Tiefe Finsternis umgibt mich. Kälte, beginnend an meinen nackten Füßen, kriecht an mir hoch. Mein dünnes Nachthemd fühlt sich klamm an und ich beginne zu zittern. Wo bin ich? Hektisch drehe ich mich um, versuche irgendetwas zu erkennen. Nichts. Eine unheimliche Stille umgibt mich, in der nur mein Herz besonders laut und schnell schlägt. Wo bin ich verdammt nochmal? Ich werde immer unruhiger und dann knackt plötzlich etwas hinter mir. Mein Körper erstarrt vor Angst, während sich alle Sinne auf die Stelle, an der ich das Geräusch vermute, fokussieren. Ist das ein Licht? Ganz bestimmt, versuche ich mir einzureden. Hoffnungsvoll blinzele ich ein paarmal, die Reichweite meiner Sehkraft erhöht sich dadurch allerdings nicht. Ich muss näher heran. Ein wenig mutiger geworden, setze ich mich in Bewegung, ein Fuß vor den anderen. Ich glaube ich befinde mich in einem Wald. Feuchtes, weiches Moos und kleine Zweige berühren meine Fußsohlen, zwischendurch piksen auch Tannennadeln an der empfindlichen Haut. Das unbekannte Leuchten kommt näher. Moment! Abrupt bleibe ich stehen. Das sind ja Augen, die mich da anfunkeln. Erneut überrollt mich eine Welle der Angst. Zu wem oder was gehört dieses Augenpaar?
Über mir öffnen sich derweil die Wolken und Mondschein erhellt die Lichtung. Im silbrigen Licht glänzt braun-graues Fell, ein Wolf. Mein Gespür lässt mich an der Stelle verharren, statt Reißaus zu nehmen. Hoffentlich trügt es mich nicht. Schnüffelnd setzt sich das anmutig wirkende Tier in Bewegung, kommt mir immer näher, bis sein weiches Fell schließlich meine Hand berührt. Während sich ungewohnte Wärme in mir ausbreitet, steigt gleichzeitig meine ganze angestaute Traurigkeit auf und bahnt sich ihren Weg nach draußen. Heiße Tränen laufen über meine Wangen und ersticktes schluchzen zwängt sich durch meine Lippen. Tröstend schmiegt sich der Wolf an meine Beine. Erschöpft sinke ich mit den Knien auf das weiche Moos des Waldbodens und kuschele mich an diesen weichen, warmen Körper. Ganz ruhig verharrt er, erträgt meine Trauer, gibt mir irgendwie Halt in dieser besonderen Situation. Mit jeder vergehenden Minute fließt, wie von Zauberhand, neues Leben in meine innere Leere. Fast als ob ein Wolfsjunges auf samtenen Pfötchen in meine Seele einzieht. Ich sollte mir, genauso wie die Wölfe, kein Geschirr umlegen lassen.
© MR 03.12.2020
Texte: Mari Sway
Bildmaterialien: pixabay.de
Tag der Veröffentlichung: 03.01.2021
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