Hast du dir jemals vor Augen geführt, dass sich jeder Mensch der Einmaligkeit & Einzigartigkeit des eigenen Lebens bewusst ist und wir genau wissen, dass jede Minute die vergeht bedeutet, dass unser Leben wieder um eine Minute kürzer geworden ist. Und auch wenn wir uns diesem immer bewusst sind, verschwenden wir unsere Zeit. Wir verschwenden unsere Zeit mit allem was wir tun. Dennoch können wir es nicht verändern, da wir einfach nicht wissen was wir machen sollen.
Wenn wir mal von dem standardisierten Lebensstil in unserer Gesellschaft absehen, ist uns kein großes Ziel gegeben, welches wir bis zum Ende unseres Lebens erreichen sollen.
Für die einen mag dies vielleicht ein Grund sein am Leben zu scheitern, weil sie einfach den Sinn nicht mehr sehen. Für die anderen jedoch ist diese Ungewissheit was den Sinn des Lebens betrifft, vielleicht gerade der Antrieb weiter zu machen, in der Hoffnung schlussendlich doch noch herauszufinden, wofür man eigentlich gelebt hat.
Egal was der Sinn des Lebens auch sein mag, ob es sich nun um etwas komplexes handelt was wir nicht verstehen können oder ob der Sinn des Lebens einfach aus dem Leben an sich besteht, ist am Ende doch nun wirklich nicht wichtig.
Für uns als Mensch zählt doch nur, am Ende seines Daseins ein erfülltes Leben gehabt zu haben. Wobei eine Definition des Begriff des “erfüllten Lebens” an dieser Stelle jeder für sich selber finden muss und somit auch beachten sollte, das jeder in dieser Hinsicht verschiedene Ansichten besitzt.
Hast du dir jemals vor Augen geführt, dass sich jeder Mensch der Einmaligkeit & Einzigartigkeit des eigenen Lebens bewusst ist. Dass wir genau wissen, dass jede Minute die vergeht bedeutet, dass unser Leben wieder um eine Minute kürzer geworden ist.
Aber denkst du auch mal an dass, was sich Menschen nicht so gerne vor Augen führen, sondern lieber tief in sich vergraben.
Hast du dir jemals bewusst vor Augen geführt, dass dein Leben sich verändern könnte. Nicht nur von Heute auf Morgen, sondern auch schleppend langsam.
Und nicht nur das. Wir verlieren so viel Zeit, dass wir vergessen, dass unser Leben so wie wir es kennen, jeden Moment aufhören könnte.
Auch jetzt.
“Aber woher weiß man denn, ob etwas wirklich existiert. Es ist für uns natürlich am deutlichsten, dass etwas existiert, wenn wir es sehen oder fühlen können. Jetzt in diesem Moment wissen wir, dass dieser Tisch existiert, dieser Raum und alle Personen in ihm, das würde niemand abstreiten. Auch andere Dinge die wir wahrnehmen existieren, wie zum Beispiel Gerüche oder Wärme und Kälte oder der Geschmack von etwas. Wäre also naheliegend zu sagen, dass nur Dinge existieren, die wir mit unseren Sinnesorganen wahrnehmen können. Jedoch existieren für uns auch Dinge wie Zeit oder Gefühle und diese können wir ja nicht mit unseren Sinnen wahrnehmen. Okay ja es bleibt empirisch belegbar, aber woher wissen wir, dass nicht auch Dinge existieren von denen wir nicht wissen, solche die wir weder wahrnehmen, noch auf irgendeine Weise belegen und erklären können. Im Endeffekt können wir uns also doch überhaupt kein Bild über das machen, was existiert.”
Stille. Der ganze Raum war komplett still. Unsicher blickte ich mich um und sah, dass mich gerade zwanzig Augenpaare musterten. Die meisten schienen einfach nur verwirrt zu sein, in einigen der Augen konnte man jedoch auch Spott und Unverständnis erkennen. Vielleicht auch zurecht, da mein Beitrag zum Unterricht nicht wirklich verständlich oder aufschlussreich war und vermutlich auch niemandem klar war, was ich hatte sagen wollen. Gänzlich unpassend war er allerdings auch nicht, da wir in Philosophie gerade über Existenz des Menschen sprachen. Mein Beitrag war also höchstens etwas vom Thema abgekommen. Damit diese Stille nicht allzu peinlich wurde, wollte ich gerade abwinken, als sich jemand aus meinem Kurs meldete.
“Ich denke nicht, dass es irgendwas gibt, dass etwas existiert, was nicht wissenschaftlich erklärbar ist. Alle anderen Dinge sind einfach Glaubenssache, wie man halt an Gott glauben kann oder an Geister. Muss jeder für sich entscheiden.” Es war typisch, dass gerade er diese Antwort gegeben hatte. Sean, der mit Abstand arroganteste Mensch, neben meiner Tante, den ich bis jetzt kennenlernen durfte. Alles und jeden machte er runter, wenn etwas nicht so lief wie er wollte, oder jemand anders dachte als er. Was mich am meisten an dieser Antwort ärgerte, war, dass er einfach Recht hatte. Für uns Menschen war alles “Glaubenssache”, was wir nicht belegen konnten. Ich versuchte mir krampfhaft eine Antwort zu überlegen, als es zur Pause schellte. Ich nahm meine Sachen und trat raus auf den Flur, als mir eine Hand auf die Schulter klopfte. Es war die von Sean, dem Jungen, der gerade meine Gedanken mit der harten Realität zerstört hatte. Ich drehte mich zu ihm um und sah wie er mich angrinste. Kein freundliches Grinsen, eher eins dieser schmierigen und gehässigen Sorte. “Na unsere kleine Cassie glaubt wohl an das Übernatürliche, nicht wahr?” Er lachte über das was er sagte, als wäre es das lustigste, was er seit langem gehört hatte. Ich hatte in dieser Sekunde jegliches Interesse an einem Gespräch verloren, dennoch machte ich mir die Mühe ihm zu antworten. “Nein tue ich nicht. Ich fand die Vorstellung nur sehr interessant, dass es Dinge gibt über die wir einfach keine Macht haben, über die wir nichts wissen, Dinge die einfach neben uns her existieren, ohne dass wir davon etwas mitbekommen. Aber du hast Recht, so was ist Glaubenssache und wenn man mich fragen würde, ob ich glaube, sei es nun an Gott oder Geister wäre meine Antwort wohl nein.” Sean schaute mich noch einige Sekunden lang an schüttelte dann den Kopf und ging in die andere Richtung des Flures. Plötzlich fühlte ich mich alleingelassen und einsam. Nicht wegen Sean, ich konnte ihn nicht ausstehen, sondern weil mir klar wurde, dass es auch unter meinen Freunden niemanden gab, der mich verstehen würde. Ich ging erst gar nicht zu den anderen in die Pause, sondern machte mich direkt auf den Weg zum nächsten Unterricht. Ich wollte allein sein, nicht einsam so wie ich mich fühlte, aber allein, um über meine Gedanken nachzudenken.
Die Schulflure entlanglaufend, dachte ich die ganze Zeit über an die Philosophiestunde. Nicht dass ich an Geister glaubte, aber ich interessierte mich sehr fürs Übernatürliche, besonders für Sagen und Mythologie. Irgendwoher musste das alles ja kommen. Es ist schwer vorstellbar, dass sich irgendwer mal diese ganzen Gestalten und die dazugehörigen Sagen einfach so ausgedacht hatte und sich von keiner Wirklichkeit inspirieren hat lassen. Vertieft in meine Gedanken, schlenderte ich über den Gang und sah somit nicht wie jemand auf mich zu und folglich auch in mich hineinlief. Meine Tasche fiel herunter und ihr gesamter Inhalt verteilte sich auf dem Boden. Ohne den Jungen weiter zu beachten, kniete ich mich hin um meine Hefte und Mappen wieder in meine Tasche zu befördern. Als ich fertig war und wieder aufstand, bemerkte ich, dass der Junge immer noch da stand, also betrachtete ich ihn genauer. Er musste ungefähr in meinem Alter sein und schien kein Schüler zu sein, denn ich hatte ihn hier noch nie zuvor gesehen. Er war relativ groß und nicht sonderlich muskulös, eher so das gute Mittelmaß. Er trug einen ziemlich weiten grauen Sweater, welcher ihn warscheinlich noch dünner erscheinen ließ, als er es ohnehin schon war. Schwarze Haare fielen in sein markantes blasses Gesicht und verdeckten beinahe seine dunkelgrünen Augen. Sein Anblick faszinierte mich. Er war keine Schönheit, aber sein starrer Blick fesselte mich und jagte mir einen Schauer über den Rücken, den ich nicht einzuordnen wusste. “Alles klar?” fragte er mit leiser Stimme. “Ja alles in Ordnung” sagte ich und versuchte ein Lächeln. Neben uns lief eine Gruppe Schüler entlang, die mich allesamt ansahen als wäre ich geisteskrank. Ich merkte, dass ich ihn anstarrte, also fasste ich mich wieder und versuchte mich auf einen Punkt im Hintergrund zu fokussieren. Auch in ihn kam langsam wieder Bewegung. “Man sieht sich” flüsterte er, sodass ich es kaum verstehen konnte und verschwand in der Masse der Schüler.
Wer war dieser Junge. Er hatte etwas unheimliches an sich, etwas dunkles, außergewöhnliches, was mich faszinierte. Er schien mir anders zu sein, als die Leute, die ich so kannte. Ich ging weiter zu meinem Unterricht und überlegte krampfhaft woher ich diesen Jungen kennen konnte. Er kam mir nicht fremd vor, sondern auf eine komische Art und Weise vertraut, als wäre er ein alter Bekannter den man einfach nicht wieder erkannte. Aber irgendwoher musste ich ihn kennen. Diese grünen Augen, ich hatte sie schonmal zuvor gesehen. Die ganze Doppelstunde Mathe konnte ich mich nicht konzentrieren. Selbst wenn ich falsch lag und ihn nirgendswoher kannte, wüsste ich doch gerne wer er war. Ich konnte mir meine Faszination nicht erklären, noch nie hatte mich eine Person so sehr gefesselt wie er. Nicht weil ich ihn attraktiv oder besonders höflich fand, nein es war irgendwas anderes was mich mit ihm verband.
Nach der Schule machte ich mich auf den Weg zu meiner Tante. Bei ihr zu leben war soweit okay, solange ich nicht versuchte mit ihr zu reden. Ständig betonte sie, dass sie meinen Vater nicht hatte ausstehen können, und ich wusste, dass das Gleiche auch für mich galt. Sie sah mich als eine Art Last und gab meinen Eltern die Schuld an der Tatsache, dass ich bei ihr wohnen musste und sie meine nächste Verwandte war. Ich war nicht im Stande mir ein Bild von meinen Eltern zu machen, da sie, wenn Tante Rosanna über sie sprach, nur schlecht über meine Eltern redete. Meine Mutter war kurz nach meiner Geburt durch einen Autounfall gestorben und mein Vater hatte sich noch am selben Tag aufgehängt.
Ein tragisches Schicksal für ein so kleines Kind, doch meine Tante hatte sich immer um mich gekümmert, wenn auch nicht unbedingt gut.
Seitdem ich denken kann beklagt sich meine Tante nun über meine Eltern und sobald ich irgendetwas sagte, was ihr nicht passte, schaute sie mich mit diesem enttäuschten Blick an und sagte:” Genauso unheilbringend wie deine Mutter”.
Ich wusste, dass sie meine Mutter für den Tod meines Vaters verantwortlich machte. Für sie hat meine Mutter nur Unglück über die Familie gebracht, unglückliche Dinge wie mich.
Auf Tante Rosannes Wunsch hin, hatte man mich Cassandra getauft. Wie die Wahrsagerin in der mythologie, die Unheilsbotin. Da sie jedoch wohl meinen Vater sehr geliebt hatte, auch wenn sie heute anderes behauptet, hatte sie es nicht übers Herz gebracht den Namenswunsch meiner Eltern zu ignorieren. Also heiße ich Cassandra Seraphine, meiner Meinung nach ein furchtbarer Name. Auch wenn Seraphine eine Abwandlung von Seraph ist, welcher im hebräischen Engel des Lichts bedeutet, kann ich dem Namen nicht viel abgewinnen. Wenn es nach Rosanne gehen würde, hätte sie mich glaube ich auch eher Lucifer getauft, weil sie der Meinung ist, dass ich den Namen Seraphine nicht verdient hatte. Sie war einfach nur verbittert und gemein und zum Glück gerade nicht zu hause, was ich sofort ausnutzte um zu duschen und mich umzuziehen, um schnellstmöglich wieder das Haus verlassen zu können.
Frisch geduscht und umgezogen, fragte ich mich, ob ich noch schnell etwas essen sollte. Mein Magen beantwortete diese Frage mit einem lauten knurren, also öffnete ich den Kühlschrank. Mein Fach war wie immer leer, bis auf eine Milchschnitte, die mir Stan-ly, der kleine Sohn von Rosanne, wohl ohne ihr Bemerken hineingelegt hatte. Dankbar nahm ich die Milchschnitte an und legte eine Notiz mit einem Smiley darauf in Stan-ly´s Fach, in dem sich fast nur Süßigkeiten befanden. Rosannne hatte den Kühlschrank penibel aufgeteilt. Es gab zwei Familienfächer, für Rosanne, ihren Mann Georg und Stanly, in denen sich alles Mögliche befand was man sich an Nahrung vorstellen konnte, dann noch ein Fach nur für Stan-ly, indem sämtliche seiner Süßigkeiten gehortet sind und noch eins für mich, was immer leer war da weder ich selbst noch Rosanne für mich einkauften. Ich war also sehr froh in meinem Fach die Milchschnitte vorzufinden, welche wieder mal bewiesen hatte, dass diese Familie nicht durch und durch schlecht war, was mich stark verwunderte. Wie konnte sich ein Kind was so eine Erziehung erleiden muss halbwegs zu einem normalen Menschen entwickeln. Das musste eindeutig mit meinem Einfluss zu tun haben. Ich schnappte mir meine Jacke und zog meine Schuhe an, beinahe hatte ich meine Kamera vergessen. Ich lief also nochmal in mein Zimmer um sie zu holen. Als ich die Haustür öffnete Schlug mir der kalte Wind ins Gesicht. Es war stürmisch, doch alles war besser als Zuhause zu sein und mit meiner “Familie” reden zu müssen.
Es dämmerte schon, als ich an dem kleinen See des nahegelegenden Waldstückes ankam. Es war schön ruhig und nichts war zu hören, außer dem zwitschern der Vögel und den zirpenden Grillen. Ich saß einfach da und betrachtete die glatte Oberfläche des Sees, in der sich der Sonnenuntergang spiegelte. Mit geschlossenen Augen genoss ich einfach diesen Augenblick des Alleinseins. Die natürliche Atmosphäre half mir wieder einen klaren Kopf zu bekommen und diesen von meinem Tag zu befreien. Dieser Ort zog mich in den Bann wie kein zweiter, hier konnte ich einfach loslassen. Diese natürliche Schönheite raubte mir immer und immer wieder den Atem. Die Stille befreite meine Seele von allem negativen. Für mich war dieser Ort magisch. Noch nie hatte ich hier eine andere Person getroffen und ich hoffte, dass dies noch eine Weile so bleiben würde. Ich war schon froh darüber, dass Jugendliche diesen Ort nicht als beliebten Treffpunkt gewählt hatten und er somit nicht verschmutzt oder sonstiges war. Er war einfach ein unberührtes Stück Natur.
Früher habe ich mir immer vorgestellt, dass tief unterhalb der Oberfläche des Sees noch etwas wäre, eine andere Welt, die einfach auf den Kopf gedreht ist. Eine Welt in der alles anders ist, besser, als es hier in dieser jemals sein würde. Eine meiner schönen Kindheitserinnerungen, an die ich gerne dachte, wenn ich mal wieder die Spiegelungen des Waldes im See betrachtete.
“Seraphine?” Ich zuckte zusammen, da ich niemanden kommen gehört hatte, was mich stark wunderte, da sich leise gehen auf dem Kiesweg als ziemlich schwer erwies. Langsam drehte ich mich um. Die Stimme kam mir bekannt vor, jedoch nicht bekannt genug, für die dazugehörige Person um meinen Namen zu kennen. Vorallem nicht diesen Namen. Ehe ich mich ganz umdrehen konnte, saß er auch schon neben mir. Der mysteriöse Fremde aus der Schule. Ich schaute ihm direkt in die Augen und bemerkte, dass der Dunkelgrünton seiner Augen viele hellgrüne Sprenkel enthielt, welche seine Augen zum strahlen brachten. Immer noch sprachlos saß ich einfach neben ihm. In meinem Kopf erklangen viel zu viele Fragen gleichzeitig und ich wusste nicht mit welcher ich beginnen sollte. Es war ein einziges Rauschen. Ich wollte so viel von ihm wissen und ich wusste nicht einmal warum. Es war ein unheimliches Gefühl. Ich kannte ihn gar nicht, doch fühlte mich auf seltsame Weise mit ihm verbunden. Ich wünschte mir, dass er etwas sagt mir meine Fragen beantwortet ohne dass ich diese Stellen muss. Die Atmosphäre zu beschreiben war unfassbar schwierig, wie auch schon in der Schule, fühlte ich etwas unfassbar vertrautes und dennoch war es so irrational. Ich fühlte mich von seiner Anwesenheit nichtmal gestört, obwohl das hier mein Platz war, mein Rückzugsort. Er war einfach hier eingedrungen und dennoch stand ich dem nicht negativ gegenüber.
Als mir klar wurde, dass er nichts mehr sagen würde, konnte ich mich nicht mehr zurück halten. “Wer bist du? Woher kennst du mich und meinen Namen? Warum bist du hier?” Alle Fragen platzten einfach aus mir heraus. Er schaute mich an, so wie jemand der nicht mitbekommen hatte, dass man mit ihm redet oder jemand der einen nicht verstand. Er atmete tief ein “ Wie geht es dir Seraphine?”. Verwirrt schaute ich ihn an “Gut, aber das beantwortet gar nichts. Wer bist du?”. Sein Blick ruhte immernoch auf mir, ich hatte das Gefühl, er war noch durchdringlicher geworden als vorher.Irgendwie ernster. “Warum lügst du?” Ich schluckte, wer war er, dass er sagen konnte ob ich lügte oder nicht. So langsam wurde ich ärgerlich über das Verhalten dieses Jungen. Er stellte mir Fragen und beantwortete dabei meine nichtmal. “Hör zu” sagte ich “ ich weiß nicht wer du bist und kenne nicht mal deinen Namen, wieso sollte ich darauf also antworten?” Ein Lächeln huschte über das ernste Gesicht “ Ich bin Jari. Also warum hast du gelogen und nicht einfach erzählt, dass du dich ziemlich einsam fühlst und du denkst, dass dich niemand versteht. Ich sehe dir an, dass du es sagen wolltest.”. Ich war sprachlos, was bildete er sich denn ein zu behaupten wie ich mich fühlte. Mal davon abgesehen, dass alles was er gesagt hatte zutraf, was mir zudenken gab, hatte er trotzdem nicht das Recht solche Behauptungen auszusprechen. “ Bitte wer sagt sowas denn? Woher willst du wissen ob ich mich so fühle.” fuhr ich ihn an. Dafür hatte er nur ein seufzen übrig. Was erwartete er denn bitte. Er hattte mir seinen Namen genannt, Jari, das machte uns allerdings noch lange nicht zu Freunden. Auch wenn ich gestehen musste, dass sein Name zu ihm passte. Ich hatte ihn noch nie zuvor gehört, aber er gefiel mir auf Anhieb. Der Name hatte etwas mystisches, er erschien mir besonders wichtig und ich nahm mir fest vor nach seiner Bedeutung zu suchen sobald ich zu hause war. Ich hatte mich wieder etwas beruhigt und es tat mir im nachhinein leid ihn so angefahren zu haben. “ Tut mir leid, aber es ist schon komisch wenn Personen die du nicht kennst, dir solche Fragen stellen und so tun als ob sie Bescheid wüssten.”
Er lachte. Es war ein helles und klares Lachen und ich wünschte , dass es länger anhalten würde, doch er brach ab um mir zu antworten. “Aber ich weiß Bescheid Cassandra Seraphine Grey. Das ist es ja, ich weiß genau über dich Bescheid.”
Erstaunt schaute ich ihn an. Ein Schauer lief über meinen Rücken und ließ mich zittern. Ich konnte nichts tun, ich wollte gerne weglaufen. Diese Situation war so surreal. Aber ich konnte nicht, ich konnte nichts anderes tun als ihn anzuschauen und alles was aus mir herrauskam war ein wispern “Wer bist du?”.
Er stand auf und ich dachte für einen Augenblick er wolle gehen, als er sich wieder zu mir umdrehte und er mit seiner rauen Stimme verkündete “Ich bin Jari und ich bin ein Casti. Dein Casti.”
Casti verfügen über eine besonders hohe Auffassungsgabe und sind sehr kräftig.
Sie besitzen sehr ausgeprägte Sinne.
Für die Rasse der Casti sind auch noch die sog. Alaris bezeichnend. Diese sind zwar ein dienliches Mittel der Fortbewegung, dennoch bleiben sie wegen der großen Schmerzen, die die Alaris bringen und der daraus resultierenden Sterberate ein eher unbenutzter Vorteil der Casti.
“Ein was?” Ich war mir nicht ganz sicher, ob er mich nicht verarschen wollte. Was hatte er gesagt? Ich verstand nichts mehr. “Hör mir mal zu ja. Ich habe keine Lust von dir so dermaßern verar…” Er unterbrach mich mit einem breiten Grinsen auf seinem Gesicht. ”Jeder hat einen.” “Einen was?” verständnislos schaute ich ihn an. Ich musste dabei so unglaublich lustig ausgesehen haben, denn er lachte laut los.
“Jeder Mensch hat einen Casti, wir passen auf euch auf.” “Also willst du mir gerade ernsthaft erzählen, dass du mein Schutzengel bist?” Diesmal war ich es, die laut lachte. Was dachte dieser Typ sich eigentlich. Als ob ich an diesen ganzen Quatsch glauben würde. Er schaute mich entsetzt an. “Beim großen Erzengel nein! Ich will dir doch nicht weißmachen, dass ich ein Engel bin. Casti stehen, was die Mächtigkeit betrifft, unter den Engeln. Nein, die einzige Aufgabe eines Castis besteht darin, seinem Menschen zu helfen, wenn dieser sich vollkommen allein fühlt.” Ich prustete laut los “Du verarschst mich doch. Wenn du das wirklich ernstmeinst, musst du es beweisen. Viel Spaß dabei. ”
Er säuftzte und holte dann einen Hefter aus seiner Tasche. Ich wusste nicht so recht was damit anzufangen, als er mir ihn auf den Schoß legte. “Mach ihn auf und schau rein” forderte er mich auf. Zögerlich öffnete ich die Mappe und blätterte hindurch. Ich ließ sie fallen, als hätte ich mich an ihr verbrannt. Der Hefter zeigte mein ganzes Leben. Es gab ein paar Fotos, aber hauptsächlich Geschichten, die von meiner Kindheit bis hier her reichten. Die meisten waren in Tagebuchform geschrieben, von ihm. Ich sprang auf. Ein einziger Gedanke erfüllte mich, renn. Ich lief und lief durch den Wald auf dem Weg nachhause. Er war ein Stalker, ein Verrückter, er war einfach krank. Ich hörte ihn hinter mir rufen “Seraphine, bleib stehen. du brauchst keine Angst zu haben, ich werde dir nichts tun.” Ich reagierte nicht, dass einzige zu dem ich in dieser Situation fähig war, war wegzulaufen. Ausgeliefert, vollkommen schutzlos fühlte ich mich, weshalb ich zunächt versuchte mich hinter Büschen zu verstecken, doch er kam immer näher. Getrieben von Angst und Panik lief ich weiter davon, aber dennoch hörte ich, wie er mich immer weiter einholte. Völlig außer Atem war ich in meiner Siedlung angekommen und rannte geradewegs auf unser Haus zu, als mich eine Hand von hinten erfasste. Ich schrie laut auf, “Lass mich los, lass mich einfach los.” Doch er dachte nicht daran. Sein Griff wurde fester und er zog mich nach hinten. Ich sah keinen anderen Ausweg als ihm meinen Ellbogen ruckartig in den Magen zu rammen. Er sackte nach hinten und ich lief schnell zur Tür und schlug sie hinter mir zu. “Seraphine” rief er von draußen. Ich lehnte mich an die Tür und schrie “Verpiss dich du Stalker.” Mit Tränen in den Augen fügte ich wispernd hinzu “Geh einfach weg von mir.” Zitternd saß ich vor der Tür und hörte ihn leise murmeln “ Ich bin kein Psychopath und ich werde es dir beweisen, koste es was es wolle” Stille. Ich saß einfach nur da und konnte mich nicht bewegen. Keinen Laut gab ich von mir. Die Stille wurde allerdings durch meine Tante unterbrochen, die wütend die Treppe hinunter stampfte. “Was fällt dir eigentlich ein um diese Zeit so einen Krach zu machen. Du hast bei uns so viel Freiraum und schaffst es nichtmal dich an die Grundregeln dieses Hauses zu halten. Du bist einfach zu nichts zu gebrauchen. Genau wie deine Mutter. Und jetzt ab in dein Zimmer, ich würde dich am liebsten gar nicht mehr sehen.” Ihr Gesicht war rot angelaufen so erzürnt war sie. Ich hatte an nichtsmehr denken können. Nichtmal an die verordnete nächtliche Ruhe. Niedergeschlagen und ohne ein Wort zu erwidern ging ich die Treppe hoch in mein Zimmer. Ich starrte an die Decke und versuchte mir zu erklären was dort gerade passiert war, doch ich konnte es einfach nicht. Ich war unfassbar niedergeschlagen, ja fasst schon traurig darüber, dass sich Jari als Verrückter herrausgestellt hatte. Diese Verbindung die ich Gefühlt hatte, erschien mir im nachhinein nun noch lächerlicher. Je länger ich darüber nachdachte, desto müder wurde ich. Bis ich irgendwann einfach einschlief.
Ich zuckte hoch. Der Dunkelheit nach zu urteilen, musste es mitten in der Nacht sein. Irgendwas hatte an mein Fenster geklopft. Oder hatte ich mir das etwa nur eingebildet. Aber da, schon wieder ein leises klopfen. Panik überfiel mich und ich lag regungslos in meinem Bett und starrte auf mein Fenster, durch welches der Mond direkt auf mein Gesicht schien. Plötzlich sah ich eine Hand am Fenster, die gegen die Scheibe klopfte. Ich zuckte zusammen. Das war unmöglich. Niemand konnte bis in den ersten Stock klettern. Vorallem nicht so leise, dass es niemand mitbekam. Dieser jemand musste unglaublich sportlich sein. Ich war neugierig und kurz davor aufzustehen
, als jemand durchs Fenster direkt in meine Augen schaute. Es war Jari und ich musste mich dazu zwingen nicht laut auf zu schreien. Wie gelähmt lag ich da und starrte ihn an. Ich wollte und konnte mich nicht bewegen. Zu groß war die Angst in mir. Immer noch schaute er zu mir herrüber als würde er mich auffordern zu ihm zu kommen. Ich stand auf. Mein Körper wehrte sich dagegen doch ich war wie in Trance. Langsam öffnete ich das Fenster und sah, wie er sich mit beiden Händen auf der Fensterbank abstüzte. Alles schien viel langsamer zu vergehen und das einzige was ich hörte war das schlagen meines Herzens. Ich umfasste seine Handgelenke um ihm hinein zu helfen. Doch als ich ihn berührte, wurde alles schwarz um mich herum. Wie ein Kurzschluss, der alles ausschaltete. Kraftlos und ausgelaugt sank ich zu Boden.
Das nächste was ich spürte, waren Sonnenstrahlen, die auf mein Gesicht schienen. Ich schreckte hoch. Was war heute Nacht passiert. Mein Blick fiel auf das Fenster, doch es war geschlossen. Auch die Tatsache, dass ich in meinem Bett lag ließ mich darauf schließen, dass alles nur ein Traum gewesen war, wenn auch ein ziemlich unheimlicher. Ich war etwas zu spät dran und verließ mein Zimmer ohne mich nochmal umzusehen, weshalb ich die zwei Handabdrücke, welche im Moos meiner Fensterbank hinterlassen wurden nicht wahrnahm.
Ich machte mich auf den Weg zur Schule. Ich fühlte mich schrecklich, als hätte jemand all meine Energie aus mir herraus gesaugt. Ich war vollkommen fertig, schob es allerdings auf den Schock von gestern und diese nicht sehr erholsame Nacht. Beim Frühstück hatte ich beschlossen ihn zur reden zu stellen und ihn und vorallem diesen Hefter zu hinterfragen.
Doch er ließ sich nicht blicken. Ich hatte nach ihm gesucht, sogar gefragt jedoch konnte mir niemand sagen wo er war naja eigentlich konnte mir generell niemand sagen wer er überhaupt war. Auch zwei Wochen später, hatte es immer noch kein Lebenszeichen von ihm gegeben. Ich hoffte, ich war ihn endgültig losgeworden oder dass er wenigstens kein Kontak mehr suchte. Erleichterung machte sich in mir breit. So verging auch die nächste Woche und ich hatte ihn schon wieder vergessen.
Es war Freitagmorgen und ich saß allein in der Pausenhalle meiner Schule. Ziemlich vertieft in meine Aufgaben, merkte ich zunächst nicht, wie sich jemand hinter mich hockte und mir über die Schulter schaute. “Wie wirst du eigentlich lieber genannt Seraphine oder Cassandra?” Mit einem lauten Schrei sprang ich auf. Es war Jari und er hatte mich zu tode erschreckt. “Sag mal spinnst du eigentlich vollkommen? Mir ständig aufzulauern und dich so komisch anzuschleichen?” Ich schrie ihn an. Es entlud sich die ganze Wut auf ihn, die sich in den letzten Wochen angestaut hatte. Was bildete sich dieser Kerl den bitte ein. Das ich ihm verzeihen würde, dass er mich mein halbes Lebenlang gestalkt hatte. Etwas erschrocken schaute er mich an. “So beruhig dich doch mal Seraphine. Bitte.” Ich musste schmunzeln, meinte er das etwa ernst. “Zunächst nennst du mich bitte Cassandra, auch wenn ich überhaupt nicht heiß drauf bin weiterhin mit dir zu reden. Dann sagst du mir ich soll mich beruhigen? Ich soll mich beruhigen, sagt der Stalker zu der Person die gerade herrausgefunden hat, dass sie jahre lang von ihm gestalkt wurde. Okay ergibt natürlich Sinn.” Er lachte “Gerade herausgefunden? Das ich nicht lache. Was ist bitteschön deine Definition von gerade. Du hattest wohl genug Zeit um das zu verdauen Seraph...äh Cassandra.” Er machte eine kurze Pause, nutzte jedoch meine Sprachlosigkeit aufgrund seiner Dreistigkeit aus und setzte erneut an. “Mal davon abgesehen ist das kein Stalking. Ich hab dir ja schon gesagt, dass es meine Aufgabe ist dir zu helfen und dafür muss ich mich ja wohl grob in deinem Leben auskennen.” Ich schüttelte den Kopf “Mein Gott du hältst immer noch an dieser Schutzengelsache fest? Entweder du bist gestört oder total armselig.” Er schaute mich mit einem ernsten Blick an, dem ich keine Wiederrede geben würde, wäre dieses Thema nicht so herrlich absurd. “ Nicht Engel. Casti! Was hast du nach der Schule vor. Egal was es auch ist bring deine Kamera mit.
Denn ich werde da sein” Ohne meine Antwort abzuwarten stand er auf und ging davon. Ich hatte heute geplant mit meiner besten Freundin Anabell in das Einkaufszentrum unserer Stadt zu fahren. Anabell war das genau gegenteil von mir. Während ich eher klein und knochig war, hatte sie eine schön proportionierte Figur und war hochgewachsen. Meine gewellten hellbraunen Haare hingen fluffig um mein rundes Gesicht. Wischmopp hatte meine Tante diesen Krautsalat an Haar schon oft genannt. Bells Haare hingegen waren perfekt. Auch heute trug sie ihre blonden langen Haare penibel zu einem Zopf geflochten. Ihr Pony verdeckte die Stirn ihres schmalen Gesichtes und ließ ihre blauen Augen scheinbar noch mehr strahlen als sonst. Ich war so vertieft in meine Gedanken, dass ich nicht merkte wie sie mir in meine grauen Augen schaute und versuchte mit mir zu reden. “ Oh man Cassie jetzt hör doch mal zu. Du bist in letzter Zeit immer so in Gedanken. Ist irgendwas?” Wir saßen in einer Eisdiele und während ich nun die ganze Geschichte um Jari auspackte schaute Anabell die ganze Zeit zu dem neben Tisch herrüber, an dem eine Gruppe von Jungen saß. War ja klar, dass es sie nicht wirklich interessiert was mit mir los war und sie einfach nur mit halbem Ohr zuhörte. Stattdessen flirtete sie mit dem Typen am Nachbartisch. Ich fuhr einfach fort. “Naja auf jeden Fall ist dieser Jari halt ein Stalker aber ich werde ihn einfach nicht los.” und in meinen Gedanken fügte ich hinzu, dass ich das vielleicht auch gar nicht wollte, obwohl diese Geschichte mehr als nur abstrus war. Dennoch hoffte ich, dass mir Jari eine plausible Erklärung für sein Verhalten geben kann, auch wenn mir selbst gerade keine einfiel. Anabell hatte wohl gemerkt, dass ich fertig war mit meiner Rede als sie mich anschaute und die Stirn kraus zog. “Sag mal Cas warum hast du denn deine Spiegelreflex dabei? Ich mein der Typ für Modelfotos bist du ja nicht wirklich.” Ich schluckte, wir waren oftmals gemein zu einander, doch diesmal kam es anders rüber sie sagte es in einem so ernsthaften Ton, dass es mich auf eine Art und Weise auch verletzte. Leise gab ich zurück. “Man weiß ja nie was man Fotografieren kann an so einem belebten…” Ich sah Jari vor dem Fenster der Eisdiele stehen. Es war einfach unglaublich, er schien immer genau zu wissen wo ich mich aufhielt, ohne selbst da zu sein. Er winkte mich zu sich. Ich stand auf und als ich Bells verdutzten Gesichtsausdruck sah und ich was sagen wollte, überschlug sich meine Stimme vor Aufregung. “Ich äh geh kurz raus, ich hab da was gesehen” und mit einem Seitenblick zum neben Tisch fügt ich hinzu “ Du hast ja eh zu tun.”
Ich stand auf und ging Richtung Tür. Mein Herz schlug bis zum Hals und ich hatte das Gefühl, dass es mit jedem schritt schneller und heftiger pochte. Diese ganze Aktion war eigentlich sowas von unnötig und unglaublich gefährlich, da er ja offensichtlich wirklich ein Verrückter war. Ein Teil von mir wollte es einfach nicht wahrhaben. Und dieser Teil war der Grund warum ich aus der Eisdiele raus auf ihn zuging und ihm eine zweite Chance gab.
Zu jeder Menschensgeburt, wird ein Casti geboren.
Jeder Casti wird bei der Geburt einem Menschen zugewiesen.
Tag der Veröffentlichung: 18.12.2015
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