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Kapitel I




Am Ende des Tunnels gab es einen Schacht, der zur Oberfläche führte. Corporal Matt LaBaster kletterte die Leiter als dritter herauf und fand sich in einem Haufen Ruinen wieder. Über der Stadt Buchten, früher bekannt als Dresden, lag ein merkwürdiger Grauschimmer. Es roch nach verschiedenen Arten von Metall, Rauchgranaten, Leuchtraketen und nach Sprengstoff. Die gesamte Atmosphäre schien danach zu stinken. Schon als Matt mit einundzwanzig Jahren eingezogen wurde und in den Dienst der Bayrischen Armee gestellt wurde, vernahm er diesen Geruch.
Mittlerweile war er für ihn vertraut - er kannte ihn einfach, konnte sich aber nicht daran gewöhnen. Vor ihm und seinem Squad, bestehend aus acht Elitesoldaten, lag ein Hubschrauberwrack. Der Zug, dem er zugeteilt wurde, gefiel ihm ganz und gar nicht. Er hasste seine Kameraden zwar nicht, konnte sie aber auf den Tod nicht ausstehen. Da war dieser McCarthy, gebürtiger Amerikaner und vor allem Sergeant Grant Bre-Lock, der kommandierende Befehlshaber der Gruppe. Matt redete nicht viel, weder über sich, noch über sein Leben vor der Armee, dass er als Polizist ausgebildet war und daher schon eine gewisse Kampferfahrung besaß. Er wusste wie man mit Waffen umging und wie sie funktionierten, doch das war zu wenig, um auch nur annähernd an die Vorgehensweise und die Taktik und Strategie dieser Elitetruppe heranzukommen. Er wurde in einer Kaserne in der Nähe von Augsburg zum Soldat ausgebildet und später von einem Begutachter der Eliteeinheit Total War

angeworben.
Das ganze war nun ein Jahr her und er konnte sich nicht mehr erinnern, wann er das letzte mal etwas richtiges zu Essen in der Hand hielt. Immer dieses verdammte Fraß, dachte er täglich und musste dabei darauf achten, seine Gedanken nicht in Worte zu fassen, denn sie lebten in einer Diktatur, obwohl die anderen wohl derselben Meinung waren.
“Hier geht’s nicht weiter”, rief Sgt. Bre-Lock nach hinten und aktivierte sein Funkgerät.
“Hier Alpha One”, sprach er in sein Headset, “rufe Basis Gold!”
Eine weibliche Stimme antwortete, doch es erklang ein Rauschen im Headset und die Frau konnte keiner verstehen.
“Signal schwach, bitte wiederholen!”, schrie Bre-Lock laut, als könne das den Empfang verbessern.
Immer noch war ein Rauschen zu hören und man schaltete das Funkgerät aus.
“Das nützt nichts Sarge”, meinte Allister, einer der älteren im Team. “Die haben vermutlich Störsender.”
Bre-Lock starrte in den Himmel, in dem nichts zu erkennen war, als ein grauer Nebelschleier. Matt schaute auf seine Uhr und erkannte, dass es bereits 5 Uhr morgens war.
“Sarge, schon seit acht Stunden laufen wir hier ‘rum und ich hab mich noch nicht mal hingesetzt!”, beschwerte sich Allister.
“Verdammt, halten Sie doch endlich die Klappe!”, fuhr ihn der Sergeant an.
“Und seit diesen acht Stunden meinen Sie andauernd meckern zu müssen?” Er legte eine Pause ein, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen und die anderen darauf aufmerksam zu machen.
“Denken Sie mir macht es Spaß, die ganze Zeit nur nach diesem verfluchten Außenposten zu suchen?”
Schweigen suchte das Squad heim und Bre-Lock schlug vor eine Pause zu machen, um wieder zu neuen Kräften zu kommen.
Matt ließ seinen Helm und sein Gewehr fallen, legte seinen Rucksack und sein Gepäck ab und warf sich in einen Krater hinein, um vor einem Überfall geschützt zu sein. Seine verschwitzten Hände hatten nun eine seltsamen dunkle Farbe bekommen und er dachte, dass dies wahrscheinlich die Farbe vom Gewehr sei und wischte sie mit seinem Kopftuch ab.
“Fünf Minuten! Danach geht’s weiter!”, befahl der Sergeant.
Allister entnahm die Karte Matts Gepäck ohne um Erlaubnis zu fragen und sah ihn dabei grimmig an, weil dieser müde mit geschlossenen Augen im Graben lag und nicht einmal bemerkte, dass sich jemand an seinem Rucksack zu schaffen machte.
Sorgfältig breitete er die Karte vor Bre-Lock auf dem Boden aus und zeigte ihm die bereits zurückgelegte Route.
Matt hörte die Stimmen der beiden, die besagten, dass der verbündete Posten, den zu suchen ihr Auftrag war, bald in Sicht sein müsse und man ihn nur noch nicht vor Augen habe, weil der Nebel so dicht sei.
“Drittes Squad, auf die Füße!” , schrie Bre-Lock.
Allen war klar, dass das keine fünf Minuten gewesen sein konnten doch langsam hatten sich alle erhoben. Auch Matt stand wieder auf den Beinen, hatte aber ein mulmiges Gefühl im Bauch und das besagte nichts Gutes. Er blickte sich um in alle Himmelsrichtungen, hoffte etwas zu erkennen, vielleicht ein Symbol oder ein Banner seines Landes, doch der Nebel war so dicht, dass man fast die Hand vor Augen nicht sehen konnte.
Ein kurzes Signal an alle Teammitglieder und es wurde sich aufgeteilt in Keilformation, sodass man den Kameraden jeweils links und rechts von sich noch sehen konnte. Bei dem Nebelschleier waren das ungefähr drei Meter Abstand zum Nebenmann. Der Sarge ging an die Spitze und Stück für Stück rückte das achtköpfige Squad auf der mit Trümmern und zerteilten Kampfläufern bestückten Straße vor.
Plötzlich hörte Matt ein seltsames wie von Schritten auf Marmorboden erzeugtes Geräusch. Er blickte sofort in die Dunkelheit und hielt sein Gewehr bereit. Sein Nebenmann Gaupel bemerkte dies und tat es ihm gleich.
“Stopp! Da war etwas! Im Nebel!”, flüsterte Matt in sein Headset.
“Squad, halt”, befahl der Sarge daraufhin.
Die Soldaten knieten sich nieder und Matt ließ ein zweites mal seinen Blick durch den Nebel schweifen.
Da! Schon wieder erklang das Geräusch, doch diesmal von der rechten Seite.
“Verdammt, was war das?”, fragte Allister links von Matt.
Gaupel aktivierte die Lampe an seinem Multigewehr und hoffte sich damit einen klaren Blick durch das Nebelfeld zu verschaffen, doch dies erwies sich als fataler Fehler. Im selben Moment krachte eine Granate in Gaupels Körper und zerfetzte diesen in tausend blutige Teile. Matt wurde zurückgeworfen und feuerte mit seinem Karabiner blind in den Nebel. Ein rascher Schusswechsel war die Folge.
“Deckung suchen!”, brüllte Bre-Lock in sein Komlink.
Artilleriebeschuss hatte begonnen und damit auch das Ende der Truppe. Direkt neben Allister schlug eine Rakete ein und explodierte sofort. Wer sich bei dem Gefecht nicht ohne zu zögern in Deckung begeben hatte, war verloren. Allisters Überreste flogen auf die Straße und Matt musste sich bei deren Anblick übergeben.
“Rückzug! Rückzug!”, lautete der Befehl des Sergeants, aber keiner der verbliebenen Männer konnte sich aus der Deckung wagen, da sich gerade überall in der Luft Kugeln und Granaten befanden und Raketen alles in ihrer Nähe zerstörten. Das Feuer wurde nicht erwidert und die Einheit war wie festgenagelt. Matt versuchte mithilfe seines Funkgeräts mit der Basis in Kontakt zu treten.
“Hier Alpha One Tango! Erbitten Feuerunterstützung in Sektor
drei-vier-sieben-sieben, Over!”
“Alpha One? Hier Basis Gold, Artilleriebeschuss findet statt in Sektor drei-vier-sieben-sieben, Over und Out.”
Als die Antwort erklang fiel Matt ein Stein vom Herzen und er war so sehr erleichtert, dass er zu lachen begann. Natürlich hätte er nicht gelacht, wenn er gewusst hätte, was im selben Augenblick mit Sergeant Bre-Lock geschah, dessen Eingeweide sich gerade mit lautem Platschen auf dem Beton verteilten und das Blut schien nur so zu strömen.
Ein paar Sekunden nach dem Funkspruch hörte Matt auch schon die ersten Geschosse hinter dem Horizont aufsteigen. Er versuchte sich unter einem Metalltrümmerteil, das von einem der Hochhäuser heruntergefallen sein musste, zu verkriechen, um vor dem Beschuss geschützt zu sein.
Mehrere Dutzend Granaten flogen in die Häuserblocks und schlugen in die Straße ein. Matt hielt sich die Ohren unter dem Helm zu und schloss die Augen, die durch sein Visier ausreichend geschützt wurden. Er spürte die Erschütterung wie ein Erdbeben rings um sich und hörte das Herabregnen wie tausend Donnerschläge auf einmal. Zum Glück war es schnell vorbei, obwohl es ihm wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen war. Schnell war Ruhe eingekehrt und Matt hörte nur noch einen lauten Pfeifton, der ihm den Gedanken in den Kopf trieb, dass sich sein Trommelfell in Luft aufgelöst haben musste. Er öffnete die Augen und sah zunächst nicht mehr als Staub und aufgewirbelten Betonsand. Immernoch konnte Matt hier und da kleinere Explosionen vernehmen, die wahrscheinlich von Munition ausgelöst wurden. Er schob das Visier nach oben und versuchte sich ein Bild seines Umfelds zu machen.
Als erstes entschloss er sich, nach Überlebenden seines Zugs zu suchen und sie zu bergen. Der Gestank, der ihn vorher schon so verrückt gemacht hatte, wurde noch stärker und brachte ihm Kopfschmerzen. In geduckter Haltung ging er durch die Gräben und Krater, die die gesamte Hauptstraße verwüstet hatten, auf der sie gekommen waren. Ein Schrei ertönte und Matt wandte sich um. Ein Arm, der unter einem Trümmerteil hervorstreckte, zog seinen Blick auf sich. Vorsichtig und ohne Orientierung bahnte er sich seinen Weg durch die Ruinen, als plötzlich ein weiterer Schrei die Atmosphäre erhellte. Er ging auf den Arm zu und zog mit aller Kraft daran, bis ein Helm seiner Landsleute zum Vorschein kam. Er packte die Trümmer aus zerbrochenem Beton und warf sie einen nach dem anderen zur Seite. Er grub den Mann förmlich aus und befreite ihn aus dem Loch. Als Matt ihn zu sich herumdrehte erkannte er George Niccholson, Mitglied seines Trupps, der vor Schmerzen stöhnte. Zu seinem Erstaunen sah Matt, dass Georges Arm ausgerenkt war.
“OK Nic”, wie man ihn unter den Soldaten nannte, “Dein Arm ist ausgerenkt, ich muss ihn also wieder einrenken”, erklärte er ihm.
Vorsichtig ergriff Matt Nics Arm und schlug ihn schnell in das Gelenk zurück. Ein lautes Knacken und ein rascher Schrei waren die Folge.
“Verdammt, wo kamen die denn auf einmal her?”, klagte Nic mit schmerzverzerrtem Gesicht.
“Keine Ahnung, muss wohl ein Spürrtrupp gewesen sein”, erklärte Matt, während er sich klarmachte, dass das wohl ziemlich die gleiche Art von Elitesoldaten war, wie sie.
Die Basis meldete sich daraufhin per Funk in Matts Komlink:
“Hier Basis Gold. Wie ist ihre Position, Alpha One, Over?”
Wurde aber auch Zeit, dachte sich Matt und meldete den derzeitigen Standort, als den selben wie zuvor.
Als die Stimme dann nach dem aktuellen Status des Squads fragte, runzelte Matt die Stirn.
“Wir haben drei Tote, drei Vermisste und zwei Verwundete, Over.”
Am besten, er meldete sich und Nic gleich als verwundet, dann würde man sie abholen müssen

. Doch die Antwort, die im Headset erklang, war alles andere als erfreulich:
“Verstanden, Alpha One. Da die Atmosphäre stark vernebelt ist und die gegnerische Luftaufklärung Infrarotgeschosse abfeuert, ist es uns unmöglich, sie genau zu lokalisieren. Abholung kann nicht erfolgen, solange sich der Nebel nicht auflöst oder die Infrarotgeschütze ausgeschaltet werden, Over.


Matt und Nic stand das Entsetzen förmlich ins Gesicht geschrieben, als sie sich klarmachten, in welcher Lage sie sich befanden. Inmitten eines Meeres aus Trümmern und Ruinen, umringt von kampfeslustigen Feinden, die nur darauf warteten, dass sich zerstreute Überlebende ihrem Netz verfingen.
“Also eines steht fest”, meinte Nic, “ich werde hier nicht tatenlos ‘rumsitzen und auf meine Hinrichtung warten.”
Er hatte wahrscheinlich Recht, dachte Matt, denn der verfluchte Nebel währte schon seit er hier angekommen war und würde wahrscheinlich nie ganz verschwinden.
“Einverstanden. Also machen wir uns auf den Weg zu diesen verdammten Geschützen”, und mit einem mal hatte er wieder Hoffnung…

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