Breaking Dawn aus Edwards Sicht
Viel Spaß ;)
Prolog
Wie oft hatte ich sie in Gefahr gebracht?
Wie oft war sie durch meine Existenz verletzt worden?
Wie oft hatte sie mit Verlust und Schmerz klar kommen müssen, weil ich zu selbstsüchtig gewesen war, von Anfang an?
Ich hasste mich für jede Sekunde, in der ich sie leiden lassen hatte, doch das war nichts im Vergleich zu dem, was ich ihr dieses Mal antat.
Ich verfluchte mein ganzes Leben, sowohl das erste als auch mein jetziges Vampirleben.
Ich wünschte, ich hätte nie das Licht dieser Welt erblickt.
Was hatte meine ganze Selbstbeherrschung letztendlich gebracht?
Wem nutze es, dass ich sie damals, am ersten Tag unseres Zusammentreffens, am Leben gelassen hatte?
Wenn sie damals gestorben wäre, wäre es wenigstens schnell gegangen.
Ich hatte gedacht, dass sie die Kreatur in mir auslöschte, so dass sie sich langsam auflösen würde,
doch ich hatte mich geirrt.
Wie hatte ich nur eine Sekunde glauben können, dass ich jemand war, der Glück verdiente?
Ich war ein seelenloses Monster, das nicht einmal durch sie, das Gute und Reine, gerettet werden konnte.
Das Monster in mir war nie ganz verschwunden, es hatte sich nur im Hintergrund gehalten, bis seine Stunde kam.
Dort hatte es darauf gewartet,um uns beide schließlich zu Tode zu foltern.
Denn dorthin führte unser Weg jetzt unausweichlich.
Meinetwegen.
1. You picked me
Ich setzte zum Sprung an. Eine viertel Sekunde später hatten meine Zähne die Pulsschlagader des gewaltigen Hirschs mit einem sauberen Schnitt durchtrennt und das heiße Blut floss in meine Kehle. Ich war nicht besonders durstig, da ich die vergangene Woche drei Mal Jagen gewesen war. Das Blut der Pflanzenfresser hing mir zum Hals heraus, aber es war nötig. Morgen würde ich Bella heiraten. Meine Bella. Ich lächelte, während das Tier zunehmend schwächer wurde. Sie würde an mich gebunden sein, sie würde mein sein auf jede menschenmögliche Weise. Ich versank für einen Augenblick in meinen angenehmen Erinnerungen an gestern Nacht. Mein schlechtes Gewissen meldete sich zurück, Bella hatte im letzten Monat kaum geschlafen. Nachdem der Kampf mit Victoria und den Neugeborenen überstanden war - ein Knurren entfuhr meinen Lippen, als ich unwillkürlich an Victoria denken musste - war ich jede einzelne Nacht bei Bella gewesen. Sie hatte meinen Heiratsantrag angenommen, unter der Bedingung, dass ich sie in einen Vampir verwandelte und außerdem... wollte sie richtige Flitterwochen mit mir. Ein Teil von mir brüllte mich deshalb immer noch wütend an und fragte mich ob ich verrückt geworden wäre. Manchmal schien es mir so. Warum sonst sollte ich Bella so einer Gefahr aussetzen? Allerdings fielen mir dazu auch ein paar Gründe ein... Als sie mich zum ersten Mal auf diesen Gedanken gebracht hatte, war ich schlichtweg geschockt gewesen. Sie und ich... auf diese Weise...miteinander verbunden? Ich schluckte schwer. Ich erinnerte mich noch gut daran, wie ich sie verletzt hatte, als sie glaubte, ich würde es nicht wollen.
Allein der Gedanke war absurd. Gab es denn jemanden, der sie nicht wollte?
Ich ließ von dem toten Tier ab und schüttelte traurig meinen Kopf. Natürlich wollte ich es. Natürlich wollte ich sie. Meine kleine, naive, verführerische Bella...
Aber die nackte Angst packte mich jetzt erneut, als ich zum tausendsten Mal an unsere bevorstehenden Flitterwochen dachte.
Ich wusste nicht was ich erwarten sollte, ich wusste nicht, ob ich mich beherrschen konnte. NEIN! Ich musste mich beherrschen. Sollte ich sie in irgendeiner Weise verletzten, würde ich mich eigenhändig umbringen. Wenn es möglich wäre, dachte ich sarkastisch.
Seit Bella in mein Leben getreten war, hatte ich jeden meiner Gedanken kontrollieren müssen, um sie durch das, was ich war, nicht zu gefährden. Es war meine Pflicht, mich jede Sekunde in ihrer Gegenwart zusammenzureißen. Das war der Preis, den ich zahlen musste, um bei ihr zu sein. Ich tat es mit Freuden. Es kam mir sehr gering vor im Vergleich zu dem, was ich bekam. Ich durfte mit dem Mädchen meiner Träume zusammen sein, durfte jeden ihrer Atemzüge zählen und sie glücklich machen. Sie war mein Leben.
Mein Schicksal.
Es war ein Leichtes, das unsägliche Monster in mir zu kontrollieren, um den Menschen, für den ich alles tun würde, zu beschützen. Früher war es mir eindeutig schwerer gefallen, das musste ich zugeben. Aber die wenigen Stunden, die mir wie ein Jahrhundert vorgekommen waren und die ich in dem Glauben, Bella sei tot, durchlebt hatte, hatten meine Einstellung gegenüber ihrem Blut, gegenüber dem, was meine Natur verlangte, für immer verändert.
Nicht dass sie dadurch weniger verführerisch für mich roch, ganz bestimmt nicht. Aber ich wollte, ich konnte nie wieder einen solchen Schmerz ertragen. Die meiste Zeit über vermied ich es, daran zu denken, wie Rosalie mich damals angerufen hatte und mir die Nachricht überbracht hatte, die mein sicheres Ende bedeutete. Schaudernd erinnerte ich mich.
„Du kannst wieder nach Forks kommen, Edward.“, hatte sie mit ausdrucksloser Stimme gesagt, „es ist vorbei.“
Mein Körper war taub geworden, meine Gedanken lahm gelegt.
„Ich verstehe nicht“, hatte ich tonlos mit den Lippen geformt.
Alles in mir hatte sich gegen weitere Informationen gewehrt, ich wollte nicht meine schlimmste Befürchtung von Rosalie bestätigt bekommen.
Sie hatte gezögert, bevor sie dann die endgültigen Worte ausgesprochen hatte.
Ich stieß einen qualvollen Laut aus und sank auf die Knie, direkt neben den toten Hirsch. Genau so fühlte ich mich jetzt, als die Erinnerung mich durchflutete. Leblos. Leer.
„Sie ist tot, Edward.“ Die Stimme meiner Schwester hatte nervös geklungen.
Weiter dachte ich nicht, trockene Schluchtzer fuhren durch meinen kalten Körper und ich presste mein Gesicht voller Schmerz gegen den Boden, der sich für mich nicht halb so hart wie für einen Menschen anfühlte.
Eine ganze Minute lang wurde ich von meinen Gefühlen außer Gefecht gesetzt, bis ich es schaffte, mühsam vom Waldboden aufzustehen. Sie lebt. Ich versuchte mich zu beruhigen. Bella lebt. Sie liebt dich. Ich merkte, wie meine Lippen sich zu einem kleinen Lächeln verzogen, obwohl der Schmerz noch deutlich zu spüren war. Sie wird morgen dein sein, für immer. Ich versuchte mich nur darauf zu konzentrieren. Bella. Ich sah ihr Gesicht in Gedanken direkt vor mir, sah sie lächeln, sah wie das Blut in ihre zarten Wangen schoss, die Augen blickten mich voller Vertrauen und Liebe an. Mein Lächeln wurde breiter. Ausnahmsweise war ich froh, dass ich ein Vampir und damit auch leicht abzulenken war. Bella war meine schönste Ablenkung.
Gedankenverloren fing ich an, hinter mir aufzuräumen, wie wir es alle nach der Jagd taten. Während ich den Hirsch versteckte, ging die Sonne langsam hinter mir auf. Ich war die halbe Nacht bei meiner Verlobten gewesen – ich kicherte bei dem Gedanken an Bellas Abneigung, wenn ich dieses Wort benutzte -, aber ich hatte immer noch nicht genug. Das war ein weiterer Grund, wieso ich das Jagen verabscheute: ich konnte nicht bei ihr sein.
Es war sechs Uhr morgens und Bella würde in ungefähr zwei Stunden aufwachen, also blieb mir nicht mehr viel Zeit. Ich überlegte kurz, ob ich einen Abstecher zu meiner Familie machen sollte, entschied mich aber schnell dagegen. Meine Sehnsucht war im Moment einfach zu groß, außerdem konnte Alice den anderen mitteilen, wo ich mich befand.
Ich rannte mit meiner gewohnten unmenschlichen Geschwindigkeit, die mir jetzt trotzdem zu langsam vorkam, durch den Wald. Jede Faser meines Wesens sehnte sich nach ihr. Es ging mir immer so, wenn wir getrennt waren, aber ich versuchte meistens dieses Gefühl in Schach zu halten, weil ich den Anderen, insbesondere meiner Familie, nicht zu sehr auf die Nerven gehen wollte.
Jetzt, da ich allein war und wusste, dass ich Bella in nur wenigen Minuten wieder in meinen Armen halten würde, ließ ich mich ganz von dem Gefühl beherrschen. Es war vergleichbar mit der Jagd auf Blut, nur unendlich mal stärker. Meine Beine schienen nicht meinen Gedanken, sondern dem Verlangen zu folgen, während ich durch die verregnete Kleinstadt rannte und die Sonne hinter mir rubinrot leuchtete. Es waren nicht viele Menschen unterwegs; aber selbst wenn, hätten sie kaum mehr als einen Schatten wahrgenommen, so schnell wie ich mich bewegte.
Und dann, endlich, hörte ich das für mich schönste und berauschendste Geräusch der Welt: das gleichmäßige Pochen ihres kleinen, zerbrechlichen Herzens.
Ein überglückliches Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, als ich das Haus erblickte und ihren leisen Atem vernahm. So schnell, wie es mir möglich war, kletterte ich die steile Hauswand nach oben und stützte mich am Fensterrahmen ab. So verharrte ich einen Moment lang, um das friedliche Bild zu betrachten.
Bella lag zusammengerollt auf ihrem Bett, das dunkle, glänzende Haar war auf ihrem ganzen Kissen ausgebreitet. Ich hatte sie schon unzählige Male schlafen gesehen, aber bisher war es mir nie gelungen, gleichgültig darauf zu reagieren. Auch jetzt konnte ich nicht verhindern, dass tausende Emotionen in mir tobten und mir ganz warm wurde, obwohl ich wusste, dass das nicht möglich war. Manchmal wenn ich sie so friedlich schlafen sah, fragte ich mich, ob sie und Carlisle nicht vielleicht doch Recht behielten. Vielleicht hatte ich ja doch eine Seele. Es schien mir unbegreiflich, warum man mir, einem seelenlosen Monster, sonst so viel Glück geschenkt hätte. Warum man mir Bella geschenkt hatte. Sie war mehr als ich verdiente. Wie aufs Stichwort rollte sich Bella in meine Richtung und seufzte zufrieden.
„Hmmmh … Edward …“ Mit einem Satz war ich in ihrem Zimmer und ging lautlos vor dem Bett auf die Knie. Vorsichtig strich ich ihr eine Strähne aus dem zerbrechlichen Gesicht und genoss die Wärme, die durch meine Fingerspitzen strömte. Sie öffnete leicht ihre Lippen und lächelte dann ein kleines Lächeln. Wieder strich ich ihr mit der Innenseite meines Daumens über die Wange, ich konnte einfach nicht widerstehen. Mein totes Herz fühlte sich an, als müsste es vor lauter Glück bersten.
Bella blinzelte und murmelte verschlafen meinen Namen. Dann nochmal, fordernder.
„Edward?“ Mit einem weiteren lautlosen Sprung war ich neben ihr im Bett und zog sie in meine Arme.
„Schlaf weiter, mein Schatz, ich bin hier.“, murmelte ich in ihr duftendes Haar.
„Mmhh...“ Sie drückte ihr erhitztes Gesicht gegen meinen Hals, ihre Lippen liebkosten ihn...
Ich schlang meinen linken Arm fest um ihre Taille, die rechte Hand legte ich sanft an ihr Gesicht und streichelte es vorsichtig. Zufrieden schnurrte sie. Ich lächelte vor mich hin. So könnte ich mein Leben lang daliegen, dachte ich, ich würde nie genug haben.
Im nächsten Augenblick ging Bellas Atem wieder regelmäßig, sie war eingeschlafen. Wieder und wieder flüsterte sie im Traum meinen Namen. Vergessen waren alle meine Befürchtungen von vorhin. Es gab in mir keinen Platz für Sorgen, wenn ich den kostbarsten Menschen so wie jetzt in meinen Armen hielt. Ich fühlte mich vollständig, fast menschlich. Ich spürte das Blut unter ihrem Herzen an meiner eisigen Brust pulsieren. Es schlug für uns beide.
Immer wieder strich ich Bella über ihr Haar und ihren Rücken, so zart, dass sie es im Schlaf kaum merken konnte.
Meine Gedanken wanderten erneut zum morgigen Tag und freudige Erregung durchfuhr mich. Ich wusste, dass Bella immer noch etwas gegen das ganze Hochzeitstheater hatte, obwohl weder ihr Vater noch ihre Mutter ihr deshalb ein allzu schlechtes Gewissen gemacht hatten, weil sie noch zu jung war. Charlie lief zwar, seid wir es ihm gesagt hatten und er erfahren hatte, dass Renée nicht das mindeste gegen die Hochzeit hatte, mit mürrischer Miene durchs Haus, aber ich wusste, dass es Bella nicht so viel ausmachte, weil sie sich vor allem vor der Reaktion ihrer Mutter gefürchtet hatte. Ganz umsonst, wie sich letztendlich herausgestellt hatte, dachte ich schmunzelnd. Aber eigentlich hätte ich Bella schon früher beruhigen können. Als wir vor einem halben Jahr bei Renée zu Besuch gewesen waren, hatte sie mich von Anfang an mit ihren Gedanken überrascht. Ihre Sicht auf die Dinge war sehr präzise und realistisch. Und sie hatte sich kein bisschen gegen mich gesträubt, nicht einmal in Gedanken, obwohl sie wusste was ich ihrer Tochter angetan hatte. Schmerz zuckte an dieser Stelle über mein Gesicht und ich nahm Bella ein wenig fester in die Arme. Renée wollte nur, dass sie glücklich war und hatte sofort durchschaut, dass das, was ich für Bella empfand, weit mehr als eine einfache Highschool-Romanze war.
Und schließlich hatte sie sich mit Esme voller Freude in die Hochzeitsvorbereitungen gestürzt.
Für Bella bedeutete die Hochzeit, dass sie sich zum letzten Mal von ihrer menschlichen Familie und ihren Freunden verabschieden konnte, bevor sie sich selbst dann endgültig von ihrem menschlichen Leben verabschiedete. Die ganze Sache war für sie nicht mehr als ein Blatt Papier, sie verstand nicht, warum es mir so wichtig war.
Lächelnd schmiegte ich mich an ihren warmen Körper. Ich war in einer anderen Zeit geboren, hatte ich versucht zu erklären. Damals wäre es das Natürlichste auf der Welt gewesen, wenn ich um ihre Hand angehalten hätte, sobald ich gewusst hätte, dass Bella die Frau meines Lebens war. Natürlich wusste ich, dass es heutzutage anders verlief, aber eine Hochzeit war immer noch die stärkste Bindung zwischen Mann und Frau und es bedeutete, dass man sich so sehr liebte, dass man sein restliches Leben miteinander verbringen wollte - in unserem Fall unsere restliche Existenz. Ich wollte jeden unserer Freunde und Familie sehen lassen, wie glücklich wir waren und dass wir es ernst meinten.
Während ich weiter über unsere Hochzeit nachdachte und das Sonnenlicht sich in Bellas Zimmer ausbreitete, fing sie langsam an, sich in meinen Armen zu regen. Verschlafen blinzelte sie, kuschelte sich an mich und bewirkte damit, dass ich glaubte zu fühlen, wie eine wohlige Wärme in mich strömte.
„Guten Morgen...“, murmelte sie und versuchte ihren Kopf zu heben, um mich anschauen zu können. Grinsend erleichterte ich es ihr, indem ich mich auf den Rücken rollte und sie sanft auf mich zog. Ich nahm ihr Gesicht in die Hände, so dass wir uns direkt in die Augen sahen. Ein paar Minuten verstrichen, während ich in einem Meer schokoladenbrauner Augen versank. Sie lächelte leicht und ich strich ihr langsam über die Wange ohne den Blick von ihr abzuwenden. Die von mir gewünschte Wirkung trat sofort ein, ich spürte wie es unter meinen Fingern noch heißer als sonst wurde. Das Blut kroch langsam über ihr zerbrechliches Gesicht und sie senkte verlegen den Blick. Sie war so schön, dass es beinahe weh tat.
„Hast du gut geschlafen?“, fragte ich sie lächelnd und beugte mich weiter vor, so dass unsere Nasenspitzen sich berührten.
„Ich schlafe immer gut wenn du bei mir bist.“, flüsterte sie und ihr Atem erhitze die wenigen Zentimeter Luft, die sich noch zwischen uns befanden. Glücklich seufzend atmete ich die köstliche Hitze ein und nahm das Brennen tief in meiner Kehle kaum wahr. Ich war immer noch ein Monster, aber nicht mehr das alte, das nach ihrem Blut dürstete. Seid Bella mich auf den Gedanken „Flitterwochen“ gebracht hatte, war ein Monster in mir gewachsen, das zwar schon immer da gewesen sein musste, aber noch nie so deutlich wie in letzter Zeit in Erscheinung getreten war. Ich war vielleicht kein Mensch, aber immer noch ein Mann. Es war mindestens genau so schwer, das neue Verlangen zu unterdrücken, wie damals gegen den unglaublichen Durst anzukämpfen, den ihr Blut immer bei mir ausgelöst hatte.
Ich wollte den Augenblick noch weiter auskosten, aber Bella konnte es wohl nicht mehr ertragen. Ich lächelte, als unsere Lippen aufeinander trafen. Nichts auf der Welt ließ sich mit diesem berauschenden Gefühl vergleichen und nichts war es wert, dass ich noch einmal darauf verzichten würde.
Voller Leidenschaft grub ich meine Hände in ihr mahagonifarbenes Haar und spürte gleichzeitig, wie Bella ihre zarten Finger in meinen Nacken krallte. Ihr heißer Mund verschmolz mit meinem zu einem Ganzen. Und obwohl ich ein Vampir war, fiel es mir schwer, mich in solchen Momenten auf etwas anderes als die Tatsache, dass ich den Sinn meiner Existenz so berühren durfte, zu konzentrieren.
Bella drehte sich plötzlich von mir runter und automatisch erstarrte ich. Hatte ich etwas Falsches gemacht? War ich in meiner Leidenschaft zu weit gegangen?
Aber dann zog sie mich auf sich – Etwas, das sie aus eigener Kraft nie geschafft hätte, aber ich gehorchte nur zu gerne – und ich seufzte erleichtert und ergab mich.
Ich stützte mich mit beiden Armen rechts und links von ihrem Körper ab, damit sie mein Gewicht nicht spürte und küsste ihren Hals, der so unwiderstehlich roch, dass ich unwillkürlich die Augen schloss.
Gierig drückte sie ihren zerbrechlichen Körper an mich und ihr Herz donnerte mit der Schnelligkeit und der Lautstärke einer Dampflock gegen meines.
Ich öffnete die Augen, um sie ansehen zu können und der Blick, der mich aus ihren tiefen Augen traf, raubte mir die Sinne. Ich sah ein Verlangen darin, das meines widerspiegelte und war mir sicher, dass meine Augen jetzt trotz des Tierbluts pechschwarz glänzten. Bella schnappte nach Luft und das Geräusch brachte mich zurück in die Realität. Ein bisschen zumindest. Sanft löste ich mich von ihr und legte einen Arm leicht um sie. Ihr Herz raste und sie hatte Mühe ihren Atem unter Kontrolle zu bringen. Das war genau der richtige Moment um aufzuhören, dachte ich ein wenig bedauernd.
„Ich will heute bei dir bleiben...“, murmelte Bella, als ihr Pulsschlag sich etwas beruhigt hatte, „aber Alice wird mich den ganzen Tag mit Vorbereitungen für die Hochzeit quälen.“ Sie verzog das Gesicht und richtete sich auf. „Kannst du mich nicht verstecken?“, fragte sie mit verschwörerischer Stimme.
Ich setzte mich grinsend ihr gegenüber und verschränkte unsere Hände.
„Die Idee ist verlockend... aber ich glaube da musst du durch. Stell dir nur vor, wie enttäuscht Alice wäre, wenn wir ihr den letzten Tag mit der Braut nehmen würden.“
„Sie wird den ganzen Tag an mir herumexperimentieren!“, stöhnte Bella. „Und dann muss ich heute noch einkaufen fahren! Ich will meinen Truck wieder!“, jammerte sie.
„Ich werde Alice sagen, sie soll sich ein wenig zurückhalten“, antwortete ich ihr und lächelte. „Und wenn du willst, kann Rosalie deine Einkäufe erledigen, sie hat heute nichts zu tun.“ Kurz weiteten sich Bellas Augen dann seufzte sie.
„Ist schon okay. Nur werde ich dich vermissen...“ Sie legte die Arme um meinen Hals.
„Heute Abend sind wir wieder zusammen. Und ab morgen müssen wir nie wieder getrennt sein, wenn du willst...“, hauchte ich an ihrer Wange.
Sie strahlte mich mit ihrem schönsten Lächeln an. „Das hört sich wunderbar an.“
Kurz kuschelte sie sich an mich, dann hob sie wieder den Kopf. „Was hast du heute eigentlich vor?“, fragte sie.
„Ich werde heute eine Weile zu Hause bei Esme bleiben... und dann muss ich mich noch um unsere Reise kümmern.“, sagte ich und grinste. Bella war furchtbar neugierig deswegen; ich hatte ihr nicht verraten, wo wir unsere Flitterwochen verbringen würden.
„Willst du mir nicht endlich sagen, wo es hingeht? Jeder weiß es, außer mir.“ Schmollend zog sie die Unterlippe ein. Sie sah absolut hinreißend aus. Lachend berührte ich ihren Mund. Sie beugte sich vor und sah mir in die Augen.
„Bitte, Edward?“, flüsterte sie. Bella wusste genau, dass sie mich so in den Wahnsinn trieb. „Sagst du mir bitte, wo wir hingehen?“ Sie konnte unmöglich wissen, wie unglaublich verführerisch sie jetzt auf mich wirkte.
„Du kleines Monster!“, sagte ich zärtlich, zwang mich ein klaren Kopf zu bewahren und küsste ihre Nasenspitze. „Aber diesmal gebe ich nicht nach... Du wirst dich bis morgen gedulden müssen.“, sagte ich und kicherte. Sie war so süß, wenn sie beleidigt war.
„Na schön, dann frag ich Alice.“, sagte sie und grinste, stolz auf ihren Einfall.
„Keine Chance.“, lachte ich. „Ich habe mit Alice eine Abmachung: Sie erzählt dir nichts von unseren Flitterwochen und ich versuche nicht mehr herauszufinden, wie du im Brautkleid aussiehst.“ Obwohl allein die Vorstellung mich um den Verstand brachte.
„Okay, okay, du hast gewonnen!“, gab sie zu. „Wie... -“
Ich legte ihr einen Finger auf die Lippen. Charlie war aufgewacht, ich hörte ihn aus seinem Bett steigen.
„Charlie wird gleich hier sein, ich muss los.“, sagte ich und beugte mich vor um sie abermals zu küssen. Sanft drückte ich meinen Mund auf ihren, während Bella noch überrascht nach Luft schnappte.
Im nächsten Moment wurde die Türklinge heruntergedrückt und ich war mit einem Satz aus dem Fenster. Bella japste.
„Alles okay bei dir?“, hörte ich Charlie misstrauisch fragen. Seine Gedanken waren für mich schwer zu entschlüsseln – ein Defekt, der bewirkt hatte, dass Bellas Gedanken mir vollständig verborgen blieben - ,aber ich sah die Verwirrung darin und Bellas rot angelaufenes Gesicht.
„Ja, klar. Guten Morgen, Dad.“, sagte sie hastig. Allein ihre Stimme war so unnatürlich hoch, dass man ihr, auch ohne sie anzusehen, erkennen konnte, dass sie nicht die Wahrheit sagte. Ich lächelte.
„Ich geh gleich runter und bereite das Frühstück vor.“ Charlie brummte etwas unbestimmtes, seine Gedanken waren immer noch verwirrt, aber er dachte nicht weiter über die zweifelhaften Worte seiner Tochter nach. Schritte entfernten sich und die Tür schloss sich wieder. Ich hörte stolpernde kleine Schritte zum Fenster laufen.
„Edward?“ Ihre Wangen waren immer noch leicht gerötet und ihr Herz schlug schneller als gewöhnlich. Sie blickte nach unten und sah mich.
„Ich werde dich vermissen.“ Ich kletterte die Wand nach oben.
„Bis heute Abend. Ich liebe dich.“ Sie lächelte und ich konnte nicht widerstehen, ich musste unsere Lippen einfach noch einmal miteinander verbinden. Schließlich sah ich sie erst in ein paar
Stunden wieder … Ich trat zurück und ließ mich fallen.
Automatisch brachte ich meine Füße in die richtige Stellung, um damit den Sprung abzufangen. Ich winkte Bella zu, die mich leicht bedauernd ansah. Noch ein letztes Mal prägte ich mir jede vertraute Einzelheit ein, die mir helfen würde, die Stunden ohne sie zu überstehen.
Dann rannte ich los.
Während ich rannte, dachte ich über meine Pläne für den Tag nach. Ich musste heute noch die Tickets nach Houston und Rio de Janeiro überprüfen, die uns morgen, oder besser gesagt übermorgen, zu Esmes Insel bringen würden. Ich hatte alles perfekt geplant, aber ich konnte nicht ganz sicher sein, ob mir vielleicht doch ein Fehler unterlaufen war. Ich hoffte, dass es Bella gefallen würde; ich wünschte mir, dass es wunderschöne Flitterwochen für sie sein würden. Mich versetzte schon der Gedanke daran, dass wir unbegrenzte Zeit in Zweisamkeit genießen konnten, in Hochstimmung. Und ich würde alles in meiner Macht stehende tun, um sie glücklich zu machen. Angefangen mit meiner Selbstbeherrschung. Ich schluckte. Ich hatte immer noch keine Ahnung, wie es sein würde. Ich hatte mir vorgenommen, heute noch mit Emmett und Jasper darüber zu reden. Mit Carlisle hatte ich schon gesprochen. Ich wollte so gut wie möglich vorbereitet sein.
Als ich an ein paar Häusern vorbeirannte und die Hauptstraße von Forks erreichte, bekam ich Ablenkung in Form von den vielen Plakaten, die dort hingen. Damit kein Mensch mich sah, rannte ich schnell wieder in den Wald, wo ich vor neugierigen Blicken geschützt war.
Die Plakate zeigten ein und das selbe Bild, immer und immer wieder.
Jacob.
Ich seufzte. Ich hatte Mitleid mit dem Jungen, aber ich musste zugeben, dass ich auch ein wenig froh über sein Verschwinden war. Charlie hatte das ganze Polizeibüro auf den Kopf gestellt und eine Suchaktion für den Sohn seines besten Freundes in die Wege geleitet. Doch Billy Black beteiligte sich zu Charlies Enttäuschung überhaupt nicht daran. Der Grund dafür war, dass alle außer Charlie eine ungefähre Vorstellung davon hatten, wo Jacob sich befand. Nachdem sich Bella endgültig für mich und damit gegen ihn entschieden hatte, hatte Jacob sein menschliches Leben hinter sich gelassen und lebte jetzt als Wolf. Seth erzählte mir ab und zu das Neueste, das natürlich auch Bella brennend interessierte. Ein weiterer Grund, warum ich Jacob nicht sonderlich mochte: Er machte sie unglücklich. Dauernd machte sich Bella Sorgen um ihn und obwohl sie versuchte, es größtenteils vor mir zu verbergen, so kannte ich sie trotzdem gut genug, um den Schmerz in ihren Augen zu erkennen, wenn wir über Jacob sprachen.
Ich wusste, dass er nicht verschwunden war, um Bella Sorgen zu bereiten oder um sie auf die Probe zu stellen. Jacob litt, ich hatte es unzählige Male in seinen Gedanken gesehen. Er liebte Bella wirklich, deshalb hatte er es hier nicht mehr ausgehalten. Aber das änderte nichts daran, dass er damit auch Bella wehtat. Oft genug wurde ich zornig deshalb, obgleich ich wusste, dass ihn eigentlich keine Schuld traf. Außerdem war ich froh, dass er gegangen war, weil er Bella so zumindest weniger Schmerz zufügen konnte. Meine Eifersucht spielte keine Rolle mehr, ich wollte nur, dass Bella glücklich war.
Alles andere konnte ich aushalten, das wusste ich. Es gab für mich keine Grenzen, wenn es um sie ging.
Das Telefon in meiner Hosentasche vibrierte. Ich zog es hervor, während ich weiter rannte und einen Blick darauf warf.
„Alice? Alles in Ordnung?“
„Hey Edward, ich wollte dir nur sagen, dass die Sache mit den Tickets erledigt ist.“, trällerte sie fröhlich.
„Warum hast du mich angerufen? Ich bin gerade auf dem Heimweg. Sehe ich dich nicht mehr?“, fragte ich meine Lieblingsschwester verwirrt.
„Leider nicht. Ich muss noch mein Kleid für morgen abholen und Bellas perfektionieren.“ Sie kicherte. Alice wusste genau, wie sehr ich es sehen wollte. „Und ich habe gesehen, dass du dir Sorgen um die Reise gemacht hast, deshalb dachte ich mir, ich tue dir einen Gefallen. Es ist alles in Ordnung, euren Flitterwochen steht nichts mehr im Weg.“, zwitscherte sie.
„Danke, Alice. Dann habe ich heute mehr Zeit, die ich mit den Anderen verbringen kann.“Vor allem Esme würde sich freuen.
„Genau das habe ich vorhergesehen.“
„Alice, ich wollte dich noch um etwas bitten. Könntest du dich bitte heute ein wenig zurückhalten? Für Bella?“
Sie schnaubte. „Sie wird umwerfend aussehen, Edward, und da wir ab morgen Schwägerinnen sind, wird sie langsam ihre Abneigung gegen schöne Kleider ablegen müssen.“ Kurze Pause.
„Ist okay, ich werde versuchen mich ein bisschen zurückhalten.“, sagte sie lachend.
„Hm. Hast du etwas … Neues gesehen?“, fragte ich sie zögernd. Sie wusste, worauf ich anspielte.
Ihre Stimme klang ernst und zuversichtlich, als sie sprach. „Du wirst ihr nicht weh tun, Edward. Es wird nichts passieren. Hab ein bisschen mehr Vertrauen in dich.“
Ich seufzte. „Danke. Für alles. Wir sehen uns spätestens morgen.“
Sie lachte ihr silberhelles Lachen. „Ich werde schon dafür sorgen, dass sie den Tag so schnell nicht vergessen wird.“ Dann legte sie auf.
Ich lächelte und steckte das Telefon zurück. So eine Schwester wie Alice hatte ich überhaupt nicht verdient.
Ich lief weiter und vernahm die ersten Gedanken und ein lautes Aufstöhnen aus meinem Haus.
°Das rote oder das silberne? Mit dem roten Kleid werde ich ihr sicher die Show stehlen...hm, ist das silberne aber nicht zu unscheinbar?° Rosalie machte sich mal wieder Gedanken um ihr Aussehen.
°Wann kommt er endlich? Alice hat gesagt, er wäre gleich zu Hause...° Esmes Gedanken waren freundlich und jetzt ein bisschen besorgt.
Ich beschleunigte meinen Gang und sprang durch ein offenes Fenster ins Wohnzimmer.
Alle außer Alice und Carlisle, der wahrscheinlich im Krankenhaus war, saßen auf dem Sofa. Esme schaute auf und lächelte mich an, ich spürte ihre Freude darüber, dass ich gekommen war, in ihren Gedanken. Rosalie schaute kurz auf, dann beschäftigte sie sich wieder mit ihrer Kleiderwahl.
Emmett und Jasper sahen sich gerade ein Baseballspiel an, was dann auch das Stöhnen erklärte, Emmetts Lieblingsmannschaft lag im Rückstand. Als sie mich reinkommen hörten, wechselten sie einen kurzen Blick, der mir natürlich nicht entging.
°Wie stelle ich es am Besten an?Ich glaube, ich überlass es lieber Jasper...° Emmetts Gedanken machten mich neugierig und ich schaute ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Was ist mir entgangen?“
Er konzentrierte sich mit aller Macht auf das Spiel im Fernseher und ich bekam keinen Einblick in das Geheimnis.
Ich verdrehte die Augen und wandte mich Jasper mit fragendem Blick zu.
Er lächelte und im nächsten Moment spürte ich, wie Vorfreude durch mich fuhr, die ganz bestimmt nicht von natürlichen Gefühlen hervorgerufen wurde.
„Wir feiern heute Abend deinen Junggesellenabschied.“, sagte er grinsend. „Ich wette, du freust dich schon.“
Es war unmöglich, nicht fröhlich zu reagieren, selbst wenn ich in Jaspers Gedanken sah, wie er mich beeinflusste.
„Okay, Jasper, das ist gegen die Regeln.“, sagte ich mit einem breiten Lächeln, während Glücksgefühle durch mich strömten.
Er zwinkerte und stand auf. „Ach komm schon, Edward, nur eine Nacht. Ab morgen wirst du ihr jede Nacht beim Schlafen zusehen können. “
Emmett ließ sein dröhnendes Lachen hören. „Glaubst du wirklich, er wird sie schlafen lassen?“ Rosalie verdrehte die Augen, ich ignorierte ihn.
Ich bemerkte, wie das Glücksgefühl langsam nachließ und blickte dankbar zu Jasper, der Anstalten machte, aus der Tür zu gehen. Ich sah den Durst in seinen Gedanken, er wollte Jagen gehen.
„Ich werde es mir überlegen.“, gab ich seufzend nach.
Emmett schnaubte. °Wir werden ja schon sehen°, dachte er und grinste mich an.
Ich grinste zurück und setzte mich dann auf das Sofa neben meiner Adoptivmutter.
Sie legte mir ihre Hand auf die Schulter. Ich spürte ihre stumme Freude.
°Du bist glücklich, oder?° Sie strahlte mich an. Ich nickte und lächelte.
°Ich habe es dir von Anfang an gesagt, mein Sohn. Es wird alles so werden, wie du es dir wünscht. Bella und du, ihr habt schon immer zusammengehört.°
Ich wusste, worauf sie anspielte. Und ich wusste, dass sie Recht damit hatte. Als ich versucht hatte, Bella zu ihrem eigenen Schutz zu verlassen, war es gründlich schief gelaufen. Bella konnte nicht ohne mich sein und ich nicht ohne sie. Wir waren Teil eines Ganzen, konnten nicht ohne den Anderen existieren.
°Du hast es verdient, endlich glücklich zu werden. Du hast dieses Glück verdient, Edward.°
Sie machte mich verlegen und stolz, vor allem weil ich sah, wie ernst es ihr war.
„Danke, Mom.“, sagte ich und sie legte einen Arm um mich.
Emmett stand auf und nahm Rosalies Hand.
„Wir gehen auch Jagen.“, erklärte er. °Und sind rechtzeitig zur Jungessellenabschiedsparty wieder zurück°, fügte er in Gedanken hinzu und grinste mich an.
Ich lachte, er gab einfach nicht auf.
Dann waren sie aus der Tür und ich war alleine mit Esme. Eine Weile saßen wir schweigend so da, während ich ihren harmonischen Gedanken lauschte. Dann stand ich auf und überquerte den Raum, um mich an den gewaltigen Flügel zu setzten. Meine Finger fingen automatisch an, Esmes Lieblingslied zu spielen. Sie und Carlisle hatten mich vor langer Zeit dazu inspiriert und ich wusste, wie sehr Esme es liebte, wenn ich Klavier spielte. In den letzten Monaten war ich nicht oft dazu gekommen, ich verbrachte meine gesamte Zeit lieber bei meiner Fast-Ehefrau. Zufrieden spielte ich die zweite Stimme.
„Danke.“, sagte sie und ich hörte das Lächeln in ihrer Stimme.
Nach ein paar Minuten ließ ich die Musik in eine zärtlichere überfließen. Die Klänge, die jetzt das ganze Haus erfüllte, klangen höher und zerbrechlicher. Ich spielte jetzt mit meiner ganzen Überzeugung. Meine Gedanken wanderten zu schokoladenbraunen Augen, zu langem, fließendem Haar, zu köstlicher, heißer Wärme...
Ich spielte für Bella. Das war das Schlaflied, das ich komponiert hatte, als wir uns kennenlernten. Nie würde ich die Tage vergessen, die sich für immer in mein Vampirgehirn eingebrannt hatten. Die Tage, in denen sich mein Verlangen nach ihrem Blut mit der verzweifelten Liebe zu ihr bekriegt und schließlich verloren hatte.
Es war ein Lied, das meine Liebe zu ihr zeigte, egal wie hoffnungslos sie damals für mich ausgesehen hatte und egal wie sehr sie auch heute noch gegen jede Vernunft war.
Meine Finger verharrten an den Tasten.
Ja, es war gegen jede Vernunft. Genau wie unserer Kompromiss. Ich schauderte. Hatte ich es mir nicht zur Lebensaufgabe gemacht, Bella vor jeglicher Gefahr zu beschützen? Und jetzt ließ ich sie geradewegs auf die nächste zurasen. Ich würde ihr weh tun, wenn ich mich nicht beherrschen konnte. Bei dem Gedanken wurde mir ganz elend.
„Edward? Was ist los?“ Ich drehte mich langsam um und starrte in ihr besorgtes Gesicht.
„Ich...“, meine Stimme brach ab und ich räusperte mich. „Ich weiß nicht, wie ich es schaffen soll. Ich weiß nicht, wie ich mich beherrschen soll, um sie nicht zu verletzten.“, flüsterte ich.
In ihren Gedanken sah ich mein eigenes Gesicht voller Verzweiflung.
Sie kam auf mich zu und legte mir wieder ihre Hände auf die Schultern.
„Edward. Du liebst sie.“, sagte sie sanft, „Deine Liebe zu ihr hat keine Grenzen. Sie hat dich davon abgehalten, Bella am Anfang das Leben zu nehmen, obwohl du so stark wie keiner von uns auf ihr Blut reagierst. Sie hat dich dazu gebracht, die Liebe deines Lebens zu verlassen, obwohl es dich beinahe umgebracht hätte.“ Sie dachte kurz an die Monate zurück, als ich meine Familie verlassen hatte, weil ich niemandem mehr unter die Augen treten konnte, nachdem ich mich von Bella getrennt hatte und damit unserer beide Leben um ein Haar zerstört hätte.
Esme hatte mich in dieser Zeit nicht weniger als Alice vermisst.
„Ist die Tatsache, dass du, ein Vampir, eine Sterbliche liebst und für sie sterben würdest, nicht Beweis genug, dass du ihr nicht weh tun wirst? Dass du Bella gar nicht verletzten kannst, weil deine Liebe zu ihr größer ist als alles andere, Edward?“ Sie lächelte liebevoll.
°Sie vertraut dir mehr als du dir selber. Und du verdienst dieses Vertrauen.°
Meine Ängste verschwanden nicht, aber sie wurden kleiner. Ich konnte mich so sehen, wie sie es tat, ein wenig zumindest. Es lag in meiner Hand und ich würde Bella nicht verletzen. Ich konnte es tun. Ich konnte ihr dieses Geschenk geben, konnte ihr die Flitterwochen, die sich so sehr wünschte, geben. Ich konnte sie glücklich machen, ohne sie dabei zu verletzen.
Ich beugte mich zu der Frau, die für mich wie eine Mutter war, und und umarmte sie.
Sie tätschelte mir den Rücken, während wir Carlisles Wagen draußen hörten. Im nächsten Moment kam er durch die Türe und lächelte uns an.
°Schon wieder Selbstzweifel, mein Junge?°
Ich lachte halbherzig. Er kannte mich gut.
„Habe ich dir nicht gesagt, dass du alles schaffen kannst? Du brauchst dich nicht unnötig quälen. Es ist nichts unmöglich für dich.“ °Seid ich Bella und dich zusammen gesehen habe, glaube ich nicht mehr an das Wort ‚unmöglich‘.° „Es wird alles gut werden.“, sagte er lächelnd.
Und als ich meine Eltern so reden hörte, merkte ich, wie ich die Welt mit anderen Augen sah. Die Liebe zwischen mir und Bella war von Anfang an verboten und voller Widersprüche gewesen. Wir hatten dafür gekämpft, hatten gelitten und waren über unsere Grenzen hinausgegangen. Bella und ich hatten alle Gesetzte auf den Kopf gestellt und den Schmerz schließlich hinter uns gelassen.
In hundert Jahren hätte ich mir nie vorstellen können, die zu finden, die mir einen neuen Sinn zum Leben gab.
Doch das Unmögliche war möglich geworden.
2. Long night
5. Long night
„Du fehlst mir jetzt schon.“ Bellas geflüsterte Worte waren kaum mehr als ein Seufzen.
„Ich muss nicht gehen. Ich kann auch bleiben …“
„Mmm.“
Emmett und Jasper würden es verkraften … Ich wollte diese Nacht mit niemand Anderem als meiner Bella, ein letztes Mal Isabella Swan, verbringen. Ich lauschte ihrem schnellen Herzschlag, ihrem rasenden Puls. Auch mein Atem ging unregelmäßiger als sonst, während ich mit den Lippen langsam über ihren warmen Hals fuhr.
Sie schloss zufrieden lächelnd ihre dicht mit Wimpern umrahmte Augen. Mein Mund verharrte kurz neben ihren Lippen und ich genoss die Gefühle, die durch mich strömten. Ich konnte ihren duftenden Atem schmecken, er vermischte sich mit meinem. Mit einem Seufzer küsste ich sie so zärtlich wie ich nur konnte und sie erwiderte meinen Kuss sofort leidenschaftlich.
Es war unglaublich, wie sich unsere Lippen in einer solchen Harmonie bewegen konnten. Sie waren wie zwei Puzzleteile, die perfekt zueinander passten. Feuer und Eis. Ihre Hitze brannte in mir und verzehrte mich von innen.
Ich betrachtete jede noch so kleine Einzelheit, sah wie das Blut in ihre Wangen schoss, wie sie die Augen ein winziges bisschen zukniff …
Tausende Male hatte ich sie angesehen, tausende Male geküsst und sie in den Armen gehalten. Sie hatte mir so oft ihre Liebe geschworen und sie mir noch öfter bewiesen …
Und dennoch würde ich nie vollständig begreifen, warum man mir ein solches Geschenk anvertraut hatte. Bella würde immer Teil eines Märchens sein.
Teil meines ganz persönlichen Märchens.
Selbst jetzt, in der letzten Nacht vor unserer Hochzeit, blickte ich dieses wunderschöne, engelsgleiche Geschöpf an und fragte mich, ob sie nicht vielleicht doch nur ein Traum war.
Wie konnte mir nur solch ein Glück zustehen?
Sie schlug die Augen auf und sah mir mit einem Blick in die Augen, der mich alles vergessen ließ. Den Raum, die Zeit …; alles um uns herum verschwand und wurde unbedeutend.
Die Liebe, die daraus strahlte nahm mein ganzes Denken ein. Es gab nur noch sie und mich. Ich erwiderte ihren Blick zärtlich und überließ mich dem Wirbelsturm meiner Gefühle.
Kurz erschien die vertraute kleine Falte zwischen ihren feinen Augenbrauen, dann glättete sich ihre Stirn wieder.
Ich fragte mich zum tausendsten Mal, was ich jetzt wohl in ihren Gedanken sehen würde, wenn ich sie nur ein einziges Mal hören könnte.
Selbst nach der langen Zeit, in der ich sie nun kannte, machte es mich manchmal immer noch wahnsinnig, dass da nichts außer Stille war.
Gerade wollte ich sie danach fragen, als sie mein Gesicht zu ihrem heranzog, und damit alle unausgesprochenen Fragen beantwortete.
„Ich bleibe.“, murmelte ich, ganz und gar überzeugt. Ich konnte gar nicht mehr aus freiem Willen widerstehen, zu sehr hatte mich dieses wunderbare Mädchen, das in körperlicher Hinsicht so viel schwächer war als ich, in ihren Bann gezogen, der mich für immer und ewig hielt.
„Nein, nein. Es ist dein Junggesellenabschied. Da musst du hin.“, widersprach sie mir, aber es sah eher nach Zustimmung aus, als sie eine Hand in meinen Haaren vergrub und sich mit der anderen fest in meinen Nacken krallte.
Ich lächelte und fing an, mit den Fingerspitzen über ihr zerbrechliches Gesicht zu streichen. Ich berührte ihre Wangen, die kleinen Nase, den für mich perfekt geformten Mund …
„Junggesellenabschiede sind etwas für jene, die ihrer Zeit als Alleinstehende nachtrauern“, erklärte ich ihr leise und dachte, dass nur ein Wahnsinniger seiner Zeit als Alleinstehender nachtrauern würde, wenn er Bella zur Frau nehmen dürfte.
„Ich dagegen könnte es gar nicht eiliger haben, meine hinter mir zu lassen.“, fuhr ich fort, „Es ist also vollkommen sinnlos.“
„Stimmt.“, hauchte sie und kleine Hitzewellen brachen an der kalten Haut meines Halses. Ich schlang die Decke, in die Bella eingewickelt war, um wegen meiner Körpertemperatur nicht zu erfrieren, ein wenig fester um ihren wunderschönen Körper und rieb ihr zärtlich den Rücken.
Ich verfluchte mich jedes Mal aufs Neue, wenn sie meinetwegen fror. Wie gerne wäre ich menschlich gewesen, um sie mit meinem Körper wärmen zu können … Ich wollte nicht, dass es ihr meinetwegen schlechter ging.
Bellas Blick wanderte über meinen Oberkörper und ihre Augen weiteten sich. Mein T-Shirt lag auf dem Holzboden, da ich sowieso nie fror und außerdem auch Bella damit einen Gefallen tat, wie es schien.
Ihre kleine Hand tastete langsam über meinen Bauch, während sie mich ehrfürchtig ansah.
Ein wohliges Zittern schüttelte meinen steinernen Körper und wieder verschmolzen unsere Lippen zu einem Kuss.
Mit ihrer heißen Zungenspitze fuhr sie über meine Unterlippe und ich seufzte. Ich merkte, wie mein Atem rauer ging. Wie gerne hätte ich mich ihr mit meiner ganzen Leidenschaft hingegeben, doch ich wusste, dass dies unmöglich war, ohne ihr wehzutun.
Ich benötigte meine gesamten übermenschlichen Kräfte, um mich selbst davon zu überzeugen, dass es das Beste war, unsere Lippen voneinander zu lösen, während das Monster in mir schreiend genau nach dem Gegenteil verlangte.
Im Bruchteil einer Sekunde war meine Panik zurückgekehrt.
„Warte“, sagte Bella und schmiegte sich – ich fragte mich wie es möglich war – noch enger an meine Brust. Ihre Nähe war berauschend, auf eine gefährliche Art und Weise.
Sie strampelte kurz, um ihr rechtes Bein aus der Decke freizukämpfen, dann schlang sie es mir um die Hüfte. Ich schnappte so schnell nach Luft, dass sie es unmöglich bemerkt haben könnte. Das hier grenzte an Wahnsinn.
„Übung macht den Meister.“, sagte sie und sah mir in die Augen.
Ich atmete durch den Mund ein und wieder aus, und versuchte mich zu beruhigen.
Ich lächelte sie an und vergewisserte mich, dass ich meine Stimme unter Kontrolle hatte.
„Nun, dann dürften wir jetzt schon beinahe Meister sein, oder? Hast du im letzten Monat überhaupt geschlafen?“, fragte ich sie, wobei ich versuchte, einen scherzhaften Ton beizubehalten. Zu meiner Erleichterung war meine Stimme fest und klang halbwegs normal.
In meinem Körper tobte immer noch ein Kampf zwischen der Angst und meiner unkontrollierbaren Leidenschaft.
„Aber das ist jetzt die Generalprobe“, meinte sie lächelnd, „und wir haben erst ein paar Szenen geübt. Jetzt müssen wir auch den Rest proben.“
Sie hielt es für einen Scherz. Sie verglich es mit einer Theateraufführung.
Mein ganzer Körper erstarrte. Meine ganze Gelassenheit von vorhin war verflogen. Das Gefühl von Zuversicht und Vertrauen, das ich vor wenigen Stunden mit Carlisle und Esme empfunden hatte, war mit einem Schlag verschwunden. Was wussten meine Eltern schon davon, wie ich mich wirklich mit Bella so nah fühlte? Sie wussten nicht, wie es wirklich war, sie kannten meine Leidenschaft in solchen Momenten nicht. Meine Angst gewann die Überhand. Carlisle und Esme hatten nie versucht, ihre Vampirleidenschaft mit einem Menschen zu teilen. Erst recht nicht mit einem Menschen, dessen Blut für sie wie eine Droge war.
„Bella …“, flüsterte ich. Wie konnte ich ihr nur diese Verwirrung zeigen? Wie konnte ich sie davon abhalten, einen Fehler zu begehen, den wir beide auf ewig bereuen würden?
„Fang nicht wieder damit an“, sagte sie. „Versprochen ist versprochen.“
Selbsthass durchfuhr mich. Ich hasste mich so sehr dafür, dass ich sie einer solchen Gefahr aussetzte. Was hast du dir nur dabei gedacht?, brüllte ich das Monster in mir an.
„Ich weiß nicht. Ich kann mich nicht konzentrieren, wenn wir so zusammen sind. Ich … ich kann nicht klar denken.“, stammelte ich, „Ich werde mich nicht beherrschen können. Ich... ich werde dir wehtun.“
„Mir passiert schon nichts.“ Esme hatte absolut Recht. Bella hatte viel mehr Vertrauen zu mir als ich. Egal wie oft ich ihr bewiesen hatte, dass ich es nicht verdiente, ihre Hingabe war bedingungslos. Es war so verkehrt.
„Bella ...“ Es musste doch einen Weg geben, ihr zu zeigen wie falsch das war?
„Scht!“, unterbrach sie mich energisch und presste ihre weichen Lippen gegen meine, um meinen Widerstand zerbröckeln zu lassen. Seltsamerweise half sie mir damit. Ich konnte mich beruhigen und erwiderte ihren Kuss, die Panik ließ ein wenig nach. Meine Gedanken jedoch waren immer noch ängstlich und versuchten einen Weg zu finden, um Bella zu überzeugen.
„Wie geht es deinen Füßen?“, fragte ich sie. Wenn ich nur den geringsten Zweifel in ihrem Blick sehen würde, würde ich sie gehen lassen. Auch jetzt noch.
„Angenehm warm.“, antwortete sie mir.
„Wirklich? Möchtest du es dir nicht noch einmal überlegen? Noch ist es nicht zu spät.“
Ein winziger Teil in mir wünschte immer, dass sie es sich anders überlegen würde. Zu ihrem eigenen Besten. Doch der Rest in mir lachte ihn aus, er kannte Bella viel zu gut. Sie war ein kleiner Dickkopf, der sich von nichts und niemandem von einer Sache abbringen ließ, wenn sie einmal entschieden hatte.
„Willst du mich loswerden?“
Ich lachte. Nur Bella schaffte es immer wieder aufs Neue solche absurden Dinge zu denken. Und selbst jetzt, da sie es als Scherz meinte, kam ich nicht umhin meinen Kopf zu schütteln. Was sie sagte, war genau das Gegenteil von dem, was ich fühlte, wie sie sehr genau wusste.
Aber hier ging es um etwas anderes.
„Ich will nur sichergehen. Du sollst nichts tun, was du nicht ganz bestimmt willst.“
„Was dich betrifft, bin ich mir sicher. Den Rest werd ich schon überleben.“
Wenn sie die Hochzeit meinte, war sie ganz sicher unmenschlich. Schon wieder genau das Gegenteil, dachte ich sarkastisch. Sollten Hochzeiten nicht für jedermann etwas Schönes bedeuten?
Dann führten meine Gedanken in eine andere Richtung. Ich dachte daran, wie viel sie für mich aufgeben musste und wurde wieder traurig. Ihre Familie … ihre menschlichen Freunde. Sie durfte sie alle nie wieder sehen, meinetwegen.
Aber vielleicht brachte sie das dazu, es noch einmal zu überdenken.
„Wirklich?“, fragte ich sie deshalb. „Ich meine nicht die Hochzeit – ich habe keinen Zweifel, dass du sie überleben wirst, trotz deiner Bedenken –, aber danach … was ist mit Renée, mit Charlie?“ Ihre eigenen Eltern wollte sie für mich aufgeben.
Sie seufzte. „Sie werden mir fehlen.“
„Angela und Ben und Jessica und Mike.“ Ihre ganzen Freunde. Seid sie mich kennengelernt hatte, hatte sie ihrer ganzen menschlichen Natur den Rücken gekehrt.
„Auch meine Freunde werden mir fehlen.“, antwortete sie ein wenig bedrückt. Dann sah ich, wie sich ihre Lippen zu einem kleinen Lächeln verzogen.
„Vor allem Mike. Oh, Mike! Wie soll ich nur ohne ihn leben?“, rief sie gespielt traurig.
Ich knurrte. Ich würde diesen Jungen in tausend Jahren nicht ausstehen können, selbst wenn er nicht mehr auf eine Weise an Bella denken würde, die immer den Wunsch in mir auslöste, ihn in Stücke zu reißen …
Bella lachte, wurde dann aber plötzlich wieder ernst. Sie legte die Stirn in Falten.
„Edward, wir haben das doch schon so oft besprochen. Ich weiß, dass es schwer wird, aber ich will es so. Ich will dich, und zwar für immer. Ein Leben lang ist mir einfach nicht genug.“
„Mit achtzehn erstarrt.“, flüsterte ich. Sobald ich diese Worte ausgesprochen hatte, sah ich ein Bild vor meinem geistigen Auge. Bella und ich, älter, mit Kindern um uns herum. Ich sah Bella, mit einem gerundeten Bauch, wie sie mich anstrahlte. Noch nie hatte ich daran gedacht, aber jetzt, da das Bild in meinen Gedanken erschienen war, würde ich es nicht wieder vergessen, das stand fest.
„Der Traum einer jeden Frau“, sagte sie; ein weiterer Versuch, einen Witz daraus zu machen.
„Keine Veränderungen mehr … keine Entwicklung.“ Der Wunsch, ein Mensch zu sein, traf mich so viel heftiger als vorhin. Noch nie hatte ich es mir stärker herbeigesehnt als jetzt.
„Was soll das heißen?“, fragte sie mich verwirrt, offensichtlich ohne die leiseste Ahnung, wovon ich sprach.
Ich erinnerte mich daran, wie wir Charlie von unserer Hochzeit erzählte hatten. Es war sein erster Gedanke gewesen.
„Weißt du noch, als wir Charlie erzählt haben, dass wir heiraten werden? Und er dachte, du seist … schwanger?“ Als ich es aussprach, wurde das Bild noch echter und greifbarer.
„Und er hat dich in Gedanken erschossen“, sagte sie und lachte. „Gib‘s zu, einen kurzen Augenblick hat er daran gedacht.“
Ich antwortete ihr nicht, zu sehr war ich ergriffen von einem Wunsch, der noch unrealistischer und unvernünftiger als meine Liebe zu Bella war.
„Edward, was ist?“ Ihre Stimme klang besorgt. Ich versuchte das Bild abzuschütteln.
„Ich denke nur … na ja, es wäre schön, wenn er Recht gehabt hätte.“ Die Wahrheit meiner eigenen Worte überraschte mich. Ich hatte noch nie ernsthaft daran gedacht, weil es hoffnungslos war. Aber es wäre so schön, Bella auf diese Weise glücklich zu machen …ihr diese menschliche Erfahrung schenken zu können.
„O Gott.“, sagte sie und starrte mich an, als wäre ich verrückt geworden. Vielleicht war ich das. Wer wollte schon ein Kind mit einem Vampir? Aber der Gedanke ließ mich nicht mehr los. Wie sehr ich mich dafür hasste, ihr diese Erfahrung zu stehlen.
„Oder vielleicht eher, wenn es wenigstens hätte sein können.“, erklärte ich ihr. Sie hatte sich eindeutig genau so wenig mit dem Thema befasst wie ich, obwohl es in erster Linie sie betraf. „Wenn wir diese Möglichkeit hätten. Es ist furchtbar für mich, dir das zu rauben.“
Sie schluckte, dann sah sie mir mit voller Überzeugung in die Augen.
„Ich weiß schon, was ich tue.“
„Wie kannst du das wissen, Bella?“ Sie hatte noch nicht einmal darüber nachgedacht, es nicht einmal in Erwägung gezogen. Ich dachte an Rosalie und Esme. „Sieh dir meine Mutter an oder meine Schwester. Es ist kein so leichtes Opfer, wie du denkst.“
„Esme und Rosalie kommen doch gut damit klar“, widersprach sie mir, „falls es später mal zum Problem wird, machen wir es einfach so wie Esme – wir adoptieren ein Kind.“
Ich seufzte, dann wurde ich wieder wütend. Ich war ein selbstsüchtiges Monster, das Bella alles Schöne in ihrem Leben nahm.
„Es ist nicht richtig! Ich will nicht, dass du Opfer für mich bringst. Ich will dir etwas geben, nicht dir etwas wegnehmen – schon gar nicht deine Zukunft. Wäre ich ein Mensch …“
Sie drückte mir eine Hand auf die Lippen, sodass ich nicht weitersprechen konnte.
„Du bist meine Zukunft.“, sagte sie zärtlich, dann wurde ihre Stimme gereizter. „Jetzt hör auf damit. Hier wird kein Trübsal geblasen, sonst rufe ich deine Brüder an und sage ihnen, sie sollen dich abholen. Vielleicht brauchst du doch einen Junggesellenabschied.“
Jetzt hatte ich sie auch noch wütend gemacht. Mein Blick wurde weicher.
„Entschuldige. Ich blase wirklich Trübsal, was? Das sind sicher die Nerven.“
„Hast du etwa kalte Füße?“, fragte sie.
„Nicht in diesem Sinn. Schließlich habe ich ein Jahrhundert darauf gewartet, dich zu heiraten, Miss Swan.“ Ich sah sie glückselig an. „Ich kann es gar nicht abwarten, bis …“
Ich stockte, ein spöttisches Lachen, das ich zu gut kannte, hatte mich unterbrochen. Bellas verwirrtem Blick nach zu urteilen, war es zu weit entfernt, um für ihre menschlichen Ohren hörbar zu sein.
„Komm, Jazz, wir holen ihn uns!“, raunte Emmett begeistert in der Ferne. Jasper kicherte.
„Oh, um Himmels willen!“, rief ich erschrocken. Warum war ich so dumm gewesen, nur eine Sekunde lang zu glauben, sie würden mich in Ruhe lassen? Ich seufzte.
„Was ist?“, fragte Bella.
°Ach, jetzt hör schon auf hier rumzuschleimen und sieh zu, dass du rauskommst.° Emmett ließ einen Lacher hören. Ich biss die Zähne zusammen.
„Du brauchst niemanden anzurufen. Offenbar haben Emmett und Jasper nicht vor, mich heute Abend davonkommen zu lassen.“, antwortete ich ihr.
Sie zog mich noch einmal an ihren Körper, dann ließ sie mich bedauernd los. Sie grinste mich leicht an. „Viel Spaß.“
Emmett kletterte die Hauswand hoch und erzeugte ein Quietschen, indem er mit seinen Fingernägeln über die offene Fensterscheibe kratzte. Bella bekam eine Gänsehaut und ich seufzte. Mein Bruder war so ein Kindskopf.
„Wenn du Edward nicht rausschickst“, zischte er Bella zu, „dann kommen wir rein und holen ihn!“
Bella lachte und auch Emmett grinste, als er einen Blick ins Zimmer warf. Bella konnte ihn wahrscheinlich immer noch nicht sehen, was ganz sicher auch seine Absicht war.
°Und du willst mir erzählen, dass du ihr nur beim Schlafen zusiehst.°, dachte Emmett und lachte kehlig, während er seinen Blick über mein T-Shirt am Boden und über Bellas Bett, auf dem wir beide lagen, wandern ließ.
„Geh“, lachte Bella. „Bevor sie das Haus zertrümmern.“
Ich verdrehte die Augen, bückte mich dann aber trotzdem nach meinem Oberteil und zog es mir mit einer Bewegung über. Dann drehte ich mich wieder in ihre Richtung, beugte mich über sie und gab ihr einen langen Kuss auf die Stirn.
Hmm … das würde ich heute Nacht ganz bestimmt vermissen.
„Schlaf jetzt. Morgen ist dein großes Tag.“, flüsterte ich in ihr Ohr und wich dann zurück, um sie betrachten. Sie sah ein wenig müde aus.
„Danke!“, erwiderte sie ironisch, „das macht mich bestimmt ruhiger!“ Sie sah tatsächlich erhitzter aus als sonst und auch das Pochen ihres Herzens ging schneller.
„Wir sehen uns vorm Altar.“
„Ich bin die im weißen Kleid.“ Sie lächelte und ich musste unwillkürlich lachen.
„Sehr überzeugend.“
Ich atmete noch ein letztes Mal ihren betörenden Duft ein, dann ging ich in die Hocke und konzentrierte mich auf die Gedanken meiner Brüder. Emmett stand direkt unter dem Fenster, Jasper ein paar Meter daneben. Perfekt.
Mit einer Geschwindigkeit, die nicht einmal Emmetts Vampirgehirn realisieren konnte, war ich aus dem Fenster gesprungen und landete eine Nanosekunde später direkt auf seinen breiten Schultern. Ich grinste, als er mit einem dumpfen Knall zu Boden ging. Im nächsten Moment hatte er mich abgeschüttelt und war wieder auf den Beinen.
„Du Mistkerl!“, fluchte er und ich betrachtete amüsiert sein Gesicht. „Warte nur, das werde ich dir heimzahlen!“ Und damit sprang er auf mich zu, doch da ich die Bewegung eine Sekunde früher in seinen Gedanken sah, hatte er keine Chance mich zu erwischen. Ich kicherte. Solche Spielchen mit Emmett machten am meisten Spaß. Egal wie oft ich ihm schon entwischte war, er würde niemals zugeben, dass ich schneller als er war. Einmal abgesehen von meiner Fähigkeit, Gedanken zu lesen. Er blitzte mich wütend an, doch ich wurde kurz abgelenkt, als ich Bellas Stimme aus ihrem Zimmer vernahm.
„Wehe, ihr bringt ihn zu spät zurück.“, murmelte sie leise. Ich lächelte, während ich meinem Lieblingsbruder, der wohl gedacht hatte, ich wäre zu abgelenkt, um seine Gedanken zu lesen, abermals auswich.
Jetzt war Jasper derjenige, der die Wand mit einer fließenden Bewegung hinaufsprang und vor Bellas Fenster erschien. Ich hörte, wie er ihr mit seiner sanftesten Stimme versicherte, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte. Und ich sah auch, dass er sie nicht nur mit seinen Worten zu beruhigen versuchte. Manchmal war ich Jasper wirklich dankbar.
Emmett schnaubte und verdrehte die Augen. Dann wandte er sich wieder mir zu.
„Komm schon, Edward! Schalte nur für eine Sekunde das Gedankending aus, damit wir fair kämpfen können.“
Ich grinste. „Erstens weißt du, dass ich das nicht kann und zweitens … ich bin trotzdem schneller als du.“
„Ha!“
Oben im Zimmer ging das Gespräch weiter.
„Jasper? Was machen Vampire beim Jungessellenabschied? Ihr geht doch nicht mit ihm in ein Striplokal, oder?“, hörte ich sie nervös fragen.
Ich lachte. Das wäre wirklich etwas Neues.
„Nichts verraten!“, knurrte Emmett, aber weiter kam er nicht, ich hatte die Ablenkung genutzt, ein Salto rückwärts zurückgelegt und ihn erneut angesprungen.
„Du bist und bleibst ein kleiner mieser Schummler!“, knurrte er mich an, als er sich aufsetzte.
Ich lachte wieder und sprang zurück, um ihm keine Chance zu geben, mich zu Hackfleisch zu verarbeiten.
„Keine Panik.“, sagte Jasper ruhig, „Wir Cullens haben unsere eigene Variante. Nur ein paar Pumas und ein oder zwei Grizzlybären. Also eigentlich eine ganz gewöhnliche Nacht auf der Piste.“
Bella bedankte sich und Jasper sprang zurück auf die Wiese. Er schaute einen Moment zwischen uns hin und her, dann lächelte er.
„Los geht‘s! Ich bin am Verdursten.“
„Könntet ihr mir erklären, warum wir auf die Jagd gehen, wenn ihr euch heute morgen doch schon sattgetrunken habt?“, fragte ich verwundert, während wir durch den Wald von Forks rasten.
°Weil wir wussten, dass du nicht genug kriegen kannst, haben wir uns was aufgehoben, Kleiner° Emmetts Gedankenstimme triefte vor Sarkasmus.
Jaspers Gedanken waren normal, wenn auch etwas verwirrend. Er dachte an eine kleine Bergschlucht, offenbar in Kanada, ganz in der Nähe von Vancouver, dann dachte er an Alice und ihre letzten gemeinsamen Stunden, bevor er sein Gesicht in meine Richtung drehte und mir antwortete.
„Wir sind heute morgen eigentlich größtenteils nicht Jagen gewesen, sondern haben den perfekten Ort für einen kleinen Abschiedssnack gesucht.“
Hm. Das erklärte dann auch den Durst in ihren Gedanken und Jaspers Worte vorhin.
Ich ärgerte mich kurz darüber, dass ich so unaufmerksam war – normalerweise war ich derjenige, dem nichts entging, was natürlich größtenteils an meiner Gabe lag, aber heute war es anders, mein Gehirn fokussierte sich auf ein paar andere Dinge, wie zum Beispiel das Gespräch, das ich vorhatte noch heute Nacht mit meinen beiden Brüdern zu führen.
Ein Gespräch, indem es hauptsächlich um unbezähmbare Vampirleidenschaft gehen sollte, und von dem ich keine Ahnung hatte, wie es ablaufen würde.
Ich war nervös.
Wie ein Teenagerjunge, der noch nicht seine Unschuld verloren hatte, und nun furchtbare Angst davor hatte, dachte ich ironisch.
Nun ja, in ein paar Hinsichten stimmte es wirklich … Zwar war ich inzwischen über hundert Jahre alt, wenn man die Tage ab meiner Verwandlung zählte, aber ich steckte in dem Körper eines Siebzehnjährigen, der zu seiner Zeit nicht im Entferntesten etwas mit der Liebe zutun gehabt hatte.
Ich versuchte den Gedanken abzuschütteln, um Emmett und Jasper nicht Verdacht schöpfen zu lassen.
„Danke, ihr beiden. Ich hoffe, es gibt ein paar Pumas dort oben in Kanada?“
Ich grinste, als ich als Antwort darauf in Emmetts Gedanken allerlei Wildtier, unter anderem extrem große Grizzlybären, in der Schlucht sah, die ich auch gerade in Jaspers Gedanken gesehen hatte.
„Worauf du Gift nehmen kannst. Ich habe mir heute morgen einen Grizzlybären gegönnt, und er war so stark, dass man es fast einen Kampf nennen konnte.“
Er kicherte.
Jasper verdrehte die Augen.
„Edward, wir wollten dir heute ein Geschenk machen, weil wir uns ab morgen wahrscheinlich … eine Weile nicht mehr sehen werden.“
Er wusste Bescheid, Alice hatte ihm von Esmes Insel erzählt. Er dachte kurz daran, dann nahmen seine Gedanken einen verwirrten Ton an. Er fragte sich, wozu wir die Flitterwochen dort verbringen würden, und ob ich vorhatte, Bella dort zu verwandeln.
Dann hatte Alice ihm wohl doch nicht alles erzählt. Ich wusste nicht, ob ich froh darüber sein sollte oder nicht. Das bedeutete auf jeden Fall, dass ich ihnen beiden noch davon erzählen musste, um mir ihre Meinung anzuhören.
Emmett war jetzt auch verwirrt. „Wie meinst du das, Jazz, wieso werden wir uns nicht sehen?“
Er wandte sich mir zu. „Ich dachte, nach der Hochzeit wirst du Bella verwandeln? Das macht ihr doch hier, oder?“
Ich seufzte. Unser Gespräch war viel schneller, als ich geplant hatte zu diesem Punkt angelangt.
„Nein, Em, wir werden danach erst für eine Weile in den Urlaub fahren.“
Ich vermied absichtlich das Wort ‚Flitterwochen‘.
°Warum das denn?° Jetzt war er noch verwirrter.
„Wohin geht‘s?“, fragte er aber nur.
„Esmes Insel. Du weißt doch, die, die ihr Carlisle zu ihrem Hundertjährigem geschenkt hat.“, erklärte ich und hoffte inständig, er würde das Thema jetzt fallen lassen.
Er sah mich mit gerunzelter Stirn an, durch seinen Kopf rasten mehrere Fragen.
Zu meiner größten Überraschung zuckte er aber dann mit den Schultern.
Wahrscheinlich hatte Jasper ihm eingeprägt, er solle sich heute Abend ein wenig zurückhalten, da es mein Jungessellenabschied war.
Na ja, das war zwar nett, würde aber trotzdem nicht verhindern können, dass ich später mit meinen Brüdern über das besagte Thema reden musste.
Jasper warf mir einen kurzen Blick zu, während wir weiterrannten. Er spürte meine gemischten Gefühle und wunderte sich, sagte aber zu meiner Erleichterung auch nichts.
Wir waren jetzt in der Nähe des Wolf-Territoriums, liefen dann aber in Richtung Norden weiter. Die ganze Gegend war menschenleer, nur ab und zu kam uns im Wald ein Reh entgegen. Wir nahmen alle keine Notiz davon, unser Ziel war immer noch die Schlucht mit den Fleischfressern.
Ich war zwar nicht durstig, aber Emmett und Jasper hatten sich die Mühe gemacht, also würde ich ihnen jetzt auch den Gefallen tun und mich darüber freuen.
Wir liefen über Bäume, Steine und Pflanzen, während sich der Himmel immer weiter verdunkelte, was natürlich keinerlei Auswirkung auf unsere perfekte Sicht hatte.
Die Sterne leuchteten jetzt hell am Himmel und meine Gedanken wanderten automatisch zu Bella.
Meine Brüder verhielten sich genauso still, auch sie dachten über ihre jeweilige Geliebte nach. Jaspers Gedanken waren voller Liebe, er vermisste Alice, obwohl er sie vor einer Stunde gesehen hatte.
Ich konnte es ihm genau nachfühlen, auch ich fühlte mich etwas einsam und fragte mich, ob Bella gerade jetzt von mir träumte.
Emmetts Gedanken an Rose führten in eine andere Richtung. Eine Richtung, in die ich nicht denken wollte, wenn ich nicht wieder den Verstand verlieren wollte.
Emmett sah meinen leicht gequälten Gesichtsausdruck und grinste.
°Hör weg, wenn dir schon beim Gedanken daran schlecht wird, Bruderherz. Du wirst es mir bald nachempfinden können ...°
Er lachte kurz auf stieß mir in die Rippen.
„Ich frag mich wirklich, wie du es so lange Zeit ohne ausgehalten hast. Ich wäre schon längst verrückt geworden.“, sagte er anzüglich grinsend.
Jasper verdrehte wieder die Augen, er wusste natürlich, um was es ging.
Ich schnappte mir Emmetts Kopf für eine Sekunde, nahm ihn in den Schwitzkasten und wuschelte ihm über die Haare. Knurrend befreite er sich und ich lachte.
Ich wollte mir auf keinen Fall anmerken lassen, wie sehr er Recht hatte. Ich war gerade dabei, verrückt zu werden, wenn ich daran dachte.
Wir waren gerade über die kanadische Grenze gekommen, als Emmett es nicht mehr aushielt.
„Edward?“ Ich wusste natürlich, was er fragen wollte.
Jasper warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu und ich sah in seinem Kopf, dass sie schon ausgiebig über das Thema diskutiert hatten. Ich stöhnte innerlich. Es war wahrscheinlich die Zeit gekommen, die beiden einzuweihen.
„Was gibt es, Emmett?“, fragte ich; ein - zugegeben - erbärmlicher Versuch, das Gespräch noch ein bisschen hinauszuzögern. Wir waren schließlich noch die ganze Nacht zusammen unterwegs.
Emmett verdrehte die Augen. „Warum dieser Aufschub, Kleiner, wenn ihr doch sowieso keine richtigen Flitterwochen haben könnt? Hat Bella sich das mit der Verwandlung anders überlegt?“
Jetzt waren seine Gedanken besorgt, ich wusste, Emmett war besorgt um mich, er hatte Angst, dass ich noch einmal etwas wie … damals durchmachen musste. Er mochte zwar kindisch sein und manch ernste Situationen und Handlungen meinerseits nicht verstehen, aber ihm lag doch so viel an mir, dass er mich glücklich sehen wollte.
Außerdem war Verlass auf ihn, das wusste ich. Er hatte mich am Anfang zwar für einen Wahnsinnigen gehalten, als die Geschichte mit Bella begann– was eigentlich auch gar nicht so abwegig war –, aber jetzt hatte er sie auch ins Herz geschlossen und gönnte mir mein Glück. Das alles waren Gründe, warum er der beste Bruder war, den ich bekommen konnte.
Ich seufzte diesmal laut. „Das ist eine Sache, über die ich noch mit euch reden wollte.“
Jasper sah mich jetzt auch neugierig an. Er fühlte mit seiner Gabe, wie nervös ich war, ich sah es in seinen Gedanken.
„Ich habe Bella versprochen, dass wir richtige Flitterwochen haben werden.“
Ich machte eine Pause, um sie diese Nachricht verarbeiten zu lassen.
Emmett kicherte, er hatte nicht begriffen, wie ich es meinte.
Jasper aber starrte mich ausdruckslos an, seine Gedanken waren verblüfft. Er setzte alles zusammen, was er auch von Alice erfahren hatte und merkte, wie es passte. Nach seiner Verblüffung kam der Schock, als er sich das, was ich beschrieb, vorstellte.
Ich schauderte kurz, dann hatte ich mich wieder im Griff und blickte nach vorne.
„Ich meine, solange sie noch ein Mensch ist.“, erklärte ich für Emmett und drehte mich nun doch zu ihm, um seine Reaktion zu beobachten.
Sein Lachen gefror und für einen Augenblick starrte er mich fassungslos an; er war stehen geblieben.
Eine Sekunde später hatte er sich wieder unter Kontrolle, gab sich einen Ruck und rannte mit uns weiter.
°Ist er wahnsinnig geworden?°
Dann : „Hmm, also weißt du, ich glaub so ganz überrascht bin ich nicht. Ich wusste schon immer, dass du verrückt bist.“ Er lachte.
Jasper starrte mich immer noch an.
„Edward, ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.“
„Ich weiß, Jasper, glaub mir, ich weiß, wie dumm es von mir war, dem zuzustimmen.“, antwortete ich gequält.
Das hier war der perfekte Beweis, dass es falsch war. Meine Brüder kannten diese Leidenschaft ganz genau, auch wenn sie nicht wussten, wie es mit einem Menschen war.
Emmett runzelte die Stirn.
„Ich weiß nicht. Haben wir dich nicht auch für verrückt erklärt, als du dich in sie verliebt hast? Und hast du uns nicht bewiesen, dass du nicht die normalen Kriterien erfüllst?“ Er kicherte, wurde dann aber wieder ernst. „Keiner von uns hätte es geschafft mit einem Menschenmädchen zusammen zu sein, Edward. Ich glaub, du könntest es schaffen. Du hast doch eine abnormale Selbstbeherrschung, oder?“
„Emmett, das hier ist was anderes. Ich weiß nicht wie es für mich sein wird. Ich weiß nicht, was ich zu erwarten habe.“
Er lachte jetzt wieder dröhnend. „Nun, das kann ich dir sagen, Bruder.“
Er dachte wieder an Rosalie und ich schüttelte angewidert den Kopf.
„Könntest du mir die Einzelheiten bitte ersparen, Em?“
Er lachte lauter. „Es ist unvergleichbar, Kleiner. Das einzige auf der Welt, das noch besser ist, ist menschliches Blut. Und du hast doch schon von ihrem probiert, oder?“
Er zuckte mit den Schultern, als wäre die Sache damit erledigt und ich musste zugeben, dass er Recht hatte.
Ich hatte Bellas Blut geschmeckt, und war nicht wahnsinnig geworden, ich hatte aufhören können.
Weil meine Liebe zu ihr stärker war.
Jasper blickte mich ernst an. „Du darfst das nicht unterschätzen. Ich weiß, dass du vieles ausgehalten hast, was keiner von uns beiden geschafft hätte.“ Er dachte an Bellas achtzehnten Geburtstag und ich schauderte schon wieder.
„Aber du musst vorsichtig sein. Emmett hat Recht, es ist das Stärkste, das Unseresgleichen empfinden kann, nur übertroffen von dem Geschmack menschlichen Bluts.“
In meinem Kopf herrschte jetzt wieder ein Durcheinander. Ich hatte tausende Gründe, um es nicht zu tun. Da war zum einen das Risiko, die Ungewissheit und meine Leidenschaft, wenn ich mit Bella zusammen war. Ich hatte gedacht, dass das Gespräch mit meinen Brüdern mir weiterhelfen würde.
Doch ich war nun genauso verwirrt und panisch wie zuvor.
Im nächsten Moment spürte ich, wie ich ganz ruhig wurde. Ich funkelte Jasper an.
Aber seine Gedanken waren jetzt nicht mehr geschockt.
„Alice hat nicht gesehen, dass du sie verletzt, oder?“
Ich schüttelte stumm den Kopf.
„Und ich muss Emmett schon wieder Recht geben.“ Er grinste ihm zu. „Du bist anders als wir alle zusammen. Ich bezweifle, dass es etwas gibt, das man mit Bella und dir vergleichen könnte. Ich glaube mit genügend Konzentration, könntest du es schaffen, so wie Alice es vorhergesehen hat.“
Eine Weile rannten wir leise weiter.
Ich dachte über das nach, was die beiden mir gesagt hatten, aber ich konnte auch nicht ihre anfängliche Reaktion vergessen. Sie waren äußerst geschockt gewesen, genau wie ich es gewesen war.
Aber wenn es wirklich die Wahrheit war, wenn menschliches Blut sie beide wahnsinniger machte, dann brauchte ich mir keine Sorgen zu machen.
Ich war jetzt viel erfahrener als damals, der Geruch von Bellas Blut machte mir so gut wie nichts mehr aus.
Ja, selbst der Geschmack nicht. Es war natürlich trotzdem das Köstlichste, was ich je gekostet hatte, aber es brachte mich nicht um meine Beherrschung.
Ich konnte es aushalten.
Freude durchfuhr mich und diesmal musste Jasper nicht nachhelfen.
~ ~ ~
Als wir immer näher an die besagte Schlucht kamen, wurde ich optimistischer.
Wir planten unsere Aufgaben für morgen früh, die uns hauptsächlich von Esme und Alice aufgetragen worden waren, und es machte mir Spaß, mit den beiden zusammen zu sein, obwohl ich Bella vermisste.
Jasper würde Renée und Phil morgen früh vom Flughafen in Seattle abholen und Emmett sollte sich um mich und natürlich um das Hochzeitsauto kümmern.
Und ich … ich würde meinen Gedanken nachhängen, die ausschließlich um meine Verlobte kreisten.
Ich fing an, die Pumas zu riechen, also waren wir fast an unserem Ziel. Jetzt lief mir wider Willen doch das Wasser im Munde zusammen – oder besser gesagt das Gift. Es waren außergewöhnlich große Tiere, das musste ich zugeben, als ich sie in Emmetts Gedanken sah.
Außerdem hatte ich nichts gegen eine weitere Sicherheitsvorkehrung einzuwenden, die das Risiko verkleinerte, dass ich Bella in unseren Flitterwochen verletzen würde.
Ich lächelte zufrieden in mich hinein, Emmett entging es nicht.
„Na, schon aufgeregt?“ °Ich meine, bist du dir sicher wie das funktioniert, bei einer … wie soll ich sagen … körperlichen Verbindung?° Er amüsierte sich köstlich über seinen eigenen Witz, während ich die Augen verdrehte.
„Halt die Klappe, Emmett.“, sagte ich, aber ich musste trotzdem lachen. Er hatte ja irgendwie Recht. Ich hatte tausende Filme und Theaterstücke gesehen, hatte unzählige Bücher darüber gelesen und es unendlich Male in den Gedanken von Menschen und Vampiren gesehen und es unfreiwillig mitempfinden, in wenigen Fällen – wenn ich sehr viel Pech hatte und zufällig alleine mit Emmett und Rose zu Hause war – auch miterleben müssen.
Theoretisch wusste ich es natürlich, aber ich hatte keinerlei praktische Erfahrung. Nicht dass ich diese Tatsache bereute, im Gegenteil, ich wollte diese Erfahrung mit niemand anderem als Bella teilen, aber abgesehen von der Angst, sie zu verletzen, war da auch meine Unsicherheit.
Ein unsicherer Vampir. Zum Glück konnte Emmett nicht meine Gedanken lesen.
Aber Bella hatte von Anfang an Gefühle in mir hervorgerufen, die mir ganz und gar menschlich und fremd erschienen und darüber war ich sehr froh. Sie war das einzige Wesen auf dieser Erde, das mich in einen Vampir mit menschlichen Gefühlen verwandeln konnte. Menschliche Gefühle im übertragenem Sinne, denn ich empfand natürlich jedes Gefühl hundertmal stärker als ein Mensch.
Sie sorgte dafür, dass das Monster in mir sich in den hintersten Winkel vergrub und mich ICH sein ließ.
Die Nacht veränderte sich. Die Sterne blitzten immer heller am Himmel und der fast volle Mond tauchte das Gebirge, in dem wir uns nun befanden, in silbernes Licht.
Ich ertappte mich bei dem Wunsch, diesen Augenblick mit Bella zu teilen.
Ich wollte, dass sie diese Magie in der Nacht spürte und dass sie mir mit ihrer Magie den Atem raubte.
Mein Mund verzog sich zu einem glückseligen Lächeln, als ich daran dachte, dass es nicht mehr lange dauerte, bis mein Wunsch sich in Realität verwandeln würde.
Ich erinnerte mich an eine Vision, die Alice vor kurzem gehabt hatte.
Es war die Art von verbotene Vision, die Bella und mich als zwei Unsterbliche zeigten.
Am Anfang unserer Beziehung hatte ich wütend auf solche Bilder in Alice‘ Gedanken reagiert, doch jetzt musste ich zugeben, dass sie auch ihren Reiz hatten.
Wir rannten Hand in Hand durch einen Wald, beide mit unmenschlicher Geschwindigkeit.
Uns standen so viele Möglichkeiten offen …
°Wach auf, du liebeskranker Trottel, wir sind da.°
Ein Grinsen huschte über mein Gesicht. Natürlich war auch Emmett mein zufriedener Gesichtsausdruck nicht entgangen.
Ich sah mich um. Er hatte Recht, die erste Raubkatze hatte sich schon in unsere Nähe verirrt.
Meine Brüder schlossen fast zeitgleich die Augen, sie waren zu durstig, um länger zu warten und ließen sich jetzt ganz von ihrem Jagdinstinkt führen.
Ich dachte ein letztes Mal an die verlockende Vision, dann tat ich es ihnen gleich und konzentrierte mich auf den Geruch der Tiere, die heute Nacht unserer Ernährung dienen würden.
Ich beendete meine Nahrungsaufnahme nach zwei Pumas, während Emmett und Jasper noch beschäftigt waren.
Dann sprang ich dem nächstbesten Felsen entgegen und setzte mich, mehr aus Gewohnheit als aus Notwendigkeit, darauf.
Das hier war meine letzte Jagd, bevor ich den nächsten gefährlichen Schritt mit Bella wagen würde. Ich fühlte mich satt und war mir sicher, dass ich im Moment absolut zurechnungsfähig war, was zumindest ihr Blut anging.
Als ich zum ersten Mal ohne Furcht an unsere Hochzeitsnacht dachte, fing ein unglaubliches Verlangen an, in mir zu brennen.
Plötzlich fragte ich mich, warum ich hier war, wenn ich jetzt auch bei Bella im Bett liegen konnte … Natürlich nur neben ihr, verbesserte ich mich schnell, bevor mein verbotener Gedanke Gestalt annehmen konnte.
Ich grub meine Fingernägel in den harten Stein, der daraufhin sofort bröckelte.
Meine Leidenschaft und meine Sehnsucht nach ihr waren unerträglich.
Zum Glück kam in diesem Moment Emmett mit zufriedenem Grinsen angerannt und lenkte mich mit seinen Gedanken an sein kürzliches Opfer, einen gigantischen Bären, ab.
„Der letzte war riesig und besonders reizbar.“, lachte er.
Ich musste auch lachen. So leicht konnte man Emmett glücklich machen. Ich hatte mir früher gewünscht, ich würde das Leben auch so einfach wie er nehmen. Als er auf Rosalies Bitte hin von Carlisle verwandelt wurde, hatte er nicht eine Sekunde mit Selbstzweifeln oder gar Hass auf das, was er geworden war, verschwendet. Er war ein Vampir, also machte er das Beste daraus, das war seine Einstellung. Mit Rose war er mehr als glücklich, auch wenn er wusste, dass sie alles dafür geben würde, ein Mensch zu sein. Er liebte sie bedingungslos, trotz ihrer Arroganz, was meiner Meinung nach schon bewundernswert war.
In den letzten Monaten war es nicht so schlimm mit ihr gewesen, ich fing sogar an, sie manchmal zu mögen, aber es war mir trotzdem unmöglich, zu verstehen, wie man nur so selbstverliebt sein konnte.
Emmett setzte sich neben mich und legte mir eine Hand auf die Schulter.
°Ich hab das ernst gemeint vorhin, das weißt du. Du wirst das schaffen. Ich halte dich zwar immer noch für verrückt, aber ich mag Bella.° Er lachte. °Ich glaube, dass ihr beide das hinkriegt, Edward. Denk doch mal nach. Ihr werdet in ein paar Stunden heiraten! Ein Mensch und ein Vampir!° Er grinste mich an.
Ich konnte nicht anders, ich musste sein Grinsen erwidern. Es war ansteckend.
„Danke, Emmett. Auch dafür, dass ihr mich hierher gebracht habt, das hat sich wirklich gelohnt.“ Ich lächelte halbherzig.
Der erste Teil war nicht ganz wahr, ich wäre natürlich viel lieber an einem anderen Ort gewesen … aber die beiden hatten sich meinetwegen viel Mühe gemacht und da wollte ich kein Spielverderber sein.
„Gern geschehen.“, sagte er. °Du Heuchler! Als ob ich nicht wüsste, dass du viel lieber bei ihr wärst.°, setzte er dann aber in Gedanken nach.
Ich lachte. Manchmal war selbst ich, der stille Gedankenleser, einfach zu durchschauen.
Nachdem ein paar Sekunden verstrichen waren, kam Jasper zurück zu uns und wir standen auf, um uns auf den Rückweg zu machen.
Emmett aber blieb kurz stehen und sah ihn an. Ich las verwundert seine Gedanken.
„Jazz, glaubst du wir könnten … –“
„ … nochmal bei Bella vorbeischauen, bevor wir nach Hause gehen und uns den Hochzeitsvorbereitungen widmen? Sicher.“ Er lachte in sich hinein.
„Ich glaub sonst dreht er noch durch!“, kicherte Emmett und sie grinsten sich an, als wäre ich überhaupt nicht anwesend.
„Ihr müsst nicht extra …“, versuchte ich ihnen klarzumachen, aber sie unterbrachen mich.
„Es ist kein allzu großer Umweg.“
„Außerdem ist das dein Junggesellenabschied, da solltest du wenigstens ein bisschen Spaß haben.“
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. War es wirklich so offensichtlich, wie sehr ich mich nach Bella sehnte? Ich hatte doch versucht, mich zurückzuhalten …
„Bin ich so leicht zu durchschauen?“, fragte ich.
„Ich kann auch später alleine zu ihr gehen, so dass ihr nach Hause könntet.“, fuhr ich fort. „Ich will euch nicht zwanghaft herumschleppen.“
In Wahrheit wollte ich natürlich lieber mit Bella alleine sein.
„Kommt nicht in Frage“, grinste Emmett. „Wir haben Alice eigentlich versprochen, dass wir dich danach sofort nach Hause bringen.“
Auch Jasper lächelte. „Keine Sorge, sie wird nichts erfahren. Aber wir müssen uns beeilen.“
Ich stöhnte ergeben. Wenigstens konnte ich sie noch einmal sehen, bevor wir wieder nach Hause gingen.
Wie aufs Stichwort spannten wir alle gleichzeitig unsere Muskeln und rannten los.
Es war früher Morgen, die Sonne war noch nicht aufgegangen, also hatten wir genügend Zeit, um zurückzukehren.
Ich musste mir eingestehen, dass es Spaß gemacht hatte und jetzt erfreute mich die Tatsache, dass ich noch einmal zu meiner Liebsten durfte.
Ich lächelte, wie immer bei dem Gedanken an Bella, und dankte dem Himmel für zwei so aufmerksame Brüder.
3. Nightmare & wedding preparations
„Geh schon rein, wir hören auch weg.“, lachte Emmett.
Wir standen wieder einmal unter Bellas Fenster und ich konnte es kaum erwarten sie zu sehen.
Ihr Herz raste seltsamerweise und das irritierte mich.
Sie war nicht wach, das hörte ich an ihren Atemzügen.
Vielleicht träumte sie etwas Aufregendes.
Jasper sah meinen Blick und konzentrierte sich auf ihre Gefühle.
Er konnte auch die Stimmung eines Menschens erfassen, wenn dieser sich im Traumzustand befand.
Ich sah Gefühle in Jaspers Gedanken, die mir Sorgen bereiteten.
Neugierde. Angst. Besorgnis. Liebe … und wieder Angst.
Von was träumte sie nur?
Ich sprang durchs Fenster und neben ihr Bett.
Sie sah aus wie immer, ein kleiner Engel in Menschengestalt, eingerollt auf ihrem Bett.
Mein totes Herz wurde warm, in dem Moment, da meine Augen sie erblickten.
Das Kissen und die dünne Decke lagen mehrere Meter neben dem Bett. Sie hatte wohl sehr lebhaft geträumt, dachte ich zärtlich lächelnd und schnappte mir die Sachen.
Ich beugte mich über ihren zarten Körper und hob vorsichtig ihren Kopf an, um das Kissen darunter zu platzieren.
Sie zuckte auf der Stelle zusammen und ich verfluchte mich schon selbst in Gedanken, aber sie war nicht aufgewacht.
Die kleine Falte auf ihrer Stirn erschien und vertiefte sich.
„Bitte … tut ihm nicht weh … bitte. Nicht …“, stöhnte sie und verzog das Gesicht panisch.
Sorgfältig deckte ich sie zu, während meine Besorgnis immer heftiger wurde.
Was träumte sie?
Es gab für mich nichts Schlimmeres, als zu sehen, wie ihr etwas wehtat. Selbst wenn es nur im Traum geschah. Schmerz fuhr durch meine Glieder.
Es machte mich rasend, dass ich ihr nicht helfen konnte. Am liebsten hätte ich mich jetzt zu ihr gelegt und hätte sie fest in den Arm genommen, doch ich wurde mir in diesem Moment der Anwesenheit meiner Brüder bewusst, die ungeduldig draußen warteten.
Aber ich konnte sie jetzt auch nicht einfach alleine lassen.
„Es ist alles gut.“, flüsterte ich überflüssigerweise, sie konnte mich im Schlaf sowieso nicht hören.
Emmett schnaubte unten.
°Ach du meine Güte, jetzt übertreib mal nicht.°
Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie er jetzt die Augen verdrehte.
°Es ist nur ein Traum, Edward.° , dachte Jasper. Er fühlte meinen Schmerz und konnte erraten, dass es mit Bellas besorgniserregendem Traum zusammenhing.
Ich ignorierte sie, strich dann aber trotzdem zum Abschied über Bellas Gesicht.
Ein bedauerndes Seufzen entwich meinen Lippen, als ich mit ihnen über ihr Haar fuhr und den Duft inhalierte.
„Ich liebe dich.“, murmelte ich und setzte schon zum Sprung aus dem Fenster an, als sich ihr Gesicht kurz entspannte und für den Bruchteil einer Sekunde ein Lächeln über ihre Lippen glitt.
„Ich liebe dich.“, seufzte sie.
Augenblicklich erstarrte ich und das quälende Gefühl von Hilflosigkeit wurde von unbeschreiblichem Glück ersetzt.
Ich hörte Emmetts Kichern. „Wenn ihr euch noch ein paar Stunden mit den Liebesschwüren geduldet, könnt ihr es auch in der Öffentlichkeit vor dem Altar tun.“
Ich grinste und ließ mich nach einem letzten ausgiebigen Blick auf das Mädchen meiner wahrgewordenen Träume aus dem Fenster fallen, wo Emmett und Jasper – wie schon vorhergesehen – ungeduldig auf mich warteten.
Als wir schon im Wald angekommen waren, nahm ich etwas in Jaspers Gedanken wahr, das mich fast wieder umdrehen lassen hätte.
Ich sah, wie er versuchte, Bellas plötzlich zurückkehrende Panik mit seiner Gabe zu besänftigen.
Sie fürchtete sich erneut vor irgendetwas – oder irgendjemandem –, das sie in ihrem Traum nicht in Ruhe ließ. Ich schluckte und versuchte mich wieder zu beruhigen.
Jasper hatte Recht : Es war nur ein Traum. Ich reagierte über.
„Bitte nicht …“ Ihre Stimme klang in der Ferne so verletzlich, so ängstlich und schutzlos, dass ich nicht anders konnte.
Ich drehte mich mit einer abrupten Bewegung in die entgegengesetzte Richtung und eine Sekunde später war ich wieder neben ihrem Bett und streichelte sie.
Die ärgerlichen Proteste meiner Brüder waren für diesen Moment nichts weiter als ein unangenehmes Hintergrundgeräusch, das ich sofort ausblendete.
Mein Engel brauchte mich, also würde ich nicht von ihrer Seite weichen.
„Ich lasse nicht zu, dass dir etwas geschieht. Niemand wird dir wehtun. Ich verspreche es …“, flüsterte ich immer wieder und versuchte damit auch meine Panik zu ersticken.
„Niemand, Bella. Ich schwöre es dir. Du brauchst keine Angst zu haben. Ich bin bei dir.“
Ich würde alles tun, damit ihr Albtraum ein Ende hatte.
Minuten verstrichen, während ihr Herz immer schneller raste. Je mehr ihr Gesicht von Sorge verzerrt wurde, desto mehr fühlte ich mich, als würde etwas in mir zerreißen und ich konnte nichts dagegen tun.
So wie sie sich zusammenrollte und zitterte, erinnerte mich diese schmerzhafte Szene unweigerlich an die Monate, als ich wieder zurückgekehrt war. Nur, dass sie im Moment noch nicht schrie, wie damals … Ich zuckte zusammen und wand mich vor Qualen.
Vielleicht träumte sie wieder davon, dass ich sie verließ. Vielleicht bat sie mich erneut, zu bleiben … Ich unterdrückte gerade noch einen Schluchtzer, als ich so zärtlich wie möglich ihre kleine Hand in meine nahm.
Ich liebte sie so sehr.
Tut ihm nicht weh, hatte sie gefleht.
Wen meinte sie? Erinnerte sie sich an den Tag in Volterra, als Jane mich mit ihrer Gabe gefoltert hatte?
Hatte sie Angst um mich?
Es schien mir so ungerecht. Ich hatte diesem wunderbaren Mädchen so wehgetan und sie hätte ihr Leben geopfert, um mich zu beschützen.
Sie wollte mich beschützen.
Der kleine zerbrechliche Mensch den starken unzerstörbaren Vampir …
Es war so verkehrt und falsch … und so sehr Bella.
Ihre kleine Hand regte sich kurz in meiner, drückte sanft dagegen. Ich wünschte mir so sehr, ihr helfen zu können, alle Lasten von ihren verletzlichen Schultern zu nehmen.
„Edward.“
Erschrocken fuhr ich herum. Es war nicht Bella, die meinen Namen ausgesprochen hatte.
Alice sprang leichtfüßig in das Zimmer und mir fiel auf, dass es ziemlich ruhig um das Haus herum geworden war.
Ich konnte Emmetts und Jaspers Gedanken nicht mehr ausfindig machen. Wann waren sie gegangen?
Sie sah mich mit gerunzelter Stirn an.
„Emmett und Jasper haben mich im Wald getroffen und hierher geschickt. Sie verzweifeln offenbar mit dir.“ Sie lächelte leicht.
Ich sah sie wortlos an, während ich in ihren Gedanken die Vision sah, die sie vor wenigen Minuten gesehen hatte.
Ich sah mich zitternd auf den Knien, wie ich Bellas Hand hielt und meine Augen sich veränderten, während ich tränenlos weinte.
Ich zuckte erneut zusammen.
Sie kam auf mich zu, setze sich neben mich auf den Boden und nahm meine freie Hand.
„Edward, deine Reaktion ist völlig unangemessen. Bella ist ein Mensch und da träumt man nun manchmal etwas Schlechtes.“, sagte sie mit so leiser Stimme, dass Bella unmöglich davon aufgewacht wäre.
Ich schüttelte den Kopf. „Es ist die letzte Nacht vor unserer Hochzeit und das, was ich ihr angetan habe tut ihr immer noch so weh … Ich hasse mich dafür.“
„Hör sofort auf damit. Du weißt genau so wenig wie ich, um was es in ihrem Albtraum geht.“ Ihre Stimme wurde zornig und sie sprach schneller.
„Du hast ganz Recht, Edward, es ist die letzte Nacht vor eurer Hochzeit und da wirst du nicht in Panik geraten, nur weil Bella etwas Schlechtes träumt. Du bist mein Lieblingsbruder und sie ist meine beste Freundin, und ich will für euch beide nur das Beste.“ Sie funkelte mich böse an.
„Und das Beste wäre jetzt, ihr Zimmer zu verlassen und sie noch ein, zwei Stunden schlafen lassen.“
Ich seufzte, aber sie war noch nicht fertig.
„Die Hochzeit soll für euch beide der schönste Tag überhaupt sein und ich werde nicht zulassen, dass du diesen Tag mit etwas derartig Belanglosem zerstörst. Du wirst ihr gegenüber nichts hiervon erwähnen. Es ist ihre Sache, was sie träumt.“
Sie schaute mich etwas versöhnlicher an und ich nickte langsam.
Sie hatte Recht.
Sie zeigte mir in Gedanken eine Vision, wie die ganzen Gäste in unserem geschmückten Haus standen … zögerliche Schritte kamen den Gang entlang, Charlie bog um die Ecke und -
°Vergiss es! Du wirst sie erst vor dem Altar im Hochzeitskleid sehen!°
Sie dachte an die Dekoration, um mich den Rest der wundervollen Vision nicht sehen zu lassen.
Ich lächelte. Meine Gedanken waren jetzt – wie zweifellos von Alice beabsichtigt – ganz bei unserer Hochzeit und Bella im Hochzeitskleid …
Meine Schwester stand auf und zog mich mit sich.
Bellas Atem ging gleichmäßiger und ich ließ bedauernd ihre Hand los. Sie brauchte wirklich noch ein bisschen Schlaf, auch wenn sie schlecht träumte. Sie sollte ausgeruht sein.
„Ach Alice … was wäre ich nur ohne dich?“, fragte ich, als wir Bellas Zimmer auf dem gewohnten Weg durchs Fenster verließen.
„Vermutlich ein verrücktes Nervenbündel, das nicht weiß, wohin mit seinen übertriebenen Gefühlen.“, antwortete sie mir und lachte.
°Versuch dich ein wenig zu entspannen, Edward. Ich weiß, es liegt in deiner Natur, dir ständig Sorgen um Bella zu machen, aber dieses Mal ist es wirklich unnötig.°
Zum dritten Mal in dieser Nacht lief ich nun mit Alice an meiner Seite in den Wald, der fast unmittelbar hinter Bellas Haus begann.
Solange wir uns noch in Reichweite des Hauses befanden, versuchte ich mich als Ablenkung auf Charlies Gedanken zu konzentrieren, um nicht wieder in Versuchung zu geraten und zurückzulaufen.
Er schlief nicht mehr, ich hörte, wie er sich in seinem Bett hin und herbewegte.
In seinem Kopf herrschte ein für ihn untypisches Durcheinander.
Die stärkste Empfindung, die ich darin sah, war die grenzenlose Liebe zu seiner Tochter und seine Trauer darüber, dass sie wegging.
Dann war da noch der Widerstand gegen mich.
Zwar war Charlie fast vollständig davon überzeugt, dass ich Bella liebte, aber trotzdem gab es noch einen Teil in ihm, der sich nicht ganz mit dem Gedanken anfreunden konnte, mich als Schwiegersohn zu haben.
Darüber hinaus war er immer noch ein wenig sauer auf Renée, da sie Bella überhaupt keine Vorwürfe gemacht hatte, und außerdem war es seltsam für ihn, sie wieder zu sehen, noch dazu mit Phil.
Manchmal war ich überrascht, wie gut Charlie seine Gefühle verbergen konnte.
Für Menschen und auch für Vampire, die nicht im Besitz meiner Gabe waren , war es fast unmöglich, seine wahren Empfindungen zu entschlüsseln.
Ich lächelte. Ich wusste nur zu gut, dass diese Eigenschaft direkt von ihm weitervererbt worden war.
Alice besah mich mit einem selbstgefälligem Blick.
°Na siehst du. Es geht doch auch ohne Panik.°
Ich lächelte ihr zu, mir war es gelungen nicht wieder verrückt zu werden.
Obwohl ich mich natürlich immer noch fragte, ob es Bella gut ging …
Ich würde immer mit einem Teil meiner Gedanken bei ihr sein, egal, wie sehr ich von anderen Dingen abgelenkt wurde.
Sie war der Mittelpunkt meiner Existenz.
Wir waren kurz vor unserem Haus, als Alice stehen blieb.
„Ich gehe in einer Stunde zu ihr und bringe sie hier her. Sieh zu, dass du mit Jazz und Emmett verschwindest. Ich will heute keine Widerrede.“, sagte sie streng.
Die Aussicht, in Alice‘ Vorbereitungen hineinzuplatzen, oder wenigstens nur einen kurzen Blick auf die Braut werfen zu können, war äußerst verlockend, aber ich wollte an einem Tag wie diesem keinen Mord der Brautjungfer am Bräutigam heraufbeschwören.
Ich grinste.
°Ihr werdet mir fehlen …°
Sie seufzte und ich nahm sie lächelnd in den Arm und drückte sie kurz.
„Du uns auch. Und ich bin sicher, dass dieser Tag großartig wird. Danke, Alice.“
Sie strahlte mich vergnügt an und trat einen Schritt zurück, um mich kritisch zu mustern.
°Gern geschehen. Ich bin gespannt, wie du das hier finden wirst.°
Sie deutete mit einer Hand auf das Haus, das über und über mit Lichtern und Satinschleifen dekoriert worden war.
Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie es im Inneren unseres Hauses aussah.
Ein Duft von Blumen, der meine Gedanken sofort in Richtung wunderschönes, zerbrechliches Mädchen führte, wehte zu uns herüber.
Ich nahm das Aroma von Freesien, Rosen , Flieder und Orangenblüten wahr.
Im Vergleich zu Bella roch es ziemlich unscheinbar, aber für mich bestand trotzdem kein Zweifel, wovon sich Alice bei den Duftnoten hatte inspirieren lassen.
Ich war mir sicher, dass auch den schwachen Sinnesorganen der menschlichen Gäste nicht entgehen würde, wie gut es hier roch.
„Gute Arbeit, Schwesterherz.“, grinste ich.
°Warte nur, bis du drinnen bist!°, dachte Alice und schob mich eifrig weiter.
Ich konnte über ihre kindliche Begeisterung nur lachend den Kopf schütteln.
Unsere Familie erwartete uns schon, als wir gut gelaunt ins Wohnzimmer kamen.
Ich versuchte Jaspers und Emmetts Gedanken so gut wie es ging zu ignorieren und sah mich stattdessen im Zimmer um, das zu leuchten schien.
Riesige Girlanden aus weißen Rosen hingen überall und die ganzen Möbel waren aus dem Raum verschwunden. Hundert weiße, mit Satin geschmückte Stühle füllten nun das Wohnzimmer aus.
Ein Bogen mit noch mehr Rosenblüten stand am nördlichen Ende des Raums, es war offensichtlich der Ort, an dem unsere Trauung stattfinden würde.
Ich lächelte und Esme, die direkt neben mir stand, umarmte mich glücklich.
°Gefällt es dir? Wir haben die halbe Nacht daran gearbeitet. Ich hoffe, es ist gelungen und gefällt auch Bella.°
Ich erwiderte ihre Umarmung.
„Es ist perfekt geworden. Ich denke, es ist auch genau das richtige für Bella.“
Es war nicht zu kitschig, das war gut. Die weißen Blumen verliehen dem Raum etwas magisches, das ihr bestimmt gefallen würde.
Ich drehte mich zu den anderen um, blickte erst zu Carlisle, der mich mit einem freundlichen Schmunzeln besah, dann zu Rosalie, die tatsächlich ein Lächeln zustande brachte und am Ende zu meinen Brüdern.
„Ich danke euch allen. Ich bin mir sicher, es wird heute unvergesslich.“
Da war ich mir hundertprozentig sicher. Ich würde Bella zur Frau nehmen. Wenn das allein kein Grund zur Freude war …
Emmett verdrehte die Augen.
Jasper lächelte milde und versuchte mir in Gedanken nicht vorzuwerfen, dass ich vorhin die Kontrolle verloren hatte.
Alice flitze die Treppe nach oben in ihr Zimmer und ich sah, wie sie drei weiße Plastikhüllen von ihrer Anrichte nahm.
Sie dachte an die Hochzeitstorte, die Jasper noch abholen musste, also konnte ich nicht anhand ihrer Gedanken erkennen, was die Hüllen enthielten, aber besonders schwierig war es nicht.
Es roch verdächtig nach Seide.
In der nächsten Sekunde war sie schon wieder bei uns und drückte mir zwei der Plastikhüllen in die Hand.
„Das sind die Anzüge von Emmett und dir.“
°Und wehe dir, wenn sie wegen euren Wettkämpfen im Wald dreckig werden.°
Sie hatte kurz eine Vision, die meinen Bruder und mich kämpfend zeigten.
Ich kicherte.
„Am besten geht ihr zu Roses und deinem Haus.“, fuhr sie zu Emmett gewand fort.
Dann drehte sie sich ihrem Geliebten zu.
„Jazz, du kannst nicht mit, ich brauche dich hier. Du musst die Torte und das Hochzeitsessen abholen. Und später Renée und Phil, aber das weißt du ja.“
Jasper lächelte angesichts ihres geschäftsmäßigen Tonfalls, nickte und nahm seinen Anzug entgegen.
Emmett grinste mich an, er freute sich darauf, mit mir allein sein zu können und war gerade dabei, sich Sachen auszudenken, mit denen er mich später ärgern konnte.
Alice gab Jasper einen schnellen Kuss und schaute dann in die Runde.
„Bis später.“, rief sie, während sie nach draußen tänzelte.
„Jungs, ihr verschwindet jetzt! Ich will keinen von euch sehen, wenn ich mit Bella zurückkomme!“ °Vor allem nicht dich!°
Lächelnd schaute ich ihr nach, als sie im Wald verschwand.
Nein, dachte ich bedauernd, heute würde ich mich wirklich nicht mit ihr anlegen.
Und plötzlich wurde ich wieder nervös und spürte wie ein Gefühl, das nur Aufregung bedeuten konnte, sich in mir ausbreitete.
Wie konnte es sein, dass solche Empfindungen im Körper eines Vampirs existierten?
Das hatte ich dann wohl auch Bella zu verdanken.
Meiner zukünftigen Ehefrau. Mein Lächeln wurde breiter.
Es fühlte sich so wunderschön an…
4. Something borrowed, something blue...every me and every you
Das Haus von Emmett und Rosalie war dreistöckig und steckte so tief im Wald, dass ein Mensch es unmöglich durch Zufall finden konnte.
Was natürlich auch der Sinn der Sache war.
Wir waren mit Emmetts Jeep gefahren, hatten dann am Waldrand geparkt und waren die letzten Kilometer in drei Minuten zum Haus gerannt.
Esme hatte es ihnen mithilfe von Carlisle gebaut, nachdem sie ihr altes … erneut zerstört hatten.
Ich fragte mich, warum sie sich überhaupt noch die Mühe machten.
Na ja … ich musste zugeben, dass dieses hier schon ein Jahrzehnt ganz geblieben war.
Emmett hatte mir kichernd erzählt, dass sie sich manchmal auf den Wald beschränkten, was dann auch die umgekippten Bäume auf dem Weg dorthin erklärte.
Außerdem liebte Esme es, Häuser zu bauen und zu restaurieren.
Und das war ziemlich oft nötig, vor allem bei Rose und ihm.
Als wir näher traten, sah ich, dass der hintere Teil des dritten Stocks eingestürzt war.
Dann war es doch nicht ganz so unversehrt geblieben.
Ich schluckte. Jetzt war bestimmt nicht der richtige Zeitpunkt, um über ihre Aktivitäten nachzudenken.
Emmett gab einen mehrstelligen Code in die Alarmanlage ein, die an der Hintertür angebracht war und grinste, als auch sein Blick zum dritten Stock wanderte.
Die Sicherheitsanlage war nur nötig, weil Rosalie, wie wir alle nur zu gut wussten, ziemlich eigen mit ihrem Schmuck und ihren Kleidern war.
°Hm … das ist erst vorgestern passiert … ich dachte eigentlich, dass du es heute ohne Schaden zu Gesicht bekommen würdest, aber was will man machen …°
Ich sah in seinem Kopf eine Szene, die die beiden zeigte, während sie durch den dritten in den zweiten Stock krachten und sich leidenschaftlich küssten.
Mein Bruder hatte ziemlich anschauliche Gedanken und es war nicht zu übersehen, dass sie beide kaum mehr bekleidet waren.
Mein ganzer Körper versteifte sich sofort.
Es war mehr als offensichtlich, dass Emmett mit voller Absicht daran dachte, da er amüsiert mein Gesicht betrachtete und auf meine Reaktion hin laut auflachte.
„Eigentlich hatte ich nicht vor, dich an deinem Hochzeitstag zu quälen, aber es ist so unbeschreiblich witzig, deine Reaktion zu sehen.“, kicherte er, während wir ins Wohnzimmer gelangten, das so durcheinander war, als hätte eine Einbrecherbande das Haus nach etwas durchsucht, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie es anschließend dort aussah.
Oder, als hätten zwei Vampire sich eine ganze Nacht durch vergnügt.
Ich schloss die Augen und versuchte mich zu beruhigen.
Emmett konnte nicht wissen, dass meine eigene Leidenschaft durch das, was ich sah, hundertfach verstärkt wurde. Es dachte, dass mich die Bilder einfach nur ärgerten, weil es mir unangenehm war.
Aber wenn ich wie jetzt seine Leidenschaft durch seine Gedanken spürte, war es kaum auszuhalten.
„Komm schon, Edward. Es ist das normalste auf der Welt. Ich wette, Bella und du werdet auch euren Spaß haben. Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass ihr Rose und mir das Wasser reichen könnt.“ Er grinste.
„Stell dir vor, du würdest das dauernd in den Gedanken der anderen hören.“, antwortete ich ihm seufzend. Auf das letzte ging ich absichtlich nicht ein. Meine Gedanken durften nicht einmal in die Nähe von Bella, verbunden damit kommen.
Er zuckte die Achseln. „Ich weiß ja selber wie es ist. Im Gegensatz zu dir. Wie wär‘s mit ein paar Tipps? Ich stehe dir ganz zur Verfügung.“, lachte er.
Ich verdrehte die Augen und erinnerte mich an Alice‘ Vision, die eine wunderbare Ablenkung sein würde. Außerdem konnte ich mich dann bei Emmett für seine Gedanken rächen.
Ich grinste.
„Ich will doch meinen, dass ich genug Erfahrung habe. Du kannst dir nicht vorstellen, in wie vielen Gedanken ich das gehört habe.“, antwortete ich ihm.
°Als ob es das selbe ist, es nur zu sehen.°, dachte er spöttisch und obwohl ich wusste, dass es Recht hatte, fuhr ich so unschuldig wie möglich fort.
„Hast du Lust auf ein paar Wettkämpfe?“
Was für eine Frage. Als würde er sich eine solche Gelegenheit entgehen lassen, wenn ich auch noch freiwillig dazu bereit war, was nicht oft der Fall war.
Natürlich enttäuschte er mich nicht: Sofort war er auf den Beinen und schmiss die Fernbedienung achtlos auf den Sessel, auf dem er eben noch gesessen hatte und ein Spiel im Fernseher mitverfolgt hatte.
„Wollen wir uns nicht erst umziehen?“, fragte er mit einem Blick auf die weißen Plastikhüllen, die ich auf den kleinen Holztisch gelegt hatte.
Es war nicht nötig, ihm Alice‘ Ermahnung, wir sollten die Anzüge nicht beschmutzen, mitzuteilen, seine Frage war eindeutig rhetorisch gewesen.
Er war bereits aus dem Wohnzimmerfenster gesprungen und ich konnte seinen begeisterten Gedanken lauschen, die jetzt kein bisschen mehr mit vorletzter Nacht zu tun hatten.
Zufrieden lächelte ich, während ich Emmett aus dem verwüsteten Raum folgte.
~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.
Wir fuhren mit dem Jeep zurück nach Forks.
Eigentlich wäre es weniger umständlich gewesen, wenn wir nur gerannt wären, doch wir trugen jetzt beide unsere Anzüge. Obwohl wir mit Sicherheit genug aufpassen hätten können, um sie beim Laufen durch den Wald nicht zu zerstören, vertraute Alice uns nicht.
Die Anzüge waren seltene Einzelstücke, hatte sie mir vor einer Woche ernst erklärt, und sie würde uns umbringen, wenn sie nur den kleinsten Fleck oder gar Riss entdecken würde. Ich musste lächeln.
Sie hatte auch darauf bestanden, unsere Koffer zu packen, vor allem auf Bellas hatte sie sich gefreut. Ich hatte ihr freie Hand gelassen und hoffte, dass Bella mir das nicht allzu übel nehmen würde.
Aber wenn sie ihn selbst gepackt hätte, hätte ich ihr sagen müssen, wie warm es in unseren Flitterwochen werden würde und so viel wollte ich ihr noch nicht verraten, da es schließlich eine Überraschung werden sollte.
Emmett saß am Steuer und war verdächtig ruhig während er fuhr, was mich zum Lächeln brachte.
In Gedanken ging er noch einmal die letzten Stunden im Wald durch, in denen er fast ausnahmslos all unsere Wettkämpfe verloren hatte. Als wir schließlich ein Wettrennen zurück zum Haus veranstaltet hatten, hatte ich ihn innerlich grinsend gewinnen lassen, was seine Laune aber nicht verbessert, sondern verschlechtert hatte, weil er genau wusste, dass ich eigentlich schneller als er war.
°Ach übrigens, Rose und ich … – °
„Du kriegst deine Revanche, sobald ich zurück bin, versprochen! Nur bitte denke nicht mehr an Rose, okay?“, beeilte ich mich zu sagen, bevor er in Gedanken weitermachen konnte.
Jetzt war er an der Reihe mit Grinsen.
„Schon klar, Kleiner, ich werde versuchen mich zu beherrschen, aber manchmal kann ich nichts dagegen tun …“, lachte er, aber dann wanderten seine Gedanken tatsächlich weiter zu seinem letzten Ringkampf mit Jasper, den er zu seiner Genugtuung gewonnen hatte und ich konnte mich in den Rücksitz zurücklehnen.
Es war kurz nach ein Uhr, als Emmett das Auto in die Garage fuhr.
Während wir auf das geschmückte Haus zuliefen, vernahm ich deutlich einen blumigen Duft, der verbunden mit dem Herzklopfen und einer Süße, die sich mit nichts vergleichen ließ, zu dem schönsten Geruch der Welt für mich wurde.
Bella war im großen Badezimmer des zweiten Stocks, zusammen mit meiner Schwester, deren Gedanken ich jetzt lesen konnte.
°Hi, Edward, glaub bloß nicht, dass ich gerade jetzt an Bella denken werde.°, dachte sie fröhlich und sang in ihren Gedanken zwei komplizierte Melodien gleichzeitig nach, um mich keinen Blick auf Bella werfen zu lassen.
„Ich hatte gar nicht vor zu lauschen …“, murmelte ich, aber natürlich ließ sie sich nicht täuschen.
°Wer‘s glaubt.°, ertönte ihre Gedankenstimme von oben.
Rosalies Gedanken kamen von ihrem Zimmer, das sich direkt neben dem Badezimmer befand.
Sie zog sich gerade vor ihrem gigantischen Spiegel um, also versuchte ich sofort, sie wieder auszublenden. Ich hatte in Emmetts Gedanken heute schon genug von ihr zu sehen bekommen. Genug für die nächsten Jahrhunderte.
Meine Eltern saßen zusammen im Wohnzimmer, Esme packte gerade die vierstöckige Hochzeitstorte aus und dachte an nichts bestimmtes. Ich sah nur vollkommene Zufriedenheit.
Carlisle freute sich sehr auf die Denalis, da wir sie schon lange nicht mehr gesehen hatten.
Als wir näher kamen, stand er auf und kam uns entgegen. Auch er trug schon einen Anzug, einen blassgrauen mit Nadelstreifen, der zweifellos auch von Alice ausgesucht worden war.
„Hallo, ihr beiden. Habt ihr euch amüsiert?“, fragte er lächelnd.
Emmett und ich nickten beide grinsend, er dachte daran, wie er mir auf die Nerven gegangen war, ich wiederum musste bei dem Gedanken an unsere Wettkämpfe im Wald lachen.
„Jasper holt gerade Renée und Phil ab und ihr solltet rein gehen und Esme helfen.“, sagte er freundlich, „die anderen Gäste werden in ein bis zwei Stunden eintreffen.“
Mein Volvo hatte in der Garage gefehlt, also war Jasper gerade damit zum Flughafen unterwegs, es war das unauffälligste unserer Fahrzeuge.
Kaum waren wir zur Tür herein gekommen und hatten Esme begrüßt, da kam auch schon Rosalie in einem silbernen Abendkleid die Treppe herunter stolziert.
Ich lächelte. Also hatte sie sich doch gegen das rote Kleid entschieden.
Emmett legte ihr die Hände auf die Hüften und gab ihr einen langen Kuss.
„Du siehst wunderschön aus, Baby.“
Sie grinste ihn an und drehte sich, immer noch mit einem Lächeln auf den Lippen, zu mir.
„Hallo, Edward.“, begrüßte sie mich ungewohnt freundlich.
°Ihr Kleid ist hinreißend … fast so wunderschön wie meines damals …°
Ich erwiderte ihr Lächeln, während Erinnerungen von ihrem Leben als Mensch durch ihre Gedanken strömten. Wehmütig dachte sie an ihr altes, perfektes Leben.
Manchmal hatte ich tatsächlich Mitleid mit meiner Schwester.
Da ich ihre Gedanken kannte, wusste ich, dass unter der eitlen Maske jemand lebte, der zutiefst von seinem Leben enttäuscht worden war.
Ich verstand sie bis zu einem gewissen Grad, auch wenn ich manchmal ganz und gar nicht ihrer Meinung war.
Wir beide waren wohl die Personen, die sich in unserer Familie am meisten stritten, aber trotzdem gehörte sie für mich dazu. Und nicht nur, weil sie zu Emmett gehörte, obwohl diese Tatsache sicherlich dazu beitrug.
Auch Rosalie mochte mich auf ihre Art, das wusste ich. Selbst wenn sie es manchmal nicht richtig ausdrücken konnte. Aber in dieser Hinsicht war ich wohl kaum besser als sie.
„Emmett, gehst du bitte nach draußen und schaust mit Carlisle nach dem Hochzeitsauto?“, bat Esme ihn und wandte sich dann mir zu, als Emmett schon aus dem Fenster war. Ich hörte seine begeisterten Gedanken, als er anfing, den schwarzen Porsche 356A, den ich vor ein paar Monaten zu diesem Zweck gemietet hatte, zusammen mit Carlisle auf Hochglanz zu polieren und zu schmücken.
„Edward, du kannst mir beim Essen helfen, wenn du möchtest. Aber du darfst auf keinen Fall nach oben.“, sagte sie zu mir.
°Ich habe Alice versprochen, dass ich ein Auge auf dich haben werde.°
Sie lächelte mich entschuldigend an.
„Natürlich, Mom. Ich werde heute niemandem Probleme bereiten.“, grinste ich und lauschte mit einem Ohr, was oben, im verbotenen Territorium, vor sich ging.
Rosalie verkündete gerade unsere Ankunft, woraufhin Bella aus einem mir unbekannten Grund erleichtert aufatmete.
Hatte sie etwa Angst gehabt, ich würde im letzten Moment doch noch kalte Füße bekommen und mich davonmachen? An unserer Hochzeit? Unwillkürlich brachte mich dieser absurde Gedanke zum Lächeln.
Ich setzte mich zu Esme, während ich oben Alice‘ Stimme vernahm.
„Sieh zu, dass er nicht hier reinkommt!“
„Er wird dir heute keinen Ärger machen. Dafür ist ihm sein Leben zu lieb.“, erklärte Rosalie und dachte lächelnd an eine Szene, in der ich versuchte, in das Badezimmer zu gelangen und sie mich davon abhalten musste.
°Ich könnte ihren Anblick jetzt in meine Gedanken lassen, aber ich glaube, ich lasse dich noch ein bisschen zappeln … °, dachte Rose amüsiert, °Mal abgesehen davon, dass Alice dann nicht nur dich umbringen würde.°
Grinsend hörte ich weiter zu. Ich würde heute wohl wirklich keine Chance mehr bekommen.
„Im Moment hält Esme sie alle noch beschäftigt. Kann ich dir vielleicht helfen? Ich könnte ihr die Haare machen.“, bot sie an.
Ich hörte, wie Bellas Herz kurz schneller schlug, ihr war bei dem Gedanken, dass Rosalie ihr die Haare machen würde, offensichtlich nicht ganz wohl.
Was ich auch gut nachvollziehen konnte.
Rosalie hatte Bella mit ihrer eigenen Geschichte überzeugen wollen, damit sie sich den Wunsch, ein Vampir zu werden, noch einmal gut überlegte. Und da sie ein kleiner Dickkopf war, dachte ich lächelnd, hatte sich Rose ihr gegenüber größtenteils ziemlich reserviert verhalten.
„Edward.“ Esme schaute mich liebevoll an. °Jetzt lass die Mädchen ihre Arbeit tun und konzentriere du dich auf deine.°, dachte sie gespielt streng.
Dann musterte sie mich kurz.
„Dein Anzug gefällt mir. Das Schwarze, Elegante steht dir.“
Ich grinste sie an.
°Ich bin mir sicher, dass wird auch den Gästen und vor allem deiner Braut nicht entgehen.°
~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~
Unser Haus war voller Hochzeitsgäste, Carlisle und Esme blieben inzwischen an der Tür stehen und hießen alle Neuankömmlinge willkommen.
Jasper war vor einer halben Stunde zusammen mit Renée und Phil zurückgekehrt, die meine Familie und mich herzlich begrüßt hatten.
Vor allem von Esme war Bellas Mutter kaum wegzukriegen.
Meine Nervenenden standen vollkommen unter Strom, ich war jetzt wirklich aufgeregt. Nur wenn Jasper in meine Nähe kam, kam ich ein wenig zur Ruhe, doch ansonsten nahm ich die Gäste und meine Familie kaum wahr, ich blendete ihre Gedanken aus.
Denn meine Gedanken waren die ganze Zeit bei dem seltsam zittrigen Herzschlag im zweiten Stock.
Ich dachte nur noch an Bella, meine Bella …
In diesem Moment kam Charlie gemeinsam mit Angelas Vater, dem Pfarrer, durch die Tür und schüttelte meinen Eltern fröhlich die Hand.
Seine Gedanken waren nervös, aber nicht wütend oder abgeneigt, ich sah sehr viel Freude darin.
Dann kamen sie auf mich zu und ich schüttelte erst meinem zukünftigen Schwiegervater, dann Mr Weber die Hand.
„Charlie?“, rief Esme, „es ist bald an der Zeit, könntest du oben Bescheid sagen?“
Schon machte er sich auf den Weg, seine Schritte klangen schwer auf der Holztreppe.
Ich versuchte so gut es ging, den Gesprächen im verbotenen Stock nicht zuzuhören.
Es erwies sich überraschenderweise als nicht so schwer, wie ich gedacht hatte, denn Rosalie kam gerade mit Emmett auf mich zugelaufen; ich saß alleine auf dem Samtstuhl, der vor dem riesigen Flügel stand.
„Du musst da gleich weg, Edward, es geht los.“, erklärte sie mir.
°Mein Gott, du siehst ja aus als hättest du Schiss!° , dachte Emmett lachend und ich sah mein nervöses Gesicht in seinem Kopf.
Ich zog eine Grimasse, stand auf und machte Platz für Rose.
Carlisle kam nach wenigen Minuten zu mir und führte mich zu dem Bogen, der mit unzähligen weißen Rosen geschmückt war.
°Edward, es ist soweit.°
Es kam mir so vor, als wäre ich ein Außenstehender, der gerade einen Film beobachtete.
Es fühlte sich so unecht an, als die Menge aus Menschen, Vampiren und auch wenigen Werwölfen sich teilte und der Pfarrer zu mir trat.
Langsam, wie in Zeitlupe, fing Rosalie an, Pachelbels Kanon zu spielen.
Die Gespräche verstummten auf der Stelle, doch mein Kopf dröhnte immer noch, es strömten so viele Gedanken in meinen Kopf, als würden sich alle immer noch unterhalten.
„Bella, unser Einsatz.“, vernahm ich die Stimme meiner Schwester.
„Ja“, antwortete sie, ihre Stimme klang brüchig. „Edward. Okay.“
Als sie meinen Namen aussprach, empfand ich so viel Liebe, dass mein totes Herz sich gar nicht mehr so tot anfühlte.
Bella, Bella, Bella.
Rosalies Klavierspiel ging in Wagners Hochzeitsmarsch über.
„Ich bin dran“, sagte Alice fröhlich und erklärte Charlie und Bella, wann sie ihr nachkommen sollten.
„Lass mich nicht fallen, Dad.“, hörte ich ein verängstigtes Flüstern und wäre um ein Haar die Treppe nach oben gerannt, um sie in den Arm zu nehmen, als ich ihr ängstliches Gesicht in Charlies Gedanken sah.
Dann hörte ich kleine, stolpernde Schritte neben Charlies schweren langsam den kurzen Gang vor der Treppe entlanglaufen.
Alice lief fast schwebend mit einem Blumenstrauß in der Hand die Treppe hinunter, sah sich um und strahlte mich dann glücklich an.
°Sie sieht umwerfend aus.°, dachte sie und lächelte breit, ihre Gedanken wanderten nun bereitwillig zu Bella, aber ich blendete sie aus, als Charlie genau wie in ihrer Vision am Absatz der Treppe erschien, ein Engel direkt neben ihm.
Nichts spielte mehr eine Rolle, als meine Augen dieses Wunder erfassten.
Der ganze Raum schien zu strahlen, genau wie ihr hinreißendes Hochzeitskleid.
Tausend Gedanken sprangen mir entgegen, ein winziger Teil von mir realisierte sie und sah Bella aus verschiedenen Sichten, Bewunderung und Freude.
Aber der größere Teil in mir rief, dass es Zeitverschwendung war, irgendeinem Gedanken zu lauschen, wenn sich mir ein Anblick wie dieser bot.
Ihr Kleid war … es gab keinen Vergleich, kein Adjektiv, das der Realität gerecht wurde.
Alice kannte natürlich meinen Geschmack, das Kleid hatte etwas altmodisches an sich und war so perfekt geschnitten, dass es aussah, als würde es sich mit der zarten Haut der gottgleichen Frau, die es trug, verbinden.
Es war trägerlos und betonte so ihre schmalen, elfenbeinfarbenen Schultern.
Die Haare waren zur Hälfte mithilfe zwei blauer Haarnadeln hochgesteckt worden, die andere Hälfte fiel in sanften Wellen auf ihren zerbrechlichen Rücken.
Sie hielt den Blick gesenkt, während sie vorsichtig am Arm ihres Vaters die Treppe hinunterstieg, die lange Schleppe umgab sie wie ein glänzend weißer Wasserfall.
Ich konnte mich an keinen Moment meines langen Lebens erinnern, in dem sie mir weniger real vorgekommen war … und weniger perfekt, weniger atemberaubend.
Ich fühlte mich wie in einem Rausch, gefangen in meiner eigenen Fantasie.
Ihr Herzschlag ging unregelmäßig und schnell; pochend übertönte er alles um uns herum.
Ich konnte mir keinen Reim auf dieses Wesen machen, konnte nicht begreifen, dass sie in wenigen Augenblicken vollkommen und unwiderruflich mein sein würde.
Und dann bewegten sich ihre Augenlider, ihre dichten Wimpern bogen sich nach oben und sie blickte auf.
Mein Atem stockte. Die Gäste um uns herum, ihre Familie und meine eigene verschwanden vollkommen. Sie wurden zu einem bunten Strudel, einem unbedeutendem Hintergrund.
Ich hörte keinen einzigen Gedanken mehr, mein perfektes Gehirn war schlichtweg überwältigt.
Ihre Augen glänzten so wunderschön, das warme, schokoladenfarbene Braun vertiefte sich und ich sah, wie ihre Wangen sich in der schönsten Farbe der Welt verfärbten, als sie sich suchend umsah und bemerkte, dass ausnahmslos alle Blicke auf sie gerichtet waren.
Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit fand ihr Blick endlich meinen.
Ich war mir sicher, mein Herz wäre in diesem Moment stehen geblieben, hätte es die Möglichkeit dazu gehabt.
Es war, als sähe ich alle Gedanken, die mir schon immer verborgen geblieben waren, nun in ihren strahlenden Augen.
Ich sah ihre Scheu und ihre Abneigung gegen Augenblicke wie diese, in der sie die ganze Aufmerksamkeit hatte.
Doch als sie sah, wie sich ein glückseliges Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitete, war alles Unangenehme darin wie weggewaschen.
Es brannte solch eine bedingungslose Liebe und grenzenloses Glück in ihrem Blick, dass ich alles vergaß.
Es gab nur die Gewissheit, dass meine Augen den Ausdruck in ihren widerspiegelten, dass dieser Moment so richtig war.
Ich sehnte mir nichts mehr herbei, als dass ich sie berühren durfte, mich vergewissern durfte, dass dies hier nicht vielleicht doch nur eine Illusion war.
Der Gang erschien mir viel zu lang, ich musste mich beherrschen, um nicht mit meiner unmenschlichen Geschwindigkeit auf sie zu zurennen, um endlich bei ihr zu sein.
Die Sekunden verstrichen, während wir uns immer weiter anblickten, in dem Blick des anderen ertranken, voller Glück und Zuversicht.
Auch als sie schließlich an dem Bogen, unter dem ich mit Carlisle und Mr. Weber stand, angekommen war, wendeten sich ihre Augen nicht von meinen ab.
Ich streckte die Hand aus und ihr Vater nahm ihre und legte sie lächelnd in meine.
In diesem Moment, als ich ihre Wärme spürte, wurde mit einem Schlag alles ganz klar. Ich verschränkte unsere Hände miteinander, während die vielen Gedanken auf mich einströmten.
Für eine Sekunde lauschte ich ihnen, jedoch ohne den Blick von meiner Braut zu nehmen.
°So schön … mögen sie glücklich miteinander sein.°
Mit Mühe erkannte ich die Freude in Charlies Gedanken.
Carlisle, der uns jetzt sanft in die Richtung des Pfarrers drehte, lächelte mich zufrieden an. °Ich habe es schon immer gewusst, mein Sohn. Ihr werdet glücklich miteinander werden, so wie du es verdient hast.°
°Sie ist so wunderschön …°
°Wie sie sich ansehen … so ein Glück.°
°Hach, das ist Liebe! Edward, ihr wart schon immer füreinander geschaffen, ich hab‘s dir ja gesagt!°
°Er sieht aus wie ein Gott. Himmel, was für ein Paar!°
°Sie ist ziemlich hübsch, das muss ich schon zugeben …°
°Na warte, sobald ihr von den Flitterwochen zurück seid, zahl ich‘s dir heim!°
Ein sanfter Druck an meiner Hand und Bellas immer noch glückselige Blick brachten mich zurück in das Hier und Jetzt, das ich auf keinen Fall verpassen wollte.
Angelas Vater fing mit der Trauungszeremonie an, aber wir brachten es beide nicht über uns, ihn anzuschauen.
Ich hätte ewig so dastehen können, während die Zuschauer uns gerührt ansahen, sich über die Hochzeit freuten und dachten, dass sie die Liebe, die uns verband, verstanden.
Aber das taten sie nicht.
Unsere Liebe hatte alles überstanden, wir waren durch so viel Schmerz und Trauer gegangen und hatten es letztendlich doch geschafft.
Das, was wir hatten, Bella und ich, Mensch und Vampir, gab es kein zweites Mal auf dieser Welt, da war ich mir sicher.
Und ich war mir auch sicher, dass man in diesem Moment keinen Mann finden würde, der glücklicher war als ich.
Ich sah in die leuchtenden Augen der Liebe meines Lebens und wusste, dass wir zueinander gehörten.
Wie hatte Alice es formuliert?
Wir waren füreinander geschaffen worden.
So wie ich ihr gehörte, so würde sie auch auf ewig mein sein.
Glückstränen stiegen in Bellas Augen und liefen ihre Wangen entlang, während sie mich mit einem unbeschreiblichen, fassungslos glücklichen Blick anstrahlte.
Wäre ich fähig dazu gewesen, hätte ich nun auch geweint.
„Isabella Marie Swan, versprichst du Edward Anthony Cullen zu lieben, jeden einzelnen Tag, ob in guten oder schlechten Zeiten, solange ihr beide lebt?
So antworte nun mit ‚Ich will.‘“
Mühsam kämpfte Bella mit den Tränen und als sie die Worte sprach, die meinen Körper zum Glühen brachten, war es nur ein Flüstern, doch noch nie hatte etwas für mich so deutlich und klar geklungen.
„Ich will.“, versprach sie und versuchte verzweifelt die Tränen wegzublinzeln.
„Edward Anthony Cullen, versprichst du, Isabella Marie Swan zu lieben, jeden einzelnen Tag, ob in guten oder schlechten Zeiten, solange ihr beide lebt?
So antworte nun mit ‚Ich will.‘“, wiederholte der Pfarrer die Worte.
Bella drückte meine Hand so fest sie konnte und ich strahlte sie an.
„Ich will.“, schwor ich ganz benommen.
Ich versuchte meine ganze Überzeugung und mein ganzes Glück in diese Worte zu legen, sie sollte nie wieder an mir zweifeln und vor allem nie wieder an sich selbst zweifeln.
Ich wollte sie schon immer und würde sie auch immer wollen.
°Möge Gott ihnen immer beistehen.° Ich sah aus den Augenwinkeln, wie Mr Weber lächelte.
„Dann erkläre ich euch hiermit zu Mann und Frau.“, erklärte er.
Und ich nahm das Gesicht meiner Bella in die Hände, legte meine Finger behutsam auf ihre Wangen und versuchte, im Sturm meiner Gefühle die Kontrolle über mich zu behalten.
Sie war meine Frau. Sie war meine Frau.
Mein ganzer Körper jubilierte.
Es gab einen Himmel, das sah ich jetzt ganz klar, denn ich befand mich gerade dort.
Und ich hatte auch eine Seele, die von Anfang an dazu bestimmt war, sich mit Bellas zu verbinden.
Es fühlte sich an, als würde sich alles um uns herum drehen, als ich mich mit der Gewissheit zu ihr herunter beugte, dass sie nun mein war.
Sie schlang ihre Arme zusammen mit dem Brautstrauß um meinen Hals und lächelte immer noch unter Tränen.
Unsere Lippen trafen aufeinander und ein Feuerwerk explodierte in mir.
Ich küsste sie so zärtlich wie ich konnte, dann mit voller Hingabe und Ehrfurcht.
Ich konnte es noch immer nicht ganz fassen, konnte mein Glück nicht begreifen.
Das Nächste, das ich nach einer langen Zeit wahrnahm, war Emmetts Räuspern und das Kichern unserer Familie.
So sehr ich diesen Kuss auch ausdehnen wollte – am Liebsten bis in alle Ewigkeit – ich musste ihn beenden, da Bella es sicher nicht tun würde …
Allein der Gedanke, dass wir ab jetzt für immer Zeit hatten, ließ mich meine Lippen von denen meiner neuen Ehefrau lösen.
Ich lächelte, als ich bemerkte, dass Bella sich protestierend an mich klammerte und drehte uns in Richtung der Gäste, die jetzt, da wir den Kuss beendet hatten, wild anfingen zu klatschen.
Eine Weile standen wir einfach nur da, glücklich lächelnd, Hand in Hand.
Dann kam Renée, mit tränenüberströmtem Gesicht, aus der Menge angerannt und umarmte ihre Tochter stürmisch.
Der Rest der Gäste schloss sich an und ich bekam erneut einen Strom von Gedanken zu spüren.
°Für immer und ewig. Jetzt ist es offiziell.° Alice klatschte begeistert in die Hände und drehte sich glücklich lachend zu Jasper, der einen Arm um sie gelegt hatte.
°Glückwunsch, Bruder.°, dachte er grinsend und ich erwiderte sein Lächeln überglücklich.
Esme kam aus der ersten Reihe auf mich zu, sie nahm mich strahlend in den Arm, das Gold ihrer Augen wirkte so flüssig, als wäre sie auch gerade im Begriff zu weinen, genau wie ihre neue Schwiegertochter.
°Oh, Edward, ihr seid so wunderschön zusammen! Ich freue mich so sehr für dich!°, dachte sie und ich drückte sie mit meinem freien Arm an mich.
„Danke, Mom.“
„Du machst mich so stolz.“, murmelte sie und ließ mich dann los, um Bella, die gerade ihre Mutter losließ, herzlich zu umarmen.
Renée breitete immer noch weinend die Arme aus und ich umarmte sie nun genau so zärtlich, wie ich meine Mutter umarmt hatte.
°Sie sind so unglaublich zusammen! Ich bin so froh, dass mein Mädchen so glücklich ist. Jetzt hat sie endlich ihren Platz gefunden.°
„Herzlichen Glückwunsch, Edward …ich bin so glücklich.“, schluchzte sie.
°Ich habe meine Kleine noch nie so glücklich gesehen …°
„Danke, Renée. Willkommen in unserer Familie.“, lächelte ich warm.
Nach und nach kam unsere ganze Familie und umarmte uns.
Ich sah, wie Bellas Augen seltsam glasig wurden, als würde sie nicht einmal wahrnehmen, wer sie gerade beglückwünschte.
Immer wieder kehrte ihr Blick zurück zu meinem Gesicht, als könnte sie sich an dem, was sie sah, nicht satt sehen.
Sanft strich ich mit meinem kalten Daumen über ihren Handrücken und genoss die Wärme, die durch meinen Körper fuhr und ihn zum Prickeln brachte.
Ich befand mich wirklich und wahrhaftig im Himmel.
5. Surprising gift
Die Zeremonie endete genau, als die Sonne funkelnd unterging. Alice hatte natürlich kein Detail vergessen, sie hatte alles haargenau geplant.
Unsere Familien und unsere Freunde liefen nun, nachdem sie uns der Reihe nach beglückwünscht hatten, durch die gläserne Terrassentür nach draußen, wo Lichter in den Bäumen hingen und über der von Jasper und Emmett aufgebauten Tanzfläche noch mehr Blumen hingen und den Anblick damit märchenhaft machten.
Auch draußen hatte Alice für genügend mit Satin beschmückte Tische und Stühle gesorgt, wo sich viele unserer Gäste niederließen.
Ich schlang einen Arm um Bellas Taille und führte sie in unseren großen Garten.
Glücklich beobachtete ich die Szene, die erst durch das Mädchen in meinem Arm vollständig wurde.
Es war der perfekte Tag: eine trockene Sommernacht, nur eine sanfte Brise wehte, was auch kein Zufall war. Alice war in dieser Hinsicht besser als jede Wettervorhersage.
Kaum waren wir an die frische Luft gelangt, kamen uns einzelne Gäste entgegen, für die wir vorhin nicht genug Zeit gefunden hatten, um mit ihnen zu reden und zu lachen.
Meine Augen ruhten auf Bella, die mich überglücklich anlächelte. Es gab keine Anzeichen mehr von Stress oder Lampenfieber in ihrem wunderschönen Gesicht. Ihr Herz schlug gleichmäßig und es sah nicht so aus, als würde sie die Hochzeit bereuen.
Es gab nichts, was ich mir mehr wünschte; dies war das Paradies für mich.
Seth kam zusammen mit seiner Mutter Sue und Billy Black auf uns zu.
„Herzlichen Glückwunsch, ihr zwei“, sagte er und erneut bekam ich eine Ladung neuer Gedanken ab.
°Coole Hochzeit. Ich freue mich echt für euch, Edward!°, dachte Seth, der in den letzten Monaten für mich zu einem echten Freund geworden war.
Er hatte sehr freundliche Gedanken und störte sich – im Gegensatz zu den anderen Wölfen – überhaupt nicht an der Tatsache, dass wir eigentlich Todesfeinde sein sollten.
Genauso wenig störte es mich.
Der eigentliche Grund, weshalb ich Jacob nie richtig gemocht hatte, war nicht, dass er für mich nicht gut roch oder sich in einen Wolf verwandelte, sondern, dass ich eifersüchtig auf ihn gewesen war.
Seth war von Natur aus ein offener Mensch, der keine Vorurteile hatte und das Wolfsdasein richtig zu genießen schien.
Dass er sich mit mir angefreundet hatte, passte aber nicht allen.
Ich sah in Sue Clearwaters mürrisches Gesicht und der Gedanke, dass es nicht meiner Gabe bedurfte, um ihre Abneigung und ihren Widerwillen gegen diese Hochzeit zu spüren, fuhr mir durch den Kopf.
Ihre Haare waren kurz geschnitten; sie erinnerte mich an ihre Tochter Leah, die den selben Kurzhaarschnitt und das selbe verdrießliche Gesicht hatte.
Aber vielleicht war ich zu hart zu den beiden. Immerhin hatten sie ihren Mann und Vater vor nicht allzu langer Zeit verloren.
Doch Sues Gedanken waren mehr als deutlich.
°Ich weiß nicht, was in Seth gefahren ist. Wie kann er nur mit solchen widerwärtigen Geschöpfen befreundet sein?! Ich wünschte, ich wäre zu Hause bei Leah geblieben, aber ihn allein mit den ganzen Parasiten lassen …? Nur über meine Leiche!
Billy kann sagen, was er will, sie sehen alle wie Untote aus! Ekelhafte Blutsauger! Wie kann das den Leuten nicht auffallen? Wie kann diese Bella sich nur auf so etwas einlassen? Ich fasse es nicht, dass Seth … – °
So ging es eine ganze Weile weiter und ich konzentrierte mich schnell auf Billys Gedanken, die aber bestimmt auch ähnliche Beschuldigungen und sehr viel Abneigung enthalten würden.
Immerhin traf mich die Schuld, dass sein Sohn verschwunden war. Das war mir sehr wohl bewusst. Bella hatte sich für mich entschieden und hatte damit Jacob das Herz gebrochen, das wusste ich nur zu gut.
Und schlimmer noch: Ich nahm ihr das menschliche Leben.
Ich verstand, warum Jacob verschwunden war und warum auch sein Vater einen guten Grund hatte, um mich hassen.
Ich hatte mich deshalb genauso gehasst und ich tat es manchmal immer noch.
Deshalb wurde ich auch sehr überrascht, als ich in Billy Blacks seltsam optimistisches Gesicht blickte und seine Gedanken las.
°Sie sehen glücklich miteinander aus. Vielleicht ist er doch der Richtige für sie, wenn Bella es so will.°
Verblüfft starrte ich eine halbe Sekunde in sein Gesicht, um dann wieder schnell zu Bella zu blicken.
Ich war verwirrt. Seid wann waren Billys Gedanken im Bezug auf mich so verständnisvoll?
Sollte diese Hochzeit seiner Meinung nach nicht das Schlimmste sein, was der Tochter seines besten Freundes passieren konnte?
Sollte er mich nicht dafür hassen, dass sein Sohn meinetwegen fort war?
Ich dachte nur den Bruchteil einer Sekunde darüber nach, bis Billys nächster Gedanke durch meinen Kopf schoss.
Ich bekam die Antworten auf meine Fragen, obwohl er in diesem Moment nur ein Wort dachte.
°Jacob.°
Aber es war nicht einfach nur die Tatsache, dass er den Namen seines Sohnes, der vor einem Monat ausgerissen war, dachte.
Es war die Art, wie er an ihn dachte. Ich sah so eine unendliche Freude in seinem Kopf, die mich an etwas erinnerte, das ich immer dann spürte, wenn ich – genau wie jetzt – mit Bella zusammen war.
Dieses Glück konnte nur eines bedeuten, auch wenn es mir abwegig und unrealistisch erschien.
Jacob kehrte zurück.
Einige Sekunden verstrichen und dann sah ich den Beweis in Billys Gedanken.
Er dachte an ein Telefonat, das er vor weniger als einer Stunde mit Sam geführt hatte.
Sam hatte ihm fröhlich erklärt, dass Jacob Kontakt mit ihnen aufgenommen hatte.
Offenbar wollte er es unbedingt zur Hochzeit schaffen.
Deshalb war Billy trotz des Anlasses und der Vampire so gelassen.
Sein Sohn kehrte zurück.
Einen kurzen Augenblick lang dachte ich daran, es Bella zu sagen. Ich wünschte es mir sogar, um ihr Gesicht noch glücklicher zu sehen.
Denn ich wusste, das einzige was sie jetzt noch mehr erfreuen konnte, was diesen Tag für sie noch perfekter machen konnte, war Jacobs Anwesenheit.
Es war nicht nötig, dass sie mir das erzählte.
Ich kannte ihr Gesicht und ihre Reaktionen inzwischen viel zu gut.
Ich sah genau, wie sehr sie ihren besten Freund vermisste.
Doch ich verwarf meinen Gedanken sofort, als ich daran dachte, dass ich nicht mit Sicherheit sagen konnte, ob Jacob es rechtzeitig schaffen würde.
Wie sehr würde es Bella verletzen, wenn ich diese Hoffnung in ihr aufflammen ließ und sich dann alles als falsch erwies und ihr Trauzeuge doch nicht auftauchte?
Nein, ich würde mich hüten, ihr so wehzutun.
Während ich noch über Jacob nachdachte, kam Ablenkung in Form von Seth.
Er breitete seine Arme aus und lächelte aufrichtig, als wir uns umarmten.
Er klopfte mir auf die Schulter und ließ sich nicht anmerken, dass er das Schaudern seiner Mutter bemerkt hatte.
Ihre Gedanken waren angewidert und ein wenig besorgt.
°Wie kann er ihn nur einfach so berühren! Als wäre er ein Mensch! Mein Gott, er könnte ihm in jeder Minute das Blut aussaugen und ihn stört es nicht!°
Ich versuchte, es Seth gleichzutun und sie so gut wie es ging zu ignorieren.
Sie tat mir Leid und ich verstand, dass sie sich um ihren Sohn sorgte und uns als Monster betrachtete, aber sie wusste auch, dass ich Seth niemals etwas antun würde.
Sie wusste ganz genau, dass ich ihn mochte, aber sie wehrte sich gegen diese Freundschaft, weil sie so aufgewachsen war. Sie hatte eindeutig Vorurteile, wenn auch nicht ganz unbegründete.
„Hey, gut zu sehen, dass alles so gekommen ist, wie du es dir gewünscht hast.“, sagte er fröhlich. „Ich freu mich für dich.“
Er blickte kurz zu seiner Mutter. °Mach dir nichts draus, Edward.°, dachte er und ich lächelte ihm zu.
„Danke, Seth. Das bedeutet mir sehr viel.“
Ich war ihm sehr dankbar, dass er gekommen war, trotz der Einwände der anderen.
Dann wandte ich mich zu Billy und Sue.
„Auch euch möchte ich danken. Dafür, dass Seth heute kommen durfte.“
°Als hätten sie mich davon abhalten können!°, dachte Seth.
Ich unterdrückte ein Lächeln und fuhr fort.
„Und dass ihr Bella heute zur Seite steht.“
„Keine Ursache.“, antwortete Billy und seine Stimme klang rauer als sonst. Seine Gedanken waren immer noch euphorisch.
Ich sah, wie Bella ihre Stirn runzelte, offensichtlich wunderte sie sich, genau wie ich vorhin, über Billys seltsames Verhalten.
Liebevoll betrachtete ich ihr verwirrtes Gesicht.
Wie sehr wünschte ich mir, Jacob würde kommen und sie noch glücklicher machen.
Ich wunderte mich selbst über diesen Gedanken. Normalerweise war ich froh, wenn er nicht hier war.
Aber ich wünschte mir so sehr, dass Bella überglücklich war, dass heute nichts mehr ihr Glück und ihre Freude trübte.
Eine Schlange bildete sich jetzt hinter ihnen, also führte Seth Billy und seine Mutter zum Essen, während er uns über Sues Schulter hinweg zuwinkte; sie hatte ihn an ihre linke und Billy an ihre rechte Hand genommen, ihre Gedanken waren erneut besorgt, als sie einen Blick auf die Denalis warf, die mit Carlisle und Esme unter zwei alten mit weiteren Rosen geschmückten Zedern standen und lachten.
Als nächstes kamen uns Angela und Ben, gefolgt von Mr und Mrs Weber, entgegen und beglückwünschten uns.
Ich musste lächeln, als ich Angelas freundliche Gedanken las und mich an den Tag erinnerte, als Bella neu in der Schule gewesen war und ich mir gewünscht hatte, sie würde sich mit Angela anfreunden, weil sie die einzige war, die nichts Boshaftes über Bella gedacht hatte.
Hinter ihnen kamen Mike und Jessica, Hand in Hand.
Ich lächelte kurz, als sie uns begrüßten, aber ich konnte nicht behaupten, dass ich mich freute.
Einmal abgesehen von Mike, der mir mit seinen Gedanken schon immer auf die Nerven gegangen war, konnte ich Jessica auch nicht besonders leiden.
Sie war genau das Gegenteil von Angela. Sie war eine der Personen, die in ihren Gedanken damals am meisten Gift versprüht hatten. Ich hatte Bella nie erzählt, wie unaufrichtig ihre freundlichen Worte waren, wie sehr sie sich von ihren Gedanken unterschieden.
°Warum hat er sie genommen? Er könnte jede haben! Jede! Warum sie? So hübsch ist sie jetzt auch wieder nicht … ich würde besser aussehen, wenn man mich in so ein Kleid stecken würde und mich so schminken würde … wahrscheinlich hat sie Unmengen von Geld für diese Aufmachung ausgegeben …°
Ich schluckte und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Ich wusste schon immer, wie falsch dieses Mädchen war und auch heute würde ich es ignorieren, obwohl ich ihr gerne einmal die Meinung sagen würde.
Ich könnte ihr sagen, dass sie nicht im entferntesten an Bella herankam. Ich könnte ihr sagen, dass sie für mich nicht im geringsten mit Bella zu vergleichen war, auch wenn sie nicht diese anstrengenden Gedanken hätte.
Aber natürlich würde ich nichts davon verlauten lassen.
Als ich Mikes Gedanken vernahm, wünschte ich mir, ich wäre in Jessicas Kopf geblieben. Dort war es wenigstens sicher. Anstrengend, aber sicher.
°Sie sieht verdammt heiß aus … dagegen ist Jess nichts.°
Aber natürlich war das nicht alles, was er dachte. An diesem Tag blieb mir auch nichts erspart, dachte ich und unterdrückte ein Knurren.
Ein Bild, das ihn und Bella – kaum bekleidet – zeigte, blitze in seinen Gedanken auf. Er hielt sie fest und küsste ihren Hals. Ich musste mit ansehen, wie sie in seiner Fantasie ihre Hände in seine Haare krallte und stöhnte.
Ich biss die Zähne so fest ich konnte zusammen und zog Bella ein Stück näher zu mir.
Dieser Mistkerl hatte Glück, dass ich sie im Moment im Arm hielt und deshalb nicht die Chance hatte, ihn in Stücke zu reißen.
Ich hätte es mit Freuden getan und jede Sekunde davon genossen.
Es war mir ziemlich egal, ob er Jessica wirklich mochte oder nicht. Ich wusste, dass sie austauschbar für ihn war. Er hatte sie nur genommen, weil nichts Besseres da gewesen war.
Ich kannte die Gedanken der Menschen. Ich wusste, wie oberflächlich viele von ihnen waren.
Das interessierte mich nicht.
Aber es interessierte mich sehr wohl, wenn seine abartigen Gedanken zu Bella wanderten. Und dann auch noch auf diese Art und Weise.
Ich wusste nicht, wie lange ich mich noch unter Kontrolle haben würde, aber zu Mikes Glück tauchten die Denalis hinter ihnen auf und Jessica schob ihn weiter, nachdem sie Bella ein falsches Lächeln geschenkt hatte.
Sie gingen mir wirklich auf die Nerven.
Tanya stand vorne und ich sah die Freude in ihren Gedanken, als sie mich umarmte. Lächelnd erwiderte ich ihre Umarmung mit meinem freien Arm. Unsere Vampirverwandtschaft aus Alaska war eine angenehme Ablenkung für mich.
Neben Tanya standen Kate, ihre langhaarige, blonde Schwester, Carmen und ihr Gefährte Eleazar.
Ihre Gedanken waren um einiges erträglicher, auch wenn Tanya … mich immer noch sehr mochte, wie ich in ihren Gedanken erkennen konnte.
In solchen Momenten wünschte ich mir, ich könnte es einfach ausschalten, um mir und den anderen einige Peinlichkeiten ersparen zu können.
Zum Glück reagierte sie nicht mehr so auf mich, wie in der Woche, als ich nach Alaska geflüchtet war, um den Kopf frei zu bekommen, als Bella sich zum ersten Mal neben mich an den Tisch im Biologiesaal gesetzt hatte und mich mit ihrem Duft fast um den Verstand gebracht hatte.
Damals war Tanya immer noch hoffnungsvoll gewesen, auch wenn ihre Gefühle für mich nicht besonders tiefgehend waren, hatte ich sie verletzt. Sie war abweisende Reaktionen auf sie nicht gewohnt.
Aber nun waren ihre Gedanken freundlicher, auch wenn ich mir sicher war, dass sie einen Teil ihrer Gefühle vor mir zu verbergen versuchte.
°Eine wunderschöne Hochzeit …°, dachte sie.
Ich sah, wie sie Bella mit einer Mischung aus Neugierde und leiser Eifersucht betrachtete.
„Ah, Edward“, sagte sie, „du hast mir gefehlt.“ Ich hörte, wie Bella neben mir die Luft anhielt und lachte leise, während ich mich höflich aus Tanyas Umarmung wand.
Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter und trat einen Schritt zurück, um sie zu betrachten.
„Es ist lange her, Tanya. Du siehst gut aus.“
„Du auch.“, antwortete sie mit einem bedauernden Lächeln.
Es war in der Tat lange her. In ihren Gedanken sah ich jetzt die gleiche Nacht, an die ich gerade gedacht hatte. Nach einer Woche bei den Denalis hatte ich damals beschlossen, wieder nach Forks zu meiner Familie zurückzukehren und mich dem Problem – Bella – zu stellen. Wieder musste ich bei dieser Erinnerung lächeln; Tanya hatte mich gefragt, ob ich Frauenprobleme hätte. Ich hatte ihr bis heute nicht erzählt, was der wirkliche Grund für mein plötzliches Auftauchen gewesen ist.
°Frauenprobleme. Also hatte ich damals doch irgendwie Recht. Freut mich, dass sich das Problem in solch ein Glück für dich verwandelt hat.°
Mein Lächeln wurde breiter.
„Komm, ich stelle dir meine Frau vor“, sagte ich und merkte im selben Moment, wie stolz und glücklich meine Stimme klang. Es war das erste Mal, dass ich es aussprach und es klang so wunderschön, wie in einem Traum.
Bella. Meine Frau.
Tanya, Kate, Carmen und Eleazar lachten alle ein wenig. Ihnen war natürlich auch nicht entgangen, dass ich vor Stolz fast zu platzen schien.
Sie waren in Gedanken alle neugierig, aber nicht abgeneigt oder geschockt.
Das hing zum einen natürlich damit zusammen, dass sie vorbereitet worden waren und zum anderen, dass es vor allem für Tanya und Kate nicht so überaus außergewöhnlich war.
Auch sie hatten ihre Vorlieben für Menschen entwickelt. Menschliche Männer hatten für sie einen besonderen Reiz, ihrer Wärme und Weichheit wegen. Zwar hatten sie bis jetzt für keinen von ihnen besondere Gefühle gehabt, aber sie waren doch vertraut mit diesem Thema.
„Tanya, das ist meine Bella.“, sagte ich und drückte Bella zärtlich an mich. Sie warf mir kurz einen nervösen Blick zu, lächelte dann aber, als sie sich in meine Umarmung schmiegte.
Tanya musterte sie kurz, dann streckte sie die Hand aus.
„Willkommen in unserer Familie, Bella.“ Ich sah Bellas wunderschönes Gesicht in ihren Gedanken, unwillkürlich verglich sie sich mit ihr, dann lächelte sie.
„Wir betrachten uns als Carlisles erweiterte Familie, und dieser ... dieser Vorfall neulich, bei dem wir uns nicht entsprechend verhalten haben, tut mir aufrichtig Leid.“
Sie dachte daran, wie Carlisle bei ihnen angerufen und um Hilfe gebeten hatte, so dass die Armee aus neugeborenen Vampiren leichter zu besiegen war. Tanya hatte abgelehnt, nachdem Carlisle ihren Vorschlag abgelehnt hatte. Irina war die Gefährtin von Laurent gewesen und hatte im Gegenzug verlangt, dass sie Rache an den Wölfen, die Laurent getötet hatten, nehmen durfte.
Ich sah, wie sehr es Tanya Leid tat und wie traurig sie über das Verhalten ihrer Schwester war. Irina war natürlich deshalb nicht mitgekommen. Sie trauerte immer noch und hegte einen Groll gegen uns.
„Wir hätten dich eher kennenlernen sollen. Kannst du uns verzeihen?“, fragte sie.
„Natürlich“, antwortete Bella ein wenig außer Atem, ihr Herz schlug höher als normal.
„Ich freue mich so, euch kennenzulernen.“
„Jetzt haben alle Cullens ihren Partner gefunden. Vielleicht sind wir als Nächstes dran, was, Kate?“ Sie grinste ihre Schwester, die ihr sehr ähnlich sah, an.
„Träum weiter“, murmelte Kate und verdrehte die Augen, dann wand sie sich Bella zu und drückte freundlich ihre Hand.
„Willkommen, Bella.“
°Sie scheint sehr nett zu sein, wenn auch ein wenig schüchtern. Tanya hat Recht, wir hätten sie schon früher treffen müssen.°
Als nächstes trat Carmen vor und legte ihre Hand auf Kates.
Ihre dunklen Haare und der Hauch von spanischem Akzent, als sie sprach, verrieten ihre Wurzeln.
„Ich bin Carmen, und das ist Eleazar. Wir freuen uns alle so, endlich deine Bekanntschaft zu machen.“, sprach sie mit ruhiger Stimme.
„I-ich mich auch“, stammelte Bella verlegen.
°Ein wunderschönes Mädchen. Und sehr ruhig. Wie gut, dass Edward endlich die Richtige gefunden hat.°, dachte Carmen.
Eleazars Gedanken waren ein bisschen skeptischer. Ich wusste, er hatte früher bei den Volturi gelebt, bis Carmen gekommen war und er mit ihr ein glückliches Leben begonnen hatte.
°Sehr bemerkenswert, dass Edward es geschafft hat. Ich hoffe, es wird gut gehen mit den beiden. Wirklich äußerst ungewöhnlich … °
Tanya warf einen Blick auf die menschlichen Gäste, die hinter ihr kamen.
Es waren Charlies Hilfssheriff Mark und seine Frau, die ihre Verblüffung angesichts der Denalis kaum verbergen konnten.
°Mein Gott, warum sehen sie alle so perfekt aus? Sie scheinen nicht alle miteinander verwandt zu sein, aber dieses Aussehen kann doch nicht natürlich sein!°
°Diese Schönheit muss sicherlich von einem guten Schönheitschirurgen kommen. Wie viel sie dafür wohl bezahlt haben? Das ist doch unnormal …°
Tanya waren die Blicke auch nicht entgangen.
„Wir können uns später noch kennenlernen. Wir haben ja ewig Zeit!“, lachte sie, während sie mit ihrer Familie weiterging.
°Die sind ja richtig geschockt. Eigentlich sollten sie doch an unsere Perfektion gewöhnt sein, wo ihr hier doch schon seid einigen Jahren lebt°, dachte sie amüsiert.
Nach einer weiteren halben Stunde voller Glückwünsche und Umarmungen, kam Alice angerannt und führte uns in die Mitte unseres Gartens, direkt neben die gigantische Tanzfläche, wo ein gläserner Tisch stand, auf der sich die Hochzeitstorte befand.
Tausende Blitzlichter erhellten die dank der funkelnden Lichterketten ohnehin schon helle Nacht, während ich die Torte anschnitt.
Wieder kam ich mir wie in einem Traum vor und ignorierte die lauten Gedanken unserer Gäste, um mich voll und ganz auf Bella zu konzentrieren.
Abwechselnd schoben wir uns gegenseitig von der süßen Torte in den Mund und ich musste kichern, als Bella mich mit einem ungläubigen Blick anstarrte, während ich meinen Teil des Tortenstücks verspeiste.
Zugegeben, es roch ziemlich widerlich und der Geschmack war nicht besser, aber ich würde doch einen solchen Brauch nicht auslassen, dachte ich immer noch lachend und wischte zärtlich ein bisschen Sahne aus Bellas Mundwinkeln.
Um uns herum wurden unendlich viele Bilder geschossen, das Klicken hörte kaum auf.
Als nächstes warf Bella ihren Brautstrauß direkt in die Hände von Angela, die ganz überrascht war und rot wurde und sich von Ben umarmen ließ. Ich lächelte, als ich daran dachte, dass ich vor einiger Zeit dazu beigetragen hatte, die beiden zusammen zu bringen.
Bella kam wieder zu mir und als ich sah, wie sie das Strumpfband, das noch den Geruch von Alice auf sich trug, fast bis zum Knöchel heruntergeschoben hatte, bückte ich mich und zog es ihr mit größter Vorsicht mit meinen Zähnen ab.
Ich merkte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss und hörte das dröhnende Lachen meiner Brüder.
°Da schau mal wie sich die Kleine schämt!°, dachte Emmett und gluckste.
Ich überlegte kurz, blinzelte und fixierte dann Mike, der zu meinem Glück in der ersten Reihe neben ihnen stand.
Das hier war wenigstens ein Teil meiner Rache, dachte ich grinsend, wenn ich ihn schon nicht zerfetzten durfte, und ließ ihm das Strumpfband direkt in sein Gesicht sausen.
Ich lachte heftig, während ich Bella wieder in den Arm nahm und das verdutze und dann ärgerliche Gesicht von Mike Newton sah.
„Tut mir wirklich leid“, kicherte ich und sah, wie Bella auch ein wenig lächeln musste.
°So ein Idiot. Es reicht ihm wohl nicht, dass er das heißeste Mädchen der ganzen Stadt abgekriegt hat. Ich hasse ihn!°
Mit bester Laune führte ich meine Bella zur Tanzfläche, als Rosalie sich wieder an den Flügel setzte, der jetzt nach draußen gebracht worden war, und zu spielen anfing.
Sie wehrte sich kein bisschen, was mich ein wenig wunderte, denn ich erinnerte mich nur zu gut an das letzte Mal, als wir auf dem Schulball tanzen gewesen waren.
Aber dies hier war schließlich der traditionelle Eröffnungstanz und alle Augen waren wieder auf uns gerichtet.
Glücklich seufzend schmiegte sie sich in meine Arme, während ich führte und uns auf der hell strahlenden Tanzfläche herumwirbelte.
Ich beugte mich zu ihr, berührte mit den Lippen ihr Ohr und atmete den berauschenden Duft ihrer wunderschön glänzenden Haare ein. Ein sanfter Erdbeerduft vermischte sich mit dem blumigen Aroma ihres Bluts.
„Amüsieren Sie sich, Mrs Cullen?“, flüsterte ich samtweich.
Sie lachte und sah mich durch ihre langen Wimpern unwiderstehlich an.
„Es wird noch einige Zeit dauern, bis ich mich daran gewöhnt habe.“
„Zeit haben wir reichlich“, murmelte ich glücklich. Gab es etwas Schöneres, als sein ganzes Leben mit diesem engelsgleichen Mädchen verbringen zu dürfen?
Die Gefühle, die durch mich strömten, als ich sie jetzt sicher in meinen Armen hielt, waren Antwort genug.
Langsam beugte ich mich zu ihr, bis sich unsere Gesichter auf gleicher Höhe befanden und sie glücklich lächelnd ihre atemberaubenden Augen schloss.
Erneut waren unzählige Kameras zu hören, während ich sie küsste und alles an Bedeutung verlor. Alles, außer die Süße und Wärme ihrer köstlichen Lippen und die Tatsache, dass sie mich ausgesucht hatte, dass sie mich über alle Grenzen der menschlichen Vernunft liebte.
Nach wenigen Minuten, die mir viel zu kurz vorkamen, wurde ein neues Stück gespielt und Charlie kam, um mich abzulösen.
Nur widerwillig ließ ich Bella los und sah zu, wie sie ihren Vater in den Arm nahm.
Ich lief zu Esme, die gerade auf die Tanzfläche gekommen war und mich jetzt fröhlich anstrahlte.
„Darf ich bitten?“, fragte ich lächelnd und sie legte die Arm um mich.
°Aber natürlich, mein Sohn.°
Und dann tanzten wir so schnell, dass wir in den Augen der Menschen fast verschwanden. Ich sah wie Bella und Charlie sich hin und her schoben, es war offensichtlich, dass sie die Tanzkünste ihres Vaters geerbt hatte, dachte ich lächelnd.
°Du kannst dir nicht vorstellen, wie oft ich mir deine Hochzeit vorgestellt habe, Edward. Wie oft ich mir Sorgen gemacht habe, dass du noch zu jung gewesen bist bei deiner Verwandlung und deshalb nicht die Richtige finden konntest.
Und jetzt hast du Bella, die ich wie eine Tochter liebe. Es macht eine Mutter so froh, wenn sie ihre Kinder so glücklich sieht.°
„Du bist die beste Mom der Welt. Und noch einmal vielen Dank, dass du uns deine Insel zur Verfügung stellst …“, sagte ich, während wir uns unaufhörlich drehten.
„Das ist doch nicht der Rede wert. Ich wette, sie wird euch genauso verzaubern, wie mich damals“, meinte sie schmunzelnd.
Ich tanzte mit den Denali-Schwestern und Carmen, dann mit unseren alten Schulkameradinnen, wobei ich Jessica zufällig ausließ und schließlich bat ich Alice um einen Tanz, während Mike zu meinem größten Missfallen anfing, mit Bella zu tanzen.
„Danke für diesen wunderschönen Tag, Alice. Dein Talent ist unermesslich.“, grinste ich und ihr ganzes Gesicht strahlte.
°Es freut mich, dass es dir gefallen hat.°
Hinter uns ertönten Mikes Gedanken so laut, dass ich für einen kurzen Moment genervt die Augen schloss und Alice lachte, als sie meinem Blick folgte.
°Ich wünschte ich könnte sie jetzt in irgendein Nebenzimmer bringen und sie dann ausziehen … nur schade, dass sie mich nie so gemocht hat wie diesen Trottel Cullen …°
In diesem Moment hatte Alice eine kurze Zukunftsvision und lenkte mich damit ab.
Ich brauchte einen Augenblick, um zu erkennen, was die Bilder in ihrem Kopf zu bedeuten hatten.
Sie zeigten mich und Bella auf einem großen weißen, mir unbekannten Bett und wie ich nur zu gut erkennen konnte, trugen wir nichts mehr.
Mir stockte der Atem, aber da war die Vision schon wieder verschwunden. Das änderte nun aber auch nichts mehr daran, dass sich die Bilder in mein Gehirn eingebrannt hatten und mein ganzer Körper sich anfühlte, als stünde er unter Strom.
Alice grinste verlegen. „Ich wollte deine Aufregung nicht vorzeitig heraufbeschwören, entschuldige.“
°Wenn ich meine Hand jetzt nur langsam nach unten bewege …°, tönte es hinter mir.
Ein Knurren entfuhr meinen zusammengepressten Lippen.
„Es tut mir leid, Alice, aber ich werde Mikes Tanz jetzt beenden müssen, bevor ich mich nicht mehr beherrschen kann und ihm den Kopf abreiße“, zischte ich und war schon auf dem Weg zu ihnen, Alice lachend hinter mir.
„Mike ist immer noch nicht dein bester Freund, was?“, fragte Bella mich, als ich sie wirbelnd von dem Mistkerl wegzog.
„Nicht, wenn ich seine Gedanken hören muss. Er hat noch Glück, dass ich ihn nicht hinausgeworfen habe. Oder Schlimmeres.“ Ihn nur aus meinem Haus zu bringen, wäre mir ehrlich gesagt nicht genug gewesen.
„Ach ja?“ Sie klang skeptisch.
„Hast du dich überhaupt mal angesehen?“
„Hm. Nein, ich glaube nicht. Wieso?“ Ich musste jetzt doch noch lächeln. Jedes andere Mädchen hätte es kaum erwarten können, sich im weißen Brautkleid sehen zu dürfen, Bella natürlich nicht.
„Dann ist dir wohl nicht bewusst, wie unglaublich, wie umwerfend schön du heute Abend bist.“ Das war eine Untertreibung, aber es gab einfach keine Worte, die ihren Anblick angemessen hätten beschreiben können.
„Es wundert mich nicht, dass Mike seine unziemlichen Gedanken nicht im Zaum halten kann, obgleich du jetzt verheiratet bist. Doch es enttäuscht mich, dass Alice dich nicht gezwungen hat, in den Spiegel zu schauen.“
Wahrscheinlich, weil Bella dann eine Panikattacke erlitten hätte.
„Du bist voreingenommen“, antwortete sie und ich seufzte. Wann würde dieses wunderbare Mädchen sich endlich klar sehen?
Ich blieb stehen und drehte sie in Richtung des Hauses, wo die Türen und Fenster verglast waren, um ihr ihr perfektes Spiegelbild vor Augen zu führen.
Ich deutete zur Glaswand, die uns jetzt als Spiegel diente.
„Ja, bin ich voreingenommen?“
Ich sah, wie sie langsam die Szene beobachtete und sich ihre Augen dann weiteten.
Ich selbst war gefangen in ihrer Schönheit.
Sie war so wunderschön, anmutig und elegant … Schöner und wundersamer als alles, was meine Augen je erblickt hatten und je erblicken würden.
Sekunden verstrichen, während sie ungläubig und ich glückselig ihr Spiegelbild beobachtete.
Ich ließ meinen Blick kurz über unsere Hochzeitsgäste schweifen, als ich plötzlich eine Gedankenstimme vernahm, von der ich noch heute Morgen gedacht hatte, ich würde sie nie wieder zu hören bekommen.
Rau und heiser war sie mir vor einiger Zeit genauso verhasst gewesen, wie sie mir jetzt vertraut vorkam.
°‘n Abend, Blutsauger. Ich muss sagen, ich bin dir jetzt doch dankbar, dass du mir eine Einladung geschickt hast. Danke, dass du mir die Wahl gelassen hast. Um nichts auf der Welt hätte ich diesen Anblick verpassen wollen.°
„Oh!“, rief ich vollkommen überrascht aus.
Er war gekommen. Jacob war gekommen, dank meiner Einladung. Es tat gut, zu wissen, dass ich etwas im Bezug auf ihn richtig gemacht hatte. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich das Richtige tat, als ich ihm den Brief zusammen mit der Einladung zu unserer Hochzeit schickte.
Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, als ich mir vorstellte, was für ein Gesicht Bella machen würde. Sie würde überglücklich sein.
„Was ist?“, fragte sie mich verwirrt.
Ich dachte den Bruchteil einer Sekunde über meine Antwort nach und entschied dann, noch nichts zu verraten.
„Ein überraschendes Hochzeitsgeschenk.“
„Wie bitte?“ Sie war eindeutig noch mehr verwirrt. Die vertraute, kleine Falte erschien zwischen ihren Augenbrauen, aber ich sagte nichts, zog sie einfach näher zu mir heran und tanzte weiter.
Aber ich wirbelte sie jetzt von der Tanzfläche weg, hinein in die Dunkelheit, die meinen Augen nichts ausmachte, aber für ihre bestimmt beschwerlich war.
Ich tanzte genau in die Richtung, in der ich Jacobs Gedanken vernahm, die jetzt voll freudiger Erregung waren.
Einige Gäste – unter anderem Emmett und Jasper – warfen uns irritierte Blicke zu und ich sah die Verwirrung in ihren Gedanken. Als wir kurz an Alice vorbeikamen, schaute sie erst zu mir, dann zu zwei großen Bäumen, die weiter entfernt vom Geschehen waren und die keine Lichter trugen. Was natürlich auch ihre Sicht nicht trübte.
°Ich hätte mir denken können, dass der Wolf etwas damit zu tun hat, als alles verschwunden ist.°, dachte sie etwas pikiert.
Ich machte erst Halt, als wir direkt vor den Bäumen standen und ich Jacob sah.
Bella blinzelte und schaute dann zu mir auf – Verwirrung spiegelte sich immer noch in ihrem zarten Gesicht.
Jacob, dessen Augen fast so gut wie meine waren, sah Bella aber im Hochzeitskleid und war in Gedanken überwältigt.
°So wunderschön …° Sein Herz schlug schneller bei ihrem Anblick und ich beneidete ihn dafür. Jedes Mal wenn ich ihn sah, wurde mir vor Augen geführt was ich nicht hatte, was ich Bella nicht geben konnte.
Aber der traurige Gedanke wurde schnell von Dankbarkeit ersetzt, als ich in das Gesicht meiner Frau sah. Ich war Jacob so dankbar, dass er gekommen war und sie so froh machen würde.
„Danke. Das ist sehr … freundlich von dir“, sagte ich zögernd. Ich sah den namenlosen Schmerz in seinen Gedanken. Es kostete ihn einige Überwindung, hier zu sein, da er sich schon wieder von Bella verabschieden musste. Ich kannte das Gefühl: Er wollte unbedingt zu ihr, fürchtete sich aber vor den Konsequenzen.
Seine Liebe zu ihr war keineswegs kleiner geworden.
„Freundlich ist mein zweiter Vorname“, sagte er lächelnd. „Darf ich dich ablösen?“
°Ich werde mich heute hundertprozentig unter Kontrolle haben, versprochen.°
Ich wusste nicht genau, ob dies an mich gerichtet war, aber mir war klar, dass er sich auch selbst mit diesen Worten überzeugen wollte. Er war hier her gekommen, um Bella ein letztes Mal zu sehen und wollte ihr auf keinen Fall die Hochzeit verderben. Jäh strömte ein Gefühl der Zuneigung für ihn durch mich.
Bella fasste sich erschrocken an den Hals, ich merkte, wie sie die Kontrolle über ihren Körper verlor und nahm sie fester in meine Arme, damit sie nicht umfiel.
„Jacob!“, stieß sie hervor und schnappte nach Luft. „Jacob!“
°Wie sehr ich diese Stimme vermisst habe …°
„Hi, Bella“, antwortete er betont locker, aber ich sah die Liebe und unglaubliche Freude in seinen Gedanken.
Bella taumelte einen Schritt nach vorne, sie konnte ihn wahrscheinlich immer noch nicht sehen und ich ging mit ihr, wollte mir sicher sein, dass sie Halt hatte, und führte sie dann in Jacobs Arme, deren Hitze auf meiner eiskalten Haut brannte.
Und dann umarmten sie sich, Jacob presste seine Stirn gegen Bellas Haar, seine langen Arme um ihren zerbrechlichen Körper geschlungen.
Er dachte nicht in Worten, er war einfach nur froh, sie im Arm halten zu dürfen. Ich konnte mir gut vorstellen, was Jasper fühlen würde, würde er sich jetzt in seiner Nähe befinden.
Ich spürte das vertraute Gefühl der Eifersucht, als ich die beiden so ineinander verschlungen sah. Meine Bella mit ihrem besten Freund, dem Werwolf, für den sie mehr als nur freundschaftliche Gefühle hegte.
Schmerz durchfuhr mich und mein Körper versteifte sich, aber ich schrie mich in Gedanken selbst an. Ich hatte mir diesen Augenblick doch vor wenigen Minuten selbst herbeigesehnt und außerdem war dies ihr wahrscheinlich letzter gemeinsamer Moment, danach würde es kein Wiedersehen geben.
Ich räusperte mich kurz. „Rosalie wird es mir nie verzeihen, wenn ich ihr den Tanz mit dem Bräutigam vorenthalte“, murmelte ich, wobei sich meine Stimme etwas seltsam anhörte, doch ich gab mir einen Ruck und kehrte ihnen den Rücken zu.
Jacobs Gedanken konnte ich aber trotz allem nicht einfach ausschalten.
°Bella … oh, Bella. Wie sehr du mir jetzt schon fehlst …°
Ich lief schweren Herzens wieder zu den anderen Gästen und realisierte dabei die Gedanken dreier Wölfe in einigen Metern Entfernung, kurz bevor mir ihr abstoßender Geruch in die Nase stieg.
Sam war im Wald ganz in der Nähe unseres Grundstücks. Zusammen mit Quil und Jared waren sie gekommen, um Acht auf Jacob zu geben. Sie trauten ihm nicht vollständig, was meiner Meinung nach berechtigt war.
Zwar sah ich in seinen Gedanken, wie er sich unbedingt zwingen wollte, die Kontrolle über sich zu behalten und – egal was käme – nicht auszurasten, aber dennoch war er ein Werwolf, der Bella liebte und ihre endgültige Entscheidung immer noch nicht ganz verkraftet hatte. Ich wusste, ein falsches Wort könnte ausreichen, um ihn seine Vorsätze vergessen zu lassen und ich wollte mich auf seine Gedanken konzentrieren, um in jedem Fall zu verhindern, dass Bella zu Schaden kam.
Da Alice die Wölfe nicht sehen konnte, konnte ich mich auch nicht auf ihr Urteil verlassen. Sie konnte nicht mit Sicherheit sagen, was passieren würde.
Kurz ärgerte ich mich darüber, dass ich Bella einer solcher Gefahr aussetzte, aber dann hörte ich ihr Schluchzen und sah ihr glückliches, verweintes Gesicht in Jacobs Gedanken und beruhigte mich ein wenig.
Es sah bis jetzt nicht danach aus, als würde der Hund die Kontrolle über sich verlieren, dachte ich, während ich zurück zum eigentlichen Geschehen lief und die erneut irritierten Gedanken der menschlichen Gäste ignorierte.
Emmett und Jasper hatten inzwischen auch mitbekommen, welcher verspätete Gast doch noch zu unserer Hochzeit aufgetaucht war.
Ich seufzte und ging zu Rosalie, die am Klavier saß und ein Stück nach dem anderen spielte. Neben ihr war eine riesige Musikanlage aufgebaut, falls sie gerade keine Lust auf das Spielen hatte oder lieber tanzen wollte.
°Jacob, hm?°, dachte sie, als sie mich näher kommen sah. °Ich muss sagen, einer dieser Köter hätte mir voll und ganz gereicht.°
Ich verdrehte die Augen und lächelte dann halbherzig.
„Darf ich dich um einen Tanz bitten, Schwester?“
„Frag lieber erst Emmett um Erlaubnis“, kicherte sie, aber stand dann mit einem amüsierten Blick zu ihrem Liebsten, der gerade mit Renée tanzte und auf unseren Austausch hin spielerisch knurrte, vom Flügel auf und legte eine CD mit ausgesuchten Stücken ein, nahm meine Hand und führte mich zur Tanzfläche.
Ich konzentrierte mich kurz auf das Gespräch, das sich im hintersten Winkel unseres Gartens abspielte.
„Hör auf zu heulen, Bella. Du ruinierst dir dein Kleid. Ich bin‘s doch nur“, hörte ich Jacob sagen. Er sprach immer noch sehr lässig, darauf bedacht, nicht seine wahren Gefühle zum Vorschein zu bringen. „Nur? Oh, Jake! Jetzt ist alles perfekt.“
Ich hörte ihn schnauben.
„Ja – jetzt kann die Party losgehen. Der Trauzeuge hat es doch noch geschafft.“
„Jetzt sind alle hier, die ich liebe.“
„Tut mir leid, dass ich zu spät komme, Schatz.“
„Ich bin so glücklich, dass du da bist!“
„Das war der Sinn der Sache.“
Benommen versuchte ich die Emotionen zu verdrängen, die sich in mir breit machten. Es tat so weh, sie miteinander sprechen zu hören wie zwei Vertraute, zwei Liebende.
Reiß dich zusammen, ermahnte ich mich selbst. Ich war selbst Schuld an allem, das wusste ich. Niemals hätte Bella so ein Vertrauen zu Jacob entwickelt, niemals hätte sie sich in diesen Jungen verliebt, hätte ich sie in jener Nacht, die mir immer noch Schmerzen bereitete, nicht verlassen.
Ich schluckte noch einmal hart, um das Verlangen, hier und jetzt in qualvolle Schluchzer auszubrechen, zu unterdrücken.
°Edward?°, fragte Rosalie zaghaft. Ich registrierte erst jetzt, dass wir schon auf der Tanzfläche standen und sie mich jetzt leicht besorgt beobachtete, mein Gesicht schmerzhaft verzerrt in ihren Gedanken.
Sofort versuchte ich, meine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle zu bringen und setze ein Lächeln auf.
„Entschuldige bitte, ich war in Gedanken versunken“, meinte ich und legte meine Arme um sie, um den Tanz zu beginnen. Wir tanzten eine Weile und sie blieb genauso still wie ich, doch ihre Gedanken waren alles andere als ruhig. °Ich sehe doch, dass etwas mit dir los ist, Edward. Es ist wegen dem Hund, oder?°
Ich schüttelte ruckartig den Kopf, sah ihr aber nicht in die Augen.
Rosalie war normalerweise kein aufmerksamer Mensch, beziehungsweise Vampir, aber in dieser Situation war der Grund meiner Sorgen wohl nicht besonders schwer zu erraten.
„Ich sorge mich nur um Bellas Sicherheit. Ich weiß nicht, ob er sich sicher unter Kontrolle hat, deshalb konzentriere ich mich auf seine Gedanken“, erklärte ich mit der Hoffnung, sie würde diese Halbwahrheit so annehmen und nicht weiter nachdenken.
„Ich bin mir sicher, er würde es hier nicht wagen, Edward. Es ist eure Hochzeit.“ Sie lächelte. °Du machst dir zu viele Gedanken. Sie sind doch in Reichweite.°
Ich brachte dieses Mal kein Lächeln zustande, sondern nickte nur abwesend, während ich meine Aufmerksamkeit wieder Jacobs und Bellas Gespräch schenkte.
„Ich bin froh, dass ich gekommen bin“, sagte er ruhig. Seine linke Hand ruhte auf Bellas Rücken, die rechte hatte er auf ihre gelegt, die an seinem Herz lag. So bewegten sie sich zum Takt seines Herzschlags, während seine Gedanken vor Gefühlen fast überwältigt wurden und ich ein Zittern unterdrückte. Diese Szene, die ich aus seinen Augen sah, war so romantisch, so wunderschön und friedlich … und alles, was ich mir je für Bella gewünscht hatte. Die Schmerzen in meinem Inneren nahmen zu. Ich konnte ihr im Gegensatz zu Jacob so wenig geben.
„Das hätte ich nicht gedacht. Aber es tut gut, dich zu sehen … ein letztes Mal. Es ist nicht so traurig, wie ich erwartet hätte“, sprach Jacob weiter.
Er überraschte mich mit dieser Lüge. In Gedanken fragte er sich schon, wie er die nächsten Tage überleben sollte. Er litt jetzt schon, aber hielt sich fest an seinem Versprechen, Bella keine Vorwürfe zu machen oder sie von seinen Schmerzen wissen zu lassen.
Er war wirklich der Richtige für sie.
„Hey, Edward.“ °Was ist nur los mit dir?°
Ich hatte meine Schwester schon fast vergessen, obwohl ich mich mitten in einem Tanz mit ihr befand.
„Es tut mir wirklich Leid“, wiederholte ich, immer noch nicht ganz bei der Sache.
„Es muss doch mehr sein, als nur diese Sorge. Weißt du, ich verstehe das vielleicht besser, als du denkst.“
Das bezweifelte ich, aber trotzdem versuchte ich mich mehr auf Rosalie zu konzentrieren. Ich wollte nicht unhöflich zu meiner Schwester sein, sie hatte sich in der letzten Zeit sehr mit ihrer Kritik zurückgehalten.
°Ich habe schon einmal daran gedacht, was ich tun würde, wenn Emmett ein Mensch wäre. Ich glaube, ich verstehe wie du denkst. Aber du musst auch Bella verstehen. Stell dir vor, du wärst ein Mensch und sie ein Vampir. Hättest du dann nicht auch den Wunsch, für immer mit ihr zusammen zu sein?°
Überrascht blickte ich sie an. Es war etwas sehr Ungewöhnliches, wenn nicht das erste Mal, dass Rosalie Bella verteidigte.
Unwillkürlich ließ ich mich ablenken. Zwar hatte meine Schwester nicht die Sorge erkannt, um die meine Gedanken gerade eben kreisten, aber sie hatte ein anderes Thema angesprochen. Sie hatte Recht, ich wäre immer bereit, Bella menschlich zu lassen. Es war immer noch mein Wunsch, wenn auch ein unerreichbarer.
Aber seid wann setzte Rosalie sich für Bella ein? Vor allem, wenn es um ihre Unsterblichkeit ging? Sie war doch immer die gewesen, die in dieser Hinsicht auf meiner Seite gewesen war. Sie war diejenige gewesen, die Bella gebeten hatte, ihren Wunsch noch einmal zu überdenken. Warum wechselte sie dann so plötzlich ihre Ansichten?
°Ernsthaft. Denk mal darüber nach, wie es umgekehrt wäre, Edward°, dachte sie mit einem Blick auf meinen verwirrten Gesichtsausdruck.
Es war seltsam … Noch nie hatte ich versucht, es auf diese Weise zu betrachten. Bella und ich, beide menschlich, darüber hatte ich logischerweise schon oft nachgedacht, es war mein sehnlichster Wunsch.
Aber Bella ein Vampir und ich ein Mensch … ?
Ich war mir sicher, ich würde sie genauso wollen, wie ich es jetzt tat. Und ich würde um alles in der Welt mit ihr zusammen sein wollen, Rosalie hatte Recht.
Langsam nickte ich, immer noch verirrt, während wir weiter tanzten und Jacob wieder in mein Bewusstsein drang.
°Was mach ich nur? Es ist wie eine verdammte Droge. Ich weiß nicht, wie ich entkommen soll … Wie soll ich ohne sie weiterleben?°, dachte er voller Schmerz.
„Das ganze Menschsein ist mir fremd geworden“, erklärte er laut und somit für Bella hörbar. Ich sah in seinen Gedanken, wie er versuchte, sich jedes Detail von Bella zu merken, während sie sich unaufhörlich auf dem Waldboden drehten.
Es erinnerte mich daran, dass ich das auch oft tat, obwohl mein Gehirn Informationen besser speicherte als seines.
„Aber es wäre zu schade gewesen, wenn ich dich so nicht gesehen hätte. Allein das war schon die Reise wert. Du siehst unglaublich aus, Bella. So wunderschön.“
°Ich liebe dich, hörst du? Ich will nicht Abschied nehmen. Ich liebe dich doch so sehr, Bella!°, schrie er in Gedanken förmlich. Er sprach nichts davon aus. Er wollte ihr keine Sorgen bereiten. Er war erstaunlich kontrolliert für einen Werwolf. In seinem Inneren schrie alles vor Schmerz und Verlust, aber seine Stimme klang normal.
Ich sollte vielleicht etwas mehr Vertrauen haben, dachte ich und konzentrierte mich wieder auf meine Schwester, die jetzt ein wenig lächelte.
°Weißt du, ich glaube, ich werde dich sogar vermissen. Und Bella auch. Ich habe mich so an euch gewöhnt. Auch wenn Bella und ich immer noch nicht die besten Freunde sind. Daran bin ich ja wohl am meisten Schuld, stimmt‘s?°, dachte sie.
„Ich wünsche dir, dass ihr glücklich werdet“, meinte sie dann aufrichtig.
„Danke Rose, das bedeutet mir viel“, antwortete ich ihr und erwiderte ihr Lächeln.
Wieder erstaunte sie mich, normalerweise war sie nicht so … nett zu mir.
Aber was Bella anging, hatte sie auch Recht. Es war nicht so, dass sie meine Schwester nicht mochte, nur sah ich immer etwas Angst in ihrem Blick, wenn sie Rosalie begegnete.
Es hing wohl damit zusammen, dass Bella dachte, Rose würde sie nicht als Schwester wollen.
Ich behielt Jacobs Gedanken im Hinterkopf – für alle Fälle – und ließ jetzt auch andere Gedanken meiner Gäste in meinen Kopf strömen.
°Wenn sie wüsste, dass ihr kleines Töchterlein es bald mit einem Vampir treiben wird …°, dachte Emmett und unterdrückte ein Kichern, als er meinen Blick auffing. Schnell blendete ich ihn wieder aus, für dieses Thema hatte ich im Moment wirklich keine Nerven.
Carlisle, der gerade mit Tanya tanzte, deren Gedanken wehmütig bei ihrer Schwester Irina verweilten, sah mich aus den Augenwinkeln an und lächelte mir zu, als wir an ihnen vorbeitanzten.
°Es ist eine schöne Hochzeit, Edward. Aber du siehst im Moment etwas frustriert aus. Ich nehme an, Jacob bereitet dir Sorgen.°
Ihm war es natürlich auch nicht entgangen, dachte ich seufzend.
Charlie stand mit Esme zusammen neben der Tanzfläche, meine Mutter tätschelte ihm gerade die Schulter. Ihre Gedanken waren beide traurig und glücklich zugleich.
°Es tut mir leid, dass er jetzt wieder alleine leben muss, wo seine Bella geht. Und es wird noch schlimmer für ihn sein, wenn Bella ein Vampir ist und er sie nicht mehr sehen darf. Für mich wäre es unvorstellbar, meine Kinder auf solche Weise zu verlieren …°
Esme wusste genau, wie es sich anfühlte, da sie in ihrem Menschenleben ihr Kind verloren hatte. Ihre Gedanken waren nun voller Mitleid für Bellas Vater, das auch ich empfand.
Es fühlte sich so schrecklich an, sie auseinander zu reißen. Es war alles meine Schuld, dachte ich traurig.
Als nächstes wanderte mein Blick widerwillig zu Mike und Jessica, die sich an einem Tisch gegenübersaßen und schwiegen. Jessica dachte gerade daran, wie sie mich dazu bringen konnte, mit ihr zu tanzen. Ich musste vorsichtig sein. Mike hielt das Strumpfband in der Hand, was mich sehr wütend machte. Es war, als würde er einen Teil von Bella anfassen.
Allein die Vorstellung reichte, um wieder ein Knurren in meiner Kehle heraufzubeschwören.
Ich würde nach diesem Tanz Alice bitten müssen, es sich zu holen; mit der Ausrede, dass es ihr gehörte. Und so war es auch. Alice hatte es Bella nur geliehen, wie ich vorhin in ihren Gedanken vernehmen konnte, als ich es Mike zugeworfen hatte.
Sie saß gerade mit Jasper auf einer Bank, etwas abseits von den Anderen. Er hielt ihre Hände in seinen, während sie sich schweigend in die Augen blickten.
Es war ein ganz anderes Schweigen als das von Mike und Jessica. Ihre Gedanken harmonierten perfekt miteinander.
Es war ein solcher Moment, den ich damals, als ich Bella noch nicht kennengelernt hatte, nicht aushalten konnte. Alles an ihnen strahlte nur so an gegenseitigem Vertrauen und vollkommener Zufriedenheit, und obwohl sie nicht sprachen, waren ihre Blicke und ihre Gedanken eindeutig die zweier Liebenden.
Damals hatte mir eine solche Szene immer das vor Augen gehalten, was ich nicht hatte, aber seit mein persönlicher Engel in mein Leben getreten war, konnte ich es ihnen nachfühlen.
Aber egal, wie lange und intensiv ich mich auf die Gedanken der anderen konzentrierte, es konnte mich nicht davon abhalten, dass meine Gedanken immer wieder zu dem Gespräch von Jacob und Bella wanderten.
„Bist du … glücklich?“, vernahm ich Bellas Stimme. Das Zögern war auch Jacob nicht entgangen, er schluckte kurz.
„So gut wie. Aber reden wir nicht mehr von mir. Du bist heute der Star“, kicherte er und auch über mein Gesicht huschte kurz ein Lächeln, als ich in seinen Gedanken sah, wie Bella ihm eine Grimasse schnitt.
„Das gefällt dir doch bestimmt. Endlich mal so richtig im Mittelpunkt stehen.“
„Oh ja. Das ist das aller Schönste für mich“, erwiderte sie sarkastisch.
Jacob lachte, dann wurde er still und starrte in meine Richtung. Ich sah, wie er die Hochzeitsfeier betrachtete.
°Wenn ich nur daran denke, dass das meine Hochzeit mit ihr hätte sein können … aber nein. Ich muss damit aufhören! Das ist lange vorbei und ich darf nicht daran denken. Diese Möglichkeit existiert schon lange nicht mehr …°, dachte er traurig.
Dann blickte er zu den lachenden Gästen.
„Das muss man ihnen lassen. Partys feiern können sie.“
„Alice ist eine unbezwingbare Naturgewalt“, hörte ich Bella sagen und musste erneut lächeln.
Das Stück neigte sich dem Ende zu und hinter mir kam auch schon Emmett, um mich abzulösen.
Rosalie lachte leise.
„Komm, Rose. Jetzt kriegst du die Aufmerksamkeit, die dir zusteht“, meinte er grinsend, während er sie von mir weg zog.
Ich musste auch ein bisschen lachen, er hatte ja Recht.
„Es tut mir Leid“, meinte ich schnell zu meiner Schwester gewandt, aber sie war mir nicht wirklich böse, dass ich ihr nicht meine volle Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Sie kannte mich jetzt schon sehr lange.
°Vergiss es°, dachte sie immer noch lachend.
Auch Jacob hatte das Ende des Stücks vernommen. Er seufzte.
„Was meinst du, kriege ich noch einen? Oder ist das zu viel verlangt?“, fragte er, wobei sich alles in ihm dagegen wehrte, Bella jetzt schon loszulassen.
Ich verkrampfte mich wieder, als sein Herz wieder schneller schlug, weil Bella seine Hand fester hielt.
„Du kannst so viele Tänze haben, wie du willst“, sagte sie, ohne eine Ahnung zu haben, wie sie ihm und mir – auf unterschiedliche Art und Weise – zusetzte.
°Ach, Bella … warum ist alles nur so schief gelaufen …?°, dachte er, bevor er sich zu einem Lachen zwang. „Das wäre einen Versuch wert. Aber ich glaube, ich bleibe lieber bei Zweien. Nicht, dass es noch Gerede gibt.“ Nicht, dass es ihn stören würde, dachte ich sarkastisch.
Sie fingen an, sich wieder zu drehen und ich nahm nur am Rande wahr, dass ich ganz alleine auf der Tanzfläche stand und wie ein Verrückter in die Dunkelheit starrte.
„Eigentlich müsste ich es ja inzwischen gewohnt sein, von dir Abschied zu nehmen.“, murmelte er in ihr Haar.Dieser Anblick von Bella, weinend, weil sie wieder Abschied von Jacob nehmen musste, erinnerte mich an die Nacht, in der sie so herzzerreißend geschluchzt hatte, nachdem sie ihm gesagt hatte, dass sie mit mir zusammen bleiben würde.
Was ich dann sah, brach mir das Herz. Jacob runzelte die Stirn, während in seinem Kopf ein Bild von Bella auftauchte, wie sie ihn voller Schmerz ansah und ihr stumme Tränen über die Wangen liefen. Ich hatte wieder das Gefühl, als würde etwas in mir zerreißen.
Heftiger Hass stieg in mir auf. Ich war Schuld an ihrem Leid. Es lag nur an mir, dass ihr immer wieder wehgetan wurde. Ich war das abscheulichste, selbstsüchtigste Geschöpf im ganzen Universum.
°Ich will nicht Abschied von dir nehmen, Bella. Ich liebe dich. Bella, Bella, bitte …°, weinte Jacobs Gedankenstimme, während er ihr mit der Hand übers Gesicht fuhr und die heißen Tränen mit seinen Fingerspitzen auffing.
„Du sollst heute nicht weinen, Bella“, sagte er mit bewegungslosem Gesicht.
Ich wartete ihre Antwort ab, als ich plötzlich spürte, wie zwei Arme um meinen Hals geworfen wurden und ich zeitgleich die Gedankenstimme vernahm, die mir auf dieser Hochzeit fast am meisten auf die Nerven ging.
°Ich hab keine Ahnung wo Bella ist, aber umso besser, dann hab ich diesen Gott ganz für mich alleine.°
Ich blinzelte und ärgerte mich, als ich geradewegs in die Augen von Jessica sah. Ich war so abgelenkt gewesen, dass ich ihre Annäherungsversuche unglücklicherweise nicht mitbekommen hatte und jetzt musste ich wohl oder übel mit ihr tanzen.
„Wir haben noch nicht miteinander getanzt“, stellte sie überflüssigerweise fest. Als hätte ich sie unabsichtlich ausgelassen. Ich verzog meinen Mund kurz zu einem gezwungenem Lächeln und war darauf bedacht, sie kaum zu berühren, während wir zu tanzen anfingen.
Das hielt sie aber natürlich nicht davon ab, in Gedanken in ihren wildesten Fantasien zu versinken. Ich sah Bilder in ihrem Kopf, die bei mir den Drang auslösten zu würgen. Ich sah mich vor ihrem geistigen Auge, während ich sie – im weißen Brautkleid – im Arm hielt und dann zu küssen anfing.
Übelkeit machte sich in mir breit, doch ich ermahnte mich, sie einfach zu ignorieren und Bella wieder meine Aufmerksamkeit zu schenken.
„Was ist, Jake? Sag es mir einfach. Du kannst mir alles sagen“, sagte sie gerade und schaute Jacob besorgt an, der die Zähne zusammenbiss und offensichtlich mit sich kämpfte, um etwas nicht zu sagen.
°Ich muss mich besser zusammenreißen. Ich darf sie nicht fragen, wann er sie in eine Halbtote verwandelt. Ich werde vielleicht die Kontrolle verlieren, wenn sie mir sagt, dass es morgen oder übermorgen ist … ich kann das nicht.°
Ich wurde sofort hellhörig. Wenn er die Kontrolle über sich verlor, würde ich sofort zur Stelle sein.
„Ich … ich … ich hab dir nichts zu sagen“, stammelte er wenig überzeugend, während in seinem Inneren ein Kampf zwischen seiner Abscheu und der Neugierde stattfand.
„Ach, komm schon. Raus mit der Sprache.“
„Du hast Recht“, gab er zu. „Es ist nicht … es ist … es ist eine Frage. Etwas, dass ich gern von dir wüsste.“
„Dann frag mich.“
Die lauten, aufdringlichen Gedanken von Jessica Stanley durchbrachen meine Konzentration. In ihrer abscheulichen Fantasie befand ich mich gerade mit ihr auf einem Bett und küsste sie. Ich versuchte, meine Wut zu unterdrücken.
°Wie es wohl wäre? … Natürlich wäre es perfekt, er ist die Perfektion schlechthin. Zu schade, dass er mich damals nicht genommen hat … Ich könnte ihm soviel mehr geben, als Bella, die hat ja noch nicht mal irgendwelche Erfahrung! Ich wette, er will mehr, aber sie merkt es nicht mal. Wahrscheinlich ist er nur aus Mitleid mit ihr zusammen …°
Ich schnaubte und sie blickte überrascht zu mir auf, während ich immer noch versuchte, meine Wut zu zügeln. Dieses widerwärtige Mädchen war es nicht wert, dass ich wegen ihr die Kontrolle verlor.
Ich hörte kaum mehr ihrer ekelhaften Gedankenstimme zu, die sich jetzt fragte, wie ich wohl nackt aussehen würde.
„Es ist nicht heute Nacht, Jacob“, hörte ich Bellas Stimme, ein Flüstern.
Sie hatte verstanden, warum er so mit sich rang, auch ohne dass er die Frage aussprechen musste.
„Ach so“, sagte er tonlos, „Ach so.“
Seine Erleichterung war deutlich zu hören und auch in Gedanken jubelte er.
°Warum freue ich mich eigentlich so darüber? Ich werde sie doch sowieso nicht wiedersehen …°
Ein neues Lied begann und ich beschloss, dass es an der Zeit war, meinen Tanz mit Jessica augenblicklich zu beenden, bevor mir wirklich schlecht wurde.
Ich ließ sie abrupt los und ohne sie noch einmal zu beachten drehte ich mich in die entgegengesetzte Richtung und lief von der Tanzfläche, ihre enttäuschten Gedanken ließ ich hinter mir.
„Wann?“, hörte ich Jacob flüstern.
„Ich weiß es nicht genau. In ein oder zwei Wochen vielleicht“, antwortete ihm Bella angespannt.
Ich ging auf den Tisch zu, an der Alice nun alleine saß – Jasper tanzte jetzt mit Rosalie – und setzte mich neben sie.
°Ich kann nichts sehen, das macht mich wahnsinnig! Aber so wie es im Moment aussieht, wird er in circa fünf Minuten verschwinden°, dachte sie erleichtert und auch ich fühlte mich auf einmal besser.
Hinter uns nahmen Jacobs Gedanken einen zornigen, verwirrten Ton an.
„Warum der Aufschub?“, fragte er argwöhnisch.
„Ich wollte meine Flitterwochen nicht mit quälenden Schmerzen verbringen.“ Ich zuckte bei dem Gedanken daran zusammen, Alice blickte zu mir auf.
„Wie willst du sie dann verbringen? Mit Dame spielen?“ Seine Stimme klang spöttisch.
„Sehr witzig.“
°Edward, es ist nicht fair zu lauschen. Das ist Bellas Sache°, dachte Alice.
„Du verstehst das nicht. Ich kann mir nicht sicher sein, ob er ihr wehtut.“
Wir wussten jetzt beide, dass es nicht um seelische Schmerzen ging.
„Aber du hast sie doch auch schon früher alleine zu ihm gehen lassen“, meinte sie verwirrt.
°Ich verstehe nicht … du bist doch in der Nähe. Früher war Bella im Wolfsterritorium und du wusstest überhaupt nicht, was sie gerade macht.“
„Dieses Mal ist es etwas anderes, Alice. Ich sehe in seinen Gedanken, wie schwer es im fällt, hier zu sein. Er könnte ohne weiteres die Kontrolle verlieren und ich werde bestimmt nicht zulassen, dass Bella dann in seiner Nähe ist.“
°Ja … du hast Recht …°
„Ach, was ich dir noch sagen wollte. Kannst du dir bitte dein Strumpfband zurückholen?“, fragte ich, als mein Blick zu Mike wanderte, der mit den Fingern darüber fuhr.
°Hmm … das gehört Bella …°
Ich ärgerte mich jetzt sehr darüber, dass ich es Mike überhaupt an den Kopf geworfen hatte. Ich hatte ihm etwas ins Gesicht geworfen, dass Bella zuvor getragen hatte. Dieser widerliche Idiot hatte kein Recht darauf, es einfach so zu berühren.
„Könntest du es jetzt sofort tun, bitte?“, knurrte ich.
Alice grinste und stand dann schon mit einer fließenden Bewegung auf.
°Ja, ja, ich mach‘s, bevor du noch durchdrehst vor Eifersucht.“ Sie lachte glockenhell.
Ich beobachtete sie kurz, als etwas anderes in mein Bewusstsein drang.
°Was sagte sie da?! Nein, nein, das muss ein Irrtum sein … !°
Ich fragte mich sofort, was mir entgangen war, als ich Jacobs Gedanken hörte, die äußerst geschockt waren.
Er hatte den Tanz ruckartig beendet und starrte Bella entsetzt an, die ihn verwirrt und ein bisschen besorgt musterte.
„Was?“, stieß er hervor. „Was sagst du da?“
°Richtige Flitterwochen?! Nein … das kann doch nicht … – °
„Was meinst du …? Jake? Was ist?“
Ein furchtbarer Verdacht regte sich in mir. Was konnte Bella gesagt haben, dass Jacob so entsetzt reagierte?
Mir fiel nur eine Sache ein, die ihn derart in Rage versetzten würde.
„Was soll das heißen? Richtige Flitterwochen? Solange du noch ein Mensch bist? Das meinst du nicht ernst. Das ist ein geschmackloser Witz, Bella!“
Seine Gedanken überschlugen sich vor Entsetzten.
Sofort war ich auf den Beinen. Ich wollte schon in ihre Richtung loslaufen, als mir Alice Mahnung in den Sinn kam. Ich zögerte kurz, dann entschied ich mich, abzuwarten, was als Nächstes geschehen würde. Vielleicht brauchte Bella mich nicht, vielleicht würde Jacob sich gleich wieder beruhigen.
„Halt dich da raus, habe ich gesagt. Das geht dich absolut nichts an. Ich hätte überhaupt nicht … Wir hätten darüber gar nicht reden sollen. Das ist eine intime …“
Doch weiter sprach sie nicht, Jacob hatte sie an den Oberarmen gepackt und schüttelte sie.
„Aua, Jake! Lass mich los!“
Ich wartete erst gar nicht ab, was als nächstes passierte, ich hastete durch die Menge, in mir loderte ein heftiger Zorn auf.
„Bella! Hast du den Verstand verloren? So dumm kannst du doch nicht sein! Sag mir, dass das ein Witz ist!“
Wieder schüttelte er sie und ich musste mich beherrschen, um die Fassade für die menschlichen Gäste aufrecht zu erhalten und nicht in meiner üblichen Geschwindigkeit los zu rennen.
Er tat ihr weh. Dieser Bastard tat Bella weh. Alles um mich verschwamm, wie vorhin, als wir vor dem Altar gestanden hatten, aber dieses Mal war es nicht vor Glück, sondern vor kalter Wut.
„Jake – hör auf!“, hörte ich Bella rufen. Ich vergaß alles, vergaß, dass ich vorsichtig sein musste und rannte hinein, in den schwärzesten Schatten.
Nach einer halben Sekunde war ich bei ihnen, hinter mir hörte ich Schritte und vernahm Seths Gedanken, aber in diesem Moment spielte es keine Rolle.
„Lass sie sofort los!“, befahl ich Jacob. Ich stand jetzt nur noch ein paar Meter von ihnen entfernt. Meine Stimme bebte vor Zorn und ich war kurz davor, ihn in Stücke zu reißen, wenn er Bella nicht sofort losließ.
Aus dem Wald ertönte ein Knurren. Ich konnte Sam in Wolfsgestalt dort stehen sehen, an seiner Seite standen Quil und Jared.
°Verdammt, Sam! Ich wusste es!°
°Jake ist so ein Idiot! Er hätte überhaupt nicht kommen sollen.°
°Ruhig, wir müssen aufpassen. Vampire sind in der Nähe. Edward ist jetzt hier. Jake muss sich sofort beruhigen, sonst gibt es einen Kampf! Das dürfen wir nicht riskieren!°, beschwor Sam die beiden Wölfe.
Seth war jetzt an meiner Seite, seine Gedanken waren sehr besorgt.
„Jake, Mann, halt dich zurück. Du vergisst dich.“
Jacob war wie erstarrt, er schüttelte Bella nicht mehr, aber sein Gesicht war noch immer entsetzt.
°Er wird dich töten, Bella, verstehst du nicht? NEIN! Ich kann das nicht zulassen! Das kann nicht sein!°
Seine Arme schlossen sich noch immer fest um ihre Arme. Ich war drauf und dran dem abscheulichen Köter den Kopf abzureißen.
„Du tust ihr weh“, flüsterte Seth und sah besorgt von mir zu Jacob. „Lass sie los.“
Ich sah für den Bruchteil einer Sekunde mein Gesicht in seinen Gedanken. Meine Augen glänzten hasserfüllt, meine Gesichtszüge waren verzerrt vor Zorn und Sorge um Bella.
„Sofort!“, knurrte ich und schoss schon hervor, als er die Arme sinken ließ. Er bebte jetzt am ganzen Körper. Schnell schloss ich Bella in meine Arme und wirbelte mit ihr zwei Meter zurück, aus der Gefahrenzone.
Jetzt, da ich sie sicher bei mir wusste, konnte ich wieder klarer denken und die Situation besser einschätzen.
Die Wölfe traten jetzt auf uns zu und ich stellte mich schützend vor Bella.
°Jared, du gehst zurück und holst Hilfe! Quil, ich brauche dich hier. Wir müssen auf jeden Fall verhindern, dass irgendjemand verletzt wird!°, befahl Sam seinem Rudel.
Seth trat schnell vor, umklammerte den zitternden Jacob mit seinen Armen und versuchte, ihn fortzuziehen.
°Edward, verschwindet schnell von hier. Du siehst, er verliert die Kontrolle über sich. Wir müssen hier weg!°, dachte er panisch.
„Komm schon, Jake. Wir gehen.“
Seine Stimme klang ruhig, er hatte keine Angst, dass Jacob sich jetzt mit ihm so nah verwandeln würde, doch ich las dessen Gedanken und beobachtete seinen zitternden Körper – das Risiko war enorm hoch und ich wollte nicht, dass Seth verletzt wurde.
„Ich bring dich um“, flüsterte Jacob vor erstickter Wut als sein Blick auf mich fiel. °Du bist tot! Du verdammter Parasit, reicht es dir nicht, dass sie bereit ist, eine von Deinesgleichen zu werden?! MUSST DU SIE JETZT AUCH UMBRINGEN?° „Ich bring dich eigenhändig um! Jetzt sofort!“
Wieder fuhren Schauder durch seinen Körper.
„Seth, geh mir aus dem Weg“, zischte ich. Alles in mir brüllte vor Zorn. Ich wollte diesen Kampf mit Jacob mehr denn je.
Alles, bis auf ein kleiner Teil, der flüsterte, dass auch Wahrheit in seinen vor Hass lodernden Gedanken lag. Aber ich hatte jetzt keine Zeit, mich darauf zu konzentrieren.
Seth jedoch dachte überhaupt nicht daran, meinem Wunsch nachzukommen. Er zog mit aller Kraft, um Jacob wegzubringen.
°Nein, Edward. Es wird keinen Kampf geben. Ich bringe ihn hier weg.°
Sam sprang ihm zur Seite, er neigte seinen Kopf, drückte ihn gegen Jacobs Brust und schob ihn in den Wald.
Es gelang ihnen so, ihn nach hinten zu schieben, denn Jacob war in seinem Zorn so durcheinander, dass er die Situation nicht richtig realisierte.
Immer wieder schossen ihm Morddrohungen gegen mich durch den Kopf, abwechselnd mit seiner riesigen Sorge um Bella und dem Schmerz darüber, dass er sie nie wieder lebendig sehen würde.
Quil sah ihnen zu, er war bereit zu helfen, wenn es nötig sein würde.
°Warum musste sie ihm auch so etwas erzählen, verdammt noch mal … ich versteh erst recht nicht, warum sie ihn so lange leiden lässt.°
Kurz spürte ich wieder Zorn in mir, weil er Bella die Schuld gab, dann hörte ich ihre Stimme. „Es tut mir leid“, flüsterte sie Quil zu. Die Worte klangen schmerzerfüllt. Offenbar gab sie sich – wie so oft – selbst die Schuld. „Es ist jetzt alles gut, Bella.“, murmelte ich und rieb sanft ihren Arm.
°Na super. Es war der erste Tag, an dem er zurückgekommen ist. Sagst du Billy Bescheid, dass es wegen Bella wieder einen Konflikt gab und wir Jake jetzt wegbringen?°
Ich unterdrückte einen bissigen Kommentar, da ich Bella auf keinen Fall noch mehr aufregen wollte, und nickte ihm kalt zu. Er schnaubte, folgte dann den anderen und verschwand im Schutz des Waldes. Ich hörte ein Reißen, als Jacob sich fast zeitgleich mit Seth verwandelte. Sein Schmerz war unerträglich.
„So“, sagte ich und drehte mich dann zu Bella, „Lass uns zurückgehen.“
„Aber Jake …“ Ihre Stirn lag in Falten, ihre Augen schimmerten besorgt. Wie ich mir wünschte, ich könnte die Sorgen von ihr nehmen …
„Sam hat ihn im Griff. Er ist fort.“
„Edward, es tut mir Leid. Ich war dumm …“
Ich seufzte. Es war genau so, wie ich es mir gedacht hatte. „Es war nicht deine Schuld …“, versuchte ich sie zu beruhigen.
„Warum muss ich immer so viel quatschen? Wieso … Ich hätte gar nicht darauf eingehen dürfen. Was habe ich mir bloß dabei gedacht?“
„Mach dir keine Sorgen“, bat ich und berührte ihr wunderschönes Gesicht.
°Was ist los? Edward? Sind sie weg?° Carlisles Gedanken waren besorgt. Seinen guten Ohren war die Auseinandersetzung nicht entgangen.
°Braucht ihr Hilfe?° Jasper warf nervöse Blicke in unsere Richtung. Ich spürte durch seine Gedanken, wie er sich bei der Erinnerung an Jacobs qualvolle Gefühle kurz wand.
°Was zur Hölle ist passiert?° Emmett kam gerade zusammen mit Rose aus dem Haus und sah, dass etwas nicht stimmte.
°Wo ist Jacob? Ich dachte, er kommt zur Hochzeit …° Ich seufzte lautlos. Ich konnte mir schon vorstellen, wie Billys Gedanken aussehen würden, wenn er erfahren würde, dass sein Sohn wieder gegangen war.
„Wir müssen zurück zu unserem Fest, ehe jemand merkt, dass wir verschwunden sind“, erklärte ich Bella und streichelte weiter ihre Wangen, in der Hoffnung, ich könnte sie so ein wenig beruhigen.
Sie schüttelte verwirrt ihren Kopf. Ich sah mehrere Gefühle über ihr Gesicht zucken, bis sich ihre Stirn glättete. „Lass mir zwei Sekunden Zeit“, bat sie mich. Sie schluckte und ich beobachtete besorgt ihre Reaktion. Würde sie jetzt weinen?
Doch sie überraschte mich. Sie holte einmal tief Luft. „Mein Kleid?“ „Du siehst gut aus“, antwortete ich ihr sofort, wenn auch ein bisschen perplex. „Wie aus dem Ei gepellt.“ Noch einmal atmete sie tief durch, dann schaute sie mir in die Augen.
„Okay. Jetzt können wir.“
Ich schlang erneut meine Arme um sie und führte sie wieder in unseren beleuchteten Garten, geradezu auf die Tanzfläche, wo wir uns unter die Tänzer dort mischten.
Die meisten unserer Gäste hatten kaum etwas bemerkt, sie lachten und redeten wie zuvor.
Emmett und Jasper standen jetzt neben der Tanzfläche. °Alles okay? Sind sie verschwunden?°, fragte mich Jasper.
°Ist der Hund jetzt endlich weg? Kann die Party weitergehen?° Das waren Emmetts Gedanken.
Ich nickte ihnen kurz zu, um mein Gesicht dann wieder Bella zuzuwenden. Die kleine Falte tauchte zwischen ihren Augenbrauen auf.
„Bist du …“
„Alles in Ordnung“, versicherte sie mir schnell. „Ich fasse es nicht, dass ich das getan habe. Was ist bloß mit mir?“
Ich musste ihr unbedingt ausreden, dass sie die Schuld trug. Wenn überhaupt, war es meine Schuld, dass ich überhaupt von ihrer Seite gewichen war oder, dass ich mich … auf ihren Kompromiss eingelassen hatte.
„Mit dir ist gar nichts.“
Bella überlegte kurz, zu meiner Überraschung ging sie nicht weiter darauf ein.
„Es ist vorbei. Heute Abend wollen wir nicht mehr daran denken“, sagte sie.
Doch ich konnte ihr nicht zustimmen. Die Angst hatte mich gepackt und wie vorhin wurde mir plötzlich klar, wie Recht Jacob doch hatte.
Seine Worte schossen mir immer und immer wieder durch den Kopf.
Richtige Flitterwochen? Solange du noch ein Mensch bist? Das meinst du nicht ernst. Das ist ein geschmackloser Witz, Bella.
Aber es war kein Witz. Es war die Wahrheit und Jacob war einer der Wenigen, die erkannt hatten, wie wahnsinnig und lebensgefährlich unser Vorhaben war.
„Edward?“
Ich schloss die Augen, näherte mich ihrem Gesicht und legte meine Stirn an ihre, während wir weiter tanzten. Sie war das Wichtigste, das Schönste und Kostbarste in meinem Leben.
Und ich setzte sie einem solchen Risiko aus.
„Jacob hat Recht“, flüsterte ich voller Angst. „Was denke ich mir nur dabei?“
„Hat er nicht.“, widersprach sie mir prompt. „Jacob ist viel zu voreingenommen, um die Dinge klar zu sehen.“
Ich hörte sie kaum. Ich dachte nur daran, dass er Recht hatte, dass es die Wahrheit war. Ich war gefährlich und ich würde sie verletzen … Nein. Nein. Nein …
„Ich sollte mich wirklich dafür umbringen, dass ich auch nur daran denke …“, murmelte ich leise.
„Hör auf damit!“, sagte Bella heftig. Sie nahm mein Gesicht in ihre Hände. Ich konnte mir denken, wie sie mich jetzt zornfunkelnd ansah.
Als sie nicht weiter sprach, öffnete ich langsam die Augen.
„Du und ich. Das ist alles, was zählt. Alles, woran du denken sollst. Hörst du?“
Ich wollte ihr widersprechen, doch ich dachte daran, dass wir das alles schon unzählige Male besprochen hatten und ich ihr mein Versprechen gegeben hatte.
„Ja“, sagte ich schließlich und seufzte.
„Vergiss, dass Jacob hier war. Mir zuliebe. Versprich mir, dass du nicht mehr daran denkst.“
Sie sah mich mit einem unbeschreiblichen Blick an und ich gab meinen Widerstand auf. Wie konnte ich auch widerstehen, wenn sie mich so bat?
„Ich verspreche es.“
„Danke, Edward.“ Ihr Blick wurde weich. „Ich hab keine Angst.“
„Ich aber“, flüsterte ich, immer noch in ihrem Blick gefangen.
„Das brauchst du nicht.“ Sie atmete tief ein, dann lächelte sie mich mit einem atemberaubenden Lächeln an.
„Übrigens, ich liebe dich.“ Ich konnte nicht anders, ich musste es erwidern. Was habe ich doch für ein unbeschreibliches Glück, dachte ich lächelnd.
„Deshalb sind wir hier.“
Hinter uns ertönten Emmetts Gedanken, die jetzt keine Spur von Stress mehr aufwiesen.
„Du nimmst die Braut in Beschlag.“grinste er. „Lass mich mit meiner kleinen Schwägerin tanzen. Vielleicht ist es meine letzte Chance, ihr die Röte ins Gesicht zu treiben.“ Er lachte laut. °Keine Sorge, ich erzähl ihr nicht, wie unerfahren du doch bist, Brüderchen.°
Ich verdrehte die Augen, streifte mit meinen Lippen einmal kurz über Bellas Stirn und überließ sie ihm dann.
Als nächstes ging ich zu Carlisle, um ihm mitzuteilen, dass er Billy Black die Nachricht von seinem Sohn überbringen sollte. Er war der menschlichste von uns und Billy war ihm immer noch dankbar dafür, dass er Jacob vor zwei Monaten geholfen hatte, nach dem Kampf mit den Neugeborenen gesund zu werden, also war es das Beste, wenn Carlisle es ihm sagte.
Ungeduldig wartete ich, bis ich wieder mit Bella tanzen durfte und als es dann endlich soweit war, konnte ich wieder das Glücksgefühl in mir spüren, als ich sie in meine Arme nahm und sie den Kopf zufrieden seufzend gegen meine Brust lehnte. Meine Gedanken waren immer wieder zu Jacob zurückgekehrt, doch ich nahm mir fest vor, es zu verdrängen, weil Bella es so wollte. In diesem Moment war es außerdem schwierig, sich auf etwas anderes als meinen Engel zu konzentrieren.
Ich zog sie näher zu mir heran und wiegte uns sanft zum Takt des Klavierspiels.
„Daran könnte ich mich gewöhnen“, murmelte sie in meine Halsbeuge.
„Erzähl mir nicht, dass du deine Abneigung gegen das Tanzen überwunden hast!“
Sie blickte auf. „Tanzen ist gar nicht so übel – mit dir. Aber ich dachte eigentlich eher daran“ – sie schmiegte sich näher an mich, worauf mein Körper sich mit einem Mal warm anfühlte – „dass ich dich nie wieder hergeben muss.“
Ein Lächeln erhellte mein Gesicht. „Niemals“, schwor ich und beugte mich dann zu ihr, um sie zu küssen.
Ich ließ meinen Gefühlen freien Lauf, schloss die Augen und strich zärtlich mit meinen Lippen über ihren süßen, duftenden Mund. Ihr Herzschlag beschleunigte sich sofort, als ich nach einer Weile meine Lippen leidenschaftlich und fordernd gegen ihre presste. Langsam, wie in einem Traum, zog ich sie von der Tanzfläche, während wir uns kein einziges Mal voneinander lösten. Sie erwiderte meinen Kuss heftig und in diesem Moment hatte ich keine Angst zu weit zu gehen. Ich liebte sie und sie mich. Es gab keine Zweifel mehr.
Ich vergaß alles um uns herum, wünschte mir, wir könnten jetzt schon auf Esmes Insel sein … Voller Verlangen umschlangen meine Arme sie, mein Körper drückte sich gegen ihren, der wohlig zu zittern begann.
„Bella! Es ist so weit!“, drang Alice‘ Stimme von weiter Entfernung zu uns.
Ich beachtete sie kaum und hoffte sie würde es einsehen und wieder verschwinden.
Drängend hauchte ich unzählige Küsse auf ihre Lippen und spürte, wie ihre Hände an meinem Hals langsam feucht wurden.
Bella schien die Unterbrechung genauso wenig wie mich zu kümmern.
„Wollt ihr euren Flug verpassen?“, fragte Alice schon etwas genervt. Sie stand direkt neben uns. °Edward, lass sie sofort los, es ist soweit!° „Das werden bestimmt schöne Flitterwochen, wenn ihr auf dem Flughafen kampieren und auf den nächsten Flieger warten müsst.“
Ich wandte mein Gesicht leicht, ohne mich von Bella zu lösen.
„Geh weg, Alice“, murmelte ich und drückte dann meine Lippen wieder auf Bellas. Konnte meine Schwester sich nicht denken, dass wir jetzt alleine sein wollten?
„Bella, willst du mit dem Kleid im Flieger sitzen?“, fragte sie, doch von Bella kam keine Reaktion, außer dass ihr Griff um meinen Hals fester wurde und sie sich seufzend an mich presste.
°Lass sie los, hab ich gesagt! Aber schön, wenn du es so willst, bitte!°
Alice knurrte leise. „Ich sag ihr gleich, wohin die Reise geht, Edward. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue!“
Nein! Ich erstarrte und versuchte dann mit aller Kraft, mich von Bella zu lösen. Ich hatte Erfolg.
„Dafür, dass du so klein bist, bist du wirklich eine riesengroße Nervensäge“, sagte ich wütend.
„Ich hab das perfekte Reisekostüm nicht dafür ausgesucht, dass es im Schrank hängen bleibt“, schimpfte sie und nahm dann Bellas Hand. „Komm mit, Bella.“
°Ihr werdet später genug Zeit haben, also stell dich nicht so an!°
Bella zog in die andere Richtung und stellte sich auf die Zehenspitzen, um mich noch einmal zu küssen. Grinsend nahm ich ihr Gesicht in die Hände und gab ihr einen schnellen Kuss.
Alice zehrte sie ärgerlich mit sich und führte sie in unser leeres Haus.
„Tut mir leid, Alice“, hörte ich Bella sagen und musste lachen.
„Auf dich bin ich nicht sauer, Bella. Du scheinst ja völlig wehrlos zu sein“, seufzte sie.
°Und du, Edward, scheinst das ganz schön auszunutzen°, fügte sie in Gedanken hinzu, wohl wissend, dass ich sie hören konnte. Ich kicherte und hörte auch Bella lachen.
Ich lief zu der Bank, an der jetzt meine ganze Vampirfamilie saß und gemeinsam mit den anderen Gästen über die Szene lachte, die wir ihnen gerade geboten hatten.
Jasper stand grinsend auf und klopfte mir auf die Schulter. °Ich werde dann mal das Auto holen. Ich beeile mich auch, dann könnt ihr dort ungestört weitermachen, ohne das jemand euch in die Quere kommt.°
Ich lachte und ging dann zu Carlisle, Emmett und dem Denali-Clan, um mich zu verabschieden. Esme war noch zusammen mit Alice und Renée in unserem Haus, um Bella für die Reise fertig zu machen.
Nacheinander umarmte ich sie, während ich kaum auf ihre Gedanken achtete.
Es ging sehr schnell, doch als ich zusammen mit ihnen ins Haus lief, war alles ganz klar.
In mir herrschte eine tiefe Freude, als Bella mit ihrer Mutter, Alice und Esme die Treppe hinunterkam. Sie trug ein dunkelblaues Reisekostüm, das ihre helle Haut perfekt betonte. Sie war so schön. Mein kurzer Ärger über meine Schwester verflog augenblicklich.
„Alles ist bereit“, sagte Alice gerade zu Bella. „Deine Koffer sind im Wagen – Jasper fährt ihn gerade vor.
„Ich hab dich lieb, Mom“, hörte ich Bella flüstern. „Ich bin so froh, dass du Phil hast. Passt gut aufeinander auf.“
„Ich hab dich auch lieb, Bella, mein Schatz.“ °Mein Gott, wie sehr ich mein Mädchen vermissen werde …°
„Tschüss, Mom, Ich hab dich lieb“, sagte sie wieder, ihre Stimme klang etwas heiser.
Ich hielt ihr die Hand hin, als sie bei mir war und sie nahm sie ohne zu zögern. „Dad?“, fragte sie mit suchendem Blick. „Dort drüben“, murmelte ich und deutete auf Charlie, der alleine an einer Wand am anderen Ende unseres Wohnzimmers lehnte. Ich sah, wie er sich verstohlen mit dem Ärmel über die Augen fuhr, seine Gedanken waren voll wehmütiger Trauer.
Ich führte Bella durch die Schar der Gäste, bis wir bei ihrem Vater angekommen waren.
„Oh, Dad!“, sagte sie und schloss ihn in ihre Arme. Ich sah, wie auch ihr die Tränen kamen und über ihre Wangen flossen.
°Bella … hoffentlich wirst du glücklich, meine Kleine …°
„Ich hab dich lieb, Dad, für immer und ewig“, sagte sie. „Vergiss das nie.“
„Ich dich auch, Bella. So war‘s immer und so wird‘s immer sein.“
Charlies Gedanken waren erfüllt von Liebe.
Ich blickte mich in unserem Haus um, während die beiden sich verabschiedeten. Die meisten Gäste hatten aufgehört zu sprechen, fröhlich beobachteten sie uns, ihre Gedanken waren gerührt.
„Nun mach schon“, sagte Charlie schroff. „Sonst kommst du zu spät.“
Ich führte Bella wieder nach draußen, während die Gäste uns folgten.
„Bist du bereit?“, fragte ich und zog sie nah an meine Seite.
„Ja“, sagte sie und ein glückliches Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Sie wusste, was ich meinte. Sie war bereit für meine Welt. Ich erwiderte ihr Lächeln und alle klatschten, als ich Bella auf der Schwelle küsste.
Ich lief schnell zum Wagen, als unsere Familie anfing, Reis auf uns zu werfen.
°Ha!°, kam es von Emmett. Er warf gezielt und Bella bekam viele Körner ab. Ich versuchte so viele wie möglich von ihr abzuhalten. Ich vergewisserte mich, dass es ihr gut ging und half ihr dann in das Auto, das über und über mit Blumen und Designerschuhen geschmückt war. Wieder musste ich lächeln. Anstatt den traditionellen Dosen hatte Alice Designerschuhe an das Auto gebunden.
Ich winkte noch ein letztes Mal den Gästen zu, stieg dann auf die Fahrerseite und fuhr los.
Bella winkte durchs Fenster und rief immer wieder „Ich hab euch lieb“ in Richtung unseres Hauses, bis es in der Dunkelheit verschwand.
Ihr Gesicht sah sehr zufrieden und glücklich aus, als ich eine Hand vom Steuer nahm und sie mit ihrer verschränkte.
„Ich liebe dich.“, sagte ich.
Sie lehnte ihren Kopf an meine Schulter. „Deshalb sind wir hier“, wiederholte sie meine Worte von vorhin und ich küsste sie aufs Haar.
Aus der Ferne vernahm ich das Heulen eines Wolfs.
Jacob.
Ich sah zu Bella und erkannte an ihrem Blick, dass auch sie es gehört hatte.
Doch ich sagte nichts und genauso wenig tat sie es.
Ich wusste, nichts, das ich jetzt gesagt hätte, hätte sie getröstet. Also versuchte ich einfach nur da zu sein. Das war etwas, in dem ich mir sicher sein konnte. Ich würde immer da sein, egal wann und wo, immer bei ihr, denn anders konnte ich nicht leben. Ich brauchte sie so sehr.
Da gab es nichts außer die kalte, klare Nachtluft und das durchdringende, todunglückliche Heulen, das immer leiser wurde, als wir den schwarzen Highway entlangrasten, ihre Hand lag in meiner.
Ich war sehr glücklich in diesem Moment und würde es auch für alle Zeit bleiben.
6. Isle Esme
Der Flughafen von Seattle brachte viele Erinnerungen mit sich.
Das letzte Mal, als ich hier gewesen war, waren Bella und ich zu ihrer Mutter nach Phoenix geflogen. Dies war eigentlich eine schöne Erinnerung, wenn man davon absah, dass ich Bella aus Forks weggebracht hatte, um sie vor Victoria zu beschützen.
Davor waren wir aus Italien nach Hause gekommen, das war die wahrscheinlich schönste Erinnerung, die ich von Flughäfen hatte. Ich hatte Bella wieder in meinen Armen halten dürfen …Nachdem ich so lange von ihr getrennt gewesen war, wäre ich beinahe wahnsinnig geworden.
Lächelnd drückte ich sie kurz an mich, während wir durch die verschiedenen Terminals liefen, um zu unserem ersten Flug zu gelangen.
Sie blieb kurz stehen und schmiegte sich an mich, ihre Arme schlang sie um meine Mitte.
Mein Lächeln wurde breiter, als ich mich bereitwillig ablenken ließ. Auch ich blieb jetzt stehen, strich ihr liebevoll eine dunkle Locke aus ihrem Gesicht, bevor ich es behutsam in meine Hände nahm.
Viele Menschen schauten in unsere Richtung. Mancher ihrer Gedanken waren belustigt, andere geradezu eifersüchtig.
°Ein hübsches Pärchen … wie sie sich ansehen!°
°Oh, wie süß! Das ist der Beweis, dass es Liebe gibt!°
°Ist er irgendein Model? Vielleicht ein Schauspieler? Es kann ja schlecht sein, dass jemand mit diesem Aussehen einen ganz normalen Beruf hat. Das Mädchen kann sich glücklich schätzen …°
°Warum zum Teufel hat er ausgerechnet sie ausgesucht?!°
Ich kümmerte mich nicht groß darum, sondern gab Bella einen kleinen Kuss auf die Lippen.
„Du machst mich zum glücklichsten Mann der Welt … weißt du das?“, murmelte ich.
Ihr strahlendes Lächeln war die schönste Antwort, die sie mir geben konnte.
Zufrieden legte ich ihr einen Arm um die Schultern und führte sie zum nächsten Schalter.
„Houston?“, fragte sie und zog die Augenbrauen hoch, als sie die Tickets sah.
„Nur ein kleiner Zwischenstopp“, versicherte ich ihr grinsend. Wie gerne hätte ich jetzt gewusst, was ihr durch den Kopf ging … Sie sah etwas besorgt aus. Was sie sich wohl von unseren Flitterwochen erträumte? Sofort spürte ich wieder Nervosität durch mich strömen.
Hoffentlich würde ihr die Insel gefallen …
Es war fast nach zehn Uhr, als wir in unserem Flugzeug saßen. Bella lehnte sich an meine Schulter. Wir sprachen nicht viel. Ich ließ sie an meine Schulter gelehnt schlafen, da sie erschöpft aussah.
Ich musste daran denken, wie wir aus Volterra nach Hause geflogen waren und Bella verzweifelt mit ihren schweren Lidern gekämpft hatte, um nicht einzuschlafen, weil sie der festen Überzeugung gewesen war, ich würde sie sofort verlassen, nachdem wir wieder festen Boden unter den Füßen gehabt hätten.
Ich seufzte und strich ihr über das Haar. Im Schlaf war jetzt keine Spur von Anspannung oder gar Angst in ihrem wunderschönen Gesicht zu erkennen. Von Zeit zu Zeit huschte sogar ein kleines Lächeln über ihre Lippen und ich war einfach nur froh, dass meine Liebste glücklich zu sein schien.
Als wir landeten, weckte ich sie zärtlich; darauf bedacht, sie nicht unsanft aus ihren Träumen zu reißen. Verschlafen blinzelte sie und versuchte, ihre Augen länger als ein paar Minuten offen zu halten. „Bella, Liebste, wir müssen weiter, um unseren nächsten Flug zu bekommen. Du kannst in einer halben Stunde weiterschlafen, versprochen“, murmelte ich in ihr Ohr.
Sie machte einen völlig orientierungslosen Eindruck, als wir durch die Terminals liefen, also legte ich wieder meinen Arm um sie und führte sie. Es war mir ohnehin am liebsten, wenn ich Bella die ganze Zeit berühren durfte.
„Rio de Janeiro?“, fragte sie, ihr Gesicht sah jetzt ernsthaft besorgt aus. Ich widerstand dem Drang, sie nach ihren Gedanken zu fragen. „Ein weiterer Zwischenstopp“, erklärte ich nur.
Wir hatten kaum unsere Plätze in der ersten Klasse eingenommen, da schmiegte sie sich wieder an mich, seufzte zufrieden, als ich die Arme um sie schlang, und glitt zurück in einen tiefen Schlaf.
Zwei Mal kam eine Stewardess, um nach unseren Wünschen zu fragen, doch ich teilte ihr mit, dass es uns beiden an nichts fehlte. Was auch der Wahrheit entsprach. Bella schien in meinen Armen vollkommen zufrieden zu sein – sie seufzte einige Male meinen Namen, woraufhin ich versuchte, ein breites Grinsen zu unterdrücken, was eindeutig schief ging – und auch ich konnte mir in diesem Moment nichts vorstellen, was mich glücklicher machen könnte, als Bella an meiner Seite zu haben.
Ich sah aus den Augenwinkeln, wie eine junge Frau uns immer wieder verstohlene Blicke zuwarf.
°Wow. Hm … vielleicht sind sie ja nur Freunde und ich könnte ihn mal ansprechen …°
Ich räumte diese Zweifel aus der Welt, indem ich Bella zärtlich über die Wange strich und sie sich daraufhin enger an meine Brust kuschelte.
°Naja, man kann ja mal träumen …°
Das Bild in ihren Gedanken – Bella und ich aus ein paar Metern Entfernung – sah so friedlich aus, dass ich wie ein Irrer den restlichen Flug über vor mich hin grinste.
Kurz bevor wir landeten, fing Bella an, sich in meinen Armen zu regen. Sie streckte sich kurz und schmiegte sich dann wieder an mich. „Wir landen in einer Minute“, erklärte ich ihr, als sie fragend aus den Fenstern des Flugzeugs blickte, wo draußen gerade die Sonne in Südamerika unterging.
„Kein weiterer Flug?“, fragte Bella mich verwirrt, als ich ihr in ein Taxi half, das uns an den Hafen von Rio führen sollte. Ich schüttelte nur den Kopf und setzte mich neben sie. Ich würde auch jetzt kein Wort verraten, es sollte eine Überraschung werden.
Ich gab dem müde aussehenden Fahrer Anweisungen auf Portugiesisch, die er schweigend zur Kenntnis nahm. In Gedanken träumte er schon davon, endlich Feierabend zu haben.
Langsam nahm der Verkehr ab, während ich dem Fahrer den Weg in seiner Muttersprache beschrieb. Mein Ziel war im äußersten Westen der Stadt. Ich hatte mir vor einigen Tagen einen Stadtplan von Rio angesehen, damit alles wie geplant verlief.
Bella blickte verträumt aus dem Fenster, doch sie machte jetzt einen hellwachen Eindruck auf mich. Glücklich streichelte ich ihre warme Hand, die ruhig in meiner lag. Von Zeit zu Zeit verdoppelte sich ihr Herzschlag, um sich nach wenigen Augenblicken wieder zu beruhigen. Ich fragte mich, ob sie dann, genauso wie ich, an unsere bevorstehende gemeinsame Nacht dachte und ob sie auch nur einen winzigen Teil der Aufregung empfand, die ich nun unaufhörlich in meinem Inneren spürte.
Kurz bevor das Taxi vor dem Ozean zum Stehen kam, verfärbten sich ihre Wangen rötlich und wurden heiß, zusätzlich zu dem schnellen Pochen ihres Herzens. Ich wollte sie gerade fragen, was ihr durch den Kopf ging, als unser Taxifahrer die Türen öffnete und sich knapp von uns verabschiedete, während er unser – für ihn schweres – Gepäck aus dem Kofferraum hievte.
Na gut. Dann würde ich mich bis später gedulden müssen, bis ich sie danach fragen konnte.
„Adeus“, erwiderte ich den Gruß knapp, bezahlte und nahm unsere Koffer in die eine und Bella an die andere Hand, wobei ich die ungläubigen Blicke und Gedanken des Fahrers ignorierte, der sich zögerlich wieder in das Taxi setzte.
Ich führte Bella die ganzen luxuriösen Boote und Yachten entlang, bis ich zu dem Boot kam, das Carlisle und Esme immer benutzt hatten, um zur Insel zu gelangen.
Es sah genauso aus wie in ihren Gedanken, nur dass es jetzt ein kleines bisschen älter wirkte.
Schnell sprang ich auf das Deck der kleinen Yacht und setzte die Koffer ab. Dann war ich wieder bei Bella, legte meine Arme fest aber zärtlich um sie und half ihr auf das Boot.
Ich war schon einige Male mit Booten über das Meer gefahren und hatte noch öfter in Dokumentationen oder Filmen gesehen, wie man solch eine Yacht startklar machte, also bereiteten mir die Handgriffe keineswegs Schwierigkeiten.
Wir befanden uns die ganze Zeit über an Deck, Bella saß und in den Augenblicken, in denen ich nicht das Boot in die richtige Richtung – immer nach Osten – lenkte, setzte ich mich zu ihr, nahm ihre Hände in meine, oder sah sie einfach nur an. Das genügte mir. Wir waren zusammen, nichts konnte uns nun mehr trennen – diese Gewissheit ließ ein glückliches Lächeln auf meinem Gesicht erscheinen, wo es die meiste Zeit auch blieb. Wir redeten nicht viel – sie schien in Gedanken versunken und ich brachte es nicht über mich, die Stille zu zerstören, obgleich ich wieder sehr neugierig wurde, auf das, was sie gerade dachte.
Und ich konnte meinen Sorgen nicht mehr ausweichen, da ich wusste, dass ich mich ihnen in nur wenigen Stunden persönlich stellen musste. Mein Körper war erfüllt von Aufregung und mühsam erstickter Panik, doch mein Kopf war ganz klar. Ich wusste, was ich zu tun hatte. Was ich um jeden Preis verhindern würde.
Ich war mir zwar sicher, dass es berauschend und gefährlich sein würde – ich hatte es in den Gedanken der anderen gesehen, es war sehr, sehr anschaulich gewesen – aber ich war nicht nur auf diese Weise von meinem Mädchen besessen. Oh ja, ich wollte sie – mehr als alles andere auf dieser Welt – doch auf der anderen Seite existierte eine solch grenzenlose Liebe zu ihr, die es mir einfach unmöglich machte, sie zu verletzten.
Ich erinnerte mich an Bellas Worte in jener Nacht, in der wir unseren Kompromiss geschlossen hatten. Sie hatte mir gesagt, dass sie der Überzeugung wäre, ich könnte sie überhaupt nicht verletzten. Nicht, weil ich nicht fähig dazu gewesen wäre – sie wusste nur zu gut über meine übermenschliche Kraft Bescheid – sondern weil ich ihr so sehr nicht wehtun wollte, dass ich es ihrer Meinung nach niemals tun könnte.
Damals hatte ich dieses Argument sofort abgetan, schließlich war ich ein Vampir. Ich befand mich jedes Mal, wenn ich sie küsste und in meinen Armen hielt in einem Rausch und ich konnte mir vorstellen, dass meine Leidenschaft unendlich stärker sein würde, wenn wir uns richtig vereinigen würden. Bella war ein Mensch, so schrecklich zerbrechlich und zart. Doch jetzt hatte ich Erfahrung darin, sie zu küssen und sie in meinen Armen zu halten und erkannte, wie viel Wahrheit in ihren Worten lag. Meine Liebe war so stark, zu stark, um sich von meiner Leidenschaft besiegen zu lassen. Ich würde alles in meiner Macht stehende tun, um ihr die Welt zu Füßen zu legen und sie glücklich zu machen, ohne sie dabei zu verletzten. Meine Selbstbeherrschung reichte aus. Ich würde alles für sie tun.
Liebevoll beobachtete ich, wie sie auf die Wellen blickte, die um das Boot herum spritzten,
während wir mit einer fast berauschenden Geschwindigkeit über den Ozean sausten.
Dann tauchte die kleine Falte wieder zwischen ihren Augenbrauen auf und sie wandte die Augen vom Meer, um mich anzusehen. Ihr Blick war voll von unterdrückter Neugier.
Ich musste lächeln. „Fahren wir noch viel weiter?“, fragte sie. Ungeduld lag in ihrer Stimme.
Sofort hatte ich ein schlechtes Gewissen. Wahrscheinlich genoss sie es nicht sonderlich auf diesem Boot. Für einen Menschen, noch dazu jemanden wie Bella, dessen Magen empfindlich war, war es nach längerer Zeit auf dem Wasser sicherlich nicht besonders gemütlich.
Ich sah mich um und verglich die Strecke, die wir zurückgelegt hatten, mit der, die ich in Carlisles Gedanken gesehen hatte. Es konnte kaum länger als eine halbe Stunde dauern, das erleichterte mich. Bella sollte sich nicht schlecht fühlen.
„Noch etwa eine halbe Stunde“, antwortete ich ihr beruhigend.
Doch als ich sie sah, wie ihre Hände den Sitz fester umklammerten, musste ich gegen meinen Willen grinsen. Sie sah mich mit leichter Verzweiflung an, als hätte sie gefürchtet, wir würden die ganze Nacht auf dem Boot verbringen.
Es gab Menschen, die den Wassersport genossen; Bella zählte sicher nicht dazu, dachte ich amüsiert.
Ich lächelte entschuldigend und strich mit zwei Fingern zärtlich über ihre Wange, bevor ich an das Steuerbord zurückkehrte.
Nach zwanzig Minuten, in denen ich Bella unaufhörlich angesehen hatte, nahm in der Ferne die Silhouette einer Insel Gestalt an.
Dreieckig und flach. Mir vielen Palmen, Sand und Gestrüpp auf. Esmes Insel sah genauso schön und gemütlich aus, wie in den Erinnerungen meiner Eltern.
Die Luft war hier wärmer und feuchter – dies war einer der Gründe gewesen, warum ich diesen Ort für unsere Flitterwochen ausgesucht hatte. Bella liebte die Wärme und außerdem war meine kühle Haut ein guter Ausgleich für das tropische Wetter.
„Bella!“, rief ich über den lauten Motor hinweg, damit sie mich hörte. „Bella, schau mal“, sagte ich und zeigte in die Richtung, in der sich die kleine Insel erstreckte.
Sie blinzelte neugierig und Verwirrung spiegelte sich in ihren warmen, braunen Augen.
Fragend blickte sie in die Nacht, und kniff die Augen zusammen, bis sie dann nach wenigen Augenblicken große Augen machte. Verwundert und fasziniert blickte sie auf das Stück Land, das immer größer wurde, als ich die kleine Yacht geradewegs darauf zu lenkte.
„Wo sind wir?“, murmelte sie überrascht und ein bisschen ehrfürchtig.
Sie sprach es verwirrt aus, als wäre die Frage nicht an mich gerichtet. Ihr Mund stand leicht offen.
Ein Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. Es sah sehr danach aus, als würde ihr das, was sie sah, gefallen.
Ich fuhr an das nördliche Ufer der Insel, wo sich der Anlegesteg befand und beobachtete glücklich, wie sich in Bellas Gesicht die Überraschung mit Freude vermischte.
„Das ist Esmes Insel.“, sagte ich und lüftete damit das große Geheimnis um unsere Flitterwochen.
Vorsichtig ließ ich das Boot langsamer werden, wir waren jetzt am Steg angekommen.
Ich schaltete den Motor aus und blickte zu Bella. Ihr Herz schlug regelmäßig, sie schien gefangen in diesem Augenblick. Die Nacht umgab uns wie eine Hülle, ein leichter Wind wehte und brachte die Blätter der tropischen Bäume zum Rascheln.
Ich konnte die Insekten und Vögel hören, vernahm das Rauschen der Wellen, doch diese Geräusche spielten keine Rolle.
Einzig und allein das Pochen von Bellas Herz hatte Bedeutung für mich.
Dieses Geräusch hatte meine schwärzeste, hoffnungsloseste Nacht durchbrochen und das Licht und die Schönheit in mein Leben gebracht. In diesem Moment kam es mir wirklich so vor, als wäre ihr Herz dafür geschaffen worden, nur für mich zu schlagen. Ich war derjenige, der das größte Geschenk bekommen hatte.
Bella. Ihr Herz, mein Herz … unser Herz.
„Esmes Insel?“, flüsterte sie in die Stille hinein.
Ihre Augen waren noch immer auf die Palmen und den weißen Sand gerichtet. So, als könnten sie nicht glauben, was sie da sahen.
„Ein Geschenk von Carlisle – Esme bot an, sie uns zur Verfügung zu stellen.“
Meine Stimme war genauso leise wie ihre. Ich sprach gerade so laut, dass sie mich verstehen konnte. Ich wollte diesen magischen Augenblick nicht zerstören.
Schnell stellte ich unser Gepäck auf dem Holzsteg ab und kehrte dann ebenso schnell wieder zu Bella zurück. Ich wollte hier und jetzt keinen Abstand zwischen unseren Körpern.
Um ehrlich zu sein, wollte ich nie wieder Abstand zu ihr …
Ich sah aufmerksam in ihr Gesicht, das sich jetzt langsam meinem zu wendete. Schon wieder zuckte es in meinen Mundwinkeln und ohne darüber nachzudenken, verzog mein Mund sich abermals zu einem unendlich glücklichen Lächeln. Was war heute nur los mit mir?
Die Frage beantwortete sich von selbst, als ich in das Gesicht des Engels an meiner Seite blickte.
Meines Engels.
Ich ignorierte die Hand, die Bella mir entgegenstreckte – nur ihre Hand zu halten, hätte mich in diesem Moment nicht zufriedenstellen können, ich brauchte so viel Nähe wie nur möglich – bückte mich und hob sie hoch.
Sie schnappte überrascht nach Luft und auch ihr Herz reagierte augenblicklich auf meinen Körper. Ich konnte nichts gegen das Gefühl tun, das daraufhin durch mich strömte. Es bereitete mir eine unendliche Genugtuung, dass ihr Herzschlag sich noch immer verdoppelte, wenn ich sie berührte.
Und nicht nur das. Mein Körper fühlte sich immer seltsam warm an, wenn sie mir so nah war. Es war unglaublich angenehm.
„Willst du nicht lieber bis zur Schwelle warten?“, fragte sie mich atemlos, als ich mit ihr in meinen Armen aus dem Boot sprang.
„Wenn ich eines bin, dann gründlich“, grinste ich und griff nach unseren zwei Koffern.
So lief ich mit ihr den Steg entlang, dann durch den Sand – genauso wie Carlisle es mir in Gedanken gezeigt hatte.
Der Mond stand hell am Himmel und ließ alles um uns herum silbrig leuchten.
Fast Vollmond. Genau wie Alice es vorhergesehen hatte. Aufregung schlich sich in meinen Körper. Vermischt mit Angst und der Ungewissheit.
Doch Bellas Wärme und ihr Gesicht so nah bei meinem hatte eine ungeahnte Wirkung auf mich. Es war, als würden alle meine Probleme verschwinden, während ich dieses Wunder in meinen Armen betrachtete. Ihre Nähe berauschte mich, ihr Blut roch süß und verlockend wie immer, aber etwas war anders. Sie stellte keine Bedrohung für meine Selbstbeherrschung dar, das erkannte ich, als wir schweigend durch den dschungelartigen Wald liefen.
Es spielte keine Rolle, dass sie ein Mensch war … oder ich ein Vampir.
In diesem Augenblick waren wir einander ebenbürtig, unserer Liebe wegen. Wir waren verbunden, Mann und Frau.
Weil wir uns liebten.
Nichts konnte dagegen ankommen. Nichts. Nicht einmal die Tatsache, dass wir die wahrscheinlich ersten waren, die dieses Experiment wagten. Es spielte keine Rolle.
Etwas Stärkeres als meine Liebe zu Bella gab es nicht.
Sie hatte ihre Arme um meinen Hals geschlungen, ihr Oberkörper war gegen meine Brust gedrückt. Ich spürte, wie ihr kleines Herz immer schneller pochte, als die Palmen und das Gestrüpp immer weniger wurden und vor uns das Haus auftauchte.
Das Licht war eingeschaltet – ich hatte die Menschen, die dafür zuständig waren, dieses Haus sauber zu halten und uns mit Essen zu versorgen, gebeten, den Strom zu aktivieren und Esmes Haus auf unsere Ankunft vorzubereiten. Sie waren erst vor ein paar Stunden hier gewesen, ihr Geruch lag noch immer leicht in der Luft. Mein Geruchssinn sagte mir, dass es zwei Menschen gewesen waren.
Bellas Herz hämmerte jetzt noch deutlicher gegen ihre Rippen. Durch ihr dünnes Reisekostüm und mein weißes Hemd fühlte es sich fast so an, als hätte auch ich ein schneller schlagendes Herz in meiner Brust.
Das von Licht durchflutete Haus war jetzt wohl auch für sie gut sichtbar. Ich sah zu Bella, versuchte ihr in die Augen zu schauen, doch sie wich meinem Blick aus. Sie starrte mit einem seltsamen Gesichtsausdruck geradeaus, während ihr Herz immer schneller raste. Ging es ihr gut?
Die Stimme der Besorgnis meldete sich sofort, doch mein Verstand sagte mir, dass sie das gleiche spürte, was auch gerade in meinem Körper tobte. Weil sie menschlich war, reagierte sie nur entsprechend anders.
Ich war seltsam dankbar für ihr schlagendes Herz, es schlug und schlug unaufhörlich.
Es war so lebendig. Es spiegelte ihre und auch meine Gefühle wieder. Wie sehr wünschte ich mir, auch ein Herz haben zu können, mit dem ich ihr meine Aufregung und Unsicherheit zeigen konnte.
Doch mein Körper blieb kalt und hart, scheinbar gleichgültig. Äußerlich war mir keine Veränderung anzusehen.
Wenn Bella nur das Durcheinander und die Liebe in meinem Inneren sehen könnte … Gleichgültigkeit war genau das Gegenteil von dem, was ich in diesem Moment empfand.
Ich stellte das Gepäck auf die Veranda, die das ganze Haus umgab. Blitzschnell zog ich den Hausschlüssel aus meiner Hosentasche und schloss auf. Ich legte meine freie Hand auf die Türklinke und hielt inne. Ich musste ihr in die Augen sehen, musste wissen, dass wir das Richtige taten, dass sie nicht vielleicht doch Angst hatte.
Denn wenn das der Fall wäre, würde ich sofort einen Rückzieher machen. Bella allein sollte entscheiden, wie weit wir gingen. Nur ihr Glück war für mich von Bedeutung. Alles andere war unbedeutend.
Sie blickte zu mir auf, als sie mein Zögern bemerkte und sah mir voller Vertrauen in die Augen. Ihr dunkles braun schien flüssig zu werden. Ich sah viele Spuren von Unsicherheit darin. Unsicherheit und Aufregung. Aber egal wie lange und tief wir uns in die Augen sahen, in dem Blick des anderen gefangen waren, Angst fand ich keine.
Ich schritt über die Schwelle, ohne meinen Blick abzuwenden. In ihrem Gesicht konnte ich keine Regung erkennen. Einzig ihre Augen verrieten mir, was wahrscheinlich in ihr vorging.
Dann trug ich sie durch das Haus, während ich nichts anderes tun konnte, als sie anzusehen. Ich konzentrierte mich ganz auf sie, beachtete die Zimmer kaum, durch die ich sie trug. Sie kamen mir vertraut vor, was natürlich daran lag, dass ich sie schon oft in den Gedanken meiner Eltern gesehen hatte. Und zum Anderen war hier alles nach Esmes Geschmack eingerichtet, wie in unserem Haus in Forks. Ihrem Haus, verbesserte ich mich. Bei dem Gedanken, dass ich ab jetzt immer mit Bella zusammen leben würde, jede Sekunde mit ihr verbringen durfte, wurde mir warm um mein totes Herz.
Im Gehen schaltete ich die Lichter der Zimmer ein, durch die wir liefen. Das einzige Licht, das gebrannt hatte und schon von Weitem das Haus erleuchtet hatte, befand sich im weißen Schlafzimmer, in dem wir nun standen.
Ich schaltete das letzte Licht an. Dieses Zimmer hatte weiße Wände, war sehr geräumig und besaß ein riesiges Doppelbett – sogar größer, als das Bett, das ich damals für Bella besorgt hatte, als sie bei mir übernachtet hatte. Die gegenüberliegende Wand war verglast und gab somit einen Blick auf den weißen Sand und das Meer draußen frei, das nur wenige Meter vor dem Haus begann und jetzt im Mondlicht glitzerte.
Schön, aber nicht zu vergleichen mit dem Mädchen in meinen Armen. Der Ort hier kam mir magisch vor, aber das lag nicht an dem Ausblick auf das Meer oder den tropischen Pflanzen.
Ich war mir sicher, mir wäre jeder Ort so traumhaft vorgekommen, wenn ich ihn nur mit Bella erkunden durfte.
Bellas Herz schlug laut und unregelmäßig und wieder mied sie meinen Blick. Sie starrte jetzt wie hypnotisiert auf unser Bett, das von Moskitonetzen umhüllt wurde.
Das Bett war aus hellem Holz und hatte blütenweiße Bezüge und Kissen. Es stand in der Mitte des Zimmers und nahm fast die Hälfte davon ein, trotz des vielen Platzes hier.
Ich musste sie nicht fragen, an was sie dachte. Ihre Gesicht und ihr pochendes Herz reichten aus. Mit einem Mal brannte mein Körper wieder vor Lampenfieber. Ich wusste gar nichts. Ich konnte mich beherrschen, ja. Aber was war mit dem Rest? Was, wenn ich alles falsch machen würde? Ich kannte mich nicht aus – ich hatte keinerlei Erfahrung!
Mühsam versuchte ich die Panik aus meinen Gedanken zu verdrängen, während ich Bella vorsichtig auf dem Boden absetzte. Es funktionierte nicht.
Ich vergewisserte mich, dass es ihr gut ging, dass sie weder stolperte noch fiel, dann ließ ich sie los.
„Ich … hole dann mal das Gepäck“, murmelte ich, verzweifelt mit mir kämpfend, um die panische Angst, die mich durchflutete, vor ihr zu verbergen.
Im nächsten Moment war ich aus der Tür und flitzte schon durch die Zimmer, zurück ins Freie, auf die breite Veranda. Ich lehnte mich gegen die Hauswand und atmete tief ein. Nach exakt zwei Sekunden wurde mir klar, dass ich mich idiotisch benahm. Ich lauschte dem Herzschlag meiner Frau, der sich langsam wieder beruhigte. Langsam und sanft und beruhigend.
Ich hatte Angst, doch ich musste mich beherrschen. Ich hatte mir tausende Male diese Szene ausgemalt und hatte Ewigkeiten darüber nachgedacht, wie es sein würde. Nicht für mich, sondern für sie. Für Bella. Es half nicht, wenn ich jetzt die Nerven verlor. Ich konnte das, versuchte ich mir einzureden.
Jetzt spürte ich auch, wie ohnmächtig ich war, während ich mich auf Bellas nun wieder regelmäßigen Herzschlag konzentrierte. Es war alles so verwirrend neu. Die ganzen Gefühle. Ich war es zwar gewohnt, dass Bella in meinem Inneren tagtäglich ein Gefühlschaos verursachte – ich liebte sie dafür, weil ich mich dadurch menschlicher fühlte – , doch ich hatte schon lange keine solche Nervosität mehr empfunden.
Ich erinnerte mich nur zu gut daran, wann ich dieses Gefühl das letzte Mal in mir gespürt hatte: kurz vor unserem ersten Kuss. Und damals war auch alles gut gegangen, überlegte ich weiter. Es machte keinen Sinn, sich unnötig wahnsinnig zu machen. Es würde auch dieses Mal gutgehen.
Energisch packte ich die Griffe der Koffer. Ich vergeudete hier nur kostbare Zeit mit Selbstzweifeln, die ich genauso gut mit Bella verbringen konnte. Ich würde ab jetzt keine Fehler mehr machen.
Leise huschte ich wieder zurück in unser Schlafzimmer.
Bella stand mit dem Rücken zu mir da, eine Hand ausgestreckt – sie berührte den Schleier aus Moskitonetzen.
Ich legte die riesigen Koffer auf die Kommode, die neben dem Bett stand und öffnete sie. Ein Geruch von sehr viel Satin schlug mir entgegen, als ich ihren Koffer öffnete. Ich konnte nicht genau sehen, um was es sich dabei handelte, aber ich war mir sicher, Bella wäre es lieber gewesen, hätte sie ihren Koffer selbstständig packen dürfen … Was hatte Alice ihr nur eingepackt?
Doch ich beschloss, mich auf wichtigere Dinge zu konzentrieren. Auf das Wichtigste überhaupt.
Ihr Herz war jetzt sehr ruhig, aber etwas anderes gefiel mir nicht. Auf ihrem Nacken bildeten sich Schweißperlen von der feuchten Hitze. Meinem Körper machte der Temperaturwechsel nichts aus – obwohl ich ihn natürlich deutlich wahrnahm –, aber für Bella musste es unangenehm sein. Doch um dies zu verhindern, war ich ja da …
Ich trat zu ihr und wischte zärtlich den Schweiß von ihrem Hals. Ihre Haut brannte noch wärmer als sonst.
Sie schreckte vor meiner Berührung nicht zurück, also musste es angenehm für sie sein.
„Es ist ein wenig heiß hier“, entschuldigte ich mich.
„Ich dachte mir … das wäre am besten so.“
Ich hatte gehofft, dass die Wärme ein guter Ausgleich zu meiner Körpertemperatur wäre.
„Gründlich“, murmelte sie leise und ich kicherte nervös, als ich sie sanft in meine Richtung drehte.
Ich hatte für alles vorgesorgt, doch das konnte nicht verhindern, dass ich keine Ahnung hatte, was wir beide zu erwarten hatten.
Ich sah, wie Bellas Augen zu meinem Gesicht zuckten – auch ihr war der aufgeregte Klang meines Lachens nicht entgangen.
„Ich habe versucht alles zu bedenken, was es … einfacher machen könnte“, erklärte ich ihr zögernd.
Sie schluckte. Ihr Herzschlag blieb unverändert, ihre Augen waren weiterhin auf meine gerichtet, aber ich konnte trotz allem erkennen, wie unglaublich aufgeregt auch sie war. Der Ausdruck in den wunderschönen Augen verriet sie.
Ich dachte über mein nächstes Vorhaben nach. Den ersten Schritt ins Ungewisse.
„Ich habe mir gedacht, ob … du vielleicht … erst ein nächtliches Bad im Meer mit mir nehmen möchtest?“
Meine Stimme klang fast heiser, ich musste mich unbedingt unter Kontrolle bringen!
Ich atmete tief ein, sog Bellas berauschenden Duft ein und strich ihr leicht über den Arm. Wärme breitete sich in mir aus. Wärme, die mir half, mich zu beherrschen.
„Das Wasser ist bestimmt ganz warm. Der Strand wird dir gefallen“, fuhr ich fort. Es klang zu meiner Erleichterung wirklich gelassener.
„Klingt gut“, flüsterte Bella. Ihre Stimme versagte beim letzten Wort. Vielleicht brauchte sie – genau wie ich – jetzt ein wenig Zeit, um sich auf das, was heute Nacht geschehen würde, vorzubereiten.
„Bestimmt hättest du jetzt gern ein paar Minuten für dich … es war eine lange Reise.“
Sie nickte kurz, ihre Wangen verfärbten sich leicht rosa.
Ich konnte nicht widerstehen, ich beugte mich zu ihr herunter und legte meine Lippen an die heiße Haut ihres Halses, direkt unter ihr Ohr. Kurz ließ ich ein Lachen von mir hören, als sich der warme Dampf ihrer Haut mit meinem kühlen Atem vermischte. Es war so angenehm …
„Aber lassen Sie mich nicht zu lange warten, Mrs Cullen.“
Ich spürte, wie sie bei der Erwähnung des Namens leicht unter meinem Mund zusammenzuckte.
Meine Lippen wanderten weiter, ihren schlanken, schönen Hals entlang, bis ich bei ihrer Schulter angelangt war.
Ich löste mich widerstrebend von ihr, brachte mein Gesicht auf gleiche Höhe mit ihrem und blickte in ihre schokoladenfarbenen Augen.
„Ich warte im Wasser auf dich“, sagte ich und lief dann nach einem letzten Blick auf meine Bella zur Glastür des weißen Zimmers, die direkt zum Strand führte.
Auf dem Weg dorthin zog ich mir mit einer Bewegung das T-Shirt über den Kopf und ließ es leise zu Boden fallen. Ich konnte die Blicke meiner Frau hinter mir spüren, als ich nun mit schnelleren Schritten zur Tür hinauslief.
An einer gebogenen Palme, die kurz über dem Meer schwankte, machte ich Halt und fing an, meine restliche Kleidung abzulegen. Unter meinen Füßen konnte ich spüren, wie warm der Sand war. Vermutlich war er tagsüber heißer und hatte sich jetzt durch die sanften Brisen, die nachts ab und zu wehten, ein wenig abgekühlt, doch er war immer noch so warm, dass es auch Bella angenehm erscheinen musste.
Ich dachte kurz nach – würde es Bella zu aufdringlich erscheinen, wenn ich mich wirklich meiner ganzen Kleidung entledigen würde? Nach wenigen Sekunden entschied ich, dass ich keine andere Wahl hatte. Mein Koffer war im Inneren des Hauses, wo auch Bella sich jetzt befand und ich wollte sie nicht stören …
Der Mond schien auf meine entblößte Haut und machte sie noch heller, als sie ohnehin schon war.
Ich hängte meine Kleidung über den Stamm der kleinen Palme und spürte, wie leichte Wellen an meinen Füßen leckten. Das Wasser war – wie vorhergesehen – angenehm warm für einen Menschen und selbst für mich war es schön. Natürlich war diese Wärme nicht mit Bellas zu vergleichen, aber es fühlte sich dennoch gut an auf meiner eiskalten, harten Haut.
Ich lief tiefer hinein in das Meer, bis ich keinen Sand mehr unter meinen Füßen spürte und zu schwimmen anfing. Ich tat es reflexartig, ohne nachzudenken, meine Gedanken waren die ganze Zeit bei den Geräuschen im Haus. Bellas Herzschlag wurde immer schneller und hallte immer lauter in meinem Kopf wider – eine perfekte Ablenkung von meinen Sorgen. So tauchte ich unter Wasser und summte das Schlaflied – ihr Schlaflied – im Takt des Pulsieren ihres Herzens.
Auf dem Meeresgrund konnte ich viele Pflanzen und vor allem Fische entdecken, die – da die Nacht hereingebrochen war – nun zahlreich durch den Ozean schwammen und immer erschrocken auswichen, wenn ich in ihre Nähe kam.
Sie hatten einen besseren Selbsterhaltungstrieb als Menschen. Besser als Bellas allemal …
Seufzend schwamm ich tiefer. Es war egoistisch und falsch, aber ich war so unendlich froh, dass Bella mich von Anfang an nicht als Raubtier gesehen hatte. Es war nun so lange her, doch immer noch spürte ich Dankbarkeit und Erleichterung angesichts dieser Tatsache.
Sie sah mich als ein Geschöpf, das menschliche Gefühle hatte, das ihrer Liebe wert war. Ich war kein Mensch, doch auf eine Weise, die mir noch immer rätselhaft war und ich nicht erklären konnte, schaffte sie es, dass ich mich tatsächlich so fühlte.
Menschlich und lebendig.
Ich ließ meinen Körper langsam wieder an die Wasseroberfläche treiben. Wie lange würde es dauern, bis ich mich an ihr Geschenk gewöhnen würde, bis ich es als etwas Selbstverständliches ansah?
Sie hatte sich mir geschenkt. Dies berührte meinen steinernen Körper mehr, als ich es jemals hätte in Worte fassen können.
Im Inneren des Hauses stockte ihr Herz gerade kurz. Sie befand sich jetzt im Badezimmer. Ich konnte das Rauschen der Dusche hören. Sie duschte vor dem Baden? Ich musste lächeln.
Langsam drängte sich eine schon lange unterdrückte und verdrängte Frage in mein Gedächtnis.
Wie würde es wohl sein, wenn wir beide unsterblich wären?
Nie hatte ich es gewagt, diesen Gedanken weiterzuführen, selbst nicht, als wir unseren Kompromiss geschlossen hatten. Es war mir immer so verkehrt und falsch vorgekommen. Ich hatte aus Angst die Augen vor der Realität verschlossen. Aber jetzt fürchtete ich mich nicht mehr vor unserer Zukunft. Ich war geradezu euphorisch gestimmt. Wie konnte auch das Gegenteil der Fall sein, wenn ich bis in alle Ewigkeit mit Bella zusammen sein durfte, Tag für Tag?
Ich ließ jetzt all die Visionen durch mich strömen, meine und die meiner Schwester. Bella und ich, auf der Jagd. Bella und ich, in einer Vorlesung an der Universität von Dartmouth. Wir beide, in unserem Haus, das ich dort gekauft hatte – für alle Fälle. Glücklich und zufrieden.
Bella und Alice, beide bleich und schön, – Arm in Arm.
Das war das erste Bild, die erste Vision meiner Schwester von Bella als Unsterblichen gewesen. Jetzt musste ich beinahe lachen, als ich an meine Wut und meine Verzweiflung damals dachte. Alice war diejenige gewesen, die mir zum ersten Mal gesagt hatte, dass ich mich in Bella verliebt hatte.
Sie war diejenige gewesen, die als Erste das Ausmaß dieser unwiderruflichen Liebe erkannt hatte. Und das, noch bevor ich es wusste. Ich grinste beim Gedanken an meine kleine, unverbesserliche rechthaberische Schwester. Es war schon immer nicht klug gewesen, gegen Alice zu wetten. Das hätte ich früher realisieren müssen, was dieses Thema betraf, dachte ich.
Ich schwelgte in Erinnerungen und Gedanken an die Zukunft, während ich lange Zeit einfach nur in den Himmel starrte und Bellas Herzschlag in Esmes Badezimmer lauschte.
Nach fünfzehn einhalb Minuten drangen ihre Schritte in mein Bewusstsein und die Panik schlich sich in meinen Magen.
Mein Blick blieb unverändert am silbrig weißen Mond hängen. Ich rührte mich nicht von der Stelle.
Sie lief schnell über den feinen Sand, der ihre Schritte leiser machte, doch es fühlte sich trotzdem so an, als würde die Erde durch jeden ihrer vorsichtigen Schritte vibrieren.
Ich hörte ein sanftes Rascheln, als sie sich wohl an der Palme festhielt, wo meine Kleidung hing.
Bellas Herz klopfte schnell und ich wurde von Sekunde zu Sekunde aufgeregter und glücklicher.
Ihr Atem ging schneller. Ich nahm wahr, wie sie ihn unter Kontrolle zu bringen versuchte.
Meine Handflächen legte ich sachte auf die Meeresoberfläche. Ich brauchte etwas, das ich anfassen konnte. Etwas, das mir versicherte, dass das hier echt war.
Ich hatte das Gefühl, der Mond würde heute Nacht heller strahlen, obwohl ich wusste, dass dies unmöglich war. Auch die Sterne leuchteten heute so klar und deutlich am Himmel; es war, als würde ich sie zum ersten Mal richtig sehen.
Nur eines fehlte in diesem perfekten Moment.
Ich atmete tief ein, roch die salzig feuchte Meeresluft und die verschiedenen Gerüche des Waldes und des Hauses, doch viel intensiver konnte ich die Süße und den Duft von Erdbeeren, vermischt mit ihrem einzigartig blumigen Duft auf meiner Zunge schmecken.
Und dann, während ich Bella hinter mir in den Ozean laufen hörte, wurde ich mit einem Mal von der Realität überwältigt.
Sie war hier, bei mir, dem seelenlosen Monster.
Sie hatte unzählige Male „ja“ gesagt, zu mir.
Sie wollte mich – wollte diesen Moment mit mir teilen.
Ob ich es nun verdiente oder nicht – und ich wusste nicht, was ich geleistet hatte um das, um sie, zu verdienen –, es war unleugbar, dass dies Tatsachen waren.
Hätte ich dank meines Vampirdaseins nicht so gute Reflexe gehabt, wäre ich jetzt sicher ins Schwanken geraten. Das Glück, das in mir aufflammte, drohte, mich zu übermannen.
Bellas kleine Schritte waren behutsam, aber entschlossen. Ihr Puls raste, doch jetzt konnte ich mit Gewissheit sagen, dass es nicht an ihrer Angst lag.
Ich zählte jeden einzelnen ihrer Schritte, sie kamen mir vor wie eine Ewigkeit. Es kostete mich einiges an Selbstbeherrschung, mich nicht umzudrehen und sie fest in meine Arme zu schließen, um sie nie wieder loslassen zu müssen. Ich wollte keine Sekunde meiner weiteren Existenz von ihr getrennt sein.
Doch ich bewegte mich keinen Millimeter. Ich wollte diesen wunderbaren Traum auf keinen Fall zerstören.
Es fühlte sich an wie vor ein paar Stunden, als sie im Brautkleid die Treppe herunter gelaufen war, am Arm ihres Vaters. Und jetzt fiel es mir viel schwerer, dort zu bleiben, wo ich war, da ich sie nicht sehen konnte.
Wie konnte ich mir sicher sein? Wie konnte ich mit fester Überzeugung sagen, dass Bella für mich hier war, wenn sie doch mehr einem wundervollen Traum als einem einfachen Menschenmädchen glich, das ausgerechnet mich liebte?
Ich fuhr langsam mit meinen Händen über die Wasseroberfläche, immer wieder.
Und dann waren ihre Schritte bei mir und der Duft nahm mein Denken ein.
Den Bruchteil einer Sekunde überlegte ich, mich sofort zu ihr zu drehen. Ich wollte sie an mich drücken, sie halten, sie küssen, um mich vergewissern zu können, dass sie wirklich und wahrhaftig hier war, doch dieser Impuls verflog so schnell wie er gekommen war, als sich eine kleine, warme Hand auf meine legte.
Ich brachte es nicht über mich, sie anzusehen, aus Angst, meine Leidenschaft könnte mich überwältigen. Doch ich wusste auch nicht, wie ich es ohne ihren Anblick ertragen sollte.
„Wie schön es ist“, flüsterte sie und die Luft um uns erfüllte sich mit ihrem Atem. Ich zwang mich, den Mond anzuschauen. „Ja, nicht schlecht“, antwortete ich teilnahmslos.
Wie schaffte Bella es bloß, dass jeder schöne Anblick der Natur oder des Himmels um uns herum verblasste und in den Schatten gestellt wurde, sobald sie nur in meine Nähe kam?
Nichts, was meine Augen bis jetzt erblickt hatten, war vergleichbar mit ihr. Das lag daran, dass es nichts Schöneres gab als sie. Nicht für mich. Nicht in diesem Universum, oder in einem anderen.
Mein Widerstand löste sich in Luft auf und ich wandte den Blick endlich vom Sternenhimmel ab und schaute sie an. Ihr Anblick raubte mir alle Sinne und ließ mich mit einem Mal völlig sprachlos werden.
Ihre nassen Schultern wirkten so zerbrechlich im Schein des Mondes. Das Wasser reichte ihr bis kurz über die Brust, darunter zeichnete sich ihr wunderschöner Körper elfenbeinfarben, fast durchscheinend, ab.
Doch ich hatte keine Zeit, ihn länger zu betrachten. Ich wurde angezogen von ihrem funkelnden Augenpaar.
Das Schokoladenbraun wirkte flüssiger denn je, an ihren langen Wimpern glänzten einzelne Wasserperlen … wie tausende kleine Diamanten.
Ihr Haar war feucht von der Dusche, zart umspielte jetzt Salzwasser die Spitzen. Es hing ihr wie Schilf wirr und lang über die Brust und ihren Rücken.
Sie war wie eine Erscheinung eines Engels. Ich konnte nicht glauben, was ich da sah. Ich konnte meinen Augen einfach nicht mehr trauen.
Bella.
Sie war der Inbegriff aller vollkommenen Schönheit, der verbotensten, süßesten Frucht.
Die pure Verführung.
Ein Engel – bleich und schön und doch so unglaublich warm und weich, mit einem rasenden Herzen in der zerbrechlichen Brust.
Ich drehte meine Hand um, verschränkte sie unter Wasser mit ihrer.
„Aber ich würde nicht das Wort schön gebrauchen“, fuhr ich mit einem leisen Beben in der Stimme fort. „Nicht mit dir vor Augen.“
Ihre Wangen waren von der Farbe reifer Pfirsiche, als sie die rosafarbenen Lippen leicht zu einem Lächeln verzog. Vollkommen.
Sie hob ihre freie Hand, die unnatürlich ruhig war, bewegte sie langsam auf meine Brust zu und legte sie dann auf die Stelle, wo mein Herz hätte schlagen sollen. Dort, wo es zum Glück nicht mehr schlug.
Danke, dachte ich und erschauerte unter ihrer heißen Berührung. Danke, dass ich die Chance auf dieses Leben bekommen hatte. Wie sonst hätte ich sie kennenlernen können … ?
„Ich habe versprochen, dass wir es versuchen“, flüsterte ich und blickte auf Bellas kleine Hand, die im Mondschein die selbe Farbe wie mein Körper hatte, während sich Anspannung in meine Stimme mischte. Meine Gedanken waren sofort wieder bei der Sache.
„Wenn … wenn ich etwas falsch mache, wenn ich dir wehtue, dann musst du es mir sofort sagen.“
Ich sah sie an und sie erwiderte meinen Blick voller Entschlossenheit – und grenzenlosem Vertrauen. Sie nickte ernst und überwand den Abstand zwischen uns, indem sie einen kleinen Schritt nach vorne durch die Wellen machte. Sie legte ihren Kopf an meine kalte Brust und ich konnte gerade noch ein weiteres Zittern unterdrücken. Die Hitze ihrer Haut schien durch mich zu brennen, sie brannte und brannte, ein glühendes Feuer.
Leidenschaftlich wie nie zuvor.
„Hab keine Angst“, murmelte sie plötzlich zärtlich. „Wir gehören zusammen.“
Da war es wieder – das Gefühl, das mir sagte, sie würde die Wahrheit sprechen.
Die unleugbare, unzerstörbare Wahrheit.
Ja, wir gehörten zusammen, dachte ich benommen vor Glück und schlang meine Arme um ihren Körper, während die Hitze immer weiter in mir brannte. Grenzenlos – wie unsere Liebe.
Ich hielt meine Bella fest, sicher und geborgen in meinen Armen.
„Für immer“, schwor ich und zog uns sanft ins tiefere Wasser.
Lass diesen Moment niemals enden, war mein einziger Gedanke.
Und die Welt stand still.
7. You make the sound of pulling heaven down
Ich befand mich nicht mehr in der Realität, das wusste ich jetzt ganz sicher. Ich war gefangen in einer Traumwelt; ich, der eigentlich nicht dazu fähig war, zu träumen. Ich hätte mir denken können, dass Bella sogar das schaffen konnte.
Der Meeresgrund war jetzt schätzungsweise vier Meter von unseren Füßen entfernt. Ich hielt uns beide mühelos über Wasser, während wir immer weiter in das tiefere Wasser glitten.
Bella Cullen. Meine Bella, mein Engel.
„Ich liebe dich“, murmelte ich in ihr Haar und sie hob den Kopf von meiner Brust und schaute mich mit einem glühenden Blick an. Meine linke Hand umfasste ihr Gesicht, hob ihr Kinn sanft an.
„Isabella“, flüsterte ich. „Bella … ich liebe dich.“
Worte waren nicht genug, also versuchte ich, sie mit meinem Blick zu fesseln. Ich war mir sicher, dass eine ganze Menge darin zu finden war. Verlangen. Liebe. Leidenschaft. Alles verzehrende Begierde, nicht nur die körperliche.
Langsam kroch das rot über ihre mondhellen Wangen. Sie bewegte ihr Gesicht, kam langsam näher. Ihre Arme schlossen sich fest um meinen Nacken.
Ich zog sie zu mir, bis unsere Lippen sich berührten. Der Duft, der aus ihren strömte, brachte mich um den Verstand. Beinahe. Ich küsste sie nicht, verharrte einfach so wie wir waren, sog ihren Atem und den Geruch ihres süßen Bluts ein. Das Brennen in meiner Kehle war nicht zu vergleichen mit dem Glühen, das auch meinen restlichen Körper erfüllte. Da war kein Parasit, kein nach Blut verlangendes Monster in mir. Ich fühlte mich nicht kühl und hart, sondern heiß. Als würde sie mich mit ihrem Blick verbrennen.
Noch nie hatte ich etwas vergleichbar Schönes empfunden.
Feuer und Eis. Eis und Feuer.
Plötzlich stieß sie ihren Atem aus und fasste mit ihren kleinen Händen in mein Haar. Fest, entschlossen, leidenschaftlich. Es fühlte sich an, als würde in mir etwas explodieren. Ich schluckte und ihr heißer Mund bewegte sich leicht unter meinem.
„Edward“, hauchte sie.
„Weißt du, was ich mir gerade gewünscht habe?“
Sag es mir. Ich liebe dich. Ich will dich, nur dich. Ich gebe dir alles, was du verlangst.
„Nach was sehnst du dich? Ich gebe dir alles, was du willst. Du musst nur ein Wort sagen, Liebste“, flüsterte ich heiser an ihrem Mund.
Sie strich mit ihren Fingerspitzen über mein Gesicht und ein warmes Prickeln erfüllte mich.
Für einen Moment wich sie einen halben Zentimeter zurück.
„Ich habe mir gewünscht, dass das hier nie endet. Dass ich nie wieder Angst um dich haben muss. Dass wir uns nie wieder voneinander trennen.“
Großer Gott, wie ich dieses Mädchen liebe.
„Niemals“, versprach ich leise und verband unsere Lippen zu einem Ganzen. Ließ sie miteinander spielen, wie Feuer und Eis sich neckten. Sie bewegten sich in genau dieser Harmonie, ohne einander zu zerstören.
Ein süßer Blumenduft vermischt mit Salz und heißem Blut brennender Liebe und dem nachtschwarzen Sternenhimmel wurde zu einem leuchtenden Strudel. Es gab keine Angst, keine Sorge, keine Zurückweisung.
Nur der Rausch, während ich ihren bloßen Körper wie Seide an meinem spürte und unsere Münder miteinander verschmolzen und der Teil in meinem Kopf, der mich führte, der meine Handlungen kontrollierte und versuchte, meine unsägliche Vampirleidenschaft im Zaum zu halten, war da. Es kostete mich nicht so viel Selbstbeherrschung, wie ich erwartet hatte.
Ich brannte, aber ich wusste noch immer, was ich tat. Ich wusste, warum ich es tat. Nicht, um meine Bedürfnisse zu befriedigen, sondern um meinen Engel glücklich zu machen. Weil ich Bella so sehr liebte und ihr alles geben wollte, was sie sich wünschte.
Es stieg mir nicht über den Kopf, noch nicht. Doch ich wusste, ich durfte mich keine Sekunde unkontrolliert lassen.
Meine Zunge wanderte ihre Unterlippe entlang, strich sanft über die zarte Haut ihrer Lippe, unter der spürbar ihr Blut pulsierte. Bellas Augen schlossen sich eine halbe Sekunde, bevor meine es ihnen nachmachten. Aber ich hielt es nicht lange aus ohne ihren Anblick.
Mein Mund wurde fordernder, und ich schlug wieder meine Augen auf. Ich konnte jede einzelne schwarze Wimper betrachten, jeden Wassertropfen auf ihrer Stirn zählen, der von ihren nassen Haaren abtropfte.
Meine linke Hand presste ihr Gesicht wieder an meines, während mein rechter Arm Bellas Oberkörper umschlang und sie an mich drückte. Ein Seufzen entwich ihren Lippen und auch sie versuchte, mich immer näher an sich zu ziehen.
Wir küssten uns lange und innig, bis Bella ihre Beine um meine Hüfte schlang.
Ich schnappte erschrocken nach Luft und löste ruckartig meine Lippen von ihren. Es war so warm und weich und ungewohnt.
Und es ging zu schnell. Sie war so nah. Ich spürte, wie ein lautes Knurren in meinen Hals gelangte und versuchte, auszubrechen. Mein ganzer Körper spielte, angesichts ihrer Brust an meiner und ihrer Beine um meiner Taille, verrückt.
Erregung und heiße, glühende Leidenschaft wallte in mir auf. Ich hatte es noch nie so weit kommen lassen.
Ich sah in Bellas besorgtes Gesicht, das nur Millimeter von meinem entfernt war und versuchte, die Kontrolle über mich zurückzugewinnen. Mein Gesicht spiegelte sich in ihren dunklen Augen.
„Edward …? Was ist los? Habe ich etwas Falsches …?“ Sie verstummte.
Mit einem Schlag war meine Beherrschung zurückgekehrt. Sie durfte auf keinen Fall denken, dass sie an irgendetwas die Schuld trug. Ich legte ihr einen Finger auf die leicht geöffneten Lippen und versuchte, die verlockend heiße Luft, die daraus strömte, zu ignorieren. Genauso wie ihren Körper, der nach wie vor gegen meinen gepresst war.
So gut es eben ging.
„Schh …“, murmelte ich. „Wir sollten nur nichts überstürzen, mein Schatz“, beruhigte ich sie und lächelte leicht.
Es war nur eine Frage des Willens. Ihre Nähe machte mir jede Sekunde weniger zu schaffen. Nicht, das sie mich, metaphorisch gesprochen, kalt ließ, doch es wurde leichter, mich zurückzuhalten und die Leidenschaft des Mannes in mir zu kontrollieren.
„Ich liebe dich. Wir haben die ganze Nacht Zeit.“ Meine Stimme war ein frohlockendes Flüstern und ich konnte beobachten, wie der Ausdruck in ihrem Engelsgleichen Gesicht sich von besorgt in freudig erregt wandelte.
„Du kannst dir nicht vorstellen, wie wunderbar sich das anhört“, lächelte sie.
Meine Lippen glitten wie von alleine ihren Hals entlang, während ich zärtlich ihren Rücken streichelte.
„Du irrst dich. Ich denke, ich kann es mir ganz genau vorstellen. Um ehrlich zu sein, spüre ich es gerade, Liebste.“
Sie kicherte leise und ich ließ vorsichtig eine Hand weiter nach unten wandern, berührte ihre unbeschreiblich weiche Hüfte und fuhr dann langsam ihr Bein entlang.
Bella erschauerte kurz und ich löste meine Lippen von ihrer Kehle, um sie anzusehen.
„Wenn ich etwas Falsches mache, wenn du etwas nicht willst, dann sage es mir bitte sofort.“
„Bitte sei du nicht immer so vorsichtig. Es fühlt sich so schön an, wenn du mich berührst“, murmelte sie protestierend, wurde prompt rot und versteckte ihr Gesicht in meiner Halsbeuge.
Erleichtert lächelte ich und fuhr mit der Erkundung ihres Körpers fort, während ich mit der Hand, mit der ich sie an mich gedrückt hielt, von ihrem Haaransatz bis zu den Spitzen strich. Behutsam, trotz ihres Einwandes. Ich war schließlich kein Mensch, obgleich ich mich gerade sehr wie einer fühlte.
Ich schwamm weiter, immer tiefer in den Ozean, während Bella mit laut klopfendem Herzen an meiner Brust lehnte.
Meine Hände verließen nie ihren Rücken, ihre Schultern oder ihre Taille. Wie zuvor musste ich sie berühren, um mich ihrer Anwesenheit vollkommen sicher sein zu können.
Die Sterne hätten heller nicht scheinen können, als ich an einer Stelle verharrte. Wir befanden uns jetzt in einer winzig kleinen Bucht, die umgeben war von tausenden
Pflanzen und riesigen, exotischen Blüten. Sanft umspülten uns die vom Mondlicht silbrig glänzenden Wellen.
Bella hob den Kopf, als ich mich nicht weiterbewegte. Ihre Augen glänzten leicht, als sie erst zu mir, dann in den Wald und schließlich hinauf zum Sternenhimmel wanderten.
„Dieser Ort ist so wunderschön“, flüsterte sie ergriffen.
Ich nahm ihr Gesicht in beide Hände, wandte es leicht zu mir, so dass wir uns direkt in die Augen sehen konnten.
„Nichts davon ist von Bedeutung für mich. Nicht, wenn ich dich nicht in meinen Armen wüsste. Du bist die Schönheit in meinem Leben, Bella. Du hast alles Schöne in mein Leben gebracht, das zuvor so schrecklich trostlos war. Ich kann nichts sehen ohne dich. Ich kann die Schönheit der Welt nicht sehen, wenn du nicht bei mir bist. Ich bin blind.“
Jedes Wort sprach ich mit Bedacht aus, doch es sprudelte nur so aus mir heraus. Ich spürte das dringende Bedürfnis, ihr alles, was ich dachte, zu sagen, zu erklären. Ich musste versuchen, sie der Wahrheit näher zu bringen. Unendliche Male hatte ich versucht, meine Liebe zu ihr zu erklären. Ich war jedes Mal gescheitert. Es war unmöglich, passende Worte zu finden, doch ich musste es erneut ausprobieren, heute Nacht.
Bellas Augen wurden seltsam feucht und es dauerte einen Moment, bis mir klar wurde, dass ihr Tränen in den Augen standen.
„Edward“, stieß sie mühsam hervor. „Edward.“
Ich drückte sie fest an mich und hatte alles, was ich brauchte. Hier in meinen Armen lag der Sinn meiner gesamten Existenz.
„Ich liebe dich so, Edward.“
Eine einzelne Träne lief über ihre Wange und spritzte über meine Brust. Warm und nass. Ich strich zärtlich über ihre feuchte Wange, küsste sie und sprach weiter.
„Du bist alles für mich. Und manchmal fürchte ich mich. Ich fürchte mich so sehr, dass du mir wieder weggenommen wirst. Du bist ein Geschenk des Himmels und ich habe dich nicht verdient. Ich war egoistisch genug, dich hinzunehmen. Ich bin es noch immer. Doch ich liebe dich mehr als alles andere und ich kann nicht ohne dich leben, Bella.“
Ein kleines Lächeln stahl sich in ihre Mundwinkel. Es war so wunderschön, dass ich das Gesicht gequält verzog. Womit hatte ich das nur verdient?
Eine gewaltige Traurigkeit erfasste mich plötzlich. Ich war nicht genug, und doch war sie hier, bei mir. Und ich konnte nicht gehen, nicht noch einmal. Es ging einfach nicht. Ich hatte es nach ihrem Geburtstag versucht – und dieser Versuch brachte uns beide beinahe um …
„Ich kann es nicht. Ich kann einfach nicht ohne dich sein. Ich brauche dich so sehr …“, flüsterte ich verzweifelt, doch sie ließ mich nicht weitersprechen. Sie beugte sich vor und gab mir einen langen Kuss, den ich sofort erwiderte. Selbst wenn ich nicht gewollt hätte, es war unmöglich, diesem Sirenengesang zu widerstehen.
Unsere Lippen begegneten einander zärtlich, forschend und sanft. Wieder drehte sich alles um uns herum und wurde unbedeutend.
Bellas Hände wanderten erst zögerlich, dann immer entschlossener meinen Rücken hinab und wieder hinauf. Sie verharrten einen Moment lang an meinen Schultern, um dann meinen Bauch entlangzufahren.
Ich nahm kaum wahr, wie ein Beben meinen Körper erzittern ließ. Ich presste Bella mit der einen Hand gierig an mich, während die andere leidenschaftlich in ihr langes, duftendes Haar griff.
Es war eine Notwendigkeit. Ich hatte ihr gerade meine Zweifel zum hundertsten Mal offenbart und was tat sie? Sie küsste mich. Sie belohnte mich mit ihren süßen Lippen.
Es gab keinen Widerstand in mir, der gegen meine Liebe und meine Leidenschaft ankämpfen konnte.
Wie auch, wenn ich von meinem Engel bestätigt wurde, wenn sie mir zeigte, dass ich es wert war?
Mein Verstand schrie dagegen an, aber was konnte er schon gegen mein totes, jetzt so lebendiges, Herz ausrichten? Was konnte er gegen die Emotionen ausrichten, die durch ihre Nähe und ihre Liebesbeweise ausgelöst wurden und durch meinen Körper strömten und jeden Zweifel zu Schall und Rauch werden ließen?
Mein Verstand war nichts im Vergleich zu dem Rest, der dagegen ankämpfte, der mir zeigte, dass mein Zusammensein mit Bella das einzig Richtige war.
Und vor allem war er nichts im Vergleich zu ihr selbst. Mein Verstand hatte nicht den Hauch einer Chance.
Nein, ich spielte nicht fair, das wusste ich. Ich benutzte Ausreden, die zwar der Wahrheit entsprachen, aber trotzdem nicht meine Selbstsucht rechtfertigen konnten.
Aber wie sollte ich dagegen ankämpfen? Wie sollte ich mich wehren, wenn ich nicht mehr konnte? Letzten Endes lief alles auf dasselbe hinaus. Es nutze nichts, wenn ich mir Gedanken darüber machte und trotzdem nicht handelte, nicht handeln konnte.
Es fühlte sich einfach nur so unendlich gut an.
Ich küsste sie leidenschaftlicher und selbst als Bella für einen Augenblick keuchend einen Zentimeter zurückwich, um nach Luft zu schnappen, verließen meine Lippen ihre Haut nicht.
Ich konnte nicht genug bekommen.
„Du kannst dir nicht vorstellen, wie froh ich bin, dass du bei mir bist.“, murmelte sie ganz außer Atem. „Ich wüsste nicht, was ich tun würde, wenn du stark genug wärst, um dich von mir fernzuhalten.“
Einen Moment trafen sich unsere Blicke und ich war mir sicher, dass uns beiden der gleiche Gedanke durch den Kopf schoss. Mein Versuch, uns auseinander zu bringen.
Wie wir beide wussten, war ich kläglich gescheitert. Und ich musste ihr Recht geben, auch, wenn alles in mir sich dagegen sträubte. Ich war, genau wie sie, überglücklich, dass ich immer ein selbstsüchtiges Monster geblieben war, sodass ich sie schlichtweg nicht mehr hergeben konnte.
Meine Hände pressten sie fester an mich und ich drehte uns so, dass sie halb auf dem Wasser lag, mein Körper über ihr.
„Ich auch nicht“, flüsterte ich und konnte nichts tun, als die Traurigkeit verschwand und ein Glücksgefühl, das einen ungewohnten Schwindel in mir auslöste, sie ersetzte. Ich hatte nicht mehr die Kraft, mich zu wehren. Wenn es doch etwas war, das ich so sehr brauchte.
„Ich auch nicht, Bella“, wiederholte ich und ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, bevor ich meine Lippen wieder mit ihren verband.
In vielen Hinsichten kapitulierte ich mit diesen Worten. Ich gab auf – und besiegelte unser gemeinsames Schicksal. Für immer und ewig.
Meine Lippen lagen jetzt ernsthafter und drängender auf ihren. Es war an der Zeit, Bella glücklich zu machen.
Meine Finger liebkosten jeden Zentimeter ihrer weichen, warmen Haut, während ihre sich – je länger unser Kuss andauerte – immer fester in mein Haar krallten.
Ihre Beine waren noch immer um mich geschlungen und nichts konnte mich jetzt noch ablenken.
Sie fuhr langsam mit ihren Füßen an meinen Waden entlang und ich hielt unwillkürlich die Luft an.
Ich war ein Vampir, doch noch nie war es mir so schwer gefallen, mich auf mehrere Dinge auf einmal zu konzentrieren. Vor allem wenn es sich um solche Dinge handelte.
Normalerweise stellte dies kein Problem dar. Mein Gehirn war perfekt ausgebildet, aber jetzt war alles so viel. Es raste auf mich zu und ich hatte nicht die Chance, mich darauf vorzubereiten. Ich wollte es auch gar nicht.
Ihre kleinen Hände in meinem Haar.
Die geschlossenen Augen, nur Millimeter von meinen entfernt.
Ihr Mund und ihr Atem – süß und verführerisch.
Ihr Bauch an meinem. Es fühlte sich so wunderbar weich an.
Und dann fing sie an, sich unter mir zu bewegen und ohne nachzudenken, passte ich mich ihren Bewegungen an.
Es fühlte sich so natürlich an, so vertraut und doch so unbekannt.
Doch ich musste mich unbedingt vergewissern, dass es ihr gut ging, dass sie den nächsten Schritt wagen wollte.
„Bella?“, hauchte ich, schon fast rasend vor Leidenschaft. Ich war mir sicher, ich könnte trotzdem jetzt noch aufhören, sollte es für sie zu schnell gehen.
Sie schlug die Augen auf und blickte zu mir hoch.
„Edward, ich –“ Sie räusperte sich, ihre Wangen wurden wieder rot. „Bitte, Edward. Ich will dich so sehr.“ Ihre Augen glühten jetzt.
Das war alles, was ich benötigte. Ich konnte es kaum noch aushalten.
Ich drang in sie ein, vorsichtig, doch es gab keinen Widerstand, keine Schwierigkeiten. Ihre Augen hingen noch immer an meinem Gesicht und in ihnen konnte ich nichts anderes als pure Liebe finden. Kein Schmerz, nicht einmal ein kurzer.
Wie war das möglich? Wie konnte es sein, dass Bella von Schmerzen befreit war? Obwohl doch ich es war, mit dem sie sich vereinigte?
Es war möglich auch beim ersten Mal keine Schmerzen zu haben, aber sehr selten, das wusste ich. Sie hatte kein Jungfernhäutchen. Es kam mir alles zu einfach, zu reibungslos vor. Warum gerade … ?
Hab keine Angst. Wir gehören zusammen.
Und ich erkannte die Wahrheit. Sie hatte so Recht.
Wir waren zusammen Eins; zwei Teile eines Ganzen, die so perfekt zueinander passten. Ich war vollkommen durch sie.
Es war elektrisierend und berauschend, unendlich stärker als ich es mir in meinen wildesten Träumen ausgemalt hatte.
Ich konnte nicht mehr klar denken, es gab nur noch Bella. Sie war das einzig Wahre. Das Einzige, das von Bedeutung war in diesem endlosen Moment auf Esmes Insel.
Es schien, als hätte mein Verstand sich von dem Rest meines Körpers getrennt; ich wusste nicht, wie ich es schaffte in diesem Durcheinander meiner Gefühle mit rasender Geschwindigkeit zurück zum Strand zu gelangen, ohne dabei unsere wunderbare Verbindung zu unterbrechen.
Bellas Herz pochte jetzt wild und beängstigend. Besorgt riss ich die Augen auf, um zu sehen, ob es ihr gut ging – so sehr hatte ich mich noch im Griff –, aber ihre Augen blieben geschlossen und ihre leidenschaftlichen Bewegungen unverändert.
„Edward“, stieß sie stöhnend hervor und ich verlor endgültig die Beherrschung.
Wie in Zeitlupe fielen wir auf den weißen, vom Meerwasser durchtränkten Sand und küssten uns, als würde unser Leben davon abhängen.
Die Wellen der Leidenschaft zogen mich mit sich und ließen mich nicht mehr los.
Mein Körper brannte lichterloh und verschmolz mit Bellas zu einem.
Sie lag auf mir und meine Gedanken rasten jetzt; sie kreisten einzig und allein um das atemberaubende Mädchen, das hier auf meiner Brust lag. Ich spürte sie überall.
In Momenten, da mein Verstand für eine kurze Weile die Überhand gewann, fragte ich mich panisch, ob ich zu schnell oder zu grob für sie war, doch ich konnte mich sofort wieder beruhigen.
Bella zeigte noch immer keine Anzeichen von Schmerz oder Unwohlsein; ihr Gesicht war gerötet und ihr Atem ging nur noch Stoß weise. Vor bitter süßer Anstrengung, wie ich mir denken konnte.
Ich flüsterte immer wieder ihren Namen, manchmal so laut, dass sie mich hörte, dann wieder hauchte ich ihn leise, nur für mich.
Unsere Körper waren jetzt ein verschlungenes Bündel, es gab keinen Abstand.
Ich strich über ihre Schultern, über ihren Rücken; verzweifelt mit mir kämpfend, um ihr nicht wehzutun.
Ich hielt sie fest wie immer, doch ich hatte Angst, im Sturm meiner Gefühle zu weit zu gehen. Sie zu fest an mich zu drücken. Noch nie war es so schwierig gewesen, die Beherrschung über meinen Körper zu behalten. Nicht einmal, als ich ihr Blut geschmeckt hatte, das wurde mir in diesem Augenblick klar.
Je länger wir uns im weichen Sand küssten und uns berührten, desto gewaltiger brannte die Leidenschaft in mir, die ich, seit ich mit Bella zusammen gewesen war, zu unterdrücken versucht hatte.
Es war so verwirrend.
Während ich versuchte, meine Selbstbeherrschung nicht zu verlieren, drehte ich uns vorsichtig um, so dass ich nun über ihr war. Meine Hände stützten sich auf dem sandigen Boden ab; Bella durfte mein Gewicht nicht auf sich spüren, es würde sie erdrücken.
Wir bewegten uns schneller, im Takt ihres Herzschlags, der sich jetzt - und ich fragte mich, wie dies möglich war – verdoppelte. Immer schneller und heftiger spürte ich ihr Herz an meiner Brust pulsieren. Noch nie hatte ich diese Art von Geschwindigkeit bei Bellas Herz vernommen.
Das letzte, was ich spürte, war ein Zittern unter mir, das auch mich zum Beben brachte, doch ich konnte nicht mehr einordnen, ob es durch meinen Körper erzeugt wurde, oder ob Bellas Körper so sehr zitterte, dass meiner über ihrem dadurch auch erschüttert wurde.
Ich hörte nur noch meinen gehauchten Namen aus Bellas leicht geöffneten Lippen und nahm am Rande wahr, wie meine Finger sich tief in den Sand krallten.
„Edward.“
So oft hatte ich sie meinen Namen sprechen hören, doch ich hatte mich nicht an diese Schönheit gewöhnt.
Mein Name war mir fast fremd; aus Bellas Mund hörte er sich an wie ein Gedicht … Oder ein wunderbares Lied.
Das Gefühl, das daraufhin in mir aufwallte und jede Faser meines Körpers berührte und erhitzte, war so berauschend, so stark, dass ich nichts anderes tun konnte, als das Wunder in meinen Armen mit weit aufgerissenen Augen anzublicken und die Zähne aufeinander zu beißen, um keinen Laut aus meinen Lippen entweichen zu lassen.
Bella hielt sich an mir fest, ihre Augen waren geschlossen und ihr Atem ging rauer.
Ihre nassen Haare lagen ausgebreitet und vermischt mit dem Sand um uns herum und sie sah mehr denn je aus wie ein perfekter, kleiner Engel – mein perfekter kleiner Engel.
Dieser Anblick, so war ich mir sicher, würde sich für immer in meinem Gedächtnis einbrennen. Zusammen mit den anderen Bildern, die ich von allen Erlebnissen mit ihr in mir trug. Für alle Ewigkeit würden sie dort bleiben und mich daran erinnern, was ich hatte und wer ich war.
Das Glück und die Leidenschaft brach über uns zusammen, ergoss sich in heißen Wellen über unsere bloßen Körper, die miteinander verbunden bebend im Pudersand lagen, im Schein des silbernen Mondlichts.
Es fühlte sich an, als würden die leuchtenden Sterne über uns fallen. Als breche der Himmel entzwei, um uns hinein zu lassen.
Gold und Silber um uns herum, schillernde Farben voller Schönheit und Anmut.
Ich sah den Himmel vor mir, ich sah seine glanzvollen Facetten und konnte nicht glauben, was ich erlebte.
„Meine Liebe ist so tief: Je mehr ich dir gebe, desto mehr habe ich, denn beides ist unendlich.“
Fast zeitgleich, nur eine halbe Sekunde bevor mein Körper mit einem Ruck zum Stillstand kam, erschlaffte auch Bellas unter mir.
Immer noch nach Luft schnappend öffnete sie die Augen und blickte mich aus unglaublich dichten Wimpern an. Das Dunkelbraun ihrer Augen war immer noch glühend und jetzt strahlte eine solche Zufriedenheit daraus, dass meine Mundwinkel sich als Reaktion darauf sofort hoben. Ich konnte nicht fassen, dass ich ihr soviel Freude bereitet hatte und sie ihren Höhepunkt erleben durfte, genau wie ich. Bei unserem ersten Mal.
Es gab nichts, dass mein Glück jetzt hätte dämpfen können.
Schnell befreite ich meine Hände aus den Löchern im Sand, die ich in meiner Leidenschaft gegraben hatte.
Ich drehte uns auf die Seite, während ich ein wenig zurückwich, um nicht mehr in ihr zu sein, doch wir waren immer noch ineinander verschlungen, unsere Arme und Beine lösten sich keinen Zentimeter voneinander.
Mein Atem ging – genau wie ihrer – viel zu schnell und laut und ich spürte, wie ihre heiße Brust sich hob und senkte. Doch sie lächelte – und ließ mich nicht los. Ihre Arme waren nach wie vor um meinen Hals geschlungen und ihre Beine um meine Taille.
Sie sagte nichts, sah mich einfach nur an, während ihr Herzschlag sich mit jeder Sekunde, die verging, verlangsamte.
Sie blinzelte ganz benommen, als wäre sie sich dem Ort und der Zeit nicht bewusst.
Ich lächelte und spürte, wie meine Leidenschaft der grenzenlosen Liebe Platz schaffte.
Auch ich fühlte mich seltsam schläfrig, obgleich ich nicht schlafen konnte.
Ich fühlte mich glücklich und erschöpft. Es war solch ein unbeschreibliches Gefühl.
Ich strich mit den Fingerspitzen zärtlich über Bellas Gesicht, über die Wangen, die Stirn, die Nase entlang, bis ich schließlich an ihren vollen Lippen angelangte. Sie waren nicht ganz gleichmäßig, die Unterlippe war ein kleines bisschen voller als die Oberlippe, doch das machte sie auf eine Weise noch schöner und bezaubernder.
Die Hitze strömte durch ihre Haut in meine Hände und ich seufzte glücklich.
Womit hatte ich das nur verdient?
Bella kuschelte sich enger an mich.
„Ich liebe dich“, flüsterte sie etwas heiser.
Ich setzte mich auf und zog sie mit mir, so dass sie jetzt auf meinem Schoß saß. Sie umklammerte mich immer noch; entschlossen, nicht wieder loszulassen.
„Du hast mich verändert, Bella. Ich bin nicht mehr derselbe.“
Ich musste an die allererste Nacht in ihrem Zimmer denken. Es war wie eine Verwandlung gewesen. Nie wieder hatte ich an meiner Liebe zu ihr gezweifelt.
„Du hast es geschafft, das Monster in mir zu vernichten. Ich kann wieder mein Herz spüren, wenn du bei mir bist. Ich fühle mich lebendig“, murmelte ich an ihrem Hals und fühlte das Blut an ihrem Puls vorbeifließen.
La tua cantante, so hatte Aro es genannt. Meine Sängerin.
Ihr Blut sang eine Melodie für mich, ich konnte sie hören, sie in mir spüren. Doch es war kein Geschenk, das ich verschwendete, wie er es an diesem schicksalhaften Tag in den Mauern von Volterra bezeichnet hatte.
Wie wenig er doch von wahrer Liebe verstand.
Bella lächelte und ich gab ihr einen kleinen Kuss auf ihre glänzenden Lippen.
Ja, ihr Blut sang für mich, doch wie konnte ich diese gottgleiche Musik jemals zum Verstummen bringen, nur um es getrunken zu haben? Es waren die Klänge, die mich am Leben erhielten, die mir einen Grund für alles gaben.
Und auch meine Brüder hatten Unrecht behalten.
Menschliches Blut war nicht stärker, nicht stärker als das hier. Nicht einmal Bellas.
Nichts konnte schöner sein, nichts konnte mich mehr berauschen, als unsere Körper im perfekten Einklang.
Nichts konnte mich glücklicher machen.
„Du machst mich so glücklich“, sagte sie, wie als Antwort auf meine Gedanken. Und das zu hören, war fast zu viel für meinen Körper.
Das Wort „glücklich“ war die Untertreibung schlechthin, doch ich wusste nicht, wie ich meine Emotionen besser in Worte fassen konnte.
Ich hoffte nur, dass sie meinen Blick sah und verstand. Ich machte sie glücklich. Ich durfte sie glücklich machen. Ein größeres Geschenk hätte mir der Himmel nicht machen können.
Langsam kam ich auf die Füße, wobei ich Bella in meinen Armen aufrecht hielt. Sie ließ sich mit einem bereitwilligen Lächeln mitziehen.
Wir standen im Sand, ineinander verschlungen, die kleinen Wellen brachen sich an unseren Füßen.
Ich hob Bella hoch, hielt sie so, dass sie den Boden nicht berühren musste.
Auf einmal war es nicht mehr schwierig, mich zu konzentrieren. Eine wunderschöne Klarheit herrschte in meinem Gehirn, fast so schön wie der Rausch.
Sie schloss behaglich die Augen und ich sog jedes noch so kleine Detail in mich auf.
Das Singen einer Nachtigall, im tropischen Wald. Die Geräusche der tausend kleinen Tierchen auf der Insel. Bellas Herzschlag. Das Rauschen der Wellen.
Und dann, die Gerüche. Das intensivste war natürlich Bellas unvergleichbarer Duft vermischt mit Salzwasser und dem zarten Blumenduft.
Die verschiedenen Gerüche des Hauses drangen in mein Bewusstsein, Gerüche von davor.
Holz. Eisen. Blumen. Menschenessen in der großen Küche. Satin aus unserem Schlafzimmer. Vermischt mit dem unverwechselbaren Geruch von Seide.
Diese Dinge kamen mir auf einmal so belanglos vor. So nebensächlich und selbstverständlich.
Nicht so traumähnlich und übernatürlich schön wie das atemberaubende Erlebnis, das wir beide gerade miteinander teilten.
Wir blieben lange Zeit so stehen und genossen einfach das Gefühl unseres Zusammenseins.
Mein Wunsch war in Erfüllung gegangen. Die Welt schien hier wirklich stehen zu bleiben.
Doch andererseits wollte ich Zeit; grenzenlose Zeit, die ich nur mit Bella verbringen durfte.
Für alle Ewigkeit.
Langsam drehte ich mich, umschlang auch Bellas Beine, hielt sie fest. Sofort passte sie sich mir an und klammerte sich an mich.
In Zeitlupe drehte ich uns weiter, wieder auf das Meer zu. Wir waren beide voller Sand.
Und während Bella so an meiner Brust verharrte, kam mir ein Gedanke in den Sinn.
Ein Ausspruch, den ich schon oft gehört hatte, in denGedanken vieler Menschen, so wie aus dem Munde einiger Schauspieler, wenn sie gerade ihre Rolle spielten.
„Ich bin so glücklich, dass ich sterben könnte.“
Was war wahr an dieser Aussage?
Ich wollte jetzt nicht sterben, ich wollte für immer mit Bella zusammen bleiben.
Und ich hatte erst angefangen, mir Gedanken über den Tod zu machen, als sie in mein Leben getreten war.
Plötzlich war mir die Sinnlosigkeit meiner Existenz klar geworden. Bevor sie da gewesen war.
Als sie kam, hatte ich mit einem Schlag alles sehen können. Es war so offensichtlich gewesen. Bella war bei mir … oder nicht.
Und würde sie es nicht sein, so gab es für nichts mehr einen Sinn.
Und würde sie nicht mehr auf dieser Erde verweilen, so wollte und konnte ich dies auch nicht mehr.
Ich war bereit gewesen, ihr in den Tod zu folgen, als ich der Meinung gewesen war, er hatte sie mit sich genommen.
Ich war es noch immer, doch wäre ich jetzt auch bereit, freiwillig zu gehen?
Ich blickte auf Bella. Sie lag friedlich in meinen Armen, atmete gleichmäßig.
Doch sie schlief nicht, ihre Augen waren weit geöffnet und blickten jetzt zu mir. Voller Liebe und Vertrauen. Und Glück, Zufriedenheit …
Ich beugte mich zu ihr, legte meine Wange an ihre und spürte Wärme durch meinen Körper fließen.
Ich wäre bereit zu gehen. Wenn sie bei mir war.
Würde diese Behauptung auf mich zutreffen, wäre ich schon lange gestorben, viele Male hintereinander. Um genau zu sein, jede Sekunde, in der ich mit meiner Liebsten zusammen sein durfte.
Das Glück, das ich dabei empfand, war genug, um einen Menschen zu überwältigen. Kein Mensch konnte existieren, mit solch gewaltigen Emotionen in sich.
Und deshalb war ich auch kein Mensch mehr. Deshalb war ich auch hier mit Bella an meiner Seite. Deshalb liebte sie mich auch.
Wäre ich ein Mensch geblieben, hätte es nie ein Zusammentreffen gegeben.
Das hier war Schicksal, kein Zufall.
Ich watete wieder in den Ozean.
„Gehen wir nicht ins Haus?“, fragte Bella mich leise, sie klang etwas enttäuscht.
Ich blickte sie an, versuchte aus ihrem Ton schlau zu werden.
Als unsere Blicke sich trafen, kroch ein glühendes Rot in ihre Wangen. Was … ?
Und dann –
„Oh …“, murmelte ich und verstand. Verlangen spiegelte sich in ihren Augen.
Sie wollte in unser Schlafzimmer und ich wusste nur zu gut, warum. Mir ging es ja genauso.
Ich konnte mir ein kleines Grinsen nicht verkneifen, als ich mit den Fingerspitzen ihre heiß gewordenen Wangen berührte.
„Wir sind voller Sand, Liebste … Vielleicht sollten wir uns erst ein wenig waschen, bevor wir in unser Zimmer zurückkehren“, lächelte ich, doch dann wurde ich plötzlich unsicher.
Wenn Bella jetzt sofort dorthin wollte, dann sollte das auch geschehen. Es ging hier um sie, um ihr Glück. Mir war es ohnehin gleich, ob wir das Haus beschmutzen. Wenn ich so darüber nachdachte, konnte ich es kaum erwarten, das große, weiße Bett unter uns zu spüren.
„Aber wenn du willst, können wir auch gleich gehen …“, schlug ich vor, während die Leidenschaft wieder glühend in mir aufflammte, doch jetzt lächelte Bella.
„Nein, ich glaube, du hast Recht. Wir wollen ja nicht Esmes Bett dreckig machen“, grinste sie verschmitzt und sah dabei so verführerisch aus, dass ich mein Gesicht drehte und mit meinen Lippen über ihre strich, bevor Bella sie zu einem richtigen Kuss verband.
So fest sie konnte küsste sie mich und ich trug sie ins Wasser, ohne nur einmal nach Luft zu schnappen. Sie war so süß und begehrenswert … und sie war mein.
Vorsichtig stellte ich sie auf die Füße und grinste unter ihren Lippen, als sie sich protestierend an mir festhielt.
Ich ließ meine Hände in ihr wunderbares Haar wandern und fuhr mit den Fingern leicht durch die mahagonifarbenen Locken, sorgte dafür, dass der Sand darin in das Wasser rieselte, während wir uns immer weiter küssten.
Und auch ihre Hände lösten sich langsam von meinen Schultern und meinen Haaren, als sie sich vergewissert hatte, dass ich nicht vorhatte, sie loszulassen.
Ich spürte sie an meinem Rücken, wo sie sanft mit ihren zarten schlanken Fingern den Sand entfernte und anschließend meine Wirbelsäule entlangwanderte.
Ich erzitterte kurz und hatte mich eine Sekunde später wieder unter Kontrolle.
Es wäre nicht sehr vorteilhaft, mich hier und jetzt meinem Verlangen hinzugeben, denn dann würden wir höchstwahrscheinlich wieder im Sand landen und wieder von vorne anfangen können mit der Reinigungsprozedur, die mir jetzt schon auf die Nerven ging. Doch wenigstens durfte ich sie berühren …
Allein der Gedanke und die Erinnerung an wenige Augenblicke zuvor, als ich Bella so sehr gespürt hatte, brachte meine Selbstbeherrschung enorm ins Wanken.
Ich bemühte mich um einen neutralen Gesichtsausdruck, als ich ihr fragend in die Augen sah und vorsichtig ihre Brüste berührte und die Sandspuren darauf weg wusch.
Sie war so weich.
Bella sah mich mit einem unbeschreiblichen Blick an, der nur so vor Begehren und Leidenschaft sprühte. Dieses Mal wurden ihre Lippen fordernder und immer wieder gab sie mir schnelle Küsse auf den Mund. Immer dann, wenn ich ihren Kuss erwidern wollte, zog sie sich für eine Sekunde zurück und ließ mich sehnsüchtig auf ihre nächste Berührung warten. Natürlich hätte ich schneller als sie reagieren können und einfach ihren Mund mit meinem verbinden können, doch ich genoss dieses Gefühl, wie sie mich zu necken versuchte, einfach zu sehr, um es zu beenden.
Ich fuhr lieber ihren wunderbaren Körper entlang und versuchte, sie damit in Rage zu versetzten. Voller Genugtuung hörte ich, wie ihr Herzschlag immer schneller wurde, und ihr Atem immer rauer. Es wurde eine Art Spiel daraus – wir wuschen uns gegenseitig den Sand vom Körper, während wir beide versuchten, den Anderen aus der Fassung zu bringen.
Ich musste fast grinsen, da ich nur zu gut wusste, was Bella gefiel und war mir fast sicher, dass ich gewinnen und sie zuerst über mich herfallen würde. Ich konnte nicht leugnen, dass mich diese Vorstellung aufs Äußerste berauschte.
Ihre Küsse wurden heftiger, wenn auch immer noch kurz, und ihre Hände strichen wieder und wieder über meine kalte, jetzt erneut brennende, Haut. Jede Stelle liebkosten sie und brachten mich um den Verstand. Mein Gehirn setzte für einen Augenblick aus, als ich sie an meinem Bauch spürte. Ich sah nicht hinab, um ihre Hand dort zu sehen, ich konnte mich nicht von ihren Augen lösen.
Sie blickte mich an, doch es war nicht einfach nur die Tatsache, dass ich in diese unglaublich warmen, braunen Augen sah, obwohl dies sicherlich auch gereicht hätte, um mir den Atem zu rauben.
Es war ihr Blick – so erfüllt von brennendem Verlangen, wie ich es noch nie in Bellas Augen gesehen hatte.
Der Widerstand bröckelte in mir und meine Hände verharrten an ihren Hüften, wo ich sie eben noch zärtlich berührt hatte.
Alles schrie in mir. Ein knisterndes Feuer in meinem Inneren verbreitete sich in rasender Geschwindigkeit.
Ich beugte mich zu Bella und hob sie wieder hoch. Ich war mir sicher, nicht nur mein Körper, sondern auch mein Blick brannte, brannte sich jetzt in ihren.
Sie verschränkte ihre Beine an meinem Rücken, ihre Arme waren leicht um meinen Nacken gelegt und sie blickte mich fasziniert an, während ich Anstalten machte, sie aus dem Wasser zu tragen.
Kurz zuckte ein Lächeln über ihr Gesicht und sie kam mit ihrem Gesicht näher.
„Ich hab gewonnen“, flüsterte sie und vernebelte meine Gedanken mit ihrem süßen Atem.
Meine Hände umfassten sie fester, leidenschaftlicher, und drückten sie nah an meinen Körper.
Nichts hatte eine Chance gegen sie.
Meine Lippen liebkosten ihren Hals, als meine Füße immer schneller wurden und uns in Richtung Haus trugen.
„Ich denke, wir sind jetzt sauber genug“, raunte ich und realisierte zugleich, dass meine Stimme brach. Bella bemerkte es auch und für einen kurzen Moment glaubte ich, so etwas wie Genugtuung in ihren Augen aufblitzen zu sehen, bevor mich wieder nur vollkommene Liebe und Hingabe daraus anstrahlten.
Ich wurde wieder gepackt, wurde in die Strömung der Leidenschaft geworfen und war hilflos, wehrte mich nicht einmal.
Das Haus kam viel zu langsam näher, obwohl ich jetzt rannte und für Bella sicherlich die Umgebung verschwand. Wenn sie etwas anderes getan hätte, als mich aus großen Augen anzublicken und meine Welt zum Schwanken zu bringen …
Und auch für mich war alles um uns herum längst schon wieder verschwommen.
Ich versuchte sogar, all die anderen Laute und Gerüche auszublenden, um nur das Bedeutendste wahrnehmen zu können.
Ich war mir jetzt so sicher. Alice hatte Recht gehabt. Genau wie der Rest meiner Familie.
Und vor allem: Mein Engel, der mich besser als irgendjemand anderes auf dieser Welt kannte und immer an das Gute in mir geglaubt hatte, hatte Recht behalten.
Ich konnte ihr überhaupt nicht wehtun.
Die Leidenschaft hatte vorhin gedroht, mich zu überwältigen, doch ich hatte Bella dabei keine Schmerzen zugefügt.
Ich hatte mich unter Kontrolle, dachte ich lächelnd, und nichts kann uns jetzt noch im Weg stehen.
Ich fühlte mich unbesiegbar, unzerstörbar, wie früher, als ich am Anfang das Monster in mir erwachen gespürt hatte. Doch jetzt lag es nicht an meinen übernatürlichen Fähigkeiten – ein Wort aus ihrem Mund könnte mich dazu bringen, das verletzlichste Wesen des Universums zu werden –, nein. Es lag einzig und allein daran, dass Bella bei mir war.
Mit ihr an meiner Seite konnte ich alles schaffen, weil sie mir jedes Glück und jede Wahrheit schenkte.
Durch sie hatte ich gelernt zu lieben – und zu existieren.
Ich lief geradewegs durch die offene Schlafzimmertür, wo das Licht noch immer hell brannte.
Bella blinzelte, sobald wir das große Zimmer betraten. Ihre Augen hatten sich draußen in dieser vollkommenen Nacht an die schwarz glühende Dunkelheit gewöhnt.
„Entschuldige“, murmelte ich und hatte schon im nächsten Moment den Lichtschalter betätigt. Ich sah, wie sie sich entspannte und spürte, wie ihr Griff stärker wurde.
Ich konnte ein kleines Grinsen nicht unterdrücken.
„Sollten wir nicht vielleicht unter die Dusche, was meinst du? Das ganze Salzwasser …!“, flüsterte ich ein wenig kichernd und hoffte, sie würde mich nicht tatsächlich beim Wort nehmen.
Bella warf mir einen kurzen Blick zu und ließ mein Lachen augenblicklich verstummen. Sie ging nicht einmal auf meinen nicht ernst gemeinten Vorschlag ein, sondern hielt mich einfach mit ihrem Blick fest. Ich hatte das Gefühl, keiner von uns beiden hätte jetzt noch länger warten können …
Das weiße Bett sah fast unecht aus. Es war eingetaucht in das silberne Licht des Mondes, das auch den Rest des Zimmers und den Strand draußen erleuchtete.
Bella folgte meinem Blick und an meiner Brust fing ihr Herz wieder zu toben an.
„Ich werde mich nie an diese Perfektion gewöhnen …“ Ihre Stimme hatte einen fast wehmütigen Klang. Als fürchtete sie, dass sie dies alles nicht verdient hatte.
Was war das alles schon, im Gegensatz zu ihrer Perfektion?, dachte ich und hob ihr Kinn an, drehte ihr Gesicht meinem zu.
„Das hier ist unsere Nacht, Bella. Unser Moment. Ich bin dein, auf ewig.“
„Und ich bin dein“, wiederholte sie meine Worte und ich konnte voller Glück beobachten, wie die Traurigkeit vollständig aus ihrem zarten Gesicht wich.
„Mehr brauche ich nicht im Leben.“
Und dann trug ich sie im Bruchteil einer Sekunde auf das Bett, legte sie auf die blütenweißen Kissen und beobachtete wie verzaubert den anbetungswürdigen Anblick meiner Frau.
Ich hatte keine Zeit, mich zu fangen oder sie länger so zu betrachten. Bella zog mich auf sich und es passierte genau das, was auch zuvor geschehen war: Mein Verstand setzte aus.
********************************
Ihre immer langsamer werdenden Atemzüge waren alles, was ich benötigte.
Ich spürte das Verlangen, ihr zu sagen, wie sehr ich sie liebte, sie anbetete, doch ich wollte sie nicht aus ihrem traumähnlichen Zustand wecken und diese vollkommene Harmonie zerstören.
Ich wollte ihr Schlaflied summen, wollte sie so in einen wunderbaren, friedlichen Schlaf singen, doch ich brachte es nicht über mich, das Pochen ihres Herzens oder den Klang ihres leisen Atems zu übertönen.
Mit ihr auf meiner kalten Brust war ich einfach zu glücklich, um irgendetwas zu verändern.
Heute Nacht hatte ich alles bekommen, was ein jeder sich wünschte – und noch mehr. Das Glück war fast zu viel für mich.
Ich war noch immer benommen und wusste nicht sicher, was der Realität nun entsprach und was nicht. Und das, obwohl ich doch ein Vampir war. Meine Fähigkeiten schienen nutzlos zu sein, wenn ich mich der Liebe meines Daseins so hingab.
Ich hatte in ein Kissen gebissen, daran konnte ich mich schemenhaft erinnern. Federn lagen überall; um uns, auf uns, unter uns. Weich und weiß bedeckten sie unserer beider Körper und verfingen sich in Bellas noch immer feuchten Haaren.
Sie war so schön.
Ich wollte nicht mehr denken, ich wollte es einfach abschalten, um diese unglaubliche Realität zu genießen. Nur das Gefühl in meinem kalten Bauch, dass sie bei mir war und dass wir jetzt für immer eins waren, konnte ich in diesem Moment überhaupt noch spüren. Und durch ihren Körper Wärme empfinden und meine eigene Kälte verdrängen. Das war meine Realität.
Sie war so schön.
Kurz erschauerte sie in ihrem Traum und ich dachte daran, eines der weißen Laken zu nehmen und sie darin einzuhüllen, aber wie sollte ich dies anstellen, ohne sie zu wecken?
Doch da presste sie sich schon enger an meinen Körper und fing an, im Schlaf zu murmeln.
Vergessen war meine Befürchtung.
„Nicht genug … nicht verdient …“
„Oh, Bella“, flüsterte ich leise in ihr Ohr, ohne sie zu wecken. „Wenn du wüsstest, wie viel du bist. Wie viel mehr als ich verdient habe.“
„Ich liebe dich … Hmmm … Ich liebe dich.“
Sanft strich ich über ihr Haar.
Was spielte es noch für eine Rolle, ob ich wusste, was geschehen war? Ob ich es glauben konnte? Vielleicht war es nur ein Traum, es war mir gleich. Ich würde ihn hinnehmen, würde weiter in ihm leben.
Solange sie nur bei mir war …
8. What I´ve done?
Ich spürte ihre Hitze auf meiner Haut und konnte nicht aufhören, sie einzuatmen, mich nur darauf zu konzentrieren. Es waren genau viereinhalb Stunden vergangen, seit Bella eingeschlafen war. Und noch immer konnte ich mich vor lauter Glück nicht bewegen. Es tat so gut, sie auf mir zu spüren, ihren heißen Atem auf meinem Gesicht zu fühlen, sie zu betrachten oder ihr beim Murmeln zuzuhören ...
Es widerstrebte mir, meinen Blick von Bellas Gesicht zu nehmen. Ich hätte noch eine Ewigkeit bewegungslos hier liegen können, doch etwas Anderes drang langsam in mein Bewusstsein.
Bella seufzte von Zeit zu Zeit meinen Namen und zwischen unzähligen gehauchten, undefinierbar süßen Lauten, konnte ich ein weiteres „Ich liebe dich“ vernehmen, das kleine Funken durch meinen Körper jagte.
Liebe. Pure, reine Ergebenheit.
Ich hätte ewig so daliegen können, Bella ließ alles andere um uns herum verschwinden.
Und dann bewegte sie zum ersten Mal ihre Arme, ließ sie meine nackte Brust hinabgleiten. Mit einem leisen Plopp landete ihre linke Hand auf einem der weißen Kissen unter uns. Ich war für einen Moment lang abgelenkt und blickte auf ihre crèmefarbene Hand, bevor ich mich wieder Bellas geschlossenen Augen und den rosigen, zu einem vollkommenen O geöffneten Lippen zuwandte.
Und dann erstarrte ich, als ich das mir eben gebotene Bild richtig realisierte.
Ich schloss entsetzt die Augen. Der erste, irrationale Gedanke war, dass ich mir das, was ich gerade gesehen hatte, nur eingebildet hatte. Nein. Nein. Das durfte nicht wahr sein.
Obwohl ich nichts sehen konnte, tauchte ein Bild in meinen Gedanken auf und blieb.
Bellas kleiner, zerbrechlicher Arm, ihr wunderschöner, makelloser Körper. Nein.
Ein namenloses Entsetzten ließ meinen ganzen Körper taub und noch kälter als sonst werden. Was habe ich getan?
Immer und immer wieder wiederholte ich die Worte in meinem Kopf, bis ich mich dazu überwandt und sie laut ausprach. Meine Stimme brach und ich öffnete die Augen.
Da Bella auf mir lag, hatte ich keinen besonders guten Ausblick auf ihren Körper, doch das, was ich sehen konnte, reichte allemal.
Helle Blutergüsse waren gerade dabei, sich auf ihrem Arm zu bilden. Es war nicht nötig, sich Gedanken darüber zu machen, woher sie kamen. Die Form meiner Hände war deutlich zu erkennen.
Ich spürte, wie das Gift in meinen Mund spritze und sich glühend heiß verteilte. Ein solch starker Hass fing an in mir zu pulsieren, dass ich unwillkürlich die Luft anhielt und mein ganzer Körper zu Eis wurde.
Plötzlich hatte ich das dringende Bedürfnis, wegzurennen, soweit und so schnell ich konnte. Ein Beben ging durch mich, wie vor wenigen Stunden, doch jetzt brachte der glühende Hass meinen steinernen Körper zum Zittern. Selbsthass, so stark, wie ich ihn schon lange nicht mehr gespürt hatte, wallte heftig in mir auf und füllte mich ganz aus.
Ich war das abscheulichste, selbsüchtigste Monster dieser Welt. Ich war wahnsinnig. Ich hatte Bella, den Mittelpunkt meiner Existenz, einer solchen Gefahr ausgesetzt. Ich hatte sie mir ausgesetzt. Und als wäre diese leichtsinnige Entscheidung nicht genug gewesen, um mich zu quälen, so hatten sich meine schlimmsten Befürchtungen zusätzlich als wahr erwiesen.
Ich hatte sie verletzt. Ich hatte meine Bella verletzt.
Es kostete mich eine enorme Kraft, meinen Körper still und starr zu halten. Ich musste wieder meine Augen schließen. Bellas Anblick, ihr Gesicht, so friedlich und liebevoll, brachte mich an die Grenzen meiner Beherrschung.
Wie konnte ich es nur je wagen, diesem engelsgleichen Geschöpf Schmerz zuzufügen? Ich war nie gut genug für sie gewesen. Und mehr noch: Ich war das Schlechteste für sie, was sie nur bekommen konnte. Der schlimmste Albtraum, dem sie bedauerlicherweise begegnen musste, so viel Pech wie sie hatte.
Eine Weile blieb ich so liegen, während der Hass wie ein Gift durch mich floss.
Der Gedanke, dass ich mich geirrt hatte, dass Alice und meine Familie sich geirrt hatten, tat so weh. Es waren alles Lügen gewesen und ich war zu berauscht von meinem Glück gewesen, um sie zu erkennen.
Meine Liebe war nicht stärker als der fürchterliche Parasit in mir. Ich war der Parasit. Ich hatte mich von meiner Leidenschaft überwältigen lassen.
Ich blendete alles aus, versuchte, die Zeit unbedeutend werden zu lassen, die unglaublich süße Hitze von Bellas Körper auf meinem zu ignorieren.
Ich blendete alles aus – außer den zerbrechlichen, kleinen weißen Arm, der neben uns auf der weißen Matratze lag, ganz ruhig. Übersäht mit dunklen Flecken, die gerade dabei waren, sich zu entwickeln.
Ich schaffte es, mich vollkommen darauf zu konzentrieren. Ich wollte mich quälen, wollte, dass der Selbsthass sich in meinem ganzen Körper ausbreitete, damit ich leiden musste. Ich hatte das Verlangen, mich zu bestrafen, obgleich ich wusste, dass es nichts an der Tatsache, dass ich Bella verletzt hatte, ändern würde.
Ich hätte es nicht ausgehalten, es einfach zu verdrängen. Ich hatte Bella wehgetan, also würde ich den Schmerz jetzt selbst fühlen müssen. Ja, ich wollte es.
„Mhm …“, seufzte sie über mir und verzog ihre Lippen zu einem glückseligen Lächeln.
„Warum?“, stieß ich leise, aber voller Qual hervor.
Warum war sie so schön? Warum war sie so gut? Warum war sie mein?
Es war einfach nicht fair. Sie hatte mir alles und noch mehr gegeben und ich zerstörte es. Weil ich ein Monster war.
Weil ich schon immer eines gewesen bin, dachte ich bitter. Und immer eines sein werde.
„Warum, Bella?“
Ich hasste mich so sehr.
*************************************************************************
Der Morgen war schon lange eingebrochen, die Sonne schien heiß in das Zimmer hinein und durchflutete den Raum. Ich hatte mich nicht gerührt, nicht, seit ich das Monster in mir wiedergefunden hatte. Ich war wie erstarrt, ich konnte nicht anders.
Doch jetzt bewegte Bella sich über mir und blinzelte verschlafen.
Ich fing an, langsam mit den Fingerspitzen über ihren Rücken zu fahren, obwohl ich mich selbst anwiderte. Ich hasste mich dafür, dass ich nicht aufhören konnte, sie zu berühren. Selbst jetzt nicht. Selbst nach dieser Nacht.
Wenn ich mir erlaubte, nur den Bruchteil einer Sekunde an die Geschehnisse zu denken, wollte ich Bella fester umarmen und sie küssen.
Nein!
Ich verfluchte mich in Gedanken. Ich zwang mich ihren Arm zu betrachten. Ich sah den Abdruck meiner Finger auf ihrer Haut und kam sofort zur Besinnung. Meine Augen schlossen sich und ich spürte, wie das Bild mit den Blutergüssen sich in meinem Gehirn einbrannte. Qualvoll.
Würde Bella mich hassen? Würde sie entsetzt reagieren, wenn sie sehen und spüren würde, was ich, dem sie vertraut hatte, ihr angetan hatte? Wohl möglich spürte sie die Schmerzen schon. Warum war sie nicht wütend, entsetzt oder schockiert?
Ihre Augen blieben geschlossen und alles an ihr strahlte Gelassenheit und Zufriedenheit aus. Wieder fing der Zorn in mir an, über zu kochen, als mir etwas in den Sinn kam.
Bella würde mich nicht hassen. Sie würde mir verzeihen.
Ich hatte sie nicht verdient. Ich hatte so etwas wie sie nicht verdient. Ich sollte in der Hölle schmoren für meine Taten, statt dessen hatte ich letzte Nacht das Paradies erleben dürfen. Wo blieb die Gerechtigkeit?
Wieder verfluchte ich mich. Meine Finger strichen immer und immer wieder über ihren Rücken. Ich wusste nicht, warum, aber es linderte den Konflikt in mir. Es ließ mich ruhiger werden. Ich war immer noch voller Selbsthass, aber jetzt fühlte es sich so an, als könnte ich es kontrollieren. Als könnte ich klarer denken.
Ich spürte, wie Bellas Hände meinen Hals fester umklammerten und wie sie ihren Körper an meinen presste.
Um ein Haar hätte ich gestöhnt vor Qual.
Ich konnte nicht begreifen, wie sie immer noch meine Nähe suchte. Mein Körper stand unter Strom, doch ich brachte mich in Sekundenschnelle wieder unter Kontrolle. Ein kurzer Blick auf Bellas zerbrechliche Arme genügte.
Ich zwang mich, weiter ihren Rücken zu streicheln. Der größte Teil in mir wäre jetzt liebend gern aufgestanden und hätte sie losgelassen, um nie wieder in Versuchung zu geraten und diesem kleinen Engel wehzutun. Ich schluckte verzweifelt und wütend. Warum hatte ich ihr das bloß angetan? Wie schon so oft schrie alles in mir ein Wort: Selbstsüchtig.
Besäße ich die Kraft, die ich vor einigen Monaten verloren hatte, hätte ich es jetzt möglicherweise in Betracht gezogen, Bella wieder von mir zu befreien. Doch ich konnte den Gedanken nicht zu Ende denken. Zweifacher Schmerz durchzuckte mich. Ihrer und meiner.
Nein, dachte ich traurig und erleichtert zugleich. Ich hatte keine Wahl. Es gab keine andere Möglichkeit. Selbst wenn ich die Kraft zum Gehen hätte, ich konnte nicht.
Ich würde lieber sterben, lieber noch einmal unsere Trennung durchmachen – mein Körper rebellierte bei dem Gedanken daran –, als Bella jemals wieder so sehr leiden zu lassen.
In diesem Moment vernahm ich ein leises Kichern über mir und wurde unwillkürlich aus meinen schwarzen Gedanken gerissen. Vor Überraschung hörten meine Hände für den Bruchteil einer Sekunde auf, ihren Rücken zu streicheln und ich kniff ungläubig die Augen zusammen.
Warum lachte sie?
Ich riss mich zusammen und fuhr damit fort, hauchzarte Muster auf Bellas weichen Rücken zu zeichnen. Ihr Rücken war glücklicherweise unversehrt, doch ich konnte meinen Blick nicht von den Flecken auf ihren Armen nehmen.
Ich räusperte mich leise.
„Was ist so lustig?“, flüsterte ich und versuchte, den Schmerz und den Hass auf das Monster in mir nicht durchklingen zu lassen. Ich wollte Bellas Reaktion sehen, ich musste wissen, ob sie verstand, wie schlimm ich ihr zugesetzt hatte. Ich wollte es in ihren Augen sehen. Der weniger selbstsüchtige Teil in mir wünschte sich, dass sie entsetzt und wütend reagieren würde, doch ich kannte Bella inzwischen viel zu gut, als dass ich etwas derartiges von ihr erwarten könnte. Sie war zu gut zu mir. Sie würde alles herunterspielen, obgleich es meine Schuld war, doch das durfte ich nicht zulassen.
Meine Hände verharrten wieder auf ihrer Haut, als ihre nächste, völlig unerwartete Reaktion kam. Ich spürte, wie es heißer an meiner Brust wurde und konnte ihr duftendes Blut intensiver wahrnehmen. Was war nur los mit ihr? Warum errötete sie? Weshalb –
Ein leises Knurren ertönte aus Bellas Magen und sofort meldete sich mein schlechtes Gewissen. Selbst wenn ich unsere Hochzeitsnacht ruiniert hatte, so wollte ich jetzt alles richtig machen. Ich wollte, dass sie nie wieder Schmerzen erleiden musste und es war mir gleich, ob es sich dabei um so etwas Banales wie Hunger handelte.
Abermals kam ein Kichern von Bella.
„Man kann der menschlichen Natur nicht sehr lange entkommen“, beantwortete sie meine Frage, während die Röte langsam wieder aus ihren Wangen wich. Die warme Luft ihres Atems traf auf meine eisige Haut und wirbelte einige Federn um uns herum.
Ich starrte an die Decke, um nichts mehr sehen zu müssen. Ich wollte nicht all die Beweise sehen, doch ich konnte auch nicht vor ihnen weglaufen. Sie waren überall, hier auf diesem Bett und in meinen Gedanken. Die Federn, die alles überdeckten und sich in Bellas jetzt trockenen Haaren verfingen. Ihre Arme. Ihre geschlossenen Augen, die mich so sehr an unsere gemeinsame Nacht erinnerten. Beweise dafür, dass ich nicht menschlich war. Dass ich mehr Tier als Mensch war...
Unendliche Trauer legte sich über mich. Bella irrte sich so sehr. Sie hatte ihrer ganzen menschlichen Natur den Rücken zugekehrt, immer und immer wieder – und zwar nur meinetwegen. Durch mich war sie dazu gezwungen, das Natürliche zu missachten.
Ich biss die Zähne zusammen.
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Bella langsam ihre Augen öffnete und zwang mich, der süßesten Verlockung zu widerstehen und ihr nicht in die Augen zu schauen. Ich würde es nicht aushalten, es würde mich zu sehr an die vergangene Nacht erinnern. Das flüssige, warme Braun würde mich wieder meiner Sinne berauben. Allein der Gedanke daran war mir zu Wider. Ich war ein Vampir und hatte die Kontrolle über meinen Körper und meinen Verstand verloren. Und hatte dabei zusätzlich so viel Schaden wie nie zuvor angerichtet. Das Wort Selbsthass war nicht stark genug, um das Gefühl, das in mir tobte, zu beschreiben.
Bella zog sich hoch und stützte einen Ellenbogen auf meiner Brust ab, um mich betrachten zu können.
In dem Moment, als ihr Blick auf mein Gesicht fiel, zuckte sie zusammen und um ein Haar hätte ich sie doch angeblickt. Ich sah, wie die kleine Sorgenfalte zwischen ihren Augenbrauen erschien und spürte, wie ihr kleines Herz an meiner Brust seinen Schlag beschleunigte.
„Edward“, sprach sie meinen Namen aus und ich wurde hellhörig. Sie hörte sich besorgt an, fast so, als wäre sie sich irgendeiner Schuld bewusst.
„Was hast du? Was ist los?“ Ihre Stimme brach und mein Körper explodierte beinahe vor unbezähmbarer Wut auf mich selbst.
Wie war es möglich, dass sie so reagierte? Sie wusste, dass ich ein Monster war. Wenn nicht sie, wer sonst? Sie hatte es immer abgestritten, aber hatte sie nicht spätestens jetzt den unumstößlichen Beweis von mir geliefert bekommen? Ich liebe dich, Bella, wollte ich schreien, ich liebe dich mehr als alles auf dieser Welt. Sieh nur, was ich dir angetan habe.
Mein Körper wurde zu Eis, fühlte sich noch härter als sonst an. Ich war ein Monster. Ein Parasit.
„Das fragst du?“ Es klang hart und zornig. Von meiner aufgesetzten Gelassenheit war nichts mehr zu hören.
Sekunden vergingen, während ich mit mir kämpfte und schließlich aufgab – ich musste ihr einfach in die Augen sehen, musste versuchen, aus ihrem Schweigen schlau zu werden.
Ich bereute es nicht – es war wie eine Erlösung, dem Sinn meiner Existenz wieder in die Augen blicken zu dürfen. Für eine kostbare, wunderbare Sekunde vergaß ich, warum ich so zornig war. Ihre Augen wurden seltsam hell, bevor sie wieder ihr gewöhnliches, atemberaubendes Braun annahmen und Bella runzelte ihre Stirn, sodass weitere Falten erschienen. Sie sah mich an, ihr Blick war abwesend.
Wie von alleine näherte meine rechte Hand sich ihrem Gesicht und fuhr mit dem Daumen sanft über ihre Stirn. Ich versuchte, die Sorgenfalten zu glätten. Woran dachte sie? Warum sah sie plötzlich so bedrückt aus?
„Woran denkst du?“, murmelte ich leise, aber eindringlich.
„Du bist aufgebracht, und ich verstehe nicht warum. Hab ich …?“ Sie schluckte mühevoll und verstummte.
Mit einem Schlag war der Zorn wieder in mir. Sie gab sich die Schuld? Bella schaffte es, selbst jetzt, da ich die unumstößliche Schuld trug, sich selbst etwas davon zuzuschreiben?
Ich konnte es einfach nicht glauben.
Meine Augen wurde schmal, während die Worte zornig aus mir heraussprudelten.
„Wie schlimm bist du verletzt, Bella? Die Wahrheit – versuche nicht es herunterzuspielen.“
„Verletzt?“ Sie klang verblüfft, aber gleichzeitig war ihre Stimme so unnatürlich hoch, dass ich mir fast sicher war, dass sie versuchte, es zu überspielen, um mich zu beruhigen, um wieder einen Fehler von mir auf sich zu nehmen.
Ich starrte sie an, zog die Augenbrauen in die Höhe und wartete.
Bella streckte ihren Körper und kurz zuckte etwas über ihr Gesicht, das ich als Schmerz deutete. Gerade wollte ich anfangen, mich für meine unverzeihliche Tat zu entschuldigen, als sich ihr Gesichtsausdruck schlagartig veränderte.
Wut sprühte aus ihren Augen und sie verzog verärgert den Mund, der deutlich Schwellungen aufwies. Schmerz durchzuckte mich.
Verstand sie nun endlich, was ich ihr angetan hatte?
„Wie kommst du denn darauf?“, fauchte sie und machte damit all meine halbherzigen Hoffnungen zunichte. „Es ist mir noch nie bessergegangen als jetzt.“
Ich schloss gequält die Augen. Es war nun mehr als eindeutig, dass Bella meinetwegen log.
„Hör auf damit.“
„Womit soll ich aufhören?“
„Hör auf so zu tun, als wäre ich kein Monster, weil ich mich auf diese Geschichte eingelassen habe.“
„Edward!“, raunte sie und klang bestürzt. Ich verstand es nicht.
„Sag so etwas nie wieder!“
Schon wieder konnte ich sie nicht anblicken. Ich schämte mich so sehr.
„Sieh dich doch an, Bella. Und dann sage mir, dass ich kein Monster bin.“
Sie schnappte erschrocken nach Luft – es hörte sich erstickt an – und meine Augenlider bewegten sich von alleine.
Verletzt sah sie an sich hinunter und schüttelte langsam ihren Kopf, worauf mehrere weiße Daunenfedern, die teilweise in ihren nassen Haaren getrocknet waren, auf mich und das Bett fielen. Sie sah aus, als würde sie eben aus einem Traum erwachen. Wäre ich nicht so voller Hass auf mich selbst gewesen, hätte ich sie jetzt in den Arm genommen und geküsst, doch ich konnte mir in diesem Moment nichts vorstellen, dass angesichts der Tatsachen noch unpassender erschienen wäre.
Langsam hob Bella ihre Hand und zerdrückte eine kleine Feder zwischen Daumen und Zeigefinger.
Der Zorn wütete weiter in mir. Ich hatte in mehrere Kissen gebissen. Es war unvorstellbar, sich auszudenken, was geschehen wäre, wenn ich es nicht getan hätte. Ich spürte, wie mein Mund zu einer harten, festen Linie wurde.
„Wieso bin ich mit Federn bedeckt?“, fragte sie und die Verwirrung, die in ihrer Stimme mitschwang, hörte sich diesmal äußerst echt an.
Ich atmete die mit ihrer Hitze durchtränkte Luft abrupt aus.
„Ich habe in ein Kopfkissen gebissen. Oder in zwei.“ Wie konnte sie sich jetzt darauf konzentrieren, wenn ihr Körper übersät mit Blutergüssen war? „Aber das meine ich nicht.“
Verständnislos blickte sie mich an, ihre Wangen leicht gerötet, ihr Mund halb offen. Selbst in meinem Zorn realisierte mein Gedächtnis, wie unglaublich, wie umwerfend schön sie war.
„Du … du hast in ein Kissen gebissen? Wieso?“
„Schau, Bella!“ Ich konnte es nicht mehr aushalten. Meine Stimme war ein Knurren, ich konnte mich fast nicht mehr beherrschen.
Ich griff nach ihrer Hand, so vorsichtig ich konnte, legte sie in meine und streckte behutsam ihren Arm. Ich bemühte mich so sehr, ihr nicht den Hauch von Schmerzen zu bereiten.
Da wo die fast schon blauen Flecken sich befanden, pochte es noch mehr als sonst und angewidert betrachtete ich sie auf ihrem wunderschönen, blassen Arm.
Sie befreite ihre Hand und drückte einen Finger auf die Blutergüsse. Ich hielt es kaum aus, ihr in die Augen zu blicken. Fast schon fasziniert beobachtete sie die pochenden Stellen, die bis zur Schulter hinauf führten und dann nach unten zu ihrer Taille.
Ich wollte schreien, so laut ich konnte.
Langsam legte ich einen Finger nach dem anderen auf Bellas Arm und füllte damit die Abdrücke genau aus.
„Oh“, sagte sie und Verständnis blitzte in ihren Augen. Verständnis, aber keine Spur von Wut.
Ich lag da, unfähig mich zu bewegen, und dachte darüber nach, wie es so weit kommen konnte. Wie ich es soweit kommen lassen konnte.
Das Schlimmste war, dass ich mich nicht erinnern konnte. Ich wusste nicht, wie es passiert war. Das einzige, das noch fast greifbar war, war das Gefühl – dieses unbeschreibliche Gefühl – von Leidenschaft und Liebe, verschmolzen zu einem. Es war ein Rausch gewesen und es hatte meine Wahrnehmung erheblich geschwächt. Bella war überall gewesen, ich hatte jeden noch so kleinen Teil ihres Körpers gespürt.
Doch hier war der Preis dafür, der Preis für mein eigenes Vergnügen. Ich hasste mich mehr, als ich es in Worte hätte fassen können.
„Es … tut mir so leid, Bella“, flüsterte ich mit vor Schmerz verzerrter Stimme. Sie starrte immer noch auf die dunklen Male, ihr Blick verschleiert, erschrocken.
„Ich hätte es wissen müssen. Ich hätte nicht …“ Ich brach ab und konnte gerade noch einen Schrei unterdrücken; nur ein zischender, angewiderter Laut entwich meinen Lippen, während ich Bella flehend anblickte.
„Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid es mir tut.“
Ihren immer noch abwesenden, leicht geschockten Blick zu sehen war mehr, als ich ertragen konnte. Ich legte mir einen Arm quer über das Gesicht und schloss zusätzlich die Augen. Bilder jagten durch meinen Kopf und ließen mich leiden. Die Blutergüsse waren schlimmer, als ich es mir ausmalen konnte, sie waren überall. Und die Erinnerung an die Nacht half auch nicht weiter. Minuten gingen vorüber, ich konzentrierte mich auf die Wellen draußen, die an den Strand gespült wurden und wieder verschwanden. Als ich daran dachte, dass ich vor wenigen Stunden dort mit Bella gelegen hatte und ihrem zerbrechlichen Körper möglicherweise gerade Schmerzen zugefügt hatte, stöhnte ich wieder auf.
Was war ich nur für eine erbärmliche Kreatur …
Sie berührte meinen Arm mit den Fingerspitzen, doch ich konnte nicht reagieren. Es machte alles noch schlimmer. Die Wärme, die Hitze … Ich hasste mich dafür, dass mein Körper darauf reagierte, als würde er frisches Blut bekommen. Es war eine Sucht, die Bella ins Verderben stürzte und auch mich mitriss, doch das war mir gleich.
Weiche Hände berührten meinen Arm, umklammerten mein Handgelenk, doch ich rührte mich nicht. Ich war nicht fähig dazu.
„Edward.“ Ihre Stimme klang so lieblich. Sie war so voller Vertrauen, das ich nicht verdient hatte.
„Edward?“ Wieder bewegte ich mich nicht.
Bella, wollte ich sagen, siehst du denn nicht, was ich getan habe? Kannst du es nicht fühlen? Kannst du nicht tief in dir spüren, dass ich das abscheuliche Monster bin, vor dem ich dich schon immer gewarnt habe?
„Mir tut es leid, Edward. Ich bin … ich kann es dir gar nicht sagen. Ich bin so glücklich. Das ist gar kein Ausdruck. Sei nicht böse. Bitte. Mir geht es wirklich g…“
„Sag bitte nicht gut“, unterbrach ich sie, meine Stimme war zu Eis gefroren. Sie konnte unmöglich wissen, was ihre Worte in mir auslösten. „Wenn du mich nicht in den Wahnsinn treiben willst, dann sage bitte nicht, es gehe dir gut.“
„Aber mir geht es gut“, flüsterte sie verständnislos.
„Bella.“ Voller Qual sprach ich ihren Namen aus. Je mehr sie meine Tat bestritt und zu verharmlosen versuchte, desto größer wurde der Hass auf mich. „Hör auf damit“, flehte ich sie an.
„Nein, hör du auf damit, Edward.“ Jetzt klang sie plötzlich wütend.
Ich bewegte meinen Arm zur Seite und starrte in Bellas entschlossenes, wenn auch noch immer leicht verwirrtes Gesicht über mir. Ihre geschwollene Unterlippe war vorgeschoben und sie funkelte mich an.
„Mach es nicht kaputt“, sagte sie. „Ich. Bin. Glücklich.“
Doch wie konnte ich ihr in solch einer Situation Glauben schenken?
„Ich habe es schon kaputt gemacht“, flüsterte ich verzweifelt. Meine Augen ruhten jetzt nur auf ihrem Gesicht, ihren Oberkörper konnte ich nicht anblicken, ohne schon wieder die Beherrschung zu verlieren. Doch so wunderschön und perfekt ihre Züge waren, so deutlich war die Schwellung an ihren Lippen und Wangenknochen noch immer zu erkennen.
„Hör auf damit“, schimpfte sie und ich schlug die Zähne aufeinander. Wie konnte ich ihr noch offensichtlicher klarmachen, dass alles ein Fehler gewesen war? Dass ich der Fehler war?
„Ah!“, stöhnte sie und ich ließ mich ablenken. „Warum kannst du jetzt nicht meine Gedanken lesen? Es ist so lästig, dass sie stumm für dich sind!“
Ich spürte, wie die Überraschung meine Wut für einen kurzen Moment beiseite schob. Bella wollte, dass ich ihre Gedanken kannte? Ungläubig starrte ich sie an. Oder war das nur ein Trick?
„Das ist ja etwas ganz Neues. Du bist doch immer so froh darüber, dass ich deine Gedanken nicht lesen kann.“
„Heute nicht.“
Ich sah ihr misstrauisch in die Augen. Sie log nicht, das wusste ich. Andernfalls hätte ich es sofort gemerkt. Aber wie sonst… –
„Warum?“, fragte ich.
Sie hob die Hände, wobei kurz eine Emotion, die ich nicht deuten konnte, über ihr Gesicht zuckte und ließ sie wieder mit der Wucht eines schwachen Lufthauchs auf meine nackte Brust fallen. Deutlich konnte ich nun die langen Blutergüsse sehen, doch der andere Teil in mir ignorierte dies völlig und konzentrierte sich vollkommen auf das Gefühl von Bellas Händen auf meiner bloßen Haut. Erinnerungen an die Nacht rasten durch meine Gedanken und panisch versuchte ich, sie zu verdrängen.
Zum Glück begann Bella zu sprechen und verschaffte mir damit Ablenkung, die ich dringend benötigte.
„Weil deine Panik ganz überflüssig wäre, wenn du sehen könntest, wie es mir in diesem Moment geht! Oder jedenfalls vor fünf Minuten. Ich war überglücklich. Im siebten Himmel. Jetzt – tja, jetzt bin ich ziemlich sauer, ehrlich gesagt.“
Es beruhigte mich ein wenig, auch wenn Bellas Zorn nicht im entferntesten an den meinen herankam und auch wenn sie aus den falschen Gründen wütend auf mich war.
Sie war Bella, sie war kein normal denkender Mensch. Doch das war einer der Gründe, warum ich sie liebte. Warum sie mich liebte.
„Du solltest auch wütend auf mich sein“, gab ich zu Bedenken.
„Ja, bin ich auch. Geht es dir jetzt besser?“
Ich seufzte. Wie konnte es mir besser gehen, wenn sie noch immer alles abstritt?
„Nein. Nein, ich glaube nicht, dass mich im Augenblick irgendetwas aufheitern kann.“
„Genau das“, sagte sie und klang jetzt wirklich wütend. „Das ist es, was mich so sauer macht. Du machst meine ganze Freude zunichte, Edward.“
Ich verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. Ich begriff nicht, wie sie sich auf so eine Kleinigkeit versteifen konnte, wenn ihr eigener Ehemann ihr Schmerzen zugefügt hatte.
Sie holte tief Luft und blickte über meinen Kopf hinweg auf die weiße Wand.
Während ich sie ansah, die Perfektion, die ich zu verletzten gewagt hatte, schlich sich etwas anderes in meine Gedanken.
Alice. Meine Schwester hatte mir versichert, dass ich Bella nicht verletzten würde. Hatte sie gelogen? Hatte sie von Anfang an gewusst, was ich tun würde? Wollte sie nur nicht unsere Hochzeitsnacht ruinieren? Nicht, das sie es jemals getan hätte. Wenn jemand hier etwas ruiniert hatte, dann ich.
Einen Moment dachte ich darüber nach, bis ich diese Möglichkeit wieder verwarf. Alice hatte meine Entscheidung gesehen. Da ich natürlich niemals in Betracht gezogen hatte, Bella wehzutun, war es auch nicht als Vision in ihrem Kopf aufgetaucht. Natürlich nicht.
Doch das machte mich nur noch trauriger. Ich hatte die Zukunft geändert, indem ich mich gehen gelassen hatte, indem ich dem Monster freie Hand gelassen hatte.
Es war unverzeihlich. Und ich schämte mich umso mehr, als ich daran dachte, dass Alice höchstwahrscheinlich alles wusste. Nie hatte sie von mir erwartet, dass ich zu so etwas fähig war, doch nun hatte ich sie eines Besseren belehrt.
Bella lenkte meine Konzentration wieder auf sich, indem sie mir wieder in die Augen blickte. Ihr Gesicht wurde weicher.
„Wir wussten doch, dass es nicht einfach wird. Ich dachte, dass wäre klar. Und dafür – na ja, es war viel leichter, als ich gedacht hatte. Und das hier ist echt nicht der Rede wert.“ Sie fuhr mit den Fingern über die Blutergüsse auf einem ihrer Arme, während ich sie erst ungläubig und dann immer zorniger anstarrte, als mein Gehirn realisierte, was sie da sagte.
„Ich finde, fürs erste Mal, dafür, dass wir nicht wussten, womit wir rechnen mussten, haben wir uns super geschlagen. Mit ein bisschen Übung …“
Ihre Stimme erstarb angesichts meines Gesichtsausdrucks.
„Klar?“, stieß ich rasend vor Wut hervor. „Hast du das erwartet, Bella? Hast du damit gerechnet, dass ich dich verletzten würde? Glaubtest du, es würde noch schlimmer werden? Betrachtest du es als erfolgreiches Experiment, weil du es überlebt hast? Keine Knochenbrüche – ist das schon ein Sieg?“ Atemlos blickte ich sie an, das Kohlrabenschwarz meiner Augen spiegelte sich in ihren wieder. Ich konnte es nicht fassen. Ich war so zornig wie seit der Hochzeit nicht mehr, als Jacob Bella verletzte. Wie konnte Bella es so sehen? Wie konnte sie nicht die Wahrheit sehen, die sich deutlich und schmerzhaft auf ihrem ganzen Körper abzeichnete?
Ich wusste nicht mehr weiter. Es war vergeblich, ihr die Tatsachen vor Augen zu führen, wenn sie sie auf solche Weise verdrehte.
Nur langsam und mühsam gelang es mir, meine Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen.
„Ich wusste nicht, was ich erwarten sollte – aber ganz bestimmt habe ich nicht erwartet, dass es so … so … wundervoll und vollkommen sein würde.“ Bellas Stimme hörte sich erstickt an, sie wurde zu einem Flüstern und ihre Augen wichen meinen aus, als wäre sie beschämt durch ihr Geständnis. Ihr Blick blieb an meinen Händen hängen.
„Ich meine, ich weiß ja nicht, wie es für dich war, aber für mich war es so.“
Mit einem Schlag war der Zorn wie weggewischt. In mir war nichts mehr, nur heillose Verwirrung. Ich wusste nicht was ich tun sollte, nur eines war eine Notwendigkeit – ich musste ihr in die Augen sehen.
Meine Finger berührten ihr Kinn, hoben es sanft an, bis unsere Blicke wieder verschmolzen.
„Machst du dir deswegen Sorgen?“, fragte ich. „Dass es mir keinen Spaß gemacht hat?“ Ich verachtete mich für den Sarkasmus, der immer noch in meiner Stimme zu hören war. Ich wollte sie nicht verletzten. Ich wollte nicht, dass sie sich für irgendetwas schämte.
Abermals wich sie meinem Blick aus und senkte ihren, so als würde sie sich tatsächlich schämen. Verzweifelt überlegte ich, was ich tun konnte, damit sie sich nicht unwohl fühlte.
„Ich weiß, dass es nicht dasselbe ist“, murmelte sie. „Du bist kein Mensch. Ich habe nur versucht zu erklären, dass es für einen Menschen, na ja, ich kann mir nicht vorstellen, dass es für einen Menschen etwas Schöneres im Leben geben kann.“
Stille breitete sich um uns aus. Ich hörte die Wellen im Hintergrund nicht mehr, hörte weder die Blätter der Palmen rascheln, noch das Zwitschern der Vögel im dschungelartigen Wald. Mein Unterbewusstsein wusste, diese Geräusche mussten da sein, doch ich konnte sie nicht wahrnehmen.
Nicht nach diesem Geständnis. Nicht, wenn Bella mir etwas derartiges offenbarte. Meine hasserfüllten Gedanken waren erloschen, sie wurden ersetzt durch Verständnis, durch die grenzenlose Liebe, die sich die ganze Zeit im Hintergrund gehalten hatte.
In diesem Moment konnte Bella es wohl genau wie ich vorhin, nicht mehr aushalten und schaute wieder zu mir auf, aus schwarzen, glänzenden Wimpern.
Kurz sah ich so etwas wie Erleichterung in ihren gottgleichen Augen.
Nimm sie in den Arm, flüsterte eine Stimme in mir. Küss sie.
Doch ich ignorierte sie; wohl wissend, wie es weitergehen würde, sollte ich meinen Begierden nachgeben.
„Es scheint, als müsste ich mich für einiges entschuldigen“, sagte ich stattdessen und zog die Augenbrauen zusammen. Ich musste unbedingt Klarheit schaffen. „Nie hätte ich gedacht, du könntest aus meiner Reaktion den Schluss ziehen, die letzte Nacht sei für mich … na ja, nicht die schönste Nacht meines Daseins gewesen. Aber ich darf nicht so darüber denken, nicht, wenn du …“
Ich sprach nicht weiter, das Bild, das sich mir bot, machte jedes weitere Wort überflüssig. Ich hatte die Wahrheit gesprochen, ich hatte mich nie in meinem Leben so glücklich gefühlt, wie in der letzten Nacht. Bellas Mundwinkel zogen sich als Reaktion auf meine Erklärung nach oben. Es war so schön, sie lächeln zu sehen. Beobachten zu können, wie ihre Augen strahlten, wie das tiefe Braun ihrer Augen flüssig wurde.
„Wirklich? Die aller schönste Nacht?“, fragte sie mit schwacher Stimme. Zweifel waren darin zu hören. Zweifel, die ich nie wieder hören wollte. Sie sollte nicht an mir zweifeln, nicht, wenn es um meine Hingabe zu ihr ging.
Leidenschaftlich, aber gleichzeitig auch sehr, sehr vorsichtig nahm ich ihr Gesicht in die Hände und zog sie auf mich, so dass sie wieder direkt über mir lag. Ich dachte nach – wie konnte ich ihr die Wahrheit am besten zeigen, ohne sie zu verletzten?
„Ich sprach mit Carlisle, nachdem du und ich unser Abkommen getroffen hatten. Ich hoffte, er könnte mir helfen. Natürlich warnte er mich, dass es für dich sehr gefährlich sein könnte.“ Ich unterdrückte den Selbsthass. Ich konnte mir jetzt nicht erlauben, die Wut auf mich selbst zum Vorschein kommen zu lassen. Auch wenn ich die Gefahr deutlich unterschätzt hatte. „Doch er hatte Vertrauen in mich –“, fuhr ich fort, „ein Vertrauen, das ich nicht verdient habe.“
Bella öffnete sofort ihren Mund, um zu widersprechen, wie ich mir denken konnte, doch ich legte ihr zwei Finger auf die Lippen und versuchte, die süße Hitze zu ignorieren, während ich weitersprach.
„Ich fragte ihn auch, was ich erwarten könnte. Ich wusste nicht, wie es für mich sein würde – ich meine, als Vampir.“ Ich überwand mich zu einem Lächeln. Ich durfte mir ab jetzt keinen Fehler mehr bei Bella erlauben. „Carlisle sagte mir, es sei etwas sehr Mächtiges, unvergleichlich.“ Stumm stimmte ich ihm mit ganzem Herzen zu. „Er sagte, die körperliche Liebe sei etwas, was ich nicht auf die leichte Schulter nehmen dürfe. Unser Wesen ändert sich kaum je, starke Gefühle jedoch können zu bleibenden Veränderungen führen. Doch er sagte, darüber bräuchte ich mir keine Gedanken zu machen – du habest mich bereits vollkommen verändert.“ Diesmal hoben sich meine Mundwinkel von alleine; Bellas Blick wurde weich.
„Ich sprach auch mit meinen Brüdern.“ Bei der Erinnerung an das Entsetzen von Emmett und vor allem Jasper musste ich schlucken. „Sie sagten, es sei ein sehr großes Vergnügen. Nur übertroffen von dem Genuss menschlichen Bluts.“ Ich legte die Stirn in Falten, während mein Blick sich in Bellas einbrannte. „Doch ich habe dein Blut geschmeckt und etwas Stärkeres kann es für mich nicht geben. Ich glaubte eigentlich nicht, dass sie irrten. Nur, dass es bei uns anders war. Noch mehr.“ Ich wusste nicht, wie ich dieses Gefühl sonst hätte beschreiben können.
Doch Bella schien auch so zu verstehen. Sie nickte, ihr Blick war glückstrahlend.
„Es war mehr. Es war alles.“
Ich schluckte abermals. Trotz allem konnte ich nicht die Tatsachen ignorieren.
„Das ändert nichts daran, dass es falsch war. Selbst wenn es möglich wäre, dass du tatsächlich auf diese Weise empfindest.“
Von einem Moment auf den anderen war wieder ein Funkeln in ihren Augen.
„Was soll das heißen? Glaubst du, ich denke mir das nur aus? Warum sollte ich?“
„Um mich von meiner Schuld zu befreien. Ich kann die Beweise nicht ignorieren, Bella. Und auch nicht deine Neigung, mich zu entlasten, wenn ich Fehler begehe.“
Auch auf ihre nächste Reaktion war ich nicht gefasst gewesen. Sie fasste mich mit ihrer kleinen Hand am Kinn und beugte sich so vor, dass unsere Nasenspitzen sich fast berührten.
„Jetzt hör mir mal gut zu, Edward Cullen“, sagte sie entschlossen und ihr unglaublich heißer, süß duftender Atem strich mir über das Gesicht und machte es mir schwer, mich auf ihre Worte zu konzentrieren. Ich riss mich zusammen so gut wie es ging.
„Ich spiele dir nicht um deinetwillen irgendetwas vor, klar? Ich wusste noch nicht mal, dass es dafür einen Grund gibt, bis du anfingst zu jammern. Ich bin noch nie in meinem Leben so glücklich gewesen, nichts reicht da heran – nicht der Augenblick, als du beschlossen hast, dass deine Liebe zu mir größer ist als dein Appetit auf mich, nicht der erste Morgen, als ich aufwachte und dich sah, wie du auf mich wartetest …“ Sie konnte unmöglich wissen, was sie mit mir anstellte, als sie diese Momente aufzählte, die tausende Bilder, Gerüche und Erinnerungen in meinem Kopf aufwirbelten … Sie nahm mir den Wind aus den Segeln.
„Nicht der Moment, als ich deine Stimme im Ballettstudio hörte“, fuhr sie fort und ich zuckte heftig zusammen bei der Erinnerung daran, wie knapp sie dem Tode entronnen war, als James sie nach Phoenix gelockt hatte, „oder als du sagtest >Ich will< und ich begriff, dass ich dich tatsächlich für immer bei mir haben werde. Das sind meine glücklichsten Erinnerungen und das hier ist besser als alle zusammen. Damit musst du jetzt leben.“
Ich fuhr mit einem Finger langsam über die Linie zwischen ihren Augenbrauen, während mir noch immer der Kopf von ihren Worten schwirrte.
„Jetzt mache ich dich unglücklich. Das wollte ich nicht.“ Ich blickte sie entschuldigend an und versuchte, ihre völlig unerwartete Sichtweise zu verstehen.
„Dann hör du auf unglücklich zu sein. Das ist das Einzige, das hier nicht stimmt.“
Ich wollte ihr widersprechen, doch dann überlegte ich es mir anders. Ich hatte mir geschworen, keinen weiteren Fehler zu begehen. Ich würde mein Leben geben, um Bella zufrieden zu sehen.
Ich atmete tief durch und nickte dann zögernd. „Du hast Recht. Was geschehen ist, ist geschehen, und ich kann es nicht mehr ändern. Es hat keinen Sinn, dass ich dir mit meiner trüben Stimmung die Laune verderbe. Jetzt werde ich alles tun, um dich glücklich zu machen.“ Ein Lächeln erschien auf meinem Gesicht und blieb auch, als Bella mich argwöhnisch ansah und eine Augenbraue hob. Ich konnte mir nur zu gut denken, was der Grund dafür war. Doch ich hatte jetzt eine Entscheidung getroffen.
„Wirklich alles?“, fragte sie zweifelnd und wie aufs Stichwort und zu meinem Glück knurrte ihr Magen.
„Du hast Hunger“, beeilte ich mich zu sagen. Vorsichtig drehte ich sie auf die rechte Seite des Betts, war in der nächsten Millisekunde auf den Beinen und wirbelte mehrere Federn auf.
Ich fischte Unterwäsche und Shorts aus meinem Koffer auf der weißen Kommode und zog sie mir so schnell ich konnte an, während Bella sich auf der Matratze abstütze. Keine Fehler, wiederholte ich immer und immer wieder in Gedanken und fuhr mir durch das Haar.
„Und wieso genau hast du nun beschlossen, Esmes Kissen zu zerstören?“, fragte sie, setzte sich ungeschickt auf und schüttelte wie vorhin weitere Federn aus ihrem Haar.
„Ich weiß nicht, ob ich letzte Nacht irgendetwas beschlossen habe“, murmelte ich. Das hatte ich sicher nicht. „Wir haben nur Glück, dass es die Kissen waren und nicht du.“ Ich weigerte mich strikt, diesen Gedanken weiterzudenken, holte tief Luft und schüttelte den Kopf.
Keine Fehler.
Ich lächelte sie mit meiner ganzen Überzeugungskraft an und hoffte, ich konnte sie damit beruhigen.
Sie erwiderte mein Lächeln leicht, rutschte von dem weißen Bett und streckte sich.
Während ich abermals meine Vorsätze vergaß und keuchend nach Luft schnappte.
Es schien, als wäre beinahe kein Körperteil unversehrt geblieben. Die schlimmsten Blutergüsse befanden sich an ihren Armen und Schultern, doch auch sonst war nicht viel ihrer reinen Haut verschont von mir geblieben.
Ich wandte mich ab – ein letzter Versuch, Bella nicht meine Qual sehen zu lassen. Nur am Rande nahm ich war, wie sich meine Hände zu Fäusten ballten und so fest drückten, dass sie taub wurden. Ich hörte auf zu atmen.
Keine Fehler mehr, versuchte ich, mich zu beruhigen, doch es funktionierte nicht. Zu sehr erfüllten mich Bellas Verletzungen – mein abscheuliches Werk – mit Selbsthass.
„Sehe ich so hässlich aus?“, kam es hinter mir von Bella und brachte mich wieder dazu, mich in den Griff zu kriegen. Mühsam konzentrierte ich mich darauf, regelmäßige Atemzüge zu nehmen, um sie nicht noch mehr Verdacht schöpfen zu lassen.
Ich drehte mich vorsichtshalber nicht um, ich war mir nicht sicher, wie viel mehr mein Gesichtsausdruck preisgeben würde, als sie sich ohnehin schon zusammengereimt hatte.
Zu meiner Erleichterung lief sie mit tapsenden Schritten zur nächsten Tür, die in unser großes Badezimmer führte. Ich lauschte ihrem Herzschlag, doch er war ruhig und gleichmäßig, so wie mein Atem jetzt.
Ich schlug mir beide Hände vor das Gesicht und sank lautlos auf den Boden. Einige Sekunden verharrte ich so, während meinen Lippen stumme Schreie entwichen.
Es dauerte nicht lange, da meldete sich die Vernunft wieder.
Du kannst das Geschehene nicht rückgängig machen., flüsterte sie mir zu.
Ich wäre lange Zeit nicht dazu fähig gewesen, mich zu erheben, wäre nicht genau in diesem Augenblick ein Stöhnen aus dem Bad erklungen.
In der nächsten Sekunde kniete ich schon nicht mehr auf den Fließen, sondern war durch die Tür gerannt und glitt an Bellas Seite. Wenn sie Schmerzen hatte, so war meine Qual nebensächlich. Nein, verbesserte ich mich, sie war ohne Bedeutung.
„Bella?“, fragte ich besorgt. Sie stand vor dem großen Spiegel hinter der zweiten Tür des Badezimmers und betrachtete ihr Spiegelbild verzweifelt. Ich zwang mich, nicht hinzusehen.
„Das kriege ich nie alles aus den Haaren!“ Sie zeigte auf ihre Haare, die durcheinander und voller Federn waren. Wieder fragte ich mich, was wohl in ihr vorging. Jeder andere hätte einen Anfall angesichts der unzähligen Blutergüsse bekommen. Bella nicht. Stattdessen –
„Das sieht dir ähnlich, dass du dich wegen deiner Haare aufregst“, murmelte ich und stellte mich dann aber hinter sie, und fing an, Federn aus dem dunklen Haar zu zupfen.
„Wie hast du es geschafft, nicht über mich zu lachen? Ich sehe total albern aus.“
Ich verkniff mir die Antwort, die mir auf den Lippen lag und befreite ihr Haar stattdessen von weiteren kleinen, weißen Daunen.
Du siehst liebenswerter, verführerischer und perfekter als jedes andere Geschöpf dieses Universums aus, Bella, drängte es mich zu sagen. Dies könnten auch ein paar Federn nicht ändern.
„Das wird nichts“, sagte sie nach wenigen Minuten und seufzte tief. „Die sind alle eingetrocknet. Ich werde sie raus waschen.“ Und dann drehte sie sich ohne jegliche Vorwarnung um und schlang die Arme um meine Taille. Um ein Haar hätte ich die Luft angehalten. „Willst du mir helfen?“, fragte sie unschuldig und senkte ihre langen, schwarzen Wimpern. Es war mehr als eindeutig, dass sie dabei auf letzte Nacht anspielte.
Ihre Brust an meiner, ihre warmen Hände an meiner Haut … es war mehr, als ich ertragen konnte. Beinahe.
„Ich mache dir lieber etwas zu essen“, sagte ich mit letzter Kraft und befreite mich in einem letzten Anfall von Selbstbeherrschung sanft aus ihrer Umarmung.
Ich drehte mich abrupt um und lief aus der Tür; menschliche Geschwindigkeit wäre jetzt eindeutig zu langsam gewesen. In der Küche stützte ich mich auf der Anrichte ab und legte den Kopf erneut in die Hände. Eine Weile blieb ich regungslos und versuchte, meine Gedanken zu verdrängen. Einfach die Bilder abzuschalten.
Da ich ein Vampir war, versagte ich auf ganzer Strecke und gab schließlich auf. Ich lief durch die Glastür nach draußen auf den Sand und blickte auf den Horizont und den Ozean, der nun – genau wie meine Haut – in der Sonne funkelte.
Ich hatte Bella verletzt. Ich hatte es getan und nun gab es kein zurück mehr. Damit hatte ich mich mehr oder weniger zurechtgefunden, hauptsächlich, weil ich wusste, dass es unmöglich war, nicht, weil ich es jetzt als weniger schlimm betrachtete. Ich würde mich auf ewig dafür hassen. Aber nun stellte sich mir eine weitere Hürde.
Ich hatte keine Ahnung, wie um Himmels Willen ich die nächsten Wochen überleben sollte, während die pure Verlockung tagtäglich an meiner Seite war. Nicht, dass ich jemals etwas anderes mehr gewollt hatte.
Doch jetzt, da ich wusste, wie das Paradies sich anfühlte, dürstete es mich nach mehr.
Ich wollte mehr. Ich wollte alles.
Ich wollte Bella.
So liebe Leser,
ich werde auch dieses Buch nicht mehr zuende schreiben...zumindest jetzt nicht. Es kann sein, dass mir vielleicht mal irgendwann langweilig ist und ich dann weiterschreibe, aber NOCH habe ich das nicht vor :)
Ich hoffe trotzdem, dass es euch gefallen hat und ihr gaaanz viele Kommentare hinterlasst :)
Gaaanz viele liebe Grüße
Laura S. (twiligtfan10)
Tag der Veröffentlichung: 17.09.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für alle Twilight-Fans :)