Andy S. Falkner
*humane
Globalisierung
Double Science Fiction
Megalomane und Gigantophobe, Band 6
Text & Bild © Andreas Solymosi
Umschlaggestaltung: Judith Solymosi, nach einem Gemälde-Motiv von Vera Solymosi-Thurzó
Einige Darstellungen stammen aus Wikipedia
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Die Zukunftsvision eines Wissenschaftlers in der Zukunft: Der Mensch wird im Universum überflüs-sig. Seine unheilbare Krankheit bringt ihn aber auf eine andere Idee.
Die in Wissensdurst mündende Neugier hob den Menschen aus der ihn umgebenden lebenden Welt heraus und war der Hauptmotor jeder Entwicklung, Veränderung seiner Zivilisation. Diese übergab er seinem Nachfolger, der von ihr zur Eroberung des Universums getrieben wurde. Das Ergebnis heißt Posthumane Globalisierung.
Der erste Schritt hierzu war die Entwicklung der Elektronik und der Bau der ersten elektronischen Rechenmaschinen im 20. Jahrhundert. Daraus entwuchs eine neue Wissenschaft, die Informatik, und deren lange Zeit stolpernder Zweig, die künstliche (oder maschinelle) Intelligenz. Die Computer und die elektronischen Geräte haben zwar die menschliche Gesellschaft revolutioniert, ihre Entwicklung ist aber in eine Sackgasse geraten: Das Wachstum ihrer Geschwindigkeit und Leistungsfähigkeit war an physikalische Grenzen gestoßen. Mechanische Roboter aus Metall wurden zwar gebaut, sie waren aber weit davon entfernt, dem theoretisch formulierten Anspruch der künstlichen Intelligenz gerecht zu werden: Ihr Verhalten sollte nicht von dem eines Menschen unterschieden werden können. Ihre Beweglichkeit, Größe, Kraftausübung – alles war durch die Grenzen der Mechanik eingeschränkt; eine spektakuläre Weiterentwicklung dieser Technologie war nicht in Sicht.
Einen Durchbruch brachte erst die Entdeckung der mobilen Kristalle. Traditionelle Kristallstrukturen bilden eine feste, unbewegliche Materie. Die Entwicklung des Chemieingenieurwesens ermöglichte durch einen komplexen Einfluss von magnetischen und elektromagnetischen Feldern lose Kristallstrukturen herzustellen. Die festen Bestandteile dieser Materie fügen sich nicht unlösbar zueinander, sondern können sich relativ zu ihren Nachbarn bewegen. Die bedeutsamste (und billigste) dieser Strukturen besteht aus Silizium und Eisen. Die einzelnen mikrongroßen, tetraederförmigen Komponenten dieses Kristalls fügen sich entlang ihrer Kanten zueinander, füllen den Raum nur zum Teil und können dabei umkippen. Sie können unabhängig voneinander elektrisch und magnetisch gepolt werden; die hierdurch auftretenden anziehenden und abstoßenden Kräfte bewirken die inneren Bewegungen des Kristalls. Einige Strukturen erlangen dabei einen stabilen Zustand, der durch elektrische und/oder magnetische Impulse von außen verlassen wird und dies bewirkt neue innere Mobilität. Die hierzu notwendige Energie wird von den Impulsen geliefert, bewegt sich durch die Kristallstrukturen und kann als mechanische Spannung im Kristall gespeichert werden.
Die mobilen Kristalle stießen die Forschung in zwei Richtungen an: zur universellen und zur programmierbaren Materie.
Die Herstellung der universellen Materie basiert auf der Eigenschaft der Kristalle, dass sie den Raum nur zum Teil (i.A. zu einem Drittel oder noch weniger) ausfüllen. Je nach dem, mit welcher anderen Materie die Hohlräume zwischen den Kristallteilchen ausgefüllt werden, ergeben sich Stoffe unterschiedlichster Qualität: von stahlharten bis zu federleichten, von elektrisch leitenden bis zu wärmeisolierenden, alles. Durch die Programmierbarkeit der Materie ist es sogar möglich, die Füllung dynamisch auszuwechseln und somit die Eigenschaften der universellen Materie zur Benutzungszeit zu ändern. Diese Forschung war sehr ergiebig und produzierte eine fast unübersehbare Menge verschiedener veränderbarer Materialien. In Anbetracht ihres Siliziumgehalts haben einige von diesen Halbleitereigenschaften; ihr Eisengehalt bewirkt die (magnetische und elektrische) Polarisierbarkeit der Kristalle, die dann eine wichtige Rolle beim Bau von neuartigen Computern aus universeller Materie spielte.
Die (weitgehend) genaue Kenntnis des aktuellen Strukturzustands ermöglicht gezielte Impulse, die die Struktur in einen anderen, genau berechenbaren Zustand versetzen. Dies erfordert aber eine enorme Rechenkapazität. Dekadenlange Experimente ergaben heuristisch bestimmbare Zustandsveränderungen; hierzu waren auch weniger exakt gezielte Impulse ausreichend. Diese Entwicklung führte zur Programmierbarkeit des mobilen Kristalls: Ein neuer Zweig der Informatik, die 4D-Programmierung entstand. Die dreidimensionale Struktur wurde in der Zeit als vierter Dimension durch das Programm definiert, die Dynamik wurde vorprogrammiert. Fünfzig Jahre nach der Entdeckung der mobilen Kristalle konnten schon Formen bestimmt werden, die im Voraus berechnete Bewegungen durchführten. Das hierzu notwendige Programm konnte auch in den Kristallstrukturen gespeichert werden. Der Schritt zur programmierbaren Materie war nicht mehr groß.
Hieraus entstand eine ganz neue Art der Informatik. Während in traditionellen Rechnern die Speicherung und Verarbeitung von Daten in getrennten Einheiten (Arbeitsspeicher und Prozessor) stattfindet, werden hier (ähnlich wie im menschlichen Gehirn) beide Aufgaben von gleichartigen Elementen (Nervenzellen bzw. Mobilkristalle) durchgeführt. Für beides mussten neue Wege gefunden werden: Die Algorithmen mussten massiv parallel formuliert und Information musste massiv verteilt gespeichert werden; im Gegensatz zur digitalen Speicherung wurde dies trigital genannt. Neben der Anspielung auf die dreidimensionale Parzellierung ist hier auch die „dritte Kodierung“ gemeint: Die Art der Speicherung im menschlichen Gehirn (die selbst im 25. Jahrhundert weder entziffert noch erfolgreich modelliert werden konnte) wäre die erste, die digitale Kodierung die zweite. Die Andersartigkeit der Trigitalisierung ist wohl ähnlich revolutionär. Während die zweite (die digitale) Art exakt und fehlerintolerant ist, sind die erste und die dritte heuristisch: Im menschlichen Gehirn sind Fehler, Ungenauigkeiten und Redundanz genauso möglich und üblich wie in der programmierbaren Materie.
Sie gewann dann eine entscheidende Rolle in der Robotik. Neuartige Mikroroboter konnten genauso gebaut und programmiert werden wie große und energiereiche. Den größten Aufwand erforderte dabei die Softwareentwicklung; hierzu mussten immer weitere Methoden auf immer höheren Abstraktionsstufen geschaffen werden, wobei die Abstraktionsstufen nicht mehr so scharf getrennt wurden wie in der traditionellen Informatik.
Einen Durchbruch brachte es, als der Universelle Computer realisiert wurde. Dieses seit dem 20. Jahrhundert bekannte Gebilde existierte bis dahin nur theoretisch: Die Anzahl seiner Komponenten und ihre Komplexität war so enorm groß, dass in keinem traditionellen Rechner an seine Implementierung gedacht werden konnte. Aber die in unbegrenzten Mengen herstellbaren Eisen-Silizium-Tetraeder waren in der Lage, zu dieser Struktur organisiert zu werden, die zur Selbstreproduktion sowie zur Ausführung beliebiger Programme fähig ist. Somit entstanden die ersten Roboter, genannt Trigitonen, die ihre eigene Kopie herzustellen vermochten. Die Heuristik bewirkte hierbei, dass die Kopien nicht exakt, wohl aber funktionsfähig, daher auch entwicklungsfähig waren. Eine Evolution auf Zufallsbasis konnte nicht erfolgreich implementiert werden, aber die gewissermaßen intelligenten (oder zumindest sich intelligent verhaltenden) Strukturen konnten gezielte Verbesserungen an ihren Nachkommen erzielen.
Ein weiterer wichtiger Schritt zur Posthumanen Globalisierung war die Entdeckung der Hyperraum-Kommunikation.
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 18.12.2016
ISBN: 978-3-7396-8926-5
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