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Prolog

Es war ein dunkler Nachmittag in Venari-City, der Hauptstadt aller Elemente, die es in der Menschenwelt und in fernen Welten gibt.

Die Dunkelheit hatte anscheinend wieder gegen das Licht gesiegt „Wie so oft“, dachte sich ein junger Mann namens Kalir, der gerade leise durch die feinen Gerstenfelder lief.

Nicht viele der Elementler kommen in die Hauptstadt, da sie eigentlich für alle als heilig angesehen wird. Nur die königlichen der Elementler dürfen hier herkommen, doch Kalir hatte sich seinen Weg geschaffen.

Der junge Mann näherte sich langsam einem  großen, weißen Schloss, worin sich die zehn stärksten Elemente befinden. Es sind quasi die Urelemente. Und zu diesen gehören: Sturm, Wasser, Eis, Kraft, Feuer, Metall, Erde und Luft. Die ältesten und mächtigsten Elemente sind Licht und Dunkelheit.

Venari, die Dunkelheit und Diakon, das Licht.

Nur selten wird ein Krieger gesichtet, oder geschaffen, der diese zwei Elemente in sich trägt, da dieser oft ein tragisches und elendiges kurzes Leben führen wird. Diese zwei Elemente sind von Monstern oder von habgierigen Wesen sehr angesehen, und diese würden nicht lange fackeln um diesen Krieger zu töten, egal welchem Alters. Der Krieger, der je diese Würde bekommt, Venari und Diakon in sich zu tragen, steht eine nicht so rosige Zukunft bevor. Viele Schlachten, viel Blut, Missglücke, Pech! All das wird zum Alltag dieses Kriegers werden. Doch wenn er diese Jahre meistern würde, werden ihm Würde, Ruhm und Freiheit gebührt.

Die Krieger, die ein Element der zehn besitzen, haben keine Eltern, sie wurden vom hohen Rat geschaffen, auserwählt einer der meist gehassten Bürden im Leben zu tragen: anders zu sein, als alle anderen. Durch einen Zufall kommen sie entweder nach Fynos, oder nach Nyphen, dort werden sie zu speziellen Kriegern ausgebildet und verhelfen der Welt der Sterblichen nicht von Monstern befallen zu werden.

Alle anderen Elementler haben Eltern, da die meisten nicht sehr oft angegriffen werden, oder fast gar nicht. Für bestimmte Wesen sind diese einfach nicht wertvoll genug, und können mit ihnen nichts anfangen. Die Ovyr wurden nur äußerst selten von dem hohen Rat bestimmt, und noch seltener finden alle zusammen…

Kalir sprang über den tiefen Graben, der das Schloss umzingelte, dazu belegte er die zwei Wachen, die ihn gerade angreifen wollte, mit einem starken Schlafzauber. Die Wachen, oder allgemein die Brigade der Königin wurde sehr gut ausgebildet, und nur schwierig zu töten, oder anzugreifen. Er klaute einem der muskulösen Ritter noch schnell den weißblauen Speer, der nicht nur als Waffe, sondern auch als Schlüssel des Schlosses fungierte. Er stieß den Speer in den kleinen Spalt der Doppeltür, und mit einem blauen Blitz schwang die Tür hoheitsvoll auf.

Er trat durch die Tür; seine schwarzen Stiefel hallten auf dem weißen Marmorboden wider. Er hörte schon die schallenden Absätze weiterer Wachen, die durch das Schloss jagten. Schnell stellte er sich in Kampfstellung hin, holte aber nicht sein Schwert, sondern ließ einen schwingenden und starken Schlafzauber von sich aus. Er merkte, wie die wogende Kraft des Schlafes aus seinen Handflächen sprühte und das Schloss allmählich in den Schlaf brachte. In einen endlosen Schlaf.

Viele Wachen traten durch die weißen Torbögen, die in die Eingangshallen führten, doch sofort fielen sie um und schliefen, für immer. Weiter kam der hellblaue Schein durch die Handflächen von Kalir, und ließ das ganze Schloss sanft einschlafen.

Nach einer halben Stunde, war Kalir sich sicher, dass jeder im Schloss nun schlafen würde, und niemand ihn entdecken würde. Der junge Mann hatte sich gründlich über das Schloss informiert, so konnte er erahnen, wo sich der Raum der Elemente befand. In diesem Raum, lagen alle der zehn Urelemente. Eigentlich durfte nur der hohe Rat hinein, doch Kalir hatte den weißblauen Speerschlüssel, und konnte so jede Tür in diesem Schloss öffnen. Doch er wollte nur eines, oder besser gesagt, er wollte nur zwei Dinge aus diesem Schloss, und die könnte er sich nun ungehindert holen. Er hechtete durch die Eingangshalle, sprang förmlich die einladend gestaltete weiße Treppe hinauf, und rannte durch den langgestreckten Flur. Keuchend stieß er die ebenfalls weiße Tür des wichtigsten Raumes auf, und betrat langsam den Raum.

Er war weiß, wie alles in diesem Schloss. Das weiße Licht sollte die Reinheit des Königreiches zeigen, und einladend sein. Wenn kein Licht durch die hohen Bogenfester kam, sollte künstliches Licht den Raum erhellen. Das war eine Beleidigung gegen das Licht und die Dunkelheit. Schon zwei Verstoße: Man soll die Elemente immer willkommen heißen, egal ob gut oder schlecht, und man darf die Elemente nie beleidigen, sondern immer preisen. Das hätte Kalir nicht von der Königin erwartet, aber was soll’s, er würde auch einige Regeln brechen…

Doch das helle Licht, wurde auch hier langsam durch den Schlafzauber zerdrückt, und wurde zu einem schläfrigen hellblau. Das machte Kalir glücklich. Er liebte seine Kraft, auch wenn sie nur manchmal nützlich war. Doch Kalir wollte stärker werden.. Er wollte das Licht und die Dunkelheit sein!

Kalir ging schwungvoll in die Mitte des Raumes, wo sich die Steine der zehn Elemente auf hohen Granitsockeln befanden. Im Uhrzeigersinn fängt es mit Luft an, dann folgt Sturm, Feuer, Metall, Stein, Erde, Wasser, Eis. In der Mitte des Kreises lagen die Steine des Lichts und der Dunkelheit, auf ihren fünfzehn Meter hohen Granitsockeln.

Kalir holte ein Lasso hervor, das blaumetallisch glänzte und mit Stacheln versehen war. Hoffentlich zerstörte es die Steine nicht, dachte Kalir. Er warf das robuste Lasso in die Höhe und drehte es über seinen Kopf, dann ließ er es ein erstes Mal schnappen.

Das Lasso prallte gegen Steinsockel. „Mist! Das kannst du besser, Kalir!“, murmelte er. Wieder holte er mit dem Lasso aus, warf es in die Höhe, drehte es genau dreimal über seinem Kopf, und dann ließ er es wieder schnappen. Diesmal fasste das Lasso den Venari-Stein.

Er war so schwarz und so wunderschön wie die Nacht. Es war ein faustgroßer, geschliffener Stein, dem Kalir fast aus der Hand fiel, als er ihn auffing.

Der Junge stellte sich zu dem anderen Steinsockel, und holte wieder mit dem Lasso aus. Sofort fing er den zweiten Stein. Es war der Diakon-Stein, der so strahlte wie die Sonne. Kalir musste blinzeln, als er sich den strahlenden Stein genauer ansah. Er ließ die zwei Steine in eine Tasche gleiten, und murmelte: „Jetzt werde ich der Stärkste im ganzen Land sein! Oder besser: in der ganzen Galaxie! Denn nur ICH besitze die Macht der Dunkelheit und des Lichtes. Ein Krieger wurde schon seit Jahrtausenden nicht mehr gesichtet“, er gackerte schadenfreudig und rannte aus dem Schloss.

 

Doch was er nicht wusste, was keiner wusste, war, das es ein fünfzehnjähriges Mädchen gab, das in diesem Moment in einem Bus zu einem Friedhof saß, und das dieses Mädchen, nicht nur irgendein schüchternes, kleines Mädchen war…

Eos

Eos

 

Mir schlug ein Ast ins Gesicht; irgendwer, irgendwas verfolgte mich, und ich wusste nicht wieso!

Es kam näher.

Ich sprintete so schnell ich konnte, mein Herz pochte mir bis zum Hals, und mein Atem ging nur stoßweise. So sehr ich mich auch anstrengte, meine Kondition verließ mich zu schnell…

Das Wesen sprang mir in den Rücken, und ich prallte mit ihm in die dunkle Erde des Waldes. Mein Gesicht grub sich mehrere Zentimeter in den Boden ein, doch das Wesen, das auf meinem Rücken saß, interessierte sich dafür nicht. Es packte mein Haar, zog somit mein Gesicht aus dem Dreck, und drehte mich grob um, sodass ich auf dem Rücken lag und dem Wesen direkt ins Gesicht schauen konnte.

Es war ein Mensch!

Ein recht gutaussehender Junge, vielleicht ein paar Jahre älter als ich. Der junge hatte schwarze Haare, die an einer Seite wegrasiert wurde, und er sie hoch stylen konnte. Seine dunkelblauen Augen sahen mich direkt an, und verdeutlichten Gefahr. Er hatte volle Lippen, die er zu einem Grinsen verzogen hatte.

Der Junge drückte mir einen Dolch an den Hals „Rück sie nun raus“, zischte er.

„Was?“, fragte ich etwas perplex, da der Junge mir eine komische Frage gestellt hat, und weil meine Stimme sich extrem tief und matt klang, wie die eines Mannes! Sonst hatte ich immer eine relativ quietschende Stimme. Ich keuchte, als der Junge den kalten Dolch tiefer in meinen Hals drückte, und mir jegliche Luft zum atmen vermied, die eigentlich in meine Lunge sollte.

„Jetzt stell dich nicht so dumm!“, fauchte er, und pustete sich ein paar Strähnen aus dem Auge, die er sich anscheinend nicht richtig hochgestylt hatte.

„I-ich weiß es wirklich nicht“, stammelte ich. Langsam wurden seine Griffe lockerer, es schien, als lösten sie sich auf. Doch nicht der Junge über mir löste sich auf, sondern ICH! Meine Füße waren zuerst verschwunden, danach folgten meine Beine.

„Nein! Verdammt nochmal, bleib hier!“, fauchte der Junge, doch es war schon zu spät.  Meine Schultern fingen an zu prickeln, und dann verschwand jegliches Gefühl. Langsam begann mein Kopf sich aufzulösen „NEIN!“, hörte ich wieder von dem Jungen, doch dann verschwanden meine Ohren und der restliche Teil meines Kopfes.

Geschockt fuhr ich aus dem Schlaf hoch.

„Wow!“, hörte ich. Mein Herz pochte mir bis zum Hals, ich spürte es sogar in meinen Adern, meine Ohren wurden von dem Herzschlag betäubt. Jemand knipste eines der Nachtlichter an. Ich versuchte von meiner Erhöhung im Zimmer runter zuschauen,  um zu erkennen, wer das Licht angemacht hatte. Es war Larissa. „Im Dunkeln sehen deine Augen noch gruseliger aus!“, stieß sie hervor.

Was sie meinte: Meine Augen waren zweifarbig. Eins war schwarz, das manchmal blau schimmert, das andere war golden mit silbernen Sprenklern. Ich war nicht wirklich stolz auf diese Augenfarben. Jeder Passant glotzte mich dämlich an, meistens schauten sie auch noch zweimal hin, ob sie denn auch wirklich richtig geschaut hätten! „Das Mädchen hat zwei Augenfarben. Oh mein Gott, das ist ja schrecklich! Dazu hat sie rotes Haar, VERBRENNT SIE!“, das denken die Leute bestimmt, wenn sie mich sehen… jedenfalls stelle ich mir es so immer vor, wenn sie mich so fragend anschauen.

Verlegend kicherte ich: „Na ja, das ist nicht meine Absicht“, ich kramte mich aus dem Bett, ging die drei Stufen hinunter, und setzte mich zu Larissa ins Bett. Meine Hände zitterten noch immer; krampfhaft vergrub ich meine Finger in die raue Decke von Larissa.

Das war ein schrecklicher Traum!

Ich ließ meinen Blick durch das Zimmer schweifen, um die Gedanken an den extrem lebhaften Traum ein wenig zu vertreiben. Von Larissas Bett aus, konnte ich genau auf mein Bett und Schreibtisch schauen. Mein Bett befand sich auf einer Art Absatz, eine Erhöhung des Zimmers. Larissa schlief unter dem großen, weißen Bogenfenster. Und Piper schlief in einer Ecke auf einem großen Schlafsofa, das man zu einer riesigen Schlaflandschaft ausziehen konnte! Da fiel mir auf, dass alles hier im Internat von Ikea stammte. Garantiert weil es dort billiger war, anstatt bei anderen Möbelhäusern. Okay, unser Zimmer sah mit den Möbeln ganz cool aus, da es von Ikea eben Möbel in allen Farben gab, und wir diese eben gemixt haben, als wir nicht wussten, wie wir unser Zimmer streichen sollten. Wir ließen die Wände weiß, kauften dafür aber ganz schön farbige Möbel: In einem türkisen Schrank stellten wir orangefarbene Boxen, dazu ein roter Kleiderschrank, und so weiter! Larissa legte eine Taschenlampe weg und schaute mich an.  Sie hatte anscheinend gelesen, als wir anderen geschlafen hatten. „Nicht gut geträumt?“, fragte sie.

„Nicht wirklich“, tief atmete ich ein „Wieso bist du denn wach?“

„Ach“, seufzte Liz „Du hast im Schlaf angefangen zu krächzten und hast aufgeschrien, wieso auch immer“, sie setzte ein falsches Lächeln auf.  „Piper hat es anscheinend nicht mitbekommen“, meine Zimmergenossin zeigte auf Piper, die in ihrer Decke eingerollt war und immer noch tief und fest schlief.

„Tut mir leid“, murmelte ich.

„Ach, schon gut“, Larissa machte eine verwerfende Geste, sie setzte sich ihre rote Rahmenbrille auf und strahlte mich an. „Heute ist Ausflugstaaag!“, freudig warf sie die Arme in die Luft. Ich zwang mir ein Lächeln ab. Die Ausflüge am Office-Internat waren die reinste Hölle! Meistens ging es in einen Park, oder schwimmen, wo ich nie mitmachen konnte, da ich gegen Chlor allergisch war.

„Wo geht’s denn diesmal hin?“, fragte eine verschlafene Stimme vom anderen Ende des Raumes. Piper war aufgewacht, auch wenn es erst sechs Uhr in der Früh sehr untypisch für Piper war…besonders am Samstag!

„Friedhof“, präsentierte Larissa immer noch erfreut. Geschockt sahen Piper und ich uns an.

„Friedhof?!“, fragten wir beide gleichzeitig, woraufhin wir beide leise kichern mussten.

„Ja“, sagte Larissa ganz selbstverständlich. „Wir werden irgendwo im Nirgendwo einen Friedhof besuchen, und uns dort das Mausoleum anschauen“

„Der Schule fällt auch nichts besseres ein, als an einem nebligen Samstagmorgen mitten im November auf einen Friedhof zugehen“, flippte ich leicht aus „Am besten verschieben die das auch noch auf Nachts! Da sehen wir vielleicht auch noch Geister und können vor Zombies wegrennen!“, fantasierte ich. Meine beiden Zimmergenossinnen fingen daraufhin an zu lachen.

„Jetzt spinn mal nicht herum, Eos!“, kicherte Piper.

Ja, ich hieß Eos, wie die Göttin der Morgenröte. Ich hatte  mir meinen Vornamen nicht selbst ausgesucht; die Leute aus dem Heim meinten, das ich so hieß, also nahm ich den Namen an… auch wenn er sehr männlich klingt, fand ich ihn sehr schön.

Ich hatte keine Eltern. Noch nie! Keiner konnte sie ausfindig machen, ich hatte auch keine Geburtsurkunde, jedenfalls war keine von mir vorhanden. Der Heimleiter meinte, ich lag in einem Korb mit einer Kette um den Hals, an der ein Ring hing, der aussah wie eine gemalte Sonne: Ein Kreis und viele kleine Strahlen, die von der Sonne ausgingen. In der Mitte der Sonne stand mein Name: Eos (Ich weiß, dass so ein Auto heißt, aber das ist mir egal)

Jetzt lebe ich im Office-Internat, und es gefällt mir eigentlich ganz gut, besonders mit Larissa und Piper… und meinem besten Freund…

Beschwichtigt hob ich die Hände „Ist ja gut, ist ja gut“, trällerte ich. „Wollte nur nochmal die Situation deutlich machen“, jemand drückte die Türklinke hinunter, und steckte den Kopf in unser Zimmer; es war Amy! Die Aufseherin unseres Internates.

„Ihr seid ja schon wach“, strahlte Amy, sie war Mitte dreißig, hatte braune Locken und braun-grüne Augen. Kleine Falten hatte sie an den Augenwinkeln, doch das kam durch das ständige Lachen. Doch wenn sie im ersten Moment super freundlich aussieht, kann sie sich in den Teufel höchstpersönlich verwandeln! Wenn du nach der Ausgangssperre erwischt wirst… Uhh… viel Glück!

Sie nahm Regeln sehr ernst, und verlangte dadurch, dass wir sie natürlich auch sehr ernst nahmen.  Die meisten taten dies auch, doch es gab immer diese Ausnahmen, und dann war es immer witzig für die ganze Schule, wenn Amy ihn zusammenstauchte. Sofort verließ sie wieder den Raum, und schloss so leise es ging die dunkle Holztür. Piper, Larissa und ich schauten uns gleichzeitig an. So schnell es ging, sprangen wir aus den Betten, packten unsere Anziehsachen und sprinteten olympiatauglich in das Mädchenklo.

Es gab genau drei Duschen, und wer zu spät kam, hatte eben Pech. Da Amy die anderen noch wecken musste, hatten wir drei vielleicht noch Glück und die Duschen waren noch nicht besetzt.

Piper stieß die Tür auf, ich quetschte mich direkt hinter ihr her, und Larissa kam als Letzte. Larissa war ein seeehr unsportliches, dafür aber sehr kluges Mädchen! Larissa hatte goldbraunes, kurzes, lockiges Haar, ein rundes Gesicht und einfach eine freundliche Persönlichkeit.

Piper dagegen war ein Mädchen, was sehr viel auf Kosmetik und Äußeres legte. Sie hatte einen Schrank voll, nur mit Kosmetik! Obwohl sie das noch nicht mal brauchen würde! Piper hatte langes blondes Haar, ein schönes Lächeln, was grundsätzlich ihre  weißen Zähne zeigte, ein niedliches Gesicht und große blaue Augen. Sie hatte immer rosige Haut, auch ohne Rouge, dazu hatte sie noch neidisch machende, lange, schwarze Wimpern. Sie war wirklich hübsch! Ich kam mir neben ihr grundsätzlich hässlich vor, auch wenn ein paar andere meinten, ich wäre hübscher, doch ich konnte ihnen meinen Glauben nicht schenken.

Vielleicht liegt es auch daran, dass ich mich nicht hübsch finde.

Piper sprang förmlich in die erste Duschkabine „Meine!“, rief sie. Sofort lief ich in die zweite Dusche. Somit blieb Larissa nur noch die dritte und kleinste Duschkabine übrig. Ich zog den klebrigen Vorhang zu, und drehte mich um hundertachtziggrad. Die vergilbten Fliesen strahlten mich an, wie ungeputzte Zähne. Ich musste ein Schaudern unterdrücken, als ich daran dachte, ob diese Fliesen auch so riechen würden.. Ihh…

Langsam zog ich meinen Schlafanzug aus, und packte ihn mit meiner anderen Kleidung in eine Klappe, die in der Duschwand eingelassen war, damit unsere Sachen beim Duschen nicht nass wurden. Ich warf mein Handtuch über die Stange mit dem Vorhang. Auf einmal drehte jemand das Wasser auf, und man hörte nur: „Haa…endlich wieder warmes Wasser! Wie sehr ich dich doch vermisst habe“, es war Piper; nur solcher Scheiß könnte von Piper kommen!

Larissa und ich fingen an zu lachen, dann drehte ich den Wasserhahn auch auf, und ließ das heiße Wasser über mich kommen.

Eos

Eos:

Zitternd standen wir vor dem Haupteingang des Internates, und warteten mit klappernden Zähnen auf den Bus. Alle Schüler standen in dicken Winterjacken da, und mummelten sich in die Jacken. Plötzlich legte mir jemand seine kalte Hand in den Nacken. Unwillkürlich fuhr ich zusammen, und drehte mich um. „Mensch, Hayden!“, raunte ich meinen besten Freund an. „Lass das!“, das Gesicht meines besten Freundes erhellte sich.

„Schade, es hat mir gerade so viel Spaß gemacht“, er streckte mir die Zunge raus „Hast du keinen Schal?“, plötzlich klang er so ernst „Es ist sehr kalt“

„Nein, hab ich nicht. Ich muss erst warten, bis ich wieder Geld bekomme, damit ich mir Winterjacken und den Kram kaufen kann. Diese hier gehört Piper!“, ich zeigte an mir herunter, und präsentierte Hayden eine vollkommen modische, aber mir viel zu große Jacke, die an mir wie ein Müllsack aussah.

„Man sieht’s“, lachte er „Hundertprozent Glamour und nuttig dazu!“

„Hey!“, Piper boxte Hayden in den Oberarm „Das ist auf keinen Fall nuttig!“, raunte sie ihm zu, was er mit einem schiefen Grinsen aufnahm. „Die Jacke steht Eos wirklich, also mach sie nicht so runter!“, tadelte Piper.

„Schon okay! Ich höre auf“, versicherte Hayden. Larissa sagte derzeit einfach gar nichts mehr. Sie war in Haydens Umgebung immer so schrecklich aufgeregt, und brachte kaum mehr als ein spärliches Quietschen heraus. Sie war in Hayden verliebt, doch er nahm sie kaum wahr, da sie nie was sagte, oder auch irgendwie aus sich herauskam. Pip und ich redeten ihr immer zu, doch sie blockte ab, und kritzelte Dinge in ihr Tagebuch. Liz hat es nur Piper und mir erzählt, sonst keinem (vielleicht auch noch ihr Tagebuch, aber ich schätze das ist was anderes), und wir durften es keinem anderen sagen, ganz besonders nicht Hayden! Auch wenn das Piper sehr schwer fiel…

Hayden verdeutlichte Piper und Larissa <<mal kurz zu verduften>>, wie er es jetzt ausdrücken würde. Ein kurzer Blick und Piper zog Larissa mit sich hinfort. Larissa wollte anscheinend nicht gehen, da sie noch so fasziniert von Hayden war, oder weil sie es nicht ertragen konnte, dass ich mit ihm allein war. Sie gingen in Richtung Straße und hielten schon mal Ausschau nach dem Bus.

Hayden wickelte sich seinen Schal vom Hals und legte ihn mir um.

Der Schal riecht wie er, dachte ich.

„Wieso?“, fragte ich, etwas erschrocken über diese nette Geste von Hayden.

„Ach“, seufzte er gespielt „Weil dir der Männerschal viel besser steht“, meinte er ironisch, und wartete auf meine Reaktion, doch ich sah ihn einfach weiter an „Nein, dir ist kalt, und ich wette das diese…sagen wir mal Jacke von Piper auch nicht sehr warm ist“, er sah mich direkt mit seinen stechend grünen Augen an.

„Ich bin froh, dass Piper mir diese Jacke überhaupt geliehen hat“, sagte ich verzweifelt.

Hayden nickte: „Ich schenke dir den Schal, ich weiß, wie schlecht es dir gehen muss“

„Nein, weißt du nicht“, platzte es aus mir heraus, und sofort schlug ich mir die Hände vor den Mund, da ich eigentlich nie sowas sage, besonders nicht zu Hayden! „Tut mir leid! Das meinte ich nicht so“, stieß ich weiter hervor.

„Schon gut, Eos“, Hayden zog mich an sich und umarmte mich innig, und etwas zu lang „Du hast Recht, ich weiß nicht wie schwer du es hast, aber du kannst immer zu mir kommen, und ich werde dir helfen“, flüsterte er leise in mein Ohr. Gerade konnte ich noch ein Schaudern unterdrücken. Keiner kam mir so nah. Ich mochte es nicht von anderen Leuten umarmt zu werden, oder jemanden zu umarmen… ich weiß auch nicht wieso, aber man kann so viel bei einer Umarmung falsch machen…

Ich löste mich von ihm „O-okay“, stammelte ich, und vermied jeglichen Augenkontakt mit Hayden.

„Setzten wir uns im Bus nebeneinander?“, Hayden hampelte etwas herum, damit ich ihn wieder ansah, und nicht die leblose Novemberlandschaft. Er hasste es, wenn man ihm beim Reden nicht ansah, und ich hasste es wiederrum, Leuten beim Reden die ganze Zeit anzuschauen. Ich weiß, total komisch, aber das bin ich eben. Um den Leiden ein Ende zusetzten, sah ich in seine großen Augen.

„Ich hatte eigentlich Liz versprochen…“

„Ach, Piper ist ja auch noch da“, unterbrach Hayden mich. Er nahm meine Hand, und zog mich ohne zu fragen, einfach zu seinen Kumpels, obwohl ich viel lieber bei Larissa und Piper stehen würde. Nur mit ihnen und Hayden fühlte ich mich ganz, sonst mit keinem anderen. Ich glaube, die Jungs mochten mich nicht so gern. Keine Ahnung wieso, aber vielleicht lag es daran, dass ich in der Gegenwart von vielen Menschen  einfach nervös werde, und irgendwelches Zeug sage, nur um meine Nervosität zu überspielen…Oder ich werde einfach unsichtbar, und ziehe mich langsam zurück, doch diesmal hielt Hayden mich eisern fest.

Mist!

Hayden lachte, genauso wie die anderen Jungs. Ich hörte nicht worüber sie lachten, nur dass ihre Schultern bebten, sah ich. Mein Herz pochte unnormal schnell, und ich wusste nicht wieso! Mein Herzschlag betäubte mein Gehör, so musste ich auf das Vertrauen, was ich sah, doch auch in diesem Moment schienen meine Augen mir Streiche spielen zu wollen:

Mit gegenüber stand Noah. Ein großer Baseballfan, der nur für diese Sportart lebte. Er hatte Sonnengegerbte Haut, und schwarze lange Haare. Ihm näherte sich eine dicke, schwarze Schattenwand.

Mein Magen rebellierte, als ich die Schattenwand bemerkte, mein Herzschlag wurde noch schneller, und meine Beine waren wie Wackelpudding. Da war ich wiederrum froh, dass Hayden mich festhielt, so konnte ich nicht umfallen. Ich riss die Augen weit auf, als die Schattenwand Noah umrahmen wollte. Ich zog etwas an Haydens Arm, doch er beachtete mich im Augenblick nicht, genauso wie die Schattenwand, doch die beachtete im Moment sowieso keiner; es war, als sähen sie die anderen gar nicht.

Sofort keuchte ich auf, als die Schattenwand noch näher kam, dann schaute ich auf den Boden.

Die stechenden Blicke der ganzen Reihe von Jungs, brannten sich auf meinen Schädel ein. Mein Herzschlag beruhigte sich, woran ich erkennen konnte, dass diese Schattenwand verschwunden war… mit Noah!

Langsam schaute ich auf. Noah stand noch an der gleichen Stelle, wie vorhin, und guckte mich fragend an. Der Schatten war weg, und jeder in dieser Runde guckte ich fragend an; sogar Hayden! Schnell befreite ich mich aus seinem Griff, und rannte zu Liz und Pip.

 

„Alles in Ordnung?“, fragte Larissa mich. Etwas unbeholfen nickte ich. Was sollte ich ihnen auch erzählen? Das eine komische Schattenwand Noah mitnehmen wollte? Nein, das würde mir nicht mal Larissa glauben, und die glaubt echt alles! Ich versteckte meine zitternden Hände in der Jackentasche.

Was war das gerade?!

„Von wem ist der Schal?“, wollte Piper wissen, da sie anscheinend bemerkt hatte, dass es mir nicht so gut ging, und ich eine Ablenkung brauchte.

„Hayden“, sagte ich knapp. Pips Augen wurden groß, und Larissa seufzte kaum merklich. Sie schaute auf den Boden, dabei schlug sie niedergeschlagen die Lider aufeinander. „Alles in Ordnung, Liz?“, fragte ich in der Hoffnung, dass es sich nicht um Hayden handeln würde; das Gespräch führten wir einfach zu oft.

„Ich wusste, dass er sich in dich verlieben würde“, sagte sie enttäuscht.

Ich seufzte innerlich. „Er ist nur ein guter Freund, Liz, mehr nicht!“, versicherte ich ihr „Und wer sollte sich schon in mich verlieben?“

„Stimmt! Wenn ich dabei bin, verliebt sich jeder in mich“, tadelte Piper stolz. Larissa und ich rollten mit den Augen.

„Natürlich, Pip“, sagte Larissa gelangweilt, dann wandte sie sich wieder an mich. Sie hielt mir ihrem kleinen Finger ins Gesicht „Schwörst du, dass du dich nie in Hayden verlieben wirst?“

Ich überlegte: Hayden war wirklich nur ein Freund von mir. Außerdem war er definitiv nicht mein Typ! Er war zwar immer nett zu mir, und hatte auch so eine freundliche Persönlichkeit, aber ich weiß auch nicht.. vielleicht lag es an meiner Ansicht zu Beziehungen im Teenager alter? Mit sechzehn findet man noch nicht die wahre Liebe, oder jedenfalls wird da nie was draus werden, und bereitet nichts als Kummer!

Lächelnd verhakte ich meinen kleinen Finger mit ihrem „Ich schwöre“, Liz lächelte breit, und schon sauste der gelbe Schulbus an uns vorbei. Sofort drängelten wir uns in den Bus, als die Türen geöffnet wurden.

Hayden hielt ein Platz für mich frei, und ich gab Liz einen entschuldigenden Blick, als diese als Letzte einstieg. Larissa lächelte mich gezwungen an, und setzte sich neben Piper.

 

Hayden und ich alberten auf der ganzen Fahrt zum Friedhof herum. Die Lehrer saßen wie immer ganz vorne hinterm Busfahrer. Piper und Larissa saßen direkt hinter den Lehrern. Mir tat Liz ein wenig Leid, da ich ihr eigentlich versprochen hatte, auf der Fahrt zu sitzen, und jetzt saß ich neben ihrem Schwarm… Ich hoffe sie nimmt es mir nicht übel! „Was war gerade los?“, fragte Hayden, der mir den Platz am Fenster übergelassen hatte, weil er wusste, dass ich so gern am Fenster saß.

„Ach, nichts“, log ich „Ich habe nur einen kurzen Moment keine Luft mehr gekriegt“, meinte ich „Du weißt, dass ich damit schon immer Probleme hatte“, Hayden zog eine Augenbraue hoch und schaute mich herausfordernd an, doch dann blieb der Bus stehen, und die anderen Schüler schubsten sich aus dem Bus.

 

Auf den Knien landete ich auf dem Sandweg. Kyle hat mich –wortwörtlich- aus dem Bus geschubst, so fiel ich ziemlich unsanft auf dem Sandweg, und hoffte eigentlich nur, dass die Hose (ebenfalls von Piper) nicht kaputt war. Alle Mitschüler lachten, bis auf Hayden, Pip und Liz, die schüttelten ihre Köpfe, entweder weil ich so doof war, und mich natürlich vor Kyle den <<ach so tollen Footballspieler>> drängelte, oder weil gerade der Footballspieler so kindisch war. Pip kam zu mir, und zog mich wieder auf die Beine. „Na, Eos? Hat der Dreck geschmeckt?“, feixte Kyle.

„Ach, Halts Maul!“, fauchte Piper, und zog mich zum Eingang des Mausoleums. „Das sind doch alles Idioten!“

„Den mach ich fertig“, brummte Hayden, der gerade auf uns zu kam. Geschockt sah ich Hayden an, dessen Kommentar anscheinend nur für sich gelten sollte. „Äh, nichts“, er kicherte verlegen und rang mit den Händen. Piper musste bei dem Anblick herzlich lachen, während ich meine (geliehene) Hose vom Dreck befreite.  Mr Jackson stellte sich zum Eingang des Mausoleums, Amy daneben.

„Kindeeer“, näselte er „Wir werden jetzt das Mausoleum betreten, erschreckt euch bitte nicht“.

Ich mag den Kerl nicht!

 

Wir standen nun gequetscht im Eingang des Mausoleums und versuchten gegenseitig uns die Luft zu nehmen. Es war sehr stickig hier, Man konnte kaum atmen. Mr Jackson verteilte noch ein paar Taschenlampen und meinte, wir sollten uns in Zweierteams zusammen tun. Ich sah sofort zu Larissa und Piper, die Mr Jefferson umringten und auf ihn einredeten, ob es nicht eine Ausnahme geben könnte. Er überlegte lange, dennoch sagte er zum Schluss ja. „Eos!“, rief Piper durch den Eingang und winkte mich zu sich, doch jemand hielt meine Hand. Geschockt sah ich über meine Schulter. Es war Hayden, der mich festhielt. Seine grünen Augen brannten sich in meine Seele, leider merkte ich, wie meine Wangen anfingen zu glühen.

„Ach, Pip“, tadelte Hayden „das geht schon in Ordnung, macht ihr mal zu zweit. Eos und ich bilden eine Gruppe“, er zwinkerte Piper zu, dann sah er mir wieder liebevoll in die Augen.

Nicht rot werden!

„Hey, Hayden!“, meinte eine empörte Stimme. Wir beide fuhren herum und hinter uns stand Noah, der etwas beleidigt aussah „Ich dachte, wir würden durch das Mausoleum kriechen!“, Hayden ließ meine Hand los und formte sie zur Faust, die er zu Noah hinhielt.

„Sorry, Bro“, reichte um sie wieder als beste Kumpels zu sehen. Noah schlug ein und warf einen Arm um Jared.

„Schon in Ordnung, ich mach dann mit Jared!“, rief er (etwas)  zu laut durch den Eingang, sodass sich jeder die Hände an die Ohren hielt. Hayden wandte sich wieder an mich.

„Ich hoffe, du findest es jetzt nicht schlimm, dass wir jetzt in einer Gruppe sind“, flüsterte er mir lässig ins Ohr. Ich schaute zu ihm hoch, versuchte die Röte meiner Wangen zu verbergen. Ich hatte noch nie so Kontakt mit Jungs, und eigentlich wollte ich es auch nicht, schließlich war ich erst sechzehn! Und Hayden auch! Ist das nicht etwas zu früh? Ich wusste ja noch nicht mal, ob das einfach nur Haydens Art ist, vielleicht ist er zu jedem Mädchen so, auch wenn er außergewöhnlich oft bei mir ist. Trotzdem ist er auch gut mit Piper befreundet und sie necken sich die ganze Zeit, was wir nicht machen. Dennoch hatte ich Larissa versprochen, dass ich mich nicht in Hayden verlieben würde, was ich auch nicht war, so hoffte ich einfach nur, dass es Haydens Art war. Ich schaute hinüber zu Pip, die tröstend die Arme um Liz geworfen hat. Larissa schaute mich mit ihren großen Augen traurig an, während Piper genervt die Augen rollte. „Eos?“, Hayden hampelte etwas herum um meine Aufmerksamkeit zu erhaschen. Verwirrt schaute ich ihn an „Du musst mir es wirklich sagen, wenn das für dich nicht in Ordnung ist“, er klang etwas niedergeschlagen, weil ich noch nichts sagte, doch mein Blick steuerte automatisch zu Piper, die mich mit großen Augen ansah, um mir zu verdeutlichen, dass Liz sich wieder beruhigen würde und ich lieber bei Hayden bleiben sollte.

„Schon in Ordnung“, gequält lächelte ich ihn an, da ich mich sofort schuldig fühlte, als ich zusagte.

„Sind alle Teams zufrieden?“, nuschelte Mr Jefferson und ließ ein Klemmbrett rumgehen, damit jeder sein Team drauf schreiben konnte.  Amy klatschte in die Hände.

„Na dann los!“

 

Hayden und ich stiegen als letzte die eingemeißelte Treppe hinunter, und drängten uns hinter Noah und Jared. Es war wirklich eng hier, und warm! „Und hier liegt der direkte Vorfahr unseres Bürgermeisters“, Mr Jefferson zeigte auf ein Grab in der Wand und wischte sich mit einem Taschentuch über die kahle, verschwitzte Stirn.

„Laaangweilig“, rief Kyle und irgendwie musste jeder lachen. Unser Lehrer warf ihm einen strengen Blick zu, woraufhin er sofort den Kopf einzog.

„Ich hätte nicht gedacht, dass es hier so warm sein wird“, flüsterte Hayden.

„Ich auch nicht“, ich zog den Reißverschluss der dicken Daunenjacke hinunter. Wie ein Gentleman es tut, nahm Hayden mir die Jacke sofort ab. Etwas verwundert betrachtete ich das Schauspiel, doch Hayden achtete nicht auf meinen Blick und ging mit der Jacke sofort weiter.

Wir gingen tiefer in das Mausoleum. Es wurde immer wärmer und stickiger. Wir nahmen weitere Treppen nach unten, schleppten uns an gruseligen Ecken vorbei. Alles wurde zunehmend komischer und gruseliger; es schien, als würden sich Schatten von den Steinwänden lösen und auf uns zu kommen. Es waren dicke, schwarze Schatten, wie heute Morgen! Doch manchmal waren sie anders. Sie sahen aus wie Menschen oder Tiere, kamen auf uns zu, verschluckten uns jedoch nicht. Und wenn ich Hayden auf ein Schatten aufmerksam machen wollte, da der seine scharfen Klauen in sein Fleisch versenken wollte, verschwanden sie einfach. Sowie das Sonnenlicht. Wir waren mehrere hundert Meter unter der Erde und langsam hielt ich es nicht mehr aus! Kopfschmerzen plagten mich, sowie diese komischen Schatten, die sich nur auf mich zu bewegten.  „Alles in Ordnung?“, besorgt legte Hayden eine Hand auf meine Schulter, da ich urplötzlich stehen blieb. Ich beobachtete gerade eine männliche Schattenperson, die ein Lasso auf einen Steinsockel warf. Ich sah mich panisch um, nur um sicher zu gehen, dass keiner meiner Mitschüler mir einen Streich spielten, doch hinter mir war keiner, nur Hayden, der mich besorgt ansah. Er leuchtete mit der Taschenlampe auf die Wand und der Schatten verschwand.

Unwillkürlich keuchte ich auf. Mein bester Freund kam zu mir und legte eine Hand gegen meine Stirn „Mensch, Eos! Du glühst ja“, stellte er erschrocken fest.

„Hier unten ist es auch heißer, wie in einer Sauna. Da ist das kein Wunder“, redete ich mich heraus.

„Nein“, entschied er und kam ein Schritt auf mich zu „Komm, ich glaube es ist besser, wenn wir rauf gehen. Die anderen haben wir sowieso schon verloren“, er wandte sich zum Gehen. Ich schaute nochmal die Wand an, keine Schatten waren mehr zu sehen. Was waren das für Schatten? Und wieso sah nur ich sie? Das ist genau so wie mit der Schattenwand heute Morgen. Nur ich habe sie gesehen, oder war das nur Einbildung? Hier unten war es sehr warm, da konnte man schon mal den Verstand verlieren, doch das heute Morgen? Vielleicht habe ich das auch nur geträumt… „Komm“, hauchte er und nahm meine Hand.

„Hayden!“, presste ich hervor „Wieso nimmst du meine Hand? Ich kann auch alleine gehen!“, wehrte ich mich, nur um Hayden nicht nah zu kommen. Auch wenn sich der Boden anfing zu drehen, wehrte ich seine Hand ab.

„Es ist besser, wenn wir uns halten. Was ist wenn die Taschenlampen ausgehen? Und wir nichts mehr sehen? Dann finden wir uns nicht mehr wieder“, verschmitzt sah er mich an. Ich seufzte.

„Na gut, du hast gewonnen. Auch wenn ich nicht glaube, dass die Taschenlampen ausgehen werden“, krächzte ich, als wir die Treppe hinauf gingen.

Die Treppe war so schmal, dass Hayden vor mir ging, sich dennoch immer um mich bemühte und meine Hand hielt. Meine Augen fingen an zu Tränen und ich sah komisch doppelt. Ich wusste nicht, welchen Fuß ich vor den anderen setzten sollte, mein Rücken war nass vom ganzen Schweiß. Ruckartig blieb ich stehen. Ich konnte nicht mehr weiter gehen, ich konnte nicht mehr! Auf einmal lösten sich weitere Schatten von der Wand, meine Augen versuchten zu folgen, doch richtig registrieren konnte ich nichts. Aus Instinkt zog ich an Haydens Arm. Ich will zu ihm.

Er drehte sich um und musterte mich besorgt „M-mir geht’s nicht gut“, stotterte ich und versuchte Schatten auszuweichen „Hilf mir“, hauchte ich, als alles vor meinen Augen verschwamm „Bitte“. Hayden nickte und hob mich auf seinen Rücken  und brachte mich so schnell es ging zum Eingang der Grabstätte.

 

Hayden legte mich auf eine Parkbank und kniete sich davor. Er strich mir eine Strähne von meiner schweißnassen Stirn, dabei schaute er mich die ganze Zeit besorgt an. Ich wusste gar nicht, dass ihm so viel an mir lag. Wir waren zwar seit ich auf dem Internat war Freunde, aber mir fiel es jetzt erst so richtig auf! Er hatte dieses Leuchten in den Augen, wenn er mich ansah, aber wieso? Ich konnte grad nicht so denken, dafür hatte ich andere Probleme! Was war mit mir los? So schlimm hatte ich das noch nie, und besonders habe ich noch nie Schatten gesehen, die sich bewegten… Ich wollte nur eins, und zwar, dass es aufhört; es nervte. Meine Sicht wurde immer trüber und mein Gehör verlor an Kraft. So fest es ging, hielt ich Haydens Hand, nur um die Gewissheit zu haben, dass ich nicht in einen Abgrund fallen würde. Plötzlich traten zwei weitere Gestalten in meine trübe Sicht, die ich aber sofort erkannte. Es waren Liz und Pip. Wie Hayden hockten sie sich vor die Bank und schauten mich einfach an. Plötzlich durchfuhr mich ein heftiger Krampf, als ein Schatten mich streifte. „Jetzt sind sie auch schon draußen“, presste ich hervor und drückte Haydens Hand sosehr, dass sie knackte, doch Hayden interessierte es nicht, er schaute mich einfach an.

Die späte Morgenröte des Novembers verblasste und die ersten Sonnenstrahlen der schwachen Sonne wärmten meinen Bauch. Langsam verschwand meine trübe Sicht, genauso wie das gedämpft Gehör. Erleichtert ließ ich Haydens Hand los und setzte mich auf. „Eos!“, presste Piper als Erste hervor „Um alles in der Welt, geht es dir gut!“, mit ihren großen Puppenaugen schaute sie mich an.

„Ja, jetzt ist alles wieder in Ordnung“, konnte ich ohne Probleme sagen. Liz und Pip lächelten mich erleichtert an, doch Hayden schlug mit voller Wucht auf die Bank.

„NEIN! Nichts ist in Ordnung! Hör auf das zusagen, du bist gerade zusammengeklappt“, knurrte er.

„Ja, ich weiß doch…“

„Hayden!“, Piper stand auf und fuhr zu Hayden herum „Gerade weil sie zusammengeklappt ist, sollst du nicht so mit ihr reden!“, wutentbrannt schaute sie ihn an, doch er schaute zu mir. Nachdem Piper ihn noch mit Todesblicken versehen hatte, setzte sie sich zu mir auf die Bank und schlang die Arme um mich „Jag uns doch nicht so ein Schrecken ein. Liz und ich waren krank vor Sorge“, schniefte sie, auch Larissa kam auf die Bank und legte einen Kopf auf meine Schulter. Ich sagte nichts, ich war viel zu verstört dafür, und plötzlich kam alles wieder. Alles was in dem Mausoleum passiert ist, die Schatten, das heute Morgen mit Noah. Ich kniff die Augen zusammen. Ich will es nicht sehen!, schrie ich innerlich, dennoch kamen sie in meine Gedanken. Die Schatten, die sich auf Hayden zu schlichen und fressen wollten, die Schatten, die es auf mich abgesehen hatten und mich in ihre dicken und angsteinflößenden Arme schlingen wollten. Dann auch noch der Schatten, der aussah wie ein junger Mann, der ein Lasso warf und es auf einen Steinsockel fiel.

Ich atmete laut aus und riss die Augen auf. Stopp! Ich schaute Schnurstrak geradeaus auf einen dunklen Wald, der etwas Mystisches an sich hatte, gerade, als ein Windstoß aufkam und die Blätter der hohen Bäume sich majestätisch bewegten. Ich war so fasziniert von dem Anblick, dass es mich umso mehr schockierte, als leuchtende Blitze im Wald auftauchten. Ich rieb mir die Augen. Also heute war nicht mein Tag… Doch es war keine Einbildung, diese leuchtenden Schlieren in der Luft waren immer noch da und bewegten sich tödlich schnell. Hatte ich wirklich richtig gesehen? Ich stand auf und wollte in den Wald gehen, um mich zu vergewissern. „Eos!“, quietschte Piper.

„Wo willst du hin?“, wollte Larissa wissen, doch ich achtete nicht auf sie. Ich war noch etwas wacklig auf den Beinen, dennoch konnte ich mich halten. Ich dachte, Hayden würde mich einfach gehen lassen, da Piper ihn gerade so angeschnauzt hatte, doch er hielt mich am Arm fest.

„Hey“, wisperte er „Bleib stehen, du bist noch ein bisschen angeschlagen… EOS!“, schrie er, als ich ihn kniff, damit er mich losließ. „Hör mir zu!“, erst dann fuhr ich zu ihm herum.

„NEIN!“, es tat gut zu schreien, das hab ich sonst nie gemacht „Lasst mich einfach in Ruhe“, ich schüttelte Haydens Griff ab und rannte ohne auf ihn zu achten in den Wald.

Diese komischen Lichter waren noch nicht verschwunden, es waren sogar neue dazugekommen! Neben dem grauen, war ein eisblaues, ein goldenes, ein violettes und ein grünes. Alle nebeneinander! Sie bewegten sich nur noch manchmal, aber nicht mehr so oft wie gerade. Hayden verfolgte mich, immer wieder rief er meinen Namen, doch ich lief immer schneller, damit ich ihn abhängen konnte. Wieso wusste ich auch nicht, aber ich wollte da allein hin! Nicht immer in Begleitung.

Der Wald war stockduster, man musste wirklich aufpassen, wo man hintrat, doch irgendwie konnte ich mich durch das Durcheinander von Wurzeln, Steinen und Moos navigieren. Was man von Hayden nicht behaupten konnte. Oft hörte ich ihn stöhnen, da er eine Wurzel übersehen hatte und hängengeblieben ist, doch er raffte sich immer wieder auf, damit er mich einholen konnte. Was ich wiederrum nicht zuließ. Irgendwie konnte ich immer die Hindernisse, die sich auf dem Hang befanden abschätzen, ich wusste genau, wann ein Stein auftauchte, wo sich eine Wurzel befand, über die ich dann springen musste. Irgendwie komisch. In anderen Situationen hätte ich Hayden sofort geholfen, wäre zu ihm gerannt, hätte ihn umarmt, mich um seine Wunden versorgt, wahrscheinlich wäre ich dann auch nicht in diesen Wald gelaufen, doch jetzt wollte ich, dass er verschwindet! Ich wollte zu diesen Lichtern, sie kamen mir so bekannt vor! Plötzlich ertönte ein schmerzerfüllter Schrei von hinten und erschrocken fuhr ich herum. Es war Hayden! Er war wohlmöglich gestürzt. Ich vergaß einen Moment warum ich in den Wald gelaufen war und rannte zu ihm hoch. Doch er lehnte sich ganz gelassen an einen Baum an und schaute mich grinsend an „Eos, komm her“, er breitete die Arme aus „das Mausoleum hat dir nicht gut getan, lass uns wieder zu den anderen gehen“. Ich schaute über meine Schulter: die Lichter waren noch da und es war auch nicht mehr weit weg. Zögernd schaute ich wieder zu Hayden, der langsam auf mich zu trat und meine Hand nahm.

„NEIN!“, entfuhr es mir. Mit einem Ruck zog ich Hayden über meine Schulter, sodass er mit dem Rücken auf dem Boden landete. Keine Ahnung, woher ich so einen Judogriff kannte, dennoch kümmerte es mich nicht. Ich rannte einfach weiter.

Keuchend kam ich an einem kleinen Platz an, wo fünf Jungs standen, die alle leuchtende Waffen in der Hand hielten. Das waren also die Lichter. Hayden ergriff mich von hinten und wir stürzten gemeinsam in den Dreck.

„Orion“, zischte eine matte Stimme. „Jawohl“, sagte (anscheinend) Orion, der eine relativ hohe Stimme für einen Jungen hatte. Plötzlich wurde Hayden von mir heruntergerissen, dann keuchte er erschrocken auf. Mit großen Augen schaute ich zu ihm, und als sich auf einmal Ranken um seine Augen und Körper legten, stockte mir der Atem.

„Orion, das Mädchen“, zischte wieder diese matte Stimme, die mir von irgendwoher bekannt vor kam. Es war ein großer Junge, mit braunen Haaren, in denen immer wieder Blitze durchfuhren. WAS?

„Bei ihr klappt es nicht“, Orions Stimme war sehr bemüht, kurzdarauf schaute er mich verwirrt an. Orion sah sehr jung aus, ein kleiner Junge, mit dunkelbraunen lockigen Haaren, dunkler Haut, aber stechend grünen Augen. Er sah irgendwie knuffig aus. Schlaksig stand er neben den anderen vier Jungen, die muskelbepackt waren.

„Ist sie wohl eine von uns?“, fragte eine verdammt tiefe Stimme, die sich an den Jungen mit dem Blitzhaar wendete, der wiederum mich mit offenem Mund anstarrte, doch dann schaute er den Jungen an.

„Keine Ahnung, woher soll ich das auch wissen!“, entgeistert warf er die Arme in die Luft und starrte mich dann wieder mit seinen stürmisch grauen Augen an. „Wieso klappt es bei ihr nicht?“, fragte ein schwarzhaariger „Orion, mach hin!“, drängte er, während ich rüber zu Hayden schaute. Die grünen Ranken fingen an zu welken und machten, dass Hayden friedlich atmete und ganz regungslos auf dem Boden lag.

„Hayden“, wisperte ich. Langsam erhob ich mich und schaute die Jungs mit angsterfüllten Augen an. Was hatten sie dort mit Hayden gemacht? Wird er wieder aufstehen? Mag er mich dann noch? Ein eiskalter Schauer fuhr mir über den Rücken, ich hoffte einfach, dass er mich noch mag!

„Zauber bringt nicht bei jedem Menschen was“, tadelte ein hochgewachsener muskulöser Junge mit rotblonden kurzgeschorenen Haaren. Testosteron gesteuert hob er seine goldene Sense und ging lässig auf mich zu „Ich mach das schon“, brummte er und holte mit der Sense aus. Vor Schreck zuckte ich zusammen, kniff die Augen so fest aufeinander, dass sie tränten. Doch die flache Seite der Sense traf mich nicht.

Der grauäugige hatte sich zwischen mich und dem Muskelprotz gestellt und nun lieferten sich die beiden ein Duell in Todesblicken. „Lyras“, brummte der rotblonde „Geh weg, sie ist eine Bedrohung!“

„Hunter, nein! Der Zauber hat doch nicht gewirkt…“, plötzlich durchfuhr mich ein erzitterndes Gefühl. Zögernd spähte ich über meine Schulter, und musste zusehen, wie neuer schwarzer Nebel auf mich zu kroch, nur verschwand er nicht! Meine Hände begannen vor Angst zu zittern. Nicht schon wieder! Schweißperlen traten auf meine Stirn und ich rutschte immer näher an Lyras heran, ob es ihm gefiel oder nicht. Alle Augen waren auf Lyras und Hunter gerichtet, niemand beachtete den Nebel, wahrscheinlich sahen sie ihn gar nicht, wie das im Mausoleum. Als der Nebel meine Schuhe hinaufkroch, schrie ich leise auf, was die Jungs sofort bemerkten. „Verdammt, Nebel!“, rief Lyras aus. Sofort traten alle auf dem Nebel herum, damit er sich auflösen konnte. Mit kräftigen Tritten schlugen sie den Nebel fort, nur Lyras nicht. Er kam zu mir und befreite meine Hose vom Nebel, in dem er mit seinen sanften Händen gegen meine Beine schlug. Ich zitterte noch immer. Was soll der ganze Mist? Das ist echt zum kotzen! Doch jetzt kamen mir weitere Fragen auf: War der Nebel gar nicht gefährlich? Wollte er uns nur warnen? Und wieso sahen diese Jungs den Nebel und meine Freunde nicht?!

„Alles in Ordnung?“, fragte der grauäugige. Plötzlich begann sich alles zu drehen, meine Sicht verschwand und meine Beine gaben unter mir nach. Zum Glück fing mich jemand auf, bevor ich das Bewusstsein verlor. 

Lyras

Lyras:

Mit einem komisch vertrauten Gefühl schlossen sich meine Arme um den dünnen Körper des Mädchens. „Was ist mit ihr?“, fragte Logan.

„Weiß ich nicht, aber wir sollten sie mitnehmen“, alle starrten mich entgeistert an.

Mit großen Augen sahen sie zwischen mir und dem Mädchen her und versuchten herauszufinden, wieso ich das gesagt habe „Schließlich wurde sie nicht von Orions Attacken angegriffen! Die Ranken sind einfach abgefallen, dass habt ihr doch selbst gesehen“, redete ich auf meine Verbündete ein. Jason trat zu mir. Jason war mein bester Freund, mit ihm verstand ich mich einfach gut, auf eine brüderliche Weise.

„Lyras hat recht, wir nehmen das Mädchen mit nach Fynos und lassen es von Nod untersuchen“

„Und hoffen, dass er sie nicht bespringen wird“, murmelte Orion, woraufhin jeder von uns sich ein Lachen verkneifen musste. Hunter seufzte.

„Trotzdem haben wir den Feind nicht gefunden“

„Natürlich nicht, was sollte er auch hier in einer verschlafenen Stadt in der Menschenwelt?“, Jason sah Hunter ungläubig an, während Hunter ihm einen hasserfüllten Blick zu warf.

„Du meinst, wir sind nur so hier?!“, knurrte er.

„Na klar, rate doch mal, wieso nicht alle mit sind. Wir haben quasi nur geschaut, ob hier was seien könnte“

„Und der Gnom…“

„War ein Zeichen, dass er hier war“, redete Jason weiter auf Hunter ein. Ich beachtete sie nicht, sondern sah einfach dieses Mädchen an. Irgendwoher kannte ich sie… ich wusste nur nicht wo her. Das Mädchen war hübsch, keine Frage. Es hatte schulterlanges Rotes Haar, sie hatte volle weiche Lippen und rosige Wangen. Sie war zwar dünn und hatte dadurch eine schmächtige Brust, dennoch sah sie echt hübsch aus. Fast so schön wie die Morgenröte…

Innerlich haute ich mir gegen den Kopf. Ich bin so ein Weichei geworden! Ich war bestimmt nur so sentimental, weil ich schon so lange kein Mädchen mehr gesehen hatte. In der Akademie der Scouts in Fynos sind nur Jungs erlaubt, und die Mädchen haben eine Akademie in Nyphen. Jedes Wesen in Raum und Zeit hat eine Gabe, jeder hat eine andere. Manche können einen starken Schlafzauber aussprechen, andere wiederum können die Zeit beeinflussen. Jeder Schüler wird auf eine der Akademien ausgebildet, um sie im Notfall benutzen zu können.

Nicht so wie wir.

Wir sind –man könnte sagen- verdammt. Meine Verbündete und ich sind in der Lage die Urelemente der Welt zu bändigen und so müssen wir stetig Acht geben, außerdem sind wir sehr stark und müssen zum Beispiel einem Feind hinter her, der etwas Schlimmes getan hat. Uns wurde noch nicht viel über ihn erzählt, da Nod (unser Ausbilder) es selbst noch nicht wusste. „Lyras“, holte mich Jason wieder in die Welt zurück. Ich schaute auf, und er starrte mir mit seinen Eisblauen Augen in meine. „Wir müssen los, nimm das Mädchen mit, wenn dir so viel an ihr liegt“

„Mir liegt ja nichts an dem Mädchen, aber vielleicht gehört sie ja zu uns“

„Zu uns? Den Ovyr… Lyras, ich glaube nicht. Wir sind doch schon alle, bis auf Venari und Diakon, die fehlen noch, und ich glaube nicht, dass sie so ein mächtiges Mädchen ist“, redete Jason auf mich ein. Ich nickte und erhob mich mit dem Mädchen, legte es auf meinen Unterarmen ab und folgte Jason.

Wir hatten unsere Fahrzeuge an einer Lichtung geparkt, wo keine Menschen hingehen würden und uns entdecken würden, schließlich war es ja noch früh am Morgen. Das Mädchen wiegte nicht viel, sie war so leicht, dass ich es einfach auf meinen Unterarmen tragen konnte, ohne dass sie nach längerer Zeit schlaff wurden. Fynos spendete uns Scouts, die auf eine Mission mussten Fahrzeuge, die in der Menschenwelt wie ganz normale Autos oder Motorräder aussahen, doch in Wirklichkeit waren sie viel komplexer. So komplex, dass nie ein Mensch darauf kommen würde. Es gab ein Auto und (in diesem Falle) nur vier Motorräder. Das Auto diente immer als Kontrolle, damit wir ungehindert in Die Raum-und-Zeit-Galaxie konnten, ohne dass die Menschen uns bemerkten. Es ist schwer zu erklären, aber wenn man erst mal damit aufgewachsen ist, so simpel. Jason stieß die Fahrertür des Autos auf und klappte den Sitz nach vorn. „Gib mir das Mädchen“

„Fährst du?“, fragte ich.

„Ja, ich bin auch hingefahren, dass hatten wir doch alle so abgemacht“, erklärte er. Ich zweifelte. Ich wollte sie nicht an Jason geben, wieso auch immer.

„Kann ich nicht fahren?“, fragte ich darauf und versuchte meiner Stimme nichts anmerken zu lassen, dass ich bei dem Mädchen sein wollte. Alle Jungs zogen die Luft ein und schauten mich belustigt an.

„Aber wieso kann ich nicht fahren?“

„Jason“, platzte  es aus mir heraus. Er hob beschwichtigt die Hände.

„Okay, dann fahr du“, er kam zu mir und ich gab ihm die Schlüssel für das Motorrad. Alle Jungs lächelten breit und setzten sich ihre hochmodernen Motoradhelme auf, setzten sich dann auf die Fahrzeuge und starteten sie. Jason machte eine Handbewegung, dass sie schon langsam losfahren konnten, aber an der Autobahn auf uns warten sollten. Ich versuchte so behutsam wie möglich das Mädchen auf die Rückbank zu legen. Sie hatte sich immer noch nicht bewegt, nur leise geatmet. Als ich sie irgendwie festgeschnallt hatte, streiften meine Finger ihren Hals und berührten einen komischen Ring.  Plötzlich kam ein kalter Luftzug auf und meine Sicht wurde ganz weiß.

Als ich das nächste Mal die Augen öffnete, hielt ich einen silbernen Ring in der Hand, der ein Halbmond als Motiv hatte. „Ist das nicht deiner?“, entfuhr es der Person, aus dessen Sicht ich schaute.

„Ja, woher hast du ihn?“, fragte eine wogende Stimme. Ein Mädchen kam auf mich zu und hielt mir die Hand entgegen „Gib ihn mir bitte wieder, Jupiter“

„Wieso hast du ihn an der Feuerstelle gelassen, Selene? Ich hab ihn in der Asche gefunden“, das Mädchen, was ich jetzt nun klar sah, hatte so rotes Haar, wie das Mädchen  das immun gegen die Attacken von Orion war. Sie hatte genau die gleichen Gesichtsmerkmale und war genauso gebaut, nur hatte dieses Mädchen einen langen weiten Chiton an, und die Haare zusammen geflochten. Selene machte einen ausweichenden Gesichtsausdruck.

„Gib ihn mir, bitte“, forderte sie.

„Selene!“, entfuhr es Jupiter schroff „Wieso lag er in der Asche?“

„Ich will nicht mehr, Jupiter! Ich will nicht mehr Venari und Diakon sein!“, schrie sie Jupiter an, und dann riss das Bild.

Meine Sicht wurde weiß und plötzlich stand ich wieder am Auto, in der Hand, den Ring von dem Mädchen. Ich schaute mir den Ring an. Er war aus Gold und hatte als Motiv eine Sonne, wie man sie als Kind immer gemalt hatte; ein Kreis in der Mitte und dann einfache Streifen als Strahlen. In der Mitte des hohlen Kreises stand ein Name: Eos. War das ihr Name? Ich schaute sie an, genauso wie Jason, der gerade zu mir gekommen war. Ich bemerkte ihn erst, als seine kalte Haut meinen Arm streifte. „Meine Güte, pack mich nicht an“, lachte ich „Du bist verdammt kalt! Im November kann ich sowas nicht gebrauchen“

„Was gehst du auch mit T-Shirt nach draußen?“, herausfordernd grinste Jason mich an.

„Was willst du?“

„Du benimmst dich in der Gegenwart dieses Mädchen so komisch und ich will wissen wieso“

„Ich finde es nur komisch, dass sie vielleicht ein Scout seien könnte und hier in der Menschenwelt lebt. Ich will nur wissen wer sie ist, mehr nicht“, redete ich mich heraus, und klappte den Fahrersitz wieder nach vorn.

„Na dann“, Jason hob eine Augenbraue „Lass uns los fahren, die anderen warten bestimmt“, meinte Jason und startete das Motorrad. Ich nickte und setzte mich in das Auto. Ich drückte ein Knopf am Armaturenbrett, damit Display herausfuhr, da das Auto nur losfuhr, wenn ein Scout erkannt wurde. Das Display fuhr heraus und ich legte meine Hand darauf, sofort scannte das Gerät meine Hand. Es wurde ganz warm unter meiner Handfläche, doch nach einiger Zeit gewöhnt man sich daran. „Lyras, Sturm, siebzehn Jahre alt, Ovyr. Genehmigt“, ertönte die monotone Stimme des Bordcomputers. Ich drückte das Gaspedal durch und mit quietschenden Reifen verabschiedete ich mich von dem Wald.

 

Im Rückspiegel versuchte ich die Bewegungen von dem Mädchen zu erfassen, nicht den Verkehr. Meine Verbündeten fuhren vor mir „Lyras, können wir?“, ertönte Logans tiefe Stimme im Auto. Um uns während der Fahrt verständigen zu können, haben wir Sprechanlagen in den Motorradhelmen und im Auto. Ich checkte in den Seitenspiegeln des silbernen Autos den Verkehr.

„Kann los gehen“, murmelte ich. Als Autofahrer fährt man grundsätzlich als Letzter durch die Schallmauer, die wir Scouts durchbrechen müssen, um in die Raum-und-Zeit-Galaxie zu gelangen. Die ersten Motorräder starteten und gaben Vollgas. Ich musste auf die Menschen aufpassen, denn es gab immer mal wieder welche, die unsere „Übernatürlichenkräfte“ entdecken und dann total verstört sind, es wohlmöglich weiter erzählen! So würden wir auffliegen und das wollen wir nicht. So muss der Autofahrer sich auf jede Reaktion der Menschen konzentrieren, das Mädchen hin oder her, ich musste meine Verbündeten schützen. In den Gesichtern der Menschen waren keine Reaktionen zu sehen, und als ich nach vorn schaute, waren die Jungs auch schon weg. So trat ich das Gaspedal durch und beschleunigte solange, bis ich die Schallmauer durchbrach.

Ich fuhr schon einige Minuten durch die Zwischengalaxie und wartete auf die Ausfahrt zu Fynos. Die Jungs waren nicht mehr zu sehen, wahrscheinlich hatten sie schon die Akademie erreicht und warteten nun auf mich, oder erzählten Nod was passiert war. Ich fragte mich, wie er auf das Mädchen reagieren wird. Ich hatte ein wenig Angst, dass er es nach Nyphen schicken wird, aber sie ist anders, das spürte ich! Und… 

Ich riss das Lenkrad nach rechts: Fast hätte ich die Ausfahrt nach Fynos verpasst, aber auch nur FAST. Schlitternd kamen die Räder auf der Straße aus Glas an. In Fynos sind alle Straßen aus Glas, da unter der Stadt ein riesiger Bach ist, der bei uns an der Akademie mit einem großen Meer zusammenläuft. Fynos war auf seine eigene Art einzigartig. Die meisten Galaxien oder Welten sind sehr modern aufgebaut, während Fynos sehr ländlich aussieht: Es gibt viele Berge, natürlich viele Seen, überall  sind Felder. Es sieht einfach toll aus! Was die Mädchen aus Raum-und-Zeit nicht so toll finden. In Nyphen gab es quasi alles was ein Mädchenherz höher schlagen lässt. Einkaufzentren wo man hinschaut, Cafés brechen an jeder Straßenecke aus… für uns Jungs war es dort zum kotzen, deswegen drückten wir uns oft, wenn wir dort hin mussten, zu irgendwelchen Tanzveranstaltungen oder so. Von der Rückbank ertönte ein leises Gähnen. Sofort schaute  ich in den Rückspiegel: das Mädchen regte sich und öffnete die Augen. Abrupt trat ich auf die Bremse und wartete, doch sie schloss einfach wieder die Augen und döste friedlich vor sich hin. Genervt beschleunigte ich wieder und schoss die Einfahrt der Akademie hinauf.

 

„Sie muss nach Nyphen“, meinte Nod. Geschockt riss ich die Augen auf.

„Nein“, stritt ich ab „Sie ist anders, das weiß ich!“, brummte ich.

„Lyras, sei vernünftig! Sie ist ein Mädchen und muss deswegen nach Nyphen“, er lehnte sich gegen das Krankenbett, wo das Mädchen drin schlief. Ihr fehlte nichts, aber wir wollten wissen, wann sie aufwacht, so schlossen wir sie an ein bestimmtes Gerät an.

„Aber sie hat nicht auf die Attacken von Orion reagiert!“

„Das kann manchmal bei einem Scout vorkommen, wenn diese ihre Kräfte noch nicht entdeckt haben“, er sah von dem Mädchen weg und seine lila Augen kreuzten meinen Blick „Lyras, nur weil sie nicht auf die Attacken reagiert hat, heißt es nicht, dass sie ein Ovyr ist!“

„Aber ihre Augen…“

„Ich rufe die Ausbilderin in Nyphen an“, unterbrach er mich.

„Warte bis sie aufgewacht ist. Jeder Ovyr hat doch was Besonderes an sich, bei mir sind es die Blitze in den Haaren, bei Jason die Kälte und…“

„Komm auf den Punkt!“, knurrte er.

„Ihre Augen“, meinte ich und sah Nod fest in die Augen „Warte, bis sie aufgewacht ist!“. Der Ausbilder der Ovyr zögerte einen Moment, nickte dann aber. Mit einem strengen Blick verließ er den Raum und befahl den anderen nicht in den Raum zu gehen. Jason kam trotzdem rein, die anderen verschwanden aufs Wort.

„Was hat er gesagt?“, fragte er, als er durch die Tür trat.

„Sie bleibt, bis sie aufwacht“, ich rieb mir den Nacken.

„Du willst, dass sie bleibt, oder?“, meinte er und setzte sich auf einen Klappstuhl. Ich nickte „Wieso?“

„Ich weiß es nicht. Wirklich nicht“, beteuerte ich. Ich hatte wirklich keine Ahnung, wieso ich unbedingt wollte, dass dieses Mädchen bei uns bleibt. Wir kannten sie ja nicht mal, dabei war sie ein Mädchen und hatte hier nichts verloren. Jason stand auf und schlich um das Krankenbett herum.

„Naja, hübsch ist sie ja“, lachte er „Weißt du, wie sie heißt?“

„Nein“, antwortete ich knapp und stellte mich zu Jason, der gerade die Halskette von ihr in die Finger nahm und den Ring betrachtete, den sie auf ein Band gesponnen hat.

„Eos“, murmelte er „Göttin der Morgenröte“, meinte er und schaute mich verblüfft an „Passt ja“

„Was passt?“

„Naja, die Morgenröte ist schön“

„Jason“, brummte ich, woraufhin Jason lauthals lachen musste „Nod wird dich umbringen, wenn du das in seiner Nähe sagst“

„Ich weiß“, meinte er und wandte sich zum Gehen „Hab jetzt Unterricht. Bis später“, er winkte mir noch zu und verschwand. Erschöpft ließ ich mich in einen Sessel sinken und lehnte meinen Kopf an. Es war doch zu komisch, da wollten wir einen Gnom töten, der entwischt uns, aber wir finden jemanden, der vielleicht die letzten Elemente bändigen kann. Aber Nod und Jason hatten recht: es wäre wirklich sehr unwahrscheinlich. Ein Ovyr zu sein macht kein Spaß! Die meiste Zeit ist es durchgehend gefährlich und man muss ständig auf sich und seine Mitmenschen aufpassen, da die Kräfte, die man besitzt, unglaublich impulsiv sind, und man sich so schnell selbst in den Tod reißt. Deswegen kämpften wir durchgehend mit Waffen um uns selbst nicht mit den Kräften zu schaden, auch wenn sie die Feinde umso schneller töten würden.

Für einen Moment schloss ich die Augen. Wenn sie wirklich ein Ovyr wäre, dann hätte sie es doppelt schwer! Als Ovyr aufzuwachsen mag zwar nicht einfach sein, aber man gewöhnt sich an die Situationen, doch wenn man einfach ins kalte Wasser geschmissen wird, wäre das echt hart.

Ich seufzte, ich hoffte für  sie, dass sie es nicht ist. Schon schlief ich ein.

 

„Juupiter“, summte eine fröhliche Stimme. Mein Kopf schwenkte sich nach links und diese Selene schob einen Vorhang beiseite und trat in den Raum. Wir befanden uns in einem alten Tempel, ich konnte leider nicht an mir herunterschauen, da ich nicht der Herr über diesem Körper war, dennoch sah ich Selene, die wieder einen weißen Chiton trug.

„Selene?“, fragte ich hoffnungsvoll. Sie nickte und kam auf mich zu.

„Es ist so schön hier! Ich hoffe, wir werden nie von hier fort gehen“, mit einem wunderschönen Lächeln schaute sie mich an.

„Das kann ich dir leider nicht versprechen. Du weißt warum“, meinte ich, woraufhin Selene die Lider niedergeschlagen aufeinanderschlug.

„Ja, ich weiß. Die Feinde werden uns finden“, sie rang mit den Händen.

„Selene“, presste ich hervor. Sie stellte sich dicht vor mich und schaute mir von unten in die Augen. Ihre Augen sahen genauso aus wie die von dem Mädchen!

 

Geschockt setzte ich mich auf und musste mit erschrecken feststellen, dass es bereits mitten in der Nacht war und ich meinen Unterricht glatt verpennt hatte. Nod bringt mich um! Ich rieb mir die Augen, damit ich klarer sehen konnte. Jemand räusperte sich, und ich konnte nur hoffen, dass es nicht Nod oder einer von den Jungs war. Ich ließ meine Hände sinken, meine trübe Sicht verschwand und sofort strahlten mich zwei unterschiedliche Augenfarben an.

Das Mädchen war wach!

Schnell hastete ich zu ihr, um dieses Gerät auszuschalten, dass Nod einen Alarm gab, wenn sie aufwachen würde. Ich wollte nur kurz mit ihr allein reden. Das Mädchen schaute mich verwundert an, rieb sich dann die Augen und schaute mich dann wieder an. „Dann war das alles doch kein Traum“, murmelte sie niedergeschlagen.

„Wie meinst du das?“, platzte es aus mir heraus.

„Naja“, sie versuchte die richtigen Worte zu finden „Ich kenne dich, aus dem Wald, du hast verhindert, dass dieser Hunter mich umbringt und mich von dem Nebel befreit“, sie kniff die Augen zusammen „Hayden“, wisperte sie.

„War das der Junge, der bei dir war?“, fragte ich so sanft wie möglich. Das Mädchen nickte und schluchzte. Was sollte ich jetzt machen? Sie trösten? In den Arm nehmen? Ich kannte nicht mal ihren Namen! Sie schlug sich die Hände vors Gesicht und einige Tränen kullerten ihr über die Wange. „Er wird wieder. Orion, der Junge, der die Ranken gebändigt hat, meinte, dass die Ranken Hayden vergessen lassen was geschehen ist. Ihm werden weder Schaden zugefügt oder Ähnliches, er vergisst nur was in der letzten halben Stunde passiert ist“, erklärte ich und das Mädchen nickte, wischte sich das Gesicht mit ihrer Handfläche ab und schaute mich an.

„Wo bin ich hier?“

„Das wird dir gleich noch erklärt“, sagte ich ausweichend. Sie schaute mich verblüfft an.

„Wie?“

„Du wirst gleich noch mit unserem Ausbilder sprechen, und dann wirst du wahrscheinlich nach Nyphen geschickt“

„Nyphen?“, sie riss die Augen auf. Ich machte eine verwerfende Handbewegung, das wollte ich ihr nicht erklären! Ich wollte sie eher auf den Nebel ansprechen, den sie anscheinend schon kannte.

„Kannst du dich noch an den schwarzen Nebel erinnern?“, sie nickte „Kanntest du den schon irgendwoher?“

„Erst seit heute. Ich gehe auf ein Internat und wir haben heute einen Ausflug gemacht und als wir auf den Bus gewartet haben, da wollte eine riesen Nebel-oder Schwattenwand einen meiner Mitschüler mitnehmen! Aber dann war’s das auch“, sie zuckte mit den Schultern „Manchmal im Mausoleum ist er auch aufgetaucht, aber nur mit den Schatten zusammen“

„Schatten?“, wollte ich wissen. Sie machte einen ausweichenden Gesichtsausdruck, sie wollte anscheinend nicht darüber reden. „Wie heißt du?“, fragte ich anstelle.

„Eos“, sie ließ sich in das dicke weiße Kissen fallen und schaute mich an „Du?“

„Lyras. Ich werde meinen Ausbilder jetzt holen, der ist ein bisschen komisch, aber das klappt schon“

„Aufmunternde Worte“, kicherte sie und winkte mir zu, als ich auf den Flur ging, doch schon machte ich wieder kehrt „Sag ihm nicht, dass ich hier war!“, ich schaltete das Gerät wieder an „Beweg dich irgendwie, der Alarm muss ausgelöst werden! Ich komme gleich wieder“, zischte ich, doch Eos schaute mich nur verwirrt an „Los!“, forderte ich schroff und Eos hampelte etwas herum. Das Gerät piepte und rannte so schnell wie möglich aus dem Raum.

 

Die Zimmer der Ovyr sind dem Element angepasst, in meinem Beispiel Sturm: Die Zimmerdecke bestand aus dicken grauen Wolken, aus denen Regen prasselte, der aber nichts nass machte. Durch alle Möbel zuckten Blitze und oft donnerte es. Es war herrlich! Manchmal wehte sogar starker Wind, oder es wütete ein Tornado durch mein Zimmer. Ich ließ mich auf mein Bett fallen, dessen Bettzeug aus dicken Regenwolken bestand. Ich hoffte Nod würde uns Bescheid sagen, dass Eos aufgewacht ist, auch wenn ich schon mit ihr geredet habe, wollte ich dabei sein, damit ich Nod überzeugen konnte, denn ihre Augen waren schon sehr besonders. An meiner Zimmertür klopfte es. Jason steckte sein Kopf in mein Zimmer, mit seinen großen eisblauen Augen schaute er mich an „Das Mädchen ist aufgewacht“, trällerte er und schoss wieder aus dem Zimmer. Schnell stand ich auf und rannte Jason hinterher.

Kurz vor der Tür des Krankenzimmers, holte ich Jason ein. Wir beide betraten den Raum und mussten mit Entsetzten feststellen, dass die anderen Ovyr auch schon da waren. Eos hatte sich aufgesetzt und Nod saß auf dem Bettrand. „Wie ist dein Name“, fragte Nod, und betrachtete Eos  ganz genau.

„Eos“, antwortete sie.

„Kurz und knackig“, Nod lachte, aber kein anderer „Der gute Lyras meinte, dass du was besonderes wärst“, er schaute über seine Schulter zu mir, auch Eos, die mich aber anlächelte, doch als Nod sie wieder anschaute, setzte sie einen verwirrten Gesichtsausdruck auf.

„Besonderes?“

„Ja, er meinte deine Augen seien besonders, und du könntest gut zu uns passen“. Ich kniff die Augen zusammen. Musste er das sagen? Er holte eine kleine Taschenlampe aus der Hosentasche und leuchtete in ihre Augen. Er leuchtete zuerst in das linke Auge, das schwarz ist, aber in dem Licht blau schimmerte und diese silbernen Sprenkel gut herausstachen. Dann in das andere: Das rechte Auge von Eos ist golden und hat ebenfalls diese silbernen Sprenkel. Nod räusperte sich und rückte von ihr ab. „Tatsächlich“, meinte er und war völlig erstaunt „Die sind wirklich außergewöhnlich. Dennoch haben wir keinen Beweis, dass sie vielleicht Venari und Diakon in sich haben könnte“

„Ihr Ring“, meinte ich und Nod’s Blick schnellte auf ihr Dekolleté, da an einer kurzen Kette dieser goldene Ring hing, den ich aus meinen Träumen von Selene kannte, wieso auch immer ich die beiden jetzt verband. Unser (leicht pädophiler) Ausbilder nahm den Ring zwischen die Finger und betrachtete ihn im Licht der Taschenlampe.

„Darf ich?“, fragte Nod. Zuerst zögerte Eos, nickte dann aber doch und machte die Halskette auf. Man sah ihr an, dass sie die Kette nur sehr ungern abgeben wollte, trotzdem ließ sie die Kette in die Hände des Ausbilders fallen. „Was soll jetzt an dem Ring so besonders sein?“, fragte Nod mich. Ich zuckte mit den Schultern.

„Lass ihn doch auf Elemente untersuchen, unten in der Stadt ist doch so ein Laden“, redete ich mich heraus.  Nod schaute mich gelangweilt an.

„So ein Ring sagt nichts aus, Lyras!“, fauchte er „Ich lasse ihn dennoch untersuchen, wenn du das unbedingt willst“, tadelte er abfällig.

„Es geht nicht um mich, sondern um Eos! Wie willst du das sonst herausfinden?“, fuhr ich ihn an „Ihre Augen sagen eigentlich schon genug aus, Nod!“, mein Ausbilder stand auf.

„Ich lass diese verdammte Kette doch jetzt untersuchen! Kein Grund patzig zu werden, Lyras“, knurrte er „Dein Verhalten gefällt mir nicht, und du warst heute nicht im Unterricht. Du solltest lieber aufpassen! Mardux ist schwer und beliebt bei Angreifern, du solltest lieber zum Unterricht erscheinen, wenn ich es sage!“, drohend baute er sich über mich auf. Mit einem Handzucken, könntest du ihn töten, dachte ich. Genervt ließ ich die Augenrollen und schnaubte. „LYRAS! Wenn du so weitermachst, kommt sie doch nach Nyphen!“, er zeigte auf Eos. Okay, jetzt wurde ich richtig wütend. Ich ballte meine Hände zu einer Faust, nur im ihnen zu verweigern, Blitze oder Schlimmeres zu bändigen,  tief atmete ich ein und aus, doch das alles brachte nichts. Hinter mir war ein Grollen zu hören und starker Wind kam auf. „Lyras“, Nod klang geschockt „Lyras, nun beruhige dich doch“. Ich öffnete meine Augen. Der Raum war plötzlich so düster und alle rückten von mir ab. „Stampf auf den Boden, los! Bevor was Schlimmes passiert!“, rief Nod gegen den Wind an. Ich öffnete eine Hand: auf meiner Handfläche tanzten einige Blitze herum. Noch mehr Donner! Ich fühlte mich so stark.

„Lyras!“, rief Jason „Mach was Nod sagt, auch wenn es dir nicht gefällt!“, sofort hob ich ein Bein und stampfte es so fest auf den Boden wie möglich. Sofort entlud sich meine ganze Energie. Ein Blitz schlug direkt an meiner Stelle ein, der Donner war ohrenbetäubend und der Wind brauste noch einmal richtig auf.

Doch schon ebbte es ab. Der Wind kam zum stehen, der Donner verschwand und es wurde wieder hell im Zimmer. „Wir“, Nod zeigte zwischen mir und ihm her „Reden gleich nochmal. Jetzt raus!“, befahl er. Ich atmete noch einmal tief ein, und ging zu der Tür, doch bevor ich hinausging, schaute ich über meine Schulter zu Eos, die sich krampfhaft in die Decke gekrallt hatte und mich etwas verängstigt anschaute. Ich drückte die Türklinke runter und rauschte aus dem Krankenzimmer heraus.

 

Genervt ließ ich kleine Blitze über den Boden zischen. Ich hasste Nod! Er ist so unglaublich unvernünftig und stellt mich immer so dumm da! Donner grollte. Ich war noch immer so wütend, wieso machte er sowas mit mir? Nur weil ich nicht immer nach seiner Pfeife tanzte? Nur weil ich meinen eigenen Willen habe? Nur weil Mardux so stark ist? Ein weiterer, stärkerer Blitz zischte aus meiner Hand heraus, nur konnte ich den nicht kontrollieren. Er driftete ab und zerstörte eine Lampe. „Verdammter Mist!“, stieß ich aus und ließ mich zurück in das Bett fallen. Es ist doch alles kacke!

„Hey yo! Was machst grad?“, trällerte eine Stimme, die ich zu gut kannte.

„Was willst du?“, fragte ich niedergeschlagen.

„Ein starker Auftritt“, meinte Jason und trat in mein Zimmer „Autsch!“, geschockt zuckte er zusammen „Hast du wieder mit Blitzen hantiert?“

„Ja“

„Och Lyraaas“, schmollte Jason und setzte sich auf einen Sessel, stieß einige Gläser vom Hocker, damit er es sich bequem machen konnte. „Ich weiß, dass du Nod nicht magst, weil er dich immer so unter Druck setzt, aber so war das doch auch bei uns! Sturm ist eben schwer zu erlernen und so will Nod einfach das du verstehst“

„Aber ich versteh doch! Ich kann es nur nicht fassen, dass er mich für so dumm hält! Du hast selbst gesehen, wie er mich vor euch runtergemacht hat! Langsam halte ich das hier nicht mehr aus“

„Ach“, seufzte Jason „Nur noch ein Leben lang, Lyras“, kicherte er.

„Danke“

„Wieso warst du denn nicht beim Unterricht?“, wollte Jason wissen.

„Ich bin eingeschlafen“

„Das ist alles?“

„Ja, ich habe mit Nod im Krankenzimmer über das Mädchen geredet und als er hinausgegangen ist, hab ich mich in den Sessel gesetzt und bin eingeschlafen, als ich aufwachte, war es bereits dunkel und das Mädchen war wa-…“, ich schaute an die Wand. Hoffentlich hatte Jason es nicht mitbekommen, wieso redete ich auch immer so unüberlegt?!

„Aber als sie aufgewacht ist, hab ich dich doch geholt“, Jason schaute mich verwirrt an.

„Ich hab das Gerät ausgemacht, damit ich mit ihr reden konnte“, gestand ich. Jason zog verdächtig die Luft ein.

„Worüber habt ihr denn geredet?“

„Ich wollte nur wissen, wieso sie so auf den Nebel im Wald reagiert hat. Sie meinte, dass der Nebel sie schon mal bedroht hat, nämlich am Morgen als sie zu einem Ausflug aufgebrochen sind. Eine dicke Schattenwand wollte einen Mitschüler vor Eos Augen mitnehmen“

„Nun gut, aber das war eine Schattenwand, wir suchen nach einem bestimmten Nebel“

„Sie war sich nicht ganz sicher, ob es nun Schatten oder Nebel war. Dennoch wären Schatten ebenfalls sehr verdächtig“

„Keine Frage“, Jason nickte „Lass uns Morgen mal Nod ausquetschen, was jetzt genau los ist und dann schauen wir mal! Ich hau mich jetzt aufs Ohr“, mit einem schiefen Grinsen verschwand er aus meinem Zimmer.

Nur wenige Minuten später kam auch mein Ausbilder mit einem strengen Blick ins Zimmer. Wie Jason zuckte er kurz zusammen, als er den Raum betrat, da er durch die Blitze elektrisch aufgeladen war. „Lyras“, setzte er an und schaute mich verärgert an. 

Lyras

Lyras:

 

Quälend schleppte ich mich ins Badezimmer und duschte mich.

Ich war noch so verärgert wegen Nod!

Er kam gestern einfach in mein Zimmer und verdonnerte mich dazu, so lange zu üben, dass ich meine Wut unter Kontrolle hatte! Ich musste nun von dem Tage an, zwei Unterrichtstunden mehr haben, nur damit Nod sich vergewissern konnte, dass ich meine Wut bald bändigen konnte. Immer wieder sagte er, dass sich Sturm meistens nur mit den Gefühlen beeinflussen ließe, und diese bei mir sehr ausgeprägt wären, weswegen sich ein Wutanfall schnell zu etwas Gefährlichen ausbreiten kann. Ich wünschte wirklich ich hätte meine Wut auf ihn gerichtet, dann wäre er jetzt nicht mehr da und alle sind glücklich!

Ich seufzte.

Wieso kann es nicht einfacher sein? Wieso kann ich nicht normal sein?

Ich stellte die Dusche ab, nahm ein Handtuch und wickelte es um meinen unteren Bauchbereich. Mit der Hand fuhr ich durch meine nassen Haare. Sollte ich Eos nochmal besuchen gehen? Wäre ja eine gute Idee, falls Nod noch irgendwas gesagt hat, und sie vielleicht doch nach Nyphen kommt. Schnell zog ich mich an und rannte mit nassen Haaren aus dem Badezimmer.

Die Akademie in Fynos war sehr groß, da viele junge Scouts hier kommen mussten. Ab dem Alter von acht Jahren war man dazu verpflichtet bis man zwanzig war, eine Ausbildung zum Scout zu machen, damit man im Notfall seine Kraft einsetzten konnte. Nur die Ovyr würden für immer in Ausbildung bleiben, einfach zum Schutz deren Hüter. Uns wurde viel verboten, wie zum Beispiel, dass wir nur mit mehreren die Akademie verlassen durften, oder das wir unsere Kräfte nur unbeobachtet benutzten dürfen, doch das Schlimmste von allen Verboten war, dass wir uns nicht verlieben durften. Ich weiß, dass klingt aus meinem Mund komisch, weil ich ein Junge bin, aber ich wollte mich später schon gerne verlieben, vielleicht eine Familie gründen, doch einem Ovyr würde das nicht gestattet sein. Es wäre viel zu gefährlich. Nod sagte auch immer, wenn man sich verliebt, ist man blind und so konzentriert man sich nicht mehr auf das Wesentliche. Manchmal dachte wirklich darüber nach, ob es nicht eine gute Idee wäre, sich nicht zu verlieben. Wenn man mal Kinder bekommen würde, die wären dann ebenfalls mit den Kräften der Ovyr gepeinigt und das wollte ich nicht. Ich würde meinen Kindern nie so eine Last aufzwingen! Wenn ein Ovyr überhaupt mal so ein Alter erreichen würde. Das ich schon siebzehn bin, ist ein Wunder! Allein das Logan schon einundzwanzig war auch; er war der Älteste der Ovyr und der Weiseste. Lag wahrscheinlich an seinem Element: Er hatte den Geist als Element, und konnte es so gut bändigen!

Meine Hand fasste die Türklinke aus Metall. Wieso war ich so aufgeregt? Das Metall fühlte sich so kühl an, obwohl mein Inneres zu kochen begann. Ich wischte mir noch einmal über die Stirn, drückte dann aber die Türklinke herunter. Eos saß auf dem Bett und schaute sich den Ring genau an. Wollte Nod den nicht untersuchen lassen? Innerlich knurrte ich vor Wut. Bleib ruhig, Lyras! Alles wird gut!

„Hey“, begrüßte ich sie, als ich den Raum betrat. Für ein Krankenzimmer war der Raum sehr gut eingerichtet, denn wirklich klinisch sah er nicht aus!

„Oh, Hi!“, sie wirkte etwas geschockt von meinem Besuch „Hab dich gar nicht kommen hören“, verlegen rang sie mit den Händen und fädelte den Ring wieder auf die Kette. Vergebens versuchte sie sich die Kette selbst um zu legen, schaffte es aber nicht. Niedergeschlagen ließ sie die Hände sinken und schaute bedrückt durch das Zimmer.

„Soll ich dir helfen?“, fragte ich.

„Das wäre wirklich nett, ich schaff es nicht allein“, gab sie zu und hielt mir die Kette entgegen. Vorsichtig nahm ich sie und wartete darauf, dass Eos sich mit dem Rücken zu mir hinsetzte. Sanft drückte ich den Verschluss der Kette runter und schloss ihn wieder, als die Kette um Eos Hals lag. „Danke“, meinte sie und rutschte wieder zu mir herum „Darf ich dich was fragen?“, zögerte sie. Ich schob mir den Sessel zu ihr ans Bett und nickte. „Klar, schieß los“

„Wieso findest du meinen Ring besonders?“, sie schaute mich ganz kurz an, dann senkte sie wieder ihren Blick. Sollte ich ihr es wirklich sagen?

„Keine Ahnung“, log ich „Nod wollte mir das mit deinen Augen nicht abnehmen, so hab ich einfach irgendwas gesagt“. Man war ich schlecht im Lügen, doch Eos ging auch nicht weiter drauf ein.

„Es ist nur ein Ring, keine Sorge. Was sollte es sonst sein?“, ein Zeichen für Venari und Diakon!

„Stimmt. Was hat Nod eigentlich noch gestern gesagt?“, ich versuchte meine Neugier zu verstecken, doch Eos bemerkte es und musste herzlich lachen.

„Naja“, sie überlegte „Nach deinem Auftritt hat er die ganze Zeit komisches Zeug gelabert, von wegen <<der wird was zu hören bekommen! Mardux soll man nicht so in den Dreck ziehen! Wie dumm ist er eigentlich>>, und mehr, aber irgendwann hab ich weggehört“, sie schaute mich wieder an. Ich merkte wie sie mich von Oben bis Unten musterte „Was war das gestern eigentlich?“, wollte sie wissen. Peinlich berührt kniff ich die Augen zusammen. Musste sie genau DAS wissen?

„Ein Wutanfall“, brummte ich „Ich verstehe mich nicht so gut mit Nod. Er bringt mich einfach schnell auf die Palme, bei mir ist es eben besonders schlimm, da Mardux, also Sturm, viel von den eigenen Gefühlen geleitet wird. So wird aus einem Wutanfall schnell ein Unwetter“, Eos schaute mich verwirrt an „Nod hat dir doch von den Elementen erzählt oder?“

„Ja“, bestätigte sie „Und von Nyphen, der Mädchenakademie“. Ich schluckte hart. Es war so klar, dass sie nach Nyphen geschickt wird.

„Weiß Nod denn, was du für ein Element besitzt?“, wollte ich wissen und unterdrückte meine Wut. Sie schüttelte den Kopf.

„Er meint, dass wäre Dianas Aufgabe“

„Nein!“, platzte es aus mir heraus. Eos riss geschockt die Augen auf „Eos, ich weiß, dass du besonders bist und ich denke, es ist keine gute Idee, wenn du nach Nyphen gehst!“

„Besonders?“, ihr Blick schweifte durch den Raum und plötzlich fuhr sie zusammen „Lyras?“, ihre Stimme zitterte.

„Was ist?“, hetzte ich. Mit zitternden Armen zeigte sie in eine Ecke, in der sich eine Nebelwand aufbaute. So schnell wie möglich setzte ich mich in Bewegung, wirbelte meine Hände übereinander her, damit eine Blitzkugel entstand. Mit voller Kraft ließ ich die auf den Nebel los. Schnell zog ich Eos zu mir, denn die Kugel explodierte und der ganze Raum wurde mit Blitzen überflutet. Wenn ich sie anfasste, würde ihr nichts passieren, da ich eine Art neutraler Punkt im Raum bin. Der Nebel verschwand. Langsam ließ ich Eos los. „Wow“, brachte sie nur heraus „Du bist wirklich stark“, meinte sie. Ich schaute runter zu ihr. Sie war schon ziemlich klein: mit dem Kopf kam sie gerade an mein Schlüsselbein. Ich lächelte sie an, doch etwas störte mich. Ihr Ring blinkte.

„Eos, ich will dir nicht zu nahe treten, aber“, ich nahm den Ring zwischen Daumen und Zeigefinger und betrachtete ihn „Blink der immer?“

„Nein, das ist neu“, vorsichtig nahm sie den Ring in die Hand, und sofort platze die Kette auf. Ein helles Licht erstrahlte den Raum, eine Kraft durchströmte den Raum, dass ich nach hinten geschleudert wurde und gegen eine Vitrine knallte. Zögernd öffnete ich die Augen, musste aber sofort wieder blinzeln, da der Raum in einem hellen Licht getaucht wurde, aber schlagartig wurde es stockdunkel.

„Eos?“, presste ich hervor und stemmte mich hoch. Als die Dunkelheit langsam abebbte, sah ich, dass Eos direkt vor mir stand, starrte aber verwundert auf ihre Hand.

Oder besser, was sie in der Hand hielt.

Sie hielt ein Zepter in der Hand, was genauso groß wie sie war. Es war ganz aus Gold und strahlte; Oben und Unten vom Zepter waren Schnörkel: der untere war relativ klein, ungefähr Faustgroß, die Schnörkel waren ebenfalls aus Gold und wunden sich um das Ende des Zepters. Oben war es genauso, nur in viel größer, und majestätischer. In der Mitte war ein kleiner leuchtender Ball. Er schwebte dort und wechselte oft zu hell und dann wieder zu dunkel. Also wenn das mal kein Zeichen für Venari und Diakon ist, dachte ich.  „Wir sollten zu Nod gehen“, riet ich doch urplötzlich zog sich das Zepter wieder zusammen und Eos hielt wieder den Ring in der Hand „Mist“, knurrte ich. Eos stand neben mir und zitterte wie Espenlaub.

„Ich will zurück“, wimmerte sie.

„Eos“, hauchte ich und sie schaute mir von unten in die Augen „Du kannst nicht zurück“, so schwer es mir fiel ihr die Wahrheit darüber zu sagen, dass sie wahrscheinlich nie wieder in ihr altes Leben zurückkehren konnte, erschütterte mich ein wenig. Sie kam mir so unschuldig vor.

„Wieso?“, sie kämpfte mit den Tränen.

„Weil dieses Zepter der ultimative Beweis war, dass du nicht normal bist, sondern eine von uns“, ich schluckte hart, als die ersten Tränen Eos die Wange hinunterrannten. Sie wendete das Gesicht ab und schaute einfach nur aus dem Fenster und ließ ihren Tränen freien Lauf. Da fiel mir auf, wie anders sie wirklich war: Selbst ihre Tränen sahen aus wie das Funkeln der Sterne. Ich wusste nicht, wie ich mich jetzt verhalten sollte. Was sollte ich jetzt tun? Das Mädchen weinte bitterlich, weil sie nicht in ihr gewohntes Leben zurückkonnte, sondern alles hinter sich lassen musste. Ihre Freunde, ihre Ziele, und wahrscheinlich ihr Freund, der bei ihr war. Wenn das ihr Freund war. Er wusste bestimmt, was ich jetzt tun sollte, da er sich mit Mädchen auskennt, nicht so wie ich.

Ich musste sie aufmuntern!

„Soll ich dir mal die Akademie zeigen? Und vielleicht nach meinem Unterricht, Fynos?“. Sie wischte sich mit dem Ärmel ihres Pullovers und wandte sich wieder mir zu.

„Ja, gern“, sie zwang sich zu lächeln.

 

Eos wurde von allen Seiten begafft.

Und es störte mich!

Ich wusste nicht mal wieso es mich störte, aber Eos war es ebenfalls sichtlich unangenehm. Natürlich war sie hübsch, aber die meisten Jungs hier, haben einfach zu lang keine Mädchen mehr gesehen, so waren einfach erstaunt und neidisch auf mich, weil ich neben ihr ging. „Das hier ist der Speisesaal“, ich machte eine ausschweifende Armbewegung. Eos zog die Luft ein.

„Wow, der ist aber groß“, staunte sie.

„Hier müssen auch ziemlich viele Jungs essen“, herausfordernd grinste ich sie an und sie streckte mir die Zunge raus. Sie schaute sich um.

„Schauen die immer so?“

„Es ist nur ungewöhnlich, dass ein Mädchen hier ist“, erklärte ich ihr und zog sie weiter. Wir gingen jetzt vom Speisesaal in die Bibliothek. Nach meinem Zimmer, mein Lieblingsraum der Akademie. Es war ein riesen Zimmer voller Bücher und voller Ruhe. Niemand wollte hier rein, weil der Raum so eine unheimliche Stille hat, die mir gerade gefiel. Ich zeigte Eos einige Bücher, die mir gut gefielen, oder die Bücher aus denen ich lernen musste. Eos schaute sich um.

„Ein wirklich schöner Ort. Ich liebe lesen“, mit einem verträumten lächeln strich sie über die Buchrücken der dicken Wälzer und ließ sich dann auf ein Sofa fallen.  

„Du magst lesen?“, fragte ich und schaute mir den Klappentext eines Buches an.

„Ja, sehr. Mit meiner besten Freundin habe ich immer über Bücher diskutiert, welche am besten sind und welche echt schlecht sind“, sie kicherte.

„Lesen ist wirklich schön“, ich stellte das Buch wieder ins Regal „Einfach nur, weil man in eine andere Welt entfliehen kann“, meinte ich und lehnte mich gegen das Bücherregal. Sie strahlte mich breit an.

„Das sage ich auch immer!“, ihre Blicke wanderten durch den Raum „Hier ist ja gar keiner, dabei ist der Raum so schön“

„Ich bin meistens alleine hier. Nicht viele lesen hier, und wenn, brauchen sie nur was für den Unterricht“, ich schaute auf eine Uhr an der Wand „Apropos Unterricht“, ich seufzte schwer „Willst du mitkommen? Wenn nicht, kannst du sicherlich zu Jason gehen“

„Wenn das für Nod kein Problem ist, würd ich gern mitkommen, schließlich muss ich ihm doch noch sagen, dass was mit meinem Ring nicht stimmt“

 

Dass wir zusammen beim Unterricht aufkreuzten, erfreute Nod nicht gerade, und als ich ihm auch noch sagte, dass sie hierbleiben soll, bis der Ring gecheckt wurde, platzte er fast vor Wut. Gewaltsam entriss er Eos den Ring und ließ ihn in seine Hosentasche gleiten. „Nod, du solltest mal ein Seminar für Wut nehmen, ich hab das nicht nötig“, tadelte ich herabfallend. Mein Ausbilder knurrte vor Wut und packte mich am Kragen.

„Hör mir mal zu, du Dreckskind!“, sein Griff wurde fester „Von dir muss ich mir nichts anhören, hast du verstanden?“, seine lila Augen funkelten vor Wut und sie starrten direkt in meine. Ich gähnte gelangweilt, ließ dann aber Donner grollen, sodass er vor Schreck zusammenzuckte. „Lyras“, schrie er und versuchte gegen den Donner anzukommen. Durch Heftige Sturmböen ließ er von mir ab und flog ans andere Ende des Raumes. Da ich Eos nicht festhielt, flog sie wie Nod, unsanft gegen die Wand und hielt sich schützend die Hand vors Gesicht. Mit den Armen vor der Brust verschränkt, ließ ich den Wind langsam ruhiger werden und wartete darauf, dass Nod und Eos aufstanden. Langsam erhob Nod sich, half sogar Eos beim hochkommen. Schnell strich sie ihre Haare glatt, während Nod ihr einfach nur auf den Arsch glotze. Perverser!

„Mitkommen!“, meinte er, als er auf mich zu kam.

„Nein“, meinte ich entschlossen. Ich war schon immer so, da konnte Nod nichts gegen machen, so knurrte er nur.

„Heute wirst du dann wohl wieder deine Nase in ein Buch stecken müssen, denn langsam habe ich keine Lust mehr!“, mit den Worten rauschte er aus dem Saal. Eos trat vorsichtig zu mir.

„Keine Angst“, mit diesen entwarnenden Worten stellte sie sich direkt vor mich.

„Wie kannst du deinen Lehrer so wütend machen?“, mit großen Augen schaute sie mich an.

„Einen Ovyr kannst du nicht wirklich unterrichten. Nach ein paar Jahren hast du den Dreh richtig raus, und merkst, wann genug ist und auch wenn dein Lehrer dir auf die Nerven geht“, erklärte ich.

„Glaubst du denn wirklich, dass es so eine gute Idee ist?“, fragte sie mich. Verwundert schaute ich sie an und konnte nicht antworten. Ich wusste nicht, ob es gut ist, was ich mit Nod machte. Aber ich hasste ihn und er stellte mich immer dumm dar. „Siehst du, du kannst nicht antworten“, zufrieden schaute sie mich an „Dann lass es, wenn du keinen Grund hast, sollst du sowas auch nicht machen“, tadelte sie.

„Du wirst schon merken, wie er ist, und dann verstehst du mich!“, brummte ich und fuhr herum.

„Das war doch nicht böse gemeint“, sie trat wieder in mein Blickfeld „Es war nur ein Ratschlag, okay?“. Ich gab ihr ein Brummen als Antwort. Die Schulglocke ertönte: Zeit zum Essen.

 

Ich ließ Eos bei Jason.

Jason ist mein bester Freund und kommt viel besser mit Neuen aus, als ich. Während die anderen beim Essen waren, verbrachte ich meine Pause in der Bibliothek und büffelte, wie Nod es befohlen hatte. Mit Büchern konnte ich viel besser lernen, als mit Nod. Nod war immer so aufdringlich und so schroff, während Bücher mich nur ansehen. Ich ging in die Abteilung, wo die ganzen Bücher für die Ovyr standen. Doch anstatt mir eins für Mardux zunehmen, holte ich eins von Venari und Diakon heraus. Auch wenn Eos nicht die Hüterin des Lichts und der Dunkelheit seien sollte, interessierte es mich. Das Buch war nicht besonders dick. Es hatte, wie die anderen, ein Ledereinband und roch echt nach alt. Ich mochte das Gefühl, wie meine Fingerkuppen die Erhebungen der goldenen Schrift des Titels strichen; allgemein fühlte sich dieses Leder toll an. Ich schlug das Buch auf und sofort kam mir der Geruch alten Büchern entgegen. Vorsichtig blätterte ich die erste Seite um und musste feststellen, dass es genauso wie die anderen Bücher aufgebaut ist, zuerst kommt eine kleine Einführung zu dem Element, danach Milliarden von Seiten, wie gefährlich es doch ist, dann kommen wieder Millionen Seiten, wie und wann man es am besten bändigt und dann ein paar Seiten zu den Besonderheiten. Ich schlug sofort das letzte Kapitel auf: Besonderheiten.

Sofort sprang mir eine Zeichnung entgegen, die mich scharf die Luft einziehen ließ: Dort war der Ring, den Eos auch hat, daneben wurde genau das gleiche Zepter gezeichnet. Darunter stand ein Text:

Da Venari und Diakon schwer zu beherrschen sind, ist dem Hüter von Anfang an ein Zepter beigelegt, was ihm in seinen Kämpfen Macht und Kraft verleihen soll. Mit diesem Zepter wird er sich und die anderen Ovyr schützen können, wenn er sich auch wirklich dafür einsetzt. Nur durch Liebe kann dieses Zepter behandelt werden. Wenn es jemand anfasst, der keine Liebe im Herzen spürt, wird die Macht dieses Zepters zu spüren bekommen.

Ich grübelte: also zeigte dieser Ring Eos eigentlich schon als Hüter aus? Ich klappte das Buch zu. Ich hatte jetzt keine Lust mehr weiterzulesen, ich wollte eher zu Eos um mir den Ring nochmal anzuschauen, schließlich könnte er sich vielleicht nochmal in das Zepter verwandeln. Oder besser! Ich lasse ihn sofort von Louis durchchecken, denn Louis ist unser Nerd. Die Beine des Stuhls quietschten unangenehm über den glatten Boden, als ich ihn wieder an den Tisch heran schob. Mit schnellen Schritten ließ ich die Bibliothek hinter mir und bog in den Flügel ab, wo sich die Unterrichtsräume und der Speisesaal befanden. Ich stieß die große graue Tür des Saals auf und stürmte zu dem Tisch, an dem Jason und ich immer essen, doch dort saß niemand. „Wenn du Jason und dieses Mädchen suchst, die sind in seinem Zimmer“, sagte eine hohe Stimmte. Ich fuhr herum. Orion saß an einem Tisch mit seinen Freunden.

„Danke“, meinte ich und rannte so schnell aus dem Saal, wie ich auch gekommen war. Ich musste den ganzen Weg nochmal laufen, nur bog ich an der Bibliothek rechts ab, um zum Schlaftrakt zu kommen. Das Zimmer von Jason befand sich aber leider im dritten Stock, so sprintete ich die Treppen schnell hoch und hechtete dann zu seinem Zimmer. Kurz vor seiner Tür blieb ich stehen, als ich ein Lachen eines Mädchens hörte. Sie lachte herzlich und der Junge dazu.

Es waren Jason und Eos.

Ich wusste nicht, wieso es mir so schmerzte, die beiden so lachen zu hören, aber irgendwie wollte ich es nicht! Aber ich hatte sie ja bei Jason gelassen, und wieso sollte es mich auch stören? Ich drückte die Türklinke herunter und trat in das Zimmer. Gelassen ließ ich die Tür ins Schloss fallen und watete mich weiter durch die Schneedecke, die sein Boden bedeckte. Jason ist Hüter von Aquilo, des Eises. Sein ganzes Zimmer ist bedeckt von Schnee und es ist unglaublich kalt. Wie in meinem Zimmer schneit es von seiner Decke, nur dass (wie bei mir) nichts betroffen wird. „Lyras?“, fragte die Stimme meines besten Freundes.

„Yup“, stieß ich hervor und suchte die beiden. Eos saß eingemummelt von einem Meer aus Decken und Pullovern auf Jasons Bett, und wischte sich gerade unter den Augen her, während Jason auf einem Stuhl saß und seine Füße auf dem Bett ablegte, auch er rieb sich vor Lachen den Bauch.

„Wo warst‘ beim Essen?“, ich ließ mich auf einen Sessel aus Schnee fallen „Wenn Eos nicht dagewesen wäre, hätte ich ganz alleine gegessen! Das kannst du mir doch nicht antun“, schmollte er. Wenn Eos nicht da gewesen wäre, wäre ich auch nicht so neugierig. Sofort musste ich lachen.

„Oh, kann Jason nicht ein Essen ohne mich auskommen?“, ich klimperte mit meinen Wimpern. Schon warf Jason sich zurück, so stark, dass er mit dem Stuhl nachhinten kippte. Eos stand sofort auf. „Lass ihn ruhig liegen“, riet ich ihr, und schon erhob Jason sich lauthalslachend und stellte den Stuhl wieder hin.

„Wie nett du wieder zu mir bist“

„So bin ich halt, das kennst du doch schon“, meinte ich und schaute zu Eos, die verwirrt zwischen Jason und mir herschaute, sich aber ein Lächeln nicht verkneifen konnte. Sie legte sich wieder die Decken um. „Eos, kann ich nochmal den Ring sehen?“, fragte ich.

„Den hat doch Nod“

„Ach ja“, seufzte ich.

„Wieso?“, wollte sie wissen.

„Komm mit in die Bibliothek, dann zeige ich es dir“, ich erhob mich von dem Sesseln. Eos nickte und stand auf. „Jason?“, fragte ich, er blickte mich an „Mein Arsch ist jetzt gefroren, danke. Du schuldest mir was, also komm mit“, forderte ich und Jason prustete los. „Na gut“, kicherte er und zusammen gingen wir drei in die Bibliothek. 

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Tag der Veröffentlichung: 19.05.2014

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