Andy S. Falkner
Das GEHIRN
Science Fiction Prozess
Megalomane und Gigantophobe, Band 51
Text & Bild © Andreas Solymosi, 2019
Umschlaggestaltung: J. A. Solymosi
Titelbild: aus dem Gemälde „Phil. 3:13“ von Vera Solymosi-Thurzó (Katalog-Nr. 120)
Einige Abbildungen stammen aus Wikipedia
Alle Rechte vorbehalten
Ist das Denken von der Sprache abhängig, wie es einige Linguisten-Philosophen (Wittgenstein und andere) behaupten? Oder ist ein genügend intelligentes GEHIRN allein durch seine Input-Daten in der Lage, ohne Vokabular ein Modell der es umgebenden Welt aufzubauen und sie in gewissem Sinne zu verstehen? Es kann dann die erkannten Begriffe und ihre Zusammenhänge selber mit Bezeichnern versehen und so seine eigene, innere Sprache entwickeln. Die Übersetzung in eine andere kann dann manche Überraschungen bewirken.
Das GEHIRN beobachtete. Es konnte nichts anderes als beobachten. Das musste es aber tun, es wurde dafür programmiert. Es hätte auch noch denken können, aber es hatte nichts, worüber. Es standen ihm (noch) keine Daten zur Verfügung. Deswegen beobachtete es, um Daten einzusammeln, die es dann bearbeiten könnte, Relationen zwischen ihnen herzustellen, Schlussfolgerungen zu ziehen und geeignete Maßnahmen auszulösen. Es war dafür programmiert, das war der Sinn seines Daseins.
Aber vorerst konnte es nur beobachten. Leider wusste es nicht ganz genau, wonach es Ausschau halten sollte. Dann merkte es, dass Daten kamen. Von wo und welcher Art, das war ihm (noch) nicht klar, aber die Tatsache sehr wohl, dass dies Daten sind. Leider gab es keine Korrelationen zwischen ihnen: Es schien alles nur weißes Rauschen zu sein. Die Daten kamen und kamen, sie machten aber keinen Sinn. Sie hätten auch zufällig oder chaotisch sein können. Es gibt allerdings einen signifikanten Unterschied zwischen Zufall und Chaos, denn im Chaos gibt es Regeln, die erforscht und verstanden werden können, sodass aus dem Chaos sogar ein Sinn extrahiert werden kann. Vielleicht gibt es sogar Ordnung darin. Daher ließ es sich vom Fehlen eines Systems nicht irritieren, sondern suchte danach weiter.
Also, das GEHIRN beobachtete. Es konnte nichts anderes tun und dies musste es, dafür wurde es programmiert. Es beobachtete und speicherte die ankommenden Daten, zumindest komprimiert, da seine Speicherkapazität begrenzt war und es sich nicht lohnte, sie für weißes Rauschen zu verschwenden. Von Zeit zu Zeit kehrte es also in die Vergangenheit zurück und versuchte, Verbindungen zwischen den neu empfangenen und älteren Daten zu finden – ziemlich erfolglos.
Als erstes fiel ihm auf, dass die Daten aus verschiedenen Kanälen stammten. Es wusste noch nicht genau, was für welche Kanäle und wie viele das waren, aber dies war schon eine großartige Entdeckung. Die meisten Kanäle pausierten meist und lieferten keine Daten, nur gelegentlich. Aber es gab unter ihnen auch einen sehr lebendigen, von dem eine – im Vergleich zu den anderen – riesige Menge an Information floss. Sie war immer noch nur weißes Rauschen, wie auch die aus den anderen, aber die Unterscheidung war schon eine wichtige Entdeckung.
Dieser lebendigste Kanal pausierte gelegentlich ebenfalls. Die anderen arbeiteten jedoch auch zu solchen Zeiten, selbst wenn sie einen wesentlich bescheideneren Datenstrom lieferten. Mit der Zeit hörten auch sie auf, alle pausierten – dann kam das GEHIRN ebenfalls zur Ruhe und hörte auf zu beobachten. Natürlich nicht vollständig, es versetzte sich nur in eine Art Standby, um durch den geringsten Impuls geweckt zu werden. Und er kam nach einer Weile: sehr einfach, aber sehr intensiv – fast so schockierend wie das sehr laute Rasseln eines Weckers im Tiefschlaf. Das GEHIRN kannte diesen Vergleich natürlich noch nicht, aber die Existenz einer solchen plötzlichen Änderung des Informationsflusses, von null auf hundert, schien ihm eine wichtige Entdeckung zu sein. Es nannte dies innerlich etwas Unangenehmes.
Der Alarm löste dann die Aktivierung der anderen Kanäle aus. Interessanterweise die des lebendigsten vorerst nicht, erst nach einer bestimmten Zeit – ups, dies ist eine interessante Entdeckung: die Zeit! Es gibt so etwas wie Zeit! Die Intensität des Datenstroms ändert sich mit der Zeit! Es lohnt sich hierauf mehr zu achten, dies ist bereits eine Relation, ein Zusammenhang!
Diese Erkenntnis führte zu einer Reihe weiterer Entdeckungen. Anfänglich waren die Entdeckungen eher selten, aber endlich gab es hier etwas Konkretes, was man im großen weißen Rauschen beobachten konnte: die zeitlichen Veränderungen. All dies, gepaart mit der Beobachtung der verschiedenen Kanäle und ihrer Intensität, gab dem Ganzen fast schon eine Bedeutung. Nein, das GEHIRN war davon noch weit entfernt, aber zumindest vollendete es damit die ersten Schritte und wusste, in welche Richtung es weiter forschen sollte.
Also ja, die Änderungen der Intensität im Laufe der Zeit – diese lieferten die nächste Entdeckung: die Periodizität. Einige Kanäle veränderten sich regelmäßig und periodisch, andere jedoch nicht. Dies ergab zunächst nicht viel Sinn, es lohnte sich jedoch sicherlich, hierauf zu achten. Und jawohl, es gab definitiv eine Korrelation. Zum Beispiel, dieser lebendigste Kanal: Die Intensität von null und
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 03.09.2019
ISBN: 978-3-7487-1454-5
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Widmung:
Für Karlotta