtshalber.

„Bist du nun zufrieden?“, Caro hatte Nathan entdeckt und war zu ihm gegangen, stand nun dicht neben ihm, er nickte ernst, „Perfekt!“, sagte er, und seine schattenhafte Gestallt wirkte wie eine frische Brise, Caro erzitterte, „Wobei du, mir wesentlich lieber gewesen wärst!“

Sie öffnete ihren Mund und schloss ihn gleich wieder, die Polizei schwappte in die Halle, was nun auch die restlichen Gäste vertrieb.

„Bedanke dich bei Nick, aber langsam wird es langweilig, aber wie du weißt, habe ich Zeit, im Gegensatz zu dir!“, Nathan zauberte ein äußerst dämonisches Grinsen in seinem Gesicht.

„Heißt das, dass sie ein Versehen war?“, keifte Caro, und der Alkohol wirkte unangenehm aggressionsanregend.

„Na ja nicht wirklich, sie stand schon auf meiner Einkaufsliste aber nicht für heute Abend, Schicksal!“, erklärte er ihr elegant zynisch.

Die Polizei führte den jungen Mann an der Leiche der Frau vorbei, „Ich wollte das nicht!“, weinte er.

 

Nick gab dem Beamten, der sich noch ein paar Notizen machte, die Tatwaffe, nach einer guten Stunde war wieder Ruhe eingekehrt, die Disco leer.

„Nathan ist wirklich ein Talent!“, murrte Steven, und setzte sich an die Bar, neben Caro, die müde aussah.

„Mies ist das, ich geh nach Hause, mir reicht´s!“, murmelte sie grimmig, und erhob sich, tapste schwerfällig nach unten.

„Ich begleite dich!“, Nick gesellte sich zu ihr und gemeinsam traten sie in die kalte ungemütliche Nacht, das Wetter passte optimal zu der augenblicklichen Stimmung, eine kleine Weile gingen sie still durch die Nebelnacht, seine charmante Gestalt schwebte leichtfüßig neben ihr durch die Dunkelheit.

„Danke!“, meinte Caro nach kurzer Zeit, und schlug den Mantelkragen hoch, der Wind pfiff durch den dünnen Stoff, und ließ sie erzittern.

Er sah zu ihr, sein Gesicht gut verdeckt durch die Schatten jener verruchten Nacht, „Für was?“

„Nathan meinte ich solle mich bei dir bedanken!“, sagte sie schleppend, lauschte ihren Schritten die dumpf durch die engen Gassen hallten.

Nick legte seinen Arm um ihre Taille, und zog sie an sich, die Gasse, durch die sie gerade spazierten, wurde immer dusterer, dann traten sie durch den fahlen Lichtkegel einer Straßenlampe, dichter Nebel umgarnte das Lämpchen und verschleierte es, Caro blieb stehen, wand sich aus seinem Arm, „Nick!“, rief sie leise.

„Ich habe sie gesehen, mach dir nicht gleich ins Hemd!“, flüsterte er, sich seine Lippen leckend, drehte Caro automatisch zu sich, drängte sie gefühlvoll an die Hausmauer, stand wie immer im fahlen Zwielicht der Nacht, und sie voll auf dem Präsentierteller, ihr Körper fror, und ihre Hände schmerzten schon fast unangenehm.

„Was wollen sie?“, zitterte ihre Stimme schlotternd, Nick sah ihr lange in die Augen, las ihre Gedanken, schmunzelte.

„Zu Punkt eins, sie wollen Spaß, schon vergessen, dass das hier das alte Themse Hafenviertel ist, und sich nach wie vor viel Gesindel hier herumtreibt, und zu Punkt zwei, sehr gerne!“

Caro schien trotz Kälte rot zu werden, zwischen all den Gedanken hatte sie ganz vergessen, dass Nick ja ein wenig anders war als Andere Männer.

„Spaß?“, ihre Zähne klapperten laut.

„Sie sind betrunken, denken dass ich kein großes Hindernis bin, und du, na ja, das kannst du dir selbst beantworten!“, hauchte er sarkastisch.

Wieder brachte eine Bö Caro zum Erzittern, „Ich werde dich jetzt küssen!“, warnte er sie vor, und neigte seinen Kopf leicht, die Stimmen der Männer wurden immer lauter.

Bitte nicht küssen dachte Caro, Nicks Küsse konnten einem den Atem rauben, dann waren die Gäste des Hafenviertels angekommen, ein wenig torkelnd stoppten sie sich hinter den beiden, „Nett, die beiden!“, rief einer.

Nick ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, ignorierte die grobschlächtigen Kerle genoss Caros Menschlichkeit.

„Diese Gegend hier soll nicht ganz ungefährlich sein!“, keuchte der Widerlichere, parkte seine Hand auf Nicks Schulter, dessen kalte Lippen sich von Caros lösten, die sich leicht benebelt fühlte nach dem Kuss und das Gefühl hatte sie müsse erst einmal zu Atem kommen.

„Lasst uns in Ruhe!“, meinte Nick mit gespielter Überraschung, und sah von einem zum anderen.

„Ach wir wollen doch nur ein wenig mit deiner hübschen Freundin quatschen, ihr ist sicher kalt!“, prustete der unrasierte nach Bier und Whisky stinkende Mann, drängte Nick schwungvoll bei Seite.

„Komm wir gehen!“, drängte Caro ängstlich, diese Nacht hatte den Teufel gesehen, ihr Körper löste sich von der Hausmauer, Flucht, das war das einzige was sie gerade im Moment denken konnte, aber dann entdeckte sie die grellen blaugelben Augen Nicks die wie zwei glimmende Kohlen durch die unsagbare Nacht stachen, ein unterirdisches Grinsen wanderte durch sein marmornes Gesicht, fast in Zeitlupe entblößte der Vampir seine spitzen Zähne, die Männer verharrten kurz, einer der Zwei zauberte grunzend ein Messer aus seiner Jacke, fuchtelte wild damit herum, Nick baute sich schützend vor Caro auf.

„Willst du mal was richtig Gutes sehen Mädchen!“, schnaufte der unbewaffnete, fingerte an seiner Hose herum, Nick knurrte kehlig, dann verlieh der Messermann Nachdruck, in dem er das kleine spitze Werkzeug in Nicks Bauch piekte, Nick verzog keine Miene, ergriff ultraschnell das Handgelenk des Mannes mit dem Messer, das klirrend zu Boden fiel, dann entblößte Nick erneut seine Zähne, entlockte den beiden Betrunkenen mehrere Schimpfwörter.

„Was oder wer zum Teufel bist du?!“, krächzte der etwas Dickere.

„Komm lass uns verschwinden, das hier geht nicht mit rechten Dingen zu!“, mit diesen Worten verzogen sich die Zwei Gestalten stolperten fluchen durch die enge Gasse und verblassten im dichten Nebel, der Gewerbehallen.

 

Caro schnaufte aufgeweicht, „Ich habe genug von dieser Nacht!“

„Komm!“, forderte Nick sie lachend auf, ein paar Gassen später erschien Caros Haus in der Dunkelheit, sie sperrte schnell auf und öffnete mit klammen Fingern die Tür, eine angenehme Wärme umgarnte ihren kalten Körper als sie eintrat, sie ergriff Nicks Mantel und zog ihn damit ins Haus, schloss die Türe hinter sich.

„Welch unsagbare Nacht, schon wieder muss ich mich bedanken!“, schniefte sie, und knipste das Licht im Wohnzimmer an.

„Nächte sind dazu da, um ausgenutzt zu werden!“, sagte er leise, hängte seinen Mantel an die Garderobe, „Nun zu Punkt zwei!“, fing er freundlich an, fing sie ein und ergriff ihre Hand, zog ihr den Ring, den sie von Kenny erhalten hatte, sanft vom Finger, „Den werden wir noch nicht brauchen!“

„Brauchen wir nicht, so, so!“, sie musterte seine wunderbare Person, „Was gedenkst du nun zu tun?“

Nick schmunzelte, „Es würden mir tausend Dinge einfallen, dir nicht?“, seine Stimme kitzelte ihre Wange, die angesammelte Kälte steckte immer noch in ihren Gliedern, sie rieb sich die Finger, „Ich werde dich jetzt um etwas bitten!“, fing er vorsichtig an.

Caros Gedanken kreisten, was war nur los, nichts passte mehr, kein Teil fügte sich, alles verschwand in einem Glibber aus Gefühlen und Handlungen, „Gut!“

Er nahm ihre Hand und drehte sie mit der Handfläche nach oben, feines getrocknetes Blut klebte darin, roch verlockend. „Ich bitte darum!“, seine Worte kamen wie kleine Schmetterlinge zu ihr geflogen, nahmen Platz, schlossen ihre Flügel.

„Warum nutzt du die Gunst der Stunde nicht einfach, beißt mich, und verschwindest!“, raunte sie überfordert, vor ihr stand der Traummann, perfekt, wunderbar und wunderschön, elegant und sehr charmant, der Wolf im Schafspelz.

„War das nicht dein zweiter Gedanke, darum gebeten zu werden, ich will dir diesen Wunsch erfüllen, und es wäre mir eine Ehre!“, umgarnte er sie sanft, langsam kam die Wärme in ihren Körper zurück, dennoch fühlte sie sich ertappt, konnte den Zustand nicht leiden, wenn jemand ihre geheimsten Gedanken las.

„Was passiert mit mir, ich habe das Gefühl in unartiger Lust zu verschwinden, mein Blut tobt, pulsiert knisternd, Kenny hat mein Blut getrunken, aber danach fühlte ich mich genauso unruhig und körperlich schwach, wie vorher, es war, als hätte er es nie getan!“

Nick lächelte smart, „Blut trinken, und ein wenig herumspielen sind zwei Grund verschiedene Dinge, dein Blut wird dich zu Fall bringen, dessen bist du dir hoffentlich bewusst, solange Kenny seinen Titel nicht wieder erlangt, wird er dir nicht helfen können!“, erklärte Nick ruhig, seine feingliedrigen Finger streichelte zärtlich ihr Gesicht, sie erschauderte.

 

Lina kreiste durch die Stadt und fuhr bei Caro vorbei, und sie hatte Glück es brannte noch Licht, sie warf einen Blick auf ihre Uhr, es war knapp halb drei Uhr morgens, Lina parkte ihren Wagen, stieg aus und tänzelte über die von Unkraut überwucherte Hofeinfahrt, schlich an das beleuchtete Fenster, konnte niemanden entdecken, ging ein Fenster weiter, spähte mit einem Auge durch den Spalt des Vorhanges hindurch, „Nick!“, hauchte sie und konnte ein leichtes Prickeln auf ihrer Haut spüren, Erinnerungen prasselten lawinenartig über sie herein, mit Spannung verfolgte sie die beiden Personen die sich im leicht gedimmten Licht des Zimmers bewegten.

 

„Es liegt nun ganz bei dir!“, meinte er sehr leise, seine Finger waren an ihrer Hauptschlagader angekommen, ihre Gedanken lagen wie ein offenes Buch vor ihm, „Willst du eine Antwort auf deine gedankliche Frage?“

Sie sah ihn ertappt an, „Gibt es denn eine?“

„Oh sicher!“, seine Stimme war sanft wie eine Frühlingsbrise, „Dennoch wäre es ein sehr gefährliches Unterfangen Leon zu erwecken, ohne Kenny an deiner Seite könnte es sehr tödlich für dich enden!“

„Ich habe geträumt…!“, fing sie schüchtern an, und trat ein wenig zurück seine Nähe fing an sie gefühlstechnisch zu bedrängen, doch er legte einen Finger auf ihre Lippen.

„Du träumst jede Nacht von ihm, ich weiß, und ich habe Leon versprochen auf dich aufzupassen, und dich nicht anzurühren, komme was wolle, aber ich konnte dich nicht daran hindern mit Kenny zu schlafen!“

„Du weißt es?“, murmelte sie überrumpelt, schüttelte heftig ihren Kopf, „Oh Nick, er fehlt mir so!“

Nick schmunzelte, „Du selbst bist daran schuld, hättest du dein Versprechen nicht gebrochen!“

Caros Augen wurden groß, „Dieses verdammte Versprechen, ich kann mich auch jetzt nicht daran erinnern!“, rief sie aufgebracht, der viele Prosecco forderte, ihr Körper wurde müde und schwer.

 

Lina drückte sich ihre Nase platt, versuchte an der kalten Fensterscheibe zu lauschen, sie hatte das Gefühl gerade mal wieder sechzehn Jahre alt zu sein, an jenem Abend, ihrem Geburtstag, ging demonstrativ alles schief, ihr Vater hatte sich wie so oft einfach abgeseilt sie ignoriert, und ihre Mutter versuchte die Situation zu retten, was aber diesmal nicht gelang, zutiefst enttäuscht verkroch sie sich in ihrem Zimmer, später traf sie sich mit ihren Freunden, doch vorher, herrschte Eiszeit, Mom nörgelte an Dad herum, wegen ihrem Geburtstag was schließlich und endlich dazu führte das er trainieren fuhr, und zwar die ganze liebe Nacht lang, mit Vince, angeblich. Mom tat dann das, was sie immer tat, wenn sie aufgewühlt war, sie putzte irgendetwas, die Küche oder das Bad, bis es an der Hintertür klopfte, sie war gerade auf dem Weg nach unten in die Küche gewesen, Alkohol klauen, doch dann konnte sie Stimmen hören, leise aber bestimmend, sie drückte die Küchentür auf ,und spionierte durch den Spalt in die Küche, Nick stand mit dem Rücken zu ihr, tröstete Mom sanft, dann sagte er irgendetwas unverständliches zu ihrer Mutter, diese drehte sich sehr langsam um, schnäuzte sich und wischte sich die Tränen aus den Augen, fing an verhalten zu lächeln, dann zückte Nick einen dieser Briefe die sie wenig später dann in einer Schublade fand, gab in ihr, ihre Mom starrte den Brief lange an, Nick hob ihr Kinn, und sagte etwas zu ihrer Mutter und diese Worte verfolgten sie bis heute. „Ich soll dich küssen, von Leon, und er wartete in Harrys Garten auf dich, wie gehabt!“, dann verschwand er in der Nacht, wurde unsichtbar, wieder kam dieses winzige Fünkchen Eifersucht, stach sie in den Nacken, ihre Mutter verließ eine gute halbe Stunde später das Haus, allerdings nicht ohne sich von Lina zu verabschieden, die sich wieder in ihr Zimmer verzogen hatte, später endete ihr Weg in Harrys Garten, und führte durch den Rosenbogenweg, zielstrebig trotz Dunkelheit bewegte sich ihre Mutter sicher durch den Garten, gefolgt von Lina, die vor Neugierde schier platzte, ihre Mom verharrte an der Klippe, das Meer rauschte laut und der Wind war sehr beißend, dann erschien eine Person, verschluckt von der Dunkelheit, Lina schlich näher heran, und konnte ihn sehen, es musste Leon sein, der Märchenprinz ihrer Mutter, und er war wirklich einer, und das war das aller erste Mal das sie ihn real wahrnahm, sie kannte ihn nur aus Nicks Erzählungen, und bastelte sich ihr eigenes Bild, beide umarmten sich, dann küsste Leon ihre Mutter, gemeinsam verschwanden sie dann die Treppe hinunter, gingen in den Grottengarten, unsichtbar gefolgt von Lina am Bach entlang.

Diese Grotte verband die Villa, mit der Außenwelt, Lina hatte Mühe den beiden auf den Fersen zu bleiben, Leon brachte ihre Mom an den warmen See, der dunkel in den Tunnelgewölben lag, Gemütlichkeit pur, überall brannten Kerzen, eine Flasche Prosecco stand bereit, Handtücher lagen sauber zusammengefaltet auf einer etwas dickeren Decke, wieder versteckte sich Lina in einer der Nischen beobachtet die beiden, und das, was sie dann zu sehen bekam war wirklich besser, als der edelste Porno, so sinnlich und erotisch, sie schwamm schmachtend dahin, geschieht Dad ganz recht, er hat nichts anderes verdient als betrogen zu werden, dachte Lina bei sich….

 

 

„Ein wunderbares Versprechen, mit langen weichen Schwingen, elegant, leise und sehr gehaltvoll, wunderbar und liebevoll, es wurde gegeben in einer warmen Nacht, der Wind war Zeuge, die Natur hatte es gehört, das Meer untermalt, dann hast du es gegeben, dein Körper lag im weichen Gras und dein Blick war in die unendliche Sternenwelt gerichtet…!“, erzählte Nick weich.

Caro schmolz wie Butter in der Sonne, keines der Worte regte irgendeine Erinnerung an, nur der Wind, den konnte sie plötzlich spüren, er wisperte ihr etwas ins Ohr, und das Gras, das weich auf ihrer Haut kitzelte, sie konnte das Meer hören, energisch, rau, wild, sie schloss ihre Augen und lauschte in sich hinein, Stille, dann sammelten sich Buchstaben, wurden zu Worte, Sätze, sie konnte seine Stimme hören, angenehm und weich, lieblich, süß, es war fast als stünde nicht Nick vor ihr sondern Leon.

 

Linas Herz schlug schnell, und ihr Blut rauschte bereits in den Ohren, was zur Hölle ging in diesem Raum vor, dann plötzlich waren beide in der Dunkelheit des Zimmers verschwunden. „Das ist gemein!“, flüsterte Lina, fing Nicks offene Gedanken ein, er hatte sie bemerkt, aus mit gratis Kino.

 

Und dann war es angekommen, nach so langer Zeit erklang das verdammte Versprechen in ihren Gedanken, wurde immer lauter und schwoll an zu einem schrillen Schrei. „Ich habe ihm mein Ja- Wort gegeben!“, sie öffnete atemlos ihre Augen, sah zu Nick, der nur befriedigt nickte.

„Mein Ja-Wort!?“, flüsterte sie nochmals ungläubig. „Hätte ich das „JA“ nur laut aussprechen müssen damals, wäre dann der Bann gebrochen gewesen?“, Caros Worte hasteten durch den Raum, erschlugen die Zeit, aus ihrem Gesicht wich das Blut, sie schlug ihre Hände vor den Mund, setzte sich auf ihre Couch.

„Das hätte gereicht, doch Vince hatte dich so geschickt manipuliert, sie konnten dich doch nicht an Leon verlieren, dein edles Blut und deine tiefe Liebe, die du ihm geschenkt hast!“, Nick schnalzte mit der Zunge.

„Ein Ja-Wort?“, Worte platzten wie Blasen über ihren Köpfen.

Nick glitt vor Caro in die Knie, „ein Ja-Wort im Sinne der Nacht, eine ewige Verbindung, keine irdische Beziehung, etwas Besseres intensiveres!“, lächelte er, und schürzte seine Lippen.

„Oh, gut, ich bin sprachlos, gibt’s so was wie einen Zeugen, ich meine gab es so was?“, ihre Stimme war dünn geworden.

„Sicher, wir alle waren anwesend!“, Nick hob die Hand mit der Wunde an seine Wange, und schnupperte an ihrem Blut, küsste ihre Handfläche, zauberte den Ring aus seiner Tasche. „Wie wunderbar!“, bemerkte Caro mit glitzernden Augen, doch Nick steckte ihn wieder weg. „Die Zeit ist noch nicht reif dafür, erst mal brauchen wie Kenny wieder, und das in einem praktischem Hexenmeisterstück, dann werden wir die Fronten klären!“

„Alle, wau!“, schnappte sie wuschig, Nick leckte das Blut sanft von ihrer Haut, „Das macht mich fertig!“, erkannte sie.

„Mich auch!“, murrte er gierig, seine wunderbaren Augen leuchteten, „Mmhh, und was sagst du?“

Caro schlenderte in seinen Worten weiter, genoss Nicks Zunge, und seine Lippen auf ihrer heißen Haut, „Das fühlt sich so unendlich gut an!“, stöhnte sie benommen.

 

Lina hatte lange mit sich gehadert und war dann doch nach Hause gefahren, sie legte sich in ihr Bett fand allerdings keine Ruhe, sie stellte sich gerade Nick und Caro in den wildesten Formen und Stellungen vor, schnaubend erhob sie sich wieder, sah auf die Uhr, drei Uhr morgens, immer noch, wie schauderhaft, sie ergriff ihr Handy und wählte Luciens Nummer, doch dann stand Nick plötzlich in ihrem Zimmer, er war durch die angelehnte Balkontür gekommen, „Leg auf!“, summte er gutgelaunt.

Lina brummte mürrisch und legte das kleine Dingelchen weg, sah ihn nur sehr herausfordernd an.

„Du bist eifersüchtig!“, lächelte er, und setzte sich zu ihr, nahm sie in den Arm, drückte sie vorsichtig an sich, „Liebe Lina, glaub mir, es war nötig!“, seine Stimme schwebte durch den Raum.

„Nötig, was, echt, sah eher nach Vampirbefriedigung aus!“, sie schmollte wie ein kleines Kind, „du hast dich an meiner Mutter vergriffen, Nick!“, Lina beugte sich bissig vor, glitt aus seiner Umarmung.

„Ja, weil sie mich darum bat, Ehrenwort!“, grinste der große schattenhafte Mann.

In Linas wunderbaren Augen spiegelte sich blankes Entsetzen. „Sie hat dich gebeten von ihr zu trinken? Und Kenny?“

„Oh, Kenny der hat ein wenig herumgespielt an ihr, laienhaft, lächerlich!“, Nicks wunderschöne Gestalt war in der Dunkelheit verschwunden, „Sie war in keiner guten körperlichen Verfassung!“

„Aber die entscheidende Nacht…ich verstehe das nicht!“, erschöpft sank sie in sich zusammen.

„Lina du kannst ihre gemeinsame Zeit nicht wieder zurückbringen, sie ist schon lange vorbei, glaub mir!“

„Aber dann wird er nie wieder Hexenmeister!“, rief sie empört.

Nick kicherte rau, „Lina, Lina, meine kleine romantische Lina!“, wieder kamen seine Worte wie Schmetterlinge geflogen, sie erhob sich und trat in den Schatten, schmiegte sich an ihn, „Ach Nick, bitte nimm mich mit in deine Welt!“

„Das darf ich nicht, das weißt du!“, meinte er sachte, und suchte ihren Blick, der wieder einmal so traurig aussah.

 

Der Morgen danach, Caro erwachte zeitig im Morgengrauen, fühlte sich ausgesprochen gut, duschte sich, und stylte sich singend, wackelte mit ihrem Kopf zum Takt der Guten- Morgen- Musik, angenehmer Kaffeeduft schwang durch die Küche, sie sprang die Treppe hinunter, öffnete schwungvoll ein Sideboard, und ergriff ihre Tasse, goss sich das schwarze Gebräu hinein, trank es genüsslich.

Gegen halb sechs Uhr morgens verließ sie das Haus, fuhr an den Hafen, parkte dort auf den ausgewiesenen Parkplatz für das Scotland Yard.

 

Die Insel schien leergefegt zu sein, das Piratenfestival war zu Ende, und die Saison auch, Caro wanderte über den großen Vorplatz, betrat Ems Lokal, ein paar Einheimische saßen in der angenehmen wärme des Pubs.

Sie stellte ihre Tasche ab, und setzte sich auf einen Barhocker, niemand zu sehen weit und breit, ein unangenehmes Gefühl legte sich auf ihr Herz, war alles nur ein Schwindel gewesen, die Personen Schauspieler, alles Fake, doch dann öffnete sich die Küchentüre, Ira trug einen leckeren Kuchen vor sich her, den sie neben die anderen Leckereien auf die Theke schob. „Sehr schön, du Kuchen, du!“, schmachtete sie, und war wieder in die Küche verschwunden, ohne Caro bemerkt zu haben, doch dann kam es ganz anders, mit einem krachen sprang die Tür wieder auf, Em und Ira, schossen mit lautem Geschrei aus der Küche, umarmten Caro so heftig, dass sie fast vom Stuhl kippte.

„Wir sind ja so froh!“, riefen die beiden im Chor, die Gäste sahen verstohlen durch das Pub.

„Ich auch!“, schnaufte Caro, und Tränen liefen über ihr Gesicht, Ira gab eine Runde Papiertaschentücher aus, und als alle Wiedersehenstränen getrocknet waren reichte Em drei Gläser mit Whisky, „Mann Caro, du hast uns so gefehlt!“, schniefte sie, und schob sich ihr Kopftuch zurecht.

„Weiß Luc Bescheid!“, fragte Ira.

„Nein, niemand weiß, wo ich bin!“, erklärte Caro.

„Was, du bist einfach ohne Bescheid zu sagen gefahren, ups, sie werden sich Sorgen machen!“, sagte Ira, und schnitt den Kuchen an.

„Das ist mir schlicht und ergreifend egal!“, meinte Caro, und schwenkte ihr Glas hin und her. „Wie geht’s Tuck!“, fragte sie leise.

Em kniff die Lippen aufeinander, Ira trank ihr Glas leer, goss sich nach, Caro sah zwischen den beiden hin und her, ahnte schlimmes, „Nun sagt schon!“, forderte sie die beiden auf.

Wieder wichen sie Caros Frage aus, die sich entschlossen erhob, „Ist er im Laden?“, fragte sie mit pochendem Herzen.

Ira nickte, Caro lächelte und verschwand aus dem Pub, Regen peitschte ihr beißend ins Gesicht während sie durch die Gasse hinunterlief, unkontrolliert stürzte sie in seinen Laden, wischte sich den Regen aus dem Gesicht, und sah sich um, Tucker bediente gerade einen Kunden an der Theke, sie wanderte durch das Klamottenzeugs hindurch, und verharrte ein wenig abseits, beobachtet ihn, er sah blass und unrasiert aus, der Mann ließ sich ein Gewehr zeigen, und Tucker tat das allerdings ohne diesen Enthusiasmus den er sonst an den Tag legte wenn er seine Waren anbot.

Caro hatte ihre Schirmmütze tief ins Gesicht gezogen, und trat an die Ladentheke, „Ich bin gleich bei dir!“, murmelte Tucker leer.

„Kein Problem!“, sagte Caro laut, Tucker stutzte legte das Gewehr beiseite, der Kunde bedankte sich mit den Worten das er es Nachmittag abholen komme.

Caro nahm die Kappe vom Kopf, ihre roten Locken purzelten schwingend herab, Tucker schnaubte, sein Herz schlug wild, und er konnte sein Blut in den Ohren rauschen hören, „Caro!“, schnaufte er, „Du hier?“

„Warum hast du dich nicht von mir verabschiedet?“, fing Caro leise an, und das schlechte Gewissen breitet sich schlagartig aus.

„Warum wohl, du hast entschieden, schon vergessen!“, meinte er seicht.

Sie biss sich auf die Unterlippe, „Tucker…!“

Er wischte ihre Worte mit einer Handbewegung beiseite, „Spar dir deine Erklärungen, ich weiß doch was Sache ist, du hast mich belogen, was Kenny und dich angeht, du hast mich verletzt damit!“, fing er forsch an, setzte sich schwerfällig, legte seinen Arm in den Schoß, Schmerzen wanderten durch seine Schulter.

„Gut, ich kann das Geschehene nicht wieder gut machen, und ich wollte dir nur…ich habe mit Kenny geschlafen, aber es ist anders als du denkst…Tucker, entschuldige, bitte...!“, Caro kam sich vor wie der größte Verbrecher, den es auf dieser verdammten Welt gab, wirbelte ihren Haarschopf wieder hinauf, und stülpte ihre Kappe darüber, „Na dann geh ich mal wieder!“, flüsterte sie, er nickte, Caro drehte sich um war auf dem Weg nach draußen.

„Caro, halt warte, bist du extra hierhergefahren, um mir das zu sagen?!“, sie sah ihn irritiert an nickte, „Den Weg hättest du dir sparen können!“

Das waren wohl die mächtigsten Worte seit langem, sie nickte wortlos, kam sich schäbig vor, aber sie war selbst schuld, „Ich kann dich gut verstehen!“, knautschte sie, und ergriff den Türknauf der Ladentür.

„Bist du dir sicher, dass du meine Lage verstehst!“, seine Stimme klang leise, Caro atmete tief durch. „Wenn ich an deiner Stelle wäre, dann würde ich dich nie wieder sehen wollen!“

Tucker erschien hinter der Vitrine mit den Besonderheiten, sah sie lange an, „Tut mir trotzdem leid, dass es so kam!“, meinte sie nervös, wich seinem Blick aus, trat wieder in den Regen hinaus, wanderte über die Promenade in das Pub, dort wartete schon Em auf sie.

„Und?“, sie platzte schier vor Neugierde, doch Caros Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes, sie setzte sich zu Em, legte ihre Kappe neben sich auf die Theke, „Ich, wenn an seiner Stelle wäre, würde auch kein Wort mehr mit mir reden!“

„Was hast du dir denn erhofft, dass er dich mit sehnsüchtigen Herzen empfängt, und alles ist vergessen, Caro, du hast ihn verletzt, ignoriert und er glaubt das du ihn nur benutzt hast, das reicht wohl!“, erzählte Em leise, schnitt nebenher ein großes Stück Kuchen ab, und stürzte es auf einen Teller, reichte es Caro, die es dankend annahm.

„Ja, ich habe es kapiert!“, murrte sie grummelig, stopfte sich einen Bissen Kuchen in den Mund, und kaute darauf herum, sie war ja auch nicht zurückgekommen, um Tucker wieder für sich zu gewinnen, sie wollte eine Gefühlsbestätigung, rote Lampen, Sirene.

 

Die Regenwolken hingen so tief, dass es den ganzen Tag über nicht richtig hell geworden war, frustriert wanderte Caro nach diesem leckeren Stück Kuchen an den Strand, das Meer war wild und unberechenbar, tosend brach es sich am Ufer, sie kam an die Höhle, in der sich das ganze Szenario abgespielt hatte, langsam betrat sie die wunderbare Schmugglerhöhle, nichts war mehr übriggeblieben das Meer hatte die Blutlachen mit sich genommen, alles war wie immer, ihr nächster Weg führte sie zu Luc.

Sie hatte sich gegen zehn Uhr auf die gemütliche Couch in Lucs Wohnzimmer gelegt, das Feuer im Kamin prasselte laut und bald war sie eingeschlafen.

Nach einer guten Stunde wurde sie von ihrem Handy geweckt, sie erhob sich träge, und meldete sich mit einem kurzen „Hallo Kenny, was gibt’s?“

„Wo bist du?“, seine Frage kam vorsichtig.

„Auf der Insel, ich hatte das Gefühl, hier noch etwas erledigen zu müssen!“, meinte sie gähnend, beobachtete das Feuer im Kamin.

„Und was genau hattest du noch vor zu erledigen?“, seine Stimme hatte einen sehr seltsamen Ton angenommen, Caro verzog ihren Mund.

„Mich bei Tucker entschuldigen!“, brummelte sie ungehalten.

„Und hat es funktioniert?“, wollte Kenny wissen.

Caro schüttelte heftig ihren Kopf, „Nein es hat nicht funktioniert, geht’s dir jetzt besser?!“, rief sie in das kleine schmale Dingelchen.

Kenny schnaubte, „Nein, tut es nicht, bitte komm wieder nach Hause!“, forderte er sie sanft auf.

„Aber, irgendwie muss ich ihm die Sachlage doch erklären!“, meinte sie ein wenig gestrandet.

„Bist du dir sicher, dass er deine Erklärungen auch hören möchte?“

„Nein will er nicht, ich habe es schon versucht, er war sehr abweisend, was ich auch verstehen kann, aber trotzdem wollte ich einiges klären, Kenny!“

„Na gut, wie du meinst!“, er wirkte enttäuscht, Lina rührte wild in ihrem Kaffee herum, und lauschte unzufrieden Kennys Gespräch mit Caro, und an allem war nur Nick schuld, und Kenny, und das Universum sicher auch, sie schob sich den Löffel in den Mund, und zog eine Grimasse, Kenny musste, trotz seiner geminderten Laune, lachen. „Kommst du freiwillig wieder?“

Caro gähnte erneut herzhaft, wanderte an das Fenster, sah nach draußen, „Wie ist denn das Wetter bei euch?“

„Schön, ein wenig sonnig sogar!“, erzählte er, erhob sich und ging an das Fenster, der Regen peitschte an die Scheibe, und lief in Bahnen herunter.

Lina schüttelte ihren Kopf, Kenny war hinter sie getreten, und sein Gesicht erschien neben ihrer linken Wange, sie hielt ihren Atem an, „Sehr sonnig, wenn ich es mir recht überlege!“

Caro am anderen Ende, schnitt eine Grimasse. „Ich habe noch was zu erledigen!“, entschied sie sich mürrisch.

Kennys Worte an Caro, kitzelten in Linas Ohr, sie kicherte, dann drückte er ihr einen sanften Kuss auf das Ohrläppchen.

„Soll ich dich abholen?“, fragte er erheitert.

Caro schien zu überlegen, „Nein!“, Nicks Worte spukten wieder durch ihren Kopf, sie hob die Hand an der Kennys Ring steckte, wackelte mit dem Finger.

„Bis dann!“, sagte er, und wollt das Gespräch beenden.

„Halt warte, ich muss dir noch was erzählen!“, wieder streifte sie das schlechte Gewissen, so viel Wahrheit auf einen Haufen, das war schlicht und ergreifend, out, „Nick war letzte Nacht bei mir!“, fing sie vorsichtig an, Kenny erhob sich schlagartig, Lina sah um, genau das wollte sie eigentlich mit Kenny besprechen, nun hatte Caro damit angefangen, Lina sprang vom Stuhl, entriss Kenny das Handy und prustete in das Gerät, erzeugte einen knirschenden Ton, und tat so, als wäre die Verbindung überaus schlecht, legte auf, er hatte seine Hände vor seinem Körper verschränkt und sah sie fragend an.

„Ja deswegen bin ich hier, weißt du, es hat da einen klitzekleinen Zwischenfall gegeben, letzte Nacht!“, fing sie vorsichtig an zu erzählen.

„Ich höre!“, meinte Kenny angefressen, konnte sich fast schon denken um was es gehen würde, es wurde sichtlich Zeit zu handeln.

„War echt saublöd, Nick hat das getan, was du nicht zu tun vermochtest, was aber so wichtig gewesen wäre!“, meinte Lina mit dünner Stimme, und sank wieder auf den Stuhl, ergriff den Löffel und spielte damit herum.

„Nick hat sie gebissen, und ihr Blut getrunken?!“, Kennys Gesicht verlor sich fast, er konnte seine Wut spüren, ein gutes Gefühl.

Lina nickte seicht, „Er hat ihr deinen Ring vom Finger gezogen und damit hatte er freie Bahn, und ich konnte nicht mal eingreifen, das darf ich nämlich nicht weil ich ja nur ein Halbblut bin!“, knirschte sie, und zog eine Schnute, verbarg ihr Gesicht vor ihm, Kenny trat wieder zu ihr, zog sie hoch und nahm ihre Hände in die seinen, „Schon gut, ich bin selber schuld, in jener Nacht, ich wollte nur in ihrer Nähe sein, sie spüren, deshalb habe ich nicht das getan, was ihr von mir erwartet hattet, ein bisschen herumgespielt um den Schein zu wahren, nicht mehr, ich gebe zu, dass es ein Fehler war, aber irgendwie empfand ich diese Nacht nicht als den richtigen Zeitpunkt!“

Lina schnaubte, „Wie lange willst du denn noch warten, Kenny, alles geht drunter und drüber!“

„Ich habe Hunger, komm lass uns was essen gehen!“, Kenny trat in den Flur und schlüpfte in seinen Mantel, Lina kam mit hängendem Kopf dazu, ergriff ihre Jacke.

„Nick sagte, dass ihr euch gar nicht mehr liebt, eure Zeit längst vorbei ist, stimmt das?“

Kenny öffnete seine Haustüre und wand sich an seine Tochter, schmunzelte, „So sagt das Nick, na dann wird er wohl recht haben damit!“

„Jetzt sag schon, ehrlich, ohne Scheiß!“, Lina war an ihm vorbei gegangen, und wartete an der Treppe.

„Pizza, Pasta, Chinamann, indisch?“, lächelte er, und ging nach unten.

„Kenny, ich habe dich etwas gefragt!“, rief sie ihm die Stufen hinunterhopsend nach.

„Pasta!“, sagte die Stimme aus dem Erdgeschoss, Lina hielt inne, Mac war erschienen, Kenny umarmte seinen älteren Bruder herzlich.

„Ihr kommt mit, wie schön!“, empfand Lina und entdeckte ihren Bruder, der hinter Mac auf den Flur trat und seine Schwester zärtlich auf die Stirn küsste.

 

In Ems Pub war heute ein Liedernachmittag angesagt, und siehe da, einige der letzten Touristen des Festivals betraten gegen 14 Uhr das Lokal, Ira hatte gezaubert, und Em gedacht, die beiden ergänzten sich wirklich sehr gut, dann betraten Luc und Caro die Szene, es war fast so wie vor einiger Zeit, Ira winkte Caro zu sich in die Küche.

„Wie geht es Kenny?“, fragte sie leise, und rührte in einem Topf mit flüssiger Schokolade herum.

„Danke, es geht ihm gut, irgendwie gut eben!“, erzählte Caro angespannt, sah Ira beim Rühren zu.

„Ich bin froh, dass es so glimpflich zu Ende gegangen ist, schade nur das Mark sterben musste, das hat er nicht verdient!“, Ira war wie immer angenehm ruhig, ihre Inselgrünen Augen strahlten zufrieden, Caro schmunzelte. „Gehst du zurück?“

Ira ließ den Schneebesen sinken, schüttelte ihren Kopf, „das ist genau das, was ich wollte, meine Ruhe, das Scotland Yard hat mir eine sehr gute Abfindung gezahlt, und mit der habe ich mich hier eingekauft, keine Verbrecher mehr ausspionieren, nie wieder Kenny als Chef wie schön, was allerdings nicht heißt, dass ich meinen Job nicht mochte, oder Kenny, aber so ist es einfach besser, du solltest das auch machen!“, freute Ira sich, und goss die Schokolade auf ein Blech, strich sie glatt.

„Vielleicht hast du recht, aber was passiert dann mit der Nacht?“, Caro tunkte ihren Finger in die Schokolade und leckte ihn genüsslich ab.

„Die Nacht, ja, sie kommt auch ohne dich zu Recht, du solltest einfach nein sagen und dich treiben lassen!“

„Und Kenny, ohne Titel, wie soll das weitergehen?“, blubberte Caro, und rieb sich ihr Gesicht.

„Mann o Mann, es gibt auch noch was anderes als nur diese unsagbare dunkle beklemmende Nacht, mit ihren Geschöpfen, zu denen du gehörst, versuch doch erst mal dein Leben in die richtige Bahn zu lenken, und dann zu helfen, wirst sehen das ist einfacher!“, Ira goss zwei Tassen mit Kakao voll. „Hier, trink, Schokolade macht zufrieden!“

 

 

Em stürmte die Küche, „Ich kann es nicht glauben, gerade kam eine Reisegesellschaft, und ich bin allein!“, rief sie außer Atem, sah wild wedelnd zu Caro, die ihre Tasse abstellte, „Was zahlst du denn so?“

Em blieben die Worte im Halse stecken, stattdessen kam ein gurgelndes Blubbern heraus, „Heißt das, dass du mir helfen wirst?“

Caro runzelte ihre Stirn, und nickte bejaend, verschwand im Pub, und stellte sich hinter die Theke, fing an die Gäste zu bedienen.

„Was hat sie?“, wollte Em ratlos wissen.

„Sie hat soeben gemerkt, was sie verloren hat!“, grinste Ira schelmisch, und machte ein Gesicht wie Michel aus Lönneberga, der sich gerade einen gut gelungenen Streich auf der Zunge zergehen ließ.

 

Der Nachmittag lief sensationell, bis Tucker die Lokation betrat, er steuerte direkt auf die Theke zu, setzte sich auf einen der Barhocker, Em servierte ihm einen Cappuccino.

„Alles klar?“, fragte sie leise.

Er sah um, und verzog seinen schönen Mund, „Kommt ganz darauf an, aber bei dir tobt der Bär, das freut mich!“

„Mich auch, was glaubst du, wird die Insel endlich erwachen, das wäre doch wunderbar!“, rief Em, war rundherum zufrieden mit dem Geschäft.

„Wer weiß!“, meinte er knapp, trank einen Schluck aus seiner Tasse, dann kreuzten sich die Blicke der beiden, Caro versank im Boden.

„Geh schon!“, wisperte Em und stupste ihre Freundin dezent an den Oberarm.

„Später!“, sie hatte das erste Mal richtig Skrupel, doch dann traf sie Ems gespreizter Blick.

Mit weichen Knien gesellte sie sich zu Tuck, „Kann ich dich etwas fragen?“

Er drehte seinen Kopf, nickte, „Sicher!“

„Die Sig-Sauer, kannst du mir sagen, wo sie geblieben ist?“, ihre Frage kam leise, wurde vom Hintergrundlärm verschluckt.

„Ich habe sie!“, bemerkte er sanft, seine honigkaramellfarbenen Augen leuchteten, „Ich gebe sie dir!“

„Danke!“, wieder fehlten ihr die richtigen Worte, „Wie, ich meine…!“,

Tucker stellte seine leere Tasse auf die Theke, „Ich habe sie im Tunnel gefunden, du hast sie dort unten im Eifer des Gefechts liegen lassen, trinkst du einen Whisky mit mir?“

Caro schüttelte ihren Kopf, kam wenig später mit zwei Gläsern Iras Gewürzglühwein wieder, reichte Tucker eines der beiden hohen verzierten Gläser mit Metallhenkel.

„War es schön?“, fragte Tucker trocken, schlug ein wie ein Blitz aus heiterem Himmel, sie sah ihn nur verständnislos an, „War es anders als mit uns, ich meine das Gefühl!“, seine Frage kam sehr knapp.

„Anders, ja, sicher…!“, ein Gast unterbrach die tiefschürfende Diskussion, Tucker schnaubte missbilligend, Caro verschwand, kam aber gleich darauf wieder zurück.

„Seid ihr wieder zusammen?“, fragte er, ohne auf Caros restliche Antwort zu warten.

Caro grunzte, „Was glaubst du denn?“, er nickte nur bejahend.

„Falsch gedacht, hier geht es nicht um, wie verletzte ich einen Freund, in dem ich mit einem alten Freund schlafe, Tucker, hier geht es um eine Zukunft, die du nie verstehen wirst!“

Tucker nahm das Glas mit Iras Glühwein zur Hand, und nippte an dem heißen wohlriechenden Glücksgewürzgebräu, „So, welchen Teil von, du hast mich betrogen, und verletzt mit deiner Art, hast du nicht verstanden?“, seine Worte kamen schnell und hart.

„Ich habe dich schon verstanden!“, grummelte sie sauer, und ließ ihren Blick schweifen, er schien angebissen zu haben.

„Du solltest umschulen, als Märchenerzähler wärst du absolute Spitzenklasse!“, ärgerte Tucker, Caro.

„Wusste ich es doch, du nimmst mich nicht ernst, war ja klar, du bist einfach zu normal für diese Welt, des Scheins und Seins!“, rief sie, und hatte sich erhoben, schlug mit der Faust auf die Theke, was wenig auffiel, da die Musik wieder eingesetzt hatte.

„Würde dir ein Zacken aus der Krone fallen, wenn du es mir erklären müsstest?“, schlängelte er sich durch die Wahrheit, die er doch schon sehr lange kannte.

Überrascht setzte sie sich wieder, „Erklären, ab wann?“

„Ab diesem Zeitpunkt!“, sagte er, und beugte sich zu ihr hinüber, „Ab dem, an dem, ich mich anscheinend deiner Meinung nach, nicht mehr in deiner Nähe hätte befinden dürfen!“, flüsterte sein Mund, und berührte ihre Wange, er musste seine Felle ins trockenen bringen, und zwar augenblicklich.

Caro sah zu ihm, doch dann landeten seine Lippen auf ihren, und er küsste sie, konnte dadurch ihre Gedanken lesen, Nicks heroische Geste, Worte, Taten, Gefühle, einfach alles, seine Finger legten sich an ihren Hals, erfassten die Halsschlagader, fühlte ihren Puls der schnell schlug.

Em hatte ihren Körper auf die gegenüberliegende Seite der Theke geparkt, und sah von einem zum anderen, schürzte ihre Lippen, und rückte sich ihr Kopftuch zurecht, „Hallo, Entschuldigung!“, rief sie leise, doch die beiden reagierten nicht, „Tucker, Caro!“, ihre Stimme hatte sich erhoben, Tucker hob seine Hand und winkte ab, Em legte ihre Stirn in Runzeln, „Das Lokal ist voll, und die küssen sich, habe ich was verpasst?“, überlegte Em, als sie wieder zu ihren Gästen verschwand.

Zögerlich ließ er dann von ihr ab, Caro atmete einmal tief durch, und sah ihn nur Worte suchend an, doch anstatt Worte flog eine Hand in sein Gesicht, Caro erhob sich und verschwand in die Küche, aufgewühlt und mit rotglühenden Wangen erschien sie neben Ira, die sich gerade ein Stückchen Praline in den Mund schob.

Tucker grinste, und sah sich dennoch verstohlen um, schien niemanden so wirklich aufgefallen zu sein, die Aktion.

„Caro, wie siehst du aus, alles klar mit deinem Blutdruck?“, grinste Ira, die schon von Tuckers Vorstoß gehört hatte.

„Er hat mich geküsst, einfach so!“, prustete Caro, und lief an den Spiegel, der über dem Waschbecken hing, sah hinein, „Wie sehe ich aus, rot wie eine Himbeere, oh Gott, oh Gott!“

„Jetzt hör schon auf, was spinnst du hier rum, was habe ich dir vorher erklärt, denk mal darüber nach!“, meinte Ira sachte.

Em erschien aufgewühlt hektisch in der Küche, ihr Kopftuch saß schief, „Hilfe, bitte, rettet mich!“, prustet sie erschöpft, Caro ergriff ihren zitternden Körper und verschwand mit Em ins Lokal, dort tobte wirklich der Bär, sie ließ schüchtern ihren Blick wandern, und traf erneut Tuckers Blick, der ihr nur zunickte, und aus dem Lokal verschwand.

 

Kenny, Mac, Robin und Lina hatten sich für Pasta entschieden, und waren zu Roberto gefahren, dort verspeisten sie gerade Antipasti als Macs Handy bimmelte, er entschuldigte sich kurz, verließ den Tisch.

„Lina hat mir erzählt, dass dich mein Bruder abgeworben hat, mit was hat er dich gelockt, mit den Frauen oder dem vielen Geld, das er verdient dadurch!“, fing Kenny ein Gespräch an.

Robin lächelte, und es war definitiv Macs Lächeln, irritiert sah Kenny sein Gegenüber lange an, „Beides!“, grinste Robin verzückt.

„Beides!“, äffte Lina nach, „Wenn das Dad wüsste, dann würde er dir sauber den Kopf waschen!“

„Er weiß es doch!“, schnurrte Robin, dann setzte sich Mac wieder an den Tisch, und sah von einem zum anderen, „Und wie fühlst du dich?“

„Geht, ich lebe!“, fing Kenny an, Lina ergriff Kennys linke Hand unter dem Tisch, und drückte sie sanft, sein Blick glitt zu ihr, was Mac nicht entging, Robin sog die Luft tief ein, und stieß mit seinem Fuß gegen Linas Schienbein, die mit schmerverzerrtem Gesicht Kennys Hand losließ, „He, was soll das?“, zischte sie.

Mac sah von Bruder zu Schwester, „Na ihr beiden, hört auf damit!“, wies er seine Kinder zurecht.

Kenny verstand nur noch Bahnhof, Robin kicherte kindisch und Lina zog eine Schnute, „Und hast du schon einen echt geilen Auftrag hinter dir?“, wollte sie wissen, und kaute auf einem Stück Brot herum.

„Er ist ein Naturtalent!“, nahm ihm Mac das Wort aus dem Mund, und sah zu Lina die verstohlen zur Seite sah.

Robin lehnte sich zurück, „Das muss wohl in den Genen liegen!“

„Blödmann!“, murrte Lina, und zog die Unterlippe in den Mund.

 

Das Wetter wehte immer mehr Kundschaft in Ems Lokal, und die drei Damen hatten eine Menge Spaß und unheimlich viel Arbeit, wäre Luc nicht ab und an eingesprungen, wer weiß, die Kuchen waren alle bis auf den letzten Krümel verkauft, und Iras Glühwein leer getrunken.

Die Nacht brach gegen 16.30 Uhr herein, Ira stellte erschöpft alle Kuchenbleche in die Küche, und setzte sich daneben, Caro stolperte herein, schob ein Tablett mit Tassen auf die Anrichte.

„Ich bin ein wenig, sagen wir irritiert!“, murmelte diese grinsend.

„Ich bin erledigt, und das war nur der Anfang, jetzt wollen die auch noch essen!“

Tu mir einen Gefallen, und sag Em, dass ich in einer Stunde wieder hier bin!“, rief Caro, und ergriff ihre Jacke, schlüpfte hinein und verschwand in einer sehr schlecht gelaunten Nacht.

 

Caro kämpfte sich durch den Regen, und wurde in Tuckers Laden gespült, „Tucker!“, rief sie vorsichtshalber gleich in der Tür, um unangenehme Überraschungen vorzubeugen.

„Hallo Caro!“, seine Stimme kam aus Richtung Theke, er hatte die kleine Schatulle auf das beleuchtete Glas gestellt, Caro nahm ihre Kappe ab, und zog den Reißverschluss ihrer Jacke auf, sie öffnete die Schatulle und betrachtete die Waffe, „Du hast sie gereinigt?!?

„Sicher, so ein Schmuckstück lässt man nicht vergammeln!“, meinte er sanft, schob sie ihr zu.

„Wann wirst du die Insel verlassen, und wieder in dein Luxusleben zurückkehren?“

„Wenn ich Lust dazu habe, warum?“, mit diesen Worten klappte sie die den Deckel wieder zu, sah ihn dankend an.

„Und Kenny?“, forschte er, seine honigkaramellgelben Augen wirkten dunkel und fade.

„Der kann gut auf sich selbst aufpassen, denke ich!“, überlegte Caro grinsend.

„Ah ja!“, brummelte er mürrisch, seine Gestalt hatte sich kaum einen Zentimeter bewegt, das Surren einer Neonröhre übertönte die tiefe gedankliche Stille.

„Ich muss dann wieder, Em wartet!“, Caro zog ihren Reißverschluss hoch, und setzte ihre Kappe wieder auf, klemmte sich die Schatulle unter den Arm, nickte und wollte gehen, doch Tucker hielt sie zurück, schüttelte dann doch seinen Kopf und wich zurück.

Caro verschwand in der Dunkelheit, schlenderte wieder durch die Gasse, und kam auf den Vorplatz.

Egal vor was du davonläufst, dein Leben trägst du immer mit dir herum, sie schüttelte sich herzhaft, und ergriff die Klinke der Tür des Lokals, trat schwungvoll ein, eine warme Welle schwappte ihr entgegen, sie ging um die Theke in die Küche, dort brutzelte Ira schon das Abendessen, „Und, wie war’s bei Tucker?“

Caro sah sie scharf an, „Woher weißt du schon wieder, wo ich war!“

„Ich dachte es mir!“, grinste sie, und wendete ein Fischfilet, „Willst du ihm nochmal das Herz brechen?“

Caro lehnte beschämt an der Anrichte, „Irgendwie wollte ich Klarheit, in Sachen Gefühle, es hat sich einiges ereignet zu Hause, und jetzt bin hier, um nachzudenken, einiges zu ordnen, oder weiterhin verwirrt bleiben, was weiß ich!“

Ira schob das gebackene Filet auf einen Teller, klingelte und gleich darauf erschien Em und nahm es mit, dann ergriff Ira eine Tasse trat damit vor einen großen Topf, rührte einmal um und schöpfte eine dunkelbraune Flüssigkeit in die Tasse, goss eine weiße Flüssigkeit hinein, und reichte Caro die Tasse, die mit geschlossenen Augen daran nippte, „Was hast du denn in dieser schmucken Schatulle?“, wollte sie neugierig wissen.

Caro schob ihr die Schatulle über die Anrichte und trank weiter, Ira kippte den verzierten Haken um, und öffnete das Kleinod, die Sig-Sauer blinkte ihr edel entgegen.

„Die ist wunderschön!“, hauchte Ira.

„Die Waffe hat einem guten Freund gehört!“, flüsterte Caro, und genoss Iras heiße Schokolade mit Sahnehaube.

„Und dein guter Freund dachte sich, die lass ich mal bei Tucker am Ende der Welt liegen, damit Caro sie findet!“, grinste Ira verschwörerisch, nahm eine Prise Salz, und wedelte damit über ihr Essen, Schwarzwurzeln gurgelten in einem Topf ruhig vor sich hin, um irgendwann die Konsistenz einer Suppe anzunehmen.

„Ja, so in etwa, aber ein wenig geheimnisvoll ist das schon, sie wurde wirklich einfach abgegeben, bei Tucker!“, bemerkte Caro nachdenkend.

„Tucker ist eben der Beste in seinem Fach, das spricht sich einfach herum, oder sagen wir war, der Beste, mit seinem Arm wird er wohl seine Touren an den Nagel hängen müssen, oder er sucht sich einen Mitarbeiter!“, sinnierte Ira, sah dabei Caro von der Seite an.

„Es tut mir leid, dass alles so gekommen ist!“, Caro hatte die Sig-Sauer aus der Schatulle genommen, und musterte Leons Waffe genau.

„Wer weiß, für was, dass alles gut war?“, Ira grinste verschlagen.

 

Das Essen war ein Gedicht, und die Stimmung optimal, nur Robin schien teilweise ein wenig abwesend, er beobachtete Kenny und Lina manchmal mit Argwohn, die beiden verstanden sich ausgezeichnet, nicht so wie er es eigentlich von zu Hause gewöhnt war, keine bösen Worte, Flüche, oder eisiges Schweigen.

„Wirst du wieder in deinen alten Beruf zurückkehren?“, fragte Robin plötzlich in die Runde, und sah dabei Kenny herausfordernd an.

„Kommt ganz darauf an!“, sagte dieser knapp.

„So auf was?!“, bohrte Robin weiter, seine Augen verengten sich zu Schlitzen.

„Wie sich die Auftragslage gestaltet!“, bemerkte Kenny vorsichtig.

„Was interessiert dich denn das?“, wisperte Lina linkisch.

„Nur so, ist den die Berufssparte Ghostbusters nicht eigentlich ausgestorben?“, ärgerte er sie.

„Robin du Ignorant!“, murrte Lina bissig, knüllte ihre Serviette zu einer Kugel zusammen und warf sie ihrem Bruder zu, der sie elegant auffing.

„Realistisch!“, brummelte er angewidert.

„Lina hat mir von den Problemen mit Caro erzählt!“, Kennys Frage ließ Robins Laune nur noch mehr sinken.

„Es ist mir ein Rätsel, wie du, mit dieser störrischen, motzigen, unqualifizierten Person zusammenarbeiten konntest!“, stach Robin.

Lina plusterte sich augenblicklich auf, „Was soll das Robin, wenn dir unsere Gesellschaft nicht passt, dann geh einfach, aber stichle hier nicht herum wie ein pubertierender Teeny!“, ihre Augen blitzten drohend, und Kenny konnte ihr anderes Ich wie eine pulsierende Masse aus Glibberglitsch spüren, er legte seine Hand auf ihre Hand, die sich unter dem Tisch zu einer Faust geballt hatte, und wieder bitzelte es zwischen den beiden, Mac atmete einmal tief durch, und versuchte sich der Gefühlswelt seiner Familie zu entziehen.

Robin erhob sich gehaltvoll, und verließ den Tisch, Lina sprang im selben Moment auf, grunzte ein Entschuldigung und folgte ihrem Bruder.

 

Mac schmunzelte, und sah dann zu seinem Bruder, „Sehr impulsiv die beiden!“

Kenny lachte, „Nicht nur das!“

Mac runzelte seine Stirn, „Schlag dir, dass aus dem Kopf, Kenny, sie ist nicht für dich gedacht!“

„So? nenn mir einen Grund, warum das so wäre!“, lächelte er verhalten.

„Caro?“, meinte er reserviert, und Eifersucht durchflutete seine Gedankengänge.

„Lina wäre eine Sünde wert!“, Kennys Blick lief durch das Restaurant, und wieder zurück zu seinem Bruder, dann fing er an zu kichern, „Spar dir deine Worte Mac, das war ein Scherz, ich fühle mich in ihrer Nähe sehr wohl, es ist so, als würden wir uns schon ewig kennen, und ich schätze sie sehr als Menschen, nichts anderes und nicht mehr!“

Mac schien überrascht zu sein, „Du faszinierst mich!“

Kenny schüttelte seinen Kopf, „Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll, aber ich begehre sie nicht, obwohl sie super aussieht!“

„Das Mensch sein, tut dir nicht gut, du warst kein Kostverächter, oder hast du das Vergessen?“

Kenny gluckste, nickte, „Im wahrsten Sinne des Wortes!“

Mac schnaubte, „Du kannst dich wirklich nicht mehr erinnern? Hast du vor dir diesen Zustand ewig ans Bein zu binden, oder wirst du irgendetwas dagegen tun?“

„Wird die Themse morgen ausgetrocknet sein? Nein, ich kann nichts dagegen tun!“, ärgerte sich Kenny mutlos.

„Früher gab es den Umstand des hilflos sein in deinem Wortschatz nicht!“, erzählte Mac ruhig.

„Vince ist der Schlüssel, angeblich!“, Kenny spielte nervös mit seiner Serviette herum.

„So, so und du glaubst das auch noch, wer hat dir denn diese Geschichte wieder erzählt?“, schmunzelte Mac.

„Ich mir selbst, es muss so sein!“, schnappte Kenny genervt.

„Vince ist tot, vielleicht liegt es ja an dir?“, Macs Stimme hatte sich erhoben, dann beugte er sich verschwörerisch über den Tisch, sein kleiner Bruder hatte angebissen.

„Aber ich bin mir sicher, dass er etwas damit zu tun hat!“, Kenny hatte sich auch vorgebeugt, und zog eine Schnute.

Macs grün-braune Augen funkelten plötzlich, „So, und du glaubst ihm die Geschichte von den Einhörnern und Zwergen?!“, versuchte Mac seinem Bruder schonend zu erklären.

Kenny rümpfte seine Nase, „Vince hätte angeblich Caros Liebe mit sich genommen, deshalb funktioniert das mit meinem Titel nicht mehr!“, presste er hervor und starrte in den Tisch.

Mac grunzte aufgebracht, „Ich glaub es nicht, so was wäre dir früher nicht passiert, du hast überhaupt kein Gefühl mehr für Lüge oder Wahrheit, aber der war wirklich gut, Ned ist äußerst kreativ!“

„Fuck, ich bin mit meinem Latein am Ende angekommen, ich bin umgeben von Lügen und Intrigen!“

„Na dann hat sich nichts geändert, so gesehen, außer dass du diesmal der gelackmeierte bist, und sie dir andauernd das Wasser abgraben!“, lächelte Mac vielsagend, und winkte dem Kellner.

„Zwei Grappa, Lorenzo, bitte, aber nicht den Fusel, den ihr sonst so ausschenkt!“, delegierte Mac elegant.

„Kein Problem Mr Baker!“, lächelte der Kellner, und verschwand blitzschnell, Kenny sah seinen Bruder lange an, „Hat Caro eventuell den falschen in der Höhle erschossen?“

Macs sauber manikürten Hände erschienen auf dem Tischtuch, einige Ringe zierten seine langen Finger, dann klopfte er auf den Tisch, „Mark, hm!“

Aus Kennys Hals kam ein tiefes Grollen, „Kurz bevor Mark starb, wollte er Caro noch was sagen!“

Macs Gesichtsausruck veränderte sich wieder, die gerunzelte Stirn verschwand, und er nickte zufrieden, wie ein Kind, das gerade sein Lieblingseis verspachtelt hatte, „Ich hoffe für dich, dass du schon eine neue Stellenanzeige herausgegeben hast!“

„Ich verstehe dich nicht, wie meinst du, dass, suche Wolf für gemeinsame Nächte zu zweit?“, lästerte Kenny sauer.

„Locker bleiben Kenny, auch wenn Mark als Versuchsobjekt missbraucht wurde, steckte noch ganz was anderes in ihm!“, nun war Mac auf den Punkt gekommen, Kenny verschlug es die Sprache, er öffnete einige Male seinen Mund und schloss ihn dann einfach gestrandet wieder.

„Kenny du hast doch nicht allen Ernstes geglaubt Mark wäre dein Gegenstück!“, bemerkte Mac, wirkte etwas entsetzt.

„Nein, er stand schließlich ganz oben auf der Liste?“, blubberte Kenny.

„Gut!“, gurgelte Mac.

„Caro hat Mark mit Leons Waffe erschossen, und die kam wiederum von Seth Masters, Echt oder Fake?!“, Kenny biss sich auf seine Unterlippe.

Mac klopfte vorsichtig auf seine rechte Brustseite, darunter befand sich sein Schmuckstück. „Einer der besten Waffenhändler!“, bemerkte er.

„Du kennst ihn?!“, Kenny wirkte irritiert, der Kellner kam an den Tisch, und servierte gekonnt die zwei Grappa, Mac nahm nickend einen zur Hand und prostete ihm zu, „Auf meinen kleinen Bruder!“

Kenny grummelte etwas, das sich wie Blödmann anhörte, und trank das Glas auf einen Zug leer.

„Ja, sicher, bei ihm kannst du das Feinste und Beste kaufen, das auf dem Markt erhältlich ist!“, erklärte Mac, „Was dachtest du denn wer er ist?“, Macs Stimme hatte sich gesenkt.

Kenny verzog seinen Mund, „Ich dachte er sei das Monster in meinem Spiel!“

Mac brummte grummelig, „Nicht dein Ernst, oder?!“

 

Lina hatte Robin auf der Promenade eingefangen und ihn wütend zur Rede gestellt, dieser betrachtete das hell erleuchtete Parlament, ohne auf ihre Worte zu achten, „He, du hörst mir überhaupt nicht zu!“, keifte sie wild.

„Ich liebe dich große Schwester!“, lächelte er, und nahm sie in den Arm, „Es ist schön, dass du dich mit Kenny so gut verstehst du hast es verdient!“

Lina verstand die Welt nicht mehr, und schüttelte ihren Bruder zickig ab, „Spinnst du oder was, erst nervst du am Tisch, und dann erzählst du mir so eine Geschichte!“

„Na immerhin bist du mir gefolgt oder, dann hat die Geschichte seinen Zweck erfüllt!“, erklärte Robin genießerisch.

„Das war alles nur eine…poh, warum!“, Lina boxte ihrem Bruder in die Seite.

„Mac musste mit Kenny unter vier Augen sprechen, wichtig, du weißt ja, wie das immer war, huhu!“, neckte Robin Lina, und hob dabei seine Hände und zeichnete Schnörkel in die kalte Nachtluft.

„Das ist ja so was von gemein, um was geht es, komm sag schon!“, sie rückte näher und legte ihre Wange an seine, flüsterte ihm die Worte in sein Ohr, er kicherte.

„Das weiß ich nicht, ehrlich, aber kannst du es dir denn nicht denken?“, Robin spürte seine Schwester gerne, sie legte ihren Kopf an seine Schulter, gemeinsam sahen sie sich das Parlament an.

„Macht dir denn der Killer Job wirklich Spaß, oder machst du das nur wegen Mac?!“, wollte sie plötzlich wissen.

Robin überlegte lange, bevor er etwas sagte, „Ich bin Polizist geworden wegen Dad, ich fand das irgendwann mal echt cool, und ich habe ihn sehr bewundert dafür, das weißt du, er war, oder ist so was wie ein Vorbild für mich, immer schon gewesen, aber jetzt hat sich das Blatt irgendwie gewendet, mit Mac verbindet mich sehr viel mehr, wir sind uns so ähnlich, ich kann es dir kaum beschreiben, ich fühle mich gut, und du?“, wollte er leise wissen.

Lina schob ihren Arm unter seinen Mantel, Wärme umgarnte sie, „Es ist schade, dass du so viel weg bist, ich vermisse dich sehr, es ist irgendwie keiner mehr da, der mich in den Arm nimmt, und mit mir kuschelt, weißt du, manchmal kommt so ein böses Gefühl von früher hoch, an diesen Tagen, an denen Dad mal wieder ziemlich mies drauf war, und immer nur an mir herumgenörgelt hat, und ich dann zu dir unter die Bettdecke geschlüpft bin, aber jetzt bist du nicht mehr da!“, murmelte sie traurig, Robin drückte sich an sie.

„Ich habe dich immer bewundert, du warst so stark und hast aber deine Herzlichkeit nicht verloren, ich hätte bestimmt resigniert, so wie Vater dich behandelt hat!“

 

„Lass uns gehen Kenny, und nach den beiden sehen!“, riet Mac ruhig, erhob sich elegant.

„Gute Idee!“, meinte dieser erschöpft, und folgte seinem Bruder in die kalte Nacht, sie konnten die beiden an der Brüstung zur Themse stehen sehen.

„Mac!“, stoppte Kenny seinen Bruder, trat neben ihn.

„Tu das, was du für richtig hältst!“, schlug Mac besonnen vor.

Kenny nickte stumm, Macs Worte halfen ihm nicht wirklich weiter, aber nun musste er handeln.

„Lina!“, rief Kenny, und verharrte auf der Promenade, sie sah um winkte, „Wirst du dich melden?“, fragte sie ihren Bruder.

„Klar, gleich wenn ich angekommen bin, lass den Kopf nicht hängen ich bin doch immer bei dir!“, flüsterte Robin, und drückte ihr ein Küsschen auf die Wange, sie seufzte.

Mac umarmte seinen Bruder noch zum Abschied, dann erschien auch schon Robin.

„Und alles diskutiert?“, wollte er wissen, die beiden nickten, und Kenny wirkte überrascht. „Ach ja, ich habe es nicht so gemeint!“, ein entzückendes Lächeln erschien in Robins Gesicht.

„Das war alles abgesprochen?“, entdeckte Kenny, schüttelte seinen Kopf, jetzt wurde es wirklich Zeit, es musste etwas passieren, dieses Leben fing an aus lauter Fußfallen zu bestehen.

„Gute Nacht noch!“, wisperte Mac, Sohn und Vater verschwanden in der Nacht.

„Ich bin froh, dass er kein Hexenmeister ist!“, meinte Robin vorsichtig.

„Du hast Angst davor, dass er erfährt, wer ihr beiden seid?“, Mac legte seine Hand auf Robins Rücken.

„Irgendwie schon, wenn er seinen Titel wieder hat, dann wird er es spüren können, ich kann das Gewitter schon förmlich riechen!“

„Na mal ganz ruhig, Kenny ist nicht so wie du ihn in Erinnerung hast, dies hier ist eine andere Zeit, anders Leben, das lassen wir alles auf uns zukommen!“

 

„Ich muss auf die Insel!“, eröffnete Kenny Lina, die überrascht zusammenzuckte. „Es ist wichtig!“

„Ich begleite dich, ich meine, wenn ich darf!“, stöpselte sie angespannt.

Kenny sah zu ihr, „Danke, ich hatte gehofft, dass du mitkommst!“

Ein herzhaft erleichtertes Schnauben drang aus ihrem Mund, Kenny sah sie verwundert an.

„Müssen wir irgendjemanden retten, Emma, Ira, Tucker?“, Linas elfengleiche Gestalt tänzelte federleicht über die Promenade.

„Caro?“, sagte er knapp.

„Oh ja war klar, und vor was, müssen wir sie retten?“, Linas Stimme klang äußerst geheim.

„Vor sich selbst!“, Kennys Stimme wirkte eher wütend.

„Ah, ja, so viel zum Thema Inselromantik, schade!“, kicherte Lina, und schwebte weiter durch die Dunkelheit, verschwand hinter einem der prachtvollen Platanenbäume, Kenny musste lachen, sie hatte so viel Energie und war so zufrieden, dass tat gut, „Buh!“, rief sie, und sprang ihm in den Nacken, er ergriff sie, und wirbelte mit ihr über den Weg, begleitet von der Themse bei Nacht.

„Was würdest du, in so einer Nacht tun, wenn du Hexenmeister wärst?!“, rief Lina, und lief flockig voran.

„Möchtest du das wirklich wissen?“, seine Stimme erstarb in der Nacht, sie war wartend stehen geblieben, Kenny blieb dicht vor ihr stehen, das Licht des illuminierten Parlaments legte feine Schatten auf ihr Gesicht.

„Dann würde ich mich treiben lassen!“, murmelte er.

„So hm hm?“, sie stapfte von einem Bein auf das andere, wackelte mit ihren Händen, dann sah sie zu Boden, und als sie ihren Kopf wieder angehoben hatte waren ihre Augen glänzender blau als sonst, sie verzog ihren Mund zu einem schmackhaften Lächeln, eine Reihe ebenmäßiger Zähne erschien, „Sag nichts, ich weiß, dass du das nicht leiden kannst, aber sieh dir diese Nacht an, sie ist doch viel zu jungfräulich um nur Mensch zu sein!“, ihre Stimme klang wie ein leises Lüftchen, Kenny atmete tief durch, „Geh schon!“, sagte er sanft zu ihr.

Lina erstarrte, Kennys Worte waren absolute Premiere, wie oft hatte sie sich jene zwei Worte gewünscht, und alles, was ihr Vater immer sagte war, falls ich dich in irgendeiner Nacht erwischen sollte, dann Gnade dir Gott, und man konnte sich nicht mal hinausschleichen, ohne dass er es mitbekam.

„Was ist, geh schon!“, meinte er, und nickte winkend.

„Danke, vielen Dank!“, wisperte sie den Tränen nahe, sie ergriff flüchtig seine Hand, ließ ihre Finger durch seine Hand gleiten, lachte, und ging davon, kam kurz darauf zurück, „Kommst du mit mir, ich würde es mir so wünschen!“, flehte sie.

Kenny war überwältigt von den Gefühlen, die sie ihm schenkte, und konnte ihre Freude in jeder Muskelfaser spüren, „Was hat er dir nur damit angetan, dich so zu behandeln!“, flüsterte er, und nahm ihre Hände wieder in die seinen, Tränen glitzerten im Licht der Straßenlampen, auf ihrem ebenmäßigen Gesicht, „Lina, nicht weinen, bitte, alles wird gut!“, flüsterte er, und wusste nicht, wie er sich verhalten sollte.

„Dad war nur besorgt!“, schniefte sie, und wendete sich ab, doch er nahm ihre Hände, „Nein, er war ein Tyrann!“, Kennys Herz schlug zu schnell, „Ich werde dir nicht folgen können!“

Lina neigte ihren Kopf, und sah zu ihm, es war die Gelegenheit, und der Zeitpunkt etwas zu versuchen, dass ihr schon sehr lange im Kopf herumspukte, dann öffnete sie ihren sinnlichen Mund, nahm seine Hand, legte sie an ihre Wange, „Wir waren ja so blind!“, hauchte sie, und biss sich in ihre Handkante.

„Was tust du!“, schreckte er entsetzt zurück.

Lina servierte ihm die blutende Hand, Kenny schüttelte robust seinen Kopf. „Tu es!“, drängte sie ihn.

Dann nach einer kurzen gedanklichen Weile führte er die Wunde an seine Lippen, „Ich trinke nicht jedes Blut, Lina!“, aber was hatte er schon zu verlieren.

„Dieses schon!“, drängte sie weiter, und Kenny leckte das warme Blut von ihrer Wunde, und es schmeckte fast einen tick besser als Caros, in diesem Moment erstarrten seine Gedanken zu Eis, er saugte das leckere Getränk und genoss es, für Lina ging ein ewiger Wunsch in Erfüllung, sie konnte ihren Vater helfen.

Das kostbare rote Gold erfüllte seine Seele, und es war, als würde er in diesem Moment neugeboren, Schmerzen breiteten sich schlagartig aus, und versetzten ihm einen Tritt in die Magengrube, er sank mitten in der Nacht auf den nassen Gehweg der Promenade, während ein Film vor seinem inneren Auge ablief, sein altes Leben wurde neu geladen, besser und angenehmer, Lina stand nur erstarrt vor ihm, betrachtete die Szene mit Angst und Lust.

Keuchend hielt er sich seinen Kopf, seine Hände zitterten, und sein Geist sträubte sich, doch dann war es vorbei, Lina sank zu ihm, kleine Schweißperlen standen auf seiner Stirn, sie streichelt ihn sachte, „Wie geht es dir?“

Kenny nahm seine Hände von seinem Gesicht und öffnete seine Augen, Lina kicherte nervös. „Sie haben sich verfärbt, sie sind gelb!“, erkannte Lina respektvoll.

„Was war das eben?“, fragte er, musste sich mehrfach räuspern, doch dann hob er seine linke Hand, „Ich danke dir Lina…!“, sagte er, und jene Worte kräuselten sich wie kleine Windhosen in der Luft, dann legten sich seine Lippen auf ihre, und küssten sie, „…meine Tochter!“

Lina quiekte erschrocken, erhob sich blitzschnell, „Du, du, ich, ähmm!“, stotterte sie herum, Kenny hatte sich auch erhoben, und ihr den Finger an die Lippen gelegt, „Es ist mir eine Ehre dich kennen zu lernen!“

Lina brach sofort in Tränen aus, so viel herzliche Zuneigung, und das von ihrem Vater, sie war wie paralysiert, die Umgebung fing an zu blühen, die kalte Nacht wandelt sich in einen lauen Sommerabend.

„Ich steh in deiner Schuld, nur eine Frage, wer ist deine Mutter?“, eine Frage, die ihre Antwort bereits kannte.

„Caro!“, summte Lina leise.

Kenny tauchte grinsend in Linas angenehme Aura ein, „Du schmeckst sehr viel besser als sie, ich denke wir müssen einiges klären!?“

Lina erstarrte wieder, „was willst du klären?“

„Warum ich so ein Monster zu dir war oder bin, ich habe deine Gedanken empfangen, als ich dein Blut getrunken habe!“

„Du dachtest, dass ich Leons Tochter sei, und Caro dich mit ihm betrogen hätte!“, flüsterte sie ängstlich, wanderte weiter.

Kenny sog die Luft tief ein, „Das ist nicht wahr, oder?“, wieder erstarb seine Stimme.

Lina nickte, und verharrte unter einer Laterne, schniefte, wischte sich eine Träne aus dem Auge, Kenny war zu ihr getreten, Unruhe breitete sich aus, er wusste das Leon und Caro eine sehr enge Beziehung hatten, aber wie konnte er nur an seiner Tochter zweifeln, „Mein Vater war verbohrt, und ziemlich verblendet, oder was weiß ich!“, ihre Worte trieften vor Hass, ein leises Knurren kroch aus ihrer Erregung, und der Vampir in ihr trat augenblicklich in den Vordergrund.

Kenny schüttelte seinen Kopf, „Ich kann mir bildlich vorstellen, wie er/ich euch behandelt habe!“

„Das ist Vergangenheit, ich bin sehr froh, dass ich dich anders kennen lernen durfte, also belassen wir es dabei, bitte!“, flehte sie schon fast.

Seine blitzblauen Augen leuchteten aufgewühlt, sein anderes Ich forderte, wirre Gedanken versuchten sich nach wie vor zu ordnen, stöhnend griff sich Kenny an die Schläfen, hatte das Gefühl, als würde sein Blut brennen, während seine Hände wie Espenlaub zitterten, er torkelte ein wenig, Lina ergriff seinen schlingernden Körper, versuchte ihn zu stabilisieren. „Lina!“, hauchte er und sank ohnmächtig zu Boden.

 

Zwei Stunden später erwachte Kenny in seinem Bett, seine Haut kochte wallend und er fühlte sich mies, Lina schälte sich aus der Nacht, erschien an seinem Bett, „Geht’s dir besser?“

„Wie nach einem schlechten Trip!“, bemerkte er rauchig, erhob sich schwer, „Wie bin ich hierhergekommen!“

„Mit mir, und…!“, fing Lina leise an.

„…und mir!“, Nick trat auch aus der Nacht, sah zu Lina, forderte sie stumm auf zu gehen, murrend wanderte sie aus dem Zimmer, „Ich geh dann mal, wir sehen uns morgen!“

Kennys Hand suchte den Lichtschalter, „Lass es aus!“, flüsterte Nick, und parkte seinen Körper neben Kenny, nun saßen die zwei nebeneinander wie die Hühner auf der Stange.

Nick nahm Kennys Hand in die seine, und zog ihm ganz sachte den Ring vom Finger, dieser sah ihn nur lange wortlos an, „Den brauchst du nicht mehr!“, bemerkte Nick.

„Was?“, raunte er unwirklich, verstand nichts mehr, Nick ließ den Ring in seine Hosentasche gleiten, „Wie fühlst du dich jetzt?“

„Ich kann es nicht genau sagen, besser, es war ein langer Weg, mein Kopf schmerzt, und ich bin noch ziemlich durcheinander!“

„Wahrheit und Lüge lagen so eng beieinander, und ohne deinen Titel glich es ab und zu einem waghalsigen Drahtseilakt, aber nun bist du wieder zurückgekehrt!“

„Aber nicht durch Caros Hilfe, so wie es vorbestimmt gewesen wäre!“, meinte Kenny erschöpft.

Nick lächelte, „War denn das, was dir vorhin mit Lina passiert, ist nicht um vieles besser?“

Kenny nickte, sah dann zu Nick, „welche Rolle spielt nun Tucker in diesem Stück?“, wollte Kenny noch in Erfahrung bringen.

„Lass dich überraschen, hier!“, Nick öffnete seine rechte Hand, „Das ist deiner!“

Kenny nahm den breiten anthrazitfarbenen Ring von Nicks Handfläche, betrachtete ihn in der schalen Dunkelheit, „Er ist wunderbar!“, hauchte Kenny übermannt, er war um vieles kostbarer und prächtiger als sein alter Ring, in der Mitte des Ringes befand sich eine kleine eingefräste Rille, in der Mondsteinsplitter glitzerten wie Sternenstaub, dann nahm Kenny das Kleinod steckte ihn an den Finger, drehte ihn hin und her, eine wunderschöne Gravur zierte die Innenseite des Ringes, „Du hast dich an Caro vergriffen, warum, wir hatten eine Abmachung?!“, leichte Unruhe wankte in Kennys Tonlage mit.

„Es war keine Absicht, sie hat ihre Einwilligung dazu gegeben, ich habe sie nicht gezwungen oder gar manipuliert!“, Nicks weiche Stimme erfüllte die Nacht.

„Hast du mit ihr geschlafen?!“, Kennys Stimme klang forsch, böse Bilder reihten sich schnell aneinander.

Nick schüttelte seinen Kopf, „Das steht mir wirklich nicht zu, obwohl der Zeitpunkt nur allzu günstig gewesen wäre, ich habe nur ihren menschlichen Körper gerettet!“, ein zynisches Lächeln spielte sich graziös um Nicks Mundwinkel, als er den Satz ausgesprochen hatte.

Kenny brummelte irgendetwas unverständliches, sprang in das nächste Thema „Und Mark…!“

„Mark, tja, da hatte Mac wohl nicht ganz unrecht!“, erklärte Nick elegant, und seine elfenbeinfarbene Haut hob sich aus der Nacht, er hatte seine feinen Hände ineinandergelegt, und musterte Kenny durchdringend, ab und zu zog sich ein Schmunzeln über seine Wangen.

„Das wird mir langsam zu viel!“, rief Kenny wütend, erhob sich und wanderte durch die Dunkelheit.

„Mac wollte, dass du aufwachst, und anfängst nachzudenken, dass du die Wahrheit wieder von der Lüge unterscheidest, und zwar schnell, und nun bist du an der Reihe, du hast eine Nacht Zeit, um dich wieder komplett zu aktivieren, und dann das richtige zu tun, bevor es zu spät ist!“

„Sprich nicht immer in Rätseln, ich kann das nicht leiden!“, herrschte Kenny, außer sich, knipste das Licht an, der Raum erstrahlte dämmerig, Nick hatte sich auch erhoben, „Wenn das hier alles vorbei ist, dann hast du es als Erster und Einziger Hexenmeister geschafft!“, lächelte dieser charmant.

„Ach, ja?“, meinte Kenny ungeduldig verharrend, Nick nickte nur, trat dann zu ihm, ergriff seine Schulter, „Es tut gut zu wissen, dass du wieder unter uns weilst, Kenny!“

Kenny wand sich an seinen nächtlichen Freund, „Ich weiß nicht, wie es ohne Vince weiter gehen soll!“, resignierte Kenny erzitterte kurz.

„Es wird!“, entgegnete Nick fest, seine Lippen kräuselten sich schmunzelnd.

 

Caro stand neben Em hinter der Bar, der Laden brummte, Em hatte sich ein paar Mal von unbekannten Gästen kneifen lassen, da sie es nicht ganz verstehen konnte, dass um diese Zeit so viele Menschen auf der Insel verweilten.

„Ich bin ja so was von fasziniert, die Saison ist vorbei, kannst du mir folgen, letztes Jahr um diese Zeit waren nur mehr wir und die Einheimischen hier!“, lachte Em glücklich, legte ihre Hände an den Kopf, und wackelte damit hin und her.

„Sei doch froh!“, säuselte Caro, sie hatte sich immer noch, in tausend Gedanken verstrickt, an die Bar gelehnt, nippte ab und an von ihrem ersten und einzigen Bier, das schon den Status, des nicht mehr wirklich trinkbaren erreicht hatte.

„Jetzt lach doch du auch mal, vom vielen denken bekommt man Kopfschmerzen!“, riet Em locker.

„Ja, ich weiß, aber ich habe noch nicht ganz fertig gedacht!“, sagte Caro und ihr Blick lief durch die Menge, sie drehte sich einmal im Kreis, und ergriff ihr Handy, das sie in ein Regalfach gelegt hatte, „Kein Netz, scheiß Wetter!“, murrte sie, langsam fügten sich einige Gedanken, und konnten eingeordnet werden, dann verschwand sie in der Küche, Ira sah sich verzückt an, Caro hob kurz ihre Hand und riss die Schublade auf, in die sie die Schatulle gelegt hatte, nahm sie wieder heraus, öffnete das wundervolle Stück und starrte lange auf die Sig-Sauer.

„Was suchst du?“, fragte Ira war im Hintergrund erschienen, linste Caro über die Schulter.

„Den Fehler im Bild!“, murrte Caro angestrengt.

„Wie viele Fehler hat denn das Bild?“, scherzte Ira, wischte sich die Finger an ihrer Schürze ab, „Darf ich?“, ihre Inselgrünen Augen leuchteten aufgeregt.

„Bitte bediene dich!“, meinte Caro überrascht, und lehnte sich zurück, Ira legte die Waffe auf den sauber polierten Edelstahltisch, legte das Magazin daneben, ganz zum Schluss kam der Brief, nun lag alles in Reih und Glied, sie schwenkte ihren Blick hin und her, ließ ihre Finger über die Waffe laufen, „Nun sieh mal ganz genau hin!“, riet sie Caro trat zu ihr, „Was siehst du nicht!“

Caros Kopf kochte, sie konzentrierte sich so sehr das kleine schwarze Flecken vor ihren Augen herumwanderten, dann trat sie an den Tisch, legte ihre Hand auf den Brief, dann auf das Magazin, und zu guter Letzt auf die Sig-Sauer, „Hm, hm!“, brummte Caro kritisch.

 

Tucker betrat urplötzlich das Lokal durch die Küche, Ira und Caro sahen auf, „Erwischt!“, flüsterte Caro und stopfte alles in die Schatulle zurück, warf sie in die Schublade, Ira war in seine Richtung gegangen

„Hey Tucker!“, rief sie, und tat so, als wäre sie Ultra beschäftig, „Wieso kommst du durch die Hintertür?“

„Wieso nicht?!“, seine Stimme hatte einen scharfen Unterton angenommen.

„Weil du nie durch die Hintertür kommst!“, bemerkte Ira genauso scharf, rümpfte die Nase und widmete sich wieder ihrem Essen.

„Es gibt für alles ein erstes Mal, Ira!“, Tucker schlürfte an ihr vorbei.

„Auch für Betrug?“, feuerte Caro und ihr Herz schlug schnell, der große Mann parkte seinen Körper direkt vor Caro, so dass sie ihm nicht mehr entweichen konnte, weder nach rechts noch nach links.

„Von welchem Betrug sprechen wir hier?“, seine Lippen bewegten sich kaum.

„Das hier, ist nicht Leons Waffe!“, bemerkte Caro spitz und stellte die Worte einfach in den Raum, ohne zu wissen, dass sie absolut ins Schwarze traf.

„So, glaubst du, dass?“, meinte er mit versteinerter Miene.

Caro nickte vorsichtig, war sie nun zu weit gegangen, er grinste verschlagen, seine Augen blitzten voller Schalk, dann neigte er seinen Kopf und seine Lippen erschienen an ihrem linken Ohr, „Sei nicht so misstrauisch!“, der Duft seines Eau de Toilette kitzelte Caro angenehm weich und sinnlich in der Nase.

Caro grunzte, „Du bist ein Blender!“, hastete sie erhitzt.

Tucker atmete einmal seicht durch, „Du faszinierst mich immer wieder!“, seine Hände schoben sich um ihre Taille, kein Anzeichen von Schmerz, auch diese Bewegung gelang ihm äußerst flüssig, Caro wirkte plötzlich überfordert.

Ira klatschte ein Steak auf einen Teller, schob eine Ofenkartoffel nach und erstach sie mit einem Löffel, ergriff den Teller und ging zu Tucker, stieß ihm mit dem Gabelgriff in den Rücken, „Hier dein Essen, Meister, und jetzt raus aus meiner Küche!“

„Danke Schatz!“, hauchte er, und zwinkerte, Ira kniff ihre Lippen fest zusammen, und wich nicht von seiner Seite, mit einem schelmischen Grinsen nahm er den Teller und verschwand aus der Küche.

„Das war sehr gewagt, Caro!“, rügte Ira mit erhobenem Zeigefinger.

„Ja, ja, ich habe jetzt noch ganz zittrige Knie!“, ergänzte Caro, lugte nochmals in die Schublade, „Was, wenn ich doch recht habe, und er ist ein Blender!“

„Du hast eindeutig zu viel Fantasie, geh und hilf Em, bevor du meine Küche damit verpestest!“, mit diesen Worten warf Ira Caro aus ihrem Reich.

 

Die Gäste wurden anstatt weniger, irgendwie immer mehr, und gegen 20 Uhr hatte die Lokalität Hochbetrieb, Luc hatte sich entschlossen, Ira in der Küche zu helfen, es wuselte und brodelte, und Caro konnte sich kaum auf anderes konzentrieren als auf ihre Arbeit.

 

Cooper wippte im Takt der Livemusik, stupste Tucker leicht an, „He, komm was hast du!“

„Nichts, wieso?“, brummelte er, tausend Gedanken tanzten durch seinen Kopf.

„Du kannst es nicht ändern, lass es gut sein!“, meinte Cooper, und trank von seinem Bier.

Tucker grummelte, „Aber ich war so nah dran!“, zeigte einen klitzekleinen Abstand zwischen Daumen und Zeigefinger.

Cooper lachte bitter, „Eine Woche noch, dann ist die Saison endgültig beendet, waren wir nicht alle schon mal so nah dran, und wie du über die Jahre sehen konntest, funktionierte es nie, das mit den Urlaubsbekanntschaften!“

Tucker schlug mit der Faust auf den Tisch, und ging an die Bar, Caro kämpfte gerade mit einem Kunden, der sich nicht wirklich entscheiden konnte, was er für einen Whisky nehmen sollte.

„Falls es deine kostbare Zeit zulässt, dann kannst du mir eventuell einen Jameson einschenken!“, rief Tuck ihr äußerst unfreundlich zu.

Caro zeigte ihm einen Fuck Finger, und kräuselte ihre Nase, der Kunde sah von ihr zu ihm, und hatte sich komischerweise ziemlich gleich darauf entschieden.

Tucker trat noch näher an den Tresen, beugte sich darüber, winkte Caro zu sich, „Sauer?“

„Ich kann es nicht leiden, wenn man mich verarscht!“, knurrte sie, und zeigte Zähne.

„Ach, und das, was du getan hast, das ist akzeptabel, oder? Dem ist aber nicht so, also beschuldige mich nicht!“, seine Worte flogen über die Theke und erstachen sie nacheinander, und wieder musste sie sich eingestehen das Tucker recht behielt.

„Lass es einfach gut sein, du hast ja echt keine Ahnung!“, keifte sie, knallte ihre Handfläche auf den Tresen, verzog empfindlich ihr Gesicht.

„Habe ich nicht, nein, gut!“, seine Hand ergriff ihr Handgelenk, zog sie robust über die Hälfte der Theke, „Ich war zu jeder Zeit ehrlich zu dir, du nicht!“, bis auf ein paar Notlügen.

Caro kochte innerlich gab allerdings klein bei, schüttelte sich, „Es tut mir leid, du hast recht!“

Tucker ließ sie los, und nickte nur, verschwand nach draußen, Caro sah ihm verlegen nach, folgte ihm zögernd.

 

Er schlug die Tür hinter sich zu, und legte seine Hände vor sein Gesicht, die Nacht verschlang ihn, der Regen peitschte ihm entgegen, Nebel hatte sich gebildet, zog langsam über den Boden, „Na wieder mal kein Glück gehabt!“, sagte eine Person, trat aus der regnerischen Nacht.

Tuckers Faust platzierte sich in das Gesicht seines Gegenübers, japsend stürzte dieser zu Boden, erhob sich jedoch blitzschnell, und lachte kehlig.

„Das war ein Fehler!“, grollte der Geschlagenen ließ die offene Hand wie eine Dampframme gegen die verletzte Schulter Tuckers krachen, der stöhnend in die Knie ging und sich an die Schulter griff.

„Und jetzt, immer noch so heldenmütig?“, kicherte sein Gegner.

„Du hast dein Versprechen gebrochen!“, gurgelte Seth erstickt.

„Welches, ich finde es einfach unendlich kreativ, wie du dich anstrengst!“, meinte die Gestalt, und schlug nochmals zu.

Tucker schluckte würgend, blitzartiger Schmerz wanderte in seinen Magen, ließ ihn krampfen, Übelkeit überkam ihn sauer, schluckend sank er gegen die Hausmauer, schnappte gefährlich nach Luft. „Du hast mich gelinkt, du Mistkerl!“

„Ich würde das eher strategisch nennen, immerhin hattest du eine reelle Chance, Kenny kam dir ziemlich nahe, ist das nichts, aber dass du dir dann ausgerechnet Caro aussuchen musstest, das ist nicht mein Problem, Seth!“, die Stimme triefte vor Sarkasmus.

„Du hast das alles eingefädelt, mittlerweile kenne ich dich schon gut genug!“, krähte Tucker bitter, der Schmerz ließ langsam nach.

„Gelenkt vielleicht, eingefädelt nicht, es hat funktioniert, wie du siehst, aber du musst das auch mal positiv sehen, du hattest doch immer deinen Spaß!“, meinte sein Gegenüber.

„Verschwinde!“, schrie Tucker außer sich vor Wut, „Verschwinde, du Aas!“

„Eine gute Woche noch du Held, dann ist die Zeit des magischen Buches vorüber, und du wirst wieder warten müssen!“, krähte die Person, wippte hin und her.

Seth ergriff den Mantelaufschlag des Mannes und zog ihn rüpelhaft zu sich, „Diesmal nicht, Nathan!“

„Sterblicher kleiner Mensch!“, flüsterte Nathan sarkastisch.

Tucker schloss kurz seine Augen, „Ich werde dich töten, und es wird mir ein Genuss sein!“

„Ach Tucker, träum weiter, ich bin doch schon tot, und sie werden dir nicht helfen, dafür habe ich gesorgt, glaub mir, so einem wie dir hilft man nicht!“, kicherte Nathan leicht, durchbrach den Griff und wand sich ab, verschwand in der Nacht.

 

Caro hatte den Drang verspürt Tucker zu folgen, Regen peitschte ihr ungemütlich ins Gesicht als sie in die Nacht linste, „Tucker!“, rief sie zaghaft in die ungemütliche Dunkelheit, er sammelte sich und trat dann in das fahle Licht der Straßenlampe, „Was!“, murrte er immer noch wütend.

Sie zuckte kurz zusammen, „Gäste sagten etwas von einer Auseinandersetzung…darum...ähm!

„Es gibt nichts zu tun für dich du Held!“, knisterte er wütend, und seine sonst so ruhige Gestalt wirkte zerbröselt.

„Leck mich!“, hauchte Caro, ergriff wieder die Türklinke, doch da trat Nathan nochmals aus der Nacht, „willst du mich den nicht vorstellen?“, meinte er charmant.

Caro stockte der Atem, sah von Seth zu Nathan, kalte Schauer lief ihr über den Rücken, alle Haare standen ihr urplötzlich zu Berge, Tucker stutzte, stellte sich zwischen die beiden, doch Nathan schob ihn elegant bei Seite.

„Schatz!“, säuselte er, und reichte Caro seine graziöse Hand, doch Caro stopfte ihre Hände schnell in die Hosentaschen, nickte nur.

„Es freut mich, dich kennen lernen zu dürfen!“, grinste Nate neckisch.

„Mich auch!“, log Caro ungeschickt, ihre Gedanken lagen wie ein offenes Buch vor ihr, und Nate las darin, lächelte geduldig, beugte sich zu ihr, schnupperte ihren Duft, „Wut riecht gut!“, erkannte er zynisch, sie nahm ihre Hände aus den Hosentaschen, der Regen hatte sie inzwischen durchweicht.

„Gutes Gespräch!“, ätzte Caro und hatte das Gefühl, als würden seine Blicke ihre Seele assimilieren, „Schönen Abend noch!“, wisperte sie, und wollte sich verdrücken, doch er hielt sie zurück, und seine Hand berührte ihre Hand, dann räusperte sie sich, „Die gehört mir!“, knurrte Caro, und entzog sich ihm.

„Sicher!“, Nathan sah von Caro zu Tucker, lachte, sie packte Tucker am Jackenärmel und zog ihn mit sich in die Wärme von Ems Lokal, warf die Tür hinter sich zu, und zerrte ihn durch das volle Pub in die Küche.

„Was hast du mit diesem Typ zu tun?!“, krächzte sie heiser, und ihr ganzer Körper zitterte, wie nach einer Überdosis, noch nie hatte sie Nathan so in Aktion erlebt, wie gerade eben, richtig gruselig war ihr zu mute.

Tucker wischte sich den Regen aus dem Gesicht, ließ sich schwer auf einen Stuhl sinken, knickte stöhnend in sich zusammen, sie sah ihn nur wartend an, Ira kam herbeigeeilt, „Zieh die Jacke aus!“, forderte sie ihn auf, half ihm dabei, „Zieh das Shirt auch gleich aus!“, er schüttelte robust seinen Kopf, doch Ira war schneller, die frische Narbe sah nicht besonders gut aus, sie packte einen Eisbeutel aus der Tiefkühltruhe, und legte ihn drauf.

„So und jetzt lass uns mal über die Wahrheit sprechen, was wollte Nathan?“, fragte Caro ahnend, niemand antwortete, Ira starrte bereits ein Loch in den Boden.

„Gut, keine Antwort ist auch eine Antwort!“, Caro verschwand im Lokal, und kam relativ flott mit einem Whisky zurück, reichte Tucker das Glas, der nur verneinend den Kopf schüttelte.

„Ich lass euch dann mal allein!“, bemerkte Ira, und verschwand flüssig, nun waren die beiden allein.

„Es wäre wirklich besser, wenn du die Insel verlässt, bald!“, meinte Tucker trocken.

„So ist es das, ich habe nachgedacht und ab und zu funktionieren meine Gehirnzellen noch, trotz zu viel Guinness, ich kenne die Art von Typen nur zu gut, also, ich bin ganz Ohr!“, oh, ja und Caro kannte Nathan wirklich mittlerweile sehr gut.

Tucker wurde bleich, immer noch lag der Schmerz im Vordergrund, Caro wartete kurz, dann trank sie Tuckers Glas leer, „Na wie steht ´s mit der akuten Wahrheit?“

„Es ist nicht so wie du denkst, glaub mir!“, fing er erschöpft an, sah zu Boden, die Hand, die den Eisbeutel hielt, wurde schwer, klatschte in den Schoß, er zischte, Caro nahm den Beutel an sich und trat hinter Tuck, drückte ihm den Eisbeutel auf die Schulter, „Nicht so grob!“

„Tut, dass etwa weh, entschuldige!“, sagte sie singend.

Er sah sie resigniert an, seine honigkaramellfarbenen Augen leuchteten, „Wäre nett gewesen, wenn das zwischen uns funktioniert hätte!“, meinte er und fingerte nach seinem Shirt streifte es sich über den Kopf, erhob sich schlüpfte in seine Jacke, „Gute Nacht!“

„Puh, wie geheimnisvoll, ich habe da so eine Theorie, willst du sie hören?“, rief Caro ihm nach, er sah nochmals um, nickte.

„Kennst du Brigadoon, das Land das alle hundert Jahre erscheint, für eine Woche, oder so, und man kann es nur erlösen wenn man sich in irgendjemanden aus diesem Land ernstlich verliebt, dann bleibt es für immer, aber die Menschen aus dem Land dürfen ihr Geheimnis nicht verraten sonst wird es sie nie wieder erscheinen, also sprechen sie in Rätseln, so das ist Theorie eins, die Waffe ist das Rätsel, du der Jüngling, Nathan der Dämon, du brauchst nichts zu sagen, nicken reicht voll und ganz aus!“

Tucker machte auf dem Absatz kehrt, und kam auf Caro zu, „Und der Jüngling verliebte sich in eine Wanderin, sie scheint ihn auch zu mögen, doch dann sind da noch die Bösen, die das alles verhindern wollen und machen dem Jüngling einen fetten Strich durch die Rechnung, alles läuft schief, sie verlässt das Land, kehrt allerdings zurück, er ahnt was passiert ist, und seine Ahnungen bestätigen sich, die Zeit vergeht, und das Land wird wieder verschwinden, seine Chance ist verstrichen, ich wünsche dir noch eine gute Nacht!“, flüsterte er, und schlug seine Lider nieder.

„Wie hätte denn die Erlösung ausgesehen?“, flüsterte Caro, und fühlte sich plötzlich ziemlich unwohl in ihrer Haut, kannte sie doch Ned und Nathans Geschichten.

 

„Du kennst doch die Geschichte!“, hauchte er, und beugte sich zu ihr hinunter, „Er ist überall Caro, wenn ich nur das geringste erzähle, dann war es das für immer und ewig, Brigadoon, du weißt schon, oder?“

Caro schien rot zu werden, dann erfasste sie Tuckers Nacken, zog ihn sachte an sich, „Ich habe vergessen, wie sich das anfühlt, wenn man sich verliebt!“

Tucker erstarrte, „Ich habe dir meine Liebe geschenkt in jeder Nacht, in der ich mit dir zusammen war, aber du hast mich dafür mit Kenny betrogen!“, seine Lippen bewegten sich kaum, als er ihr seine Worte ins Ohr flüsterte, jene Worte krachten zu Boden wie Steine, schlugen kleine Dellen in das Holz, Intrigen konnten ja so beflügelnd sein.

Sie küsste ihn vorsichtig, er wich zurück, sah sie an, entzog sich ihrer Nähe und entschwand.

Dann stand Ira plötzlich wieder vor ihr, sah sie aus ihren Inselgrünen Augen an, „Und nun?“

„Das frag ich dich, was verschwindet hier, wenn etwas verschwindet!“, Caros Stimme klang drängend.

„Nichts!“, meinte Ira klangvoll, und wand sich wieder ihrer Arbeit zu, ergriff einen Schneebesen rührte damit wild in einem Topf herum, Caro erschien neben ihr, „Was, nichts!“

„Nichts, eben!“, krümelte Ira betreten, und rührte noch schneller, Caro verschwand wieder ins Lokal und zog ihre Tasche aus dem Regal, nahm das Handy an sich, und verzog sich in eine ruhige Nische, dort wählte sie Kennys Nummer.

 

„Dein Handy bimmelt!“, bemerkte Nick leise, Kenny ergriff es, „Wie spät ist es?“

„Gleich Zwei Uhr morgens!“, murmelte Nick.

Kenny nahm das Gespräch an, meldete sich mit einem knappen ja.

„Es tut mir leid, dass ich dich so früh störe, aber es ist Ultra wichtig!“, sprudelte Caro ohne Punkt und Komma.

„Wichtig, was?“, schnurrte er, setzte sich auf, lehnte sich zurück.

„Nathan war hier, und er war irgendwie schlecht gelaunt!“ Caro prustete in das Handy.

„Hm, wie schlecht gelaunt?!“, fragte Kenny leise.

„Ich glaube das er ein fieses Spiel spielt, oder so was!“, ihre Stimme wurde leiser, sie hatte das Gefühl nicht mehr allein zu sein.

Kenny stupste Nick sachte an, dieser erhob sich auch, lauschte dem Gespräch, „Nathan, bist du dir sicher, dass er etwas im Schilde führt, oder wollte er dich nur beschützen?!“, wiederholte Kenny noch einmal für Nick, der sich die Stirn rieb.

„Sicher bin ich mir nicht, aber vorhin ist etwas passiert, das mich sehr stutzig gemacht hat!“, sprudelte sie weiter.

Kenny schnaubte, „Was?“, wurde hellhörig.

„Ja warum erzähl ich dir das eigentlich, wenn du damit rein gar nichts mehr anfangen kannst!“, rief sie plötzlich aufgebracht, wedelte mit ihrer Hand hin und her, einige Gäste sahen verdutzt zu ihr.

„Vielleicht kann ich ja wieder was damit anfangen!“, erzählte er ihr, und ein Grinsen erschien in seinem Gesicht.

„Echt, sag, wie, was!“, stöpselte sie durch die Gegend, als hätte sie eine weiße Frau gesehen, Hitze stieg in ihr auf.

„Das erzähl ich dir später!“, meinte Kenny, und war auf dem Weg zu seinem neuen extra überarbeiteten Buch, löste den Verschluss und klappte das Metallscharnier auf, öffnete es, ein Seufzer entwich.

Nick erschien neben Kenny, „ich muss gehen!“, formten seine Lippen, Kenny nickte, „Moment, ich bin gleich wieder bei dir!“, sagte er zu Caro, und legte sein Handy weg.

„Hast du eine Ahnung, kannst du was sehen?“, fragte er Nick vorsichtig, zwinkerte mit seinen Augen.

„Wir müssen handeln, Seth wird es nicht allein schaffen Kenny!“, flüsterte Nick, verschwand aus der Wohnung.

 

„Ich bin wieder hier!“, sagte Kenny, und klemmte sich das Dingelchen zwischen Ohr und Schulter, was sich wesentlich schwieriger gestaltete als gedacht.

„Jetzt mach hin, ich habe nicht ewige Einheiten frei, und das Netz ist auch nicht das Beste!“, sie hatte sich erhoben und war an die Bücherregale getreten, tat so als würde sie sich für die Bücher interessieren.

„Er hat versucht mich zu berühren, aber ich habe ihm den Gefallen nicht getan, allerdings konnte er meine Gedanken lesen, was ja nichts neues ist, aber diesmal hat er mir richtig Angst gemacht Kenny!“, raunte Caro, mit fahler Stimme.

„Warst du allein mit ihm?“, fragte Kenny vorsichtig, und blätterte erstaunt sein neues Exemplar, Seite für Seite durch, so viele neue Seiten mit lauter bunten Zeichnungen, perplex hielt er kurz seinen Atem an.

„Tucker war dabei!“, murrte Caro und zog ein Buch heraus, las den Umschlag, meine kleine Jagdfibel.

„Ah, und?“, hakte Kenny nach.

„Er scheint das Ziel zu sein, und ich habe da noch was für dich, das schicke ich dir per MMS!“

„Gut, ich melde mich, wenn ich was herausgefunden habe, du kannst mir schon mal Kaffee machen!“, meinte er leicht.

„Du kommst auf die Insel, das ist gut, ich bin erleichtert, freu mich!“, ihre Angst löste sich sichtlich.

„Tu mir den Gefallen, und bleib heute Nacht bei Em oder Ira, Luc egal, aber nicht allein!“, meinte er, und ließ absichtlich Tuckers Namen unter den Tisch fallen, Eifersucht breitete sich augenblicklich aus, er lauschte gespannt.

„Ja, geht klar, beeil dich bitte, hier ist es irgendwie unheimlich!“, flüsterte Caro, steckte das Buch zurück.

Kenny lächelte, „So lange du keine selbstzerstörerischen Aktionen startest, kann dir nicht viel passieren, ich vermisse dich, versuch zu schlafen, bis morgen, heute!“

Caros Herz schlug wild, „Bis dann, ich vermisse dich auch!“, sie unterbrach die Verbindung und trat wieder zu Em, „bin ich froh, wenn es wieder Tag wird!“

Em ergriff ihren Lappen und klatschte ihn auf die Theke, wischte hin und her, „Das wird an der derzeitigen Wetterlage auch nichts ändern, die Insel liegt ein wenig ungünstig!“

„Das Wetter ist es eher weniger!“, bemerkte Caro träge, hatte schon ein Glas ergriffen, Ira erschien mit dem Whisky, Em stand nun rechts von ihr, zwischen den beiden Caro, sie sah von einer zur anderen, „Wollt ihr mir vielleicht etwas sagen?“

 

Kennys Handy blinkte als Caros MMS eintrudelte, er öffnete es, schnalzte mit der Zunge und setzte sich an seinen Laptop, stöpselte seinen Handapparat ein, und lud das Bild auf sein Notebook. „Holla die Waldfee!“, entglitt es ihm, als er das Bild näher betrachtete, Caro hatte ihm das Symbol der Waffe aus der Schatulle gesendet.

 

Em lag wach in ihrem Bett, und starrte die Decke an, der Wind heulte in den Ritzen des alten Hauses, und die alte Laterne, die über dem Eingang des Lokals hing, quietschte laut bei jedem Windstoß. „Ich kann nicht schlafen!“, meinte Caro, und war in der Tür erschienen.

„Ich auch nicht!“, schnaubte Em, und knipste ihre kleine Nachttischleuchte an, weiches Licht strömte durch den Raum, „Alles ist so was von durcheinandergeraten!“, murmelte sie, und schlüpfte in ihre Pantoffeln, schlurfte durch das Schlafzimmer.

„Tucker?!“, ergänzte Caro, und trat zu Em, legte ihr den Arm um die Schultern, sie nickte. „Dann hat er dich kennen gelernt, und sich verliebt, aber irgendwie lief alles schief, ich hätte es ihm so gegönnt!“

„Ich bin aber im Ganzen ungenießbar!“, wisperte Caro, und lauschte der Kirchturmglocke, die viermal schlug.

„Blödsinn!“, Em verzog ihr Gesicht zu einer grimmigen Fratze, setzte sich im Schneidersitz auf ihr Bett, fußelte an ihren Zehen herum.

 

 

Kenny kannte das Symbol, sah sich in seinem Zimmer um, kein Schwert, auch seine Fläschchen und Pülverchen blieben verschwunden, das einzige Utensil, das wieder auftauchte, war sein Kelch, „So funktioniert das nicht!“, meint er sachte, und tippte auf sein Buch, ein zarter Windhauch wehte durch die Seiten.

 

Lina stand fest eingemummt vor dem Terminal der Fähre, die Mütze tief ins Gesicht gezogen, Kenny kam dazu, „Guten Morgen!“, sagte er, und drängte sie in das warme Gebäude, dort umarmte er sie erst einmal herzlich, sie kicherte und ein wunderbares Lächeln wurde geboren.

„Und, gut geschlafen?“, wollte sie schnippisch wissen.

„Sicher, und du?“, fragte er neckisch, ging an den Schalter, und nahm die reservierten Karten entgegen.

„Ging so, du hast mich ziemlich durcheinandergebracht!“, ärgerte sie ihn, und wickelte sich aus.

„Caro hat mich heute Morgen ganz aufgelöst angerufen, es scheint Ärger zu geben, mit Nathan, und wenn es um den Tod geht, dann fühl ich mich nicht gut dabei, momentan wenigstens!“

„Nathan, bist du dir sicher, war er allein?“, fragte Lina, und knöpfte ihren langen Mantel auf.

„Sicher, und dann kam das hier!“, Kenny fummelte sein Handy aus der Tasche und zeigte Lina Caros MMS, sie schluckte. „Typisch, immer zum falschen Zeitpunkt am richtigen Ort!“, Lina lachte.

„Das ist doch nichts neues, und was sagst du dazu?“

„Wenn die echt ist, dann haben wir ein angenehmes Problem!“, sagte sie, und zog eine Grimasse, Kenny musste lachen.

„Was bitte, ist ein angenehmes Problem?“, fragte er sie, und steuert auf den Kaffeeautomaten zu, „Auch einen?“

„Bitte, ohne Zucker, mit Milch, extra stark!“, meinte sie, und nahm den Schal ab, öffnete ihre Tasche und wühlte darin herum, „Gleich hab ich’s, Moment, kann sich nur noch um…!“

Kenny hielt ihr bereits den Becher unter die Nase, „Vorsicht heiß!“

„Oh, danke, jetzt hab ich’s!“, sie zupfte einen Beutel aus ihrer Tasche, wedelte damit vor seiner Nase herum, ergriff dann den Becher, „Das könnte hilfreich sein!“, kicherte sie, und ließ einige Münzen auf ihre Hand gleiten, Kenny gluckste, „Komm schon, das Schiff geht in einer halben Stunde!“

 

„Der Typ, der an Tuckers Fersen klebt, kennst du ihn?“, wollte Caro wissen und deckte schon einmal den Tisch für das Frühstück im Lokal, Em brachte die Tassen, setzte sich und platzierte sie auf den Tisch, „Er ist ein Eigenbrötler, kommt und geht, total unsympathisch!“

„Manchmal kommt er auch früher, einen wunderschönen guten Morgen!“, sagte Nathan, und drückte die Tür ins Schloss.

Em erstarrte zur Salzsäule, ließ die Löffel fallen, alle, klirrend zerstreuten sie sich in alle Richtungen, sah zu Caro, „Wir haben noch geschlossen!“, meinte diese zickig.

„Ich kann warten, na Em die Geschäfte scheinen gut zu gehen!“, seine Stimme klang charmant elegant ruhig und besonnen, Caro hob in der Zwischenzeit die Löffel auf und legte sie auf die Unterteller, er setzte sich neben Em, legte seinen Mantel auf den Stuhl links, „Du hast Caro sicher einige Details unseres Deals erklärt, Em, oder?“

Em nickte, mit offenem Mund, ohne zu wissen um was es wirklich ging, „Nathan, was kann ich für dich tun?“, fragte Caro urplötzlich, und schob ein Messer in seine Richtung, wagte es nicht ihn anzusehen.

„Kommt Zeit kommt Ort!“, sagte er leise, und platzierte das Messer richtig.

„Du hast uns die ganzen Typen auf den Hals gehetzt, stimmts oder habe ich recht?!“, diese Frage ließ Em das Blut in den Kopf steigen, sie sah verlegen zu Caro, die sich nicht im Geringsten aus der Ruhe bringen ließ.

Nate verschränkte seine Hände, lehnte sich elegant zurück, sein kurzes Haar glänzte geschniegelt und gebügelt im ersten Tageslicht, ein delikates Grinsen erschien in seinem, ach so makellosen Gesicht, „Alle, hätte ja fast funktioniert, wären da nicht Adrian und seine Schnepfe gewesen, geldgeiles Volk, für Tucker tut es mir ein bisschen leid, er hat sich so ins Zeug gelegt, auch gut dann musste ich mich diesmal nicht so anstrengen, schön, du weißt doch, dass Ned sehr genau ist, wenn´s um seine Schäfchen geht!“, diese Worte schwebten wie Moskitos durch den Raum, stachen in jedes Stück sichtbare Haut, Caro setzte sich gegenüber, legte ihre Hände unter den Tisch in ihren Schoß, „Wollen wir einen Deal machen?“, lächelte er.

Em verschwand erhitzt in der Küche, hyperventilierte fast und entdeckte dabei Caros Handy, dass auf der blank geputzten Anrichte lag, wählte Tuckers Nummer, es war die einzige Nummer, die ihr in diesem Moment in den Sinn kam.

 

Seth wurde aus einem unruhigen Schlaf gerissen, erhob sich und folgte dem Gebimmel, meldete sich, ohne auf das Display gesehen zu haben, „Komm schnell Nathan sitzt im Lokal, und er wird sicher nicht ohne Caro gehen!“, rief sie stockend.

„Ich bin gleich da!“, keuchte er, legte auf, und sprang in seine Jeans, streifte sich einen Pulli über, schlüpfte in Schuhe und Jacke und aktivierte seinen Motorroller.

Caro versuchte interessiert zu wirken, „Wie würde der wohl aussehen?“

„Ich kann dir die Welt zu Füssen legen, du kennst das doch alles, keine Grenzen mehr, ewiges Leben, deine Seele, die Macht die dich unsterblich werden lassen könnte!“, sang er, und beugte sich vor.

„Ein gutes Angebot, du lässt Tucker dafür gehen!“, ergänzte Caro.

Nathan nickte, „Sicher, du bist wesentlich mehr wert als er!“, wieder schien die pure Verführung durch den Raum zu schweben, sie ließ sich wie ein Schalk, in Caros Nacken nieder.

„Das hört sich an, als ob es eine Ehre wäre, Nathan ich hasse dich!“, sagte sie gefestigt.

„Eine sehr große, würde ich sagen, eigentlich ist das Beste an der ganzen Geschichte doch, dass du vogelfrei bist, und die Gelegenheit ist günstig!“, erklärte Nathan schmunzelnd.

 

Tucker stürmte durch den Hintereingang in Ems Lokal, wurde gleich von Em abgefangen und vorsichtshalber zurückgehalten. „Fang dich erst mal, sie scheint das gut im Griff zu haben!“

„Gut, dass ich nicht Robin Hood heiße, aber wie kann ich dir glauben, vielleicht linkst du mich mit deinen süßen Worten, was, wenn sich nichts verändert, und wo treibt sich eigentlich Ned herum, ist denn der Chef nicht im Dienst?!“

„Aber Caro, wo denkst du hin!“, Nate legte seine Hände offen auf das weiße Tischtuch, sie waren schön sauber und fein, ein zittern bahnte sich durch ihren Körper, auch ihre Hände erschienen, „Nun, Nathan, sicher hast du etwas, das ich jetzt gerne hätte!“

Ein Lächeln wanderte durch sein Gesicht, „Nur gegen bares!“, flüsterte er zärtlich, sie schien wie vernebelt, als er ihre Fingerkuppen berührte bitzelte es, dann stöhnte sie sachte.

„Nein, tu es nicht!“, rief Tucker, und stürzte in das Lokal, Nathan sah ihn nur hämisch grinsend an, „Es ist so weit, dank deiner Macht, deinen Kräften, wusste ich es doch das alle diese Tugenden zu etwas gut sind, ich habe wirklich lange genug gewartet, also geh mir aus dem Weg!“, knarrte Nathan, und ergriff Caros Körper, wanderte damit bis an die Tür, drehte sich noch einmal um, zog etwas aus der Tasche warf es Tucker zu, der es weniger elegant auffing, Tucker ging weiter auf ihn zu, doch Nathan hielt seine Hand drohend hoch, „Keinen Schritt weiter, es wäre doch wirklich schade, oder!“, dann wandelte er sich, Seth folgte dem grausamen Schauspiel mit Zorn, „Wer bist du!“, keifte er.

„Sie kennt mich, dass sollte reichen, es war mir ein außerordentliches Vergnügen, Seth Masters, man muss nur genug Zeit haben!“, lachte er hallend.

„Du wusstest, dass sie auf die Insel kommt?“, Ems Worte überschlugen sich aus lauter Wut.

„Sicher, Caro und ich haben noch etwas zu diskutieren, und ohne Kenny, Leon, oder Vince an ihrer Seite wird es mir ein Vergnügen sein, einen schönen Tag noch!“

 

Als die Türe hinter den beiden wieder ins Schloss gefallen war, setzte sich Em in Bewegung, warf die Tür wieder auf, und trat schnaubend in die Kälte, „Tucker, tu was!“

Kenny und Lina stiegen aus dem Boot aus, „Wie ich das Schunkeln hasse, endlich wieder festen Boden unter den Füßen!“, meinte Lina sichtlich wankend, Kenny ergriff sie und zog sie an sich, sog ihren gar köstlichen Duft ein, sie kicherte wie ein Teeny, „Ich hätte da eine klitzekleine bitte!“

Lina nickte heftig, „Ja, was?“

Sein Mund erschien an ihrem Ohr, ihre Augen wurden groß, und leuchteten plötzlich, einige Passanten musterten die beiden sehr auffälligen Gäste, „Sehr gerne!“, flüsterte sie, und ihr schöner Mund kräuselte sich, dann trat sie vor ihn, „Hier und jetzt?“, er nickte, ergriff ihre Hand legte sie an seine Lippen, für manch außenstehenden hätte es wohl wie ein Handkuss ausgesehen, doch seine Zähne tauchten in ihre Haut, tranken ihr köstliches Blut.

 

Em und Tucker saßen schweigsam und wortlos am Tisch, bis sich die Tür abermals öffnete, und Kenny und Lina das Lokal betraten, die beiden brachten so viel positive Aura mit sich, dass Em die Luft wegblieb, „Ihr seid zu spät!“, hauchte sie verstreut.

Lina sah zu ihrem Vater, „Was ist passiert!“, wollte sie wissen, ihre klaren blauen Augen bohrten sich in Tuckers Geist.

„Sie ist mit ihm mitgegangen!“, sagte Em tonlos, und fixierte Tucker, der sich urplötzlich erhob, „Ich konnte es nicht verhindern, tut mir leid, sie wollte wieder mal den Helden spielen!“

Lina blies die Luft durch ihre Zähne, „Sie wollte dir helfen, das ist wohl der Unterschied!“

Tucker kniff seine Lippen fest aufeinander, „Gut, dann könnt ihr ja die Helden spielen!“,

„Schuldzuweisungen sind hier fehl am Platz, ich weiß wer und was Nathan ist, und sein Motiv heißt Caro!“, fing Kenny langsam an, und trat zu Em, nahm sie zärtlich in den Arm, sie schmiegte sich an ihn, „Du fühlst dich anders an!“, bemerkte sie zaghaft, ihre Wangen wurden augenblicklich rot.

Schnell sah Tucker zu den beiden, und traf Kennys Blick, „So ihr hübschen, wollen wir nicht Caro retten?“, meinte Lina, und zog eine Schnute.

„Wie denn!“, schnappte Em, und entzog sich Kennys Umarmung, verschwand in der Küche, ergriff dort fahrig die Kaffeekanne, war total außer Atem, ihr Herz schlug schnell.

„Er hat lange auf diesen Zeitpunkt gewartet!“, Seth sah zu Kenny, schnaubte wütend,

Lina wanderte um den Tisch herum, und trat hinter Seth, legte ihre Hände auf dessen Schulter, bemerkte wie sich seine Muskeln anspannten, dann erschien ihr Mund neben seinem Gesicht, „Das angenehme Problem!“

„Es ist zu spät, ihr habt mir nicht geglaubt!“, meinte er trostlos.

„Nein, es ist nie zu spät, und Nathan kriegen wir auch noch!“, sagte Lina, und erhob sich galant, ging zu ihrem Freund, drückte ihm ein Küsschen auf die Wange, und verschwand in der Küche.

 

Nathan betrat mit Caro eines der vielen Ferienhäuser auf dieser Insel, immer noch versuchten sich ihre Gedanken im Nebel zu orientieren, „Gefällt es dir?“

„Es ist wunderbar!“, schwelgte sie, und sah sich beeindruckt um.

Er wirbelte zu ihr, „Auf uns!“

Caro grinste, „Glaubst du nicht, dass das ein wenig überheblich klingt!“

„Vielleicht, wir wären das ideale Paar, ein Herz eine Seele, uns würde die Unendlichkeit gehören!“, sinnierte er.

„Träum weiter!“, sagte sie, und ging über den knarrenden Holzdielenboden sah sich um. „Wo, sind wir hier?“

„Ist das nicht egal, die Hauptsache ist doch, dass sie jetzt alle heulend irgendwo sitzen, und überlegen, wie sie uns am besten ausräuchern könnten!“, rief Nathan elegant, und fing sie wieder ein, doch Caro wich ihm geschickt aus.

„Du bist widerlich, was soll das!“, ihre Stimme hatte sich erhoben, „Wo ist Ned, ich will sofort mit ihm sprechen!“

„Das könnte aber sehr tödlich enden!“, erklärte er ihr ruhig, und wanderte langsam um sie herum.

„Sonst ist er auch immer gleich vor Ort, wenn´s was zu tun gibt für ihn, also!“, fing Caro neugierig an, und hatte sich in den gemütlichen Ohrensessel im Wohnzimmer fallen lassen, er nickte nur, und setzte sich gegenüber, in der Mitte der beiden stand ein fein gearbeiteter Holztisch mit wunderschönen Intarsien, seine wachen hellen Augen musterten sie stetig, ab und zu glaubte sie ein Schmunzeln sehen zu können, „Gut, also nicht, was willst du auf dieser Insel, warum klebst du an Tuckers Fersen, wieso ist das Wetter hier andauernd schlecht, was hast du Tucker im Pub zugeworfen…!“, Nathan sah sie belustigt an, hob dann seine Hand und winkte ab, Caro hielt in ihrer Fragestunde inne.

 

„Wir sind schuld, irgendwie!“, rief Lina drohend, und stach ihren Zeigefinger in Tuckers verletzte Schulter, Kenny verharrte an der gegenüberliegenden Seite des Tisches, und beobachtete die beiden, eine mächtige Woge an Energie verließ Linas Körper, das passierte ihr immer, wenn sie zu wütend war.

Seth neigte seinen Kopf, ergriff ihren Finger, „Ich werde das Regeln, komme was wolle!“, murrte er.

„Wir werden das Regeln, klar!“, Kennys Worte prasselten über die beiden wie ein warmer Gewitterregen hinweg, Lina klatschte in die Hände, „Kenny bitte, bitte, bitte sie ist doch alles, was ich noch habe!“, flehte sie zerstört, und schluchzte laut auf, und ein verstohlener Blick glitt über Tisch, um Kennys Mundwinkel zog sich ein feines Schmunzeln, hatte sie etwa zu dick aufgetragen, nie im Leben.

Seth erhob sich schwer, sah von einem zum anderen, „Ich weiß, wo er wohnt!“

„Was wenn du sie in eine Falle lockst, vielleicht arbeitest du ja mit Nathan zusammen!“, Ems Stimme klang verschlagen.

Seth sah sie gestrandet an, Wut schwebte durch sein Gesicht, „Nochmal zum Mitschreiben, ich bin hier nicht der Böse, auch wenn ihr das alle glaubt!“

„Wer weiß, wer weiß!“, kicherte Lina, und schwebte zu ihrem Freund, Kenny nahm sie bei der Hand, und sah sie nur an, Gedanken schwebten von ihr zu ihm, er zwinkerte kurz, gutes Kino und das zu so früher Stunde gab es nur selten „Wir werden sehen, also lass uns gehen!“

 

Tucker verließ das Pub, und trat in die regnerische Stille des Tages, gefolgt von Lina und Kenny, er führte die beiden in seinem Laden, knipste das Licht an und sperrte nach ihnen wieder ab, schweigend trat er an seine Ladentheke, öffnete dort eine Schublade, nahm ein Buch heraus, legte es ehrfürchtig vor sich, Lina verschlug es die Sprache, „Vinces Buch!“

Kenny schürzte seine Lippen, ließ den Zeigefinger seiner rechten Hand über den Einband gleiten, öffnete dann das Buch, sah zu Seth, dessen Gesichtsausdruck sich kaum verändert hatte, Linas Wangen waren gerötete, als sie einige Worte aus diesem Buch erhaschte, sie trippelte von einem Fuß auf den anderen.

„Scheint echt zu sein, wo hast du das Buch her?“, fragte Kenny gleichgültig, Lina hielt den Atem an.

„Es kam mit der Post!“, Tuckers Stimme hatte sich leicht erhoben.

„Wundersame Postzustellungen habt ihr hier auf der Insel!“, flötete Lina, wanderte durch den Laden, lugte um einen Kleiderständer.

 

„Zum Fragen beantworten haben wir eigentlich keine Zeit!?“, lächelte Nathan sympathisch.

„Ich würde dennoch wirklich gerne erfahren, warum du an Tuckers Fersen klebst, sonst zögerst du ja auch nicht!“, entgegnete sie ihm brüsk.

„Er hat Vinces Buch!“, erklärte Nathan mürrisch.

„Dann ist er der neue Meister der Künste!“, flüsterte sie, und schüttelte ihren Kopf, „Er wollte über mich, an Kenny kommen, denn nur er, kann ihn erwecken, ich Doppelidiot!“

Nathan hatte sich erhoben, und war an den offenen Kamin getreten, legte ein Holzscheit nach. „Nein, so ganz stimmt das nicht, das mit der Liebe war ehrlich gemeint!“, warf er in den Raum.

„Was wird hier gespielt, jetzt rück endlich raus damit, oder ich dreh noch durch!“, rief sie urplötzlich.

„Nein, deine Emotionsexplosionen kannst du dir sparen, das ist jetzt Kennys Job, er ist schließlich der Hexenmeister, und Tucker sein Meisterstück!“, kicherte Nate, schälte sich aus seinem Mantel und warf ihn über einen Stuhl, „Außerdem hat Tucker einen Deal mit mir, und du weißt ja, wie meine Verträge im Ganzen so aussehen!“

„Vertrag, was?“, fragte Caro mürrisch, wieder so ein Fußfallen Dings, aus dem man nicht lebendig rauskommt.

„Du hast mich gefragt, ich habe geantwortet, die Details des Vertrages werde ich nicht vor dir ausbreiten!“, meinte Nate delikat.

Nun verschlug es ihr die Sprache, langsam ging sie an das große Fenster, warf ihren Blick in die Natur, der Regen war einem winzigen Sonnenstrahl gewichen, „Vinces Ring!“, entdeckte sie, „Du hast ihm den Ring in Ems Pub zugeworfen!“

„Bleib cool!“, lachte er laut, und stocherte im Feuer herum, „Das gehört doch alles zum Plan!“

„Plan, welcher Plan bitte!“, herrschte sie ihn an, und ihre Ohren kochten plötzlich.

„Irgendwie mussten wir Kenny aus der Reserve locken, aber er ließ sich nicht locken, seine Erinnerungen waren komplett gelöscht, dann passierte das Schlamassel mit Adrian, Mark, irgendwie ging alles schief, doch jetzt haben wir gute Chancen!“, erklärte Nathan willig.

„Gut, gut, aber wo bleibt das Böse im Spiel, es war da!?“, wollte sie hastig wissen.

„Ach, das ist nicht so wichtig!“, meinte Nathan schmunzelnd, und wand sich ab.

„Mir ist es aber wichtig, schließlich habe ich…auf eines dieser Dinger geschossen!“, fing sie wieder damit an.

„Ich weiß, was du getan hast, und ich bin froh, dass dir nichts passiert ist, warum bist du immer so eigensinnig, verdammt Caro, du hast mit deinem einzigen Leben gespielt!“, sagte er vorsichtig, legte den Schürhaken weg und starrte in das Feuer.

„Ist das fies, warum immer nur die anderen, Kenny ist ein Hexenmeister, von seinen Fähigkeiten ganz zu schweigen, ich kann das nicht mehr leiden, ständig sind irgendwelche Typen hinter mir her, ich bin es leid!“, rief sie wütend, und öffnete das Fenster, kühle Luft strömte in den Raum, ein fauchen ging durch das Feuer im Kamin.

 

„Gut, dann lass uns zu ihm gehen!“, meinte Kenny, schlug das Buch zu.

Tucker schnaufte, zupfte den Ring aus der Hosentasche, legte ihn auf das zugeschlagene Buch, sah dann zu Kenny, dessen blitzeblauen Augen sich kaum regten, er sah den Ring lange an, nahm ihn an sich, es war ein wunderbares Schmuckstück, sogar die Steine waren echt, allerdings ohne Magie, das Metall aus einer anderen Epoche, sehr rein, die Gravur im inneren des Ringes schwungvoll, würde er diesen Ring aktivieren, dann hätte Tucker gewonnen, seine Gestalt wirkte plötzlich sehr angespannt, „Nun was steht dem noch im Wege?“

„Ich kann es nicht tun, keine Kräfte!“, wagte Kenny zu bemerken, und sog die Luft tief ein, Linas Blick hatte sich kaum bewegt.

Tucker wirkte plötzlich ein wenig irritiert, „Was, keine Kräfte, wieso?“, stotterte er herum.

„Es hat nicht funktioniert!“, nahm Lina Kenny das Wort aus dem Mund.

Tuckers Gesichtszüge entgleisten, und aus seinem Mund entwich ein verächtliches Zischen. „Nicht funktioniert, aha!“

 

Caro stand immer noch in der kalten frischen Luft des Tages, wieder ballten sich die Wolken zu einem dicken grauen Etwas zusammen, „Der Himmel sieht bedrohlich aus!“, bemerkte sie.

Nathan erhob sich vom Kamin, und trat zu ihr ans Fenster, schniefte, schloss das Fenster, sah dann zu ihr, „Vertraust du mir?“, seine Worte schlugen wie Hagelkörner aus heiterem Himmel ein, sie wagte ihn kaum anzusehen.

„Dir vertrauen, dem Tod, du verlangst wirklich großes!“, murmelte sie, sah ihm dann in seine klaren hellen Augen, die wie zwei glitzernde Edelsteine in der Sonne funkelten.

„Es liegt an dir!“, flüsterte er elegant.

„Was passiert hier, wenn ich es nicht tue?“, Caros Frage zerbarst an der Fensterscheibe.

„Das wiederum, liegt auch an dir!“, meinte Nate leise, wiederum versuchte die Melodie seiner Stimme sie zu umgarnen.

Ihr Bauchgefühl regte sich, und es war angenehm, sie atmete einmal tief durch, auf dieses Gefühl hatte sie sich bis jetzt immer verlassen können, „Was, wenn du, das Monster meiner Albträume bist!“, meinte sie und sah ihn schief an, kniff dabei ein Auge zu.

Nathan gluckste, „Ich bin, dass sicher nicht, also hast du dich entschieden!“, der Himmel hatte inzwischen eine bedrohliche Färbung angenommen.

„Ich habe das verdammte Gefühl, dass ich mich entscheiden muss, komme was wolle, ansonsten wird es kein Morgen mehr geben für die Magie, sehe ich das richtig!“, leierte sie, es war wie es immer war, um sie herum Chaos, und sie stand zentriert im Mittelpunkt.

Nathan hob seine rechte Hand, graziöse Finger erschienen in ihrem Gesicht, ein Ring, schmal elegant und extrem schmückend zierte seinen Ringfinger, dann erschien ein Lächeln in seinem Gesicht, er nickte seicht, in diesem gefangenen Moment setzte etwas ein das einem Trancezustand gleichkam, ihre Lippen bebten, sie versuchte noch ein paar Worte loszuwerden, doch es kam nichts mehr aus ihrem Mund außer heiße Luft, sein Gesicht verschlang ihres, die Balkontüre sprang ruckartig auf, orkanartige Sturm, riss beide gewaltvoll zu Boden.

Nathan hatte Caro fest umklammert und gemeinsam schlitterten sie über den gut gewienerten Boden, knallten an die gegenüberliegende Wand…

 

Tuckers Augen waren düster geworden, „Du belügst mich!“, sagte er auf einmal.

„Nein wieso sollte ich?“, entgegnete Kenny ihm, Lina war wieder neben ihrem Vater erschienen, ergriff dessen Hand.

„Nun gut, wie du willst, du solltest Nathan nicht unterschätzten!“, fing Tucker brummend an.

„Lass uns endlich zu Nathan gehen!“, drängte Lina, denn sie hatte Tuckers Energiestrom gespürt, den er just in diesem Augenblick losgeschickt hatte.

„Aktiviere den Ring, sonst werden wir es nicht schaffen, bitte!“, Tuckers Stimme hatte Stacheln bekommen.

„Gut Ding hat Weile, oder nicht Seth!“, erkannte Lina ruhig, verfolgte die Situation mit Unbehagen, ihr Blut hatte nicht für die Vollkommenheit gereicht, Kenny war nur teilweise wieder zurückgekehrt.

Seth grummelte und ballte seine Hände zu Fäusten, sein Blick glitt von einem zum anderen, dann drängte sich ein grollendes Lachen an die Oberfläche, „Wie du meinst!“, die Zeit des Buches lief unaufhörlich dahin.

 

Nathan stöhnte und kniff seine Augen zusammen, „Das hätte ich nicht gedacht!“, flüsterte er, Caro hatte sich aus seiner Umarmung geschält, und erhob sich schwerfällig, ihr Blick wanderte über den Boden an das große vibrierende Fenster, das rhythmisch an die Wand schlug.

„Wilder Wind!“, entfuhr es ihr.

„Das war Tucker!“, keuchte er, und raffte seine Knochen zusammen.

„Tucker, genau, nun rück endlich raus mit der Sprache, ist er Kennys Gegenstück, ja oder nein?“, rief Caro wütend werdend.

Nathan nickte, sein Gesicht blieb ausdruckslos, „Seine Zeit läuft ab!“

„Aha, und du hast die ganze Zeit über auf Frankensteins Monster aufgepasst, wie ritterlich, warum hast du ihn nicht getötet, oder so was, es gab doch wohl genug Gelegenheit!“, meinte sie, und schlurfte an das Fenster, versuchte es zu schließen.

„Das stand mir nicht zu!“, sagte er knapp.

„Dann warst du das damals, bei diesem Unwetter, hinter Tuckers Haus!“, entfuhr es ihr schnell.

Nathan grinste verschlagen, „Eine wirklich heldenhafte Aktion von dir!“, grummelte er durch zusammengebissene Zähne.

Caro hob die Augenbrauen, „Du wolltest ihn töten!“, rief sie brüsk, „Ich musste was tun!“

„Ich wollte ihn nicht töten, nur aufmerksam machen, und dich weglocken, aber diese Aktion weckte genau das Gegenteil, du hast dich auch noch gekümmert um ihn!“, murrte er aufgebracht, sein anderes Ich spiegelte sich plötzlich wider, Gesichtszüge waren hart geworden.

Sie kicherte hysterisch beherzt, „Ist denn das so ein Wunder, wie hättest du denn an meiner unwissenden Stelle reagiert, Nathan!“, ärgerte sie sich, und klatschte in die Hände.

„Sicher genauso, als Mensch, hat er dir etwa leidgetan oder so was?!“, knurrte er mürrisch.

„Er war verletzt, du meine Güte!“, Caro wanderte aufgeregt im Zimmer hin und her.

„Ich auch!“, Nates Person verschwand im Schatten des Raumes.

„Du bist schon Tod, schon vergessen, du Nachtschattengewächs!“, entfuhr es ihr knurrig.

Nathan legte seinen Kopf schief, „Ja, darüber bin ich mir im Klaren, nicht alle Verletzungen sehen gleich aus Caro!“, seine Worte klangen amüsiert und wütend zu gleich.

„Herz!“, sagte sie fest, und musste an die Zeit in Italien denken, sie konnte plötzlich das Meer schmecken und den warmen Sand unter ihren nackten Füßen, Nathans Worte, das Glücksgefühl.

„Gut erkannt!“, sagte er schneidend, trat wieder in das fahle Licht des Raumes, seine Anmut war verblasst, Wut zierte seine schönen Gesichtszüge.

Ihr Herz schlug schneller, viel schneller, „Nathan, das war eine Verkettung unglücklicher Umstände damals!“

„Es ist das letzte Gefühl, dass ich spüren durfte, bevor ich starb, und dieses Gefühl lebt in mir, und ich weiß das du auch etwas für mich empfunden hast!“, schrie er, und sein Gesicht sah ganz und gar nicht mehr so elegant aus, Caro nickte, hob ihre Hände in einer abwehrenden Position, „Schon gut, du hast recht!“, gab sie klein bei.

„Es wäre eine klitzekleine Bewegung, und du wärst für immer bei mir!“ sagte Nathan schwer, wand sich ab, und trat an den Kamin, schürte nach.

„Es ist warm genug!“, bemerkte Caro schal, rieb sich ihr Gesicht.

„Mir ist kalt!“, flüsterte Nathan, sie sah vorsichtig zu ihm, „Du bist tot, dir kann nicht kalt sein!“

Nathans Augen fingen ihren Blick, Unbehagen stieg wieder auf und vergiftete den gemütlichen Raum.

„Du hast einen morbiden Sinn für Humor, Nathan!“, rief sie aufgeregt, wanderte wieder auf und ab, „Wann werden sie hier sein?“

Er zuckte mit den Schultern, „Sicher bald, du bist ihnen zu wertvoll!“, Sarkasmus triefte aus seinen Worten.

In Caros Gehirn lief plötzlich ein Film ab, immer wieder, mal schnell, mal langsam, sie hatte die Situation falsch eingeschätzt, „Nein!“, rief sie schrill, Nathan fuhr herum, sah sie entgeistert an. „Sie wollen doch alle nur mein Blut!“, brach es aus ihr heraus.

Er schüttelte seinen Kopf, „Tucker nicht, der wollte dich, was Kenny betrifft, diese Antwort können wir uns selbst geben!“, Hass schwebte in Nathans Worten.

Sie musterte ihn kurz, und trat dann brüsk auf ihn zu, schlug ihm mit der flachen Hand in sein Gesicht, Schmerzen zogen sich durch jeden ihrer einzelnen Finger, einen Stein zu schlagen war sicher ein wenig irrational, doch er schien irritiert zu sein, „Caro was soll das!“, keuchte er mürrisch.

„Ich frage mich, für was diese Aktion hier wohl gut war, ein wenig Schnitzeljagd spielen vielleicht?“, ahnte Caro.

 

Die drei hatten Tuckers Laden verlassen, und waren an der Promenade entlang in Richtung Nathans Haus gegangen, das Wetter zeigte sich diplomatisch, der Regen hatte sich verflüchtigt, die Sonne versuchte sich mit einigen zarten Strahlen, Lina tänzelte neben Kenny her, und machte damit Tucker ganz wuschig, „Bist du immer so aufgedreht?“

Sie lachte, „Ich bin ein fröhlicher Mensch, wann sind wir da?“

Kenny unterdrückte ein Lachen, versuchte Tuckers Gedanken zu lesen, doch er konnte nichts erhaschen, alle seine Gedanken lagen unter, oder hinter, einer dicken Nebelwand.

Die Stimmung war nicht wesentlich besser geworden, bis sie das Haus sehen konnten, „Dort wohnt er!“, sagte Tucker, und hob seine Hand, zeigte auf das schmucke Haus, das auf einer Anhöhe stand.

 

„Sie sind gleich da!“, hauchte Nathan, und trat wieder zu Caro, deren Nasenflügel aus Wut und Verzweiflung bebten, er schnupperte an ihr, „Du riechst gut, eine Schande ist das!“, lächelte er zynisch, und dann klopfte es, „Die Gäste Schatz, gehst du öffnen, oder soll ich?“

Caro zitterte, „Geh du!“, hauchte sie tonlos.

Er schlug seine Lider nieder, verneigte sich sanft, wagte dann einen Schritt nach vorne, seine Arme schlangen sich fest um ihre Taille, so dass sie sich nicht mehr bewegen konnte, sein süßer Duft ließ Caros Geist schwindeln, und dann machte er auf dem Absatz kehrt.

Caro atmete tief aus, sie hatte immer noch Tuckers Waffe bei sich, schnell zog sie die Sig-Sauer aus dem Hosenbund und stopfte sie unter das Kissen, dass auf dem Sessel lag.

Nathan öffnete, „Kommt herein, wir haben euch erwartet!“, sagte er ruhig.

„Lassen wir die Floskeln, wo ist Caro!“, fiel Tucker mit der Tür ins Haus, und ging, ohne zu zögern an ihm vorbei.

„In guten Händen, Seth!“, antwortete Nathan, bat Kenny und Lina herein, die Caro gleich um den Hals fiel.

„Endlich!“, rief Caro erleichtert.

„Meine liebe Caro, du musst jetzt unbedingt mitspielen!“, flüsterte sie ihr ins Ohr, Caro hielt den Atem an, dann umarmte Kenny sie, und küsste sie vor versammelter Mannschaft, Nathans Blick versteinerte sich, Seths Augen formten sich zu schlitzen, und man konnte die kochende Luft fast greifen.

„Du hast mich belogen!“, krähte Seth spöttisch drohend.

Kenny küsste sie unbeirrt weiter, bis er eine Hand auf seiner Schulter spürte, die ihn von Caro wegriss, Lina ergriff sie und zog sie aus dem Schussfeld.

„Was hindert dich daran mich zu einem Meister der Künste zu machen, nenn mir einen Grund!“, schrie Seth aufgebracht, seine Lippen bebten, der Raum schien zu wachsen, Ecken und Nischen wurden sichtbar, die Sonne hatte sich zurückgemeldet.

„Ich denke, dass du nicht würdig bist, Vinces Titel zu tragen!“, erklärte Kenny seinem Gegenüber, Spott klebte an den Worten wie Kaugummi an einer Schuhsohle.

 

Tucker schnalzte mit der Zunge, „Wie soll ich es dir noch beweisen?“, Ungeduld und Wut schwebten wie eine Giftgaswolke über den Protagonisten des Tages.

„Es gibt nichts zu beweisen, Kenny!“, Nathan hatte das Wort ergriffen, und wieder flogen seine Worte wie Schmetterlinge durch den Raum, berührten Lina damit, sie hielt ihren Atem an.

„Ich habe endgültig genug von dir Nathan, zu lange schon klebst du an meinen Fersen, und hast mich daran gehindert, dass zu tun, was ich für richtig halte!“, Tuckers Worte trieften von Zynismus.

Lina sah verblüfft zu Caro, die nur das Gesicht verzog.

Kenny zückte den Ring, Tucker erstarrte, dann trat er gefährlich nah an den Kamin, „Dein Platz ist nicht an meiner Seite!“, war fest entschlossen den Ring in das lodernde Feuer zu werfen, doch eine blitzschnelle Handlung aus Tuckers Richtung, ließ den Ring aus Kennys Finger gleiten, er schwirrte kurz durch die Luft, und landete irgendwo im Raum, klimpernd kullerte er ins Nichts.

Die kleine Gruppe sah aufgewirbelt dem Schmuckstück nach, während Seth die Situation nutzte, und sich auf Kenny stürzte, der überrumpelt zu Boden taumelte.

Elegant und geschmeidig erhob sich Seth sofort wieder, und lief in Richtung Ring, seine scharfen Augen hatten ihn auch sofort entdeckt, er steckte sich das Kleinod an den Finger, Kenny rappelte sich auch wieder auf, doch Seth hatte Lina hart beiseitegestoßen, und Caro mit sich gerissen, „Ich möchte gerne, dass du den Ring aktivierst!“, drohte er, und verdrehte Caro schmerzhaft den Arm, „nein tu es nicht!“, brüllte sie überheblich, Schmerzen bohrten sich in ihre Schulter.

„Lass sie los!“, rief Kenny wütend, und ein seltsames Schmunzeln legte sich auf seine Mundwinkel.

„Ich verletzte, dass, was du liebst, ist das denn kein Grund!“, herrschte Tuck bitter, und sah ziemlich entschlossen aus.

Lina hatte das Gefühl, sofort und auf der Stelle explodieren zu müssen, doch Nathan erschien neben ihr, wie aus dem Nichts, ergriff ihre Hand und drückte sie sanft, sie sah zu ihm, Gedanken machten sich auf den Weg, ihr Gehirn begann zu schmelzen, und ihr Herz erlaubte sich schneller zu schlagen, ihre blauen Augen leuchteten, dann konnte sie ein schelmisches Grinsen erhaschen, sie stampfte leicht mit dem Fuß auf, bannte seinen Blick, wieder lächelte er, Linas Gedanken wirbelten herum, und verursachten Chaos im Kopf, tausend Fragen bauten sich auf, „Ich werde sie dir alle beizeiten beantworten!“, dachte er, und widmete sich wieder Kenny.

Kenny befand sich in einem Zwiespalt, wie würde Tucker handeln, er konnte seine Gedanken nicht lesen, ihn nicht abschätzen, „Ich brauche das Buch!“, sagte Kenny fest.

Seth stutzte, Caros Herz blieb stehen, sie wehrte sich nicht mehr, „Gut!“, meinte dieser milde.

Nathan regte sich kaum, war Kenny doch noch der dunklen Seite seines Buches verfallen, Lina schüttelte wild ihren Kopf. „Das darfst du nicht!“, rief sie aufgebracht.

„Es ist meine Entscheidung!“, meinte Kenny forsch, unterstrich seine Worte mit einer beschwichtigenden Handbewegung.

 

„Aber die dunkle Magie, Kenny tu das nicht!“, Linas Bestürzung war geradezu filmreif, sie funkelte ihren Freund wütend an und zog einen Flunsch.

Seth bat Caro an den Intarsien Tisch, drückte sie schon fast zärtlich in den Sessel, der danebenstand, Kenny trat langsam zu ihm, ließ das Buch erscheinen, der Holzboden unter seinen Füßen knackte seltsam, und überhaupt erstickte die ganze Atmosphäre in einem seltsamen Strudel, „Nun!“, setzte Seth ungeduldig hinzu, „Es ist an der Zeit, und ich habe so das Gefühl, dass du ein wenig Inspiration gebrauchen könntest!“, diese Worte schlängelten sich an Kenny hinauf, und verhielten ihm die Luft.

Seth zückte ein Jagdmesser, dessen Klinge glänzte ultrarein und scharf, er legte die Spitze an Caros Hals und zog einen feinen Schnitt, sie quiekte und konnte das Blut spüren, wie es warm über ihre Haut lief, es war im Grunde genommen immer wieder dasselbe, man benutzte sie als Druckmittel, unendliche Wut presste sich durch ihren Magen, Nathan verzog keine Miene als er ihre Gefühle empfing, bewegte sich kaum sichtbar auf die beiden zu, Kenny schnaubte leise.

Lina kniff ihre Lippen fest aufeinander, und ballte ihre Hände zu Fäusten, bis ihre Knöchel schmerzten.

Tucker schmunzelte, „Nun?!“, sagte er leise, und sah zu Kenny.

Widerwillig öffnete er das Buch, es schien als kämpfe sich die dunkle Magie des Buches kraftvoll an die Oberfläche, Kenny legte seine Hand auf die erste Seite, eine bitzeln krabbelte durch seine Fingerspitzen, wanderte angenehm weiter, es war tatsächlich Vinces Buch.

Tucker betrachtete das Schauspiel mit freudiger Erwartung, er konnte die Energie bereits spüren.

„Nein, tu es nicht!“, schnaufte Lina kraftlos, Tucker gluckste lässig, „Lass gut sein!“.

 

Caro kochte innerlich, rutschte nervös auf dem Kissen hin und her auf dem sie saß, „Aufhören sofort!“, ihre Stimme klang hysterisch, Lina war zu Kenny getreten, doch Tucker verlieh seinem Messer ruckartigen Nachdruck, Nathan verschränkte seine Hände, sah gebannt von einem zum anderen.

„Eigentlich bin ich dir zu großem Dank verpflichtet, aber ich denke, dass es reicht mit den süßen Worten!“, knurrte Seth, und seine Gesichtszüge verhärteten sich.

„Du hast deine Rolle sehr gut gespielt!“, meinte Kenny gefasst.

„Sicher, ich hatte Zeit, um sie zu üben, nun brauch ich nur noch eine edle Seele, und die steht vor mir, ich darf dann wohl bitten!“, Theatralik strahlte wie ein Atommeiler durch die Räumlichkeiten, dann trat Seth zu Kenny.

 

„Stehen bleiben oder ich schieße!“, schrie Lina wild, hatte ihre Dienstwaffe gezückt, neigte ihren Kopf leicht, und zielte genau auf Seth, der nur leise prustete, Caro hatte ihren Atem angehalten, diese Szene stand nicht im Drehbuch.

„Schieß!“, polterte Seth lachend, und hatte sich schwungvoll bewegt, doch Kenny schlug das Buch wütend zu, rammte seine flache Hand in Tuckers verletzte Schulter, diese elegante katzenartige Bewegung warf Seth aus dem Gleichgewicht.

Das Messer glitt lautlos zu Boden, und Caro sprang beherzt auf lief zu Lina, die immer noch wie angewurzelt im Raum stand.

Keuchend hielt sich Seth die Schulter, sein Blick wanderte im Raum umher, dann hob er seine Hände, „Gut ihr habt gewonnen!“, säuselte er gestrandet.

„Du bist festgenommen, Seth Masters!“, Lina ging schwungvoll auf ihn zu, Kenny erkannte die Gefahr zu spät, Tucker ergriff blitzschnell das Buch, und entwaffnete mit einem gehaltvollen Schlag Lina, sie torkelte und die Pistole flog in hohem Bogen durch den Raum, benommen wirbelte Lina zu Boden und versuchte sich wieder einzusammeln, Kenny kreiste herum, und rammte seinen Fuß in Seth Bauchseite, das Buch klatschte auf den Tisch, ein Stöhnen wanderte durch den Raum, dann traf ihn wieder Kennys flache Hand, krachend stürzte er über den Tisch, der tausend Splitter zerbarst.

„Hört auf, Kenny, Seth!“, schrie Lina wütend, und stampfte mit beiden Beinen auf den Boden, doch Kennys nächster Schlag saß auch wieder perfekt, „Hör auf, Kenny!“

Seth hob schützend seine Hände vors Gesicht, „Es reicht, ich bin bedient!“, keuchte er würgend wischte sich das Blut aus der Nase

 

Nathan nickte schmunzeln, Caro schnaubte, „Warum stehst du hier nur dumm rum!“, herrschte sie flau.

Ein Grinsen huschte über Nathans ebenmäßiges Gesicht, er ergriff Caros Hand zog sie an sich, sie quiekte erschrocken auf, „Du hast mich aufgefordert etwas zu tun!“

„Ja aber...!“, stotterte sie aufgebracht, und konnte ihren Puls in den Schläfen spüren.

„Ich bin sozusagen geschäftlich hier!“, meinte Nate sachlich, und sah dabei Caro lange an.

„Oh, ich ahne schlimmes!“, murrte sie, und ihre Ohren wurden heiß.

„Es wird nicht weh tun, glaub mir!“, flüstert er ihr ins Ohr.

„Nathan, nein!“, rief sie weinerlich, doch da legten sich seine toten Lippen schon sachte auf ihre, „Du wirst nichts spüren!“.

 

Lina erstarrte in diesem Moment zu Stein, ihr Körper wurde eiskalt, „Nein!“, rief sie überfallen, und konnte sich kaum bewegen.

Die beiden Streithähne sahen gleichzeitig in Nathans Richtung, der gerade Caro küsste, die langsam in seinen Armen erschlaffte.

„Es war mir eine Ehre!“, bemerkte Nathan befriedigt, legte seine Hand zum Gruß an die Stirn, und verschwand aus der Arena.

 

Kenny stürzte auf Caro zu, gefolgt von Seth, beide knieten sich neben sie, Lina hatte die Hände vor den Mund gelegt und schien fassungslos.

Seth fühlte ihren Puls, schüttelte seinen Kopf, honigkaramellfarbenen Augen liefen in Kennys Gesicht, „Tu was, du...!“, knurrte er außer sich.

„Ich kann sie nicht zurückholen, meine Kräfte reichen dazu noch nicht aus!“, Kennys Stimme erstickte mit jedem Wort mehr.

Seth schürzte seine Lippen, dann bohrte sich sein Zeigefinger in Kennys Brust, „Du wirst jetzt alle deine Kräfte mobilisieren, und sie zurückholen!“, drohte dieser fest.

„Versucht es doch gemeinsam!“, Linas Worte flogen dünn aus dem Hintergrund.

Die beiden Männer sahen sich vorwurfsvoll an, wortlos, doch dann legte Kenny seine linke Hand auf Caros Brust, und Seth tat es ihm gleich.

 

Caro wanderte durch eine wunderschöne Baumallee, schnupperte dabei die frische Frühlingsluft, es war ein wunderschöner Tag, und der See, an dem sie vorbeikam, lag kalt und klar vor ihr, dann kam sie an das Blockhaus, Vince saß bereits vor der Tür auf der Veranda in einem Schaukelstuhl, erwartete sie bereits.

„Schöner Tag!“, meinte er, und lächelte verschlagen.

Sie nickte, setzte sich neben ihn auf die Bank, ließ ihren Blick gleiten, „Musste das sein?“

„Tja, ich war mir sicher, dass Kenny Seth nicht akzeptieren würde!“, erklärte Vince sachte, und sah zu ihr.

„Du hättest es ihm doch nur erklären müssen, warum immer diese Hauruck Aktionen!“, schimpfte sie.

„Kenny war so weit gegangen, dass eine einfache Erklärung nichts mehr gebracht hätte, die dunkle Seite des Buches ist nicht nur ein Kindergeburtstag, diese Typen sind durchaus schlecht, und sehr stark, eine ganze Weile haben wir zugesehen, aber es veränderte sich nichts, dann kam der Auftrag eine wirklich sehr gute Gelegenheit für uns nun sitzen wir hier!“, erklärte er sanft und schaukelte leicht vor und zurück.

„Und Seth?“, Caro sah zu ihm, er hatte sich erhoben und sie aufgeforderte ein Stück mit ihm zu gehen.

„Du wirst ihn mögen!“, erzählte er leise.

„Was?“, hauchte sie verstreut, und räusperte sich.

„Spring über deinen Schatten, einmal wenigstens!“, sagte er, und drückte ihre Hand, sie blieb stehen, sah ihn nur verstrahlt an, „Ich liebe dich, schon vergessen, Mrs. Randolph!“

Sie sah ihn nur entgeistert an, „Ich verstehe nicht ganz!“

Vince lächelte, „Ich küsse dich!“, hauchte er, und sah sich um, Seth erschien in der Ferne, Caros Knie zitterten plötzlich, sie schüttelte ihren Kopf, „Erklärst du mir…!“

Vince schüttelte seinen Kopf, ein Schmunzeln erschien um seine Mundwinkel, „Kenny ist über seinen Schatten gesprungen!“, Vince ließ Caros Hand los, und ging auf Seth zu.

 

„Ich bin sehr froh dich hier zu treffen!“, sagte Seth leise zu Vince, Caro konnte kein Wort verstehen, wagte es aber auch nicht, zu den beiden zu treten.

In Vince Gesicht erschien ein weiches Lächeln, „Ich auch!“, dann umarmte er Seth beherzt, „Viel Glück kleiner Bruder!“

„Danke Julien, alias Vince!“, sagte Seth, und löste sich, kam auf Caro zu, streckte ihr seine Hand entgegen, nickte, „Komm!“

„Wo gehen wir hin? Und Kenny?“, fragte sie sachte.

Seth sah um, Kenny stand am Anfang der Allee, Hände in seinen Manteltaschen vergraben, Caro sah von Vince zu Seth, „Aber…!“

„Kein Aber, Caro!“, flüsterte Vince, küsste seinen Zeigefinger, und drückte ihn ihr auf die Lippen.

 

Hätte Em nicht alle Hände voll zu tun gehabt, wäre sie sicher an akuter Nervosität gestorben, doch dann wurde die Tür ihres Lokals geöffnet, Lina schwang behände herein, ein listiges Grinsen auf ihren Lippen, gefolgt von Kenny, Tucker und Caro, das Bier, dass sie gerade zapfte lief über, und sie schnappte ein paarmal nach Luft.

„Leute!“, schrie sie durch das volle Lokal, und sprang hinter der Theke hervor, lief auf die kleine Gruppe zu, umarmte sie alle stürmisch, „Ich bin ja so froh, dass es euch gut geht!“

Caro hatte sich gestrandet auf einen Stuhl fallen lassen, rieb sich das Gesicht, „Ich werde alt!“

Lina war an der Bar verschwunden, um die ganzen Kuchen zu begutachten, die Ira dort aufgebaut hatte, Kenny widmete sich der überglücklichen Em und Seth hatte sich einen Stuhl herangezogen, „Und?“.

„Ich habe keine Lust mehr Worte zu verschwenden!“, murrte Caro erledigt.

Seth nickte nur enttäuscht, erhob sich langsam, „Gute Reise noch!“

„Kommst du nicht mit?“, fragte Kenny ihn fassungslos, als er Seth Worte vernommen hatte.

Seth schüttelte seinen Kopf, war wieder auf den Weg nach draußen, Kenny hatte das Gefühl, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen, „Nein!“, rief er ihm zu, das Publikum im Lokal sah kurz zu den beiden.

Caro schnaufte bedrückt, Lina schaufelte sich ein Stück Schokoladenkirschcreme Kuchen auf einen Teller, und steckte sich gleich ein großes Stück in den Mund, „Möchtest du Kakao dazu, den habe ich frisch gemacht?!“, fragte Ira, aus der Küche.

Die Tür schloss sich, Seth war verschwunden, Em stupste Caro unsanft an, grunzte unzufrieden, dann versetzte sie ihrem Blick Nachdruck, Caro erhob sich ein wenig widerwillig, und folgte Tucker nach draußen vor das Pub.

„Kneifen gilt nicht!“, rief sie ihm nach, und verharrte in der Tür.

Er ging einfach weiter, ignorierte ihre Worte.

„Erst kämpfst du dafür, und jetzt?!“, ihre Worte flogen durch den einsetzenden Nieselregen.

Seth hob kurz seine Hand, und seine Person verließ den großen Platz, verlor sich in der Promenade.

 

ENDE

 

v. Caro!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Impressum

Tag der Veröffentlichung: 28.10.2023

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