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Seenot

 

"Habt ihr eure Sachen schon unten?" "Was möchtet ihr auf eure Brote?" "Soll ich Äpfel oder Pfirsiche einpacken?" "Wo ist denn Papi?" "Räumt der schon den Wagen ein?" Wir schreiben das Jahr 1979 und ich bin immer wieder aufs Neue erstaunt darüber, wie ruhig und gelassen meine Familie vor einem Kurzurlaub ist. Na ja, Urlaub ist vielleicht übertrieben. Aber 1 ½ Tage in unserer Ferienwohnung auf einer Ostseeinsel sind immer noch besser als gar nichts.

 

Es ist erst eine knappe Stunde nach der, irgendwann mal angedachten, Abfahrtszeit. Schwester ist oben am Packen, ich hab meine Tasche im Flur stehen und lese die Fernsehzeitung, meine Mutter kümmert sich um den Reiseproviant und mein Vater ist auf dem Klo. "Wo ist denn dein Vater?" "Oben, im Büro." "Was macht der denn da schon wieder so lange?" "Ich nehme an, er thront noch einmal ganz in Ruhe." Ich lausche, auf so ziemlich jede weitere Frage vorbereitet, aber nichts. Einen ganz kurzen Moment überlege ich, ob die Stille ergründet sein will. Ist meine Mutter durch ein weiteres, Abfahrt verzögerndes, Problem abgelenkt? Oder lässt sie tatsächlich das Thronen meines Vaters als Grund für sein nicht sofortiges Erscheinen gelten? Schnell fällt meine Entscheidung, ich kann auch ohne Klärung dieser Frage sehr gut weiter leben. Da Mami sich alleine in der Küche aufhält und ihre Zurufe an die einzelnen Familienmitglieder nicht zwingend deren persönliche Anwesenheit oder Reaktion bedürfen, wende ich mich wieder meiner Lektüre zu. Die nächsten 10 Minuten wird eh nichts passieren, ich bin entspannt.

 

11 ½ Minuten später, ich bin durch die ständigen zu mir herüberklingenden Selbstgespräche aus der Küche auf dem neuesten Stand unserer Essensliste, kommt meine Schwester in den Flur, stellt ihre Tasche ab und gesellt sich ohne viele Worte zu meiner Mutter. Dort wird der gesamte Speisenplan noch einmal im Schnelldurchlauf herunter gerattert. "Meinst du, wir haben alles?" "Ich glaube schon." Ich glaube schon. Typisch meine Schwester. Natürlich weiß sie es! Meine Mutter hat noch nie etwas vergessen. Aber so kann Mami noch einmal darüber nachdenken und das Gespräch erhält eine gewisse Existenzberechtigung.

 

Weitere 2 Minuten später betritt mein Vater den Flur, greift sich den Autoschlüssel und fragt mich, ob schon alles zum einladen bereit ist. Ich bejahe, lege die Zeitung weg und begleite Papi, beladen mit den ersten Sachen aus dem Flur, zum Auto. Er widmet sich gleich seinem Kofferraumbeladungssystem, ich hole die restlichen Taschen aus dem Haus und Mami und Schwester reihen sich mit diversen Tüten und Kartons aus der Küche nahtlos in die Lastenkarawane ein. Alles wird am Auto abgeladen. Keine der Frauen verschwendet auch nur einen einzigen Gedanken daran, wie dieser Berg an Gepäck, der seltsamerweise immer gleich groß ist, ob wir nun für 1 Tag, 1 Woche oder 1 Monat verreisen, jemals in den Wagen gelangen soll. Jeder hat seinen Part, und Papi´s Kofferraumbeladungssystem wird auf ewig sein Geheimnis bleiben. Als letztes kommen die Jacken, Kofferraum zu, Licht im Haus gelöscht, Haustür versperrt und ziemlich genau 15 Minuten nachdem ich begonnen habe, mich zu bewegen, sitzen wir alle im Auto und rollen vom Hof. Und da frage

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Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 14.01.2014
ISBN: 978-3-7309-7572-5

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