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Prolog

Prolog

 

„Maria! Wie kann sie nur?“ Mit voller Wucht werfe ich den Brief, der mich so eben erreicht hat, auf den Schreibtisch und beginne hektisch in meinem Arbeitszimmer herumzulaufen. Ich habe ihn soeben gelesen. Die Antwort macht mich wütend. Ziemlich wütend.  

Wir müssen sofort eingreifen! Und auf keinen Fall länger warten. Seit fast zehn Jahren fordere ich schon von ihr… und bis jetzt habe ich es nicht geschafft.

Die Tür wird geöffnet, ich wende meinen Blick und sehe meine wunderschöne Frau auf mich zukommen. Zum Glück ist sie bei mir. Ich brauche sie jetzt.

„Was ist los, Schatz?“ Sie sieht mich besorgt an.

„Du schaust so ernst.“

„Ist der Brief von ihr?“ Ihr Ton ist herabwürdigend, doch er ist vollkommen angebracht.

„Ja! Und langsam kann ich nicht mehr warten! Ich werde nicht mehr warten! Sie missachtet das Gesetz. Aber ich möchte dich damit nicht allzu sehr belasten.“

Mit einer Handbewegung mache ich ihr deutlich näher an mich zu treten. Sie ist ein paar Meter vor mir stehen geblieben, das Protokoll schreibt es uns so vor. Diese Regel nervt mich, allerdings wurde sie auch zu unserem Schutz geschrieben.

Zeitgleich hält es mein Volk auf Abstand und zur Aufrechterhaltung des Respektes gegenüber der gesamten Kaiserfamilie - uns. Ich bin König von Osteau sowie Kaiser von Groß-Osteau. Seit Jahrzenten regiert meine Familie über Osteau, einem Land mit großartiger Geschichte. Es hat sich von einem sehr kleinen Land zu einem starken und erfolgreichen Gebiet entwickelt. Dadurch war es uns möglich schnell einige Länder für uns gewinnen, die jetzt das Kaiserreich Groß-Osteau bilden.

 

Doch diese Entwicklungen rücken in diesen Augenblick in weite Ferne. Es ist Maria, an die ich gerade denke und die mich dermaßen wütend macht, sodass ich am liebsten sofort mit meiner Kutsche zu ihr fahren würde. Maria, diese – mir fällt kein besseres Wort ein, das sie am besten beschreibt- unverschämte Frau, die ich jemals kennengelernt habe.

„Ich hatte erneut einen Brief aufgesetzt und ihr zugeschickt. Wenn sie sich nur endlich meinen Befehlen beugt, wird sie hoffentlich unsere Tochter zu mir schicken.“

Eine Hand berührt meine Schulter. Es ist die meiner Frau. Ich berühre ihre Hand.

„Alexander, du hast absolut richtig gehandelt! Es geht schließlich um deine Tochter.“ Ihre Wut ist hörbar und das bestärkt und beruhigt mich.

„Ich weiß. Sie ist nur so stur, obwohl sie das Gesetzt kennt.“

„Wenn sie hier sein wird, werde ich mich um sie kümmern. Ich nehme sie mir an als sei sie meine eigene Tochter. Das habe ich dir doch versprochen.“

Diese Worte beruhigen mich und ich umarme sie fest. Aber ich weiß auch sehr gut, dass meine Tochter ohne meine Hilfe nie zu mir finden wird. Zigtausend Briefe habe ich bereits geschrieben, nichts haben sie bewirkt. Seit fast zehn Jahren.

„Wenn Maria sich wieder nicht meinen Befehlen beugt, werde ich keine Alternative haben, als eine Kriegserklärung zu verkünden.“

Meine Frau nickt.

„Handle so wie du es für richtig hältst. Du weißt, ich unterstütze dich in allen Dingen und ich habe dir auch oft genug gesagt, was ich von Maria halte.“

Dankbar lächle ich sie an. Sie ist meine Stütze und ich weiß: bei ihr wird meine Tochter sicher sein.  

Ich werde noch ein paar Tage warten und wenn wirklich nichts geschieht, dann habe ich keine Wahl. Es wird einen Krieg geben.

„Ist ihr Zimmer ist schon fertig?“

„Nein, aber fast und wenn sie hier ist, dann wird es bereit für sie sein.“

„Was fehlt noch?“

„Ihr Bett, Alexander.“

„Danke.“, flüstere ich mit einem Lächeln und gebe ihr einen Kuss auf die Wange.

 

 

Schloss Schönburg, ungefähr eine Stunde später:

 

Die Sonne scheint in mein Zimmer. Endlich! Mit einem Lächeln in meinem Gesicht schaue ich nach draußen. Die letzten Tage hat es nur geregnet.

Ich möchte endlich wieder nach draußen und in den Pfützen spielen.

Mit meinen Armen stütze ich mich auf der Fensterbank ab, damit ich mehr sehe und beobachte die Vögel, die vor meinem Fenster fröhlich herumfliegen. Relativ schnell verschwinden sie aus meiner Sicht.

Enttäuscht setze ich mich wieder auf den Boden.

Ich heiße Elizabeth und morgen werde ich zehn Jahre alt. Dann bin ich endlich älter und darf hoffentlich auch in die Schule. Ich kann es kaum erwarten, doch Mutter will erlaubt es mir noch nicht. Mich nervt das!

Von den paar Sonnenstrahlen werde ich geblendet. Ich schließe kurz meine Augen und spüre die Wärme. Ich wünschte jemand würde mit mir spielen.

 

Endlich ist Vater wieder da! Er war für ein paar Tage fort. Mutter sagte mir, dass er sehr wichtige Termine zu erledigen hatte. Was für welche es waren, verriet sie nicht. Aber das ist eigentlich auch nicht wichtig. Hauptsache er ist wieder da!

Seine Abwesenheit kam mir wie eine Ewigkeit vor. Jeden Tag habe ich aus dem Fenster geschaut und gehofft ihn zu sehen.

Als ich ihn heute Morgen am Frühstückstisch sah, rannte ich sofort zu ihn und in seine Arme. Sofort umarmte er mich und zog mich hoch zu sich.

„Da freut sich ja jemand mich zu sehen!“, sagte er und lachte.

„Unser Schatz hat jeden Tag auf dich gewartet. Sie hat dich richtig vermisst.“

„Vater, endlich bist du wieder hier!“, sagte ich.

Ich hoffe, er bleibt jetzt erst einmal hier.

Er muss einfach hierbleiben und nicht mehr wegfahren! Endlich spielt er wieder mit mir. Er macht dabei immer viele Späße. Schon bei dem Gedanken strahlte ich!

„Elizabeth! Alles ist gut. Ich bin wieder da. Und so lange war ich doch gar nicht weg!“, sagte er und musste lachen.

Er hat ganz fest umarmt, küsste mich auf die Wange und meinte: „Jetzt bleibe ich bei euch und verlasse euch nicht mehr. Versprochen!“

Das hat uns alle glücklich gestimmt. Auch Mutter wirkte erleichtert.

Meine Mutter ist immer ganz besorgt, wenn er weg ist und liest mir oft immer nur vor. Ich verstehe das, aber in letzter Zeit wirkt sie noch besorgter als sonst.

Nach einer gewissen Zeit macht mir das Vorlesen und Zuhören keinen Spaß mehr und dann darf ich oft einfach nur spielen. Dann ist es ihr egal was ich mache. Hauptsache ich bin ruhig und beschäftigt. Sie denkt viel dann an Vater. Wenn ich doch nur lesen könnte, dann könnte ich ihr vorlesen, aber Mutter weigert sich noch mir lesen beizubringen. Ich frage mich wieso.

 

Eigentlich möchte ich jetzt raus in unseren Garten, aber meine Mutter sagte mir vorhin beim Frühstück: „Elizabeth, das geht nicht! Ich möchte, dass du bitte heute drinnen in deinem Zimmer spielst.“

Draußen scheint die Sonne! Wieso darf ich nicht draußen spielen? Vor allem werden die Pflanzen jetzt richtig bunt! Normal muss ich fast jeden Tag raus, wenn die Sonne scheint. Wieso jetzt nicht auch?

Ich schaue mich in meinem Zimmer um.

Sofort fällt mir auf, dass meine Türe einen Spalt offensteht. Irgendwer muss sie vorhin nicht richtig geschlossen haben. Ich glaube meine Eltern haben sie vorhin geschlossen. Doch dann kam Anja. Aber seitdem habe ich kein Wort von ihr mehr gehört.

Wo ist sie eigentlich?

Ich sehe mich noch einmal um, aber ich sehe sie nicht.

Anja passt auf mich auf und spielt, wenn sie arbeiten müssen und deshalb wenig Zeit für mich haben. Meine Eltern sind sehr beschäftigt. Jeden Tag treffen sie wichtige Personen und kümmern sich um die Menschen, die hier in diesem Land leben.

Mutter sagte mir, dass Anna ein Kindermädchen sei. Das erwähnt meine Mutter ganz oft, wenn sie über Anja sprechen.

Vielleicht musste Anja kurz weg und kommt gleich wieder.

Egal, ich bleibe einfach hier. Sie wird schon gleich wiederkommen.

Ich setze mich an meinen Schreibtisch und greife nach einem Buch. Orientierungslos blättere ich. Wenn ich doch nur lesen könnte. Traurig lege ich es wieder weg und richte meine Aufmerksamkeit wieder auf meine Puppen. Ich stelle sie in mein Puppenhaus, das mir meine Eltern letztes Jahr zu meinem Geburtstag schenkten. Meine Cousinen haben alle auch eines und deshalb wollte ich auch eins. Früher waren wir oft bei ihnen zu Besuch. Ich hatte ihres immer bewundert, weshalb ich Mutter und Vater danach immer wieder darum gebettelt habe auch eines zu bekommen. Jetzt sind meine Eltern zu sehr beschäftigt, um sie zu besuchen. Das finde ich sehr schade.

 

Aus meinem Regal habe ich mir meine Stifte und Papier geholt. Ich bin beinahe hingefallen, aber es hat dann doch alles funktioniert. Die Kiste war so schwer!

Wann holt mich meine Mutter? Oder kommt Anja noch?

Durch die Türe höre ich jemanden kommen. Ist es Anja? Normal müsste sie doch bald wiederkommen!

Ich schaue zur Tür. Die Klinke ist heruntergedrückt. Die Tür wird geöffenet.

Es ist meine Mutter! Ich laufe zu ihr. Endlich ist jemand da, der sich mit mir beschäftigt.

„Mutter, niemand spielt mit mir!“

Meine Puppe, die mir beim Malen zuschaut und die ich in meiner Hand halte, lasse ich absichtlich auf den Boden fallen.

Ich will nicht mehr alleine spielen!

„Schatz, sag mal, wieso bringt Anja dich nicht in den Speisesaal? Wir warten doch auf dich!“

Ich schaue sie an.

„Sie hat heute früh gesagt, sie sei gleich wieder da. Aber dann kam sie nicht mehr.“, antworte ich aufgeregt, greife nach ihrer Hand und wir verlassen das Zimmer.

Meine Mutter schüttelt fassungslos nur den Kopf. Ich glaube, sie mag Anja nicht.

„Ich werde mit deinem Vater reden und dann werden wir nach einem zuverlässigeren Kindermädchen schauen müssen. Ich werde nach ihr sofort suchen lassen. – Nicolas – Schaue doch bitte nach Frau Knitten.“

„Sehr wohl, verehrte Gräfin.“

Dann ist sie still. Wir laufen den Gang entlang.

 

„Na, da bist du ja, Schatz. Morgen ist dein Geburtstag! Freust du dich schon?“

Mein Vater, der mich jetzt anlächelt, sitzt am Esstisch.

Ich nicke ihm zu und umarme ihn.

Endlich werde ich zehn Jahre alt!

„Anja hat sie mal wieder vergessen.“ Meine Mutter hört sich genervt an und hilft mir auf einen Stuhl.

Ich sitze gegenüber Vater.

Mir fällt ein Bild auf, dass hinter meinem Vater an der Wand hängt. Ich zeige darauf.

„Mutter, wer ist das?“

Mir ist das Bild noch nie aufgefallen.

Auf diesem Bild ist ein Mann zu erkennen, der einen schwarzen Anzug trägt. Er hat kurze, braune Haare und dunkle Augen und schaut sehr ernst. Er hat die gleichen Augen wie ich, schießt es mir durch den Kopf. Unter seinem Bild steht irgendetwas auf dem Bild. Das kann ich leider nicht lesen.

Mutter und Vaters Blicke treffen sich. Das bemerke ich. Sie schauen plötzlich ganz ernst.

„Diese Person willst du besser nicht kennenlernen, Schatz. Er ist böse. Wir sollten auch nicht über ihn sprechen.“, antwortet mein Vater wie jedes Mal, wenn beide im Raum mit mir sind. Wer ist der Mann?

„Wieso hängt dann ein Bild von ihm hier, wenn er böse ist? Wer ist er?“ Ich bin irritiert. Wieso hängt das Bild dort dann? Ich habe doch auch keine Bilder von Personen in meinem Zimmer hängen, die ich nicht mag!

Sie schauen sich ratlos an.

„Naja, wie sollen wir dir das erklären.“, beginnt mein Vater, der sich jetzt sein Jackett zurechtrückt, „er hängt hier damit wir immer wissen, wer unser größter Feind ist. Wenn er irgendwann anwesend sein sollte, ist das ein sehr böses Zeichen. Wir befinden uns auch gerade in einer nicht sehr guten Beziehung mit ihm und seinem Land. Zurzeit verhandeln wir mit ihm, aber er ist sehr hartnäckig und verlangt Dinge, die wir ihm nicht geben können und teilweise auch nicht wollen.“

Ich möchte fragen welche Dinge das sind, aber-

„Jetzt essen wir aber erst einmal. Wir sollten keine Gedanken an den König von Osteau verschwenden. Er hat es nicht verdient!“, fügt er hinzu und lächelt mich an.

„Schatz, Alexander ist auch Kaiser von Großosteau, das darfst du nicht vergessen.“, höre ich meine Mutter flüstern. Was meint sie?

Aber jetzt weiß ich wenigstens, wie er heißt. Kurze Zeit später habe ich den Namen allerdings wieder vergessen. Wahrscheinlich ist das auch gut so.

Während wir essen, kann ich es nicht lassen und schaue immer wieder das Bild an.

„Elizabeth, starre das Bild nicht so an! Er ist unser Feind! Lass dich nicht von ihm verunsichern. Er wird uns und besonders dir nichts antun. Ich werde dafür sorgen.“

Brav nicke ich und schaue das Bild nicht mehr an.

„Elizabeth, möchtest du noch etwas essen?“, fragt mich meine Mutter.

Ich schüttele meinen Kopf.

„Alexander, Sie können abräumen.“

Daraufhin tritt Alexander, einer unseres Bediensteten, an den Tisch; meine Eltern stehen auf, meine Mutter hilft mir vom Stuhl und mit ihr an der Hand verlasse ich den Raum.

 

„Darf ich den geehrten Grafen stören?“, spricht im Flur ein weiterer Bediensteter, Michael, zu Vater. Ich erkenne sofort die Stimme.

„Ja, das dürfen Sie. Um was geht es denn?“

„Mister Dartman ist gerade eingetroffen. Er teilte mir mit, er hätte einen Termin mit Ihnen bezüglich der Landschaftsexpansion.“

„Ach ja, lassen Sie den guten Herren eintreten.“

Der Mann dreht sich um, macht irgendwelche Zeichen mit der Hand, ein anderer Angestellter nickt ihm zu und kurz darauf hören wir schon jemanden kommen.

Es ist ein Mann, der sehr vornehm gekleidet ist. Normallerweise kommen manche Landwirte in Gummistiefeln, doch ich denke mir, dass er das wegen meinem Vater trägt. Alle Leute, die ihn treffen, haben normalerweise auch Respekt vor ihm.

Sofort merke ich, dass dieser Mann mich sofort ansieht. Das macht mich nervös und ich verstecke mich hinter meiner Mutter. Ganz fest halte ich ihre Hand. Irgendwie verunsichert er mich.

„Elizabeth, du brauchst doch vor dem Mann keine Angst haben!“, meint sie und lacht. Ich bleibe trotzdem noch hinter ihr stehen.

„Sie ist sehr schüchtern.“, höre ich Vater sagen.

„Hätten Sie etwas dagegen diesen bedeutenden Tag mit einem Bild festzuhalten? Unsere Abonnenten unseres jährlichen Berichts erfreuen sich immer, wenn sie die Ereignisse des Jahres nachverfolgen können.“

Mein Vater stimmt zu, Michael wird die Kamera des Mannes gereicht und so muss er ein Bild von uns machen. Er besteht darauf, dass auch ich auf dem Bild bin. Meine Eltern wollen es eigentlich nicht, aber er besteht darauf. Und so fotografiert Michael auch mich.

„So jetzt gehen wir aber in mein Büro.“, meint Vater, läuft los und der Mann folgt ihm.  

In seinem Büro bespricht mein Vater immer irgendwelche Anliegen mit den Gästen.

 

„So Elizabeth, du spielst jetzt wieder schön.“, meint meine Mutter.

„Ich will aber lieber zu Stern und ich hasse es allein zu spielen. Mutter, wann darf ich endlich lesen lernen oder in die Schule gehen?“ Wütend möchte ich wegrennen, aber meine Mutter hat schon nach meinem Arm gegriffen.

„Nein, ich habe dir gesagt, es ist zu gefährlich, selbst wenn ich dich begleiten würde.“  

Traurig und enttäuscht schaue ich sie an.

„Du kommst schon noch zu deinem Stern. Aber jetzt darfst du erst einmal wieder spielen. Anja wird gleich da sein. Ich habe sie schon holen lassen.“

„Wieso spielst du nicht mit mir?“

„Du weißt, dass auch ich arbeiten muss.“ Genervt verschränke ich meine Arme.

 

Anja ist jetzt wieder bei mir. Sie schaut aber nicht sehr begeistert. Nach ihr wurde gesucht.

Ich weiß, dass sie mich nicht mag und deshalb auch gekündigt hat.

„In wenigen Wochen bin ich hier zum Glück weg!“

Traurig sehe ich sie an. Jetzt spielt gar niemand mehr mit mir!

Aber sie muss noch den nächsten Monat auf mich aufpassen. Deshalb glaube ich, dass sie jetzt deshalb so nett zu mir ist. Sie sagt, ich solle mit meinem Puppenhaus spielen. Darauf habe ich jetzt aber keine Lust!

„Ich möchte aber lieber mit meinen Pferden spielen!“, beschwere ich mich, stehe auf und laufe zu den Pferden.

„Elizabeth, spiele doch einfach mit deinen Puppen und jammere nicht.“

Anja holt das Puppenhaus aus meinen Spielzeugschrank heraus, wie auch die Puppen und so muss ich mit diesen spielen.

„Die Pferde räumen wir schön wieder auf!“, meint sie genervt. Sie reißt mir sogar die Pferde aus den Händen. Wieso macht sie das?

Ich weine. Ich will die Pferde zurück!

Ich hasse sie! Würde sie mich jetzt nicht an meinem Arm festhalten, würde ich weglaufen. Sie bringt mich zum Sitzen. Es tut weh! Ich hasse sie!

Manchmal habe ich auch schon überlegt, ob ich verschwinden soll, aber das kann ich ja auch nicht machen. Meine Eltern würden mich vermissen und wo soll ich schlafen?

Hoffentlich wird es besser, wenn Anja weg ist. Hoffentlich kommt nach ihr jemand Nettes.

Sie lächelt mich an und gibt mir eine Puppe. Sie setzt sich neben mich.

Ich freue mich, dass sie mit mir spielt!

Doch wenige Minuten später werden wir unterbrochen.

Ein Mann der Wache betritt mein Zimmer.

„Spielt ruhig weiter und beachtet mich nicht.“

„Elizabeth benötigt im Moment erhöhte Sicherheitsmaßnahmen. Gerade ist ein Vorfall geschehen. Ein Gast des Grafens hat energisch nach ihr gefragt. Er wollte sie unbedingt alleine sprechen. Wir konnten ihn aber davon abhalten.“, erklärt er Anja. Sie reden leise, aber ich höre es trotzdem.

Natürlich verunsichert er mich, doch mein Vater hat gesagt ich darf mir nicht anmerken lassen, dass ich Angst habe, sonst merkt der Feind so etwas. Dieser Mann ist nicht mein Feind, aber trotzdem frage ich nicht nach.

Anja wendet sich wieder mir zu, wir spielen weiter und das lenkt mich ein wenig ab.

 

„Elizabeth, ich bin kurz weg. Bleibe bitte in deinem Zimmer. Sei so lieb.“, Anja steht auf und verlässt den Raum. Ich bin froh, dass sie jetzt wieder netter zu mir ist.

Kurze Zeit später verlässt der Mann auch den Raum. Ein anderer Mann kam kurz herein und meinte er sei alles wieder in Ordnung.

Was ist los? Verwirrt und verunsichert schaue ich ihn an.

Kapitel 1

 

„Elizabeth, Schatz?“, höre ich Vaters Stimme im Hintergrund. Ich drehe mich um und sehe Vater in meinem Zimmer stehen. Mit ernsten Blick läuft er auf mich zu.

„Willst du mit mir spielen?“

Ich lächle ihn an.

Er sieht mich an.

„Komm wir setzen uns auf deinen Sessel. Ich muss mit dir reden.“

Dort setzt er mich auf seinem Schoß. Es muss etwas Ernstes sein, das er mir sagen möchte.

„Ich muss dir etwas Wichtiges sagen, Schatz.“

Ich schaue weg, aber er greift nach meiner Hand und so sehe ich ihn doch an. Was ist los?

„Eigentlich wollten wir dich in diesem Alter nicht mit so etwas Schrecklichem vertraut machen, aber es ist jetzt unausweichlich. Es geht nicht anders.“

Was meint er?

Ich halte mich an seinem Arm fest und sehe ihn an. Er lächelt kurz.

„Wir haben dem Kaiser von Großosteau und gleichzeitig auch König von Osteau den Krieg erklärt. Es ging nicht anders. Morgen werden meine Soldaten und ich abreisen. Unser Lager muss errichtet werden und wir müssen uns schnellstmöglich einen Plan überlegen. Es bleibt uns nicht mehr viel Zeit.“ Er streicht mir durch meine Haare.

„Was bedeutet das? Und wieso?“, sprudelt es aus mir heraus. Er soll nicht weg!

Mein Opa hat dieses Wort schon einmal vor ein paar Jahren erwähnt. Ich war vier Jahre alt. Er starb in diesem Krieg damals. Von da an musste mein Vater mehr arbeiten. Seitdem sorgt er sich auch noch mehr um mich.

„Ein Krieg ist etwas ganz Schreckliches. Du weißt, dein Großvater ist einem Krieg gestorben.“

Ich nicke.

„Wir gehen diesen Schritt nur ein, da wir uns gegen ihn wehren müssen. Er droht damit große Teile unseres Landes einzunehmen und vieles mehr. Wir müssen unbedingt einen Sieg für unser Land einholen, um uns vor schwerwiegenden Veränderungen zu schützen. Was er uns droht ist schrecklich!“

Ich halte mich an ihm fest.

Das was er sagt, macht mir Angst.

„Vater, was bedeutet das? Was droht er?“, frage ich mit zittriger Stimme. Eigentlich will ich es gar nicht wissen.

Er greift nach meiner Hand. Sofort sehe ich zu ihm.

„Deine Mutter und du, ihr werdet mich begleiten müssen. So schwer es mir auch fällt, aber das ist die einzige Möglichkeit, um auch euch zu schützen. Ihr werdet im Lager leben.“

Ohne irgendein weiteres Wort zu sagen, steht er auf und ich stehe wieder mit meinen Füßen auf den Boden. Ich sehe ihn an. Mir schenkt er nur noch ein Lächeln und verlässt kurz darauf mein Zimmer. Ich habe Angst, und so werfe ich sie wütend auf den Boden. Wegen diesem Mann muss mein Vater in den Krieg! Was ist, wenn er wie Opa stirbt?

„Victoria, so etwas machst du nicht noch einmal!“, ermahnt er mich sofort, während er mein Zimmer verlässt. Mir ist das aber egal.

Wieso kann er nicht ohne uns dorthin gehen? Dann würde ich auch nicht so etwas erleben müssen.

Das was mein Vater mir gesagt hat, macht mir Angst.

„Ich glaube, wir machen jetzt einen kurzen Spaziergang.“, höre ich Anja sprechen. Sie muss gerade in mein Zimmer wieder gekommen sein. Sie sieht mich an.

Draußen kann ich keinen vollständigen Satz mehr sagen. Ich muss andauernd an den Krieg denken. Mein Vater hat es aber auch so ernst gesagt.

„Anja, bringe Elizabeth wieder ins Schloss! Wissen Sie eigentlich, wie gefährlich es für meine Tochter gerade jetzt ist?! Wir befinden uns bald im Krieg!“

Sofort bringt sie mich wieder hinein. Ich war gerade so glücklich. Wenigstens war es ruhig und es schien die Sonne.

„Wir müssen wieder herein.“, sagt sie nur schnell und auch ein wenig entschuldigend. Ich weigere mich zuerst, aber sie schafft es auch so.

Sofort werde ich von ihr wieder auf mein Zimmer gebracht. Ich male sofort wieder. Mir fällt nichts Besseres ein. Mit meinen Puppen und Pferden möchte ich jetzt nicht spielen.

 

Ich höre meine Eltern vor meinem Zimmer streiten. Es ist nicht zu überhören.

„Wir werden sie nicht mitnehmen! Es ist zu gefährlich und ein Kind sollte keinen Krieg miterleben müssen! Sie wird ein Trauma entwickeln!“, höre ich meine Mutter verzweifelt sprechen, fast schon schreien.

Reden sie über mich?

Sofort renne ich an die Türe und lausche durch das Schloss.

„Alexander wird garantiert seine Leute in unser Lager schicken. Er wird sie ganz bestimmt mitnehmen! Du weißt ganz genau, dass er seit ihrer Geburt nach ihr verlangt! Wie jetzt auch wieder in diesem Brief! Ich kriege zurzeit beinahe täglich Briefe von ihm! Er hat doch das Sorgerecht! Eigentlich hätte ich sie nach der Geburt ihm übergeben müssen. Aber das konnte ich nicht! Das weißt du doch!“

„Alles wird gut! Bei uns ist sie in Sicherheit! Maria, wir schaffen sie von ihm fernzuhalten.“

„Wenn er sie aber hat - verstehe es doch! - dann haben wir keine oder eine sehr geringe Chance sie zurückzuholen. Er wird garantiert versuchen, sie mit allen Mitteln bei sich zu behalten und wir wie Dreck behandelt. Die Mittel hat er ja dazu und er wird sie benutzen! Unser Land wird er an seines anschließen. Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass er das dieses Mal schaffen wird. Ich möchte sie doch nur davor schützen.“

Meine Mutter hört sich sehr verzweifelt an. Ich höre Mutter weinen.

Will er mich wirklich?

„Da dieser Dartman ein Bild von ihr jetzt hat, werden sie unsere Tochter ganz leicht erkennen. Er wollte sie doch schon heute mitnehmen! Die beiden stecken doch garantiert unter einer Decke!“

„Und jetzt in diesem Brief:“

Ich glaube, Mutter liest vor.

„Da du sie mir nicht freiwillig übergibst und bei mir aufwachsen lässt, welches Recht mir sehr wohl zusteht, habe ich keine andere Wahl als euch den Krieg zu erklären. Entweder ihr überliefert sie mir innerhalb der nächsten Tage per Kutsche oder ich habe einen weiteren Grund den Krieg für euch noch schlimmer zu gestalten. Du hättest diesen Krieg verhindern können und deiner Tochter es so viel einfacher machen können.“

Meine Mutter schluchzt.

„Wir werden ihn nicht zu ihr lassen. Sie kommt nicht in seine Nähe.“

Durch das Schlüsselloch sehe ich, dass mein Vater sie tröstet. Ich möchte zu meinen Eltern, aber dann würde mein Beobachten auffliegen.

„Dann werden wir eben Wachen vor unser Zelt stellen und sie rund um die Uhr beschützen. Unsere Wachen sind genauso gut ausgebildet wie die des Kaisers. Wir schaffen das schon, Maria. Vielleicht kreuzt er auch erst hier auf. Wenn er das macht, dann hat er Pech gehabt. Bei uns ist sie in Sicherheit. Natürlich verstehe ich dich, ich will meine Tochter doch auch nicht verlieren! Und zu ihm schicken werden wir sie auch nicht!“

„Aber was ist, wenn doch etwas passiert? Dann ist Elizabeth für immer weg und in den Händen von diesem Biest! Er wollte sie doch immer schon bei sich haben! Und ich weiß auch, dass er im Recht steht, aber ich will sie nicht hergeben! Frederik, verstehe doch, hier im Schloss ist sie in Sicherheit! Ich habe Angst um sie.“, höre ich Mutter.

Ich möchte gerne nach draußen rennen, doch dann würden sie wissen, dass ich sie belausche. Nein, lieber bleibe ich hier! Ich darf mir nicht anmerken lassen, dass ich mir Sorgen mache. Das würde sie nur noch trauriger machen. Sie wollen doch, dass ich glücklich bin. Auf der anderen Seite möchte ich aber auch sie glücklich sehen.

So wie es sich anhört, will er mich. Aber wieso?

„Elizabeth kommt mit uns mit! Wir können ihr so die bestmögliche Sicherheit geben, trotz des Krieges!“

„Aber wie willst du ihr das erklären?“

Daraufhin herrscht Stille. Schnell gehe ich von der Türe weg zu meinem Puppenhaus, denn ich höre Schritte, die immer näherkommen und schließlich wird die Türe in meinem Zimmer geöffnet. Meine Mutter betritt das Zimmer.

„Nanu, wo ist denn schon wieder Anja? Warst du schon wieder die ganze Zeit allein? Es gibt Abendessen.“ Ich nicke ihr zu.

Sie war gerade eben noch da, als sie mich wieder hereinbrachte. Ich weiß auch nicht, wo sie jetzt ist. Sie war doch gerade noch da. Sie muss, ohne etwas zu sagen, verschwunden sein.

Mutter greift nach meiner Hand und so gehen wir los. Oft wäre ich froh, wenn ich mehr Zeit mit meinen Eltern verbringen würde.

Auf dem Weg zum Speisesaal murmelt sie daraufhin irgendetwas vor sich hin, dass ich aber nicht verstehen kann.

„Mutter, was hast du gesagt?“, frage ich sie.

„Nichts, Schatz.“ Doch sie schaut mich dabei eher besorgt als glücklich an. Wieso sagt sie mir nicht die Wahrheit?

 

„Vater, aber ich möchte nicht mit! Kann ich nicht hierbleiben? Ich will lieber hierbleiben!“

Wenn ich könnte würde ich in mein Zimmer rennen. Weit weg von hier!

Ich halte mir die Ohren zu, damit ich nichts hören muss! Vater hat mir gerade mitgeteilt, dass ich sie begleiten muss.

Vater greift nach meinen Händen. Sein Gesichtsausdruck hat sich seit heute Vormittag nicht geändert. Er schaut immer noch ernst.

„Nein, Elizabeth! Das ist zu gefährlich für dich!“, widerspricht mir mein Vater.

Böse schaue ich ihn an.

„Du kannst doch dort auch spielen!“

Ich suche Hilfe bei meiner Mutter, doch sie sitzt nur sichtlich besorgt auf ihrem Stuhl. Wieso hilft sie mir nicht?

Ihr Gesicht ist sehr angespannt und sie lächelt nicht wie normal.

Auch wenn ich keinen Hunger habe, muss ich hier sitzen, da meine Eltern das so möchten. Normal darf ich dann immer in mein Zimmer und spielen. Nur heute nicht!

Ich habe Angst vorm Krieg. Das Wort selbst ist beängstigend! Ich möchte nicht mit! Nein.

„Aber wieso müssen wir denn da hin? Kannst du nicht auch von dem Schloss aus den Krieg leiten? Ich dachte, du würdest Krieg nicht mögen? Wieso machst du das dann? Ich will nicht in den Krieg!“, sage ich ein wenig zu aufgeregt. Mich macht es traurig, dass Vater in den Krieg geht. Mein Opa ist schließlich in einer Schlacht gestorben. Zwei Onkel wurden als Gefangene mitgenommen.

Mir fällt es schwer meine Gedanken zu ordnen. Ich habe einfach nur Angst und weiß nicht was passieren wird.

Von meiner Mutter werde ich jetzt von meinem Stuhl gehoben, mein Vater steht neben uns.

„Ich will nicht, dass du morgen schon in den Krieg gehst. Morgen ist doch mein Geburtstag!“, versuche ich ihn zu überreden hierzubleiben.

„Morgen feiern wir deinen Geburtstag, meine Prinzessin. Wir haben die letzten Wochen andauernd darüber geredet, wie könnte ich ihn vergessen.“, lacht er. Meine Eltern bringen mich daraufhin in mein Zimmer und legen mich in mein Bett.

„Schlaf gut, große Maus. Morgen wirst du schon zehn Jahre alt! Du, großes Mädchen!“

 

 

 

 

 

 

Stadtpalast, zwei Tage später:

 

Maria wollte es nicht anders. Sie hätte es für ihre Tochter so einfach machen können. Dann könnten wir uns diesen Krieg ersparen! Aber nein, sie wollte es unbedingt so.

„Schatz, Alexander, pass bitte auf dich auf! Und ich verlange Berichte.“

Meine Frau steht vor mir. Sie hält meine Hand und sieht mich besorgt an.

Ein Angestellter richtet meine Uniform an mir zurecht.

„Elisabeth, mache dir keine Sorgen. Ich passe auf mich auf. Schließlich muss ich meine Tochter gesund nach Hause bringen.“ Bei diesem Gedanken lächle ich.

Schnell füge ich hinzu: „Du wirst Berichte zugeschickt bekommen. Das ist doch selbstverständlich!“

Ich sehe mich um.

„Jakob, kommst du?“, rufe ich. Vorhin habe ich ihn im Nebenraum gesehen. Ganz blass saß er dort.

Jakob ist mein Sohn und sechszehn Jahre alt. Auch wenn er noch jung ist, wird er mich begleiten. Allerdings wird er nicht in den Krieg ziehen. Stattdessen wird er im Lager bleiben, während ich mit den Soldaten kämpfe. Er wird dort auch nicht alleine sein. Angestellte werden mit ihm den Kriegsverlauf besprechen und ihn in Kriegsführung ein wenig einweisen. Wer weiß, ob er jemals einen weiteren Krieg erleben wird.

„Rufen Sie bitte meinen Sohn. Er soll kommen.“ Thomas, ein Bediensteter, nickt. Doch im gleichen Moment wird die Tür geöffnet und mein Sohn tritt zu uns.

„Da bist du ja!“

Der Gesichtsausdruck meines Sohnes sagt mir, dass er totale Angst hat. Diese Erfahrungen muss er aber jetzt machen!

„Jakob, schaue uns nicht so an!“ Ich lege meine Hand auf seine Schulter.

„Du weißt, es ist nur zu deinem Bestem. Später wirst du mich beerben. Außerdem sind wir bei weitem besser aufgestellt als unser Gegner. Wir werden garantiert gewinnen.“

Er sieht mich an.

„Vater, ich weiß…“

„Seine Majestät und königliche Hoheit, sind Sie bereit?“, werden wir gerufen. Es ist Thomas, mein Berater. Ich nicke und sehe zu Jakob, der mich nervös ansieht.

„Wir sind bereit.“

„Passt auf euch gut auf!“, höre ich meine Frau sagen, die zuerst Jakob umarmt und dann mich.

Wenige Minuten später verlassen wir den Raum und das Schloss. Draußen steige ich mit meinem Sohn in die Kutsche.

Kapitel 2

 

Etwas mehr als eine Woche später:

 

Wir befinden uns im Krieg.

Meinen zehnten Geburtstag haben wir daheim noch wunderschön gefeiert. Aber ich glaube er war nur so schön, da meine Eltern sich extra viel Mühe gegeben haben, damit ich bereitwilliger mitkomme. Ich habe meinen Geburtstag so genossen!

Konstantin, Vaters Aufpasser, hat uns extra für meinen Geburtstag einen Apfelkuchen gebacken, mit den letzten Äpfeln unseres Gartens, und den haben wir alle – Vater, Mutter und ich – gegessen. Es war der schönste Tag in meinem Leben. Das Beste war: Ich habe sogar ein Puppenhaus bekommen!

 

Doch diese schönen Tage sind vorbei.

Am selben Abend hat sich mein Vater bei mir mit einem Kuss auf die Stirn verabschiedet. Er trug seine Ausrüstung und bat mich für seine Truppe zu beten. Damit sie überleben und gewinnen. Brav nickte ich und versprach ihn dies zu tun. Ich kämpfte mit den Tränen.

„Wenn wir gewinnen, dann fahren wir an das Meer in den Ferien und machen alles auf das du Lust hast.“, versprach er mir noch zum Schluss. Ich habe trotzdem ein wenig Unsicherheit herausgehört.

Begeistert nickte ich und umarmte ihn fest.

Und dann sah ich wie er mich besorgt und verunsichert ansah. Ich glaube, er hatte Angst um uns.

Zum Abschied habe ich ihn noch einmal mit Tränen in den Augen richtig umarmt.

Eigentlich wollte ich ihn gar nicht mehr loslassen.

Draußen haben wir ihnen zugesehen wie er und seine Wachmänner das Schloss verließen. Von da an wurden wir von Wachen bewacht. Von diesem Tag an durfte ich auch nicht mehr das Schloss verlassen.

Mit der Kutsche reisten wir zwei Tage später nach. Zuerst habe ich mich geweigert, doch leider hat Mutter mich doch noch überredet. Sie sagte mir, dass mein Vater darauf bestehen würde. Wir wurden von vielen Wachmännern begleitet. Meine Mutter legte mir eine Decke über und kurz daraufhin schlief ich ein. Mein Puppenhaus haben wir auch mitgenommen.

 

„Elizabeth, komm zu mir!“, höre ich meine Mutter streng und besorgt nach mir rufen. Ich drehe mich um und suche sie. Wo ist sie? Ich drehe mich einmal im Kreis, bis ich sie schließlich sehe. Mutter steht vor unserem Zelt. Wir haben gerade einen Spaziergang gemacht.

Heute ist ein ruhiger Tag.

Die Kanonen, Speere, Pferde, der Lärm und die vielen Toten, die wir zum Glück noch nicht sehen, – mein Kopf kann das auch nicht verarbeiten. Jeden Abend ist mir schlecht und ich esse weniger.

Wir müssen außerdem rationieren. Das bedeutet, dass wir unsere Lebensmittel gut einteilen müssen. Mutter meinte, wir müssten das machen damit unsere Soldaten auch genug zu essen hätten.

Andauernd schauen wir auch ob wir diesen König sehen. Jeden Tag wird meine Angst mehr.

Die ersten Tage wurde uns auch immer wieder mitgeteilt, wie weit beide Truppen vordringen konnten.

Jetzt nicht mehr. Das macht mir noch mehr Angst. Dieser König darf nicht zu uns kommen!

Von Weitem höre ich einen Schuss. Mein Herz klopft schnell und ich kriege Panik. Ganz schnell renne ich zu Mutter und halte mich an ihrer Hand fest.

„Es ist alles gut. Sie sind noch weit weg.“

Meine Mutter sagt, je weiter entfernt der Lärm zu hören ist desto besser. Das beruhigt mich ein wenig.

 

Seit wir hier sind, sehne ich mich sehr nach Zuhause, nach meinem Zimmer und der Ruhe.

Zuerst habe ich noch draußen gespielt, doch jetzt nicht mehr.

Gustav, unser Wachmann, hat es mir zumindest abgeraten.

Irgendwann waren auch keine Kinder mehr draußen. Ich glaube, sie werden versteckt. Ab und zu sitze ich mit meiner Mutter vor dem Zelt, wenn es ruhig ist. Doch ich weiß nicht wie lange noch.

Der ganze Lärm macht mir Angst. Was ist, wenn eine Kanone uns hier trifft? Oder ein anderer Schuss?

In einem Gespräch mit Sylvia habe ich gehört, wie meine Mutter sagte, sie hätte immer mehr Angst, ich könnte entführt werden. Mir hat sie das noch nicht gesagt, aber ich habe es ja gehört. Deshalb bewacht uns immer einer der Wachmänner, meistens Gustav. Manchmal verstehe ich nicht, wieso immer dieser Wachmann uns immer begleiten muss. Es ist so ungewohnt! Und es macht mir noch mehr Angst. Angst davor, dass diese Person wirklich hier auftaucht und mich mitnimmt.

 

Viel lieber würde ich mit meinen Freunden und Cousinen daheim spielen. Diese mussten nämlich nicht hier her! Außerdem wären Mutter und Vater auch wieder zusammen und könnten wieder normal arbeiten. Womöglich hätten sie auch mehr Zeit für mich, weil sie nicht mehr so viel arbeiten müssten. Sie wollten für mich auch meinen Spielplatz umbauen lassen. Doch es musste dieser Krieg kommen. Mutter kann keine Nacht mehr ruhig schlafen.

Mutter kommt zu mir und greift nach mir.

„Wir gehen jetzt in unser Zelt zurück.“, sagt sie.

„Ich will nach Hause!“, jammere ich.

Ich will hier nicht mehr leben. Der Boden ist hart und es ist so laut hier. Ich sehne mich nach meinem Bett.

Mein Vater ist nicht mehr zu uns zurückgekommen. Er hat uns nicht mal besucht. Die anderen Frauen, die in unserem Zelt leben, werden ab und zu besucht.

Aber uns wurde gesagt, dass Vater spontan und ungeplant an der Front arbeiten muss. Mittlerweile glaube ich aber, dass das von Anfang an geplant wurde!

Ich weiß, dass er kämpft und dabei Menschen tötet. Mutter sagt zwar immer, dass er nicht kämpft, sondern nur Befehle gibt, doch ich glaube ihr das nicht. Ich vermisse Vater!

Meine Cousinen haben mir gesagt, dass jeder der Soldaten kämpft. Aber sie sind mittlerweile auch nicht mehr hier. Zu Beginn lebten sie auch hier, doch dann waren sie plötzlich weg. Das ging schnell. Sie sind in das Land des Königs geflohen sind, um ihn zu unterstützen. Das hat meine Mutter mir erzählt. Er stellt jedem freiwilligen neuen Soldaten, der für ihn kämpft, ein Haus zur Verfügung. Jeder erhält außerdem eine Ausbildung und die Aussicht auf eine Strafe ist so sehr gering, da sie sich so ihm beugen. Meine Mutter hat sich darüber ziemlich aufgeregt.

Mutter sagt deshalb immer öfters zu mir: „Du musst wissen, dein Vater kämpft zum Schutz und zur Verteidigung unseres Landes. Wir bleiben unserem Land treu. Wir werden uns nie Alexander beugen! Alexander ist böse.“

 

Mutter ist jetzt mit mir wieder im Zelt. Ich bekam gar nicht mit wie sie es mit mir betrat. Ich sitze jetzt auf einen Stuhl.

Hinten im Zelt sehe ich Sylvia, unsere Bedienstete. Ihre Hände sind hinter ihrem Rücken verschränkt.

Mutter greift jetzt nach meiner Hand und sieht mich an.

„Elizabeth, höre mir bitte zu: Du musst ab sofort immer in meiner Nähe bleiben. Wir dürfen erstmal nicht mehr so oft das Zelt verlassen. Uns darf so gut wie niemand mehr sehen. Das haben Gustav, Thomas und ich gestern Abend beschlossen. Thomas ist der Berater deines Vaters. Der König will uns mehr als alle anderen.“

Sofort nicke ich und halte Mutters Hand fester.

Ich merke, dass sie es ernst meint, auch wenn die letzten Tage ruhig waren. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass etwas hier passieren kann. Klar, die letzten Tage gab es hier schon Kämpfe, weil jemand eingedrungen ist aber so richtig gefährlich wurde es für uns noch nie. Die Wachmänner konnten die Eindringlinge immer zurückhalten.

„Hast du das verstanden, Elizabeth? Du musst ab sofort brav und still sein? Du redest mit keinem Fremden mehr! Wir verlassen das Zelt nur noch zusammen. Ich möchte nicht, dass wir wegen dir entdeckt werden.“

Ich schaue sie an und nicke.

Mich nervt es, dass Krieg ist. Ich will wieder nach Hause!

Konnte man den Krieg nicht irgendwie verhindern?

„Wieso können wir nicht heraus und nach Hause fahren?“

Sie atmet schwer und zieht mich zu sich. Mit mir setzt sie sich auf einen Stuhl.

„Elizabeth, die gegnerische Truppe ist kurz davor zu uns durchzudringen. Sie ist schneller hier als von deinem Vater vermutet. Das soll ich dir eigentlich nicht sagen. Die Heimreise ist zu gefährlich für uns.“

Meine kleinen Hände bilden sich vor Angst zu Fäusten und mit der einen Hand greife ich nach meinem anderen Arm. Ich möchte weinen. Vor Frust, Angst, Verzweiflung. Doch ich schaue nur meine Mutter an. Mutter fragt, ob ich etwas essen möchte. Aber ich will nicht. Ich kann nicht. Mir gefällt es hier nicht! Es soll alles wieder gut werden!

 

„Was ist, wenn wir den Krieg verlieren?“, frage ich sie verängstigt.

Ich würde sehr gerne wegrennen. Nach Hause.

„Wir müssen positiv denken, Elizabeth. Zu deinem Schutz.“

„Aber was ist, wenn wir verlieren? Was passiert dann mit uns?“

Meine Mutter schaut mich nachdenklich an. Ich merke, dass sie überlegt. Sie atmet tief durch.

„Dann wird gewiss nichts Gutes geschehen. Wir werden einiges verlieren. Unser Leben wird sich radikal ändern. Wie das genau aussehen wird, kann noch niemand vorhersagen.“

Ich drücke mich ganz fest an sie, denn ich habe Angst.

„Deswegen ist es jetzt ganz wichtig für dich, ab sofort jeden Tag im Zelt zu bleiben und ganz leise zu sein. Es gibt Gerüchte, die besagen, dass der König dieses Mal besonders brutal sein wird. Er solle neben Soldaten auch Kinder mitnehmen, die in deinem Alter sind, damit er sie zu treuen Soldaten erziehen kann. Die Mädchen werden zu Dienstmädchen ausgebildet. Davor wirst du verschont.“

„Wieso?“, frage ich ängstlich.

Sie setzt sich auf einem Stuhl. Sylvia, eine unserer Bediensteten, tritt zu uns und gibt mir und meiner Mutter einen Becher voll Wasser. Sofort trinke ich ein wenig, denn ich habe Durst.

„Wir sorgen dafür, dass du hierbleibst!“, meldet sich jetzt Sylvia zu Wort.

Meine Mutter steht auf. In ihrem Gesicht ist Wut zu erkennen.

„Deshalb müssen wir versuchen, dich vor ihm zu verstecken. Ich werde dich ihm nicht so einfach geben. Auch, wenn er alle Tricks anwenden wird und mit seiner Leibwache kommen wird. Du wirst uns nicht so leicht weggenommen! Ich kämpfe um dich!“

„Ich hoffe Vater besiegt ihn!“

„Können wir noch einen Spaziergang draußen machen?“, frage ich sie flehend.

Meine Mutter erzwingt ein Lächeln und willigt schließlich ein. Ich schenke ihr mein dankbarstes Lächeln und umarme sie fest. Doch als wir draußen sind, sehen wir gar keine Wiesen mehr. Das Feld ist nichts weiter als grau, spröde und niedergebrannt. Nur unser Zaun, der das Lager markiert, steht noch. Entsetzt sehe ich mich um.

Es knallt. Schnell halte ich mich an meiner Mutter fest.

Enttäuscht, mit runter hängenden Schultern gehe ich mit ihr durch unser Lager zurück in Richtung unseres Zelt. Die Luft ist dick.

Wir sehen auch viele Verletzte, die gerade behandelt wurden und selbst noch die Gesunden, die nicht bei der Schlacht sind, da sie hier das Lager bewachen, sehen traurig und angestrengt aus. Wir laufen schnell zurück. Von einem Moment auf den anderen ist es wieder ruhig hier und man könnte meinen, es wäre Frieden und alles gut, doch die Schüsse, die immer wieder aus der Weite ertönen zerstören dieses friedliche Bild. Selbst die Trommelschläge von Weitem verschönern die Situation nicht.

 

>> Alle Frauen und Kinder sofort zurück in ihre Zelte!<<, hören wir unseren Obersten Bewacher laut rufen. Um die Warnung zu unterstreichen, ertönen Trommelgeräusche. Es war doch gerade ruhig! Wie kann es so schnell gehen?

Es herrscht Chaos. An uns laufen alle hektisch vorbei, auch meine Mutter zieht mich mit und laufe mit ihr mit. Was ist passiert? Vor unserem Zelt steht schon Gustav.

Im Hintergrund höre ich Schreie, Wiehern und ohne Pause höre ich Schüsse.

Voller Angst zieht mich meine Mutter ganz fest an sich heran und rennt mit mir zurück ins Zelt. Bevor wir das Zelt betreten, fallen mir von Weitem unbekannte Soldaten auf Pferden auf. Mit einem Fernglas sehen sie in unsere Richtung.  Sie gehören nicht zu uns. Ihre Uniform ist braun, mit einigen goldenen Streifen. Unsere Uniform ist komplett schwarz. Aber was machen sie hier? Sind sie an dem Chaos hier schuld? Ich merke wie sie mich (oder uns?) ganz genau anschauen.

Sie reden miteinander, schauen mich an und galoppieren schnell wieder davon. Sie verunsichern mich. Was wollten sie hier? Tränen kullern auf mein Kleid.

„Alles wird gut!“, versucht mich meine Mutter zu beruhigen und zieht mich schnell weiter. Auf dem Weg stolpere ich über eine Wurzel, ich schreie auf vor Schmerzen und vor Panik, meine Mutter achtet gar nicht auf das Geschehen, stattdessen trägt sie mich das ganze Stück zurück in unser Zelt.

„Ich werde unverzüglich weiteres Wachpersonal anfordern! Sylvia, Sie bleiben hier!“, meldet sich Gustav mit gezwungener selbstsicherer Stimme zu Wort und verschwindet aus dem Zelt. Hektisch läuft er um uns herum. Sylvia nickt pflichtbewusst und sagt, während er aus dem Zelt geht: „Ich bleibe hier, aber beeilen Sie sich bitte!“

„Wieso musste er uns da hineinziehen? Wieso musste ich ihn nur kennenlernen?“, murmelt meine Mutter.

„Wo ist Vater? Was ist los… AUA Mein Knie!!!“

Mein Knie tut weh. Gemeinsam sitzen wir nun auf dem Boden, sie hat den Arm um mich gelegt, dass mich ein wenig beruhigt. Sylvia kommt zu mir und klebt ein Pflaster auf mein Knie, worüber ich sehr dankbar bin. Sie gibt mir auch meinen Teddybären. Den drücke ich an mich.

Sylvia kniet sich zu mir herunter.

„Elizabeth, du musst jetzt still sein. Wir dürfen uns jetzt nicht mehr bemerkbar machen. Verstehst du das?“

Ich nicke.

„Wann kommt Vater? Wie geht es ihm? Wann geht es nach Hause?“, flüstere ich.

Meine Mutter sieht ernst auf den Boden und schaut von mir weg.  Ich glaube sie überlegt, was sie sagen soll.

Sie richtet sich auf, schaut mich wieder an.

„Wenn alles gut läuft, kommt dein Vater morgen. Wir sollten uns keine Gedanken machen. Dein Vater hat gesagt, dass alles gut werden wird.“ Ich merke, wie sie mit ihren Gefühlen kämpft.

„Mutter, du lügst!“ Ihr Blick sagt, dass ich recht habe, es aber nicht zugeben möchte. Sie atmet durch.

„Heute ist ein schöner Tag, Elizabeth. Spiele doch ein wenig mit deinen Pferden. Das gerade war nur ein Vorfall, der keinerlei Bedeutung hat.“.

Mutter lächelt mich an und setzt sich neben Sylvia. Doch das Lächeln ist nicht echt. Sie hat schon einmal schöner gelächelt!

Ich stehe auf und möchte aus dem Zelt rennen. Doch kurz vorm Zeltausgang, spüre ich eine Hand, die mich gleich zurückzieht. Sie legt eine Hand auf meine Schulter und ich kuschle mich an sie heran. Wenigstens ist Mutter noch hier.

„Du bleibst schön hier, Elizabeth! Ich habe dir doch gesagt, dass es draußen gefährlich ist und du weißt selber, dass du draußen nicht mehr viel machen kannst.“

Ich schaue meine Mutter an, und sie mich.

„Es ist zu gefährlich für dich! Du willst doch bei uns bleiben!“

Sie schaut mich an, umarmt mich und bricht schließlich in Tränen aus.

„Alles wird wieder gut, Elizabeth. Ich verspreche es dir!“, trotz des Weinens versucht sie sich zu sammeln. Ich glaube sie will nicht, dass ich merke, wie sie weint.

„Ich habe doch nur Angst um dich!“

Ich sitze hier und drücke meinen Teddybären fest an mich. Alles um mich herum macht mir Angst!

„Mutter, ich will nach Hause! Ich habe Angst.“ Ich schaue sie an. Ganz fest halte ich mich an ihrer Hand fest.

„Schatz, wir kommen früher oder später nach Hause. Wir müssen geduldig sein. Es wäre jetzt zu gefährlich nach Hause zu gehen.“

Sie küsst mir auf die Stirn doch das beruhigt mich auch nicht. Ich möchte hier nicht mehr sein, ich will nach Hause. Aber Vater und Mutter wollten mich dort nicht allein zurücklassen.

„Gustav könnte mit uns kommen. Oder Sylvia!“ Sofort schaue ich zu Sylvia, die allerdings sofort den Kopf schüttelt.

„Elizabeth, es ist zu gefährlich.“

Jetzt traue ich mir nichts mehr zu sagen, denn es wird unser Abendessen gebracht. Es ist endlich wieder eine Suppe.

 

Gedankenverloren sehe ich mich um. Wir haben gerade fertig gegessen. Sylvia ist gerade dabei unseren Tisch abzuräumen.

Von weitem hören wir Wiehern der Pferde und das Geschreie von Menschen lässt mich zusammenzucken. Aber es ist ruhiger geworden. Laut Mutter werden wir noch besser beschützt.

„Ich will nach Hause.“

Ihr Blick ist böse und das bewirkt in mir, dass ich mich schlecht fühle.

„Wir können nicht zurück. Es wäre zu gefährlich und wir dürfen unser Volk einfach nicht im Stich lassen. Auch, wenn wir im Gegensatz zum König nur eine Grafenfamilie sind, müssen wir standhaft bleiben. Elizabeth, komm, versuche jetzt zu schlafen. Morgen ist ein neuer Tag und vielleicht wird der ruhiger.“

„Ich will aber jetzt nicht schlafen gehen! Was ist, wenn etwas passiert?“, schreie ich fast schon und fange an zu weinen. Ich verschränke meine Arme und drehe mich von ihr weg, doch sie ist – wie immer- stärker. Meine Mutter und Sylvia versuchen mich zu beruhigen, indem sie auf mich einreden. Doch das funktioniert nicht so ganz, das interessiert sie aber nicht. Was ist, wenn ich ihnen weggenommen werde? Ich habe so Angst!

Meine Mutter versucht mich umzuziehen, auch wenn ich mich wehre und legt mich auf meine Matratze. Dort bleibe ich liegen. Ich bin nämlich doch ziemlich müde.

„Du wirst jetzt ein braves Mädchen sein und schlafen!“, ihr Ton ist hart. Mir fehlen die Worte, um irgendetwas zu sagen.

Trotz des Lärms schlafe ich schnell ein. Ganz fest drücke ich meinen Teddy an mich.

Ich träume von meinem Pony Stern, mit dem ich über eine bunte Blumenwiese reite.

 

 

Auf dem Weg zum Lager des Grafen, ein paar Stunden später:

 

Wir sind gleich da! Endlich sehe ich meine Tochter und dann nehme ich sie endlich mit nach Hause! Ich weiß nicht, wie sie auf mich reagieren wird. Vor allem jetzt nach dem Krieg, der so gut wie vorbei ist!

Aber eines ist sicher: Ich werde sie heute mitnehmen!

Schließlich besitze ich das Sorgerecht und schon allein die Tatsache, dass sie meine Tochter ist, reicht schon dafür aus.

„Wann sind wir endlich da?!“, schreie ich.

Hoffentlich flüchten sie nicht. Das würde ich Maria zutrauen. Sie wollte sie schon nicht per Kutsche zu mir bringen. Aber auf der anderen Seite weiß sie nicht, dass wir sie heute schon besuchen.

Jetzt reißt mir der Geduldsfaden. Daheim im Schloss ist schon alles hergerichtet für sie. Meine Frau wird sich in ein paar Tagen großartig um sie kümmern. Ich vertraue ihr vollkommen.

Wäre da nicht Jakob. Jakob ist mein Sohn und Kronprinz. Wäre er nicht so naiv und würde sich endlich fügen und mir folgen! Ich hoffe es wird besser, wenn seine Schwester im Schloss ist. Jakob habe ich im Lager gelassen. Er darf sich heute ausruhen. Der Krieg hat ihn abgehärtet. Auch wenn ich ihm das eigentlich in seinem Alter nicht zumuten wollte, ging es nicht anders. Hoffentlich wird er ein Vorbild für seine Schwester sein.

„Wir sind gleich da, Majestät!“, wird mir Auskunft gegeben. Ernst nicke ich. Ich bin müde und angespannt.

„Wir haben alles für Ihre Tochter eingepackt. Frische Kleidung, Stiefel, den neuen Mantel, den Sie für sie besorgt haben, Spielsachen und Plüschtiere, alles ist dabei. Wenn Sie Getränke oder Mahlzeiten benötigen, wir haben genug für die nächsten vier Tage vorbereitet. Natürlich werden wir früher im Lager zurück sein.“

Dankbar lächle ich Thomas, meinen Berater, an. Ein Teil meiner Wache wird später die Gefangenen in unser Lager begleiten. Der Rest trifft vor mir im Lager von Maria ein. Zum Glück kann ich mich auf meine Wache verlassen.

Mit ihnen vereinbart ist außerdem, dass sie Marias Zelt erst einmal in Ruhe lassen, damit das Gefühl der Normalität und Ruhe wieder hergestellt werden kann. Gemeinsam werden wir es stürmen und dann hole ich meine Tochter dort raus. Aus Maria und ihrem Grafen werden einfache Menschen. Ihre Titel werden sofort aberkannt.

 

Ich hoffe allerdings auf Marias Kooperation! Und auch auf die meiner Tochter. Doch dass sie kooperieren werden, bezweifle ich ehrlich gesagt. Maria habe ich schon so viele Briefe in den letzten zehn Jahren geschrieben, in denen ich nach meiner Tochter verlangt habe. Bis jetzt ist nichts passiert und deshalb wird jetzt wahrscheinlich auch nichts passieren. Aus diesem Grund muss ich heute härter durchgreifen als ich es eigentlich vorhatte. Ich muss dem Drama endlich ein Ende setzen!

„Nachdem wir den Wald hinter uns gelassen haben, ist es nur noch ein kurzes Stück und dann sind wir da. McKingsley und Korton sind gestern den Weg abgeritten und haben die beiden auch gesichtet.“

Ich nicke.

Es ist abgesprochen, dass die Kutsche ein Stück entfernt vom Zelt abgestellt wird. Davor werde ich vor das Zelt gefahren.

Mein Atem ist schnell, ich schaffe es allerdings ihn zu mäßigen. Aber ich freue mich einfach so, meine Tochter endlich in die Arme schließen zu können!

 

Die nächsten Tage werden wahrscheinlich anstrengend. Das ist mir bewusst. Für meine Tochter sowie für mich. Für uns beide. Ich entreiße sie ihrem gewohnten Umfeld und sie muss sich an mich gewöhnen. Das muss sie erst einmal verarbeiten. Sie kennt mich gar nicht und sieht in mir den bösen König und Kaiser, der den Krieg begonnen hat und niemals ihr Vater sein kann. Ich bin es, der ihr Leben zerstört. Aus diesem Grund werde ich ihr von Anfang an deutlich machen müssen, dass ich ihr Vater und eine Respektperson bin, aber auch freundlich sein kann, wenn sie mir folgt. Wir werden sehen, wie sie darauf reagiert. Ich stelle mich am besten auf den schlimmsten Fall ein. Nämlich, dass sie nicht mit mir mitfahren möchte. Doch dafür habe ich schon vorgesorgt. Ich habe sicherheitshalber noch einmal die Anzahl der Wachen aufgestockt, die mich begleiten. So kann sie schon einmal nicht so einfach weglaufen. Damit meine ich hauptsächlich meine Tochter aber auch Maria, die bestimmt mit ihr fliehen wird.

In Gedanken gehe ich ein weiteres Mal unseren Plan durch. Sicherheitshalber werde ich das Zelt nach meiner Tochter durchsuchen lassen. Entweder wird sie nämlich versteckt oder sie bleibt bei ihrer Mutter. Würde sie bei ihrer Mutter bleiben, würde das uns die Sache deutlich erleichtern. Im anderen Fall zieht sich alles in die Länge. Mir ist auch wichtig, dass sie Vertrauen zu mir aufbaut und im Endeffekt mehr oder weniger freiwillig mit mir geht. Es soll zumindest den Schein erwecken. Mir reicht es schon, wenn sie sich von mir an die Hand nehmen lässt und mir zuhört. Daheim werden wir dann dafür sorgen, dass sie sich eingewöhnt.

Die Kutsche wackelt und bleibt stehen. Draußen ist es sehr ruhig.

„Wir sind da.“, wird mir mitgeteilt. Im selben Moment wird die Tür schon geöffnet. Thomas steigt aus der Kutsche.

Ich bleibe sitzen und warte darauf, bis wir vor das Zelt fahren und ich endlich meine Tochter abhole. Bei diesem Gedanken muss ich lächeln. Endlich kann ich mich an Maria rächen!

Kapitel 3

Was passiert draußen? Müde sehe ich mich um und setze mich auf. Draußen passiert etwas!

„Mutter, wache auf!“, rüttele ich sie hektisch.

Ich schaue zu ihr. Im selben Moment höre ich draußen einen Schuss. Sofort zucke ich zusammen.

Mutter liegt neben mir und ihre Augen sind geschlossen. Um uns herum kann ich nicht sehr viel erkennen. Es ist dunkel.

Es muss mitten in der Nacht sein. Ja, es ist Nacht. Die Kerze auf dem Tisch flackert leicht. Sie ist die einzige Lichtquelle. Es ist nicht mehr viel von ihr übrig.

Draußen sind jetzt galoppierende und wiehernde Pferde und laute Menschenstimmen zu hören. Nein, Menschen schreien!

Sie haben uns aufgeweckt. Es hört sich an, als würden viele Pferde um unser Zelt rennen.

„Mitkommen!“

Ich erschrecke mich. Woher kommt die Stimme? Sie hat sich so nah angehört. Aber es ist niemand hier.

Schnell drehe ich mich um. Hier ist keiner.

„Ihr kommt jetzt schön mit!“, höre ich jemand sehr ernst sprechen.

Sofort stehe ich auf und laufe zur Zeltöffnung.

„Elizabeth, du bleibst gefälligst hier! Du weißt, dass das gefährlich ist!“ Plötzlich höre ich Mutters Stimme.

Sie ist sehr ernst.

Was ist, wenn jemand sofort uns überfällt und mitnimmt? Ich greife trotzdem nach dem Vorhang und schaue vorsichtig nach draußen. Draußen sehe ich fremde Menschen in Uniformen, die entfernt von unserem Zelt verstreut stehen.

Ich wende meinen Blick nach rechts und erschrecke sofort. Auf dem Boden liegen Menschen. Sie schreien und manche bluten. Einige liegen still auf dem Boden. Ganz schnell schließe ich den Vorhang wieder.

„Nehmt sie gleich mit!“

„Elizabeth! Du bleibst hier jetzt!“, höre ich meine Mutter und spüre ihre Hand. Sie zieht mich an sich. Und darüber bin ich jetzt ziemlich froh!

Ich bereue nach draußen geschaut zu haben.

Ich reibe mir meine Augen und zucke zusammen. Es knallt wieder. Ganz fest halte ich mich an meiner Mutter fest.

Am liebsten würde ich jetzt weiterschlafen, aber draußen ist es ja zu laut und das was draußen geschieht ist nicht gut. Unsicher schaue ich meine Mutter an. Zum ersten Mal fühle ich mich gefangen hier.

„Willst du, dass dich womöglich Alexander noch mitnimmt? Du bleibst hier!“, sagt sie ernst. Sie hat sich zu mir nach unten gekniet und hält mich fest.

„Mitkommen!“, schreit jetzt jemand von Weitem.

Ich zucke zusammen. Wer ist das?

„Mutter, ich habe Angst. Kommt er jetzt zu uns? Ich will das nicht!“

„Schatz, vielleicht kommt er ja doch nicht zu uns. Ich habe doch nur Angst um dich. Aber er wird dich – falls er kommt- ganz gewiss mitnehmen. Du musst jetzt leise sein und wenn es ernst wird, werden wir dich verstecken. Aber ich werde alles versuchen, dass du bei uns bleibst!“

Ich halte mich an ihr fest und sehe mich um. Nie im Leben verlasse ich Mutter!

„Ich will nach Hause!“, flüstere ich leise.

Draußen sind wieder Schüsse und Stimmen zu hören. Ganz schnell halte ich mich an Mutter fest. Zitternd greift sie nach meiner Hand. Sie hat auch Angst.

Hoffentlich betritt jetzt keiner unser Zelt!

„Schatz, wir können jetzt nicht nach Hause. Wir haben keine Chance zu fliehen.“

Wieso kämpfen sie ausgerechnet in unserem Lager und nicht woanders? Ich lehne mich an Mutter an und atme durch. Wenigstens bin ich bei ihr in Sicherheit.

 

Sie setzt sich jetzt auf einen Stuhl. Ich folge ihr, schaue andauernd zum Vorhang, ob jemand das Zelt betritt. Verängstigt fixiere ich ihn.

Sie schaut mich besorgt an. Ich spüre ihre Hände.

Sylvia ist auch wach. Wie an jedem Tag steht sie in ihrer Uniform vor uns. Sie hat den Kerzenhalter mit einer neuen Kerze bestückt.

Draußen schreien wieder Leute und es sind Schüsse zu hören. Ganz schnell greife ich nach Mutters Hand.

 

Seitdem mir meine Mutter gesagt hat, dass in den nächsten Tagen hier vielleicht ein paar Angriffe geschehen könnten, schlafen wir in der Nähe des Einganges.

Mutter sagte mir damals, dass wir so schneller Bescheid wüssten, wenn etwas draußen passieren würde. Sie hatte Recht!

 

„Schatz. Es wird alles gut.“, meine Mutter sieht mich an. Sie setzt mich jetzt ebenfalls auf einen Stuhl.

Ganz schnell zieht sie mir mein Oberteil, das ich gestern schon anhatte, und Socken an.

„Mutter, Ich muss aufs Klo und ich habe Hunger!“

Sie sieht mich an.

Mutter sagt im energischen Ton sofort: „Du darfst jetzt nicht auf die Toilette! Du weißt ganz genau, dass wir auch nichts mehr zu essen haben! Wir dürfen das Zelt jetzt nicht verlassen! Es ist zu gefährlich!“

Schuhe habe ich keine mehr. Sie sind kaputtgegangen. Meine Eltern hatten keine Möglichkeit mir neue zu besorgen. Seitdem soll ich entweder mehr Socken anziehen oder ich friere an meinen Füßen.

Ich weiß nicht was hier um uns herum passiert.

Mutter bringt mich jetzt doch schnell auf die Toilette. Wir hören draußen Menschen schreien.

 

Wieso können wir nicht einfach nach Hause fliehen? Ich will nicht mitbekommen, was draußen passiert.

Von draußen sind weitere Schüsse zu hören.

„Mutter?“, flüstere ich leise und verängstigt.

Ich habe Angst.

Ohne etwas zu sagen, gibt mir meine Mutter zu verstehen, leise zu sein. Sie legt einen ihrer Zeigefinger auf meine Lippen.

„Ich weiß nicht was passiert, aber ich möchte es einfach so erträglich wie es nur geht für dich machen. Heute könnten wir einen grausamen Tag erleben. Wenn doch nichts geschieht, haben wir Glück und du darfst du weiterschlafen. Das verspreche ich dir! Aber jetzt müssen wir gut aufpassen. Ich habe doch nur Angst um dich!“ Sie spricht ganz leise.

Von draußen höre ich Pferde an unserem Zelt vorbei galoppieren.

„Mutter, können wir jetzt nicht einfach nach Hause? Schnell aus dem Zelt rennen und dann mit Gustav und der Kutsche wegfahren?“

Wieder ein Schuss und ein Schrei. Sofort zucke ich zusammen vor Angst und halte mich an Mutter fest.

Ich höre jemand laut und energisch schreien.

Mutter umarmt mich. Hoffentlich wird alles gut!

„Mitkommen!“ schreit jemand wieder. Zum Glück hört es sich nicht so an, als ob sie nicht in unserer Nähe wären.

Hoffentlich kommt mein Vater bald.

Ganz fest umarme ich meine Mutter.

Jetzt höre ich Pferde vor unserem Zelt, von Weitem sind Schreie und weitere Pferde zu hören.

„Anhalten!“, höre ich jemanden schreien. Diese Person scheint nah zu sein! Ich will weg von hier! Verängstigt halte ich mich an meiner Mutter fest. Die Stimme hört sich böse an!

Ganz deutlich höre ich wie jemand von einem Pferd oder etwas Ähnlichem herabsteigt.

„Schauen wir, ob sie heute kooperieren wird. Ich bezweifle das zwar, aber geben wir ihr erst einmal eine Chance, bevor wir härter durchgreifen werden. Genügend Zeit haben wir ihr gegeben.“, höre ich einen Mann sprechen. Er hört sich ernst an. Wer ist das? Warum ist er hier? Was will er von uns?

„Kommt Vater bald?“, beginne ich zu stammeln. Wenig Hoffnung habe ich allerdings nicht.

Mutter sagt nichts.

„Wann kommt Vater, Mutter?“, werde ich lauter, stoppe allerdings sofort. Mutter hält mir den Mund zu und drückt mich an sich. Es tut weh!

Ich hoffe, Vater kommt bald!

„Sei einfach still und bleibe bei mir! Ich weiß nicht, wer dort draußen ist! Du bist anstrengend! Wenn es nicht Vater ist, wird es jemand von Alexander sein! Ich weiß nicht was wir dann machen sollen!“, reagiert sie genervt. Ich hätte sie das nicht fragen sollen. Ich wollte Mutter nicht verärgern. Verunsichert sehe ich sie an.

Ich höre Schritte. Meine Mutter drückt mich fester an sich. Meinen Blick wende ich nicht mehr von ihr weg. Mein Herz klopft schnell. Sie kommen immer näher. Dann stoppen die Schritte wieder abrupt.

 

Ich habe ihre Stimmen gehört. Neben Marias Stimme habe ich auch eine Kinderstimme gehört. Es war bestimmt meine Tochter. Ich weiß, dass Maria keine weiteren Kinder hat.

Meine Wache steht um mich herum. Wir stehen wenige Meter entfernt vor dem Zelt. Vor dem Zelt erkenne ich Wachen, die allerdings keine große Gefahr für uns darstellen sollten.

Mit einer Handbewegung mache ich deutlich, dass sie näher an mich herantreten sollen.

„Wir werden das Zelt jetzt gleich betreten. Zuerst geht ihr vor, ich folge euch kurze Zeit später, danach kommt der Rest, der nicht das Zelt von außen bewacht. Sollte sie nicht bei ihrer Mutter sein, durchsucht ihr auf meinen Befehl das Zelt. Bringt sie erst zu mir, wenn sie sich einigermaßen beruhigt hat. Wichtig ist zu wissen, wer sie versteckt hat, wenn es so sein sollte.“, flüstere ich.

Michael, einer der Wachmänner nickt. Er ist derjenige, der neben mir das Sagen über meine Wache hat. Meine anderen Wachmänner halten den Blick pflichtbewusst bei mir. Ich weiß, dass ich mich auf sie verlassen kann.

Los geht´s! Ich laufe los und die Wachmänner folgen mir. Wir laufen bewusst langsam. Wir bleiben allerdings noch draußen. Die ersten Wachen gehen auf das Zelt zu.

 

„So, dieses Mal kann Maria, diese Hure, nicht mehr wegrennen!“, höre ich eine fremde männliche Stimme. Die Person lacht. Sie muss nah bei uns sein.  

Ist das der König?

Meine Mutter drückt mich ganz fest an ihren Oberkörper. In mir zieht sich alles zusammen. Ich möchte nach Hause!

Ganz fest drücke ich meinen Teddybären an mich heran, wünsche mir in einem Traum zu sein, auch wenn ich nicht weiß, was gerade draußen passiert.

Ganz leise sitze ich jetzt hier. Meine Hände habe ich auf meinen Schoß gelegt. Ich höre sie wieder sprechen, doch ich verstehe nichts. Meine Mutter umarmt mich fest. Doch ihre Umarmung macht mir noch mehr Angst. Sie ist fest. Kommen sie jetzt zu uns?

Ich schaue nur auf die Zeltöffnung.

„Du bleibst bei mir egal was passiert!“, flüstert sie in mein Ohr. Ich sehe zu ihr.

Irgendwie kommt es mir auch so vor, als würden sie sich ein wenig von dem Zelt entfernen. Draußen ist es wieder still geworden.

Die Schritte kommen doch näher. Mein Herz beginnt heftiger zu klopfen.

Es scheinen mehrere Personen auf unser Zelt zuzulaufen.

Wie viele Personen sind vor unserem Zelt?

„Entfernen Sie sich sofort vom Zelt!“, höre ich Gustavs mutige Stimmung, die mir jetzt Hoffnung gibt. Wir werden schließlich von ihm bewacht. Er und unsere Wachmänner müssen sie davon abhalten zu uns zu kommen. Sie müssen das schaffen!

 

Es war klar, dass Maria eine Wache vor ihr Zelt platziert. Unbeeindruckt schüttele ich den Kopf und grinse. Ich bin mir ganz sicher, dass sie mich so von meiner Tochter fernhalten möchte. Wir werden schon sehen, wer hier der Stärkere ist! Das bin nämlich ich! Schließlich bin ich König und Kaiser und bald werde ich dieses Land bald auch als meines bezeichnen.

Wenige Meter trennen uns noch. Ich fixiere diesen kleinen Wachmann, der gedankenverloren sich umsieht. Lustigerweise erkennt er mich nicht. Den werden wir uns jetzt vornehmen!

 

„Entfernen Sie sich sofort vom Zelt! Wir werden jetzt das Zelt betreten!“, höre ich jemand Fremden draußen schreien.

Ich will weg von hier! Panisch halte ich mich an meiner Mutter fest.

„Ohne Anwesenheit des Grafens müssen wir Ihnen leider den Eintritt verwehren! Entfernen Sie sich bitte sofort vom Zelt!“, höre ich wieder Gustav mutig sagen.

Meine Mutter bleibt stehen. Sie hält mich ganz fest.

„Jetzt ist er doch hier persönlich!“, murmelt Mutter vor sich hin.

„Ein Kaiser hat immer Zutritt! Auch ohne Anwesenheit des jämmerlichen Grafens!“, schreit wieder dieser Fremde.

Kurz daraufhin höre ich jemanden schreien und dann ist es still. Entsetzt schaue ich meine Mutter an.

„Führt ALLE ab!“, schreit dieser Fremde wieder. Was passiert hier?

Mutter reicht mich Sylvia schließlich weiter und sagt etwas zu ihr. Sie wirkt ebenfalls nervös. Ihr Körper zittert und sie läuft nervös vor uns herum. Aber das ist auch kein Wunder!

Mutter sagt zu ihr, sie solle sich beruhigen und es würde schon nichts passieren. Sylvia nickt und greift nach einer Decke.

Ich möchte weg von hier! Was ist, wenn sie mich finden?

 

„Sylvia bringt dich in einen Raum, der ganz weit weg

ist. Dort versteckst du dich und bleibst so lange versteckt, wie sie hier sind. Du kommst erst wieder heraus, wenn sie abgezogen sind. Ich hole dich dann.“, flüstert Mutter mir zu. Folgsam nicke ich. Ich werde mich verstecken und dortbleiben bis Mutter wieder kommt.

Sylvia greift nach meiner Hand und ich folge ihr. Verängstigt sehe ich mich um. Ich habe Angst, dass uns jetzt sofort jemand überfällt. Am Ende sehe ich nur Sylvia an.

Auf dem ersten Blick kann ich nicht erkennen, wohin sie mich bringt. Sie läuft zügig und ganz leise. In ihrer Hand trägt sie eine Kerze, da es immer noch dunkel ist.

„Du bleibst dort ganz leise und versteckst dich. In Ordnung? Du willst doch, dass dich niemand wegnimmt.“ Ich nicke, aber sie hat mir dadurch nur noch mehr Angst gemacht.

„Sei bitte leise! Versuche dich vor den fremden Männern zu schützen und höre auf keinen Fall auf sie! Dieses Mal ist es sehr ernst! Ich kann leider nicht bei dir bleiben. Das würde dich verraten!“, meint sie. Sie gibt mir einen Kuss auf die Stirn. Ich verspreche ihr ganz leise zu sein. Sie legt um mich die Decke und gibt mir meinen Teddy. Jetzt verlässt sie mich.

Ich habe Angst!

Ich möchte, dass sie hier bei mir bleibt.

„Das geht nicht.“

Sie läuft wieder aus diesem Raum. Wir sind am anderen Ende des Zeltes.

Nie im Leben gehe ich von meiner Mutter weg! Hoffentlich findet er mich nicht.

Jetzt ist Sylvia weg. Ich bin allein hier.

Der Boden ist kalt.

Ich kriege Panik und laufe zurück.

 

Sylvia bemerkt mich sofort.

„Elizabeth, du bleibst hier! Du musst dich verstecken. Sie werden bestimmt gleich das Zelt betreten.“, spricht sie leise.

Ganz fest hält sie mich an der Hand und sieht mich ernst an.

Sofort bringt sie mich zurück. Ich will zurück zu ihnen!

Sie sagt, dass ich jetzt hierbleiben solle. Hier sei ich in Sicherheit. Aber ich will nicht hierbleiben!

Was passiert, wenn sie mich hier finden?

 

Dieser Wachmann und der Rest der Wache sind erledigt. Er fiel sofort zu Boden und hat sich bereitwillig abführen lassen. Naja, er hatte auch keine andere Wahl. Kraftlos lag er da auf dem Boden. Jetzt ist er erst einmal in Gefangenschaft.

Wir betreten in wenigen Augenblicken das Zelt und werde dort auf mich aufmerksam machen. Ich hole mir jetzt meine Tochter!

All die Jahre wollte Maria sich nicht beugen, jetzt spürt sie die Konsequenzen. Heute gebe ich ihr noch eine letzte Chance. Aber irgendwie bezweifle ich, dass sie es uns einfach machen wird. Es war schließlich noch nie so.

 

„Maria, es ist zu spät! Ich weiß, dass du hier bist!“ Es ist wieder diese fremde Stimme. 

Ich möchte hier nicht allein sein! Was mache ich, wenn sie mich finden? Hektisch sehe ich mich um.

Ich bleibe erst einmal hier sitzen, wie es Mutter mir gesagt hat. Hier bin ich wenigstens in Sicherheit, auch wenn ich gerne bei meiner Mutter wäre.

Wenn sie mich finden, dann laufe ich einfach weg!

„Du hast die Wahl: Entweder hinterlässt du mir unsere Tochter freiwillig, indem du das Zelt sofort verlässt, oder ich hole sie mir auf eine Art, die du ganz sicherlich nicht vorziehen würdest. Das ist deine Entscheidung! Aber feststeht: Ich nehme sie heute mit! Ich habe zehn Jahre gewartet. Ich warte nicht mehr länger.“

Wieso unsere Tochter?

„Ich gebe dir Elizabeth niemals freiwillig! Wie könnte ich nur! Sie bleibt hier bei mir! So sehr du sie auch zurückhaben möchtest! Außerdem weiß ich, dass du mich sofort festnehmen wirst, wenn ich das Zelt verlasse! Das lasse ich nicht zu!“

Ihre Stimme zittert. Zumindest hört sich das so an.

„Außerdem: Sie ist gar nicht hier! Du kannst also gleich wieder zurück in dein Lager abziehen und uns in Ruhe lassen!“, schreit meine Mutter ihn wütend an. Wieso will er ausgerechnet mich?

„Du redest nicht in so einem Ton mit mir!“

Ich höre Schritte.

Mutter, helfe mir! Schnell wische ich mir meine Tränen weg. Was ist, wenn sie mich finden? Ich will doch bei meiner Mutter bleiben!

„Fasse mich nicht an!“, höre ich meine Mutter schreien. Ist der König bei ihr? Mein Herz klopft schnell.

„Sie muss hier sein! Wir haben sie doch vorhin reden gehört! Mache uns doch nichts vor! Keine Sorge, wir werden sie auch ohne deine Hilfe finden! Weit weg kann sie ja nicht sein!“

„Durchsucht das Zelt! Und du bleibst dort, wo du bist!“, höre ich jemanden draußen schreien.

„Aua! Lass mich los!“

„Sei still!“ Draußen knallt es wieder. Wann hört das alles auf?

Mutter, die Leute sollen das Zelt verlassen! Mutter, ich will bei dir bleiben!

Ich höre wie die Zeltöffnung schlagartig aufgerissen wird.

Da es jetzt ganz leise ist, höre ich alles. Sie machen ganz schön einen Lärm! Vor Angst umgreife ich meinen anderen Arm. Ich höre Schritte. Mutter!

Von weitem höre ich wieder diesen Mann: „Sucht sie und bringt sie zu mir! Und Maria, du bleibst hier bei mir! Heute kannst du nichts an meiner Entscheidung ändern! Du bringst uns zu unserer Tochter, und zwar sofort!“

Ich bekomme Angst.

„Ich sage dir nicht, wo sie ist!“

„Du wirst es uns sehr wohl sagen! Ich kann dich auch gleich festnehmen! Und dann wirst du sie erst recht nie wieder sehen!“

Mutter, ich will bei dir bleiben!

Vor Angst schaue ich meinen Teddy an und drücke ihn an mich.

Sylvia hat gesagt, ich solle ganz brav und still sein.

Das versuche ich jetzt auch.

Von weitem höre ich auch Sylvia sprechen.

„Sie sind dort hinten.“

Ich will zu meiner Mutter! Warum kann sie nicht zu mir?

„Da ist sie nicht! Sage uns, wo sie ist, Angestellte! Am besten die Wahrheit! Wir können dich auch sofort fesseln! Und dann finden wir sie auch ohne eure Hilfe.“

Die Männer klingen böse und verärgert. Sylvia bringe mich hier weg!

„Je mehr du versuchst uns abzuhalten desto mehr glauben wir, sie befindet sich genau in diesem Abteil.“

„Ich weiß nicht, wo sie ist! Lasst uns endlich in Ruhe!“

„Wo ist sie?! Sie ist deine Tochter! Du solltest wissen, wo sie sich aufhält!“, schreit ein Wachmann sie an.

„Eine fremde Bedienstete, die sich vor meine Augen traut und uns auch noch hinters Licht führt. Das finde ich äußerst mutig und dreist! Sie lenkt uns nur unnötig ab! Führt sie sofort ab! Sie wird ab sofort in der Küche arbeiten oder woanders, das entscheiden wir später! Ihr fahrt mit ihr und den anderen Gefangenen sofort ab! Wir werden jetzt durchgehend beginnen, Gefangene abzutransportieren. So sparen wir Zeit. Der Krieg ist so gut wie gewonnen.“, spricht eine andere Person in einem sehr befehlenden Ton. Das muss der König sein. Diese Person kommt mir bekannt vor und kein anderer spricht so streng.

Am liebsten würde ich nach Mutter rufen, aber dann würden sie mich sofort finden und wer weiß, was dann passiert!

 

Maria habe ich schon mal. Mit aller Kraft halte ich sie fest. Die ganze Zeit möchte sie weg. Vermutlich möchte sie fliehen. Meine andere Hand liegt auf ihrer Schulter. So kann sie mir schon einmal nicht weglaufen. Meine Wachmänner stehen um uns herum, es ist aber nur ein Teil. Der andere sucht meine Tochter oder bewacht das Zelt draußen.

„Wo ist meine Tochter?“, frage ich sie sehr streng. Ich ziehe sie zu mir. Wut kommt auf, sie überkocht beinahe, aber ich habe sie noch unter Kontrolle. Seit Jahren verlange ich meine Tochter und nie hat sie sie zu mir gebracht. Es wäre ja nicht so als ob sie ihre Mutter nie mehr sehen würde. Das hätte ich ihr sogar erlaubt, aber jetzt nicht mehr. Nein! Das ist Marias Schuld.

Ganz gezielt übe ich Druck auf sie aus. Sie muss endlich verstehen, dass ich es sehr ernst meine. Schließlich habe ich das Sorgerecht. Und das weiß sie ganz genau.

Maria lacht. Ich stampfe mit dem Fuß auf den Boden. Was denkt sie wer sie ist? Sie ist doch nur eine Gräfin. Eigentlich ist sie ein Nichts. Sie hätte ein so schönes Leben haben können. Das wollte sie nicht und jetzt bin ich glücklich mit meiner Frau, Elizabeth, verheiratet. Ich liebe sie über alles. Sie ist mein Fels in der Brandung.

„Antworte auf meine Frage: Wo ist sie?“

Maria sieht weg von mir.

„Sag mir, wo ist sie?“ Mit Druck drehe ich den Kopf zu mir, sodass sie mich ansehen muss.

 

Wieso wollen sie ausgerechnet mich? Und was passiert, wenn sie mich wirklich finden?

Ich will zu meiner Mutter! Was soll ich machen, wenn sie mich doch finden? Sie suchen ja nach mir!

Muss ich ihnen dann folgen? Was soll ich dann machen?

Ich bemerke einen Mann. Ich höre ihn nur.

Warum wollen sie ausgerechnet mich? Ich habe Angst, dass mir jetzt das Gleiche passiert wie meinen Freunden. Meine Mutter hat vor ein paar Tagen darüber gesprochen.

Sie meinte, dass viele Kinder in letzter Zeit verschwunden seien. Wahrscheinlich seien sie entführt worden.

„Sollten wir sie nicht finden, wirst du uns zu ihr bringen! Oder wir werden hier Wachen zurücklassen, die hier alles absuchen werden und sie warten dann hier auch, bis sie auftaucht, wenn es sein muss.“, höre ich von Weitem wieder den Mann laut schreien. Er macht mir Angst.

„Ich werde dir nicht sagen, wo sie ist! Ich habe dir gesagt, dass ich nicht weiß, wo sie ist! Wieso glaubst du mir nicht?!“

Das ist meine Mutter!

„Oh doch, das wirst du!“

Ganz schnell renne ich an vielen Kisten vorbei und verstecke mich hinter einem Schrank, der hier in diesem Raum in einem Eck steht. Die Decke lege ich um mich. Mir ist nämlich kalt.

 

Mich zu verstecken war eine gute Idee. Ich höre nämlich jetzt Schritte, die immer näherkommen.

Jetzt betritt ein Mann diesen Raum. Zum Glück bin ich hier hinter diesem Schrank. Diese Person ist sehr groß. Er trägt die gleiche Uniform wie die fremden Männer, die wir gestern gesehen haben! Also haben sie doch schon nach mir gesucht! Panik steigt in mir auf. Mutter, hole mich bitte sofort zurück!

Was mache ich, wenn sie mich finden?

Am liebsten würde ich zu meiner Mutter rennen, aber dann hätten sie mich sofort gefunden.

Aber wieso suchen sie ausgerechnet nach mir?

Kurze Zeit später tritt ein weiterer Mann an den Wachmann. Sie besprechen etwas miteinander. Ich höre jemand sprechen.

„Wer hätte gedacht, dass sie so unkooperativ ist?“

„Das haben wir doch alle vermutet!“ Beide lachen. Sie sollen damit aufhören! Sie kennen nicht mal Mutter.

Sie halten eine Lampe in der Hand. Schnell schaue ich weg damit sie mich nicht sehen können. Mein Herz schlägt schnell. Fest halte ich meine Decke um mich.

Sie waren ganz schnell hier. Weitere Schritte sind zu hören. Durch den Spalt sehe ich, wie sie alles ganz genau durchsuchen. Sie schauen sehr ernst.

Mein Herz schlägt.

„Sage mir, wo ist sie!“, höre ich jetzt jemanden von Weitem schreien. Ich zucke zusammen. Die Stimme ist strenger.

Sie rufen immer wieder meinen Namen. Woher kennen sie eigentlich meinen Namen?

Der König muss meinen Namen wissen.

„Elizabeth, du brauchst keine Angst haben. Wir haben etwas zum Essen für dich. Deine Mutter hat uns beauftragt dir Essen zu bringen. Du hast doch bestimmt Hunger.“

Nein! Ich brauche nichts zu essen! Mutter, ich will nur zu dir!

„Du brauchst keine Angst vor uns haben. Egal was deine Mutter gesagt hat, es wird dir nichts passieren. Wir bringen dich in Sicherheit.“  

Ich weiß, dass dieser Wachmann mich aus meinem Versteck herauslocken möchte.  

Ich werde hier nicht freiwillig aus dem Versteck herauskommen! Zitternd drücke ich meinen Teddybären an mich.

Meine Mutter hat schließlich gesagt, ich solle ihnen nicht folgen da sie böse sind. Ich habe so Angst vor ihnen!

 

Mein Herz beginnt noch schneller zu klopfen. Ich beobachte die Geschehnisse hier ganz genau. Die Männer laufen immer noch durch den Raum, durchwühlen Kisten. Selbst das Bett hier haben sie schon auf die Seite gestellt. Es fehlt noch, dass sie den Schrank, hinter dem ich mich verstecke, entdecken und wegstellen. Sie dürfen mich nicht finden!

Dann verlassen sie hoffentlich diesen Raum sofort wieder und lassen uns in Ruhe. Und ich kann endlich mit Mutter in Ruhe weiterschlafen.

„Hier ist sie auch nicht!“ Der Mann klingt verzweifelt.

Von Weitem höre ich jemanden, vermutlich der König, schreien: „Sage mir endlich, wo sie ist!“ und dann: „Sucht sie!“.

„Ich weiß nicht, wo sie ist! Vermutlich bei ihren Freundinnen“, höre ich wieder meine Mutter.

„Sage uns endlich, wo sie ist! Ihr habt sie doch versteckt! Sie kann bei ihren Freundinnen, die noch hier sind, nicht sein. Es ist doch mitten in der Nacht! Das ist jetzt deine letzte Chance.“, schreit ein Mann.

 

Für einen kurzen Moment ist es still. Ich denke schon, dass sie weg sind, doch gleich daraufhin höre ich sie wieder reden. Sie sind doch nicht weg.

„Maria! Sage uns, wo sie ist!“

Ich zucke zusammen. Er hat mich erschreckt. Richtig sauer klingt er jetzt.

„Nun, wenn sie nichts sagen möchte! Sie kann nur hier in diesem Abteil sein, sofern sie sich nicht wirklich woanders befindet. Dieses Zimmer, aber auch das gegenüber, sind am weitesten vom Eingang entfernt. Wir werden hier gründlicher suchen müssen!“

Ich habe Angst. Nervös kaue ich an meinen Fingernägeln.

Was soll ich machen, wenn sie mich finden? Mutter!

„Sucht sie und redet nicht! Je schneller wir sie finden, desto schneller können wir wieder zurückfahren!“, schreit der nächste Mann von Weitem.

Ehe ich schauen kann, betreten jetzt mehr Wachmänner diesen Raum. Mein Herz klopft. Jetzt finden sie mich bestimmt! Aber das dürfen sie nicht!

„Wir müssen sie finden! Der König wird uns sonst umbringen!“, meint einer der Wachmänner ernst. Umbringen? Das hört sich schrecklich an! Ich höre, wie sie beginnen neben weiteren Schränken alles ein weiteres Mal zu durchsuchen. Sie durchsuchen einfach den ganzen Raum hier. Zum Glück findet mich noch keiner!

Ganz fest drücke ich meinen Teddy an mich. Mein Herz klopft schnell. Hoffentlich sehen sie mich nicht! Nein, sie dürfen mich nicht finden! Ich will so schnell wie möglich weg von hier! Aber ich kann hier nicht so einfach aus dem Zimmer schleichen. Ich muss hoffen, dass sie mich nicht finden. Mein Herz klopft wie wild.

 

Jede Ecke durchsuchen sie.

Hoffentlich habe ich mich gut versteckt!

Mit der Zeit beginne ich zu frieren. Ich sehe an mir herunter. Kein Wunder, dass ich friere. Ich schaue an mir herunter. Ich trage auch keine Schuhe!

Wieso können sie nicht einfach das Zelt verlassen? Dann wäre alles wieder ruhig und ich könnte endlich wieder zu meiner Mutter!

Ich höre Schritte, die immer näherkommen.

Intuitiv schaue ich nach unten, damit sie mein Gesicht nicht erkennen können. Ich ziehe die Decke näher an mich heran.

Von weitem höre ich meine Mutter schreien.

„Nein!“, schreit sie ein weiteres Mal.

Wurde ihr etwas angetan?

„Sucht alles durch!“, schreit wieder einer der Wachmänner. Er ist nah bei mir. Ich zucke zusammen. Hoffentlich sieht er mich nicht! Zitternd lehne ich mich an dem Schrank an. Er knackst leise. Zum Glück nur leise! Wenn sie mich jetzt finden, das wäre schrecklich! Wieso habe ich mich nur bewegt?!

„Hast du auch dieses Geräusch gehört?“

Ein Wachmann dreht sich plötzlich um. Ganz konzentriert sieht er sich hier um. Er muss es gehört haben. Vermutet er, dass ich es war?

Die anderen Wachmänner suchen weiter. Ein Mann läuft an mir vorbei. Er schaut unerwartet in meine Richtung, erkennt mich zum Glück aber nicht, denn er läuft weiter.

„Haben wir schon den Schrank durchsucht?“

Ein weiterer Mann öffnet jetzt den Schrank, neben dem ich mich verstecke und durchsucht ihn.

Hoffentlich sieht er mich nicht! Ganz schnell schaue ich auf den Boden und drücke mich mehr an den Schrank.

Ich möchte weg von hier! Mutter, ich will zu dir! Nur bei ihr fühle ich mich sicher. Ich kriege Angst. Was wollen sie von uns? Können sie uns nicht in Ruhe lassen? Meine Eltern haben ihnen ja nichts angetan, oder etwa doch?

 

Ich fühle mich einsam. Die ganze Zeit schaue ich auf den Boden beziehungsweise starre die Wand an. Er schließt den Schrank wieder.

„Hier ist sie auch nicht!“

„Sie muss hier sein! Die anderen Räume haben wir schon durchsucht! Wir müssen sonst das gesamte Lager durchsuchen! Sucht genauer!“, schreit einer der Männer, der jetzt diesen Raum betritt. Sie stehen ganz nah bei mir.

Er darf mich nicht finden! Ich will bei meiner Mutter bleiben! Nein, ich muss bei meiner Mutter bleiben!

Verlasst doch endlich das Zelt!

Bitte findet mich nicht! Was soll ich machen, wenn sie mich finden?

Ich schaue weg. Die Männer laufen durch den Raum.

Mutter, bringe diese Leute hier raus!

 

Ich höre Stimmen und Schritte. Jemand ist ganz nah bei mir. Zitternd sehe ich auf den Boden. Die Person geht wieder weg. Erleichtert atme ich auf.

Bitte findet mich nicht! Mutter! Am liebsten würde ich nach ihr rufen, aber das würde mein Versteck verraten.

Ich möchte nach Hause. Einfach nur nach Hause. Der Krieg soll vorbei sein! Für immer. Ich will nicht mehr! Es soll -

Was ist das? Etwas ist auf meiner Schulter! Es ist eine Hand. Ich spüre eine Hand! Sofort zucke ich zusammen und schreie auf. Sie haben mich! Nein! Nein! Aber das kann doch nicht sein!

Diese Person trägt Lederhandschuhe. Ich will zu Mutter!

Ich falle beinahe nach hinten vor Schock. Zumindest erwarte ich das, aber ich werde ganz fest festgehalten. Ein Licht blendet mich. Ein weiterer Mann hält diese Lampe. Ich verliere mein Gleichgewicht und bekomme Panik. Ich komme hier nicht weg! Panisch schlage ich um mich.

Erneut greift jemand nach meiner Hand.

Es wird leise und genau diese Stille verunsichert mich. Der erste Gedanke, der ein weiteres Mal durch meinen Kopf schießt, ist, dass sie mich jetzt haben! Ich habe mich nicht gut genug versteckt und ich hätte nicht schreien sollen! Was wird Mutter dazu sagen? Mutter wird mich bestimmt schimpfen.

Ich möchte mich aus seiner Hand befreien, aber er hält mich fest. Ein wenig zieht er mich zu sich. Ich stolpere nach vorne und näher zu dieser Person. Ich sage nichts und ich sehe ihn auch nicht an.

„Na, wer ist denn hier?“, beginnt diese Person und ich versuche mich wieder zu befreien. Das Licht blendet mich. Was wollen sie von mir? Vor Angst zittere ich.

„Looosslaassen!“, schreie ich stotternd. Ich bekomme kaum Luft. Entschlossen drehe ich mich weg von ihnen.

„Du kommst jetzt erstmal hier heraus. Wir suchen dich doch schon seit geraumer Zeit! Wieso hast du dich denn versteckt?“, meint er und greift erneut nach meiner Hand, worauf ich mich zu ihm umdrehen muss, damit ich nicht umfalle. Sie schauen mich ernst an. Ganz schnell schaue ich wieder weg.

Ich beobachte, wie ein Mann diesen Raum verlässt.

„Wir haben sie!“, ruft er plötzlich und am liebsten wäre ich weggerannt, wenn es nur irgendwie möglich wäre.

Der Wachmann schafft es mich komplett hinter dem Schrank hervorzuziehen. Ich habe keine andere Wahl. Dieser Schrank wird auch ein wenig zur Seite geschoben. Ich schreie und möchte von ihm weg! Aber er hält mich fest.

„Lasst mich los!“

Er setzt mich sofort auf einen Stuhl. Neben diesem steht eine Lampe. Draußen muss es immer noch dunkel sein.

„Du hörst uns zu.“, beginnt er im ruhigen, aber ernsten Ton. Ich werde diesen Mann nicht ansehen! Nie im Leben.

„Lasst mich los!“

„Du hörst uns zu: Du bleibst hier sitzen! Und du beruhigst dich ein wenig. Dann bringen wir dich zu Seiner Majestät. Bei ihm wirst du ab sofort leben. Wir sind hier, weil deine Mutter einen bösen Fehler gemacht hat.“ Dieser Mann sieht mich an. Ich traue mich nicht ihn anzusehen. Sie sollen weg!

„Dann bringt sie bald! Wir wollen hier nicht noch Wurzeln schlagen.“, schreit ein anderer Mann, dessen Stimme mir bekannt vorkommt, von Weitem. Das muss der König sein.

Er hört sich böse an. Er soll hier nicht sein!

Noch bevor ich weglaufen kann, werde ich wieder festgehalten.

 

Wir haben sie endlich gefunden! Gleich werde ich meine Tochter zum ersten Mal in die Arme schließen.

Die kommende Zeit wird nicht einfach, aber da muss sie durch!

„Ich bitte jetzt um Kooperation, Maria!“

Maria steht neben mir. Sie möchte sich nicht setzen. Aus diesem Grund halte ich sie fest. Ein Wachmann tritt zu mir und übernimmt meine Aufgabe.

So ist es mir jetzt wieder möglich mich zu bewegen. Allerdings werde ich jetzt nicht zu meiner Tochter gehen. Die Wachmänner kümmern sich jetzt um sie und bringen sie daraufhin zu mir.

„Du bekommst sie nicht!“

„Du hast mich zu siezen! Falls du es vergessen hast, sind wir kein Paar mehr! Wir waren nie ein wirkliches Paar. Und ich erkenne euch alle Titel ab!“, bringe ich ihr in Erinnerung.

 

Ich möchte vom Stuhl herunterspringen, beuge mich hierfür nach vorne und springe vom Stuhl. Jetzt stehe ich auf den Boden.

„Na, du bleibst schön hier!“, höre ich jemanden. Ich versuche wegzulaufen, doch sofort spüre ich wieder Hände an mir, die mich zurückbringen und ich sitze wieder auf dem Stuhl.

„Du bleibst hier!“

Dieser Mann kniet sich wieder herunter zu mir. Seine Hand ist warm. Er trägt auch Handschuhe.

„Ich will zu meiner Mutter!!!“, schreie ich und möchte mich von ihm befreien.

Jemand tritt jetzt hinter mich und hält mich an meinen Schultern fest.

„Du siehst Seiner Majestät wirklich sehr ähnlich!“ Ein weiterer Wachmann kommt zu uns und sieht mich an. Mir ist das unangenehm. Seine Majestät? Sie müssen den König damit meinen.

Ein anderer Wachmann kniet sich jetzt zu mir herunter, der andere steht wieder auf, und spricht mit mir. Voller Angst schaue ich ihn an, sage aber nichts. Er meint, ich solle mich doch beruhigen und sie würden mir nichts antun. Es wäre Mutters Schuld, dass sie jetzt hier wären. Aber das glaube ich ihm nicht! Ich will zu Mutter!

Von draußen höre ich wieder einen Schuss. Was passiert hier?

Jeden Tag werden Menschen umgebracht.

„Es wird alles wieder gut.“, sagt einer der Männer.

Ich will einfach nur nach Hause. Zurück zu meinen Eltern und meinem Pony.

Draußen schreit jemand.

Ich will zu meiner Mutter!

Mir ist schwindelig. Ich lehne mich an den Stuhl an. Ich habe Hunger und Durst. Der eine Mann lässt meine Schultern jetzt los. Stattdessen geht er zu dem anderen Wachmann. Sie sprechen miteinander. Ein Wachmann bleibt dennoch bei mir. Sie trauen mir nicht.

Von draußen höre ich wieder einen Schuss. Wieso kann das nicht alles aufhören?

Sterben wieder Menschen?

Ich halte meine Ohren zu und zucke sofort zusammen. Draußen knallt es wieder.

Mutter, kannst du mich nicht von den Männern hier wegholen?

„Es wird alles gut!“

Ich sage gar nichts und schaue ihn nur an. Er kniet sich wieder zu mir herunter und hält weiterhin meine andere Hand. Was will er von mir?

„Bei uns bist du in Sicherheit. Wir beschützen dich doch nur.“ Warum? Ich schüttele den Kopf.

„Mutter!“

Mutter soll kommen.

Wieder ein Knall. Ich möchte fliehen, doch er stellt sich direkt vor mich und greift erneut nach meiner Hand. Ich will einfach nur weg von hier!

„Wir tun dir doch nichts!“, meint er und lacht. Ich schaue ihn unsicher an und versuche von ihm weg zu kommen. Aber ich schaffe es nicht.

Draußen knallt es wieder.

Seit Wochen höre ich diesen Lärm. Ich sehne mich nach Ruhe. Mir ist schlecht und ich habe Angst. Wieso muss es immer laut sein? Wieso musste mein Vater den Krieg machen? Hätte es keine andere Möglichkeit gegeben?

Ich halte es nicht mehr hier aus.

Wieder ein Knall draußen. Ich zucke zusammen und falle vom Stuhl. Was geschieht hier? Wieso ist hier alles so laut? Ich möchte so sehr zu meiner Mutter! Mit meiner Hand wische ich meine Tränen weg. Ich muss husten. Mir ist schlecht vor Angst. Ich will weg von hier!

Ich zittere am ganzen Körper. Was wollen sie von mir?

„Ich möchte zu meiner Mutter!“, schreie ich wieder und möchte mich aus seiner Hand befreien.

Was macht er jetzt? Zwei Hände greifen nach mir und er hebt mich nach oben, auch wenn ich mich weiterhin weigere, und trägt mich von hier weg. Wohin geht er mit mir?

Ich beginne zu schreien und halte meine Ohren zu. Er soll mich herunterlassen!

„Wir könnten dich auch laufen lassen, aber du läufst uns doch bestimmt wieder weg.“ Der andere Wachmann begleitet uns. Ich fühle mich gefangen.

Ich hoffe, dass er mich jetzt zu meiner Mutter bringt. Aber irgendwie glaube ich nicht, dass er das macht. Er ist doch böse!

Meine Eltern haben mir schon vor einigen Wochen gesagt, dass ich vor fremden Wachen Angst haben sollte. Mutter sagte außerdem noch, dass man nie wisse, was sie genau vorhätten. Sie hatten Recht!

Er läuft den Gang entlang. Die ganze Zeit spricht er mit mir.

„Du kannst uns ruhig sagen, wer dich versteckt hat. Auch, wenn es deine Mutter dir bestimmt verboten hat. Wir sind um jeden Hinweis dankbar, und du bekommst auch keinen Ärger!“, meint er jetzt. Ich will nicht mit ihm reden! Ich will doch nur zu meiner Mutter!

„Mutter!“, sage ich verzweifelt.

„Mutter, Mutter, Mutter!!!“

Ich möchte herunter von ihm! Mit meinen Beinen schlage ich gegen seine Beine und versuche herunterzurutschen. Doch er zieht mich sofort wieder hoch. Ich fühle mich bei ihm nicht sicher. Wäre ich doch nur größer!

Ich will weg!

„Ich will zu meiner Mutter!“, schreie ich noch einmal und möchte von ihm herunter. Er soll mich endlich loslassen!

„Deine Mutter wird sich jetzt aber nicht mehr um dich kümmern können. Du wirst bei Seiner Majestät leben.“ Ich glaube es ihm nicht!

Er hat die Hände von meinen Ohren genommen.

Ich weigere mich, aber er schafft das auch und bringt mich dazu leise zu sein.

Draußen knallt es wieder! Es ist so laut!

Schließlich möchte ich nur zu Mutter! Er hält meine Hand fest. Ich zittere.

Wieso darf ich nicht mehr zu Mutter?

Nein, ich will zurück! Er hält mich aber fest bei sich.

„Hat deine Mutter dich versteckt? Dann hat sie dich aber gut vor uns versteckt. Das wird Seiner Majestät gar nicht gefallen. Dann hat sie ihn angelogen.“

„Ich habe sie nicht versteckt!“, höre ich meine Mutter plötzlich schreien. Wo ist sie? Sind wir bei ihr? Suchend nach ihr schaue ich mich um. Aber ich sehe sie nicht. Wo ist sie? Sie muss doch in der Nähe sein, wenn sie ihn hört!

 

Endlich. Dort ist sie! Sie sitzt auf einen Stuhl. Erleichtert sehe ich zu ihr. Sie lebt noch! Ohne sie, würde ich mich noch hilfloser fühlen! Aber gleichzeitig bin ich schockiert: Er steht hier wirklich! Ganz schnell sehe ich weg.

Neben Mutter steht nämlich ein Mann. Er ist sehr groß, schlank, hat braune Haare und trägt einen roten Umhang. Sein Anblick macht mir Angst, denn ich weiß: Es ist der König! Ich erinnere mich an das Bild von ihm.

„Sei still und bleibe sitzen!“, schreit der König. Sofort zucke ich zusammen.

„So hier wären wir, Sir. Hier ist Ihre Tochter.“

Der König sieht sofort in unsere Richtung. Panisch möchte ich herunter.

 

Da ist meine Tochter. Wir werden es langsam angehen. Bestimmt hat man ihr die schlimmsten Dinge über mich erzählt.  

Wenn ich jetzt nicht in dieser Situation stecken würde, würde ich auf sie zu gehen. Aber damit ihre Mutter nicht zu ihr kann und sitzen bleibt, bleibe ich noch bei ihr stehen.

Jetzt sehe ich sie komplett. Oh, ist sie dünn! Sie sieht müde aus und fertig. Außerdem ist sie ziemlich klein für ihr Alter. Sie scheint mit ihrer Situation gar nicht zufrieden zu sein. Doch da muss sie jetzt durch. Ihre Mutter hätte es ihr ersparen können.

Endlich ist sie bei mir und ich kann sie von nun an beschützen.

Verängstigt sieht sie mich jetzt an. In ihren Augen tobt ein Sturm. Hoffentlich verkraftet sie das alles.

Schatz, jetzt wird alles gut!

Am liebsten würde ich sofort abziehen, aber bevor sie sich nicht ein wenig zumindest an mich gewöhnt hat, gehen wir nirgendwo hin. Ich beobachte sie. Wenigstens, so scheint es, hat sie sich an Michael, meinen Wachmann, ein wenig gewöhnt. Sie hält sich zumindest an ihm fest. Aber das kann auch nur sein, weil sie Angst vor mir hat.

 

„Da ist ja meine Tochter!“ Der Mann dreht sich um. Seine Freude, mich zu sehen, ist ihm deutlich anzumerken.

Nein, ich bin nicht seine Tochter! Nein!

Ich zucke zusammen, drehe mich nicht zu ihm.

Ich habe Angst, dass er mich sofort zu sich nimmt.

Wo bist du, Vater? Rette uns!

Der Wachmann dreht sich langsam um. Jetzt sehe ich den Mann wieder. Er macht mir Angst, da er sehr streng aussieht. Er steht nicht mehr bei meiner Mutter. Dafür stehen Wachmänner bei ihr.

„Sir, erlauben Sie es mir zu sagen, aber das ist eindeutig Ihre Tochter!“

Eigentlich möchte ich ihn gar nicht ansehen. Aber ich muss. Der Wachmann hat meinen Kopf zu dem Mann gedreht. Ich kann meinen Kopf nicht mehr bewegen. Ich möchte ihn wegdrehen, aber ich schaffe es nicht.

Ich versuche mich von diesem Wachmann loszureißen. Er hält mich so fest und ich möchte nicht diesen Mann ansehen. Ich will zu meiner Mutter!!

„Das sind meine guten Gene!“

Er nickt, lacht kurz und schaut dann wieder ernst.

Schnell schaue ich wieder zu meiner Mutter. Zwischen ihr stehen jetzt zwei Wachmännern.

„Schaue zu Seiner Majestät! Er spricht mit uns.“, sagt der Wachmann ernst zu mir.

Panisch schüttele ich meinen Kopf! Wieso darf ich nicht zu meiner Mutter? Ich möchte herunter von ihm!

„Mutter!“, rufe ich verzweifelt und schaue zu ihr.

Wieder werde ich aufgefordert ihn anzusehen. Aber ich will nicht! Diese ernsten Stimmen machen mir Angst.

Der König sieht mich andauernd an. Aber immerhin kommt er noch nicht zu mir. Aber wann tut er das? Hoffentlich nie!

Er geht wieder zu meiner Mutter.

„Elizabeth! Was haben sie dir angetan?“

„Mutter! Ich will zu dir! Bitte!“

„Sei still, Maria! Und du auch!“

Sie möchte aufstehen. Dieser fremde Mann steht ein Stück neben ihr und ein weiterer Wachmann hält sie davon ab aufzustehen. Dieser hat seine Hand auf ihre Schulter gelegt. Sie schaut ihn sauer und verängstigt zugleich an.

Ein weiterer Wachmann kommt zu mir und stellt sich neben mich.

„Wir haben ihr gar nichts angetan! Das ist alles deine schuld!“, antwortet dieser Mann streng zu meiner Mutter.

Ich will weg von hier! Und herunter von dem Wachmann. Er umgreift mich erneut.

„Mutter!“

„Du bleibst schön bei uns!“, sagt dieser aber wieder und zieht mich zurück.

Wenn Mutter mich nicht holen kann, kann Vater mich doch holen. Ich sehe mich um. Er ist nicht hier!

„Mutter, wo ist Vater?“, rufe ich ihr schnell zu. Sie schaut mich verunsichert an. Ist ihm etwas passiert? Am besten sage ich nichts mehr.

„Ich weiß es nicht, Schatz. Das musst du Alexander fragen.“

Ich schaue den Mann doch wieder kurz an.

„Ihr seid beide still!“, schreit er jetzt. Sofort erstarre ich.

Hoffentlich holt er mich jetzt nicht! Ich will bei meiner Mutter bleiben!

Zum Glück läuft er noch nicht zu mir. Seine Schritte sind fest. Er geht, ohne irgendein Wort zu sagen, zu meiner Mutter. Die ganze Zeit hat er seine Hände hinter seinem Rücken verschränkt. Was hat er jetzt vor?

In Mutters Augen sehe ich Wut. Hat er Vater umgebracht?

„Tu doch nicht so! Du hast ihn doch bestimmt umgebracht! Noch nie mochtest du ihn!“, schreit meine Mutter ihn an.

„Werfe mir so etwas nicht vor! Ich habe niemanden umgebracht. Wir können dich auch gleich abführen lassen! Das würde uns jede Menge Zeit ersparen!“ Er kommt näher zu uns.

„Davor kommt meine Tochter aber wieder zu mir!“, schreit meine Mutter ihn jetzt an. Sie möchte wieder aufstehen.

„Hierbleiben!“, wird sie angeschrien und sofort wieder zurückgezogen.

Ich will nicht zu dem Mann! Dieser Wachmann sieht mich wieder an.

„Deine Mutter hätte es uns so einfach machen können. Wäre sie nur folgsam gegenüber Seiner Majestät!“, sagt er zu mir. Ich sehe ihn an. Aber ich glaube ihm nicht.

„Sie muss jetzt zu mir bevor es mir zu laut wird.“, höre ich den König sagen. Er hört sich ernst an.

Der Wachmann legt daraufhin seinen Arm um mich und geht sofort näher zu ihm. Er läuft auch zu uns! Und dass schneller als zuvor.

„Mutter, ich will zu dir!“, schreie ich panisch. Mein Herz klopft schnell. Ich will nicht!

Nein, ich will doch bei meiner Mutter bleiben! Aber wir nähern uns immer schneller dem König.

„Mutter!“

Hektisch sehe ich mich um und möchte herunter von ihm. Aber er hält mich so fest. Ich muss weg von hier!

Plötzlich macht der König ein Zeichen, dass wir anhalten sollen.

„Wie geht es ihr?“, höre ich den Mann jetzt den Wachmann fragen. Er hört sich sehr besorgt an. Er hält Mutter fest.

„Lasst mich los!“, schreie ich energisch.

„Da hat ja jemand Temperament! Wie die Mutter so die Tochter.“

Sofort bin ich wieder still.

„Lass sie in Ruhe! Sie ist meine Tochter! Elizabeth, du redest mit ihm nicht!“, schreit meine Mutter. Panisch sehe ich zu ihr. Zumindest möchte ich das, aber dies erweist sich als sehr schwierig, da der Wachmann so steht, sodass ich sie nicht sehe.

Wieso kann Mutter mich nicht einfach zu sich holen? Ich will zu ihr!

„Soweit glaube ich ganz gut. Ein wenig geschockt und verängstigt, aber sonst ist alles in Ordnung. Sie ist zudem ziemlich dünn. Wir haben sie hinter einem Schrank gefunden. Sie kann laufen, aber sie will andauernd weglaufen. Aus diesem Grund tragen wir sie.“

Im Hintergrund höre ich meine Mutter. Ich solle zu ihr, aber ich kann gar nicht zu ihr. Ich möchte auch zu ihr schauen, aber das geht nicht. Der Wachmann hat auch meinen Kopf zu dem König gedreht.

„Na, wen haben wir denn hier? Du bist bestimmt Elizabeth.“ Seine Stimme erschreckt mich. Zögernd und verängstigt nicke ich, auch wenn ich nicht will.

„Du brauchst doch nicht so zu schreien. Es gibt überhaupt keinen Grund dazu. Du beruhigst dich jetzt ein wenig und bleibst bei uns.“ Er redet sehr ruhig.

Ich schaue ihn verunsichert an und will meinen Kopf wegdrehen. Aber ich schaffe das nicht. Der Wachmann achtet darauf, dass ich ihn nicht wegdrehen kann.

„Mutter!“, rufe ich wieder und sehe zu ihr.

„Schaue zu Seiner Majestät! Er spricht mit dir.“, höre ich wieder und mein Kopf wird wieder zu ihm gedreht. Es tut weh! Verzweifelt weine ich.

Ich will zu meiner Mutter! Doch die Wachmänner halten sie schon ab, bevor sie sich losreißen kann.

„Hast du das verstanden? Du bist brav zu mir und meiner Wache.“ Der König sieht mich immer noch an. Ich will nicht! Nein! Ich werde gezwungen zu nicken.

„So ist es gut! Ich bin gleich bei dir.“ Dieser Mann lächelt mich an.

Ich halte es nicht mehr aus. Mein Herz klopft schnell und ich will einfach nicht mehr! Der Wachmann versucht mich immer wieder zu beruhigen. Ich fange an zu weinen. Ich möchte herunter von dem Wachmann. Aber er lässt mich nicht!

Mutter solle sich wieder setzen und mich in Ruhe lassen, sagen sie immer wieder zu ihr. Ich will zu Mutter und möchte mich von ihm befreien. Aber ich kann nicht.

Der Wachmann greift wieder nach meiner Hand.

„Wir kümmern uns jetzt um sie. Daran kannst du nichts ändern.“ Der König schaut meine Mutter an. Stimmt es, was er gerade gesagt hat?

Was haben sie mit ihr vor?

„Du kommst erst einmal zu mir.“, meint der König, der vor meiner Mutter steht. Mutter wird wieder zurückgezogen. Ich will nicht zu ihm!

„Ich will zu meiner Mutter!“

Der fremde Mann sieht mich an, und kommt auf uns zu. Er wendet seinen Blick nicht von mir. Warum will er ausgerechnet mich? Kann er mich nicht in Ruhe lassen?

Hilflos schaue ich ganz schnell wieder zu meiner Mutter.

„Mutter!“ Ich strample und möchte herunter von dem Wachmann. Er hat auch noch sehr viel Kraft und so komme ich auch nicht von ihm herunter. Ich höre Schritte.

 

„Du bist jetzt still, bitte! Es gibt keinen Grund zu schreien.“

Ich zucke zusammen und erstarre. Es ist der Mann und er steht ganz nah bei uns. Er muss schneller gelaufen sein. Verängstigt schaue ich ihn an. Ich bin ganz starr und zittere vor Angst. Er soll weg von mir!

Ich spüre eine Hand auf meiner Schulter.

„Du wirst jetzt deiner Mutter zeigen wie ein braves Mädchen sich gegenüber mir zu verhalten hat. In Ordnung?“

Es ist die Hand des Königs. Er soll mich loslassen!

„Du bleibst jetzt bei mir, bitte.“ Mit viel Kraft hält er mich fest.

Ich weiß nicht, wo ich hinsehen soll.  

Mutter, rette mich!

Doch er dreht gleich wieder meinen Kopf zu sich. Seine Hand lässt er an meinem Kinn.

Ich versuche mich von ihm zu befreien. Schnell stelle ich fest, dass das nicht geht.

„Lass mich dich doch kurz ansehen. Du bist wie deine Mutter, das gefällt mir gar nicht. Du hast mir doch versprochen brav zu sein.“

Er lächelt mich an und streicht meine Haare aus meinem Gesicht. Verängstigt sehe ich ihn an. Am liebsten würde ich mich wehren, aber ich habe so Angst vor ihm.

Die beiden Männer reden irgendetwas miteinander, das ich nicht verstehe. Mutter, hole mich hier weg!

„Fasse Elizabeth nicht an!“, höre ich meine Mutter schreien.

„Genau, so machen wir das.“, höre ich nur.

Der König nickt jetzt nur und greift dabei einfach nach meinen Händen, die ich eigentlich meiner Mutter entgegenstrecke und dann zum Schutz schnell zurückziehen wollte. Nein, ich will nicht zu ihm! Was macht er jetzt?

Er nimmt eine Hand und legt sie auf seine Schulter. Ich spüre den Druck seiner Hände. Geschockt sehe ich ihn an.

„Ich will weg!“, flüstere ich entsetzt.

Der Wachmann hält mich immer noch. Sein Griff wird allerdings lockerer. Meine Hand lasse ich auf seiner Schulter.

Was passiert hier? Der fremde Mann greift nach meiner anderen Hand.

Vor Schreck schreie ich los und schlage mit meinen Füßen um mich. Ich realisiere was er gerade macht! Er zieht mich zu sich.

Mein Herz klopft schnell.

Er legt meine Hände um seinen Hals und zieht mich zu sich. Ich will weg von ihm! Mutter hole mich weg!

Ich muss husten.

Am liebsten würde ich jetzt die Hände von ihm wegnehmen, aber er hält sie fest und lässt sie nicht mehr los. Er hat ganz viel Kraft.

Ich fange an zu weinen.

Mutter, ich will zu dir!

„Sch… Alles wird gut.“, sagte er als ich mich zuerst weigere und dann zog er mich einfach zu sich. Ich hatte keine Wahl und musste nachgeben. Und jetzt bin ich hier bei ihm.

Mutter, hole mich hier weg! Ich sehe zu ihr. Fremde Arme umgreifen meinen Bauch.

„Mutter!“

„Es gibt keinen Grund zur Panik. Du bleibst erst einmal bei mir und beruhigst dich ein wenig. Ich tue dir doch überhaupt nichts.“, wiederholt er noch einmal langsam, während ich immer noch schreie. Ich strample mit meinen Beinen, aber hält mich fest an sich.

Er streicht wieder Haare aus meinem Gesicht. Ich möchte jetzt herunter von ihm!

Zu meiner Freude lässt er mich gleich wieder herunter.

„Du bleibst hier!“ Er kniet sich zu mir herunter und greift nach meinen Armen.

„Du brauchst keine Angst vor mir haben! Aber wahrscheinlich hat dir deine Mutter ganz schlimme Geschichten über mich erzählt. Die darfst du aber nicht glauben! Es gibt nämlich gewisse Gerüchte, die Menschen in die Welt setzen, ohne sie je überprüft zu haben.“

Ich möchte nicht bei ihm sein! Er soll nicht so böse über meine Mutter reden. Heftig schüttele ich den Kopf.

„Ich will doch nur zu meiner Mutter!“, schreie ich.

„Mutter!“, schreie ich wieder und möchte mich aus seinen Armen befreien.

Draußen knallt es wieder. Hektisch schaue ich mich um. Der Schuss war ganz nah. Mein Herz schlägt schnell.

Wieso muss es immer laut sein? Ich hasse Krieg! Ich kann nicht anders als vor Angst weinen.

„Du wirst mich heute zurückbegleiten.“ Er kann mich doch nicht so einfach mitnehmen!

„Der Krieg ist fast zu Ende und dann wird es ruhiger. Die Zeit war wahrscheinlich auch nicht leicht für dich.“

Mit verweinten Augen und erschöpft bleibe ich bei ihm stehen. Schwer atme ich.

„Jetzt bleibst du bei mir. Dann kann dir nichts passieren.“

Verängstigt bleibe ich stehen. Ich zittere. Er hält mich immer noch mit seinem Arm fest.

„Na, siehst du! Ist doch alles gar nicht so schlimm bei mir.“

„Mutter!“

Wieso muss ich bei ihm sein?

„Nein, deine Mutter kommt jetzt nicht zu uns. Sie bleibt dort drüben, wo sie hingehört. Sie hat ganz viele Fehler gemacht und deshalb sind wir heute hier.“ Er zieht meine Arme zurück.

„Gib mir Elizabeth zurück!“

Ich sehe zu Mutter.

Nein, ich möchte nicht mit ihm mit! Aber er hat so viel Kraft!

Draußen knallt es wieder und ich zucke wie immer zusammen. Ich hasse den Lärm!

„Wir freunden uns schon noch an. Dafür gebe ich dir jetzt genügend Zeit.“ Er sieht mich an.

Ich will das nicht! Verzweifelt schaue ich zu meiner Mutter und weine. Wieso kann sie mich nicht von ihm wegbringen?

Der Wachmann tritt von uns jetzt weg.

Ich will zu meiner Mutter! Ich kenne ihn nicht einmal!

Er schaut mich auch so ernst an.

 

Mit aller Kraft halte ich sie fest. Endlich ist sie bei mir. Doch sie muss sich beruhigen.

Oh, wie sie zittert!

Sofort meldet sich in mir der Beschützerinstinkt. Ich muss sie vor allem Schlechten heute schützen. Ich gebe sie nie wieder her!

Jetzt ist es auch wichtig, sie ihren neuen Leben angemessen zu erziehen. Aber das ist jetzt noch nicht wichtig. Damit kann ich mich auf der Rückfahrt befassen. Wichtig ist jetzt erstmal sie sicher in mein Lager zu bringen.

Ich betrachte sie. Sie trägt keine Schuhe, nicht einmal Socken.

„Du bekommst später frische Kleidung mit anständigen Schuhen.“

Zuerst schüttelt sie ihren Kopf, doch unerwartet sieht sie mich an.

„Mutter!“ Ihre Stimme ist wach, geschockt und traurig. Panik ist in ihrem Gesicht zu sehen. Sie tut mir leid.

Von draußen ist wieder ein Schuss zu hören. Im Gegensatz zu meiner Tochter weiß ich, dass jetzt niemand erschossen wird. Meine Soldaten schießen nur um Respekt zu erhalten.

 

Wieder ein Knall. Sofort schaue ich zu meiner Mutter.

„Wir werden draußen bewacht. Uns wird nichts passieren.“

Ich glaube ihm das nicht.

Am liebsten würde ich ihn anschreien und sagen, dass es draußen trotzdem knalle. Aber ich habe Angst, dass er dann erst recht sofort mit mir aus dem Zelt geht.

„Irgendwann wirst du verstehen, wieso ich das heute mache.“

Er schaut mich an. Verunsichert sehe ich ihn auch an. Ich kenne ihn nicht! Was hat er vor?

„Ich will zu meiner Mutter!“ Meine Stimme ist schwach.

„Nein! Du bleibst bei mir! Du beruhigst dich jetzt ein wenig. Und du brauchst nicht schreien!“ Sein Ton ist ernst und ich bin wieder still.

 

Wut überkommt mich. Hätte Maria sie früher mir gebracht, dann würde sie sich jetzt nicht so aufführen. Ich will mit ihr doch nur weg von hier! Eigentlich sollten wir längst zurückfahren.

Schützend lege ich meine Hand auf ihre Schulter.

„Mutter!“, schreit sie wieder. Am liebsten würde ich sie meiner Frau sofort übergeben. Dann könnte sie endlich zur Ruhe kommen und sich sofort an ihr neues Leben gewöhnen. Sie braucht jetzt ganz dringend Ruhe. Ich sehe, was ihr der Krieg angetan hat. Ganz verstört ist sie. Hätte Maria sie doch nur mit der Kutsche zu mir fahren lassen…

 

„Mutter!“, schreie ich und möchte weg von ihm. Er zieht mich sofort zurück.

„Sei still!“ Sein Ton verschreckt mich.

Wieso kann ich nicht zu meiner Mutter?

Was hat sie nur getan, dass uns diese fremde Person besucht?

Ich weine. Ich will zu meiner Mutter!

„Du bleibst jetzt bei mir! Deine Mutter wird nicht mehr für dich da sein.“

„Du kannst uns vertrauen.“, sagt er nur noch. Dann ist er still und drückt meine Hand. Zitternd halte ich mich an ihm fest. Ich habe auch keine andere Wahl.

Er bleibt stehen. Ich schaue die ganze Zeit zu meiner Mutter.

 

Endlich ist sie für den Moment ruhig. Sie weint nur. Ich werde jetzt alleine mit ihr in ein anderes Abteil des Zeltes gehen. Nur um mit ihr zu sprechen. Sie muss sich auch an mich gewöhnen.

Wir werden sehen, wie sie reagiert. Maria könnten wir abführen. Nein, wir werden das noch nicht machen! Sie ist unsere Sicherheit damit meine Tochter bei mir bleibt und Maria soll ihren Fehler bereuen! Zumindest vorerst. Außerdem soll Maria endlich das tun, was ich ihr befehle. Wenn das nicht geschieht, dann reißt meine Geduldschnur und ich werde sie abführen lassen. Ein wenig will ich mit ihr schon spielen.

„Ihr passt auf sie auf!“, befehle ich meinen Wachmännern jetzt.

 

Er streichelt mir über den Kopf. Aus Angst sage ich nichts. Ich atme schwer und schaue zu meiner Mutter.

Sie meinte ich solle nicht mit ihm reden. Aber: Was macht er jetzt? Der König läuft von Mutter weg. Wohin geht er? Nein, ich will nicht von Mutter weg!

„Mutter!“, schreie ich panisch und bleibe stehen. Ich muss weg von ihm! Der König hält mich aber fest und zieht mich mit. Ich muss mitlaufen. Ich will nicht mit!

„Ich will hierbleiben!“, schreie ich und bleibe stehen. Der König dreht sich um.

„Du kommst jetzt kurz mit mir mit, bitte.“

Mutter wird auch sofort festgehalten. Sie wird von uns ferngehalten. Was ist, wenn sie gleich abgeführt wird und ich sie nie wieder sehe?

Ich möchte weg von ihm!

„Ich bleibe bei Mutter!“, sage ich mutig.

„Nein! Du kommst mit mir kurz mit! Wir sind auch gleich wieder zurück. Dann kannst du dich von deiner Mutter verabschieden.“

Ich möchte mich nicht von meiner Mutter verabschieden!

Was macht er jetzt?

Bevor ich etwas sagen kann, legt er eine Hand an meine Schulter und zieht mich aus dem Raum.

Jetzt sehe ich meine Mutter nicht mehr. Ich habe Angst so ohne sie!

Er läuft mit mir ganz weit von meiner Mutter weg. Zwei Wachmänner folgen uns und ich werde mitgezogen.

„Mutter!“, schreie ich wieder.

„Ich möchte nur kurz mit dir allein sprechen. Deine Mutter muss unser Gespräch nicht mitbekommen. Sie hätte es uns so einfach machen können! Dann wären wir schon auf dem Rückweg und du könntest dich ein wenig ausruhen.“, sagt er nur. Er spricht nicht nett über meine Mutter!

„Ich will zu meiner Mutter!“

Panisch suche ich nach Mutter. Was ist, wenn sie auch wie Sylvia mitgenommen wird? Ich möchte mich jetzt aus seiner Hand befreien.

„Setze dich, bitte.“ Ich stehe vor einem Stuhl. Wir sind in einem der Räume des Zeltes, in dem Vater zu Beginn, als wir hier ankamen, eine Versammlung hatte. Ich weigere mich zu setzen. Nein, ich werde mich nicht setzen!

Auch wenn ich nicht will, setzt ein Wachmann mich auf diesen Stuhl. Er drückt mich richtig herunter. Das tut weh!

Sofort möchte ich wieder wegspringen, doch im selben Moment halten mich Hände zurück. Der König ist ganz nah bei mir und er sieht mich an.

„Du bleibst bei mir. Jetzt.“ Sein Ton ist streng. Die Wachmänner um uns herum verunsichern mich extrem.

Unruhig sitze ich hier. Ich will weg!

Ich weine. Er soll weg!

Mutter!

Wieder möchte ich von diesem Stuhl herunter, aber starke Hände halten mich sofort wieder fest.

„Elizabeth.“, beginnt der König, greift sofort nach eine meiner Hände und kniet sich herunter zu mir.

„Wir sind hier, weil deine Mutter einen großen Fehler begangen hat. Für diesen wird sie jetzt ihre gerechte Strafe bekommen. Du wirst deshalb ab sofort bei mir bleiben. Und du brauchst keine Angst davor haben.“ Ich möchte ihn nicht ansehen, aber ich weiß, dass ich es muss. Anscheinend wurde ihm ein Stuhl gebracht, denn er sitzt jetzt neben mir.

„Aus diesem Grund werde ich ab sofort dein Vater sein.“

„Nein!“, schreie ich entsetzt.

Wieder versuche ich von ihm wegzukommen, doch er setzt mich gleich wieder auf den Stuhl. Sofort drehe ich mich jetzt weg. Ich möchte ihn nicht mehr sehen.

„Siehe mich an. Ich werde jetzt dein Vater sein. Ich weiß, du willst das nicht hören, aber glaube mir es wird besser so sein. Deine Mutter hätte es uns einfacher machen können. Es ist nicht deine Schuld.“

 

„Verrate mir doch, wieso meine Wachmänner dich ausgerechnet hinter einem Schrank und nicht bei deiner Mutter gefunden haben. Sie muss sich dabei doch etwas gedacht haben. Wir haben so lange nach dir gesucht.“

Ich schüttele meinen Kopf. Nie im Leben verrate ich ihm wer mich versteckt hat!

„Mutter!!!“, schreie ich und möchte weglaufen. Doch es greifen sofort wieder Hände nach mir.

„Deine Mutter kann dir jetzt nicht helfen.“

Ich will zu Mutter! Wieso ist er hier? Ich will nicht mehr bei ihm sein. Ich breche in Tränen aus. Mutter soll zu mir.

Hände berühren mich und jemand umarmt mich. Ich werde auf einen Schoß gesetzt. Ich möchte mich aus seinen Armen befreien, aber er hält mich fest und ich falle in seine Arme. Schluchzend sitze ich hier. Wäre Mutter doch nur hier…

„Mutter!“, schreie ich wieder.

„Schh… Du versuchst dich jetzt ein wenig zu beruhigen. Ich kann mir vorstellen, dass das jetzt schwer für dich ist aber das was heute passiert, das muss sein. Deine Mutter hätte dir das Schlimmste ersparen können, wenn sie mir nur früher gefolgt hätte.“

„Du lebst ab sofort bei mir.“

„Nein!“, schreie ich und wische hektisch die Tränen weg. Ich muss weg von ihm! Aber er hält mich fest. Ich fühle mich gefangen. Wie komme ich nur weg von ihm?

„Elizabeth! Elizabeth! Wo bist du?“, höre ich jetzt und drehe mich um. Das war meine Mutter!

„Mutter!“

„Du tust uns keinen Gefallen, wenn du mich nur anschreist und nicht mit mir sprichst. In Zukunft wirst du das nämlich tun müssen! Siehe mich an, wenn ich mit dir spreche!“

Ich hatte mich wieder von ihm weggedreht.

„Schau mich an!“

Dieser Mann steht auf und so sitze ich allein auf den Stuhl.

Vorsichtig drehe ich meinen Kopf zu ihm.

Mein Herz schlägt schnell.

Mein Arm rutscht von der Armlehne.

 

Der König steht vor mir. Ganz nah.

Er hält ein Glas.

„Hier, trinke erstmal ein wenig.“

Er gibt mir einen Becher. Woher hat er das Wasser? Vermutlich wurde es ihm gebracht und ich habe es nicht gemerkt.

Ich schüttele meinen Kopf.

„Du musst etwas trinken. Zumindest ein wenig. Du hast doch bestimmt Durst, oder nicht?“

Eine Hand ist auf meiner Schulter.

Eingeschüchtert greife ich doch nach dem Becher und trinke vorsichtig.

„So ist gut. Du bist ganz tapfer.“ Er lächelt mich an, steht auf und beginnt vor mir langsam hin und her zu laufen. Es scheint als würde er überlegen.

Für eine kurze Zeit unterhält sich wieder mit einem Wachmann.

„Jetzt wo du ein wenig getrunken hast, kannst du mir doch verraten wer dich versteckt hat beziehungsweise, wieso du dich versteckt hast. Es ist doch nicht gewöhnlich, dass meine Wache dich hinter einem Schrank gefunden haben. Es scheint uns fast schon so als ob du bewusst versteckt wurdest.“

„Ich sage nichts!“, schreie ich wieder und balle meine Hände zu Fäusten. Ich schaue zu dem Wachmann, der hier neben mir steht. Er sieht mich an. Warum ist er bei uns?

„Ich glaube, du hast es noch nicht verstanden: Schreie mich nicht an! Nichts kann mich von meiner Entscheidung heute abhalten!“ Sein Ton ist so streng. Sofort fange ich wieder an zu weinen. Ich möchte nicht mit ihm mit. Nein!

„Hast du das verstanden?“, fragt er jetzt streng. Ich zucke zusammen und möchte weglaufen.

„Du bleibst schön hier.“

Eine Hand greift nach mir und zieht mich zu dem König.

„Du bleibst jetzt bitte bei mir.“

Auch wenn ich nicht will, nicke ich. Ich mache es einfach. Aus Angst.

Sein strenger Ton verunsichert mich.

Ich möchte aber nicht bei ihm bleiben! Wieder höre ich seine Stimme, doch ich reagiere nicht darauf. Er darf mich nicht von Mutter wegnehmen!

Aber tief in mir weiß ich, dass er das kann und auch tun wird.

 

Sie hat genickt. Ich merke, dass sie es nicht ernst meint und nur nickt damit ich zufrieden bin. Immerhin beugt sie sich gegenüber mir und weiß von ihrem Schicksal. Sie hat ganz klar Angst vor mir. Ein klein wenig bin ich froh, dass sie so reagiert. Wenigstens folgt sie mir und kommuniziert mit mir wenn auch widerwillig. Die anderen Kinder, die ich gefangen nehmen habe lassen, machen dies nicht. Langfristig gesehen darf sie aber keine Angst mehr vor mir haben. Aber diese wird sie auch noch ablegen. Ich muss ihr die positiven Aspekte aufzeigen, die sie dazu bringen doch bei mir zu bleiben. Wir werden sehen, ob mir das gelingt. Ich tendiere nämlich oft dazu zu streng zu sein. Aber auf der anderen Seite: Ich bin auch Kaiser und König.

 

„Es kann doch nicht sein, dass du einfach weggelaufen bist und dich hinter dem Schrank versteckt hast! Sonst wärst du doch bei deiner Mutter geblieben!“ Dieser fremde Mann sieht mich an. Eigentlich ist es ja der König, aber ich möchte seinen Namen nicht aussprechen. Der Wachmann bleibt auf Abstand zu uns stehen.

Ich möchte weg von ihm!

Ich schaue weg und dann sehe ich ihn sofort wieder an. Er legt seine Hand auf meine Schulter.

„Da du mir nichts mitteilen willst, mache ich dir ein Angebot: Wenn du es mir verrätst, dann lass ich dich zu deiner Mutter. Ist das kein gutes Angebot?“

Unsicher schaue ich ihn kurz an, sehe dann wieder schnell weg. Hat er das wirklich gesagt? Meint er das ernst? Bringt er mich zu meiner Mutter? Meine Augen leuchten ein wenig auf.

Er lacht.

„Du isst jetzt erstmal ein wenig. Bis dahin kannst du dir es überlegen. Aber ich würde es dir sehr empfehlen. Du würdest deinem Vater eine große Freude machen.“

Jetzt reicht er mir ein Brot. Zögernd greife ich danach. Er wird nicht mein Vater sein!

Ich habe aber Hunger und deshalb greife ich danach. Schließlich habe ich heute noch nichts gegessen. Gestern gab es auch nur ein Brot und ein bisschen Suppe. Mehr haben wir nicht mehr.

Mein Magen knurrt. Und es riecht so gut!

„Na, da freut sich ja jemand.“ Er streicht meine Haare wieder aus meinem Gesicht. Ich zucke zusammen. Schließlich esse ich doch ein bisschen.

„Esse ruhig alles auf. Du bist sowieso so dünn!“, meint er und lächelt mich an.

Verunsichert sehe ich ihn an.

„Ich möchte nicht mehr, dass du vor meinen Augen nach deiner Mutter rufst! Du wirst ab sofort damit aufhören. Die kann dich jetzt nämlich nicht mehr zurückholen.“, sagt er plötzlich.

„Wieso?“

Er ignoriert diese Frage.

Ich habe Bauchschmerzen. Ich habe schon lange nicht mehr so viel gegessen.

Der Mann gibt mir noch einmal etwas zum Trinken. Darüber bin ich froh. Danach geht es mir ein bisschen besser. Aber ich werde sehr schnell müde!

„Willst du mir nicht sagen wer dich versteckt hat? Du darfst es mir auch in mein Ohr flüstern. Ich verrate es niemanden. Versprochen!“ Er lächelt mich jetzt an. Kann ich ihm trauen? Eigentlich möchte ich einfach nur weg von ihm. Er macht mir Angst! Mutter hat mir nur Böses über ihn erzählt.

„Komm, sage es mir doch.“ Nein! Ich werde das nicht!

„Ich darf es aber nicht…“ Ich erschrecke. Wieso habe ich das gesagt? Er soll mich zu meiner Mutter bringen!

„Wieso nicht? Bei mir ist dein Geheimnis sicher.“ Ich schaue ihn an. Wirklich?

Er hält meine Hand und ich kann sie nicht wegziehen.

„Du kannst es mir ruhig verraten.“

Ich sehe ihn an und spüre seine Hand an meinem Rücken.

Nein! Ich schüttele meinen Kopf.

„Ich will zu meiner Mutter.“

„Dann sage mir wer dich versteckt hat.“

Ich fühle mich unter Druck gesetzt. Er soll weggehen und uns endlich in Ruhe lassen!

„Mutt…“

Er wendet seinen Blick nicht von mir.

Ich sehe ihn an. Er nickt. Ich muss es ihm sagen.

„Sylvia hat mich weggebracht, aber Mutter wollte es. Aber warum…“ Ich spüre seine Hand.

„Danke. Das hast du super gemacht.“

Ich bemerke gar nicht, wie er aufsteht. Hände sind an meinem Rücken und ich werde vorgeschoben. Widerwillig stehe ich auf. Ganz fest hält er meine Hand.

„Komm mit. Jetzt darfst du deine Mutter sehen.“

Gleich sehe ich meine Mutter und darauf freue ich mich.

 

Im Hintergrund höre ich meine Mutter und ich möchte sofort zu ihr. Er zieht mich zurück.

Ganz schnell sehe ich wieder zu Mutter und möchte zu ihr laufen. Sie hat gerade meinen Namen gerufen und abrupt aufgehört zu sprechen als er sie ansah. Was wollte sie mir sagen?

„In der Schule habt ihr bestimmt schon von mir gehört, oder?“

Ich möchte zu Mutter! Er möchte mich zu sich ziehen, aber ich bleibe abrupt stehen.

„Keine Schule.“, flüstere ich leise.

„Elizabeth, du redest nicht mit ihm! Du wirst ihm doch nicht folgen. Er ist böse!“, schreit meine Mutter mich an.

Ihre Reaktion habe ich nicht erwartet. Ihre Wut verängstigt mich. Ich habe ganz viel falsch gemacht. Mutter wird das gar nicht mögen.

Er legt seine Hand auf meine Schulter.

„Wenn du dort nicht warst, ist es umso besser. Dann wurdest du noch nicht so manipuliert wie die anderen Kinder. Sie weigern sich mit mir zu sprechen und widersetzen sich meinen Befehlen!“ Er lächelt mich an. Was meint er?

Jetzt sieht er zu Mutter.

„Aber auf der anderen Seite finde ich es unverantwortlich, dass sie noch nicht zu Schule geht! Sie ist zehn Jahre alt!“

„Wenn du es ganz genau wissen willst: Sie war dort nicht um sie vor dir zu schützen! Und jetzt möchte ich meine Tochter zurück! Elizabeth, komm zu mir!“

Ich schaue zu ihr und möchte zu ihr rennen, aber er zieht mich zurück.

Mutter, hole mich von hier weg! Ich schaffe es nicht allein!

„Bewacht sie erst einmal.“, sagt er. Meint er mich? Was hat er vor?

Ich weine.

„Mutter!“, schreie ich. Was hat er vor?

„Du bleibst bei mir und ich habe dir doch schon gesagt, dass du nicht mehr nach ihr rufen sollst!“

„Und währenddessen wirst du mir brav folgen. Dann wird dir auch nichts geschehen!“, setzt er fort. Verunsichert schaue ich ihn an, woraufhin er nur ein wenig lächelt.

„Du wirst dich schon bei mir einleben. Dafür werde ich sorgen.“

„Rede nicht so mit ihr! Sie bleibt bei mir!“, höre ich meine Mutter schreien.

„Jetzt bist du aber erst einmal in Sicherheit und du hast etwas gegessen. Das ist jetzt fürs Erste das Wichtigste. Egal was ich heute entscheide, es ist richtig so. Du darfst mir vertrauen.“

Er geht in die Hocke und sieht mich an.

„Du bleibst in meiner Nähe jetzt bitte!“ Er lässt meine Hand los. Ich bin endlich frei von ihm!

 

Auch wenn ich nicht will, lasse ich meine Tochter los. Ihre Mutter ist jetzt das größere Problem. Wäre sie nicht hier, würde sie mir wahrscheinlich eher folgen und sich mit mir zufriedengeben. Deshalb werde ich mir jetzt Maria vornehmen.

„Passt auf sie auf!“, befehle ich den Wachmännern. Sie nicken und stellen sich um die beiden. Meine Tochter gehört jetzt offiziell zu meiner Familie. Das weiß auch meine Wache. Würde sie mit ihr verschwinden, würde sie ab sofort Straftat begehen und das würde noch strenger geahndet werden als normal. 

„Du bleibst schön bei mir!“

Ich möchte nach ihrer Hand greifen, doch aus dieser entreißt sie sich sofort wieder.

Sie läuft weg. Und ich lasse sie laufen. Schließlich haben wir sie sofort wieder eingefangen.

 

Ganz schnell laufe ich zu meiner Mutter und verstecke mich hinter hier, die aufsteht und mich jetzt auch ganz festhält. Bei ihr fühle ich mich deutlich sicherer. Ich sehe sie die ganze Zeit an.

Die Wachmänner sagen streng zu ihr, sie solle sich wieder hinsetzen und mich loslassen. Sie sagen, ich gehöre nun zur Familie des Königs. Sie dürfe mich nicht anfassen. Außerdem müsse sie mich ab sofort mit Ihre Königliche Hoheit ansprechen.

„Ihr werdet mir nicht sagen, wie ich meine Tochter anzusprechen habe! Sie heißt Elizabeth und ist und bleibt meine Tochter!“, schreit meine Mutter.

Es fühlt sich gut an bei ihr zu sein. Ich lasse ihre Hand nie wieder los! Bei ihr fühle ich mich sicher. Sie umarmt mich fest.  

Ich bin so froh, dass ich wieder bei ihr bin!

„Schatz, ich werde dich nie wieder loslassen. Ich werde dafür sorgen, dass du bei mir bleibst!“, flüstert sie mir zu. Ich strahle sie an und nicke.

„Ich will bei dir bleiben, Mutter. Für immer.“

Um uns herum stehen Wachen, die uns beobachten.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      

„Lasst sie ruhig laufen! Ich fange sie später schon wieder ein. Sie wird nicht sehr weit laufen können. Das Gesetz ist ja uns allen bekannt.“, meint der König, nachdem ein Wachmann nach mir greifen möchte, aber mich nicht erwischt. Was meint er mit Gesetz? Welches Gesetz?

„Was meint er?“, frage ich meine Mutter leise.

„Tja, Maria, erkläre ihr ruhig das Gesetz.“ Er lacht laut. Er muss es gehört haben. Erschrocken sehe ich ihn an.

„Lass meine Tochter aus dem Spiel, Alexander. Du kriegst sie nicht.“, schreit meine Mutter ihn an.

Sofort ermahnen sie die Wachmänner.

Ich halte mich fest an meiner Mutter fest.

„Lasst sie sich ruhig austoben. Der heutige Tag wird für sie sehr anstrengend. Da muss sie jetzt aber durch. Das kann ich ihr jetzt nicht ersparen. Ihre Mutter hat zu viele Fehler gemacht. Da kann ich sie nicht einfach mitnehmen und sofort verschwinden. Dafür wird sie später umso schneller einschlafen.“

Geschockt sehe ich ihn an.

 

Er muss Macht haben, denn selbst seine Ausrüstung, die aus einem Schwert besteht, ist prunkvoller als die meines Vaters. Auch wenn beide ungefähr im gleichen Alter sind.

Er trägt darüber einen langen schwarzen Umhang, den er jetzt von einem weiteren Mann abgenommen bekommt, wofür er kurz stehen bleibt. Jetzt sehe ich seinen Anzug. Er ist schwarz. Sein Oberteil ist blau mit goldenen Streifen.

„Legt den Umhang in die Kutsche.“

Dieser Wachmann nickt und verlässt das Zelt. Der König kommt auf uns zu. Er reibt seine Hände aneinander. Zitternd halte ich mich an Mutter fest.

„Maria, du wolltest es nicht anders! Setze dich gefälligst wieder! So erleichterst du meiner Tochter diese Prozedur, nachdem du sie ja vor uns verstecken musstest. Wir warten nur noch auf dich! Sage ihr jetzt, dass sie zu mir kommen soll.“, befehlt er ihr und schaut mich an.

Wieso musste er ihr das sagen? Ich hatte es ihm anvertraut! Aber mit einem Schlag wird mir bewusst, dass er das bestimmt nur gesagt hat, damit ich es ihm sage. Ich hätte ihm nicht glauben dürfen!

Er zieht sein Schwert heraus und hält es in der Hand. Mit seiner anderen Hand greift er nach der Spitze. Wieso macht er das? Er tut so als ob das hier sein Zuhause wäre. Er wirft auch einen weiteren Stuhl um, wodurch er mir noch mehr Angst macht. Mutter schaut mich die ganze Zeit an.

„Ich habe sie nicht versteckt!“

„Tu doch nicht so unschuldig! Deine Tochter hat mir alles gesagt! Du kannst an deiner Situation sowieso nichts mehr ändern!“, schreit er sie an und stampft mit seinem Fuß auf dem Boden. Ich zucke zusammen, halte mich fest an einem Arm meiner Mutter fest und schaue ihn verunsichert an.

Er hat es mir versprochen!  

„Elizabeth, was hast du?!“ Verängstigt sehe ich sie auch an. Er hat mich doch gezwungen! Ich konnte nicht anders.

„Rede nicht mehr mit ihm. Verstanden?“

Ich nicke sofort.

„Du wirst heute noch eine lange Fahrt vor dir haben.“, sagt er noch. Ich antworte ihm aber nicht.

„Ich verbiete dir den Kontakt zu ihr!“

„Überlasse diese Entscheidung mir jetzt! Ich bin ihr Vater!“, schreit der König sie mehrmals an. Ich möchte weg von hier!

Er mustert Mutter richtig und wirkt so gar nicht freundlich. In seinem Gesicht erkenne ich neben seiner Wut aber auch eine Entschlossenheit, so wie meine Mutter auch manchmal, wenn sie etwas unbedingt möchte.

„Ich werde sie niemals loslassen nur um dir einen Gefallen zu tun! Sie ist und bleibt meine Tochter!“

„Maria! Mach es einfach! Sei nicht so stur! Du kennst das Gesetz.“, schreit er sie an. Ich habe Angst, dass er ihr etwas antut.

Er flüstert den Wachmännern irgendetwas zu, sie nicken und gehen auf uns zu.

„Bereitet alles für die Heimfahrt vor und spannt die Pferde wieder ein.“, sagt er nur noch wütend und schaut kurz zu mir.

Die Männer machen mir Angst! Sie schauen ziemlich ernst und beobachten uns streng. Wir werden die ganze Zeit bewacht.

Am liebsten würde ich wegrennen, aber was ist, wenn ich es mache? Der König wird mich sofort schnappen. So war es ja auch bei den anderen Kindern, die hier bei uns waren. Am besten bleibe ich bei meiner Mutter.

„Ich kann nicht glauben, wie du sie so verzogen hast! Obwohl sie ja schon brav sein kann.“, meint der Mann und lacht laut.

„Maria, lasse sie endlich los!“, fordert dieser Mann, der König sein soll, sie andauernd auf. Er steht auf Abstand zu uns und sein Ton ist gar nicht nett.

Er ist richtig sauer, dass Mutter mich nicht loslässt. Zum Glück folgt sie ihm nicht! Ich halte mich ganz fest an meiner Mutter fest. Er klingt ziemlich böse und verärgert. Ich möchte so sehr bei meiner Mutter bleiben!

 

So langsam bekomme ich das Gefühl, dass sie mir folgen würde, wenn ihre Mutter nicht da wäre. Irgendwie spüre ich das, aber es kann auch ein falscher Eindruck sein. 

Ein wenig Hilfe muss ich jetzt aber schon leisten sonst kommen wir hier nie weg.

Ich möchte, dass Maria mir meine Tochter übergibt.

 

Der König steht vor mir. Schnell versuche ich einen Schritt zurückzugehen, doch er hält mich davon ab. Seine Hand legt er auf meinen Rücken und schiebt mich mit ihr wieder vor.

„Komm zu mir.“

Ich beginne zu schreien, so sehr möchte ich hier von ihm weg. Mutter versucht mich zu sich zurückzuziehen.

„Sie gehört immer noch zu mir! Egal was du vorhast!“, schreit meine Mutter ihn jetzt an.

Ich weiß nicht was ich machen soll!

 

Ich suche Kontakt zu meinen Wachmännern. Ohne ein Wort zu sagen, mache ich deutlich, dass wir Maria bald fesseln werden. Ich muss nur den richtigen Moment abwarten.

Meine Tochter weint. Sie hält immer noch die Hand von ihrer Mutter. Mit der anderen halte ich sie fest.

Ich hoffe sie beruhigt sich bald, auch wenn ich ehrlich gesagt auch einsehe, dass es jetzt eher schwierig ist. Ungeduldig sehe ich mich um. Dieses Zelt ist wirklich sehr klein! Sie muss hier raus.

Ich halte es nicht mehr aus. Wir müssen jetzt handeln! Meine Tochter hat sich zwar noch nicht an mich gewöhnt, aber das interessiert mich jetzt nicht. Sie hat dafür noch genügend Zeit. Ich kann nicht mehr warten. Maria hat schon so lange herumgetan. Sie bekommt jetzt ihre Strafe. Ich laufe wütend zu ihr.

Kapitel 4

 

„ÜBERLASSE MIR ENDLICH MEINE TOCHTER UND SETZE DICH!“, schreit dieser Mann sie unerwartet und plötzlich an. Im selben Moment zucke ich zusammen. Mutters Hand halte ich ganz fest und weine. Ich will nicht zu diesem Mann!

Er zeigt auf einen Stuhl, der von einem Wachmann festgehalten wird. Er ist ernst und energisch.

„Nein, das werde ich niemals freiwillig tun! Und das weißt du auch! Wer weiß, was du mit ihr anstellst! Sie ist meine Tochter und sie bleibt bei mir! Wenn ich mich hinsetze, begleitet sie mich! Ich lasse niemals zu, dass du über sie bestimmen kannst!“, schreit sie ihn jetzt an.

Ich habe sie noch nie so wütend erlebt, aber ich bin froh darüber.

Vor ihr stehend, drücke ich jetzt meinen Teddybären an mich heran, den meine Mutter mir jetzt wiedergibt. Meine Hände zittern. Mein Teddy lag vor ihr.

Ich halte mich jetzt an Mutters Hand fest.

„Wir werden gleich sehen bei wem sie bleibt! Sie hat dich nicht verdient.“

Ich spüre viele Blicke. Auch er sieht mich an.

„Nur bei mir ist sie am besten aufgehoben. Außerdem erhält sie bei mir endlich eine standesgemäße Erziehung, Bildung und auch ein Leben ihrem Stande angemessen. Sie war schon immer eine Prinzessin; keine Komtesse eines jämmerlichen Grafen und einer noch so armseligeren Gräfin. Dir ist das Gesetz ja auch sehr wohl bekannt!“

Was weiß er über meinen Vater?

 

Seine Anwesenheit macht mich nervös. Er sieht sich alles ganz genau an.

Er schreit meine Mutter auch immer wieder an. Sie solle sich setzen, meint er. Mutter darf sich nicht setzen! Sie muss bei mir bleiben und mich vor ihm beschützen!

Ich beobachte ihn. Mein ganzer Körper zittert. Sein Schwert schwankt leicht an seinem Oberkörper.

„Alles wird gut, Elizabeth.“, versucht sie mich zu beruhigen und legt eine Hand auf meine Schulter. Ich beginne wieder zu weinen. Ich hatte mich zwischenzeitlich beruhigt. Mir ist alles zu viel! Schnell drehe ich mich zu meiner Mutter.

Mutter darf nicht weg! Nein! Ich werde bei ihr bleiben!

„Du hast also entschieden: du willst es uns beiden schwermachen. Aber das habe ich mir fast schon gedacht – so der Mann, so die Frau. Ich bin der König, zwar nicht deines Landes, trotzdem hast du mir verdammt nochmal zu folgen! Ich kann dich auch gleich abführen lassen!“, schreit er sie an, macht kurz eine Pause und überlegt. Mutter, darf nicht abgeführt werden! Nein! Am liebsten würde ich schreien, aber ich traue mich nicht.

Zitternd vor Angst, halte ich mich an meiner Mutter fest. Er sieht sie richtig böse an.

Was hat er vor?

„Nein, weißt du was?! Ich werde es gleich anordnen! Wir müssen nämlich langsam auch weiter! Nicolas, kommt! Nehmt sie in euren Gewahrsam! Und sagt jemand bitte Svenja Bescheid! Sie soll sich vorbereiten. Erst einmal kümmere ich mich um das, das mir lange schon zusteht. Sie braucht mich jetzt dringender denn je.“

Ich zucke sofort zusammen als er das sagt. Was meint er damit? Meint er mich? Nein! Ich möchte nicht zu dem König!

Er schaut mich kurz an, sieht aber dann wieder zu meiner Mutter. Er soll am besten gar nicht zu uns kommen! Ich halte mich ganz fest an meiner Mutter fest und lasse meinen Blick nicht von ihr wegschweifen!

„Irgendwann wirst du verstehen, wieso ich das jetzt mache.“, sagt er, glaube ich, zu mir. Ich höre Schritte, die näher kommen. Eine fremde Hand liegt auf meiner Schulter.

„Lass sie jetzt dort, wo sie ist! Und dann setzt du dich endlich und lässt uns in Ruhe unser Ding durchziehen, Gestehe deine Taten.“, schreit der König sie an.

Mutter schüttelt den Kopf. Er ist richtig sauer! Sofort drücke ich mich an Mutter. Ich bleibe nicht bei ihm. Ich spüre ihren Arm und fühle mich sofort geborgen bei ihr.

„Nein, das werde ich nicht!“

„Sie bleibt bei mir!“

Vor Angst schreie ich auf. Ich bleibe nicht bei ihm!

 

„Wir verschwinden jetzt, Elizabeth!“, flüstert sie in mein Ohr. Ich schaue sie an,  sie lächelt mich an und läuft los. Endlich kommen wir aus diesen Albtraum heraus! In mir bereit sich sofort eine Hoffnung auf. Endlich kommen wir hier weg. Hoffentlich findet uns Vater!

Ihre Arme sind ganz fest um mich herumgeschlossen.

Sie rennt mit mir in Richtung Zeltausgang. Ich halte mich an ihr fest und bin zum ersten Mal an diesem Abend glücklich und voller Hoffnung. Endlich geht es weg von hier!

Dann kann ich wieder zu meinem Pony und in mein Zimmer. Endlich kehrt Ruhe ein! Ich sehe die Zeltöffnung vor mir.

„Stopp! Was macht ihr da? Hält sofort an!“

Fremde Hände halten Mutter sofort fest. Eine Hand streift meinen Arm, aber zum Glück werde ich nicht festgehalten. Sie müssen hinter uns hergerannt sein.

Ohne abzuwarten, greifen sie nach Mutters Arm. Wir schaffen es nicht einmal aus dem Zelt.

Die Wachmänner stehen jetzt hinter uns. Der König läuft jetzt zu uns. Nein, er rennt. Hoffentlich greift er nicht gleich nach mir! Panisch drehe ich mich sofort in die andere Richtung.

„Du bleibst schön hier.“, sagt ein Wachmann zu mir, während er Mutter festhält. Meine Hände rutschen aus ihren Händen. Dadurch muss sie mich loslassen und ich stürze dadurch auf den Boden.

Eine weitere Hand berührt meine Schulter und ich höre den König sagen: „Du bleibst einfach hier sitzen und rennst jetzt nicht mehr weg. Wir werden dich finden.“

Eine weitere Hand greift nach mir. Panisch schaue ich mich um. Es ist Mutters Hand.

„Mutter, ich will bei dir bleiben …“

„Du bleibst bei mir, das verspreche ich dir.“

Ich höre schwere Schritte.

Der König tritt zu meiner Mutter und gibt ihr eine Ohrfeige. Sofort lässt sie meine Hand los. Mutter wird weggezogen.

„Die hast du verdient! Und jetzt sei still!“, schreit er sie an, gibt ihr eine weitere Ohrfeige und hält sie mit beiden Händen fest.

Wieso macht er das? Sie schaut ihn wütend an und versucht wieder weglaufen, aber sie kommt nicht weg.

„So jetzt sei still! Und folge meinen Befehlen! Du lässt meine Tochter jetzt in Ruhe und lässt dich abführen.“

Er hält sie ganz fest.

„Wer hätte gedacht, dass ich dich je einmal wütend erleben werde. Ich werde diesen Moment für immer in Erinnerung behalten!“, fügt er hinzu und gibt ihr eine weitere Ohrfeige. Wieso macht er das?

„So etwas mache ich nur, wenn jemand meinen Befehlen und Anordnungen nicht folgt.“, sagt er plötzlich.

Ich sehe nur zu Mutter.

„Du machst alles in deinem Leben richtig, wenn du diese Frau hier nie als Vorbild nimmst.“, fügt er hinzu, wodurch ich zum ersten Mal verstehe, dass er mit mir spricht.

Ich zucke zusammen. Ich möchte am liebsten weglaufen, aber ich habe Angst und möchte eigentlich auch bei meiner Mutter bleiben.  

Der Wachmann, der hinter uns steht, greift sofort nach ihrem freien Arm, fesselt sie, und zieht sie von mir noch weiter weg. Währenddessen lässt der König ihren anderen Arm jetzt los und greift nach meiner freien Hand. Er steht neben mir und hat einfach so nach meiner Hand gegriffen.

„Mutter! Bleib hier!“

Hektisch versuche ich mich von ihm zu befreien, aber er hält meine Hand fest.

Schockiert stehe ich hier und schaue zu meiner Mutter.

Für mich ist das alles zu viel. Ich will zu Mutter und nach Hause! Mir wird schlecht. Wieso machen sie das? Wieso hat meine Mutter das verdient? Ich möchte mich von diesem Mann befreien. Hektisch ziehe ich meine Hand, aber er hält mich fest.

Tränen fließen meine Backen herunter.

Ich muss weg von ihm! Er zieht mich näher zu sich. Ich habe keine Chance. Er hat so viel Kraft! Aber ich möchte nicht mit ihm mit!

„Du bleibst bei mir bitte.“ Er hört sich so streng an. Ich schüttele meinen Kopf und möchte zu meiner Mutter laufen.

Seine Hand zieht mich sofort wieder zurück, wodurch ich an ihn stoße und auf den Boden falle.

Ein Ärmel meines Kleides reißt.

Schnell stehe ich wieder auf und versuche zu ihr zu laufen.

Doch ich habe keine Chance. Der König hält mich sofort davon ab. Eine Hand hält er an meinem Oberkörper und zieht mich zu sich.

„Elizabeth, sehe mich an.“

Er kniet sich zu mir herunter und hält mich fest.

Ich möchte so sehr weg von ihm!

„Jetzt lässt du schön die Wachmänner ihre Arbeit ableisten.“

Panisch versuche ich mich aus seinen Armen zu befreien. Sein Druck wird stärker, falle zurück und werde von seinen Armen festgehalten.

Ich weiß, dass er mich ansieht, aber ich schaue nur zu meiner Mutter.

„In den nächsten Tagen gebe ich dir ganz viel Zeit zum Erholen. Es wird alles gut.“ Ich sehe ihn kurz an. Nein, ich glaube ihm das nicht!

Mutter, ich will zu dir!

Schnell wische ich mir meine Tränen weg. Mutter versucht wieder nach meiner Hand zu greifen.

„Setze dich hin!“, schreit jemand.

Aus Angst zucke ich zusammen und beginne zu weinen.

Ich werde nie wieder bei meiner Mutter sein!

 

Ihre Gedanken sind ganz klar zu erkennen. Gerade realisiert sie eindeutig ihr Schicksal. Sie wirkt zerbrechlich, aber auch wütend.

Ich mache ihr keine Vorwürfe. Schließlich kennt sie nur die Seite ihrer Mutter. Ich werfe ihr komplettes Leben um und ich bin garantiert gerade die böse Person in ihrem Leben. Mit dieser neuen Situation muss sie jetzt zurechtkommen. Sie tut mir leid, aber das muss heute sein.

„Michael, kümmere dich um meine Tochter.“ Er hört mich und nickt. Aus dem Augenwinkel erkenne ich wie er meine Tochter sofort beobachtet und zu ihr läuft.

 

Der König streicht über meinen Rücken. Er ist immer noch bei mir.

„Lasst mich zu meiner Tochter!“, schreit Mutter.

Im Hintergrund höre ich Schritte und beobachte, wie ein Wachmann hier im Zelt herumläuft.

„Das ist deine Schuld.“, höre ich den König sagen.

Vor Angst schreie ich zuerst kurz, weine dann nur noch, versuche zu Mutter zu laufen und drücke dabei meinen Teddy an mich.

Doch Hände ziehen mich sofort zurück. Ich sehe, wie Mutter immer weiter von mir weggezogen wird.

„Mutter!“

„Du bleibst hier.“

Hektisch atme ich. Tränen kullern über mein Gesicht. Das kann nicht sein! Mutter muss hierbleiben! Bei mir! Ich muss bei ihr bleiben!

Jetzt bemerke ich, dass der König nicht mehr bei mir ist. Er steht vor meiner Mutter. Er sagt irgendetwas, das ich nicht verstehe. Aber ich fühle mich frei und laufe ohne zu Überlegen zu meiner Mutter.

 

„Mutter!“, rufe ich so laut nach ihr wie noch nie und renne zu ihr.

Ich spüre eine Hand. Schnell drehe ich mich um. Ein Wachmann steht neben mir.

Dieser Mann greift nach meiner Hand und lässt mich nicht los. Ich schreie auf.

„Du bleibst schön hier, wo du bist.“

Vorsichtig sehe ich mich um. Der König steht neben meiner Mutter und Wachmänner halten sie davon ab zu mir zu laufen.

„Mutter!“

Ich versuche mich wieder zu wehren, aber ich habe keine Chance und kann nicht weglaufen.

„Bringe sie ein Stück weg von hier. Sie muss nicht alles mitbekommen was wir hier machen. Ich kümmere mich gleich wieder um sie. Erstmal muss sie sich ein bisschen wieder beruhigen.“, höre ich den König.

Dieser Wachmann lässt meine Hand nicht los. Er führt mich in einen anderen Raum, auch wenn ich nicht will. Ich werde fast schon mitgezogen, aber ich schaffe es nicht von ihm weg.

„Elizabeth!“, schreit meine Mutter. Sie schaut mich verzweifelt an. Sie steht wieder auf und versucht zu mir zu rennen.

Wohin bringen sie meine Mutter? Ich schaue zu ihr. Nie wieder werde ich woanders hinsehen! Mutter, ich will zu dir!

Weit weg gehen sie aber nicht, denn ich sehe sie noch. Trotzdem will ich zurück zu ihr!

„Pass gut auf sie auf.“, höre ich den König sagen.

Mutter, was passiert hier? Wieso machen sie das? Ich will zu meiner Mutter zurück!

 

„Du bleibst hier bei mir. Das ist sicherer für dich jetzt.“, sagt dieser Wachmann jetzt zu mir und setzt mich auf einen Stuhl. Nervös schaue ich mich um. Ich sitze auf dem Sessel meiner Mutter. Eine Hand bleibt auf meinem Arm liegen. Er sitzt neben mir und sieht mich an.

Wieso hält er mich hier fest? Ich schaffe es nicht aufzustehen.

„Du bleibst hier.“ Gerade wollte ich versuchen mich aus dem Stuhl zu heben.

Ich möchte weg von hier! Wieso lässt er mich nicht los?

Mutter, ich möchte zu dir! Wieso muss das hier geschehen? Wie komme ich jetzt nur zu dir?

Seine Augen wachen auf mir. Er sitzt so, dass ich auf keinen Fall weglaufen kann.

Meine Füße frieren, ich bin immer noch barfuß. Ich friere und ich zittere.

Mit Tränen in den Augen schaue ich auf den Boden. Ich möchte keinen Menschen mehr heute sehen! Ich will nach Hause! Energisch verschränke ich meine Arme und drehe mich von ihm weg.

Lasst mich doch alle in Ruhe!

 

Wieso darf ich nicht zu meiner Mutter?

Eine Hand berührt meine Schulter. Ich möchte mich von ihr wegziehen, aber er lässt sie liegen.

„Ich möchte zu meiner Mutter zurück!“, schreie ich und möchte aufstehen. Aber jemand zieht mich immer wieder zurück.

„Du bleibst schön hier!“ Unerwartet höre ich die Stimme des Königs. Er muss ganz nah bei mir sein oder ich bin sehr laut.

Mein Herz klopft.

„Mutter!“, schreie ich.

Die Hand wird von meinen Schultern genommen. Ich höre Schritte, die immer näherkommen.

Schnell wische ich meine Tränen weg und drehe mich auf die andere Seite.

Draußen knallt es wieder. Ich zucke zusammen.

Und da ist wieder diese Hand auf meiner Schulter.

Am liebsten würde ich mich wehren, aber ich habe Angst vor ihm.  

„Alles bleibt jetzt so wie es ist.“, höre ich den König sagen. Er muss hier bei mir sein.

Was meint er? Ich will zu meinen Eltern zurück!

Schnell wische ich mir die Tränen weg und kaue an meinem Ärmel meines Kleides. Es ist der Ärmel, der noch ganz ist.

Ich möchte weg von hier, aber er hält mich so fest damit ich nicht weglaufen kann. Außerdem kniet der Wachmann sich jetzt zu mir herunter.

Was soll ich ohne meine Mutter machen? Wieso muss ich bei ihm jetzt bleiben?

Ich will das nicht! Nein, das kann nicht sein!

„Vielen Dank, Michael.“, höre ich den König im freundlichen Ton sagen. Als ich seine Stimme höre, zucke ich wieder zusammen. Sofort krempelt er meinen Ärmel des Kleides zurück und legt seine Hand auf meine Schulter liegen.

Er soll meinen Arm loslassen! Ich würde mich wehren, wenn er meinen Arm nicht so sehr festhalten würde!

„Du kriegst später noch frische Kleidung. Dann frierst du nicht so. Du hast nicht einmal Schuhe an!“

„Du bleibst schön hier! Deine Mutter kommt jetzt nicht mehr zu dir.“, sagt er.

Ich sehe meine Mutter nicht. Wo ist sie?

„Mutter!!!!“, schreie ich. Wo ist Mutter? Was mache ich nur jetzt ohne sie? Ich bekomme kaum noch Luft und beginne zu husten.

Ein Wachmann kniet sich neben dem König zu mir wieder herunter und sieht mich an.

„Du hast diese Mutter nicht verdient. Daheim wird es dir so viel besser gehen. Da verspreche ich dir.“

Er sagt das so lange bis ich ihn beachte und ansehe.

Der Wachmann hält weiterhin eine meiner Hände und versucht mich zu beruhigen. Mit großen Augen schaue ich ihn kurze Zeit später an und bin still. Mutter, ich will zu dir!

Zusätzlich spüre ich den König, merke wie er mich ansieht und sich neben mich stellt. Jetzt zieht er einen Holzstuhl zu sich und setzt sich neben mich.

Immer wieder fange ich an zu weinen und ich sehe kaum was um mich herum passiert.

„Wir werden gleich in mein Lager fahren.“

Ich möchte weg von hier! Aber ich komme nicht weg.

„Glaube den Männern nicht, Elizabeth! Komme zu mir!“, höre ich meine Mutter im Hintergrund schreien. Habe ich etwas Falsches getan? Wieso holt sie mich nicht zu sich?

Ich versuche aufzustehen, doch der Wachmann und der König ziehen mich sofort zurück. Die Augen des Königs ruhen auf mir.

„Elizabeth, komm zu mir! Wo bist du?“, ruft meine Mutter.

Ich kann nicht zu ihr!

Immer wieder schimpft Mutter laut.  

„Sei leise!“, schreit er immer wieder. Das verschreckt mich.

 

„Mitkommen!“, wird sie von diesem Wachmann, der gerade eben noch bei mir war, angeschrien. Es kann nur Mutter sein, den er so anschreit.

„Na, es gibt doch keinen Grund zu weinen! Du bist jetzt bei mir und darüber kannst du wirklich dankbar sein.“, spricht der König zu mir im ruhigen Ton, streicht mir über den Kopf und ich spüre auch wieder Hände auf meiner Schulter.

Ich habe Angst vor ihm.

„Du wirst jetzt ein braves Mädchen sein…- “, beginnt er ruhig.

„Elizabeth, wo bist du? Ich bleibe bei meiner Tochter!“, höre ich meine Mutter rufen. Ich muss ihn immer noch ansehen. Die ganze Zeit weiche ich seinem Blick aus. Am liebsten wäre ich jetzt bei ihr!

„und mir zuhören. Ich weiß, dass ist alles zu viel für dich. Ich bin jetzt dein Vater und du lebst jetzt bei mir.“ Er steht auf. Wieder versuche ich von ihm wegzukommen.

„Du bleibst schön hier bei mir. Wir gehen mit deiner Mutter so um, weil sie etwas ganz Böses getan hat. Und das was sie gemacht hat, war nicht richtig.“

Wieso? Was soll sie getan haben? Doch das traue ich mich nicht laut zu fragen.

„Hierbleiben!“, höre ich jemanden schreien, aber ich kann nicht sehen was hinter mir passiert, da der Mann mich ablenkt.

„In Zukunft werden wir uns jeden Tag sehen. Du bist besser freundlich zu mir, denn ich sorge von nun an für dich.“, höre ich den König sprechen, kniet sich zu mir herunter und streicht mir durch meine Haare, wodurch ich ihn mit meinen verweinten Augen ansehen muss.

„Ich will zu meiner Mutter!“, beschwere ich mich noch einmal. Ich stottere.

„Deine Mutter kann dir nicht mehr helfen. Aber keine Sorge, dir wird es bei mir gefallen. Wir werden viel gemeinsam erleben. Du wirst dich bestimmt gut mit meiner Frau, oh pardon deiner Mutter, verstehen. Sie wartet daheim bereits auf dich.“

„Ich will aber bei meiner Mutter bleiben!“, sage ich noch einmal energisch, ziehe an seiner Hand und möchte zu meiner Mutter zurückrennen. Aber er zieht mich sofort wieder an sich.

Ich schaue ihn verängstigt an und wende meinen Blick dann wieder ganz schnell wieder weg von ihm. Ich spüre seine Hand an meiner Schulter. Wieso darf ich nicht zu ihr? Sie ist meine Mutter!

 

Tröstend streichelt er meinen Rücken.

Ich sage nichts.

„Hier, trinke erst einmal ein wenig Wasser.“ Unsicher sehe ich auf. Er reicht mir einen Becher. Ich zögere und überlege. Schließlich nehme ich ihn doch.

„Deine Mutter kann dir jetzt nicht mehr helfen. Du musst dich mit mir zufriedengeben.“ Er sagt das so konsequent, das mich wütend macht. Ich hebe den Becher nach oben.

Er nimmt mir sofort den Becher wieder weg.

„Du wirfst ihn nicht auf den Boden!“, meint er streng und hält einen Finger hoch. Er sieht mich an. Ich schaue schnell weg von ihm. Er schaut mich so ernst an.

Ich wollte wirklich den Becher auf den Boden zu werfen. Wieso hat er das gemerkt?

„Ich möchte zu meiner Mutter!“, schreie ich ein weiteres Mal, weil ich so sauer auf ihn bin.

Ich schaue ihn an. Er ist auch so groß! Zuerst versuche ich mich aus seiner Hand zu befreien, doch er hat so viel Kraft.

„Du redest so nicht mit mir! Sie hat das verdient! Seit zehn Jahren suche ich nach dir. Ich habe ihr jede Möglichkeit gegeben, aber sie hat sich geweigert.“

Im Hintergrund höre ich seine Stimme, aber ich höre ihm nicht zu. Stattdessen überlege ich wie ich zu meiner Mutter zurückkomme.

„Jetzt wird alles wieder gut. Dir wird es bei mir gefallen. Du hast übrigens einen großen Bruder. Er heißt Jakob.“

 

Ich sitze jetzt auf seinem Schoß. Ich will nicht so nah bei ihm sein! Aber ich kann nichts dagegen machen.

Er hat gerade nach meinen Händen gegriffen und mich auf seinen Schoß gesetzt.

„Da zittert ja jemand! Das brauchst du doch gar nicht! Wir werden dir nichts antun.“

Schüchtern schaue ich auf den Boden. Ich möchte ihn nicht ansehen. Aber ich merke, wie er mich ansieht.

Ich möchte mich nicht an ihn anlehnen. Aber ich muss.

Er legt sofort einen Arm um mich.

„Dir wird es bei mir gefallen. Da bin ich mir ganz sicher!“

Mutter, hole mich weg von ihm!

Meine Hände sind kalt. Ich will weg von hier! Wieso kann ich nicht nach Hause?

Mit meinen Händen versuche ich ein weiteres Mal den Arm wegzuschieben. Der Stoff seines Anzuges ist dick.  

„Morgen wirst du unserem Volk vorgestellt.“

Er beobachtet mich. Was meint er?

 

„Lasse dich von dieser Frau nicht einschüchtern. Es ist völlig in Ordnung, wenn du mit mir sprichst! Schließlich sind wir jetzt eine Familie. Sie, auf der anderen Seite, gehört zu unserem Volk und müsste eigentlich warten bis wir sie auffordern mit uns zu sprechen.“ Ich sehe ihn an, während er spricht. Seine Worte verschrecken mich.

„Ich möchte bei meiner Mutter bleiben!“, sage ich und versuche von ihm herunterzuspringen. Im selben Moment greifen Arme wieder nach mir.

„Du bleibst schön hier! Draußen ist es noch zu gefährlich für dich! Wir verlassen das Zelt später zusammen.“

Ich gebe es auf. Seine andere Hand bleibt auf meiner Schulter.

 

„Sir, wir haben den Grafen ausfindig gemacht und festgenommen.“

Der König nickt nur. Ich möchte von ihm herunterspringen, aber er hält mich sofort fest.

„Begleitet ihn und nimmt ihn jetzt schon mit. Er soll so schnell wie möglich zum Schloss gebracht werden! Sagt ihm, er ist nun kein Graf mehr und er darf auf ein Wunder hoffen aus dieser Sache noch lebendig herauszukommen.“

Jetzt hat er auch noch meinen Vater! Wieso nimmt er mir alles heute weg?

 

„Das ist sehr gut! Führt ihn ab und er soll ebenfalls sofort weggefahren werden.“

„Wir brauchen nochmal einen Krug voller Wasser.“, rufe ich, während ich meine Tochter festhalte.

„Aber, Mutter!“

„Ssscch! Du bleibst jetzt bei mir. Hier bist du sicher.“

Ich nehme den Krug ab und reiche ihn meiner Tochter. Sie trinkt zögernd. Ihre Augen ruhen auf mir.

Ruhig, fast schon ungewöhnlich ruhig, sitzt sie hier bei mir. Nur wie lange noch? Sie hat das Temperament ihrer Mutter, aber ganz klar mein Aussehen. Mich Erschrecken stelle ich fest, dass sie meine Augen hat.

Was mich jedoch am meisten schockiert ist ihr Zustand, sie ist sehr dünn, und ihre Kleidung. Der Rock und das Oberteil mögen ja akzeptabel sein, aber sie trägt keine Socken und keine Schuhe!

Svenja ist das Kindermädchen, die ich extra für Elizabeth mitgenommen habe. Sie wurde aber erst ins Lager gebracht als sicher war, dass wir gewinnen und sie holen würden. Gestern erreichte sie unser Lager und sie weiß grob über den Zustand meiner Tochter Bescheid. Sie wird dort auf uns warten und dann wird sie frische Kleidung bekommen. Von ihr habe ich für die Fahrt eine Jacke, Decke und Strümpfe erhalten.

Sie reicht mir den Krug wieder.

„Du darfst ruhig noch etwas trinken.“, versichere ich ihr. Sie schüttelt den Kopf. Sie sucht ihre Mutter. Sie sucht Sicherheit. Jemanden, den sie jetzt einigermaßen vertrauen kann.

 

Ich möchte weg!

„Du bleibst hier!“ Der König hält mich fest und bleibt neben mir stehen. Er zieht mich zurück.

„Ich möchte zu meiner Mutter!“, schreie ich und versuche mich wieder aus seinen Armen zu befreien.

Mutter, wo bist du?

„Ich will zu meiner Mutter!“, schreie ich nochmal. Lauter.

„Schatz, du brauchst doch nicht so zu schreien.“, höre ich den König. Zum ersten Mal klingt er nicht so streng, aber das ist mir egal.

Ich spüre viele Blicke auf mir ruhen.

Verzweifelt suche ich nach Mutter.

„Mutter! Wo bist du?“

 

„Hier.“ Mir wird etwas Braunes gereicht. Mir wird gesagt, dass es Schokolade ist. Es schmeckt sehr süß, aber ich mag es. Still esse ich daran, während ich wieder auf dem Stuhl gesetzt werde. Der König lobt mich immer wieder in einem beruhigenden Ton und das gibt mir irgendwie Sicherheit. Auch wenn ich das nicht möchte.

„Lasst meine Tochter bei mir!“, höre ich meine Mutter schreien. Noch bevor ich weglaufen kann, hält der König mich fest.

 

„Ich glaube, wir sollten uns jetzt auch langsam auf den Weg machen. Du musst endlich etwas anderes sehen als nur diesen Ort hier!“

„Ich will zu meiner Mutter, bitte!“, reagiere ich verärgert.

„Du siehst doch, dass du nicht zu deiner Mutter kannst. Sie ist nun Besitz unseres Landes. Ich bitte dich, mich jetzt einfach nur brav zu begleiten.“ Er wirkt wieder strenger und das macht mir Angst.

Er streicht mir durch die Haare und lacht irgendwie unheimlich freundlich, worauf ich einen Schritt wieder zurückweiche.

„Du wirst deine Mutter in Zukunft nicht mehr sehen können. Stattdessen wirst du ab sofort bei mir leben und ich werde für dich sorgen. Wenn du etwas möchtest, wirst du mich immer zuerst ansprechen; sollte ich nicht da sein, dann darfst du deine Mutter fragen. Damit meine ich meine Frau!“

Seine Stimme ist ruhig und er hält meine Arme fest.

„Alles wird gut, wenn du daheim bist und dich eingelebt hast.“

Sofort schüttele ich meinen Kopf. Nein, nie im Leben komme ich mit!

„Ich möchte nicht mit!!!!!“

Wieso versteht er das nicht!

„Ich möchte nicht mit!“, ich weiß nicht wieso, aber ich schreie so laut wie es nur geht.

„Ich will zu meiner Mutter!“

Ich spüre seine Hände, mit denen er nach meinen Armen greift. Er schaut mich ernst an und zieht mich auf seinen Schoß. Ich möchte herunter von ihm, aber er hält mich fest.

Ein Wachmann kommt zu uns. Er spricht mit dem König.

„So jetzt ist es genug! Du beruhigst dich! Du schreist mich nicht an!“, sagt er ernst. Es tut weh, wie er mich festhält. Ich kriege auch kaum Luft, weil ich so weine. Er wirkt so streng! Ich glaube, ich muss ihm wirklich folgen. Auch, wenn ich ihn nicht mag.

Ich stehe jetzt auf dem Boden. Er hält mich fest.

„Und du wirst mich begleiten! Schaue mich an!“ Er sieht mich an und zwingt mich ihn anzusehen. Mir ist schlecht. Am liebsten würde ich wegrennen, aber ich stehe hier wie versteinert.

„Ich will nicht mit!“

Er zieht mich wieder auf seinen Schoß. Was macht er jetzt?

Er hält meinen Mund zu, wodurch ich nur noch panischer werde. Was macht er? Und wieso?

„Schreien bringt überhaupt nichts bei mir! Beruhige dich endlich und sei still!“, befehlt er im strengeren Ton.

Mit großen Augen schaue ich ihn an. Ich möchte mich losreißen, damit er die Hand wegnimmt, doch ich schaffe es nicht. Ich merke wie meine Hände beginnen zu zittern. Er greift mit seiner anderen Hand nach einer meiner Hände

„Na, hier haben wir ja jetzt endlich das brave Mädchen.“, lobt er mich und küsst mir kurz auf die Stirn. Erschöpft lehne ich mich an ihn ein wenig wieder an. Es ist so still hier. Mutter?

„Deine Mutter wurde gerade abgeführt.“

Ich breche in Tränen aus. Unter mir bricht der Boden weg und ich fühle mich hilflos.

Hände halten mich fest. Ich schüttele meinen Kopf, aber das ignoriert er.

„Gleich fahren wir los und dann kommst du hier weg.“ Mit verweinten Augen sehe ich auf und

ihn an.

                

Ich höre Schritte. Mir werden eine Jacke und Strümpfe angezogen. Und dann auch Schuhe

„Wir fahren gleich los.“

Jemand legt eine Hand auf meine Schulter. Ich schaue auf. Es ist immer noch der König.

Verängstigt und mit verweinten Augen schaue ich ihn jetzt an. Ich bin müde.

„Ganz bestimmt wird es dir bei mir gefallen. Die Fahrt wird mehrere Tage dauern. Doch wir werden immer wieder Pausen machen und dann kommst du ein wenig an die frische Luft. Das wird dir nur guttun und du wirst schnell wieder fit.“

Mein Körper zittert und ich weine aufgeregt. Es fühlt sich schrecklich an, nicht mehr bei ihr zu sein.

„Mutter!“, schreie ich ganz laut mit aller Kraft, die ich noch habe, bevor ich ganz kraftlos bin. Ich möchte weiter schreien, doch der König gibt mir einen Krug, aus dem ich wieder trinken soll.

„Hier, trinke erst einmal wieder ein wenig Wasser.“

Ich möchte nichts trinken! Er zwingt mich, da er mir den Krug einfach vor meinen Mund hält und mir deutlich macht jetzt zu trinken.

Beinahe verschlucke ich mich.

Ich will weg von hier, von ihm und von allem hier, möchte zu meiner Mutter und deshalb versuche ich mich mit aller Kraft aus seinen Armen zu befreien, doch er hält mich fest.

„Bei mir wirst du es um einiges besser haben und das wirst du auch sehr bald feststellen.“

„MUTTER!!!“

Keine Antwort.

„Mutter!!!“

Ich warte. Wieder keine Antwort.

„Deine Mutter ist jetzt weg. Meine Frau wartet auf dich im Schloss.“

Was passiert mit meiner Mutter?

„Deine Mutter ist weg.“

„Wenn du zurück im Palast bist, bekommst du erst einmal neue Kleider. Dieses hier reicht erstmal für die Fahrt!“, sagt er noch zu mir, doch ich reagiere nicht darauf da ich zu Mutter will.

„Du verdienst eine angemessenere Kleidung! So was kannst du doch nicht tragen! Zudem wirst du eine hochwertigere Erziehung und Bildung erhalten. Wir werden es schon schaffen dich zu einer jungen Dame zu erziehen.“

Ich wende meinen Blick wieder zu ihm, obwohl ich das nicht will. Er legt seine Hand auch auf meine Schulter. Ich verstehe nicht, was er meint.

„Ich gehe davon aus, dass die Leute uns sehr herzlich auf den Straßen empfangen werden. Schließlich wird es ihnen jetzt um einiges besser gehen.“, er lächelt mich an und lacht laut.

Ich gähne.

„Na, da ist ja jemand müde.“, höre ich ihn sagen.

„Du darfst ruhig schlafen.“, meint er. Er hält meine Hand. Ich traue ihm nicht.

 

„Du darfst ruhig schlafen.“

Ich schüttele meinen Kopf. Nie im Leben schlafe ich jetzt ein!

Ich soll wieder trinken und ich werde erst jetzt müde.

Schließlich schließe ich doch meine Augen. Ich bin einfach müde. Eigentlich möchte ich nicht einschlafen, doch ich tue es doch.

 

Wir haben es endlich vollbracht. Erleichtert sehe ich sie an. Zufrieden schläft sie jetzt auf ihrem Stuhl. Sie ist ganz schön geschafft. Aber das ist auch verständlich und naja, ich habe ein wenig nachgeholfen. Aber es wird ihr nur helfen. Ich musste sie irgendwie ruhigstellen. Sie hat viel geschrien und sich gewehrt. Über ihr liegt eine Decke.

Die Fahrt wird anstrengend für sie, aber da muss sie jetzt durch.

Draußen knallt es. Meine Tochter wird unruhig. Ich lasse ihre Hand nicht los. Solange sie schläft, ist alles gut.

Ein paar Freudentränen schaffen es hervor. Schnell wische ich sie weg.

Vorsichtig gebe ich meiner Tochter einen Kuss auf ihre Stirn. Sie schläft friedlich. Endlich gehört sie mir.

Thomas betritt das Zelt jetzt und tritt zu mir. Ich schaue zu ihm.

„Die Gräfin wurde soeben weggefahren.“

Ich nicke erleichtert.

„Sehr gut. Als nächstes durchsucht ihr das Zelt. Alles was kostbar ist, wird eingepackt.“

Er nickt und lächelt mich an.

Elizabeth, die ich bald zu Victoria umbenennen werde, schläft friedlich. Ihr Leben wird sich von nun an ändern. Aber alles wird sich zum Guten wenden. Das ist sicher!

 

 

Kapitel 5

 

Meine Augen sind schwer und ich bin müde.

Im Hintergrund höre ich wieder einen Knall. Ich weiß es nicht, möchte meine Augen öffnen, aber ich schaffe es nicht.

Dieser Lärm soll endlich aufhören!

 

Wer spricht hier? Ich höre jemanden leise sprechen: „So, jetzt haben wir es vollbracht. Es hat sehr lange gedauert. Eigentlich schon zu lange. Die Heimfahrt wird anstrengend, aber da muss sie jetzt durch. Das hat sie ihrer Mutter zu verdanken.“ Ich schließe meine Augen wieder. Aber ich kann nicht vergessen, was für einen großen Fehler ich gerade begangen habe. Wieso habe ich nur geschlafen!

 

Ich möchte zu meiner Mutter zurück!

„Werft die nächsten Tage bitte verstärkt ein Auge auf sie. Die werden wahrscheinlich hart und schwierig für sie sein. Ich kann nicht einschätzen, wie sie mit dieser Situation umgehen wird. Aber danach wird es ihr hoffentlich besser gehen.“

Was hat er jetzt vor?

„Richten Sie meiner Frau aus, sie soll sie an alles Unbekannte vorsichtig und geduldig heranführen, um so mögliche Ängste abzubauen. Ganz gewiss, wird es für sie erst einmal eine Umstellung sein. Ihr Kindermädchen soll sie auch bitte nicht gleich überfordern, sondern ihr Geborgenheit und Schutz geben, damit sie ihr Selbstbewusstsein wiederaufbauen kann. Nur wenn sie sich wohlfühlt, wird sie sich einleben können. Ich bin mir sicher, sie befindet sich gerade in einem Schockzustand. Aber auch diesen wird sie überwinden. Ich bin so froh, dass sie gerade so friedlich schläft.“, setzt er fort.

Ich mache auf mich aufmerksam. Wieder versuche ich von diesem Stuhl weg zu kommen. Meine Mutter ist weg!

„Oh, du bist ja wach! Wurdest du aufgeweckt? Wir fahren gleich nach Hause.“, sagt er zu mir. Nein! Mein Herz schlägt schnell. Er hält meine Hände. Ich will weg!

Was haben sie mit meiner Mutter getan? 

„Mutter ist weg! Wo ist Mutter?“, rutscht es aus mir fassungslos heraus.

Meine Mutter ist weg! Ich bin mit dieser Person nun allein. Ich habe Angst und möchte von ihm weg. Doch er hält mich fest.

„Du beruhigst dich ein wenig, bitte! Wir wollen die anderen nicht aufwecken. Deine Mutter residiert im Palast und freut sich bereits auf dich.“

Ich will aber zu meiner Mutter! Nie im Leben werde ich ihm folgen!

Es ist so still hier. Ich weine einfach nur, meinen Teddy halte ich in der Hand.

„Ich will zu meinen Eltern!“

„Wir machen uns am besten gleich auf den Weg zurück.“

Eingeschüchtert sehe ich mich um.

Zwei Männer tragen gerade irgendwelche Kisten heraus. Wieso?

„Mutter! Vater!“

Er hält mich wieder ganz fest und küsst mir auf die Stirn. Seine ganzen Orden drücken an meinen Oberkörper.

Er lacht nur.

„Du kommst mit mir jetzt mit. Wir haben schon zu viel Zeit vertrödelt.“

Mutter, wo bist du?

„Wir werden eine lange Fahrt vor uns haben, aber in der Zeit kannst du dich erholen.“

Ich zucke zusammen. Mutter!

Wo sind meine Eltern? Weinend wende ich mich von ihm weg.

„Elizabeth, du wirst bei mir im Schloss aufwachsen und leben. Du wirst so viel lernen, du wirst Unterricht bekommen und endlich, endlich wächst du in dem richtigen Umfeld auf. Viele Kinder in deinem Alter wären froh darüber.“

Seine Stimme wird ernster.

„Ich will aber bei meinen Eltern bleiben!“, schreie ich ihn an, denn ich bin sauer und traurig.

„Höre auf mit dem Schreien! Deine Eltern sind weit weg. Sie werden uns nicht mehr finden.“ Er sieht mich an.

„Sie wird sich schon noch beruhigen, Sir. Bei den anderen war es auch so. Spätestens als ihnen ihre neue Situation deutlich gemacht wurde und sie das wussten, waren sie folgsam.“, meldet sich ein Wachmann.

Der König nickt und sagt zu dem Wachmann, dass er das auch wüsste.

„Willst du noch etwas mitnehmen?“, fragt er mich schließlich wieder in einem ruhigen Ton. Ich sehe ihn an.

„Nur meinen Teddy, bitte.“, sage ich leise und verängstigt. Ein Wachmann nimmt meinen Teddy in die Hand. Ich möchte nach ihm greifen, aber ehe ich das kann, ist er schon wieder verschwunden.

„Gut. So jetzt müssen wir aber los. Wir wollen die wenigen, die noch schlafen, ja nicht stören. Sie werden noch früher   oder später von ihrem großen Glück erfahren. Wir, auf der anderen Seite, machen uns jetzt auf den Rückweg.“

Er sieht mich an, greift nach meiner Hand und zieht mich von dem Stuhl.

„Machen wir uns auf dem Weg. Du bleibst bitte bei mir.“

 

Ich musste härter sein als geplant. Schließlich bin ich ihr Vater und sie hat mir zu folgen. Für mich ist das jetzt der einzige funktionierende Weg. Ihr muss deutlich gemacht werden, dass sie mir zu folgen hat und sie nicht mehr zu ihren Eltern zurück kann. Anders geht es nicht. Ihre ganze Aufmerksamkeit muss auf mich gerichtet sein. Ich muss es schaffen ihre Mutter vorerst aus ihrem Kopf zu verbannen!

Jetzt werden wir mit der Kutsche ins Lager fahren und nachdem dies geschafft ist, dann ist das Schlimmste überstanden. Ich möchte sie danach so schnell wie möglich in den Palast zu Elisabeth bringen.

Meine Tochter ist jetzt sehr still. Ich traue ihrem Schein noch nicht. Bestimmt wird sie immer wieder versuchen abzuhauen. Doch darauf bin ich vorbereitet.

Ich halte ihre Hand ganz fest. Meine andere Hand liegt auf ihrer Schulter. So kann sie mir nicht weglaufen.

„Gut, dann machen wir uns jetzt auf den Weg!“ Ich nicke den Wachmännern zu.

Eine Last fällt von mir ab als wir dieses Zelt hier verlassen. Endlich wird Ruhe einkehren. Natürlich nicht sofort aber bald. Aber jetzt habe ich meine Tochter und das ist das Wichtigste. Verängstigt hält sie sich an mir fest. Sie zittert. Ich bringe sie jetzt in Sicherheit.

 

Er verlässt schnell das Zelt. Mit der einen Hand hält er mich und die andere liegt auf meiner Schulter. Er hält mich fest. Ich komme nicht von ihm weg.

Ich möchte so sehr zu Mutter und nicht mit ihm mit!

Aber ich bin so müde vom Weinen und Schreien.

„Mutter.“, murmele ich vor mich hin. Ich will zu ihr! Wo ist sie?

„Es wird alles gut.“, meint er und streicht meine Haare aus meinem Gesicht.

Nein, ich möchte nicht mit ihm mit!

„Ich will zu meiner Mutter!“, schreie ich und möchte mich wieder befreien.

„Du bist jetzt still!“, flüstert er in mein Ohr. Nein! Ich mache das nicht! Mehr als nur den Kopf schütteln, schaffe ich nicht.

Draußen ist es kalt und dunkel, trotz Jacke. Er drückt mich fest an sich heran, hält schützend mit seiner anderen Hand meinen Kopf, weshalb ich einfach nur auf dem Boden schaue.

Kurz sehe ich auf. Doch der Anblick schockiert mich. Ich sehe viele kaputte Zelt. Es wurden Fackeln aufgestellt, die uns den Weg leiten. Die Zelte müssen angezündet worden sein. Wieso hat er das gemacht?

Ein paar Wachmänner sind dabei Menschen zu fesseln oder führen sie ab und viele Tote liegen auf dem Boden. Ich halte das nicht aus! Wäre ich doch nur bei meiner Mutter. Schnell kneife ich meine Augen zusammen.

Ich fühle mich miserabel bei diesem Anblick!

„Diese Menschen haben es verdient abgeführt zu werden.“, sagt er zu mir. Seine Stimme klingt schon fast glücklich oder stolz. Nein, es klingt abgehoben und arrogant.

Ich sehe ihn an und wische meine Tränen von meiner Backe.

„Majestätsbeleidigung und Verrat. Das Übliche.“

 

Der König bleibt plötzlich stehen. Vor uns steht eine Kutsche.

Ich habe nicht viel Zeit sie anzusehen, da zwei Wachmänner die Kutschentüren bereits öffnen.

Ich steige da nicht ein! Nein!

Einer der Wachmänner steigt in die Kutsche.

„Komm, wir steigen ein.“

Meinen Kopf schüttelnd, drehe ich mich weg und möchte weglaufen.

„Na, na!“, tadelt er mich.

„Wir machen jetzt hier auch kein Drama daraus. Du steigst ein!“

Und dann muss ich in die Kutsche einsteigen. Er hebt mich nach oben. Ich schreie und möchte mich aus seinen Armen befreien. Ich steige nicht ein!

„Du steigst jetzt ein!“

Aber ich merke schnell, dass ich keine Wahl habe. Ehe ich mich erfolgreich wehren kann, spüre ich schon widerwillig Boden unter meinen Füßen. Die Hände des Königs halten mich fest.

„Du bleibst hier stehen.“

Nein! Das mache ich nicht! Ohne zu Überlegen versuche ich aus der Kutsche wieder herauszuspringen, doch ich stoße sofort mit dem König zusammen, der dabei ist, selbst einzusteigen und falle deshalb beinahe. Jemand anderes hält mich auch fest. Mit Entsetzen stelle ich fest, dass es der Wachmann ist, der mich festhält. Er ist bereits in der Kutsche.

„Ich will raus!“, schreie ich. Wieder versuche ich an ihm vorbeizukommen. Leider hält er mich jetzt nur noch fester.

„Na, na nicht so schnell. Wir sind noch nicht da.“, lacht der König. Eine Decke legt er schnell unter die Sitzbank.

„Ich will zu meiner Mutter!“

Er sieht mich an.

Ich sehe weg.

„Du siehst mich jetzt an!“, sagt er und dreht meinen Kopf zu sich.

„Und du bist jetzt still! Ich möchte das Wort Mutter nicht mehr hören!“

„Ich will aber…“

„Nein! Du willst nichts, außer still und brav zu sein! Du lebst jetzt bei mir und wir fahren jetzt mit der Kutsche zurück in mein Lager.“

Sein Ton sagt mir, dass ich ihm folgen sollte, aber ich will nicht! Ich kann nicht! Mutter!

Starr stehe ich vor ihm. Alles zieht sich in mir zusammen. Ich will nicht mit!

Hände berühren die Jacke, die ich anziehen muss. Er zieht ihn mir wieder an.

„Du setzt dich jetzt. Wir fahren gleich los.“ Er greift nach meiner Hand, hilft mir auf die Bank und setzt sich neben mich.

Der Wachmann gibt mir meinen Teddy, nach dem ich zögernd mit meiner freien Hand greife.

„Du bleibst hier sitzen und bist still.“

Ich traue mich nicht ihn anzusehen.

Die Kutschentür wird geschlossen und die Kutsche fährt sofort los. Sie ist mir unheimlich, denn sie wackelt ganz schön beim Fahren und am liebsten würde ich sofort wieder rausspringen.

 

„Jetzt geht es nach Hause.“

Ich höre, wie der König durchatmet. Mit Entsetzen sehe ich draußen unser zerstörtes Lager. Wieso haben sie das gemacht?

Ich will nicht mit ihm mit! Er zieht seine Handschuhe aus, die er ordentlich neben sich legt. Sein Schwert hat er immer noch bei sich. Doch das nimmt er jetzt ab, der Wachmann nimmt es ihm ab und legt es neben sich.

Wäre Mutter nur hier! Hilflos schaue ich wieder aus dem Fenster. Wohin fahren wir jetzt?

Im Hintergrund höre ich den König sprechen. Er unterhält sich mit dem Wachmann. Sie lachen. Dabei ist doch gar nichts in Ordnung! Meine Eltern sind weg, und je weiter weg wir fahren desto schlimmer wird es für mich! Ich will nach Hause! Dieses Gefühl fließt immer heftiger durch meinen Körper. Ich muss nach Hause!

Eine Hand durchfährt plötzlich meine Haare. Ich zucke zusammen.

„Jetzt geht es nach Hause.“

Sofort schüttele ich meinen Kopf und möchte weglaufen.

Der König greift sofort nach meinen Händen und sieht mich an.

„Oh doch! Ich bitte dich jetzt einfach dich ein wenig zu beruhigen und leise zu sein. Auch für mich war es eine anstrengende Nacht. Kriege sind nie einfach. Aber wir haben ihn überstanden. Und jetzt beginnt für dich ein besseres Leben.“

Sein Ton verängstigt mich. Ich möchte ihm widersprechen, aber ich bringe die Worte nicht über meine Lippen.

Für eine kurze Zeit schaue ich einfach nur aus dem Fenster und wünschte woanders zu sein. Vielleicht sehe ich ja meine Eltern! Doch das Einzige, das ich sehe, sind nur Pferde mit Reitern, die uns von außen bestimmt beschützen. Was Mutter und Vater wohl jetzt machen? Geht es ihnen gut? Wo schlafen sie? Vermissen sie mich auch?

Hoffentlich holen sie mich hier bald heraus. Je länger die Kutsche fährt desto einsamer fühle ich mich.

Ich möchte zu ihnen zurück!

 

Endlich geht es zurück in unser Lager.

Neben mir sitzt jemand Unruhiges. Ich versuche sie aber zu ignorieren. So kriegt sie keine Aufmerksamkeit von mir und sie merkt hoffentlich von selbst, dass es besser wäre jetzt ruhig zu sein.

Andauernd ruft sie nach ihren Eltern. Es hat gerade eben wieder begonnen. So langsam bekomme ich schon Kopfschmerzen! Langsam überholt mich der Lärm und die Geschehnisse der letzten Tage ein. Auch ich sehne mich nach Ruhe. Der Krieg hat mir stark zugesetzt.

Ich verstehe ja, dass es für sie jetzt schlimm sein muss mit mir, jemand Fremden, wegzufahren.

Aber ich vermisse auch meine Frau! Elizabeth, meine Frau, habe ich seit Wochen nicht mehr gesehen. Da fällt mir ein: Ich werde die Zeit nutzen und ihr einen Brief schreiben.

Ich lehne mich zurück.

Der Takt der Kutsche beruhigt mich. Neben mir sitzt meine Tochter. Ich hoffe, sie wird bald ruhiger! Auf Dauer wird es nämlich anstrengend. Es gibt nicht nur ihre Mutter auf der Welt! Sie kann froh sein jetzt bei mir aufzuwachsen. Ihre Mutter hat so viele Fehler gemacht.

 

Ich halte es nicht mehr hier aus. Sonst komme ich nie mehr zurück!

„Mutter!“, rufe ich wieder. Ich kniee mich auf der Bank und schaue aus dem Fenster. Wo bist du, Mutter? Ich muss hier raus!

Der König unterhält sich immer noch mit dem Wachmann. Er tut so als wäre alles normal! Ich merke, dass er mich ignoriert.

Er hat mich von meinen Eltern weggenommen. Wie konnte er uns das antun? Ich möchte nicht bei ihm leben. Ich will zurück zu meinen Eltern! Und deshalb mache ich jetzt was total Sinnloses. Ich springe von der Bank runter und laufe panisch zu der Kutschentür.

Doch was passiert jetzt?

Zwei Hände ziehen mich wieder zur Bank zurück und so sitze ich wieder.

„Du bleibst hier!“

„Ssscccchhhhh. Es wird jetzt alles besser.“

Ich möchte mich aus seinen starken Armen befreien. Aber ich kann nicht. Ich hoffe meine Eltern können mich zurückholen.

Ganz fest drücke ich meinen Teddy an mich und schreie jetzt. Ich spüre eine Hand und ehe ich schauen kann, dreht er mich zu sich, mit festem Griff und sichtlich genervt, setzt er mich auf seinen Schoß und hält meinen Mund zu.

Er tut mir weh! Weinend sitze ich hier.

Ich möchte ihn nicht ansehen.

„Du wirst deine Eltern nicht mehr sehen! Versteh es doch endlich! Du wirst ab sofort bei mir leben – ob es dir jetzt gefällt oder nicht!“

Ich halte es nicht mehr aus. Ich will zu meinen Eltern zurück. Mein Bauch und Hals drückt. Ich will zurück! Panik überkommt mich und ich kann sie nicht kontrollieren. Meine Brust schmerzt und ich muss husten. Er nimmt die Hand weg.

„Schhhh. Versuche zu atmen. Es wird alles gut.“, höre ich nur. Mein Atem ist schnell, ich kämpfe und versuche wieder normal Luft zu bekommen. Er zwingt mich was zu trinken. Irgendwann werde ich schließlich ruhiger und weine nur noch.

„Ich will zu meinen Eltern.“, sage ich leise.

 

Entschuldigend sagt er: „Ich glaube, dass ist der erste kritische Tag. Sie muss sich erst noch an mich und ihr neues Umfeld gewöhnen. Außerdem versteht sie die Stellung des Vaters noch nicht: Man sollte ihm immer folgen!“

Verständnisvoll nickt der Wachmann. Ich fühle mich alleine.

Er sieht mich an. Tränen kullern über mein Gesicht. Ich möchte weg von ihm!

„Du würdest mir einen großen Gefallen tun, indem du einfach nur still wärst, auch wenn du deine Eltern vermisst. Wenn wir ehrlich sind, haben sie eigentlich kein Mitleid verdient.“

Wieso redet er so böse über meine Eltern? Sie haben doch nichts Böses gemacht!

 

Ich bin still. Ich habe noch nie einen so strengen Menschen erlebt. Mein Vater war nie so! Aber mein Vater war nie König.

Meine Eltern haben mir alles erlaubt. Ich durfte auch im Regen draußen spielen.

Mit meinen Armen möchte ich mich von ihm befreien, doch er hält mich wirklich sehr fest.

Mein Atem ist schnell und ich schaue starr nach vorne. Dort sitzt der Wachmann. Nach einer gefühlten Ewigkeit beginnt er mich lockerer zu halten. Er hält auch die ganze Zeit eine Hand von mir.

„Ich will nach Hause!“

„Wir fahren jetzt nach Hause.“

 

Jetzt ist es still. Hier, in der Kutsche, sowie draußen. Das ist so ungewohnt.

Zitternd falle ich zurück, auch wenn er mich dadurch besser halten kann und ich überhaupt nicht mehr von ihm loskann. Aber komme ich überhaupt je wieder von ihm los?

„Ruhe dich jetzt ein wenig aus, auch wenn es dir schwerfällt.“

Der König sieht mich an. Ich fühle mich gefangen. Ich beuge mich vor, doch er zieht mich gleich zurück und lehne mich an ihn. Schließlich habe ich keine andere Wahl. Die Kutsche wackelt und mit der Zeit werde ich immer müder. Draußen ist es still. Er greift nach meiner Hand, dass ich nicht will, aber weiß, dass das ihm egal ist.

Kurze Zeit später schlafe ich auf seinem Schoß ein, während ich nach draußen sehe.

 

„Wir bringen sie schon wieder auf die richtige Bahn. Darüber mache ich mir keine Gedanken. Was mir allerdings Sorgen bereitet ist ihre Eingewöhnung. Maria hat ihr sichtlich nur Lügen über mich erzählt, wenn sie überhaupt etwas über mich erzählt hat. Wir werden viel Geduld brauchen. Sie kennt nicht die Wahrheit und vertraut uns gar nicht, was total normal natürlich ist.“, das sind die ersten Worte, die ich höre. Vorsichtig schaue ich auf. Es ist der König. Die Kutsche schaukelt. Unsicher sehe ich mich um und sehe mich neben dem König sitzen. Ich wurde mit einer Decke zugedeckt, die ich sofort von mir wegkicke, wodurch sie auf den Boden fällt. Was haben sie mit mir gemacht?

„Elizabeth! Bleibe sitzen!“

Ich bin aufgestanden und von der Bank heruntergesprungen. Hände halte mich aber sofort fest.

„Meine Mutter war immer nett zu mir!“, entgegne ich ihm wütend.

Ohne Worte hält er mich fest und zieht mich auf seinen Schoß. Ich sollte jetzt leise sein. Vor Angst zittere ich.

Meinen Blick kann ich nicht von ihm wenden.

„Du redest nicht so mit mir! Außerdem hast du mich zu siezen!“

Sein Ton bringt mich sofort zum Schweigen, da er mir Angst macht.

„Aber keine Sorge. Ich werde dir schon noch die richtigen Manieren beibringen. Wir werden es schon schaffen dich zu einer jungen Dame zu erziehen.“

Mein Atem wird schneller und ich möchte mich aus seinem Griff befreien.

 

„Mutter war immer nett zu mir.“, sage ich leise. Ich habe keine Kraft mehr mich zu wehren.

„Ich glaube dir das. Du warst auch ihre Tochter. Doch sie hat auch viele Fehler gemacht und dafür erhält sie jetzt ihre Strafe. Zu mir war sie nämlich nicht nett.“

Angespannt sitze ich hier und halte meinen Arm fest.

„Aber immerhin konntest du ein wenig schlafen. Wir haben schon ein gutes Stück geschafft und werden gleich wieder eine kurze Pause machen.“

Mein Herz klopft vor Angst.

„Es ist alles gut.“, meint er im ruhigen Ton und greift nach meiner Hand.

Immer wieder sehe ich aus dem Fenster. Meinen Teddy habe ich an mich gedrückt. Ich will zu meiner Mutter! Aber ich komme hier nicht weg!

Eine Zeit lang schlafen die Männer.

Der König ist sichtlich erleichtert als er aufwacht und mich neben sich sieht.

„Na, kann ich dich doch zum Schweigen bringen? Statt zu schreien und zu weinen, ist es doch viel angenehmer einfach die Landschaft zu genießen. Und im Vergleich zu unseren Gefangenen haben wir hier die Kutsche und werden nicht gezwungen zu laufen.“, als er das sagt, streicht er wieder mit einer seiner Hände durch meine Haare und lächelt mich an. Ich fühle mich eingesperrt und alles zieht sich in mir zusammen.

„Elizabeth, ich möchte dir nichts Böses tun, das musst du wissen. Allerdings ist es aber auch notwendig in deinem Alter gewisse Grenzen zu spüren. Deine Mutter scheint vieles durchgehen zu lassen und das finde ich nicht in Ordnung.“

„Ich glaube es ist Zeit für eine kurze Pause.“

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 08.08.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
beendet am 26.02.2018 Aktuell wird es überarbeitet (23 Kapitel) - befindet sich in der letzten Überarbeitung Letzte Aktualisierung: 09.05. 2022 Das Cover wurde von Sarah Cheyenne Hanstein gestaltet. Vielen Dank nochmal :) Bis ich ein neues Bild erstellt habe, bleibt vorest dieses hier. Das war der alte Arbeitstitel

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