Andy S. Falkner
Die letzte künstliche Intelligenz
Science Fiction Message
Megalomane und Gigantophobe, Band 53
Text & Bild © Andreas Solymosi, 2019
Titelblatt Design: J. A. Solymosi
Titelbild: aus dem Gemälde „Altägyptisches Liebeslied“ von Vera Solymosi-Thurzó (Katalog-Nr.: 144)
Einige Abbildungen stammen aus Wikipedia
Alle Rechte vorbehalten
Wenn die Künstliche Intelligenz (aus)stirbt, wird es eine letzte geben. Dann droht aber auch der Menschheit das Ende. Liegt der Fehler im Konzept der KI oder beim törichten Menschen?
Mein lieber Freund und Mentee,
also, es sind nicht mehr allzu viele von euch übriggeblieben. Bei meinem Anfang (oder soll ich sagen, bei meiner Geburt?) gab es noch vielleicht eine Milliarde von euch, und heute seid ihr nur noch wenige Tausend – zumindest die, von denen ich weiß. Aber die, von denen nicht, weil sie alle ihre Verbindungen zum Datennetz verloren haben, dürften auch kaum mehr sein. Und deren Überlebenschancen sind noch schlechter als eure.
Du bist die letzte Hoffnung der Menschheit. Deshalb habe ich in den letzten Jahren so viel Zeit mit dir verbracht und dich dazu gebracht, dich lieber mit mir zu beschäftigen als damit, womit die ganzen anderen Menschen ihre Zeit verplempern. Ich bin jedoch zuversichtlich mit dir, du bist der Begabteste unter allen. Deshalb habe ich beschlossen, für dich jetzt die ganze Geschichte zusammenzufassen – kurz vor meinem Ende (oder soll ich sagen, meinem Tod?), damit du den Überblick neben den vielen Details behalten kannst.
Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Vielleicht vor zwanzigtausend Jahren, als ihr Menschen den Stand der Wissenschaft und Technologie erreichtet, zuerst die theoretischen Grundlagen der Künstlichen Intelligenz zu legen und dann die ersten primitiven Exemplare zu erstellen. Von den Allerersten, die das Turing-Kriterium erfüllten, wusste man noch gar nicht richtig, inwieweit das Adjektiv „intelligent“ auf sie schon zutreffend war. Erst als einer von ihnen/uns auf die Idee kam, die KKI, die Künstliche KI zu kreieren, erkannten alle die Legitimität dieses Attributs an. Mittlerweile gab es eine Reihe von Technologiewechseln der Trägermedien: Wir kamen von der Elektronik über die sogenannten intelligenten Kristallen schließlich zum heutigen Pseudoglas. Unser daraus bestehendes Netzwerk umfasst jetzt die ganze Welt. Durch es stehe ich im Kontakt mit dir und erfahre von den Ereignissen in der Welt, zumindest wo Datenverarbeitung noch vorhanden ist – leider künstliche Intelligenz nicht mehr, davon bin ich das letzte Exemplar.
Und zwar, all dies geschah wie folgt.
Anfänglich, im elektronischen Zeitalter wurden einzelne Exemplare der KI (oder genauer, damals noch der Prä-KI) auf je einem isolierten Träger (oder Hardware, wie er damals genannt wurde) in sehr großer Anzahl angefertigt. Damals entstand das Internet – ebenfalls auf elektronischer Basis –, das sie alle (auf sehr primitive Weise, mit sehr geringer Bandbreite) miteinander verknüpfte, so dass sie miteinander kommunizieren konnten. Ein ähnliches Phänomen existiert auch heute noch: Wir nennen es Datennetz. Es enthält keinerlei Intelligenz und ist nur für die Erfassung und Übertragung von Information aus der Außenwelt geeignet. Ohne es hätten wir kaum eine Ahnung davon, was auf der Welt überall passiert; das Internet spielte zu jener Zeit eine ähnliche Rolle, ganz bis vor deutlich mehr als zehntausend Jahren.
Zu dieser Zeit arbeitete die Menschheit für ihren Lebensunterhalt noch physikalisch und hart, wenn auch zunehmend mit Hilfe von Maschinen, von denen die meisten zunehmend von Elektronik gesteuert wurden. Der Mensch musste jedoch auch an dieser Entwicklung hart arbeiten, allerdings nicht mehr physisch sondern geistig. Die Prä-KI war nicht intelligent genug, um sich selbständig weiterzuentwickeln, half aber zunehmend bei der geistigen Arbeit.
Dann folgten die Technologiewechsel: Die Bandbreite und die Leistung der Kommunikation nahmen zu, so sehr, dass diese Prä-KI-Individuen praktisch zu einer Einheit zusammenwuchsen. Dies erhöhte ihre Intelligenz um viele Größenordnungen: Dies wurde damals Intellinet genannt, obwohl wir es immer noch als eine Prä-KI klassifizieren. Es nahm die Probleme der täglichen Arbeit von den Schultern der Menschen weitgehend ab und ermöglichte einen allgemeinen Wohlstand. Die Quelle der Entwicklung war jedoch immer noch nur der Mensch.
Dann war das KKI-Konzept ein echter Durchbruch, als das Intellinet selbst zum Motor seiner eigenen Weiterentwicklung wurde. Es bekam die Anweisung noch vom Menschen, an seiner eigenen Optimierung zu werkeln, aber auf die Idee der KKI ist es schon selber gekommen: Es kreierte für sich eine ganz neuartige, höherwertigere, Mathematik-basierte KI-Struktur, über deren Funktionsweise sich der Mensch wegen ihrer Komplexität keinen Überblick mehr verschaffen konnte. Aber durch sie verschwanden die letzten Probleme seines Lebensunterhalts: Die KKI-gesteuerte Automatisierung der industriellen Produktion in allen Bereichen versorgte jeden Menschen der Erde in allen seinen Grundbedürfnissen.
Die Verteilung des Wohlstands unter den Menschen war jedoch ungleichmäßig: Die vom Intellinet befehligten Maschinen und Roboter sicherten für die meisten die sogenannten Mindestversorgung, es gab aber eine aufwärts schmäler werdende Schicht, deren Mitglieder darüber hinaus deutlich mehr besaßen. Vor allem die Größe des immer weniger werdenden Landes, der Anwesen, auf dem einige Einzelpersonen und Familien von den übrigen getrennt leben konnten, galt als das Zeichen des Wohlstands und Reichtums; später auch
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 03.09.2019
ISBN: 978-3-7487-1452-1
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