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Titelblatt

Andy S. Falkner

Kosmische Begegnung

Science Fiction Extract

Megalomane und Gigantophobe, Band 17

 

Text & Bild © Andreas Solymosi

Umschlaggestaltung: Judith Solymosi, nach einem Gemälde-Motiv von Vera Solymosi-Thurzó

Einige Darstellungen stammen aus Wikipedia

Alle Rechte vorbehalten

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Auf die Erde kannst du natürlich nicht zurückkehren.» lächelte mich Alice an und beugte sich nach vorne, einen spektakulären Einblick in ihren Ausschnitt bietend. Und dahin sollst du nicht gaffen, das ist nicht für deine Art.»

Und was wenn ich Nein sage?» erkundigte ich mich.

Dann bleibst du hier.»

Für immer?»

Bis du irgendwann Ja sagst.»

Demnach habe ich keine Wahl.»

Nicht wirklich.»

Und das Prozedere, wie unangenehm ist es?»

Überhaupt nicht. Du musst dich nur vollständig hineingeben. Du musst jeden Widerstand aufgeben.»

Und dann?»

Dann gehörst du zu uns.»

Was heißt das?»

Du teilst alle unsere Ziele. Du kannst runter zur Erde. Du wirst so gut aussehen wie ich.»

Na, das schon. Alice sah gut aus. Auf den ersten Blick fiel sie mir auf: Sie passte nicht in das Umfeld der Kneipe. Ich schüttete gerade meine tägliche Portion Alkohol runter, als sie eintrat; sie blickte herum und pickte mich heraus. Ich verstand nicht, warum gerade mich – ich sah überhaupt nicht wie ein guter Kunde aus. Ich dachte, sie sei eine Edelnutte, der es gerade nicht gut geht, sie habe ihren Beschützer verlassen und müsse jetzt überleben, selbst an so einem Ort. Ich kam auch nicht aus purer Lust hierher: Mein Geld war ziemlich alle. Alice schien aber selbst in meinem abgestürzten Zustand zu erkennen, dass ich hier nicht zu Hause war. Ich verteidigte mich sofort:

Ich kann nicht zahlen!»

Sehe ich aus wie jemand, der auf Bezahlung aus ist?»

Warum würden Sie sonst an so einen Platz kommen?»

Das werden Sie bald erfahren. Kommen Sie mit?» und sie beugte sich genauso über den Tisch wie jetzt. Meine Augen hingen an Stielen und mein Alkoholpegel drückte meine anerzogenen Hemmungen vollständig weg. Ich hatte schon einige Studentinnen, die ihre Noten mit ähnlichen Bewegungen aufzubessern versuchten, aber ich war vorsichtig: Nachdem zwei meiner Kollegen wegen sexueller Nötigung von Feministen zugerichtet worden waren, ließ ich mich nicht so leicht reinlegen. Aber Alice konnte ich nach eineinhalb Liter Wein nicht widerstehen:

So ein Angebot kann ich wirklich nicht ausschlagen.»

Die Sexbombe beugte sich noch näher und schnurrte in mein Ohr:

Na dann, wir können gleich gehen.»

Ich warf einen meiner letzten Fünfziger auf den Tisch; ich hätte davon zwar einiges zurückbekommen sollen, aber wenn ich Alice mit einberechne, war das ein gutes Geschäft. Nicht, als ob ich mich gut auf dem Markt ausgekannt hätte. Seitdem ich meine Familie verloren hatte, war ich kaum mit einer Frau zusammen. Die Ordentlichen hätten mir leidgetan, vor den Profis habe ich mich geekelt. Aber Alice fegte alle meine Vorurteile vom Tisch; ich folgte ihr berauscht, und das nicht nur vom Alkohol.

Draußen führte sie mich an der Hand – im Gegensatz zu meinen Erwartungen – hinter die Kneipe auf ein leeres Grundstück. In der Dunkelheit stolperten wir herum, bis wir eine runde Metallplatte, eine Art Kanaldeckel, fanden und uns draufstellten. Zu meinem höchsten Erstaunen erschien auf dem Himmel ein richtig stereotyper Ufo, wie aus einem Steven-Spielberg-Film herausgeschnitten. Ein Lichtstrahl suchte uns. Ich merkte, dass vom Ufo ein zweiter Lichtstrahl ausging, schräg nach oben in den Sternenhimmel. Als der untere Strahl die Metallplatte erreichte, umarmte mich Alice eng – es war ein recht angenehmes Gefühl. Der Ufo schwebte genau über uns, sein Lichtstrahl umfasste uns beide. Die Metallplatte wurde nach oben gehoben, beschleunigte sich, aber ich verlor mein Gewicht – genauer gesagt, meine Masse: Die immer stärkere Beschleunigung sah ich nur, ich spürte sie nicht. Der aus dem Ufo heraustretende Lichtstrahl warf die Metallplatte hoch in den Himmel; ich sah, wie wir dem oberen Strahl immer näher kamen. Unter uns entfernte sich die Erde immer mehr. Der enge Strahl sorgte nicht nur für Gewichtslosigkeit und Trägheit, sondern auch für unsere Lebensbedingungen: Wir konnten frei atmen, obwohl wir schon ziemlich im Weltall angekommen waren: Unter uns sah ich die Erde immer runder. Alice drückte mich stark an sich; selbst wenn ich wollte, hätte ich meinen Arm nicht aus dem Strahl stecken können, um etwa das Vakuum zu spüren. Wir flogen gut zwei Minuten lang: Die Erde war schon ganz klein, wohl kleiner als vom Mond aus gesehen, als ich die von der Sonne angestrahlte Scheibe erblickte, der wir uns nahten. Sie wurde schnell groß; ich merkte nicht einmal, wie wir in ihr Inneres gelangten. In einem Augenblick fand ich mich in einer neuen Umgebung wieder: weiße Wände, steriler Geruch – ebenfalls wie in einem Science-Fiction-Film. Alice ließ mich los:

Du sollst dich ausziehen; dort in der Nebenkabine kannst du dich gründlich duschen.»

Sie verließ den engen Raum. Ich gehorchte. Neben der Wand lag ein weißer Overall, ich zog ihn anstelle meiner eigenen schmutzigen Kleidung an. Nach wenigen Minuten öffnete sich die Wand und Alice trat ebenfalls im weißen Overall ein.

Herzlich willkommen auf der Raumstation.»

Raumstation? Was für eine Raumstation ist das?»

Das weiß ich nicht. Ich bin auf dieselbe Weise hierher gelangt wie du.»

Ist das was Menschliches? Mir kommt es eher außerirdisch vor, obwohl ich nie an so was geglaubt habe.»

Vermutlich außerirdisch. Ich weiß davon nicht viel mehr als du. Ich weiß nur, dass ich auf ähnliche Weise entrückt wurde. Ich war eine abgetakelte alte Frau gewesen, abhängig, ähnlich wie du.»

Wer hat dich hierher gebracht und warum?»

Das war ein Freund von mir. Er hat es aus demselben Grund getan, weswegen ich dich hergebracht habe.»

Und zwar?»

Ich sollte kooperieren.»

Kooperieren? Was ist das?»

Zusammenarbeiten.»

Zusammenarbeiten? Mit wem?»

Mit uns. Wir sind Kooperierende. Wir arbeiten zusammen.»

Woran?»

An der Zukunft der Menschheit.»

Das ist schön. Tun wir das nicht alle?»

Mehr oder weniger. Eher weniger. Aber vor allem, nicht zusammen.»

Alice erläuterte mir, dass die Außerirdischen auf irgendwelche Weise fähig sind, das Denken der Menschen in etwas Gemeinschaftliches zusammenzuführen. Sie alle zusammen können viel bessere Konzepte entwickeln, viel bessere Entscheidungen treffen, viel effektiver arbeiten, als jeder Einzelne. Als Nebeneffekt wird auch noch ihr Körper erneuert; er wird nicht nur verjüngt, sondern auch stärker, flexibler, leistungsfähiger.

Meiner war genauso kaputt, alt, abgenutzt wie deiner.» deutete sie verächtlich auf mich. Ich musste zugeben, sie gehörte in eine andere Kategorie von Attraktivität als ich. Ich sah früher nicht schlecht aus, Ende Fünfzig auch nicht unattraktiv, aber der Lebensstil des letzten halben Jahres, der Alkohol und Mangel an Körperpflege hatten mich zu einem typischen Obdachlosen gemacht – selbst wenn ich noch eine schäbige Bleibe hatte.

Nach kurzer Überredung gab ich mich einverstanden zu kooperieren. Ich biete dir jetzt dasselbe an.»

Und wie geht das?»

Ich legte mich in eine Badewanne von Flüssigkeit, schlief ein und wachte in diesem wunderbaren neuen Körper auf. Eigentlich ist er mein eigener, aber repariert, erneuert; nicht nur verjüngt, sondern auch gestärkt; er ist zu viel mehr fähig als früher. Selbst meine Figur kann ich ändern, wenn auch in Grenzen. Beispielsweise setzte ich mich vor einigen Wochen als flachbrüstige Studentin in deine Vorlesung, daher kannte ich dich. Aber in der Kneipe erschien ich vor dir in einer ziemlich anderen Gestalt.»

In der Tat, es war nicht schwer, mich damit zu verführen.» replizierte ich. Vielleicht hättest du das auch als Studentin geschafft.»

Du kannst jetzt auch so einen erneuerten Körper bekommen, wenn du nur willst.»

Und was soll ich tun?»

Einverstanden sein zu kooperieren. Im Moment ist es unsere Aufgabe, möglichst viele ähnliche Typen wie wir von der Erde zu rekrutieren: begabt, erfolgreich aber abgestürzt, mit einem kaputten Leben, hoffnungslos. Die nichts zu verlieren haben und deswegen gerne kooperieren werden.»

Und sie landen alle hier?»

Offensichtlich.»

Wie viele seid ihr schon?»

Keine Ahnung. Ich schätze, nicht sehr viele.»

Wo sind sie?»

Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich unten, auf der Erde. Sie arbeiten, wie auch ich. Gestalten wie dich zu finden und zu überzeugen.»

Und sie kommen alle her?»

Ja, um erneuert zu werden.»

Und dann gehen sie zurück auf die Erde?»

Offenbar.»

Wie groß ist dieses Raumschiff?»

Kein Mensch weiß das.»

Kannst du es begehen?»

Nur teilweise. Nur die Räume, wo ich etwas zu tun habe.»

Woher weißt du, was du zu tun hast?»

Ich weiß es einfach. Ich weiß nicht, woher.»

Also bist nicht du es, die bestimmt, was du zu tun hast.»

Doch, natürlich. Ich weiß nur einfach, was das Richtige ist. Ist nicht viel anders als in meinem früheren Leben, nur halt da wusste ich es nicht so gewiss. Da habe ich es eher nur geahnt. Jetzt sehe alles sehr klar.»

Du weiß nur nicht, woher dieses Wissen kommt.»

Doch, ich weiß es. Es kommt aus dem gemeinsamen Denken. Wir denken das zusammen aus, und schließlich wissen wir es ganz genau. Wir kooperieren im Interesse des gemeinsamen Ziels.»

Was ist das gemeinsame Ziel?»

Die Verbesserung des menschlichen Lebens.»

Beneidenswert. Es gibt kaum einen, der sich das nicht wünschte.»

Nur die eigenen Vorstellungen, Überzeugungen halten den Menschen zurück, solche globalen Konzepte anzunehmen. Du kannst es ihnen erklären, sie glauben dir nicht. Nur wer nichts zu verlieren hat, weil er selber schon versagt hat, wirft sein letztes Vertrauen in uns und ist zur Kooperation bereit.»

Kannst du aussteigen, wenn du willst?»

Ich will nicht. Warum sollte ich wollen? Es kommt mir gar nicht in den Sinn. Es geht mir so viel besser als zuvor, dass ich Null Grund habe, aussteigen zu wollen.»

Interessant. Ich fragte weiter:

Wer hat das Ganze initiiert? Was für Aliens? Die ursprünglichen Bewohner der Raumstation?»

Kann sein. Niemand hat sie je gesehen. Vielleicht leben sie unter uns, in menschlicher Gestalt. Oder sie verstecken sich im unzugänglichen Teil des Raumschiffs. Wir wissen es nicht.»

Woher wisst ihr, was ihr letztendliches Ziel ist? Reiner Altruismus? Oder die Unterjochung der Menschheit?»

Nein, nein, da sind wir gewiss. Seitdem ich aus dieser Wanne gestiegen bin, sehe ich alles viel klarer. Warum die menschliche Gesellschaft so schlecht funktioniert und was man dagegen tun kann. Je mehr einflussreiche Personen wir für die Kooperation gewinnen, desto mehr können wir die Gemeinschaft der Menschen umgestalten, sie von ihren Schwächen und Krankheiten befreien, desto mehr Menschen werden im Interesse der besseren Zukunft mitarbeiten.»

Es hört sich sehr verlockend an, aber woher kann ich wissen, ob das Ganze nicht nur ein Trick ist oder Aberglaube? Oder vielleicht psychologische Kriegsführung gegen uns?»

Du kannst es nicht wissen, nur wenn du es probierst. Du hast nichts zu verlieren.»

Stimmt, ich habe nichts.»

Ich erkundigte mich weiter:

Kannst du hier raus?»

Nur über den Ufo, runter zur Erde.»

Und warum haust du nicht ab?»

Ich will nicht. Ich kooperiere.»

Könntest du, wenn du wolltest?»

Ich weiß nicht. Ich will nicht. Ich kooperiere.»

Warum?»

Einfach so. Ich habe mich so entschieden.»

Nach längeren ähnlichen Unterhaltungen stellte sich heraus, dass Alice in ihrem irdischen Leben Sängerin war. Sie hatte eine Ausbildung auf hohem Niveau bekommen, sang auch in Opern, wurde aber durch ihre unglücklichen Beziehungen zerbrochen, als Barsängerin drogenabhängig und ging kaputt. Als alte Obdachlose wurde sie von einem Kooperierenden gefunden, der sie hier nach oben gebracht hat. Seitdem haben sie sich nicht gesehen, aber stehen auf irgendwelche rätselhafte Weise miteinander in Verbindung. Jeder hat seine Aufgaben. Sie leben unten auf der Erde, jeder in seiner ursprünglichen Umgebung und suchen nach geeigneten Kandidaten. So fand sie mich an der Universität. Damals hielt ich noch meine

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 24.12.2016
ISBN: 978-3-7396-9013-1

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