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1.Kapitel

„Amely?“Erschrocken schaue ich auf, meine Finger fallen auf die Tasten und das Klavier gibt einen dumpfen Ton von sich.Mit meinen grünblau-farbigen Augen erkenne ich meinen Vater, der gerade, in seinem hellblauen langärmligen Hemd und seiner Anzugshose, auf mich zu kommt. Im Gegensatz zu seinem restlich perfekten Erscheinungsbild, ist seine Krawatte heute ausnahmsweise ein wenig geöffnet. „Entschuldige, dass ich dich beim Üben störe, doch ich wollte etwas mit dir besprechen.“ Auf seinem Gesicht bildet sich ein freundliches Grinsen, das mir zeigt, dass heute ein guter Tag für ihn ist und den möchte ich ihm heute nicht verderben. Die letzten Tage waren für ihn anstrengend, da er zurzeit täglich zahlreiche Besprechungen und Sitzungen hat. Deshalb gebe ich ihm mit einem freundlichen Nicken zu erkennen, dass ich einverstanden bin.Von einem unserer Tische im Salon holt sich mein Vater einen Stuhl und stellt ihn neben mich.

Ich bleibe auf dem mit Samt bezogenen Klavierhocker sitzen.Entspannt legt mein Vater sein eines Bein über das andere und beginnt: „ Amely, in einigen Tagen wirst du siebzehn Jahre alt und in diesem Alter wirst du intensiver von solerarischen Volk beobachtet. Dadurch steigt die Erwartung, dass du, da du eine Prinzessin bist, dich öfters in der Öffentlichkeit zeigen solltest.“

Er macht eine Pause und in mir zieht mein Bauch zusammen, meine Atmung wird schneller. Am liebsten würde ich jetzt gerne aufstehen, doch mein Vater war schneller und greift nach meinen Händen. Mit festem Druck hält er diese jetzt fest.

Sein Blick wird auf einmal ernst, er bleibt jedoch noch freundlich. Ich weiß ganz genau, welche Worte er als nächstes wählen wird. Jetzt komme nicht entweichen.

„Amely, wir wissen über deine Angst Bescheid und deshalb fänden wir, deine Mutter und ich, es besser, wenn du uns öfters begleiten würdest.“, seine Tonlage ist ernst.

Mein Vater lässt meine Hände mit einer Hand los und legt diese auf meinen Oberschenkel. Ich weiß ganz genau, was er damit sagen möchte.

Es heißt so viel wie: Amely, auch wenn du Angst hast, doch du musst wissen, in deiner Rolle ist dies deine wichtigste Pflicht. Erst jetzt analysiere ich seine Worte und begreife was er mir eben gesagt hat. Ich merke wieder intensiv, wie mein Herz schneller schlägt und wie ich an meinen Händen schwitze.Zuvor habe ich versucht seinen Blick zu entkommen, doch jetzt habe ich keine Chance mehr.

„Amely, schaue mich bitte an, wenn ich mit dir rede! Und schaue bitte freundlich, ich beiße dich doch nicht!“

Nein, Vater, gewiss würdest du mich nicht beißen, doch du zwingst mich zu etwas, dem ich mich gegenüber unsicher fühle. Mit der einen Hand hält er immer noch meine Hand fest, mit der anderen greift er jetzt nach meinem Kinn und dreht meinen Kopf so, dass ich keine Chance habe seinem Blick zu entweichen.

Sein Blick ist ernst, mit ein wenig Freundlichkeit.Würde unser Arzt meinen Blutdruck messen, wäre dieser bestimmt hoch. Zaghaft schaffe ich es nun ein Lächeln auf mein Gesicht zu formen.

„Na geht doch, Amely!“ Lobend legt er seine freie Hand auf meine Schulter. Ich fühle mich erniedrigend. Er macht das ganz bewusst, das weiß ich, da er weiß, dass er mich dadurch ganz bewusst beruhigen kann. Damit hat er Recht. Unbewusst entspannt sich mein Körper ein wenig.

Gewissenhaft atme ich jetzt einmal aus.

„Wir denken, du bist jetzt soweit. Ich habe auch mit deinem Alter angefangen, intensiv mich auf meine zukünftige Rolle vorzubereiten und das wirst du jetzt auch! Man hat mir allzu oft in den Sitzungen vorgeworfen, dass wir dich nicht gut genug vorbereiten würden. Wie ich das an deiner Angst erkenne, haben die Mitglieder des Parlaments absolut Recht.“

Sein Blick ist immer noch ernst, das mich ein wenig verunsichert.

„Und das bedeutet?“, ich versuche mich zusammenzureißen und ihm meine Angst nicht anmerken zu lassen. Es scheint als ob es funktioniert hätte, denn er lächelt mich zufrieden an.

„Nun, du wirst vermehrt Zeit mit deinem Bruder verbringen. Deine Mutter und ich werden intensiv auf deine Tischmanieren und Verhaltensweise achten. Nebenher werden dein Bruder und ich mit dir täglich Ausritte machen.“Eigentlich gar nicht so schlimm, denke ich mir und bin zufrieden.

„Dazu kommt noch, dass du zweimal die Woche von deiner Mutter Klavierunterricht bekommst.“, mein Vater macht eine kurze Pause um mir Zeit zu geben, das Gesagte aufzunehmen.Jetzt lässt er meine Hände los und ich fühle mich ein wenig freier.

„So und zu guter Letzt, wirst du mit uns zwei Mal im Monat Termine wahrnehmen.“

Eindringlich schaut er mich an, so als ob er danach verlangt, zu wissen, was ich gerade denke.

Ein wenig beängstigt mich die Tatsache, dass ich nun viel Zeit mit meinem Bruder verbringen werde. Früher verbrachten wir kaum Zeit miteinander und das machte mich ziemlich traurig, da wir uns immer gut verstanden haben. Der Hauptgrund war, da er Kronprinz ist und eine andere Erziehung benötigt hatte. Ein weiterer Grund war auch unser Altersunterschied, wir sind 2 Jahre auseinander. Jetzt sehe ich es fast schon als Ehre, dass wir viel Zeit miteinander verbringen werden.

„Unsere Konversation war doch gar nicht allzu furchtbar, oder was meinst du, Amely?“

„Nein, Vater. Das Gespräch war ganz ertragbar.“

Darauf muss mein Vater nur lachen und antwortet: „ Das denke ich auch. Wir machen aus dir schon noch die perfekte Prinzessin.“

Er schaut mich zufrieden an und klopft mir auf die Schulter. Freundlich und ein wenig schüchtern lächele ich ihn an. Innerlich, fürchte ich mich jetzt schon ein wenig vor der Zukunft. Doch ich nehme die Herausforderung an, weil ich meinen Vater stolz auf mich machen möchte. Ich möchte ihn und meine Mutter nicht enttäuschen. Schließlich sind sie nicht nur meine Eltern, sondern auch König und Königin von Solera, einem kleinem Zwergenstaat. Die Hauptstadt heißt Lilius, in der meine Familie und ich leben. Wie jede andere Königsfamilie leben wir auch in einem riesigen Schloss, das einfach wunderschön ist. Es wurde im Barock gehalten und besitzt 3 Stockwerke. Im 3. Stock befinden sich unsere Gemächer und Arbeitszimmer. Im 2. Stock befinden sich unsere Gästezimmer und im ersten Stock hat unser Personal ihre Räume.

„Ich muss jetzt wieder zurück zur Arbeit. Deine Mutter würde sich bestimmt sehr freuen, wenn du noch ein wenig Klavier spielen würdest.“ Er legt seine andere Hand auf meine Schulter und schaut mich an. Sein Blick betont es noch einmal, dass es ihm besonders wichtig wäre, wenn ich seinem Vorschlag annehmen würde. Deshalb nicke ich ihm folgsam zu.

„Gut. Dann übe mal brav.“, er wendet sich von mir ab und geht auf die Tür zu.

Kurz bevor er die Tür erreicht hat, dreht er sich noch einmal um und sagt: „Amely, ich wollte dir noch etwas sagen. Ab deinem sechszehnten Geburtstag wird das Kindermädchen nicht mehr für dich zuständig sein. Stattdessen wird ein Gouverneur deinen Bruder und dich betreuen.“

Mein Vater dreht sich daraufhin wieder zur Tür und ihm wird die Tür geöffnet.Vor jedem unserer Türen stehen zwei Leibwächter und diese hören jeden Schritt, der sich in Richtung Türe bewegt, so dass sie immer im richtigen Moment die Tür öffnen.

Nun, da mein Vater jetzt weg war, konnte ich mich wieder dem Klavierspiel zuwenden. Das Klavierspiel ist eines meiner zahlreichen Leidenschaften. Ich finde es toll wie man mit diesem Instrument wunderschöne Musikstücke produzieren kann.Ich betrachte mein Notenblatt, setze meine Hände auf die Tasten und dann spiele ich weiter. Die Melodie, die jetzt ertönt, durchflutet meinen Körper und das tut unheimlich gut. Ich schließe meine Augen, achte einfach nur auf die Melodie und vergesse alles um mich herum.

In diesem Moment ist es mir egal, ob ich eine Prinzessin bin und mich im Salon gerade aufhalte. Ich bin einfach Ich selbst. Nachdem ich noch ein paar Lieder gespielt habe, beende ich meine Übungsphase und verlasse den Salon.

Mit einem Lächeln auf meinen Lippen, bewege ich mich durch den Gang über den roten Teppich. An den Wänden hängen Bilder von anderen Schlössern, die sich in Solera befinden oder befanden, da sie durch den Krieg zerstört worden sind.

Als ich schließlich im hinteren Teil des Schlosses mich befinde und durch die großen Fenster unseren Garten betrachten kann, bleibe ich stehen. Ich finde es jedes Mal atemberaubend ihn zu sehen. Unser Garten ist riesig. In der Mitte befindet sich ein großes Rechteck, dass mit zahlreichen Blumen bepflanzt wurde, sowie zwei Brunnen und sonstigen Sträuchern, die liebevoll zu wahren Kunstwerken geschaffen wurden. Jeden Tag pflegt unser Gartenpersonal den Garten. Mein Wunsch wäre es einmal, im Garten einen Baum zu pflanzen, doch leider gehört sich das nicht für eine Prinzessin.

Ich würde so gerne etwas über das Leben des Volkes erfahren. Wie leben sie? Welcher Arbeit gehen sie nach? Wie sieht ihr Alltag aus? Wie sieht ihre Unterkunft aus? Ich habe zwar eine Freundin, die Sonja heißt. Allerdings verbieten Sonjas Eltern ihr sich mit mir zu treffen, da sie befürchten, Paparazzi würden auftauchen und dann würde sie in irgendwelchen Klatschmagazinen auftauchen. Weitere Freunde besitze ich nicht, da ich selten in Kontakt mit Gleichaltrigen komme.

Meine Cousinen könnte ich als Freunde bezeichnen, doch am Ende sind es doch nur meine Cousinen. Das einzige Mädchen, das in meiner Nähe ist, ist meine kleine Schwester Beatrice. Doch sie ist zu jung um diese Dinge in meinem Leben zu begreifen und zu verstehen. Außerdem ist sie erst sechs Jahre alt und spielt lieber mit ihren Puppen. Mit meinem Bruder wäre es möglich über ernsthafte Themen zu sprechen, doch aufgrund seiner Stellung muss er oft meine Eltern zu Besprechungen begleiten. Es erschreckt mich ein wenig, dass ich jeden Tag behütet hinter den Palastmauern lebe und doch kaum über das Leben unserer Bevölkerung weiß.Vorsichtig und langsam lege ich meine Arme auf das Fensterbrett, betrachte weiterhin unseren Garten mit seiner ausladenden Schönheit, die mir ein Lächeln auf mein Gesicht.

Lange kann ich nicht diesen Ausblick genießen, da ich von Weitem her schon jemanden gehen höre.

Um zu prüfen, welcher Person die Schritte gehören, drehe ich mich um und erkenne mein Kindermädchen.

Freundlich lächle ich sie an. Ich freue mich, sie heute zu sehen. Das ist allerdings nicht immer so, da sie sehr distanziert und streng ist.

„Guten Tag, Silvia! Haben Sie mich gesucht?“, begrüße ich sie als sie kurz vor mir steht.

„Ebenfalls guten Tag, Amely!“ Auf ihrem Gesicht bildet sich ein freundliches Lächeln.

Sie setzt fort: „Ja, ich habe dich gesucht. Dein Vater hat mir mitgeteilt, dass du im Salon wärst. Doch da warst du nicht auffindbar und da hier dein Lieblingsplatz ist, dachte ich du wärst hier.“

Freundlich lacht sie als sie dies sagt.Ihr Lachen steckt mich an und ich muss sie einfach nur angrinsen. Ich finde es schön, dass wir endlich besser miteinander auskommen. Wenn wir nicht folgen, bringt sie uns sofort zu unseren Eltern, falls diese sich im Schloss aufhalten. Meistens zu meinem Vater. Seine Strafe sieht dann immer so aus, dass wir für eine bestimmte Zeit stumm auf einem Stuhl in seinem Büro neben ihm sitzen müssen. Das kann ich überhaupt nicht ausstehen, da er sich oft nach dem Grund des Verhaltens erkundigt. Dabei achtet er ganz genau auf unsere Tonlage und unser Verhalten, so dass er sofort die Lüge entlarvt und laut wird. Seine strenge Stimme zwingt uns einfach zur Wahrheit. Oft zittere ich dann und spüre eine gewisse Angst in meinem Körper. Früher als kleines Kind hat mich sein Verhalten sehr belastet, da ich ihn nicht enttäuschen möchte. Im Gegensatz zu ihm, ist meine Mutter liebevoller zu uns, auch wenn sie ebenfalls streng ist. Nachdem wir sein Zimmer verlassen dürfen, müssen wir ihm verpflichten, dass wir uns von nun an bessern. Da ich bereits meiner Rolle bewusst bin, möchte er auch immer, dass ich knickse. Mein Kindermädchen stellt sich neben mich.

„Der Ausblick auf dem Garten ist hier wirklich wunderschön.“, gesteht sie. Ich genieße diese freundliche Konversation mit ihr, schaue sie an und lächle sie an. Auch sie schaut auf, lächelt und legt ihre rechte Hand auf meine Schulter.

„Ich finde den Blick hier wirklich entspannend und beruhigend.“ Mit meiner Hand zeige ich auf das Fenster.

„Nun, ich lasse dich hier noch alleine. Ich werde noch nach Beatrice schauen, dann hole ich dich ab für das Mittagessen.“

Einverstanden nicke ich ihr mit einem freundlichen Lächeln zu.

„Machen Sie das. Ich denke ich bleibe hier.“ Nachdem sie außer Reichweite ist, richte ich meinen Blick wieder auf den Garten, indem ich jetzt meine Eltern zu sehen bekomme. Beide sind heute ganz formell gekleidet. Meine Mutter in einem blauen enganliegenden knielangen Kleid und mein Vater in einem seiner typischen Anzüge. Im Gegensatz zu unserem vorherigen Gespräch, trägt er jetzt noch seine Anzugsjacke. Bei meinen Eltern befindet sich einer unserer Gärtner, Herr Fischer. So wie ich ihr Verhalten bewerten kann, sieht es so aus, als ob sie die weitere Planung unseres Gartens klären, wie sie es vor einigen Tagen bei einer gemeinsamen Mahlzeit uns mitgeteilt hatten. Sie möchten im neuen Jahr unseren Garten mit neuen Blumen bepflanzen lassen. Ich werde das wahrscheinlich nicht miterleben, da ich mich wahrscheinlich zu dieser Zeit bereits auf dem Campus meiner Universität befinde. Allerdings habe ich erst einmal morgen meinen letzten Schultag, der besser als Abschlussfeier bezeichnet werden sollte. Ich besuche eine öffentliche Schule, da meine Eltern, trotz meiner Position, eine normale Schulausbildung mir zu kommen lassen möchten. Mir gefällt es dort wirklich gut. Die Lehrer sind dort sehr hilfreich und motiviert. Dort habe ich auch meine Freundin Sonja kennen gelernt. Leider habe ich bereits die Erfahrung machen müssen, dass es auch falsche Freunde gibt, die es nur auf meinen Stand und Reichtum abgesehen hatten. Zu jener Zeit hatten Sonja ich oft Streit, da ich ihr nicht glaubte, wenn sie davon sprach, dies wären falsche Freunde.Den Streitigkeiten wurde ein Ende gesetzt als ich in der Pause an einem Tisch saß und heimlich meine „Freunde“ belauschte. Ich wollte Sonja noch eine letzte Chance geben und da sie selbst sagte, ich solle sie einmal heimlich belauschen, habe ich das ausprobiert. Ich fühlte mich schuldig und bat Sonja noch vor der nächsten Schulstunde um Verzeihung.

„Du hast ja so recht gehabt, Sonja. Es tut mir total leid. Willst du wieder meine Freundin sein.“, habe ich zu ihr gesagt. Mein Herz hat dabei ziemlich heftig geklopft, da ich Angst hatte, sie zu verlieren.„Ich bin so froh, dass du das endlich einsiehst, Amely.“ Sie umarmte mich und dann waren wir von diesem Tag an wieder die besten Freunde. Die Anderen waren von diesem Tag an keine Freunde mehr für mich. Ich rede kein Wort mehr mit ihnen. Auch wenn ich mich auf den morgigen Tag freue, bereitet er mir auch etwas Kummer. Ich sehe zum letzten Mal meine Klassenkameraden und auch Sonja, da sie im Herbst ihr Medizinstudium beginnt.

In Solera ist es normal, dass man in diesem Alter die Schule verlässt, eine Ausbildung beginnt oder ein Studium beginnt. Durch das Fenster schaffe ich es auch, auf unsere Reitanlage zu blicken. Gerade werden unsere Pferde auf die Koppel gelassen, die dort fröhlich und ausgelassen erst einmal ein wenig galoppieren. Kurz darauf werden sie langsam und bleiben stehen.Bei diesem Anblick muss ich nur lächeln. Wieder höre ich jemanden kommen, drehe mich um und sehe mein Kindermädchen.

Ohne sie näher kommen zu lassen, gehe ich auf sie zu und begrüße sie.

„Ist es Zeit für die Mittagsmahlzeit, Silvia?“Sie nickt mir zustimmend zu.

„Genau. Ihre Eltern und ihre Geschwister befinden sich bereits im Speisesaal.“

„Nun, wenn das so ist, dann sollte ich mich besser beeilen. Ich möchte sie nicht warten lassen.“

Zufrieden lächle ich sie an. Auf ihrem Gesicht bildet sich ebenfalls ein Lächeln. Sie strahlt einen gewissen Stolz aus, durch den ihre braunen schulterlangen Haare und grünen Augen noch mehr zur Geltung kommen. Schließlich ist mein Verhalten ihr Verdienst. Schweigend begeben wir uns auf den Rückweg.

„Ich weiß nicht ob es mir erlaubt ist, diese Aussage auszusprechen, doch ich erachte es als merkwürdig, dass wir nur noch wenige Tage zusammen verbringen.“, beende ich die Stille. Sie schaut mich an.

„Du wirst eine junge Frau. Es ist ganz normal, dass nach einer gewissen Zeit die Kindheit aufhört.“

Vermisst sie mich denn nicht? Ihre Worte treffen mich ein wenig hart, ich muss schwer schlucken als sie das sagt.Um ihr meine Betroffenheit über ihre Worte nicht anmerken zu lassen, nicke ich einfach nur und lächle sie an.Schließlich erreichen wir den Speisesaal, betreten ihn und gehe zu meinen Eltern, die bereits am Tisch ihre Plätze angenommen haben. Auch meine Geschwister sind bereits da.

„Amely, du setzt dich heute einmal neben mich.“, mein Vater zeigt auf dem Stuhl zwischen ihm und meinem Bruder. Ein Diener kommt auf mich zu, zieht diesen Stuhl ein wenig vor und ich setzte mich darauf. Im gleichen Moment bringt ein weiterer Diener unsere Mahlzeit, abgedeckt mit silbernen Deckeln. Erst nachdem der Teller sich vor uns befindet, öffnet er die Deckel und ein wunderbarer Duft dringt in unsere Nasen. Es riecht einfach kostbar.

„Ich wünsche Ihnen einen guten Appetit.“ Mit diesen Worten verabschiedet sich der Diener, der uns gerade die Mahlzeit gebracht hatte. Wie an jedem Tag schmeckt das Essen köstlich.

„Amely, du bist ja ganz angespannt. Entspanne dich doch!“, spricht mein Vater zu mir und legt eine Hand auf meinem zu ihm näher liegenden Arm. Ich spüre seine starke, große Hand, die gleichzeitig auch etwas Beruhigendes bewirkt.

„Ich bin eigentlich entspannt. Also zumindest fällt es mir nicht bewusst auf, dass ich angespannt bin.“ Ich lächle ihn an. Das ich gerade gesagt habe, ist die völlige Wahrheit. Ich spüre gerade überhaupt keinen Stress, im Gegenteil, mir geht es seit langem nicht besser.Mein Vater nimmt seine Hand wieder von meinem Arm und widmet sich wieder seinem Essen.

Ich schaue zu meinem Bruder, der mich wie jeden Tag anlächelt. Heute sieht er in seinem Anzug und seinem dunkelroten Hemd, das meiner Meinung nach sehr zu seinem dunkelbrauen Haar passt, sehr erwachsen aus. Ich schenke ihm auch ein Lächeln.

„Und schon nervös wegen morgen, Schwesterherz?“, scherzt mein Bruder.

„Ein wenig schon. Wirst du uns begleiten?“, antworte ich ehrlich und ernst.

„Nein, leider nicht, Amely. Dein Bruder und ich werden hier bleiben.“, meldet sich mein Vater mit einem entschuldigenden Stimme. Ein wenig traurig betrachte ich ihn. Es wäre wirklich schön gewesen, wenn meine ganze Familie mich begleiten würde und deswegen gebe ich nun ein„Schade. Ich hätte mich sehr gefreut.“ von mir. Nachdem wir unsere Mahlzeit verspeist haben, sammelt einer unserer Diener die leeren Teller wieder ein.Daraufhin stehen wir auf und verlassen den Speisesaal.

„Amely, hättest du etwas dagegen mit mir einen Spaziergang durch den Garten zu unternehmen?“, höre ich meinen Bruder hinter mir rufen. Ich drehe mich um und nicke ihm freundlich zu.

„Sehr gerne. Du weißt, dass ich unsere gemeinsame Zeit sehr genieße.“ Bei diesen Worten muss er lachen. Er hält mir seinen Arm hin und ich harke mich bei ihm an. Wir gehen den Gang vor ins Foyer, der sich am Eingang befindet.

„Phillip, was macht ihr?“, meldet sich mein Vater zu Wort, der hinter uns herläuft. Sein Ton ist bestimmt.

Wir bleiben stehen und drehen uns um.

„Wir machen einen Spaziergang durch den Garten.“

„In Ordnung. Aber vergesst nicht unseren Ausritt.“, gibt sich mein Vater einverstanden und nickt dabei.

„Wir vergessen den Ausritt um 15 Uhr nicht, Vater.“, antwortet mein Bruder bestimmt.

Daraufhin geht mein Vater die Treppe hinauf, die sich im Foyer befindet und zu den drei Stockwerken führt.

„Justin, bitte bringen Sie unsere Jacken!“, verlangt mein Bruder nach unseren Jacken. Ich bewundere seine Tonlage. Noch immer traue ich mich nicht mit dem Personal in diesem Ton zu sprechen, da es mir seltsam vorkommt.

„Sehr gerne.“, antwortet Justin, einer unserer Diener, der sich an der Garderobe am Eingang befindet. Wie jeder unserer Diener trägt er einen schwarzen Anzug mit weißen Handschuhen und schwarzen Lackschuhen.Er entschuldigt sich für einen Moment, betritt die Garderobe. Wir müssen nicht lange warten, schon hat er unsere Jacken in der Hand und bringt sie uns. Gekonnt hilft er uns in sie hinein.

„Vielen Dank, Justin. Mein Bruder und Ich werden einen Spaziergang durch den Garten unternehmen.“, melde ich mich jetzt zu Wort. Ich versuche auch bestimmt zu klingen.Ehrfürchtig schaut mich Justin an, überlegt kurz und nickt einverstanden.

„Amely, können wir?“, mein Bruder, der neben mir steht, spricht mich an.

„Ja, Phillip wir können los.“, ich lächle ihn wieder an, harke mich in seinen Arm ein und wir setzen uns in Bewegung. Wir gehen die wenigen Stufen herunter und laufen durch die Eingangstür, die uns Leibwächter aufhalten.Draußen kommt uns eine milde Sommerluft, die für diese Jahreszeit relativ kühl ist, entgegen. Wir befinden uns aber noch nicht sofort auf unserer Gartenanlage.

Zuvor gehen wir die Treppe, die sich von der Eingangstür links und rechts seitlich hinunter verläuft, hinunter.

„Ich war schon lange nicht mehr hier.“, bemerke ich und schaue meinen Bruder an, lächle ihn an.

„Ich habe mich auf der Anlage in letzter Zeit auch nicht mehr so oft aufgehalten da ich Vater oft begleiten musste.“, gibt er von sich während wir den Kiesweg betreten, der zu der Gartenanlage führt. Sein Blick gibt mir zu verstehen, dass diese vielen Pflichten für ihn die letzten Tage anstrengend waren.Als wir uns auf der Gartenanlage befinden, merke ich, wie sich mein Bruder langsam entspannt. Prüfend schaue ich ihn an

.„Passt irgendetwas nicht an meinem heutigen Outfit?“

„Nein, du siehst, wie an jedem Tag, heute wieder perfekt aus. Ich sorge mich nur um dich.“, erkläre ich ihm mit einem besorgten Blick. Vor einem unserer Blumenfelder bleiben wir stehen. Phillip nimmt seinen Arm von meinem, legt eine Hand auf meine Schulter und schaut mir tief in die Augen. Bevor er etwas sagt, zeigt Phillip auf die hölzerne Bank, die sich genau hinter uns befindet und wir setzten uns dort hin. Sofort streiche ich meinen Rock, den ich heute in der Farbe Braun trage, glatt, werde jedoch von meinem Bruder unterbrochen, da er nach meiner Hand greift. Ich schaue ihn an.

„Wenn ich dir ein Geheimnis anvertraue, ist es dann bei dir sicher?“ Seine Tonlage hört sich sehr ernst an und sagt mir, dass er es ernst meint.Ebenfalls mit einem ernsten Gesicht nicke ich.Irgendetwas ist passiert, das spüre ich.Mein Bruder, der sich sonst immer so perfekt verhält, wirkt jetzt wie ein sechszehnjähriger Junge, der gerade von seiner Freundin verlassen worden ist. Zumindest stelle ich mir so die Haltung in dieser Situation vor, denn ich kam bis jetzt noch nie in Kontakt mit gleichaltrigen Jungen, außer meinen Cousins. Er sieht neben zu noch ziemlich verwirrt aus. Auch ich fühle mich ein wenig überfordert, ich habe etwas Bedenken ob ich ihm helfen kann.

„Ich habe vor einigen Tagen einen Artikel gelesen, der über mich war.“, er schaut mich ernst an, drückt meine Hand fest. Bis jetzt waren alle Artikel, die über ihn verfasst wurden, positiv, deswegen denke ich mir, wieso er deswegen traurig sein sollte. Ich würde am liebsten ihm entgegnen doch ich denke das ist nicht das Problem.Verunsichert schaut er auf dem Kies, kaut auf seinen Lippen, schaut mich wieder an.

„Die Artikel sind jetzt nicht unbedingt das Problem, doch in diesen Texten werde ich mit verschiedensten jungen Damen in Verbindung gebracht, die ich heiraten könnte. Jetzt da ich meine Volljährigkeit erreicht habe, spüre ich einen extremen Druck zur Heirat. Ich habe noch nicht einmal eine Freundin an meiner Seite.“, er macht eine Pause.

Ich merke wie er versucht, durchzuatmen.

„Das sind doch wegen des Artikels keine Gedanken. Du heiratest die Frau, die du für passend erachtest.“, sage ich ruhig zu ihm und lächle ein wenig um ihn zu beruhigen.

„Aber Vater hat diesen Artikel auch gelesen und teilt die Meinung mit dem Autor. Er verlangt von mir, dass ich einige von ihnen treffe. Ich bin davon jedenfalls nicht sehr begeistert.“, um seine Ansicht zu betonen, schüttelt er wild den Kopf.Ich lege meine freie Hand auf seine Schulter.

„Ich kann dich verstehen aber du kennst die Einstellung unseres Vaters.“

Unser Vater ist der Ansicht, wir müssten, aufgrund unserer Position, eine Person heiraten, die mit unserem Leben vertraut ist. Das bedeutet, Prinzessinnen oder Prinzen kommen für ihn in Frage. Er würde alternativ auch Töchter und Söhne von Milliardären akzeptieren. Jedoch lehnt er Bürgerliche rigoros ab. Das belastet auch mich ein wenig, da ich die Person heiraten möchte, die ich liebe. Die Abstammung ist mir unwichtig.

„Ich bin allerdings vor einigen Wochen, mittlerweile ist es drei Monate her, mit einer jungen Frau in meinem Alter in Kontakt getreten. Jeden Freitag treffe ich sie in meinem Lieblingsclub.“Er macht eine Pause und schaut mich an, mit strahlenden Augen. Ich sehe ihn an, dass er sie liebt.

„Zunächst war es nur Freundschaft, doch ich merke, es entwickelt sich zu mehr. Ich liebe sie und sie mich.“Ich versuche seine Lage zu verstehen. Er liebt jemanden und womöglich muss er die Beziehung beenden, da der Vater nicht einverstanden ist. Diese Situation muss wirklich sein Herz brechen.

„Weiß sie, dass du der Kronprinz bist?“, frage ich ihn ohne auf den Sinn meiner Frage zu achten.

„Du wirst es nicht glauben, doch sie hat mich an Anfang nicht erkannt. Doch vor zwei Wochen musste ich ihr es sagen. Zunächst war sie sprachlos, danach geehrt, da sie nicht gedacht hat, dass ich an ihr Interesse habe.“

Als ich seine Worte höre, muss ich lachen. Ich würde mich genauso fühlen wie sie. Schließlich ist es wirklich ungewöhnlich, dass sich ein Kronprinz so nah an Bürgerlichen befindet. Denn es wird uns eigentlich verboten.

„Wir telefonieren jeden Abend.“

„Ich kann dir aber unmöglich diese Aussprache für dich abnehmen.“, stelle ich verständnisvoll klar.

„Das verlange ich auch gar nicht, Amely. Ich möchte, dass du sie kennenlernst. Ich liebe sie so sehr! Ich würde sogar…“, jetzt schaut er mich ernst an.

Ich verstehe nicht ganz.

„Du würdest sogar…?“, frage ich ihn. Meine Stimme ist verunsichert. Was meint er? Einen Selbstmord traue ich meinem Bruder nicht zu, denn er ist stark.

„Ich würde sogar auf meinen Titel verzichten.“, spricht er aus.

Mein Mund bleibt offen. Ich glaube mein Herz bleibt kurz stehen und erstarre ein wenig.Ich versuche mich wieder zu fassen.

„Phillip, bitte überlege dir das noch einmal. Du weißt, welche Auswirkungen deine Entscheidung für manche Personen haben könnte.“ Ich schaue ihn ernst in die Augen.Er greift wieder nach meiner Hand.

„Deswegen möchte ich ja, dass du sie kennenlernst. Ich möchte nicht, dass du denkst, ich möchte dir damit schaden.“ Seine Stimme klingt wirklich verzweifelt. In mir staut sich ein wenig Wut auf ihn an, doch ich versuche klar zu urteilen ob es das wirklich wert ist. Er liebt sie anscheinend bedingungslos. Das muss wahre Liebe sein. Außerdem strahlen seine Augen, wenn er über sie spricht. Ich kann ihm seine Entscheidung also gar nicht übel nehmen.

„In Ordnung, ich möchte sie kennenlernen. Du scheinst sie wirklich sehr lieben. Doch bitte verstehe mich auch. Ich habe nicht vor mit jungen sechszehn Jahren Kronprinzessin zu werden.“

Ich versuche meine Stimme zu kontrollieren, denn auch ich klinge jetzt ein wenig verzweifelt, den Tränen nahe. Doch die versuche ich aufzuhalten.Er merkt jedoch meine Aufregung, denn er druckt nochmal meine Hände fest und umarmt mich.

„Danke, dass du ihr eine Chance gibst. Ich muss mir nur noch einen Plan überlegen, wie wir das am besten schaffen.“, er drückt mich ganz fest an sich.

Ich lehne mich an ihm, spüre seinen Anzug und rieche sein Parfüm.

„Und keine Sorge. Wir lassen uns noch ein wenig Zeit, da wir wirklich sicher sein wollen.“Diese Worte erleichtern mich und ich kann durchatmen.

Allerdings müssen wir kurze Zeit später die Umarmung wieder auflösen, denn wir hören jemanden herkommen.

„Guten Tag, Christopher! Ruft mein Vater uns?“, begrüßt Phillip den Mann, der zu unserem Personal gehört. Da er einen einfachen Anzug trägt, gehört er zu den Gouverneuren.Er schaut uns ein wenig verwirrt an.

„Nein, Ihr Vater hat sie noch nicht gerufen, jedoch sollten sie sich langsam zurück ins Schloss begeben um sich für den Ausritt vorzubereiten.“

Gleichzeitig nicken mein Bruder und ich.

„In Ordnung. Wir kommen in wenigen Minuten.“

Daraufhin macht sich Christopher auf den Weg zurück zum Schloss.

Als er außer Hörweite ist, frage ich meinen Bruder: „Ist das dein Gouverneur?“

Mein Bruder nickt und fügt mit einem Lachen hinzu: „Ja, das ist mein Gouverneur. Du wirst ihn ja auch in einigen Tagen kennenlernen. Er ist eigentlich ein ganz Netter. Doch er achtet sehr auf das Förmliche.“

Ich muss grinsen und erinnere mich wieder daran, wie mein Vater mich heute Vormittag darüber in Kenntnis gesetzt hat.

„Aber wie ist es, wenn du einen Termin hast? Ich meine, er wird dich doch dann begleiten, oder?“, frage ich ihm aus Neugier.

„Ja, das stimmt. Ich denke, dann wird ein anderer Gouverneur bei dir sein. Soweit mein Vater es mir erklärt hat, wird ein Gouverneur namens Alexander für ihn dann anwesend sein. Aber wir sollten uns besser jetzt auf den Weg machen.“

Ich teile seine Ansicht und wir machen uns auf dem Weg zurück ins Schloss.

Nachdem wir uns wieder im Schloss befinden, geben wir unsere Jacken ab und wir begeben uns auf unsere Zimmer.

Gemeinsam besteigen wir die vielen Stufen in den 3. Stock, die mittlerweile nicht mehr für mich anstrengend sind.

Oben angekommen, geht mein Bruder an mir vorbei, sofort auf sein Zimmer.

„Schau mal Beatrice, wer dort kommt?“, höre ich Silvia. Es braucht einige Zeit bis ich die beiden erkenne. Wie es aussieht, sieht mich meine kleine Schwester auch nicht sofort, doch dann rennt sie auf mich zu.

Ich gehe in die Hocke und nehme sie in den Arm als sie bei mir ist.

„Musst du dich für den Ausritt vorbereiten?“, fragt Silvia mich.

Ohne sie anzuschauen, nicke ich, denn Beatrice zieht an meinen Haaren um Aufmerksamkeit von mir zu bekommen. Vorsichtig versuche ich mich von ihr zu befreien.

„Beatrice, das gehört sich nicht!“, weißt Silvia meine Schwester zurecht und zieht sie von mir weg. Silvia wirft mir einen entschuldigenden Blick zu, ich lächle sie nur an und mache mich auf den Weg auf mein Zimmer.

Ich nehme gehe genau die entgegengesetzte Richtung von der die beiden kamen, den genau gleichen Weg, den mein Bruder genommen hat. Mein Zimmer befindet sich genau neben ihm. Als ich vor meiner Tür stehe, öffnen mir auch gleich die Leibwächter die Türe. Ich trete ein, sie schließen die Tür, und richte sofort meinen Blick auf mein zartrosafarbiges Himmelsbett mit goldenem Gestell, auf dem bereits meine Reitklamotten bereit liegen.

Ich höre wie sich die Tür hinter mir öffnet.

„Prinzessin Amely, gut, dass du schon da bist.“, an der Stimme erkenne ich, dass es sich um meine Zofe handelt.

Ich drehe mich um.

„Charlotte, wie viel Zeit habe ich denn noch?“

„Du hast noch eine halbe Stunde Zeit. Also keine Hektik. Während du dich umziehst, bringe ich dir deine Reitstiefel und den Reithelm, wenn das für dich in Ordnung ist.“ Wie an jeden Tag schaut sie mich freundlich an. Seitdem ich zehn Jahre alt bin, habe ich sie schon als Zofe.

„Ja, das wäre sehr nett von Ihnen.“, entgegne ich ihr und lächle sie auch an.

Darauf verlässt sie mein Zimmer und ich betrachte meine Reitkleidung. Vor mir liegt eine dunkelblaue Reithose, mit einem kurzärmligen rotfarbigen Polo-Shirt und eine ebenfalls dunkelblaue Reitjacke. Ganz unscheinbar liegen auch noch ein Paar Socken und meine dunkelblauen Reithandschuhe daneben. Ich freue mich auf den Ausritt, denn es gilt als Ehre, wenn ich mit meinem Bruder und meinem Vater ausreiten darf. So ein Ausritt bedeutet auch, dass ich eine junge Frau geworden bin und nicht mehr ein Kind bin.

Deswegen ziehe ich voller Freude und auch mit einem wenig Herzklopfen vor Freude mich um.

Genau im richtigen Moment als ich fertig umgezogen bin, betritt meine Zofe mit den Reitstiefeln und dem Helm, mein Zimmer.

Ich setzte mich auf einen Stuhl und schlüpfe in die Stiefel, schließe sie.

Wartend beobachtet sie mich, das mich überhaupt nicht nervös macht, denn das bin ich gewohnt.

Ich stehe auf, gehe zu meinem großen vergoldenden Spiegel, der sich links an der Wand befindet, schnappe mir einen Haargummi und eine Bürste und binde mein langes braunes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. Normalerweise macht Silvia mir immer mein Haar, auch wenn ich schon fünfzehn bin, doch da sie mit Beatrice gerade beschäftigt ist, binde ich ihn mir schnell selber. Ich prüfe zuletzt noch mein Aussehen im Spiegel, sehe meine schlanke Figur und dann schnappe ich meine Handschuhe und den Reithelm und verlasse mein Zimmer.

„Viel Vergnügen, Prinzessin Amely.“, ruft mir meine Zofe hinterher. Ich drehe mich um, lächle sie dankend an und verlasse im zügigen Tempo mein Zimmer.

Im Gang bleibe ich noch kurz stehen, prüfe ob ich an alles gedacht habe. Ich habe nichts vergessen. Damit ich eine Hand frei habe, ziehe ich mir meine Reithandschuhe an und schließe nehme ich die Treppe nach unten ins Foyer. Vorsichtig steige ich dir Treppe nach unten, damit ich nicht stolpere. Es ist nicht so leicht mit Reitstiefeln Treppen zu steigen. Um einen möglichen Sturz zu verhindern, halte ich mich mit einer Hand an dem hölzernen Treppengeländer fest.

Als ich mich auf den letzten zwanzig Stufen befinde, erblicke ich meinen Vater und meinen Bruder, die sich gerade unterhalten. Mein Bruder, der zur Treppe gerichtet steht, erkennt mich sofort und stupft meinen Vater leicht an, um auf mich aufmerksam zu machen, ohne ihn zu unterbrechen. Allerdings redet mein Vater weiter, dass ich von hinten an seinen Mundbewegungen erkenne.

Mittlerweile spüre ich ein wenig Aufregung, da ich nicht wirklich weiß was mich erwartet.

Nachdem ich die letzte Stufe bewältigt habe, gehe ich auf die beiden zu und die beiden umarmen mich zur Begrüßung, das bei in unserer Familie als formell gilt.

„Bin ich zu spät?“, meine Stimme klingt entschuldigend.

„Nein, Amely, du bist pünktlich gekommen.“, versichert mir mein Vater und betont es mit einem energischen Kopfschütteln. Erleichtert lächle ich die beiden an. Meine Aufregung ist wie aus dem nichts verschwunden. Mein Vater und mein Bruder vergrößern den Abstand zwischen sich und nehmen mich in ihre Mitte.

Auch wenn es mir zuerst unangenehm ist, fühlt es sich auch gut an. Es übermittelt mir irgendwie ein bisschen Geborgenheit und Sicherheit.

Um an unsere Reitanlage zu gelangen, müssen wir zuerst uns in den rechten Flügel des Schlosses begeben. Dazu gehen wir den Gang rechts entlang, der wieder mit dem typischen roten Teppich belegt ist. Hier befinden sich die Arbeitszimmer der Bediensteten. Bedienstete, die an uns vorbei laufen, nicken uns ehrfürchtig und unterlegen zu. Mittlerweile finde ich diese Geste nicht mehr einschüchtern, doch als ich noch klein war, fürchtete ich mich davor.

„Ihre Majestät und Ihre königlichen Hoheiten.“, uns kommt eine unserer Kammerzofen entgegen. Sie bleibt an der Wand stehen, mit geraden Rücken und Blick auf den Boden und während wir an ihr vorbei gehen, knickst sie tief. Wir schenken ihr Aufmerksamkeit mit einem bedankenden Nicken. Und dann sind wir auch schon am Ende des Gangs und einer unserer Leibwächter öffnet uns die Tür. Da wir allerdings nicht nebeneinander durch die Tür passen, lasse ich zuerst meinen Vater und Bruder vor und folge ihnen.

Hinter ihnen gehe ich die die Treppe hinunter, die im Gegensatz zum Haupteingang, der auch zur Gartenanlage führt, gerade und nicht seitlich verläuft.

Um auf die Reitanlage zu gelangen, laufen wir erst einmal einen kurzen Weg entlang, der geteert ist und sich auf dem Schlossgelände befindet.

„Amely.“, fängt mein Vater an, der mich jetzt auch anschaut. Ich laufe neben ihm und meinem Bruder.

Ich schaue ihn fragend und aufmerksam an, da ich gespannt bin auf das, das er mir jetzt in jedem Moment sagt.

„Leider muss ich dir mitteilen, dass du heute nicht auf Betty reiten werden kannst.“

„Lahmt sie immer noch?“, meldet sich mein Bruder jetzt zu Wort. Genau wie ich schaut er auch besorgt.

„Ja, der Tierarzt war heute früh da und hat ihr 4 Monate Schonphase angeordnet. Ich möchte sie nicht einschläfern lassen, deswegen habe gebe ich ihr noch die Chance.“

Nein, ich möchte nicht, dass er sie einschläft. Vor Entsetzten fängt mein Herz wie wild an zu klopften. Vor einem Vierteljahr hatte ich mit meiner Stute, die ein braunes Fell hat, Springunterricht auf unserem Anwesen. Als wir auf ein Stangenhindernis galoppierten, habe ich ihr ausversehen zu verstehen gegeben, dass sie anhalten soll. Dabei wollte ich ihr die Hilfe geben über das Hindernis zu springen. Natürlich waren wir viel zu schnell und wir sind in das Hindernis gestürzt. Außer das mein Fuß gestaucht war, mein Fuß geriet unter Rücken, bin ich zum Glück ohne weitere Probleme weg gekommen. Doch sie sich ein schlimmes Lahmen zugezogen. Wie die Tierärzte mir erklärt haben, gehen sie davon aus, dass sich eine Sehne wahrscheinlich entzündet haben könnte oder sie schlimmstenfalls angerissen ist.

„Bitte schläfer sie nicht ein, Vater! Das würde mir das Herz brechen!“, meine Stimmte klingt verzweifelt und ernst.

Mein Vater greift nach meiner Hand, bleibt stehen und schaut mir tief in die Augen und beginnt: „Amely, deswegen gebe ich ihr ja deswegen die Chance. Ich möchte sie ja auch nicht so einfach verschwinden lassen aber wenn es keine Chance mehr gibt auf Heilung, was soll ich sonst tun? Nach vier Monaten prüfen wir ihren Gesundheitszustand und dann treffen wir eine Entscheidung, in Ordnung?“

Ich gebe mich mit einem Nicken seinem Vorschlag zufrieden, was hätte ich sonst tun sollen?

„Heißt das, dass ich heute auf Flocke reiten werde?“

„Ja, anders ist es nicht möglich. Aber sehe es einfach als Chance sie besser kennen zu lernen.“ Einverstanden nicke ich und lächle ihn hoffnungsvoll an. Er legt seinen Arm tröstend um mich und wir gehen weiter. Bei dem Anblick muss mein Bruder schmunzeln, das sehe ich als ich ihn anschaue. Genau wie ich trägt er eine dunkelblaue Reithose, jedoch ein dunkelblaues Poloshirt mit schwarzer Reitjacke. Mein Vater trägt das genau gleiche und wirkt dadurch für seine fünfundvierzig Jahre jünger.

Nachdem es feststand, dass Betty langfristig sich schonen musste, hat mein Vater sofort nach einem neuen Pferd Ausschau gehalten und hat schließlich Flocke entdeckt. Zuerst war ich nicht so begeistert von ihm, doch mit der Zeit habe ich mich an ihn gewöhnt und ist an mein Herz gewachsen, den eigentlich ist er ein ganz netter Wallach.

Er ist braun, mit einem weißen Fleck am Kopf.

Die Pferde schnaufen vor Freude, wir laufen an den vorderen Koppeln vorbei, deren Zäune weiß angestrichen sind. Pferdegeruch dringt in meine Nase ein, das mich glücklicher stimmt, da ich mich schon immer im Reitstall wohl gefühlt habe.

Schließlich, nachdem wir die Koppel hinter uns gelassen haben, biegen wir den Weg links ab und vor uns befindet sich der Reitstall. Doch den müssen wir gar nicht betreten, denn davor stehen bereits geputzt und gesattelt unsere Pferde, die an einem Holzbalken rechts for dem Reitstall festgebunden sind. Bei ihnen steht bereits einer unser Stallburschen, der noch einmal Prinz, den Hannoveraner meines Bruders, nachgurtet. Ich gehe auf Flocke zu und klopfe sie zur Begrüßung am Hals. Sie beschnuppert mich und wiehert leise.

„Ihre Majestät, ich bin in jedem Moment fertig. Bitte entschuldigen Sie die Verzögerung.“ Der Stallbursche dreht sich um und schaut meinen Vater an.

„Das ist doch kein Problem. Lassen Sie sich genügend Zeit, wir möchten ja nicht während des Ausritts vom Pferd fallen, weil der Sattel nicht fest genug sitzt.“, scherzt mein Vater lachend. Auf dem Gesicht des Stallburschen zeichnet sich ein leichtes Lächeln ab, doch er bleibt ernst.

Auf einmal gehen die Stalltüren auf. Wir erschrecken leicht, bemerken aber, dass es nur unsere zwei Leibwächter sind, die uns, so wie ich mir denke, begleiten werden.

Sie binden auch ihre Pferde fest, jedoch an einem weiteren Holzbalken.

„Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Amely, Sie können als Erste aufsteigen.“, spricht mich der Stallbursche an. Das Personal, mit dem ich nicht so oft in Kontakt komme, muss mich siezen, ohne auf mein Alter zu achten. Da ich daran gewöhnt bin, macht es mir nicht allzu viel aus. Leibwächter, Gouverneure und Gouvernanten wie auch Diener müssen mich bis einen Tag vor meinem sechszehnten Tag duzen, danach werden sie mich siezen.

Ich nicke, schnalle meinen Helm auf meinem Kopf und gehe auf Flocke zu. Der Stallbursche kommt auf mich zu, öffnet die Steigbügel und stellt sie mir auf meine Länge ein. Nachdem er einen Schritt zur Seite gemacht hat, steige ich auf. Zuerst klappt es nicht, doch schließlich schaffe ich es doch mit ein wenig mehr Schwung. Danach dürfen mein Vater und mein Bruder aufsteigen. Währenddessen bindet der Stallbursche Flocke ab und übergibt mir die Zügel. Ein Leibwächter kommt auf mich zu.

„Prinzessin Amely, du kannst schon einmal Flocke dorthin reiten.“, er zeigt auf einen kleineren Weg, der sich direkt neben dem Reitstall befindet und nur ein paar Schritte entfernt ist.

Ich nicke, drücke Flocke mit meinen Schenkeln und richte sie nach rechts und gebe ihr nochmal eine Schenkelhilfe zum Losgehen. An der Einmündung des Weges bleibe ich stehen. Der Leibwächter, der mir gerade eben erklärt hat, dass ich hier stehen bleiben soll, reitet auf mich zu und bleibt neben mir stehen. Ich hoffe, dass sie während es Ausrittes Abstand zu uns halten, denn ich finde es immer noch etwas erdrückend von ihnen ständig überwacht zu werden. Jedoch verstehe ich auch, dass es so sein muss, schließlich geht Sicherheit vor.

Jetzt reiten mein Vater und mein Bruder auf mich zu.

„So jetzt kann der Ausritt beginnen.“ Stolz lächelt mein Vater meinen Bruder und mich an, wir tun es ihm gleich.

Wir reiten den Weg entlang, unter blauen Himmel.

„Aus welchem Anlass reiten wir eigentlich aus?“

Ich frage aus reiner Neugier.

„Ich möchte Zeit mit meinen beiden ältesten Kindern verbringen.“ Mein Vater strahlt eine gewisse Freude aus, die auch mich fröhlich stimmt und mein Herz erwärmt.

„… und ihr kommt aufgrund eures Alters besser mit den Sicherheitsvorschriften um eure Person zurecht. Ihr könnt euch einfach benehmen oder ich hoffe, dass ihr euch dadurch besser benehmt.“ Bei den letzten Worten schaut mein Vater mich ernst an und ich spüre einen Druck in meinem Oberkörper. Es kommt mir vor als ob er enttäuscht von mir ist. Ich schlucke schwer, versuche jedoch zu lächeln.

„Ich wünschte Sonja könnte morgen zum Abendessen zu uns kommen.“, wechsle ich das Thema.

Mein Bruder lächelt mich an und sagt: „Ich fände es auch schön, die kennenzulernen.“

Ich blicke auf meinen Vater. Sein Gesicht zeigt ein wenig Wut und Unverständnis.

„Amely, du weißt, das würde mich für dich sehr freuen, wenn das möglich ist. Leider sehen das ihre Eltern anders. Ich hoffe, du findest irgendwann eine Freundin, die wirklich Freundin sein kann.“

Mein Vater ist seitdem ich sie kenne, der Meinung, dass nicht nur Sonjas Eltern nicht wollen, dass ich sie außerhalb der Schule treffe, sondern auch Sonja selbst. Ich glaube nicht an die Sache, doch beweisen kann nicht, ob mein Vater doch Recht hat.

„Genießen wir doch heute den Tag und reden nicht über Dinge, dir nicht ändern können.“, meldet sich mein Bruder zu Wort. Er schaut mich an, ein bisschen Angst sehe ich in seinen Augen, doch er lächelt.

Ich weiß genau, dass er dieses Thema jetzt abbrechen möchte aus Angst Vater könnte über das Liebesleben meines Bruders sprechen wollen.

„Stimmt. Heute ist so ein schöner Tag.“ Ich schaue zu meinem Vater und meinem Bruder, beide nicken mir mit einem Lächeln zustimmend zu.

„Phillip, wie weit bist du mit deiner Rede? Keine Sorge, du hast noch Zeit, aber ich möchte nur nicht, dass du in Zeitnot gerätst.“ Mein Vater schaut Phillip mit seinem typischen Königsblick an. Dabei schaut er immer ernst mit einem Schimmer Freundlichkeit.

„Vater, ich habe heute Vormittag angefangen und werde voraussichtlich morgen fertig sein. Du brauchst dir keine Sorgen machen, Vater.“

„Das ist schön zu hören, Phillip. Dann wirst du auch an dem Festessen zu Ehren von Amely am Abend teilnehmen können.“ Wieder erkenne ich bei unserem Vater Stolz in seinem Gesicht. Sein zweitältestes Kind hat schließlich den Abschluss geschafft. Obwohl ich immer gute Noten hatte, hat er mir kurz vor den Prüfungen ziemlichen Druck gemacht. Jetzt fühle ich mich geehrt, dass es ein mehrgängiges Menü wegen mir geben wird.

„Dann werde ich wohl morgen nicht in den Club gehen können. Aber das macht nichts.“, in seiner Stimme höre ich ein wenig Trauer heraus doch er versucht gefasst zu wirken.

„Können wir nicht die Speise ver…“, versuche ich einzuwenden, doch Flocke trabt auf einmal los und verfällt in den Galopp.

„Hey, Flocke… ruhiiig!“, ich ziehe leicht an den Zügeln, um sie zu beruhigen und versuche mich nebenbei noch zu halten. Irgendetwas muss sie erschreckt haben.

Jetzt versuche auch ich gefasst zu wirken, um sie runter kommen zu lassen, doch innerlich habe ich auch ein wenig Angst. Ich bin sie zuvor noch nicht oft geritten und deswegen kenne ich sie noch nicht allzu gut.

Ich schaffe es nicht zu durch zu parieren, sie wird nur noch wilder und schließlich galoppiert sie wie wild gerade aus – mit mir auf dem Rücken.

Um mich irgendwie zu sichern, halte ich mich an der Mähne fest, die Zügel sind immer noch in meinen Händen.

Normalerweise hatte ich bis jetzt noch nie Angst vor dem Stürzen, doch in diesem Moment verspüre ich dieses Gefühl.

Ich schaue geradeaus, hoffe hält irgendwann ein.

„Ihre Königliche Hoheit, halte dich so gut es geht. Ich bin bei dir.“, höre ich jemanden rufen. Es ist einer unserer Leibwächter, der auf seinem Pferd zu mir galoppiert und uns einkreist.

„Ruhig, Flocke!“, versucht der Leibwächter mein Pferd zu beruhigen und siehe da, es klappt.

Ich spüre wie ich ein wenig zittere, bin bestimmt auch blass im Gesicht.

„Prinzessin Amely, versuche Flocke auf den Weg zu reiten. Falls er sich nicht mehr beruhigen lässt, werden wir Flocke führen.“, spricht er mit ruhiger Stimme zu mir.

Ich nicke nur mit einem dezenten Lächeln, da ich noch ein wenig geschockt bin.

Mit zitternden Knien und hoch konzentriert bewege ich sie mit energischem Druck zum Umdrehen und reite meinem Vater und Bruder.

Allerdings muss ich, um zu ihnen zu kommen, gut ein paar Meter zurück reiten, denn Flocke hat eine beachtenswerte Entfernung erreicht.

Ich glaube sie hätten nie gedacht, dass Flocke so etwas macht, denn in dem Gesicht meines Bruders ist noch klar ein gewisser Schock mit Mitleid zu erkennen. Bei meinem Vater zeichnet sich ein wenig Unverständnis, dass auf mein Pferd bezogen ist, und Sorge ab.

„Geht es dir gut?“, mein Vater klingt sehr besorgt.

„Ja, mir geht es soweit gut. Es kam nur… nur so überraschend.“ Ich schaue zu meinem Vater, werfe dann meinen Blick auf meinem Bruder, der mich sehr mittfühlend ansieht.

Wir reiten auf dem Weg weiter, der jetzt durch einen kleineren Wald führt und durch ein Sicherheitstor abgegrenzt wird.

„Amely, ich fände es besser, wenn du mit Peter, zum Schloss zurückreitest. Wir wollen es ja nicht zulassen, dass etwas Schlimmes noch passiert.“, dabei zeigt mein Vater auf einen unserer Leibwächter, der aufgrund der Worte meines Vaters ihm zunickt. Er wendet sein Pferd und wartet auf mich.

„Bitte, ich möchte euch begleiten.“, erkläre ich ihm bittend.

„Vater, lasse sie doch uns begleiten, wenn sie das unbedingt möchte.“, meldet sich jetzt mein Bruder zu Wort. Dafür bin ich ihm unheimlich dankbar, auch wenn der Blick unseres Vaters sich dadurch nicht besser. Er wird nur noch wütender. Sein Blick wird ernst mit ein wenig Besorgtheit.

„Amely.“, beginnt mein Vater mit ernster Stimme, macht eine Pause und schaut mich an.

„Wie oft haben wir das schon besprochen? Befolge einfach meinen Rat, egal ob du einverstanden bist oder nicht. Ich bin dein Vater! Werde vernünftig!“, mein Vater ist sehr bestimmt und schaut ernst. Sein Blick sagt mir auch, dass es mir nur schlimmer werden würde, wenn ich ihm weiter widerspreche. Der Blick meines Bruders sagt aus, ich soll besser meinen Vater folgen.

Ich seufze, versuche jedoch Haltung zu bewahre und sage mit einem leicht enttäuschten Unterton: „Na gut, Vater, ich reite zurück.“ Weiteres Widersprechen hätte jetzt nichts gebracht. Seit meinem zehnten Lebensjahr wird mir vorgeschrieben, dass ich meinem Vater folgen soll. Aus Respekt, da er König und mein Vater ist.

„Ich wusste doch, dass du vernünftig bist. Wir sehen uns im Schloss.“, seine Stimme ist ziemlich vorwurfsvoll. Es macht mich ein wenig traurig, ich wollte ihn doch nicht enttäuschen und doch habe ich. Aber was hindert mich daran meine Meinung zu sagen? Es ist doch mein Recht!

Ich drücke mein Pferd mit meinen Schenkeln am Bauch und Flocke dreht um.

Ich reite zu Peter, dem Leibwächter und dann treten wir den Rückweg an.

Die ganze Zeit über, versuche ich zu lächeln auch wenn mir nicht danach ist. Doch ich muss Haltung bewahren, so sagt Vater das immer.

„Ist es für Sie in Ordnung, wenn wir ein Stück galoppieren.“, frage ich Peter. Wir befinden uns ungefähr auf der Hälfte der Strecke.

Mein Leibwächter überlegt kurz, nickt.

„In Ordnung, aber nur für ein kurzes Stück.“ Er lächelt mich jetzt freundlich an. Zuvor hatte er seinen gefühllosen Blick auf seinem Gesicht, der ihm vorgeschrieben wird.

Dankbar lächle ich ihn an, gebe Flocke die Galopphilfe, die sie sofort annimmt. Im gleichen Moment galoppiert auch mein Leibwächter an.

Es fühlt sich wahnsinnig gut an, endlich etwas schneller zu reiten. Ich kann alles loslassen, das mir ein Lächeln auf die Lippen zaubert.

Zu meiner Freude, galoppieren doch noch ein gutes Stück länger. Flocke braucht den Galopp um sich auszupowern. Sie hat so viel Energie, dass wir sie beinahe nicht zu halten bekommen. Mit einem zufriedenen Schnaufen bringe ich sie schließlich rechtzeitig in den Schritt und so lassen wir unsere Pferde noch am langen Zügel gehen. Ich strahle wortwörtlich als wir die letzten Meter zum Reitstall reiten. Wir bleiben stehen, mein Leibwächter steigt zuerst ab, bindet sein Pferd an einem Holzbalken fest und dann steige ich ab. Auch ich binde Flocke an den Holzbalken.

„Sind Sie schon da?“, der Stallbursche, der aus dem Reitstall verlässt, kommt auf uns zu.

„Der König und der Kronprinz befinden sich noch auf dem Ausritt. Sie werden in Kürze zurückkehren.“, erklärt Peter ihm.

„Und Sie, Ihre Königliche Hoheit, wollten schon eher zurück?“, wendet sich der Stallbursche an mich.

„Nein, Flocke hat auf dem Weg erschrocken und ist durchgegangen. Mein Vater wollte nichts riskieren und hat mich zurückgeschickt.“ Ich versuche ihm nicht anzumerken, dass ich darüber nicht so sehr erfreut bin.

„In Ordnung. Sie können sich wieder auf dem Weg zurück ins Schloss machen. Ich werde mich um ihre Pferde kümmern.“ Der Stallbursche nähert sich unseren Pferden, bindet diese ab und bringt sie in den Reitstall.

„Komm, Prinzessin Amely, wir machen uns auf dem Weg ins Schloss.“, Peter lächelt mich aufmunternd an. Ich nicke ihm mit einem Lächeln zu.

 

„Ihre Königliche Hoheit, ich werde deine Zofe rufen. Währenddessen kannst du schon einmal deine Reitstiefel ausziehen und mir den Reithelm geben.“, begrüßt mich Justin, einer unserer Diener, der sich in der Garderobe befindet. Mein Leibwächter, der hinter mir steht, und ich befinden uns im Foyer.

Ich ziehe meine Reitstiefel aus und übergebe ihm meinen Reithelm. Daraufhin mache ich mich auf den Weg auf mein Zimmer.

 

„Charlotte, ich dusche schnell.“, gebe ich meiner Zofe Bescheid, die sich in meinem Zimmer jetzt befindet.

Pflichtbewusst nickt sie.

„In Ordnung. Ich werde dir das Wasser einlassen, Ihre Königliche Hoheit.“

Charlotte geht durch die vergoldende Tür, die sich an der rechten Wand befindet und zu meinem Bad führt, das durch diese Tür mit meinem Bad verbunden ist.

Ich gehe auf meinen Kleiderschrank zu, der mindestens vier Meter lang ist und öffne die Türen. Bevor ich mich für irgendein neues Outfit entscheide, ziehe ich erst einmal meine Reitjacke aus und lege sie auf den vergoldenden antiken Stuhl, der neben dem Kleiderschrank steht. Dieser Stuhl wird meistens von meinem Kindermädchen verwendet, wenn sie mich bei den Hausaufgaben betreut. Mein Schreibtisch steht neben meinem Kleiderschrank, an der anderen Seite steht mein Bett. Ich wende mich wieder meiner Kleiderwahl zu und entscheide mich für eine dunkelblaue Jeans und eine pinke Bluse.

Mit diesen Kleidungsstücken in der Hand, durchquere ich mein Zimmer in Richtung Bad.

„Prinzessin, ich bin gerade fertig geworden.“, ihre Stimme klingt entschuldigend.

„Das ist schon in Ordnung. Es gibt keinen Grund sich zu entschuldigen.“ Mit einem Lächeln betone ich meine Aussage.

Ich lege meine Klamotten auf einen Hocker, der sich direkt neben der im Raum stehenden Badewanne befindet.

„Gut, dann werde ich dich jetzt in Ruhe lassen, Ihre Königliche Hoheit.“, mit einem Knicks verlässt sie diesen Raum.

Daraufhin entkleide ich mich, steige in die Badewanne und schrecke zuerst ein wenig auf als ich das warme Wasser spüre. Doch allmählich wird es angenehmer und ich entspanne voll und ganz.

Kurze Zeit später stehe ich schließlich aus, trockne mich ab und ziehe meine frischen Klamotten an. Mit einem Lächeln gehe ich wieder in mein Zimmer herüber, in dem Silvia und meine Zofe bereits auf mich warten.

Ich gehe aber zuerst zu meinem Schrank und wähle mir ein Paar rote Sneakers, die ich auch sofort anziehe.

„Prinzessin Amely, setze dich doch hin. Ich mache schnell deine Haare.“, Silvia zeigt auf den Stuhl, der an dem kleinem Tisch, aus dunklen Kirschholz, vor meinem Bett steht. An den Beinen ist er, wie auch bei allen anderen Schränken und sonstige Möbeln, vergoldet.

„Wieso kann ich mir nicht meine Haare selbst zurecht machen? Ich bin doch in einigen Tagen sechszehn!“, erkläre ich ihn in einem flehenden Ton.

Zurechtweisend betrachtet sie mich.

„Prinzessin Amely, wie oft habe ich es dir schon erklärt. Du bist eine Prinzessin und hast Privilegien, die sonst nur der König und die Königin, sowie deine Geschwister besitzen. Du bist geboren worden, um Solera zu repräsentieren. Man erwartet auch von dir, dass du perfekt aussiehst und als Prinzessin gehört es sich so, dass du vom Personal bedient und beschützt wirst.“

Wie oft habe ich schon diese Worte gehört, trotzdem kann ich es nicht fassen, dass selten etwas selbstständig durchführen kann.

Ich spüre immer noch ihren Blick auf mir und so setze ich mich auf den Stuhl. Erleichtert lächelt sie mich an.

Sie holt eine Bürste und einen Haargummi aus meinem Schminktisch und tritt zu mir.

„Flocke ist mir heute beim Ausritt durchgegangen. Es ist aber nichts Schlimmes passiert. Ich hoffe nur, dass Vater sie trotz des Vorfalles nicht verkauft.“, klinge ich verzweifelt.

Silvia schüttelt mit dem Kopf.

„Ich denke nicht, dass der König dein Pferd verkauft. Stattdessen wird Flocke wahrscheinlich ein Training ablaufen, bei dem sichergestellt wird, dass er besser in der Lage ist mit Unbekanntem umzugehen.“

Kurz ziehe ich mein Gesicht schmerzverzehrt zusammen, denn Silvia zieht die Haare sehr straf zusammen. Danach wickelt sie den Haargummi um meine Haare.

„So du bist fertig.“ Silvia lächelt mich freundlich an. Ich lächle zurück.

Es klopft an der Tür und so drehen wir uns um.

„Ihre Königliche Hoheit.“, mit diesen Worten begrüßt sie meinen Bruder, der durch die Türe hineinblickt und knickst.

„Guten Abend, Silvia.“, wendet er sich an Silvia und schaut mich an.

„Amely, ich möchte dich fürs Abendmahl abholen.“

Mit einem Lächeln und einem Nicken reagiere ich und komme auf ihn zu.

„Ich werde nach eurer Schwester schauen. Ich hoffe, sie hat kein totales Chaos in ihrem Zimmer verursacht.“, dabei lacht Silvia. Daraufhin verlasse ich mit meinem Bruder mein Zimmer.

Auch er hat sich umgezogen und sich für eine dunkelblaue Stoffhose mit einem gleichfarbigen langärmligen Hemd entschieden. Nebeneinander machen wir uns auf den Weg nach unten.

„Bist du sicher nach Hause gekommen?“, mein Bruder lächelt mich an doch wenig Besorgtheit ist ebenfalls zu hören.

Ich schaue ihn zunächst verwirrt an, da die Frage meiner Meinung nach etwas unpassend ist da ich in diesem Augenblick eindeutig lebendig vor ihm stehe. Also muss ich sicher angekommen sein.

Doch ich merke auch, dass er es eindeutig ernst meint.

„Ja, Flocke hat sich auf dem Rückweg anständig verhalten. Wir sind sogar noch ein Stück galoppiert.“

Stolz lächle ich ihn an, denn es hat mir wirklich eine Freude bereitet dieses Stück zu galoppieren.

„Das freut mich für euch. Aber lass das nicht Vater erfahren.“ In seiner Stimme höre ich eindeutig ein wenig Neid, denn es ist uns eigentlich untersagt zu galoppieren, da wir uns dadurch verletzten oder es gar tödlich enden könnte.

Da uns immer wieder Personal begegnet, beenden wir dieses Gesprächsthema und schweigen so lange bis wir uns vor der Tür des Speisesaals befinden.

„Ihre Königlichen Hoheiten.“, gegrüßt uns der Leibwächter, der vor der Tür Wache hält und uns diese öffnet. Freundlich lächeln wir ihn an und betreten den Raum.

Unsere Eltern befinden sich bereits hier und so gehen wir auf sie zu. Mein Bruder läuft jetzt vor mir und zuerst begrüßen wir meine Mutter. Phillip gibt meiner Mutter einen Wangenkuss und ich umarme sie. Es ist für Prinzen üblich, dass sie einer Frau zur Begrüßung einen Wangenkuss gibt. Unsere Mutter lächelt uns stolz an. Dieser Stolz entfacht in mir ebenfalls eine gewisse Freude, denn es freut mich sie so zu sehen. Wir gehen zu Vater, der neben meiner Mutter steht, und umarmen auch ihn.

Gemeinsam gehen wir auf die andere Seite des Tisches und setzen uns gegenüber unseren Eltern.

Ruhig lege ich meine Arme auf den Tisch.

„Erzählt mir doch, wie war euer Ausritt?“. Meine Mutter schaut uns an, wir schauen Vater an und er gibt uns zu erkennen, dass wir berichten sollen.

Ich richte meinen Blick auf meinen Bruder, der mir allerdings auch zu verstehen gibt, dass ich ruhig erzählen soll.

„Nun, wir sind bis zu den Palastmauern geritten, die sich zwischen den Wäldern befinden. Den spannenden Teil hat Flocke gebracht, denn sie hat sich erschrocken und ist losgerast.“, dabei muss ich ein wenig lachen, denn im Nachhinein ist das Geschehene wirklich ein wenig amüsant.

„Aber es ist nichts schlimmes geschehen, Amely?“, meine Mutter klingt ein wenig besorgt.

„Nein, ich habe mich so gut gehalten, dass es zum Glück zu keinem Sturz kam. Vater wollte deshalb, dass bei der Palastmauer zurück reite. Ich war zuerst nicht begeistern, musste dann allerdings nachgeben.“, dabei schaue ich meinen Vater an, der trotz des wenigen Lächeln mich ernst betrachtet.

„Jetzt muss ich allerdings sagen, dass es eine gute Entscheidung war. Am Ende wäre ich gestürzt und müsste morgen mit Krücken in die Schule.“, füge ich hinzu um ihn ein wenig besser zu stimmen.

„Wir sind noch durch den St.-Gustav- Park geritten und sind dann auch wieder umgedreht.“, beendet mein Bruder den Bericht über den Ausritt.

Zufrieden mit der Antwort nickt uns unsere Mutter zu und richtet ihren Blick auf die Tür, die geöffnet wird.

Mein Bruder und ich drehen uns um und erkennen unsere Schwester Beatrice, die mit einem beleidigten Gesicht an der Hand von Silvia läuft.

„Na, wer schaut denn hier so traurig?“, fragt Mutter sie aufmunternd und zeigt Silvia auf den Stuhl neben ihr, auf der sie sie setzten soll. Daraufhin verlässt das Kindermädchen den Raum.

Doch dort sitzend, verbessert sich ihre Laune nicht wirklich. Sie verschränkt ihre Arme und schaut immer noch sauer.

„Beatrice, jetzt aber wirklich! Schaue bitte freundlicher sonst wirst du heute keine Abendmahlzeit zu dir nehmen!“, der Ton meiner Mutter ist mahnend.

„ Aber ich wollte noch mit meinen Puppen spielen. Chantal muss doch noch ihre Mahlzeit einnehmen!“, jammert Beatrice.

„Deine Puppe kann warten, denn jetzt wirst du essen.“, ihre Betonung liegt auf >jetzt<, denn in diesem Moment betritt ein Diener mit unserer Mahlzeit, die wieder mit silbernen Deckeln bedeckt sind, den Speisesaal. Ein Weiterer folgt ihm, kommt an unsere Seite und serviert meinem Bruder seine Mahlzeit, dann von mir. Bedankend lächle ich ihn an und blicke auf meine Schwester, die, so scheint es, durch das Essen ein wenig besänftigt wurde, denn sie lächelt ein wenig.

„Amely?“, mein Vater bricht die Stille und schaut mich an.

„Ja, Vater.“ Ich bin gespannt auf seine Worte.

„Bitte bleibe doch noch nach dem Essen ein wenig unten. Wir möchten gerne noch ein wenig Karten spielen und würden uns freuen, wenn du es auch tun würdest.“

Mein Vater schaut mich auffordernd an und das bedeutet, dass ich keine andere Möglichkeit habe.

Was mein Vater sagt hat oberste Priorität. Deshalb nicke ich jetzt auch und füge ein Einfaches >Okay< hinzu.Daraufhin ist wieder Stille und wir wenden uns unserem Essen zu.

 

„Amely, du bist an der Reihe.“ Ich zucke zusammen und schaue Phillip an, der mich angesprochen hat.

Wir befinden uns im Salon und spielen Romé.

„Tut mir leid, ich war gerade in Gedanken.“, antworte ich entschuldigend.

„Ich glaube, du solltest jetzt schlafen gehen. Du scheinst wirklich müde zu sein.“, antwortet meine Mutter. Zustimmung suchend wendet sie ihren Blick auf meinen Vater, der zustimmend uns zu nickt.

Ich stehe auf, verabschiede mich bei meinen Eltern mit einer Umarmung und verlasse im zügigen Tempo den Raum.

Während ich den langen Gang entlang gehe, in dem sich auch unser Speissaal befindet, um zur Treppe zu gelangen, betrachte ich die Leuchter, die jetzt, da es dunkel ist, wunderschön leuchten. Ich biege um die Ecke und kann schon wieder das Foyer sehen. Doch ich bleibe kurz stehen, schaue aus dem Fenster, durch das ich die Palastmauern sehen kann und lasse den Moment auf mir wirken.

Mit staunenden Augen betrachte ich den Himmel, der in dieser Nacht voller Sterne ist. Eine Sternschnuppe huscht auch jetzt an mir vorbei und ich weiß, dass ich mir etwas wünschen kann. Doch leider darf ich den Wunsch nicht verraten, denn sonst geht dieser leider nicht in Erfüllung.

Aber ich kann schon so viel verraten: Es ist ein wunderschöner Wunsch.

Bei dem Gedanken an diesem muss ich lachen und merke, wie ich rot werde.

Hoffentlich geht er in Erfüllung. Ich wende mich allerdings jetzt wieder von der Wand ab, betrete das Foyer und steige die Treppe wieder nach oben in den 3. Stock in Richtung auf mein Zimmer.Im zügigen Tempo gehe ich jetzt wieder nach rechts auf den Gang, der zu meinem Zimmer führt. Auch wenn es nur noch wenige Schritte bis dort sind, öffnen mir bereits jetzt meine Leibwächter die Tür.

„Vielen Dank.“, mit diesen Worten wende ich mich an diese und gehe an ihnen vorbei, in mein Zimmer, in dem ich als erstes Silvia erkenne, die mich ansieht.

„Ich habe deine Zofe auf ihr Gemach geschickt, so muss sie nicht auf dich warten.“, erklärt Silvia mir.

„Aber Sie hätten doch nicht auf mich warten müssen.“

„Das habe ich gerne gemacht und jetzt mache dich bitte Bett fertig. Schließlich hast du morgen einen wichtigen Tag.“, Silvia lächelt mich an.

Ich nicke, gehe zu meinem Bett und greife nach meiner Schlafwäsche, die auf meiner Decke liegt und ziehe mich um. Meine Tageskleidung lege ich auf dem Stuhl, doch Silvia nimmt sie gleich und wirft sie in den runden hölzernen Wäschekorb, der direkt neben der Tür steht.Mit ein wenig Schwung springe ich auf mein Bett, greife nach meiner Decke und lege mich hin.

„Guten Nacht, Amely.“, Silvia kommt auf mich zu und legt ihre Hand auf meinen Arm.

„Gute Nacht, Silvia.“, dabei lächle ich sie an und schließe die Augen.

 

 

2.Kapitel

„Prinzessin, aufwachen!“ Ich öffne die Augen und sehe meine Charlotte, die mich freundlich anlächelt.

„Wie spät ist es?“, antworte ich und richte mich auf.In meinem Zimmer wie auch in allen anderen Gemächern der königlichen Familie befinden sich keine Uhren, denn wir werden ja rechtzeitig von unserem Personal über die Uhrzeit in Kenntnis gesetzt.

„Es ist halb acht.“

So spät? Ein klein wenig spüre ich Hektik und auch Nervosität. Deshalb steige ich aus meinem Bett.

„Ich habe dir schon einmal dein Kleid für heute geholt.“, Charlotte zeigt auf das zartrosafarbene Kleid, das kurze Ärmel besitzt und kurz bis über die Knie geht, geht auf dieses zu, kommt dann wieder zurück und legt es sorgsam auf mein Bett. Währenddessen entkleide ich mich, sie öffnet den Reißverschluss und überreicht es mir. Vorsichtig steige ich in das Kleid herein, dessen Stoff wirklich angenehm sich anfühlt, schlüpfe in die Ärmel und ziehe es hoch. Charlotte läuft auf mich zu und schließt den Reißverschluss. Im gleichen Moment betritt jetzt auch Silvia den Raum, begrüßt mich mit einem Knicks. Charlotte verlässt mein Zimmer.

In ihrer Hand befinden sich ein Paar zartrosafarbende Pumps. Meine Augen strahlen bei diesem Anblick, denn ich durfte mich noch nie zuvor in solchen Schuhen bewegen.

„Amely, heute ist der Tag gekommen.“, auch sie strahl ein wenig.

„Du darfst deine ersten Pumps tragen. Doch zuvor müssen wir noch deine Haare verzaubern. Ich dachte heute an einen Haarknoten.“

Ich nicke nur, denn ich habe nur die Schuhe im Kopf. Doch ich habe auch ein klein wenig Bedenken ob ich darin überhaupt vernünftig gehen kann. Allerdings werde ich in den nächsten Jahren hauptsächlich nur solche tragen werden.

Ich setze mich vor den Schminktisch, der sich direkt an der Wand neben der Tür zu meinem Badezimmer befindet. In wenigen Minuten zaubert sie einen perfekten Haarknoten, durch den ich nur noch mehr strahle, so scheint es.Vor mir stellt sie jetzt dieses wunderschöne Paar Pumps. Vorsichtig steige ich in diese und es fühlt sich sehr ungewohnt an.

Dankbar greife ich nach Silvias Arm als ich aufstehen möchte. Die ersten Schritte sind sehr vorsichtig doch allmählich wird der Gang flüssiger. Als das einzige Problem stellt sich die Treppe heraus, doch auch die überwältige ich, wenn auch sehr langsam.

Als wir gerade die letzte Stufe hinabgehen, höre ich die Stimme meines Bruders von hinten, die an mich gerichtet ist: „Amely, warte!“

Abrupt bleibe ich stehen, drehe mich um und sehe ihn, mit einem Lächeln auf dem Gesicht, die Treppe hinunter kommen. Zu seinem alltäglichen Anzug trägt er heute ein weißes Hemd mit einer dunkelblauen Krawatte.

„Gut geschlafen, Schwester?“, begrüßt er mich scherzend mit einer Umarmung. Amüsiert über seine Begrüßung grinse ich ihn an.

Silvia, die immer noch neben mir steht, meldet sich zu Wort.

„Nun, da du Prinzessin Amely, jemanden jetzt hast, der dich stützt, werde ich jetzt nach eurer Schwester schauen.“, verabschiedet sie sich von uns mit einem dezentem Knicks.

Ich harke mich in dem Arm, den mein Bruder mir anbietet, ein und begeben uns auf den Weg in den Speissaal.

„Das Kleid steht dir übrigens wunderbar, Amely.“ Ich merke wie ich bei diesem Kompliment etwas erröte.

„Dankeschön. Du siehst aber auch nicht schlecht aus.“

Er winkt mit der Hand.„Ach aber so sehe ich jeden Tag aus.“

Vor dem Speisesaal bleiben wir stehen, löse mich aus seinem Arm und lasse ihm den Vortritt.

Im Gegensatz zu den letzten Tagen ist der Raum heute gefüllter, denn der Gouverneur meines Bruders und die Berater meiner Eltern befinden sich hier ebenfalls. Da ich an den letzten Tagen immer spät aufgestanden bin, habe ich sie meistens verpasst.

Mein Vater befindet sich gerade in einem Gespräch mit seinem Berater, deshalb begrüße ich zuerst meine Mutter. Sie sitzt neben ihrer Beraterin, unterhält sich jedoch nicht.Mein Bruder begrüßt sie ebenfalls, setzt sich jedoch zu seinem Gouverneur.

„Amely, setze dich neben deine Eltern.“, meine Mutter zeigt auf den Stuhl, der zwischen ihr und meinem Vater steht.Kurz nachdem ich mich auf diesen Stuhl gesetzt habe, bringt mir einer unserer Diener mein Frühstück, das aus einem Brot und einem Obstsalat besteht. Es schmeckt wirklich köstlich!

„Mutter, wann müssen wir los?“, frage ich meine Mutter schließlich, die sich daraufhin an ihre Beraterin wendet, die neben ihr sitzt.

„Sie haben noch zehn Minuten.“, antwortet sie.

„Nun, dann sollten wir uns fertig machen, Amely.“, meint meine Mutter.Ich nicke ihr zu, stehe auf und bekomme noch einen Abschiedskuss von meinem Vater, der mitbekommen hat, dass wir uns auf den Weg machen. Im zügigen Tempo folge ich meiner Mutter, die sich ein wenig zu schnell für mich fortbewegt.

Im Foyer bleiben wir stehen.

„Justin, bringen Sie bitte unsere Jacken.“, wendet sie sich an unseren Diener. Er betritt die Garderobe und kommt kurze Zeit später mit einem beigen und braunen Mantel auf uns zu. Zuerst hält er meiner Mutter den Mantel, die in ihn vorsichtig hineinschlüpft. Danach schlüpfe ich in meinen Mantel hinein, den er mich ebenfalls hält.

„Ihre Majestät, Ihre Königliche Hoheit, wir werden Sie während des Vormittags begleiten.“, ein schlanker großer Leibwächter begrüßt uns und zeigt auf seinen Kollegen, der ebenfalls seiner Form gleicht. Meine Mutter erwidert ihre Begrüßung mit einem Handschütteln und einem freundlichen Lächeln, ich tue es ihr gleich.

„Ich denke, es ist Zeit zur Abfahrt.“, meine Mutter legt ihren Arm um meine Schulter und so machen uns wir auf den Weg aus dem Schloss. Das Klacken meiner Schuhe ist zuerst ein wenig irritierend für mich. Draußen kommt uns ein kühler Wind entgegen, den ich allerdings als schön und beruhigend erachte.Der einzige negative Punkt ist es, dass durch ihn meine Haare ein wenig verwirbelt werden.

„Du siehst wunderschön aus, Amely, weißt du das?“, wir stehen jetzt draußen, meine Mutter schaut mich an.

„Vielen Dank für das Kleid, ich finde es auch sehr schön.“, erwidere ich und lasse ihr den Vortritt die Treppe hinabzusteigen.

Bis zu meinem sechszehnten Lebensjahr ist sie für unsere Garderobe verantwortlich, danach besitzen wir ein gewisses Maß an Mitspracherecht, so besagt es das Protokoll.

Aus diesem und einigen anderen Gründen, wie der Etikette, versuche ich mich so oft wie möglich von ihm zu verweigern.

Ich komme mir oft wie eine Marionette vor, die so handeln muss wie man es ihr vorschreibt, denn ich wäre manchmal wirklich sehr erfreut darüber, einige Entscheidung selbst treffen zu dürfen.Ein wenig Unsicherheit spüre ich als ich die ersten Stufen bewältige, deshalb stütze ich mich an dem Treppengeländer ab. Konzentriert setze ich den einen Fuß auf die nächste Stufe nach unten. So jetzt noch die letzte Stufe, freue ich mich innerlich und lächle unbewusst, denn ich war schon sehr angespannt. Der Leibwächter, der die ganze Zeit sich hinter mir befand, tritt neben mich und reicht mir seine Hand. Ich nehme meine Hand vom Treppengeländer, lege meine Hand in seine und so steige ich von der letzten Stufe, vor der meine Mutter auf mich wartet, denn sie war eindeutig schneller als ich.

„Danke.“

Seine Antwort ist ein einfaches unterwürfiges Nicken.Er geht auf unseren Wagen zu, der bereits neben der Treppe auf dem Kiesweg, der zu allen Palasttoren führt, steht.

Meine Mutter tritt näher zu mir und flüstert in mein Ohr: „Steige bitte rechts ein. Du bist ja schließlich heute die Hauptperson.“ Ich spüre ihre Hand auf meiner Schulter. Dabei lächelt sie mich aufmunternd an, das nicht wirklich hilft da ich mich trotzdem etwas anspanne und mein Herz anfängt schneller zu schlagen. Schließlich werden bestimmt ein paar Fotografen vor der Schule anwesend sein werden und das beunruhigt mich ein wenig. Ich versuche diese Gedanken beiseite zu schieben und steige auf der rechten Seite ein, dessen Tür mir ein Leibwächter aufhält.

Zeitgleich mit mir steigt meine Mutter ein. Nachdem wir sitzen, schließen sie die Wagentüren und der Leibwächter an meiner Seite setzt sich auf den Beifahrersitz. Durch die Scheibe erkenne ich, dass der Zweite in den Wagen vor uns einsteigt. Es herrscht nämlich wieder höchste Sicherheitsstufe und so fährt vor und hinter uns ein Wagen. Es könnte möglich sein, dass irgendwer einen Anschlag auf uns ausüben möchte, doch daran möchte ich jetzt nicht denken.

Der Wagen setzt sich in Bewegung, ich höre den Kies unter den Rädern. Urplötzlich reduziert sich meine Angst, dafür werde ich immer mehr aufgeregt. Doch ich freue mich auch darauf Sonja zu sehen und auch meine Klassenkameraden. Ich bin auch gespannt auf meine Noten, die ich noch nicht kenne.

Ich schaue aus der Scheibe, es fühlt sich ungewohnt an das Schloss zu verlassen. Seit drei Wochen habe ich das Schloss nicht mehr verlassen, das war mein letzter Schultag und heute ist meine Abschlussfeier.

Bei diesem Gedanken muss ich lächeln.

Wir nähern uns dem Palasttor, das sich in der Nähe der Innenstadt befindet. Ich erkenne wie Wachen das Tor öffnen und die Touristen stoppen um uns herausfahren lassen zu können.

Das Geräusch des Kieses verschwindet, da wir uns jetzt auf der Teerstraße befinden und mitten im Verkehr stecken.

Wir fahren an dem Regierungsgebäude und einigen Hochhäusern vorbei und wenden uns völlig dem Zentrum ab. Meine Schule befindet sich in einem Vorort von Lilius.

Ich frage mich manchmal immer noch wieso meine Eltern mich auf diese Schule geschickt haben, wenn ich doch auch in der Hauptstadt selbst eine Schule besuchen hätten können.

„Wieso habt ihr mich eigentlich auf diese Schule geschickt?“, ich wende mich zu meiner Mutter, schaue sie an. Ich merke ihr an ihrem Gesichtsausdruck an, dass sie erst überlegen muss, seufzt kurz und schaue mich an.

„Weißt du, Amely, manchmal muss man etwas tun um andere glücklich zu stimmen. Wir haben ziemlich viel Kritik bekommen, als wir Phillip eingeschult haben. Es war eine Privatschule. Das Volk hat uns vorgeworfen wir wären abgehoben und um diese Ansicht zu ändern, wurdest du auf öffentlichen Schulen eingeschult.“

„Sonst wäre ich auch auf eine Privatschule gekommen, oder?“

Meine Mutter nickt mir zu.

„Ich bin froh auf dieser Schule gewesen zu sein.“, ich lächle sie aufmunternd an.

„Das freut mich und ich wirklich sehr stolz auf dich.“, sie greift meiner Hand und vor Beruhigung werde ich rot. Mein Herz klopft schneller und ich muss grinsen.

Der Wagen biegt rechts ab und wir befinden uns auf der Autobahnsauffahrt.

Der Wagen beschleunigt und schon befinden wir uns auf der Autobahn.

Die Landschaft zieht wortwörtlich an uns vorbei.

„Ich hoffe vor der Schule haben sich nicht allzu viele Medien angesammelt.“, gebe ich von mir mit einem Seufzen.

Meine Mutter legt auf meine Schulter, und schaut mich an.

„Ich weiß nicht wie die Situation vor der Schule ist doch zu brauchst keine Bedenken zu haben. Verhalte dich einfach ganz normal. Außerdem haben wir Sicherheitspersonal, dir kann überhaupt nichts passieren.“

Ich atme durch und nicke. Sie hat absolut Recht. Wir werden ja beschützt, also falls etwas geschehen sollte, werden wir zuerst in Sicherheit gebracht.

Der Wagen verlässt die Autobahn und befahren die Hauptstraße, die direkt zu der Schule führt. Wir befinden uns auf der etwas ländlichen Seite des Vororts Lemi, die hauptsächlich mit Reihenhäusern und vereinzelt Bauernhöfe bebaut ist. Jetzt sehe ich immer mehr Personen mit Schülern meiner Schule, ich habe sie auf dem Pausenhof schon einmal gesehen, vorbei. Sie tragen schicke Kleider oder Anzüge. Ich betrachte sie interessiert und fühle mich ein wenig zu konservativ gekleidet. Durch die Scheibe erblicke ich meine Schule, der Wagen wird langsamer und fährt auf das Parkgelände der Schule, auf dem sich bereits Sicherheitspersonal befindet, die die Absperrung auf unserem reservierten Parkplatz, der sich wenige Meter vor dem Eingang befindet, entfernt.

Vor dem Eingang, an dem wir vorbeifahren, reihen sich bereits Fotografen und Fernsehteams, die hinter einem Absperrband warten.

Ruhig versuche ich zu atmen, denn mittlerweile bin ich ziemlich aufgeregt. Nicht nur wegen den Medien, sondern aufgrund meiner Noten, die uns noch nicht mitgeteilt wurden.

Der Wagen hält und ich streiche noch einmal mein Kleid glatt, denn der Leibwächter, der sich auf den Beifahrersitz gesetzt hat, steigt aus und öffnet schnell die Autotür auf meiner Seite.

Auch auf der Seite meiner Mutter öffnet sich die Türe. Ein wenig aufgeregt setze ich meine Füße auf den Boden und steige aus.

Um dem Leibwächter die Möglichkeit zu gewähren, die Türe wieder zu schließen trete ich einen Schritt vor und warte auf meine Mutter, die allerdings jetzt auf mich zu läuft. Sie legt ihre Hand auf meine Schulter und richtet ihren Blick auf unsere zwei Leibwächter, die jetzt neben uns stehen, um ihnen mitzuteilen, dass wir den Weg antreten werden.

Ich lächle meine Mutter an, hauptsächlich um mich ein wenig zu beruhigend, denn ich spüre eine gewisse Aufregung in mir, und laufe gleichzeitig mit ihr los.

Wir entfernen uns von unserem Wagen, überqueren die schmale Straße, die zu den weiteren Parkplätzen führt und betreten den geteerten Gehsteig, der uns direkt vor den Eingang führt. Ich spüre mein Herz, das wie wild klopft, versuche durchzuatmen und zu lächeln. Zumindest hoffe ich so etwas ruhiger zu werden und zu entspannen. Auch wenn ich es nicht möchte, wird die Entfernung zu den Medien immer kürzer.

Amely, eigentlich brauchst du dich gar nicht fürchten, denn zwei Leibwächter beschützen dich im Notfall, schießt es mir durch den Kopf und ich muss mir selbst Recht geben. Sie würden im Ernstfall sofort eingreifen und uns in Sicherheit bringen. Genau das hatte meine Mutter vor nicht einmal einer Stunde mir deutlich machen wollen.

Wir folgen der Kurve, die nun direkt vor die Schule führt und hören und sehen wirres Kamerablitzen, das auf uns gerichtet ist.

Mit dem Gedanken, dass ich keine Angst haben muss, trete ich ihnen entgegen.

Freundlich lächle sie an und rufe ihnen zusammen mit meiner Mutter einen „Guten Morgen.“ zu, dass ein wenig meine Anspannung lockert, und bleiben stehen, um die Möglichkeit zu geben uns zu fotografieren.

Ehrlich gesagt, bin ich darauf nicht vorbereitet und so bringt mich meine Mutter zum Halten, in dem sie mich mit ihrer Hand auf der Schulter beruhigt.

Ich stelle mich neben ihr und stelle mich mit einem freundlichen Lächeln dem Lichtgewitter, das mir ja eigentlich gar nichts tut und die Fotografen scheinen auch nett zu sein, denn immer wieder bekomme ich Komplimente bezüglich meiner Kleidung und Glückwunsche.

„Herzlichen Glückwunsch zum Abschluss, Ihre Königliche Hoheit.“, höre ich aus der Menge.

„Wir müssen jetzt weiter, Amely.“, flüstert meine Mutter, die sich zu mir beugt, mir ins Ohr.

Ich erkenne mich einverstanden, mit einer Kopfbewegung verabschieden wir uns und steuern geradeaus auf die gewölbte Eingangstüre, die zu einem unserer Nebeneingänge gehört, vor der bereits Herr Doktor James, der Direktor meiner Schule, auf uns, wenige Meter von uns entfernt, wartet.

Selbstbewusst und mit einem Lächeln steht er dort in seinem Anzug.

Er prüft seine Krawatte, richtet sich auf und setzt nochmal sein freundlichstes Lächeln auf. So sympathisch hat er noch nicht gelächelt, auch nicht in seinem Geologie- Unterricht, den ich in diesem Jahr bei ihm besucht habe.

„Guten Morgen, Ihre Majestät und Ihre Königliche Hoheit, ich hoffe sie hatten eine gute Anfahrt.“, mit diesem Worten begrüßt er zuerst meine Mutter mit einem Handschütteln. Auch ich reiche ihm meine Hand und lächle ihn an.

„Guten Morgen, Amely, schaue dir die Schule noch einmal genau an, für den Fall falls du sie vermissen wirst.“, richtet er sich sichtlich unbewusst formlos an mich und lacht. Er ist es gewöhnt mich im Unterricht ohne meinen Titel anzusprechen, um mir eine gewisse Normalität zu geben, dass meinen Eltern wichtig war da ich ja eine öffentliche Schule besuche. Jetzt im Nachhinein denke ich, haben sie so entschieden, um ein besseres Ansehen zu erreichen. Wäre ich auf einer Privatschule, hätten die Lehrer mich mit meinem Titel angesprochen. Das hat mir Phillip erzählt als er noch zur Schule ging.

Der Direktor öffnet uns die Türe und wir folgen ihm durch den darauffolgenden Gang, in dem sich die Kunst- und Musikräume befinden und der direkt in die Aula führt. Dort werden wir von meinem Klassenleiter begrüßt, Herr Doktor Luchs, der uns auf unsere Plätze führen wird. Der Direktor verabschiedet sich bei uns.

„Und schon aufgeregt?“, fragt Herr Doktor Luchs mich scherzend und legt seine Hand auf meine Schulter, nimmt diese aber sogleich wieder weg.

„Ein wenig bin ich schon aufgeregt.“, antworte ich ehrlich.

Daraufhin führt er uns auf unsere Plätze. Auf dem Weg dorthin, treffe ich einige Klassenkameraden, die mich freundschaftlich mit einer Umarmung begrüßen, andere Schüler starren mich nur unglaubhaft an.

Wie erwartet werden wir in die erste Reihe platziert vor der sich die Bühne befindet, jeweils neben meiner Mutter und mir setzt sich ein Leibwächter. In dieser und der zweiten Reihe befinden sich auch die Lehrer.

Ich drehe mich um, mit Blick auf die Menschenmenge in der Hoffnung Sonja zu erkennen. Doch vergebens, ich finde sie nicht.

Ein wenig Trauer kommt in mir auf.

„Amely, drehe dich bitte um. Die Feierlichkeiten beginnen in wenigen Minuten.“, tadelt mich meine Mutter mahnend, worauf ich mich sofort umdrehe.

Am liebsten würde ich meckern, denn ich finde ihr Verhalten ein wenig unpassend. Schließlich dauert es bestimmt noch ein wenig bis die Feier los geht. Manchmal, wie auch jetzt, wünsche ich mir, dass meine Mutter ganz normal wäre. Dann müsste ich nicht immer jeden Tag auf meine Haltung und mein Benehmen achten. Bestimmt wäre es wunderbar ein normales Leben zu führen. Doch was ist ein normales Leben? Ich kenne nur dieses Leben hinter den Palastmauern und mit meiner Position.

Wie aus dem Nichts wird es jetzt auf einmal leise, der Direktor betritt die Bühne.

„Herzlich Willkommen, Ihre Majestät…“, er richtet seinen Blick auf meine Mutter auf mich.

„…sehr geehrte Kollegen, Eltern und Schüler“, setzt er fort.

In seiner Rede betont er besonders seinen Stolz über jeden einzelnen Schüler, jeder hätte das Abitur geschafft und natürlich erwähnt er auch mich. Es sei eine Ehre für ihn eine Prinzessin bei sich auf seiner Schule zu besitzen.

Zum Glück fasst er sich recht kurz, es ist mir ein Gräuel, endlose Reden über mich ergehen lassen zu müssen. Ich strenge mich an interessiert die Rede zu verfolgen, sonst hätte ich bestimmt einige Male bereits meine Müdigkeit mitgeteilt. Mittlerweile drücken auch meine Schuhe, meine Füße schmerzen.

Doch ich spüre auch den Druck, ein tadelloses Benehmen an den Tag zu legen, denn meine Mutter wirft regelmäßig einen prüfenden Blick auf mich.

„Ich wünsche Ihnen eine schöne Abschlussfeier dieses Jahrgangs.“, beendet er seine Rede schließlich, verlässt die Bühne und ein Mann, der Vorsitzende des Elternbeirats ,wie meine Mutter mir erklärt, erscheint.

Seine Rede handelt über den Elternbeirat, der nach seinen Worten in diesem Schuljahr sehr stark unterstützt wurde und er aufgrund dieser Tatsache stolz darauf sei.

„Nun habe ich die Ehre das Wort an Ihre Majestät Königin Alexandra weiterzugeben.“, mit diesen Worten beendet er seine Rede und richtet sich an meine Mutter, die aufsteht und sich auf die Bühne begibt.

„Vielen Dank für die äußerst freundliche Überleitung sehr geehrter Elternbeirat. Vor genau neun Jahren wurde ich Mutter einer Schülerin dieser Schule, meiner Tochter Prinzessin Amely. Damals waren wir sehr gespannt auf die Zeit, die auf uns zukommen würde.“, beginnt sie ihre Rede und sieht mich an. Ihr Ton ist ernst, auf eine freundliche Weise. Ich bewundere ihr jetziges Auftreten, sie wirkt so selbstsicher und zufrieden. Wie wäre ich doch so gerne wie sie.

Meine Mutter richtet ihren Blick wieder von mir ab und setzt fort: „Nach den Jahren kann ich sagen, die Zeit war großartig an dieser Schule. Sie verging erstaunlich schnell und hat mir mein Bild einer öffentlichen Schule völlig verändert, und zwar im positiven Sinne.“

Ich bin mir nicht sicher ob ich ihr das glauben soll, denn oft hatte sie gegenüber uns geäußert, wie sehr sie es doch besser fände, mich auf eine Privatschule zu schicken. Seit diesem Schuljahr hat sie jedoch auch vereinzelt positive Äußerungen verlauten lassen. Auf der anderen Seite hat sie die Schule daheim nie schlecht dargestellt.

„Nicht nur als Mutter sondern auch als Königin ist es mir äußerst wichtig, dass die Thronerbin sowie jeder andere Jugendliche eine ordentliche Schulbildung erhält. Ich bedanke mich für diese großartige Zeit an dieser Schule.“

Mit diesen Worten beendet sie ihre Rede, für die sie einen großen Applaus erhält. Der Direktor erscheint wie aus dem Nichts auf der Bühne, mit einem Blumenbouquet in der Hand, und überreicht diesen meiner Mutter, die sichtlich gerührt ist, sie bedankt sich vielmals. Das erkenne ich an ihrem Gesichtsausdruck. Sie verlässt daraufhin die Bühne und begibt sich wieder auf ihren Platz. Mit einem Lächeln begrüße ich meine Mutter, die daraufhin mit einem stolzen Lächeln meine Hand berührt.

Währenddessen betritt die erste Klasse die Bühne. Ich werde ein wenig nervös, denn mir wird bewusst, dass meine Klasse als Nächstes an der Reihe ist.

Die Schüler werden alphabetisch aufgerufen, jeder Schüler bekommt sein Zeugnis. Gleichzeitig wird eine Präsentation abgespielt, auf der passend zum aufgerufenen Schüler, ein Bild mit Namen zu erkennen ist. Auch wird die Ausbildungsstelle erwähnt.

„Sie sehen alle so wunderschön aus.“, spreche ich leise meine Mutter an.

„Ja, die Mädchen sehen wirklich wunderschön aus.“, die Betonung liegt auf >die Mädchen<, denn damit möchte sie mir wieder in Erinnerung rufen, dass ich mir nicht die Mühe machen soll die Jungen zu betrachten. Schließlich wird es mir sozusagen verboten einen bürgerlichen Jungen zu heiraten. Ich bin mit dieser Bestimmung nicht wirklich zufrieden, denn jeder sollte frei über seine Partnerwahl entscheiden dürfen. Egal ob Arzt oder Prinzessin. Jedoch habe ich leider keine Wahl, so schwer es mir auch fällt.

„Ich bitte Sonja Zirscher vorzutreten.“, ruft Herr Lauer, ihr Klassenlehrer sie auf. Nervös suche ich nach ihr auf der Bühne, jedoch ohne Erfolg. In den Reihen höre ich wirres Gemurmel. Ich beobachte den Direktor, der dem Lehrer irgendetwas sagt.

„Entschuldigung, ich wurde nicht in Kenntnis gesetzt. Die Schülerin ist heute Morgen bereits nach Südafrika mit ihren Eltern gereist.“

Ich bin regelrecht geschockt und so gleich wütend. Sonja hat niemals mir gegenüber etwas über Südafrika erzählt, nicht einmal über einen Umzug. Sie selbst hatte noch gesagt, dass sie sich freuen gemeinsam mit mir hier an der Abschlussfeier teilnehmen zu können. Und jetzt das? Was hat das zu bedeuten? Ich dachte, ich wäre ihre Freundin.

Noch nie habe ich so verletzt gefühlt.

Tröstend legt mir meine Mutter ihre Hand auf meine Schulter, worüber ich ziemlich froh bin. Allerdings wird meine Klasse jetzt aufgerufen, so dass ich aufstehen muss.

Ich schließe mich meiner Klasse an und wir betreten gemeinsam die Bühne.

Während wir die Bühne betreten, ertönt schlagartig ein starker Applaus. Dieses Mal fühlt es sich für mich nicht wie ein Druck an, sondern ich genieße den Applaus, auch wenn ich noch ziemlich geschockt bin.

Ich blicke in die Menschenmenge und spüre wie mein Herz schlägt. Ich betrachte meine Mitschüler, die zurück lächeln.

Ich werfe einen Blick auf meine Mutter genau in dem Moment, indem sie ein Bild von mir macht. Darüber bin ich nicht verärgert, im Gegenteil, ich bin ziemlich froh darüber, dass meine Mutter sich ganz normal wie jede andere normale Mutter verhält. Vor mir werden die meisten Mitschüler aufgerufen. Kurz bevor ich aufgerufen werde, spüre ich meine Aufregung. Ich versuche meine Gedanken über Sonja beiseite zu schieben. Was ist, wenn ich nicht bestehe? Werde ich bestehen?

Ach, Amely, du bestehst bestimmt, schießt es mir durch den Kopf.

„Als nächstes bitte ich Amely Solera vorzutreten.“, ruft Herr Doktor Luchs.

So lautet mein Name, den ich für private Zwecke verwenden darf.

Mit klopfenden Herzen trete zu meinem Klassenleiter, der mich stolz anschaut.

„Du kannst wirklich sehr stolz auf dich sein. Du bist Klassenbeste mit einem Durchschnitt von 1,2.“ Vor Freude kullern ein paar Tränen aus meinen Augen heraus. Ich bin einfach so glücklich und kann es nicht glauben.

Ich blicke in die stolzen Augen meines Lehrers und des Direktors als ich strahlend mein Zeugnis entgegen nehme. Nachdem der letzte aus meiner Klasse aufgerufen wird, verlassen wir die Bühne. Auf dem Weg auf meinem Platz, gratulieren mir ein paar Lehrer, an denen ich vorbei laufe. Dankend nehme ich diese mit einem freundlichen Lächeln an und schließlich befinde ich mich wieder an meinem Sitzplatz. Dort werde ich von meiner Mutter mit einer Umarmung in Empfang genommen. An ihrem Gesichtsausdruck erkenne ich, dass sie wirklich sehr stolz auf mich ist- auch wenn sie noch gar nicht meine Noten weiß.

Von meinen Leibwächtern bekomme ich ein gefühlsneutrales „Herzlichen Glückwunsch, Ihre Königliche Hoheit!“. Dankend lächle ich sie an.

„Ich bin Klassenbeste.“, verkünde ich ihr stolz in dem ich es ihr zuflüstere.

Sie nimmt mich dadurch nur noch fester in den Arm, ich glaube sie ist kurz davor Freudentränen zu verspüren doch sie reißt sich zusammen. Ich versuche mich vorsichtig aus ihren Armen zu befreien, setze mich wieder auf unseren Platz und ich gebe ihr mein Zeugnis nachdem sie auch sich hingesetzt hat. Konzentriert geht sie meine Noten durch, das sehe ich an ihrem Blick. Nachdem sie diesen Vorgang beendet hat, strahlt sie mit vollem Stolz, das mein Herz einfach total erwärmt, da ich es schön finde, wenn ich meine Eltern stolz auf mich mache.

Wir schauen wieder auf die Bühne und bemerken, dass gerade die letzte Klasse die Bühne wieder verlassen hat und der Direktor zum Vorschein kommt.

„Ich möchte mich ganz herzlich bei Ihnen allen für ihre Teilnahme an der diesjährigen Abschlussfeier bedanken.“, mit diesen Worten verabschiedet er sich.

Einer unserer Leibwächter berichtet uns daraufhin, dass er uns für kurze Zeit verlassen wird um die Situation vor der Schule zu überprüfen und so bleiben wir, von einem Leibwächter bewacht, auf unseren Plätzen sitzen während die restlichen Gäste die Aula verlassen.

Schneller als erwartet, denn in der Aula befanden sich wirklich viele Menschen, erscheint jetzt unser Leibwächter bei uns und geht zielstrebig auf den anderen Leibwächter zu. Sie besprechen etwas, das sehe ich und nachdem das Gespräch beendet ist, nickt der Andere.

Er sieht mich an und spricht zu mir: „Prinzessin Amely, draußen hat sich die Anzahl der Journalisten erhöht. Du brauchst keine Furcht haben, wenn etwas passiert, wir sind da.“ Ich nicke und lächle ihn zuversichtlich an, schließlich vertraue ich ihnen. Außerdem habe ich mir vorgenommen, dass ich mich überwinde und versuche mich daran zu gewöhnen, damit ich dadurch selbstsicherer werde.

Meine Mutter steht auf, ich tue es ihr gleich und mit einem auffordernden Blick gibt zu mir zu verstehen, dass wir jetzt die Heimfahrt antreten.

„Gut, dann machen wir uns jetzt auf den Weg.“, meldet meine Mutter sich zu Wort. Wir machen uns wieder auf den Weg aus der Aula, gehen durch den Gang, den wir vorhin schon benutzt haben. Es fühlt sich irgendwie ein wenig merkwürdig und traurig sogleich an. So viele Tage befand ich mich auf diesem Gang, sah die vielen schönen Bilder an denen wir gerade vorbeilaufen, und ab heute wird das nicht mehr so sein. Wir nähern uns wieder der Eingangstüre, durch die bereits Blitzlichter zu erkennen sind. Ein wenig ist mir bei diesem Anblick mulmig zumute, fühle mich unsicher, doch ich versuche diesen Gedanken beiseite zu schieben. Ich muss da jetzt durch. Beide Leibwächter gehen an uns im zügigen Tempo vorbei, öffnen uns die Türe und wir gehen nach draußen, wodurch ein riesiges Blitzen von Kameras beginnt und ich dadurch meine Augen zukneifen muss. Schnell gehen wir an der Journalistenmasse vorbei, damit wir schnellstmöglich wieder nach Hause kommen, zu unserem Wagen, der bereits direkt vor der Eingangstüre platziert wurde. Um uns einen möglichst schnellen Einstieg in das Auto zu ermöglichen, rennen jetzt unsere Leibwächter zu dem Wagen und halten uns die Türen wieder auf. Ich gehe auf meine Seite und steige dort ein. Ich merke wie mein Herz klopft, ganz ruhig und nicht vor Angst.

Meine Mutter setzt sich jetzt auch neben mich, gibt mein Zeugnis dem Leibwächter, der sich wieder auf den Beifahrersitz gesetzt hat. Ihre Tür wird geschlossen und daraufhin fährt der Wagen los.

 

„Willkommen zurück, Ihre Majestät und Ihre Königliche Hoheit.“, begrüßt uns Justin, der gerade uns unsere Jacken abnimmt.

Die Leibwächter verabschieden sich bei uns und versprechen mein Zeugnis sofort bei meinem Vater abzugeben, da er bei uns der Chef in der Familie ist.

Im gleichen Moment hören wir Schritte auf uns zu kommen.

„Schau mal, wer da kommt.“, meine Mutter lächelt mich an und zeigt mit dem Kopf in die Richtung, von der die Schritte kommen. Ich drehe mich um und sehe meinen Vater und Phillip. Ich gehe auf die beiden zu.

„Du kannst sehr stolz auf deine Tochter sein. Sie ist Klassenbeste!“, verkündet meine Mutter und begrüßt Vater mit einem Kuss.

„Das sind ja wunderbare Neuigkeiten!“, mein Vater lächelt mich an und umarmt mich. Daraufhin wende ich mich an meinem Bruder, der mich ebenfalls glücklich ansieht.

„Glückwunsch, Amely.“, mit diesen Worten gratuliert er mir und umarmt mich ebenfalls.

„Dankeschön.“

Voller Freude lächle ich ihn an. So glücklich wie heute war ich schon lange nicht mehr.

Mein Vater wendet sich an uns: „Kommt, wir sollten uns auf dem Weg zum Mittagsmahl machen.“

Mein Bruder hält mir seinen Arm hin und ich harke mich ein, wir folgen unseren Eltern.

Im Speisesaal angekommen, setze ich mich neben meinen Bruder. Bei uns ist es so, dass wir als die älteren Kinder nebeneinander sitzen.

Gerade als uns ein Diener unsere Speise serviert, betritt Beatrice mit Silvia den Raum. So wie auch wir erzogen wurden, begrüßt sie uns und unsere Eltern mit einer Umarmung. Wir wenden uns daraufhin dem Essen zu und als alle fertig gegessen haben, stehen wir auf und verlassen den Raum.

„Amely, warte kurz!“, ruft mich meine Mutter, die hinter sich hinter mir befindet. Deshalb bleibe ich im Gang stehen.

„Komme doch bitte nachdem du deine Kleidung gewechselt hast, in den Salon. Wir werden zusammen an deinen Klavierfähigkeiten üben.“

„In Ordnung.“ Ich lächle sie an und gehe auf mein Zimmer.

Nachdem ich die Treppe überwunden habe, bin ich einfach nur froh die letzen Schritte mit diesen Schuhen zu bewältigen.

Jetzt stehe ich vor meinem Zimmer, ein Wachmann öffnet mir die Tür und ich betrete den Raum.

Charlotte ist gerade dabei mein Bett neu zu beziehen doch sie bemerkt mich sofort, hört mit ihrer Arbeit auf, bringt mir meine frischen Klamotten und hilft mir beim Umziehen.

In meiner Jeans und weißen Bluse sowie auch einem Paar meiner sehr geliebten Sneakers fühle ich mich jetzt sehr wohl. Meine Füße schmerzen zwar noch ein wenig von den Pumps, ich verstehe gar nicht warum ich mich so sehr gefreut hatte. Aber vielleicht ist es einfach nur Gewöhnungssache.

Ich verlasse jetzt aber wieder erst mal mein Zimmer, meine Mutter wartet schließlich auf mich.

Im zügigen Tempo steige ich die Treppe hinunter, am liebsten wäre ich sie herunter gerannt doch das wird mir untersagt. Es gehört sich für eine Prinzessin nicht, das hat mir mein Vater seit meiner Kindergartenzeit eingebläut und von da an wurde mir die Last perfekt zu sein jeden Tag an bewusster. Nebenbei wusste ich auch, dass ich da ich ein Kind noch war, weniger streng beäugt wurde, sich das aber je älter ich werde ändern würde. An offiziellen Veranstaltungen sollte ich hauptsächlich lächeln und aufrecht zu sitzen, das waren meine einzigen Aufgaben. Bei Empfängen durfte ich hauptsächlich neben meinen Eltern und meinem Bruder zum Händeschütteln stehen, danach durfte ich wieder zum Spielen. Anweisungen, wie ich mich bei dem Empfang zu benehmen hatte, wie auch Mahnungen bekam ich immer von meinem großen Bruder. Ich gehe jetzt den Gang entlang, der zum Salon führt. Irgendwie wirkt er heute anders. Wahrscheinlich liegt es an den Blumen, die draußen an jedem Fenster ausgewechselt wurden oder an meiner Freude, die jeden Angestellten, an dem ich vorbei gehe, anstecke. Wie auch jetzt, ich befinde mich vor dem Büro des Pressesprechers, vor diesem ebenfalls Wachmänner aufgestellt wurden.

„Guten Tag.“, grüße freundlich die beiden, die mir mit einem Lächeln und einem Nicken erwidern.

Ein paar Schritte weiter befindet sich der Salon, bei diesem die Türe bereits offen steht, so dass ich den Raum ohne weiteres betrete.

Sofort suche ich nach meiner Mutter, die mich allerdings schneller bemerkt, denn sie ruft mir zu: „Amely, komm, setze dich schon mal ans Klavier.“

Sie sitzt auf der linken Seite des Raumes an einem großen Tisch, der vor einem großen Fenster steht. Auf ihrem Tisch befinden sich einige Unterlagen. Neben diesem Tisch steht ebenfalls ein weiterer Flügel. Ich komme auf sie zu, setze mich an den Flügel. Auf dem Notenhalter befinden sich bereits Notenblätter.

„Ich habe dir schon einmal ein paar Stücke herausgesucht.

Beginne doch mit dem Ersten.“, sie dreht sich um, nimmt ihren Kugelschreiber in die Hand und wendet sich ihren Unterlagen zu.

Wortlos lege ich meine Finger auf die Tasten, richte den Blick auf das Notenblatt und beginne. Meiner Mutter ist es sehr wichtig, dass ich und auch meine Geschwister perfekt Klavier spielen. Sie findet, dass dadurch unsere Sprache und unser Einfühlungsvermögen gestärkt werden.

„Amely, spiele doch langsamer und flüssiger, nicht so abgehakt.“, spricht sie mit gedehnter Stimme.

Ich verringere das Tempo und versuche die Übergänge zu glätten, das mir schwer fällt, denn mir liegen keine langsamen Stücke. Lieber ziehe ich schnelle vor. Außerdem fehlt mir das Gespür für das Gefühlvolle, mir fällt das einfach unheimlich schwer.

„Und jetzt noch einmal, Amely.“ Meine Mutter schaut nicht auf.

Unbewusst gebe ich ein Seufzen von mir, dass meine Mutter natürlich bemerkt.

„Amely, wir stöhnen nicht! Das Klavierspiel ist gut für dich. Also, noch einmal.“, sagt sie mahnend.

In mir drinnen versucht eine Wut hoch zu dringen, doch ich versuche mir nicht meine eigentliche Stimmung anmerken zu lassen. Es würde nichts bringen, stattdessen würde es Ärger einbringen. Auf der anderen Seite fühle ich mich schlecht, denn ich möchte sie nicht enttäuschen.

Ich beginne ein zweites Mal das Stück, konzentriere mich auf die Noten und versuche das richtige Tempo zu spielen, das irgendwie jetzt funktioniert.

Zum ersten Mal spüre ich auch ein gewisses Gefühl beim Spielen. Naja, ich versuche es zu entdecken. Das liegt vor allem daran, dass ich meine Mutter zufrieden stimmen möchte. Wie aus dem Nichts spüre ich auf meiner Schulter eine Hand, die mich vor Schreck versteifen lässt, aus den Augenwinkeln erkenne ich, dass es meine Mutter ist, die neben mir jetzt steht.

Auch wenn meine Mutter neben mir steht, versuche ich ordentlich zu spielen. Ich komme zum Ende, spiele die letzten Noten und nehme meine Finger von den Tasten.

„Das war eine Leistung! Ich wusste doch, du kannst es!“, aufmunternd schaut sie mich an und lächelt. Habe ich richtig gehört? Ich glaube nicht ihren Worten. Aber sie hat es gesagt.

„Lächle doch mal, Amely. Du schaust ja gerade so als hätte ich gerade etwas Negatives gegenüber dir geäußert.“

Sie reißt mich aus meinem Gedanken heraus.

„Tut mir leid, Mutter, aber ich kann gerade deinen Worten nicht glauben. Ich habe das Lied wie jeder andere gerade gespielt. Da ist doch nichts Besonderes daran.“

Sie blickt mich ungläubig an.

„Nein, Amely. Du hast ein Talent, nicht so wie manch andere Mädchen in deinem Alter aber bei dir erkennt man, dass du dich sehr anstrengst aber es hört sich wunderschön an. Außerdem hast du einige Jahre nicht mehr Klavier gespielt.“

„Aber wieso habt ihr mich nicht dann weiterhin Klavierunterricht gegeben?“

„Du hattest ja kein Interesse mehr und wir wollten dich nicht zwingen. Schon gar nicht, da du dich erst mal an deine Position gewöhnen musstest. Du warst ja wirklich sehr schüchtern.“

Diese Worte bringen mich zu lächeln, denn Mutter hat wirklich recht. 1. Das Klavierspiel macht mir wirklich sehr viel Spaß, auch wenn ich Fehler mache aber die macht jeder, und 2. Ich war wirklich sehr schüchtern, dass sich glücklicherweise mittlerweile gebessert hat.

Ich blättere das Notenblatt um, damit ich mich auf das nächste Lied einstellen kann.

Aber… oh nein… ich kann dieses Lied nicht spielen. Das Lied habe ich Sonja an einem Geburtstag vor zwei Jahren vorgespielt. Es war UNSER Lied.

Wenn ich an die Szene denke, kommt in mir teilweise Freude hoch, doch ich muss auch an heute Vormittag denken, Wut kommt auf. Ich denke an unsere gemeinsame Zeit. Wieso hat sie es nur getan? Wieso? Wieso?!

Ich nehme meine Hände von dem Notenblatt und schüttele den Kopf. Meine Mutter schaut mich besorgt an, ich kneife mir die Augen zusammen, da ich kurz davor bin zu weinen.

„Es geht nicht. Ich kann das Lied nicht spielen.“, wimmere ich.

„Aber wieso?“

Ich muss schwer schlucken. Sonja war meine Freundin, meine beste Freundin. Wir haben uns immer oder fast immer gut verstanden. Ich versuche mich zusammenzureißen. Die Tränen sind allerdings stärker und so reißt der Damm.

„Es war UNSER Lied, Sonja und meins. Ich habe es ihr immer vorgespielt, wenn wir zusammen waren. An ihrem Geburtstag und im Musikunterricht, den wir zwei Jahre lang zusammen hatten. Ich verstehe nicht wie sie ohne etwas… ohne ein einziges Wort….“, mehr kann ich nicht sagen. Ich weine einfach nur noch. Ich kann und werde sie nie verstehen können. Sonja, wie konntest du nur? Hast du kein schlechtes Gewissen?

Meine Mutter greift nach meiner Hand, bringt mich zum Aufstehen und wir setzen uns auf eine Couch, die direkt neben dem Flügel steht.

Schluchzend setzte ich mich, meine Mutter lässt uns Taschentücher bringen. Langsam versuche ich ein- und auszuatmen, schließlich beruhige ich mich langsam.

„Es ist so: Mit ihr konnte ich alles besprechen und jetzt ist sie nicht mehr da. Ich habe niemanden mehr.“

„Du hast noch deine Cousinen und Cousins. Wenn du sie zum Reden brauchst, sie würden sich sicher freuen.“

Aufmunternd klopft sie auf meine Schulter, zaghaft bekomme ich ein Grinsen zustande.

Schnell wische ich mir mit meiner linken Hand die Tränen aus meinem Gesicht.

Die Tür wird geöffnet und einer unserer Bediensteten, in seiner Hand eine Packung Taschentücher, kommt auf uns zu und liegt sie auf den Tisch, der vor uns steht.

„Vielen Dank.“, mit diesen Worten bedankt sich meine Mutter und ich lächle ihn an.

„Ihre Majestät, ich solle Ihnen mitteilen…“, beginnt er, wird allerdings von meiner Mutter unterbrochen, die aufsteht und sagt: „Vielen Dank für die Mitteilung. Nun, dann werde ich mich jetzt fertig machen.“ Ich glaube der letzte Satz ist unter anderem auch an mich gerichtet, denn sie schaut auch mich an. Sie entfernt sich von mir, geht auf die Zimmertür zu. Rückartig bleibt sie stehen, denn die Tür wird von außen geöffnet. Mein Bruder betritt den Raum. Er wirkt ziemlich nervös und aufgeregt aus, das erkenne ich an seiner Haltung und seinem Gesichtsausdruck.

„Mutter, ist es für dich in Ordnung, wenn ich mit Amely einen kleinen Ausflug in die Stadt unternehme?“, höre ich ganz deutlich. Einen Ausflug mit mir? Was hat er vor?

Nervös blicke ich zur Tür, vor der Mutter und Phillip sich befinden. Ich stehe jedoch doch auf, gehe zu ihnen, meine Neugier ist einfach zu groß.

Von hinten erkenne ich, dass meine Mutter nickt, ich höre sie streng sagen: „Du musst mir versprechen, dass du auf sie aufpasst und es müssen euch zwei Leibwächter begleiten.“ Ich komme auf sie zu, mein Bruder nickt meiner Mutter pflichtbewusst zu. Freudenstrahlend dreht er sich zu mir um.

„Amely, wir beide gehen heute in die Stadt.“, ohne Weiteres greift nach meiner Hand und wir verlassen den Raum. Ich fühle mich ziemlich überrumpelt, fast schon zu viel für diesen Tag, denn mich nimmt die Aktion von heute Vormittag noch ziemlich mit.

„Phillip, was hast du vor?!“, ich klinge verunsichert und verängstigt, weiß nicht was um mich herum geschieht.

Er bleibt stehen, denkt nach und ich schaue ihm tief in die Augen, um ihm meine Fraglosigkeit deutlich zu machen.

Mit jetzt deutlicher Anspannung und nervösen Blick schaut er sich prüfend um. Außer den täglich hier stationierten Wachen, ist alles sonst wie immer.

Mit einem sichtlich enttäuschten Blick wendet er sich wieder zu mir.

„Leider kann ich dir jetzt nicht alles sagen. Nur, dass wir einen Ausflug machen und wir jemanden treffen.“, sein Gesicht errötet ein wenig. Jetzt weiß ich, was los ist. Das Treffen mit seiner geheimen Freundin, das hatte er mir vor wenigen Tagen erzählt. Er möchte unbedingt, dass ich sie treffe. Ein wenig Angst, vor dem Treffen und den eventuellen Konsequenzen, kommt in mir auf, denn was ist wenn wir erwischt werden, etwas Schlimmes passiert?

Einverstanden nicke ich ihm zu, lege meine Hand auf seine Schulter.

„Phillip, ich komme mit. Aber bitte verspreche mir, dass du auf uns beide aufpasst. Vor allem, du kannst dir bestimmt vorstellen, wie Vater reagieren würde, wenn er von unserem Ausflug erfährt.“, ich versuche möglichst leise zu sprechen.

Beschützend nimmt er meine Hand von seiner Schulter und drückt sie fest. Ich sehe an seinem Blick, wie er die ganze Sache noch einmal überdenkt. Er nickt mir schließlich zuversichtlich zu und wir gehen weiter, das Foyer ist nicht mehr weit entfernt. Unter meinen Füßen hört der Teppich auf und wir befinden uns auf dem Steinboden des Foyers. Worauf uns jede sich hier befindende Person hört. Einer unserer Diener, der heute Dienst in der Garderobe absolviert, groß, schlank mit braunen Haaren, trifft daraufhin hervor und hält mir meine Jacke, anscheinend weiß er bereits Bescheid und ich schlüpfe hinein. Währenddessen redet Phillip mit zwei Leibwächtern, die gerade eben auf uns geschlossen sind. Allerdings scheint es nicht nur um einfache Wegbeschreibungen zu gehen.

„Ihre Königliche Hoheit, wir können und dürfen ohne Weiteres diese Anweisung nicht befolgen. Es geht schließlich um die Sicherheit von Ihnen und ihrer Schwester!“, höre ich einen Leibwächter mit ernsten Ton sagen. Ich entscheide mich die Situation von meinem Standort erst einmal zu beobachten. Mein Bruder schaut ziemlich verärgert, man sieht ihm aber deutlich an, dass er überlegt. Er ist sich seiner Konsequenzen deutlich bewusst. Bevor er irgendetwas sagt, richtet er seinen Blick auf mich und ich gehe auf sie zu.

„Gut, in Ordnung. Dann kommen Sie mit hinein. Ich bitte aber um Diskretion.“, gibt mein Bruder von sich. Aus seiner Stimme ist eine gewisse Vernunft, die Last der Krone ist in solchen Situationen am meisten zu spüren, aber auch Unverständnis zu erkennen.

„Ich denke, wenn wir heute noch irgendwo hin möchten, sollten wir jetzt los. Wir müssen schließlich pünktlich zum Abendmahl zurück gekehrt sein.“, mit diesen Worten versuche ich die Situation für meinen Bruder irgendwie erträglich zu machen.

Die Leibwächter nicken und so machen wir uns auf dem Weg aus dem Schloss.

 

„Schön, dich zu treffen, Phillip.“ Eine junge große schlanke junge Frau, in dem Alter von meinem Bruder, begrüßt meinen Bruder mit einem Kuss. Sie wirkt nett, beängstigend nett. So nett, dass ich es meinem Bruder wirklich gönnen wurde, jedoch aber auch so, dass ich ihn dafür hassen könnte, denn es würde heißen, dass er auf seinen Titel verzichten würde und dann wäre das mein Schicksal Thronfolgerin zu werden. So schön es auch klingt, der Gedanke daran beängstigt mich. Wir befinden uns in einem kleinen Café in der Innenstadt. Sie lösen sich von einander. Ihre Aufmerksamkeit richtet sich jetzt an mich.

„Entschuldigung, ich habe mich dir noch nicht vorgestellt.“, wendet sie sich an mich. Sie tritt näher, lächelt mich an und reicht mir ihre Hand, die ich freundlich annehme. Ein wenig unsicher lächle ich sie an. Ich bin es nicht gewöhnt mit Personen aus unserem Volk in Kontakt zu treten, denn meistens befinde ich mich unter Politikern, Persönlichkeiten aus den höheren Kreisen, sowie auch unseren Personal. Auf der anderen Seite, ist es für mich ziemlich ungewohnt mich in einem solch einfachen Cafe aufzuhalten, denn ich bin ja nur noble Restaurants, etc. gewöhnt. Es verunsichert mich alles hier, ich fühle mich nicht ausreichend beschützt.

„Freut mich dich kennenzulernen, Amely. Mein Name ist Sophie.“ Es ist ungewohnt meinen Namen ohne meinem Titel zu hören, das mich nicht unbedingt stört. So bin ich wenigstens für eine gewisse Zeit normal wie jeder andere.

„Ganz meinerseits.“, ich lächle sie freundlich an und allmählich werde ich lockerer. Noch bin ich ihr gegenüber etwas distanziert, denn ich kenne sie ja noch nicht.

Sophie zeigt auf einen noch freien Tisch und dort setzen wir uns hin.

„Einen schönen Nachmittag zusammen.“, begrüßt uns einer der Kellner, der über seiner Jeans eine lange, weiße Schürze trägt und oberhalb ein schwarzes Hemd, überreicht uns die Speisekarten. Dabei lächelt er uns an, jedoch erkenne ich auch einen Funken von Verwirrtheit und Ehre – natürlich, er hat uns erkannt!

Die Speisekarte wirkt auf mich herunterkommend, alt. Ich frage mich, wieso das Personal nicht die Speisekarten erneuert haben. Die kann man so doch nicht lassen?!

„Amely, die Speisekarten gehören so. Sie sind nicht kaputt, so etwas nennt man rustikal.“, erklärt mir Sophie, die meinen Blick gesehen haben muss, sonst hätte sie nicht meine Gedanken lesen können.

„Danke.“, antworte ich leicht errötend.

„Ich denke, ich nehme einen Cappuccino.“, erklärt mein Bruder entschlossen.

„Ich glaube, ich werde das Gleiche nehmen.“, entgegnet Sophie, legt ihre Hand auf seine Hand, die beiden sitzen neben einander, und lächeln sich verliebt an.

Ihre Blicke schweifen kurz darauf auf mich.

„Was möchtest du trinken, Amely? Du bist sehr ruhig.“, fragt mein Bruder mich. Auf seinem Gesicht spiegelt sich ein besorgter Blick wieder.

Was möchte ich trinken? Ich weiß es nicht, denn ich kann doch nichts von einer Fremden annehmen. Ich kenne sie nicht, sie wirkt zwar nett aber woher soll ich wissen, dass sie wirklich kein Spiel spielt. Aber naja, sie ist auch wieder keine Fremde, schließlich hat sie sich mir gegenüber vorgestellt.

„Ich kann doch nichts von Ihnen annehmen. Das würde ja dann heißen, ich schulde ihnen etwas und das kann ich nicht auf mich nehmen, wer weiß, ob ich Sie jemals wieder sehen werde.“, antworte ich ehrlich in einer Stimmlage, die man als bestimmt, verzweifelt und gleichzeitig verärgert interpretieren könnte. Mein Bruder schaut mich etwas verärgert an. War es falsch, was ich gesagt habe? Aber es ist doch die Wahrheit? Auf der anderen Seite sollte ich nicht meinen Frust an ihr herauslassen, denn sie kann nichts dafür, dass mein Bruder sich in sie verliebt hat. Ich sollte es ihm gönnen, mich über die beiden freuen. Stattdessen denke ich nur an mich, an meine Zukunft als Thronfolgerin.

„Es tut mir..“, beginne ich, werde allerdings von Sophie, die überhaupt nicht verärgert klingt sondern ruhig zu mir spricht, unterbrochen.

„Amely, du schuldest mir nichts. Du wirst mir nie etwas schulden. Dein Bruder und ich kenne uns schon eine Weile. Ich möchte wirklich dir und ihm nichts Böses antun. Wir lieben uns und bitte glaube mir, wenn dies nicht wäre, würden wir uns jetzt nicht treffen. Du brauchst wirklich keine Angst haben.“ Ihre Augen strahlen bei diesen Worten.

Ihre Worte durchfluten meinen Körper. Ich glaube ihr voll und ganz, denn sie meint es wirklich ernst zu meinen. So klingt es zumindest, außerdem, spüre ich es auch.

Mit Zögern und einem letzten Blick auf die Speisekarte, antworte ich schließlich: „Gut, dann ich nehme ein kleines stilles Wasser.“

Sie steht auf, lächelt mich dankbar an, geht zum Tresen und kommt schließlich mit einem Tablett, auf dem unsere Getränke platziert sind, das sie auf unseren Tisch stellt.

„Vielen Dank.“, ich nehme mein Glas und stelle es vor mich.

„Nichts zu danken. Ich habe auch gleich gezahlt. Ich weiß ja nicht, wann ihr zurück müsst.“

Mein Bruder schaut auf seine Armbanduhr, schaut auf und sagt: „Wir haben noch eine Stunde Zeit.“

Die beiden berühren ihre Hände gegenseitig, schauen sich verliebt in die Augen. Eifersucht und Neid kommt in mir auf, doch ich versuche es zu unterdrücken, denn die Beiden lieben sich wirklich. Das erkenne ich an ihren Blicken und die vielen Zärtlichkeiten, die sich gegenseitig austauschen. Auf einmal wenden sich ihre Blicke ab, sie schauen beide verärgert.

„Na, wer sitzt denn hier? Der Möchtegern- König und Sophie, meine Sophie!“,höre ich von hinten. Ich drehe mich um und sehe einen großen stark gebauten Mann, ungefähr in dem gleichen Alter wie meinem Bruder. Er schaut nicht besonders freundlich, sodass es mir Angst macht. Im zügigen Tempo geht er auf meinen Bruder zu, stoßt ihn provozierend an der Schulter. Wutentbrannt stehe ich auf, möchte meinen Bruder verteidigen doch einer unserer Leibwächter zieht mich weg, raus aus dem Cafe. Drinnen versuche ich ihm zu entweichen, rufe verzweifelt den Namen meines Bruders, um ihm zu helfen, doch er hält mich so fest, dass ich nicht entkommen kann. Als Einziges bekomme ich nur noch mit, wie der Unbekannte seine Hand ausfährt und meinem Bruder übers Gesicht fährt. Es ist schrecklich für mich, verzweifelt weine ich. Aus Angst wegen meinem Bruder. Draußen angekommen, führt er mich in eine abgelegene benachbarte Straße, an der bereits ein Wagen für mich anscheinend wartete, denn der Leibwächter sagt zu mir: „Steige bitte dort ein, Prinzessin, wir bringen dich zurück ins Schloss.“

Dabei zeigt er auf eine Tür, die der Chauffeur für mich aufhält. Dort steige ich an, wische meine Tränen weg. Die Paparazzos, die uns die ganze Zeit folgen, machen die Situation nur noch schlimmer für mich.

„Was passiert mit meinem Bruder?“, ich bin total aufgelöst mit zittriger Stimme und Tränen in den Augen.

Der Leibwächter setzt sich auf den Beifahrersitz und wenige Sekunden später fährt der Wagen los und ich bin nur froh, diesen Ort zu verlassen.

„Der Kronprinz wird wahrscheinlich in das Krankenhaus gebracht und dort versorgt, danach wird er ebenfalls ins Schloss zurück gefahren.“

Diese Antwort beruhigt mich fürs Erste ein wenig, die Tränen werden langsam weniger und so werde ich ruhiger.

Hoffentlich geht es meinem Bruder gut. Was wird Vater sagen? In Gedanken bin ich 100% bei meinem Bruder.

Er ist für mich immer eine Stütze gewesen, ist immer für mich da und mit ihm kann ich über alles reden.

Der Wagen fährt an dem Eingangstor vorbei, auf das Grundstück des Schlosses.

„Der König und die Königin sind im Moment nicht anwesend, deshalb wird sich Silvia um dich kümmern.“, erklärt mir mein Leibwächter als der Wagen zum Stehen kommt.

Wir steigen aus und gehen die Treppe nach oben. Ohne es zu merken, steht dort Silvia, die mich in die Arme nimmt. Gemeinsam gehen wir auf mein Zimmer, setzen uns dort auf meine Couch.

„Können Sie mir sagen, wenn irgendetwas mit meinem Bruder ist?“, frage ich sie mit weinender Stimme.

„Ja, natürlich.“, redet Silvia auf mich mit einer beruhigenden Stimme ein, neben zu legt sie eine Hand über den Rücken.

„Ich habe Angst, dass Vater sauer auf mich sein wird.“, platzt es aus mir heraus.

Ich schaue sie an, sehe ihren ungläubigen Blick.

„Ich denke nicht, dass der König sauer auf dich sein wird. Ein bisschen vielleicht schon, aber viel mehr wird er über den Kronprinz verärgert sein.“

Ich drehe mich mit einem Lächeln zu ihr.

„Ruhe dich noch ein bisschen aus, Amely.“

Silvia steht auf, knickst vor mir leicht und verlässt den Raum.

 

Ich höre wie jemand die Tür öffnet, deshalb drehe ich mich um. Ich stehe gerade vor einem meiner großflächigen Fenster, die der Wand, die nach draußen zeigt, besteht nur aus diesen Fenstern.

„Ihre Königliche Hoheit.“, einer unserer Bediensteten, er gehört zu den oberen Bediensteten, betritt den Raum und begrüßt mich.

Ich gehe auf ihn zu, mit Angst, dass dieser Mann meinem Bruder etwas Schlimmes getan haben könnte.

„Wie geht es meinem Bruder?“, frage ich ihn aufgeregt, ich spüre wie mein Herz beginnt, wie wild zu schlagen und bemerke eine spürbare Anspannung.

Mit einer Handbewegung versucht er mich zu beruhigen und gibt mir zu verstehen, dass ich mich setzen soll, so setzen wir uns auf die Couch. Er schaut mich jedoch auch ein wenig ernst an. Allerdings wirkt er auch beruhigend auf mich, das nicht nur an seinen braunen Haaren liegt sondern auch seinen Gesten.

„Eigentlich habe ich den Auftrag dich, Ihre Königliche Hoheit, ein wenig abzulenken. Jedoch, zu dem jetzigen Stand, eigentlich darf ich es dir nicht sagen, doch es wäre eigentlich das Beste, es dir jetzt schon mitzuteilen“, er macht eine Pause. Ich nehme die Worte auf und warte.

„Der Kronprinz hat einen Nasenbeinbruch erlitten und befindet sich im Moment stationär in dem Staatsklinikum. Aber keine Sorge, Seiner Königlichen Hoheit, geht es gut und er befindet sich gerade in der OP. Morgen Mittag wird er wieder entlassen. Der König und die Königin sind bereits bei ihm. “, klärt er mich auf und ich bin ihm unheimlich dankbar über diese Worte. Ich spüre eine richtige Freude in mir, dass mir ermöglicht wieder zu lächeln. Ein wenig bin ich trotzdem entsetzt, da er einen Nasenbeinbruch hat, denn so muss der Fremde wirklich ordentlich zugelegt haben. Aber wenigstens geht es ihm gut.

Er schaut auf seine Armbandsuhr, die unter seiner Anzugsjacke hervor scheint.

„Ich sehe gerade, es ist Zeit fürs Abendmahl.“, beginnt er, doch ich unterbreche ihn mit: „Sollten wir nicht lieber auf meine Eltern warten?“

„Nein, der König hat mitteilen lassen, dass du schon deine Abendmahlzeit einnehmen darfst. Deine Schwester hat bereits gegessen.“

Toll, denke ich mir, jetzt darf ich ganz alleine meine Speise einnehmen. Ich finde es immer etwas blöd, wenn ich alleine essen soll, so alleine.

Ich stehe auf, er tut es mir gleich und so machen wir uns beide auf den Weg zum Speisesaal.

Dort angekommen, setzt er sich neben mich und so fühle ich mich wenigstens nicht so alleine, denn er gehört schließlich zum Personal und so gut kenne ich ihn nicht. Ich kenne nicht mal seinen Namen. Er ist mir allerdings vom Aussehen her bekannt, denn, wenn ich ihn sehe, war er meistens in der Nähe meines Vaters.

 

„In Ordnung, ich werde es weiter geben, Ihre Majestät. Prinzessin Amely geht es soweit gut. Sie hat gerade eben ihre Abendmahlzeit beendet.“, höre ich ihn am Telefon sprechen. Kurz darauf verabschiedet er sich und legt auf.

Da ich mittlerweile zur Kenntnis gesetzt wurde, dass es meinem Bruder gut geht, verhalte ich mich eindeutig ruhiger.

„Deine Eltern bleiben noch kurz bei ihrem Bruder, dem Kronprinzen, und werden sich daraufhin auf dem Weg hierher machen.“, beginnt er zu erzählen. Ich bewundere seine ruhige Art, die sich ebenfalls auf mich positiv auswirkt.

„Werde ich morgen die Möglichkeit haben, meinen Bruder zu besuchen?“, frage ich ihn sofort.

„Nein, du wirst morgen gemeinsam mit deiner Mutter, Ihre Majestät die Königin, zu deinen Cousinen Lady Charlotte und Lady Sophie fahren.“, antwortet mir und setzt zugleich fort. Auch wenn ich meine Cousinen sehr mag und mich freue, sie zu treffen, bin ich schon etwas traurig meinen Bruder nicht sehen zu dürfen. Ich schaue in seine Richtung und auf seinem Gesicht bildet sich eine gewisse Besorgnis und eine sichtliche Erleichterung über meine Reaktion. Natürlich hätte ich weinen können, doch ich fand es als unpassend, da mein Bruder sich ja in einem stabilen Zustand befindet und jegliche Andeutung von Trauer übertrieben wäre.

„Die Königin hat dies am Telefon so begründet, da sie diesen Ausflug zurzeit als äußert passend betrachtet und ihr euch schon lange nicht mehr gesehen hat. Sie sagt, es wird dir gut tun.“

Meine Cousinen sind die Kinder des zweiten Bruders meinem Vaters, Prinz Christian. Die Beiden gehören zu meinen Lieblingscousinen, auch wenn ich ihre Art manchmal nicht ausstehen kann, da sie angesichts bestimmter Themen recht konservativ sein können.

„Hat meine Mutter Ihnen gesagt wann wir meine Cousinen treffen werden?“

„Sie hat mir nichts mitgeteilt, doch ich denke, ihr werdet schon in der Früh abfahren, denn der König hat ebenfalls schon angekündigt mit dir am Nachmittag einen Ausritt durchzuführen.“

Dankbar für diese Auskunft lächle ich ihn an und füge hinzu: „Vielen Dank. Nun, dann werde ich jetzt ins Bett gehen. Schließlich ist es schon spät.“

Ich stehe auf und verabschiede mich bei ihm mit einem Händeschütteln. Er wünscht mir ebenfalls eine gute Nacht und so verlasse ich den Raum um auf mein Zimmer zu gehen.

 

„Amely?“, ich möchte gerade mit meiner Mutter den Speisesaal verlassen, um uns auf den Weg zu meinen Cousinen zu begeben, da spricht mich mein Vater an, der noch an der Speisentafel sitzt.

Ich bleibe stehen und schaue ihn an.

„Wir werden heute keinen Ausritt machen. Das Wetter soll heute Mittag schlechter werden.“, beginnt er und macht eine kurze Pause. Draußen ist es bereits bewölkt, das habe ich als ich hergerichtet worden bin und aus dem Fenster heraus gesehen habe, ebenfalls bemerkt.

„Wir könnten Phillip besuchen. Oder wird er heute Vormittag bereits entlassen?“

„Ja, er wird heute Vormittag entlassen. Außerdem muss ich mit ihm noch reden.“

Anerkennend nicke ich ihm zu, denn meine Mutter erinnert mich daran, dass wir langsam losfahren sollten.

Deswegen gehe ich jetzt auf sie zu und folge ihr in Richtung Foyer.

 

Ich werde von Charlotte –rote lockige Haare und eine schlanke Figur - mit einer überschwänglichen Umarmung begrüßt, worauf ich mit einem verwirrten Gesichtsausdruck reagiere. Normallerweise legt sie nie eine so übertriebene Umarmung an den Tag. Meine Mutter und ich haben gerade unseren Wagen verlassen, der nun von unserem Chauffeur zurück zum Schloss gefahren wird.

Charlotte tritt zurück und Sophie – blonde lange Haare und ebenfalls schlank- begrüßt mich. Im Gegensatz zu ihrer Schwester allerdings so wie ich es bei ihr gewöhnt bin. Sie ist die pflichtbewusstere von beiden, zugleich auch die älteste Tochter.

„Schön dich zu sehen, Amely.“, sie lächelt mich an, worauf ich ebenfalls mit einem Lächeln reagiere.

Meine Mutter wendet sich an mich: „Amely, du hast dich noch nicht deiner Tante vorgestellt.“

Ich möchte zuerst etwas sagen, entscheide mich jedoch dagegen und wende mich meiner Tante zu.

„Amely, schön dich zu sehen. Ich hoffe, dir tut dieser Tag gut. Leider kann dein Onkel jetzt nicht da sein, da er einen wichtigen Termin hat.“, mit diesen Worten umarmt sie mich.

„Danke, Tante Louise.“ Ein Lächeln kann ich nicht unterdrücken, worauf meine Mutter und meine Tante in ein Gelächter verfallen. So gehen wir den schmalen Weg bis hin zu deren Schloss, das allerdings um einiges kleiner ist als unseres.

„Kommt, ihr habt bestimmt schon Hunger.“

Ja, das stimmt, ich habe mittlerweile etwas Hunger. Die Fahrt hat außerdem etwas mehr als eine Stunde gedauert.

 

„Mutter, ich muss los. Ich habe doch gleich meine Klarinettenstunde.“, wendet sich Charlotte an Tante Louise. Ihr Leibwächter, der gerade eben den Raum betreten hat und sie an die Stunde erinnert hat, wartet bereits auf sie. Daraufhin verlässt sie mit ihrem Leibwächter den Raum.

Ich gebe zu, ich bin froh, dass sie weg ist. Natürlich mag ich sie, aber sie ist mir zu lebendig. Außerdem möchte sie immer Aufmerksamkeit und ein wenig eifersüchtig ist auch, besonders da wir höher gestellt sind als ihre Familie. Sophie ist mir da schon sympathischer da sie einfach ruhiger ist. Im Gegensatz zu ihrer Schwester ist sie froh mit ihrer Stellung in der Thronfolge. Sie hat mir einmal gesagt, dass sie so weniger Druck hat aber doch etwas bewirken kann. Jedoch merke ich jedes Mal, dass sie Respekt vor mir hat. Wir befinden uns gerade in deren Wohnsalon und sitzen auf einer Couch. Dazu wurden uns vor wenigen Minuten Kekse und Tee serviert.

Ich merke wie Sophie, die neben mir sitzt, mich anschaut und etwas sagen möchte. Ihr Blick verrät mir das, sie traut sich nur nicht.

„Wollen wir ein wenig draußen spazieren gehen?“, überwindet Sophie sich.

Ich lächle sie an. „Na klar.“

 

„Ich finde euer Anwesen wirklich schon.“

„Dankeschön, aber eures ist auch nicht schlecht.“, Sophie verfällt in einen Lachanfall und steckt mich an. So gehen wir lachend durch die Gänge.

Schließlich stehen wir vor ihrem Zimmer und betreten es. Im Gegensatz zu meinem Schicksal besitzt sie keine Hofdame, denn diese ist nur uns als hochrangige Mitglieder der Königsfamilie zugeschrieben.

Als wir ihr Zimmer betreten fallen mir sofort die vielen Zeitschriften auf, die auf ihrem hölzernen Schreibtisch, der direkt rechts neben der Tür steht, liegen.

„Tut mir leid, ich denke die gehören hier nicht hin“. Ich erkenne ganz genau in ihrem Gesicht eine gewisse Peinlichkeit, denn ihr Gesicht hat sich bei diesen Worten errötet.

Mir kommt diese Situation komisch vor – wieso wird sie denn so rot?- und so frage ich sie ganz direkt: „Aber wieso liest du sie denn wenn sie hier nicht hingehören?“

„Und jetzt bitte keine Lügen!“ Unbewusst wird mein Ton etwas ernster, doch ich möchte es einfach jetzt wissen.

Sie gibt mir mit einer Handbewegung zu verstehen, dass wir uns besser hinsetzten sollten. Das tun wir auch.

„Unsere Mutter hat uns gestern die Zeitschriften zum Lesen gegeben.“, beginnt sie langsam und ich kann an ihrer Stimme erkennen, dass sie die Zeit hinauszögern möchte.

Bevor ich irgendetwas sagen kann, setzt sie fort.

„Sie macht das immer ganz bewusst nur dann wenn irgendein Mitglied der Königsfamilie durch irgendeine Aktion negativ ins Licht gesetzt wird. Diesmal war es dein Bruder.“

„Aber warum?“, meine Stimme ist ernst. Neben zu bin ich entsetzt, denn so etwas finde ich dreist. Das ist für mich mit Lästerei gleichstellbar.

Sophies Blick entspricht einem Angeklagten während einer Gerichtssitzung. Auch wenn es nicht ihre Schuld ist. Sie ist kurz davor zu weinen.

„Ich frage nur so. Also nicht um dich zu schimpfen oder so. Diese Situation mit meinem Bruder macht mich ziemlich fertig.“, füge ich schnell hinzu um sie ein wenig zu beruhigen.

„Ja, das kann ich verstehen. Die Aktion ist schon etwas hart, vor allem da er ja eine Bürgerliche liebt.“

„Das finde ich ja am schlimmsten! Man bestraft ihn nur, weil er eine Person gefunden hat, den er wirklich liebt. Ich finde, wir sollten keine Vorgabe haben wen wir zu heiraten haben.“

Unerwartet legt Sophie eine Hand auf meine Schulter, die ich allerdings zulasse auch wenn das eigentlich nicht so gerne mag.

„Aber das ist uns nun mal vorgeschrieben, Amely!“, sie klingt auf einmal sehr ernst, so habe ich sie noch nie erlebt.

„Sophie aber was ist, du lernst eine Person kennen und es stellt sich heraus, du liebst diese Person. Allerdings ist diese Person ein Bürgerlicher.“, beginne ich.

„Was würdest du tun? Diese Person heiraten oder nicht?“

„Ich würde diese Person nicht heiraten. Diese Situation wird es so oder so nie geben, denn ich passe sehr auf wen ich treffe und das solltest du auch, besonders du. Du bist nämlich die nächste Kronprinzessin, denn wenn es so aussieht wird dein Bruder auf seinen Titel verzichten muss. Vorallem wenn er wirklich dieses Wesen heiratet!“.

„Du nennst sie nicht dieses Wesen. Sie heißt ebenfalls Sophie und ist total nett.“, verteidige ich meinen Bruder, verschränke meine Arme.

Ich bin wirklich wütend. Wie erlaubt meine Cousine sich eigentlich, so zu reden? Und ich dachte sie wäre bodenständig.

„Denke doch nicht so, wie man es dir vorgibt! Mach doch deine Augen auf, Sophie!“, schreie ich schon fast.

Ich stehe auf um das Zimmer zu verlassen, werde allerdings aufgehalten, denn Sophie greift nach meinem Arm.

„Hey!“, kommt es aus mir heraus und versuche sie, von mir los zu bekommen. Nach langem Gezeter erreiche ich das auf und verlasse mit energischen Schritten das Zimmer.

Hinter mir höre ich nur noch ein wütendes „Mach du die Augen auf, Amely!“

 

„Wo ist denn Sophie?“

Meine Tante und Mutter schauen mich fragend an nachdem ich alleine zu ihnen zurück komme.

Wütend und aufgebracht antworte ich: „In ihrem Zimmer.“

Eine Sekunde später bereue ich es, dass ich so aufgebracht reagiert habe, denn so werde ich von ihnen gezwungen den Grund zu erklären.

„Amely, aber das ist nun mal so! Auf uns schaut man hoch und da gibt es nun mal Regeln.“, reagiert meine Mutter mit ihrem ruhigen Ton, der mich die Decke hoch schießen lässt.

„Das ist doch nicht fair! Ich finde es fair, dass Phillip bestraft wird, nur weil er die Liebe seines Lebens liebt.“

„Amely, was ist schon fair?! Werde doch einfach vernünftiger und nehme die Regeln so hin wie sie sind!“

„Ich bin aber keine Sophie!“, reagiere ich ein wenig zu harsch.

„Amely! Wir fahren sofort nach Hause. Du redest so nicht über andere Personen! Das wird Konsequenzen für dich haben!“, meine Mutter greift nach meinem Arm und zieht mich nach Oben. Zuerst versuche ich mich zu wehren, doch nachdem meine Mutter ihre ganze Kraft aufwendet, habe ich keine Chance. Was bildet sie sich eigentlich ein? Phillip wird doch den lieben dürfen, den er liebt. Ich lasse mir nicht einreden, dass ich auch nur einen Reichen und Adligen heiraten darf. Das können die gerne versuchen, doch sie werden es nie schaffen.

„Der Ritt mit deinem Vater ist gestrichen, du wirst das Schloss nur verlassen, wenn wir es sagen!“ fährt meine Mutter aus der Haut als wir vor dem Hauteingang auf unseren Wagen warten. Wenige Minuten später fährt dieser um die Ecke und so steigen wir ein, nachdem dieser zum Halten gekommen ist.

 

Kapitel 3

„Seid ihr schon wieder da?“, gerade als wir das Schloss betreten, verabschiedet mein Vater gerade einen Mann in einem Anzug.
Nachdem dieser das Schloss verlassen hat, fügt mein Vater hinzu: „Dann können wir ja jetzt unseren Ausritt machen, Amely.“
Doch bevor ich irgendetwas sagen kann, antwortet bereits meine Mutter: „Nein, Schatz, Amely wird heute nicht ausreiten. Ihr Verhalten war heute absolut inakzeptabel.“ In ihrer Stimme ist noch eine leichte Wut zu erkennen. Während der Fahrt hat sie diese abgebaut, nachdem ich die ganze Zeit still war und während ihres Vortrages nicht widersprochen habe.
Ich bleibe im Foyer stehen, neben meiner Mutter, die mit meinem Vater irgendetwas beredet, das ich nicht verstehe.
Bestimmt wollen sie mir irgendeine Art „Strafe“ aufsetzten, die mich dazu bewegen soll zur Vernunft zu kommen. Als ob die wüssten was Vernunft ist! Ich hasse deren konservatives Denken! Eins ist sicher, ich werde nicht so wie sie!
Meine Mutter geht zur Treppe und ruft.
„Silvia?“
„Ja? Ihre Majestät?“, antwortet eine Stimme von oben.
„Könnten Sie sich bitte um Prinzessin Amely kümmern? Sie muss zur Vernunft kommen.“
Zu der Stimme sehe ich jetzt ein Gesicht und ja, es ist wirklich Silvia, die gerade die Treppe hinunterkommt und mir zu verstehen gibt, ihr auf mein Zimmer zu folgen.
Dort angekommen setzen wir uns auf meine Couch.
„Amely, was hast du jetzt schon wieder angestellt?“ Ihr Ton hat etwas Strenges.
Ich verschränke meine Arme, antworte: „Nichts, Silvia.“
Bevor sie etwas einwenden kann, gebe ich allerdings doch zu, dass ich einfach nur meine Meinung gesagt habe.
„Das ist ja ganz gut und nett, Amely. In anderen Familien würde das bestimmt erduldet werden, jedoch gehörst du zur Königlichen Familie. Ihr habt großes Ansehen und da brauchst du einen gutgebildeten Mann an deiner Seite.“
Mittlerweile habe ich meine Arme nicht mehr verschränkt, denn auf der einen Seite hat Silvia schon recht. Allerdings bin ich immer noch – und das bleibe ich!- der Meinung, dass jeder den heiraten dürfte, den er liebt.
„Amely, so sehr du dich dagegen sträubst, du kannst nichts dagegen tun. In deiner Familie gibt es einfach gewisse Regeln und Traditionen. Du musst dich fügen, ohne wenn und aber.“
Ich blicke auf den Boden und höre mir ihre – für mich schmerzhaften- Worte an. Doch sie hat den Kern für mein Verhalten gefunden: Ich habe Angst mich zu fügen, die Marionette zu spielen, die Kontrolle über mich zu verlieren. Am liebsten würde ich weinen, doch ich kann nicht mehr. Die letzten Tage waren schlimm für mich genug.
„Ich mag mich aber nicht an diese Regeln halten!“
„Eigentlich heißt das Protokoll, Amely, und manchmal kann so etwas auch etwas Positives haben.“, sie macht eine Pause und lächelt mich an. Als Gegenantwort kriege ich nur ein zaghaftes Lächeln heraus.
Silvia steht auf.
„Ich lasse dich dann einmal in Ruhe. Denke daran: Du hast übermorgen Geburtstag. Außerdem werde ich deine Hofdame in dein Zimmer holen lassen, damit du dich bettfertig machen kannst.“
„Es ist doch noch viel zu früh ins Bett zu gehen! Und was ist mit meinem Abendmahl?!“, entgegne ich ihr etwas verwirrt und empört. Ein wenig schäme ich mich für meinen Ton, doch er ist berechtigt. Es ist nämlich gerade einmal 18.30 Uhr und zu dieser Zeit gehe ich noch nicht ins Bett. Zu dieser Zeit kriegt mich niemand ins Bett.
„Der König und die Königin haben mir mitgeteilt, dass du aufgrund deines Verhaltens heute keine Mahlzeit bekommst und damit du morgen wieder fit bist, sollst du jetzt schon ins Bett. Das Einzige, das ich dir noch mitteilen darf, ist, das dein Bruder, der Kronprinz, heute Abend aus dem Krankenhaus entlassen wird. Auf Beschluss deines Vaters, der König, wird er allerdings bereits morgen früh abreisen, um seinen Wehrdienst anzutreten.“
Über diese Worte bin ich geschockt und fühle mich schuldig sogleich, da keinen einzigen Gedanken heute an meinem Bruder geschenkt habe. Er ist doch mein Bruder! Ebenfalls bin ich nun noch verärgerter über meine Eltern, da sie meine Mahlzeit mir streichen. In mir kocht eine Wut auf. Nicht auf mich aber auf meine Eltern. Ohne es wirklich zu merken, balle ich meine Hände zu Fäusten. Wie können sie mir vorenthalten meinen Bruder zu sehen? Schließlich wird er – so war es bis jetzt immer so – gut 6 Stunden entfernt von uns sein und das für gut zwei Jahre. Ich vermisse ihn jetzt schon, wenn ich daran denke! Mein Bruder ist mein Vorbild, jemand auf dem ich aufschauen kann. Anweisungen bekam ich nämlich immer von meinem großen Bruder bei Empfängen, bei denen ich immer die Hände von den Gästen schütteln durfte.
„Amely, mache dir keine Sorgen. Manchmal tut es gut einen Tag sich abzulenken. Dein Bruder verzeiht dir, dass du ihn nicht besucht hast.“ Sie legt zum Abschied ihre Hand auf meine Schulter und verlässt daraufhin ohne ein weiteres Wort den Raum. Ich lasse ihre Worte mir durch den Kopf gehen. Sie hat Recht: mein Bruder wird mir verzeihen. Er hat es immer und er versteht mich. Ich denke auch ein wenig an meinem Geburtstag und in mir kommt ein wenig Vorfreude zum Vorschein. Ich kann es nämlich gar nicht erwarten sechszehn Jahre alt zu werden. Auch wenn ich durch diesen Geburtstag mehr ins Scheinwerferlicht gerückt werde und sogleich mir auch ein Adjutant vorgesetzt wird mit dem ich den Tag verbringen werde, bin ich gespannt. Trotz Angst, weiß ich, dass ich mein Leben so akzeptieren muss, auch wenn ich mich dagegen sträuben möchte. Zumindest versuche ich mich damit anzufreunden und vernünftig zu sein. Anders zu denken würde nichts bringen, das sehe ich ja jetzt. Ich bekomme heute Abend keine Mahlzeit. Außer vielleicht brauche ich ja einen Schubs ins Rampenlicht um mich eher daran zu gewöhnen?
Es klopft an der Tür und Charlotte kommt herein.
„Prinzessin Amely, so jetzt machen wir dich bettfertig. Möchtest du zuerst deine Zähne putzen?“
Anscheinend wurde sie nicht über den heutigen Vorfall in Kenntnis gesetzt, worüber ich wirklich froh bin.
Ich nicke ihr zu und gehe ins Bad, um dort meine Zähne zu putzen. Als ich wieder in meinem Zimmer bin, hat Charlotte bereits mein Nachthemd heraus geholt und wartet bereits auf mich. Ich trete zu ihr vor mein Bett und sie hilft mir beim Entkleiden. Danach ziehe ich mir mein Nachthemd an und steige in mein Bett. Charlotte legt meine Decke über mich, wünscht mir eine gute Nacht, mittlerweile ist es 19 Uhr, und verlässt mein Zimmer. Auch, wenn ich jetzt nicht gerade schlafen will, versuche ich einzuschlafen.
Allerdings bin ich Gedanken immer noch bei meinem Bruder. Ich meine, dass ich ihn für zwei Jahre nicht mehr sehen werde. Auf ihn konnte ich immer aufschauen und abschauen, jetzt bin ich auf mich alleine gestellt.
Wie soll ich das nur schaffen?
Eine Weile später klopft es, gerade in dem Moment, indem ich kurz vor dem Einschlafen bin. Die Tür geht auf und ich sehe meinem Vater.
„Schatz, ich hoffe ich habe dich nicht aufgeweckt. Aber ich muss dir noch etwas Wichtiges mitteilen. Du wirst uns morgen beim jährlichen Pferderennen begleiten. Deine Cousins und Cousinen werden auch dort sein. Ich denke, dir wird es gefallen und die Presse wird sich freuen, dich wieder zu sehen. Nicht, dass sie die ganze Zeit anwesend sein wird aber ein paar werden da sein.“
Ich bin etwas geschockt, denn damit hätte ich nicht gerechnet.
„Aber was soll ich anziehen? Und danke, dass ihr mich mitnimmt trotz meines Verhaltens.“
Mein Vater lächelt mich an.
„Mache dir keine Sorgen um deine Kleidung. Du hast genügend. Silvia wird dir morgen beim Aussuchen helfen. Jetzt schlaf gut und mache uns morgen bitte keinen Ärger.“
Ich lächle ihm zu und nicke.
Es war schon immer mein Traum beim Pferderennen zuschauen zu dürfen. Bis jetzt durfte immer nur mein Bruder mit unseren Eltern dort hin und wir waren daheim.
Nachdem mein Vater das Zimmer verlassen hat, versuche ich wieder einzuschlafen. Das gelingt mir allerdings wieder nicht, denn ich höre von draußen irgendeinen Lärm. Irgendeine Diskussion oder Streit. Ich möchte aber nicht aufstehen und so versuche ich, nachdem es ruhiger ist, wieder einzuschlafen.

„Vater, das kannst du mir nicht antun.“, mit diesen Worten von draußen, werde ich aufgeweckt. Was ist da los? In mir kommt ein mulmiges Gefühl hoch, denn ich erkenne diese Stimme. Sie gehört meinem Bruder. Da bin ich mir sehr sicher.
Ohne zu Überlegen steige ich aus meinem Bett und gehe zur Tür.
Ich möchte wissen, wieso vor der Tür so ein Lärm ist.
„Sei doch vernünftig, Phillip. Das warst du doch immer, mein Sohn. Jetzt komme, dein Wagen steht schon.“, der Ton meines Vaters ist streng.
Wenige Schritte fehlen mir nun zur Tür, doch jemand macht mir einen Strich durch die Rechnung. Silvia betritt mein Zimmer, durch den Türschlitz erkenne ich nichts mehr.
„Prinzessin Amely, ich hoffe du hast nicht auf mich gewartet.“, sie knickst zur Begrüßung und lächelt mich an.
„Nein, ich habe nicht auf Sie gewartet. Ich habe nur vor der Tür etwas lautes gehört.“, ich zeige mit meinem Finger zur Tür.
„Ich habe schon gestern etwas für dich herausgesucht.“, sie geht auf meinen Kleiderschrank zu, greift nach einem Kleiderbügel, auf dem ein dunkelblaues knielanges Kleid mit einem dazu passenden Mantel hängt, und hängt ihn an eine extra dafür angebrachte Kleiderstange.
Charlotte betritt mein Zimmer, kommt auf uns zu und hilft mir beim Entkleiden. Silvia reicht ihr mein Kleid und hilft mir dies anzuziehen. Kurz darauf verlässt sie mein Zimmer.
„Machen Sie schon einmal die Haare der Prinzessin, ich bin gleich wieder da.“
Charlotte nickt folgsam.
„Kann ich meine Haare heute nicht einfach offen lassen?“, frage ich sie, denn ich habe heute so gut wie gar keine Lust auf langes Sitzen.
„Tut mir leid aber das wird heute nicht möglich sein. Du bist viel zu hübsch für offene Haare.“
Ein wenig erröte ich bei diesen Worten. Auch wenn ich solche Komplimente schon seit ich klein bin bekomme, wirken sie jedes Mal aufs Neue.
„Lasse dich einfach überraschen, Amely. Komm, setzt dich auf den Hocker.“
„Na gut, aber bitte keine Experimente!“, gebe ich nach, betone dies mit meinen Händen, und setze mich auf meinen vergoldeten Stuhl vor meinem Spiegel.
Charlotte tritt hinter mich.
„Das würde ich doch niemals tun, Amely!“, sie lächelt mich an, doch ihr Ton hört sich ehrfürchtig an.
Manchmal hasse ich es, dass sie jedes meiner Worte auf die Goldwaage legen.
Sie bürstet zuerst meine Haare durch, danach kämmt sie sie nach hinten und bindet sie schließlich zu einem Pferdeschwanz. Ich merke ihren Druck, doch ich halte durch.
„Wie viel Zeit haben wir noch?“
Charlotte schaut auf ihre Uhr und antwortet, während sie meine Haare zu einem Haarknoten zusammenbindet: „Keine Sorge, wir haben noch genügend Zeit. Genau genommen zwei Stunden.“
Durch den Spiegel erkenne ich wie Silvia wieder mein Zimmer betritt. In ihrer Hand befinden sich eine weiß-blau- gestreiften Schleife, die an einem Clip befestigt ist, sowie ein Paar zu meinem Kleid passenden Ballerina.
Mein Kindermädchen geht mit hocherhobener Körperhaltung zu uns und stellt die Schuhe vor den Hocker. Silvia gibt Charlotte die Schleife, die sie sofort hinten seitlich des Haarknotens in mein Haar klemmt. Ich beobachte sie ganz genau im Spiegel und wie sie das macht, bringt mich zum Grinsen. Charlotte steckt sie total behutsam in mein Haar – als ob ich zerbrechlich wäre.
„So, Charlotte, Sie können jetzt gehen. Ich erledige den Rest an Prinzessin Amely.“, beschließt Silvia. Charlotte knickst zum Abschied und verlässt daraufhin im zügigen Tempo mein Zimmer. Im gleichen Moment, in dem sie die Türe geschlossen hat, wird diese allerdings wieder geöffnet, denn einer unserer Bediensteten in der Küche, kommt mit einem Tablett, auf dem ein zugedeckter Teller sich befindet, in der Hand herein. Silvia ordert ihn an, diesen Teller auf meinen Schreibtisch zu stellen. Ich bedanke mich mit einem Nicken und einem „Dankeschön“, drehe mich vom Spiegel weg und schlüpfe in meine Schuhe. Daraufhin setze ich mich an meinem Schreibtisch, streiche mein Kleid glatt.
Gerade als ich den Teller abdecken möchte, bemerke ich wie Silvia zu der Tür geht.
„Silvia?“, beginne ich und sie bleibt stehen.
„Ja, Prinzessin?“
„Könnten Sie mir bitte Gesellschaft leisten?“
Ihr Gesichtsausdruck sagt aus, dass sie darauf nicht gefasst ist.
Pflichtbewusst nickt sie jedoch und setzt sich neben mich.
Jetzt erst habe ich die Möglichkeit den Teller abzudecken, auf dem sich, wie ich jetzt sehe, ein Schinkenbrot befindet. Mit Messer und Gabel beginne ich dieses zu schneiden. Silvia sitzt neben mir und schaut mir zu. Am liebsten würde ich auch etwas anbieten, aber das wird mir untersagt.

„Ihre Königlich Hoheit?“
Der Adjutant meines Vaters steht in der Tür um mich abzuholen. Um zu betonen, dass ich ihn gehört habe, nicke ich ihm zu und stehe auf. Silvia geht geradewegs zu meinem Mantel, an dem seit einigen Minuten noch die Brosche des Königshauses ist, und hilft mir ihn anzuziehen. Zum Abschied umarme ich sie, dass sich ja eigentlich gar nicht für mich als Prinzessin gehört aber das musste sein und ich verlasse den Raum gemeinsam mit dem Adjutanten. Unten im Foyer warten bereits meine Eltern, die mir als sie mich sehen zu lächeln. Ich steige die letzten Stufen hinunter, laufe auf sie zu und umarme sie zur Begrüßung. Trotz gestern freue ich mich sie zu sehen sowie auch auf das Pferderennen.
„Du darfst dir heute dein Pferd aussuchen, auf das du jedes Jahr wetten darfst.“, mein Vater wendet sich an mich, der neben mir steht.
Ich bin etwas baff. Wird mein Bruder nicht nächstes Jahr anstatt mir dort sein? Doch dann kommt es mir, dass er ja für ein paar Jahre seinen Wehrdienst absolvieren wird.
„Amely, das Pferderennen wird jetzt erst einmal für ein paar Jahre dein Pflichttermin sein. Dein Bruder muss sich zuerst um andere, wichtigere Dinge kümmern.“, erklärt mir meine Mutter. Mein Vater schaut uns beide an um uns zu sagen, dass wir jetzt nach draußen gehen.
„Du wirst im zweiten Wagen fahren, Amely. Bei dir werden ebenfalls ein Adjutant und ein Leibwächter mitfahren. Du brauchst dir also keine Gedanken machen.“, erklärt mir mein Vater und ich lächle ihn an. Ich finde es sehr nett von ihm, dass er sich Gedanken um mich macht. Doch heute ist es das erste Mal, dass ich mir überhaupt keine Sorgen mache. Alles ist gut und ich fühle mich wohl.

„Prinzessin Amely, bitte folgen Sie mir.“, ein junger, ca. 30 Jahre alter Mann in Adjutanten-Uniform, der neben mir steht, spricht mich freundlich an. Mit seinem Arm zeigt er mir in welche Richtung ich gehen soll.
Ich nicke und lächle ihn an, folge ihm die wenigen Meter, wenn nicht Zentimeter, zu „meinem“ Wagen. Der Adjutant hält mir die Wagentüre auf, die sich auf meiner Seite befindet und ich steige ein. Er setzt sich neben mich, steigt allerdings auf der anderen Seite ein. Als Letztes steigt ein Leibwächter ein, der auf dem Beifahrersitz Platz nimmt und sich gleich zu mir umdreht.
„Prinzessin Amely, Sie brauchen keine Angst haben. Es herrscht höchste Sicherheitsstufe.“
Ich weiß gar nicht wieso mich jetzt alle siezen und meinen müssen, sie müssten mir alles erklären. Jedoch finde ich es auch sehr nett, dass sie mir die Angst nehmen wollen, die heute aber zum Glück nicht da ist. Allgemein ist es besser geworden. Deshalb antworte ich mit einem Lächeln: „Vielen Dank. Mir geht es gut. Ich weiß ihre Besorgtheit zu schätzen.“ Daraufhin fährt der Wagen los und ich spüre doch ein wenig Kribbeln in meinem Bauch. Doch ich bin mir sicher, dass alles gut werden wird.

„Hier ist Ihr Platz, Ihre Königliche Hoheit.“, spricht mich unser Gouverneur an, der uns heute begleitet, und zeigt auf den Stuhl, der zwischen meinen Eltern platziert wurde. Wir befinden uns in der Königslonge, die durch einen roten Teppich auf dem Boden zu erkennen ist. Gerade eben haben wir unsere Stimmen gesetzt und ich habe mich für einen Hannoveraner Hengst entschieden namens Sir John. Die Richter haben mir die jeweiligen Pferde, die noch zum Wählen stehen, anhand von Bildern auf den Karten gezeigt und mir auch einige Informationen über sie verraten. Sir John schien mir auf dem Bild sehr gut ausgebildet und so fiel meine Stimme auf ihn. Ein weiterer Grund war außerdem, dass seine Erfolge bis jetzt ziemlich gut sind, er aber noch nie bei dem heutigen Rennen gestartet ist. Somit haben wir eine Gemeinsamkeit. Bei diesem Gedanken muss ich grinsen, kehre mit meinen Gedanken wieder zurück an diesen Ort.
„Darf ich erfahren, was gerade so witzig war?“
Ich drehe meinen Kopf zu meiner Mutter um auf ihre Frage zu antworten. Anstatt ihr die Wahrheit zu sagen, antworte ich einfach: „Ach nur so. Heute ist doch ein so schöner Tag.“
Jetzt lächelt sie mich an, legt ihre rechte Hand auf meinen linken Arm und spricht zu mir: „ Das ist schön. Dein Bruder und du, ihr werden nun jedes Jahr an diesem Pferderennen teilnehmen. Am Nachmittag wirst du auch an dem Empfang teilnehmen.“, mehr kann sie nicht mehr sagen, denn unsere Nationalhymne wird gespielt. Aus den Augenwinkeln sehe ich wie meine Eltern sich aufrichten und tue ich es ihnen gleich. Wie ich es auch seitdem ich klein bin beigebracht worden bin, lege ich meine Hände in den Schoß. Vor uns sehen wir die Rennbahn, auf der rechten Seite die Startboxen, in denen sich bereits alle startenden Pferde befinden. Mit meinen Augen suche ich nach Sir John, den ich zuerst nicht finde, doch dann in der vorletzten Box erkenne. Nervös und aufgeregt scharrt er mit den Hufen. Dadurch werde ich jetzt auch etwas nervöser, hoffe auf einen Gewinn.
Ganz unruhig bewege ich meine Hände in meinem Schoß, meine Eltern sind nicht allzu sehr darüber begeistert, versuchen mich zu kontrollieren, das nicht funktioniert. Ich bin einfach nur froh, als dann die Ansprache des Leiters dieses Rennen zu Ende ist und es furchtbar still ist. So still, dass wir die Fotografenblitze von der Presse hören, die Bilder um und von uns herum machen. In diesem Moment wird mir wieder sofort wieder mein Stand in der Gesellschaft bewusst und ein klein wenig spanne ich mich an. Um mich ein wenig zu entspannen, wende ich mich jetzt zu meinem Vater, der allerdings mir sofort klar macht, jetzt still zu sein. Die Richter starten den Countdown.
Fünf….Vier….Drei….Zwei…
Eins…. Und „Los!“
Meine Augen krallen sich jetzt nur an Sir John fest. Mit Freude erkenne ich, wie sein Reiter ihn konsequent vortreibt. Mittlerweile befinden sie sich auf den dritten Platz. In Gedanken feuere ich die beiden an, denke an die gemeinsamen Ausritte mit Betty und mir. Nur leider waren wir nie so schnell.
Sir John begibt sich in die zweite Runde.
Jetzt noch eine Runde. Die Beiden kämpfen um den zweiten Platz, doch das vordere Pferd ich genauso schnell wie sie. Es wird ein hin-und- her- die ganze Runde über bis sie schließlich kurz vor der Ziellinie sind. Am liebsten würde ich sie jetzt richtig laut anfeuern, doch das geht nicht. Das würde sich nicht gehören. Nebeneinander rennen die beiden ein kurzes Stück, bis Sir John schließlich nicht schneller sondern langsamer wird. Das heißt für sie der dritte Platz. Ein klein wenig bin ich enttäuscht doch ich versuche mich auch zu freuen, schließlich hätten sie noch schlechter sein können. Meine Mutter reißt mich wieder aus den Gedanken, sie tupft mich mit mahnendem Blick an der Schulter und ich sehe meine Eltern, die mittlerweile vor ihren Stühlen stehen und klatschen. Schnell und mit schlechtem Gewissen, meine Eltern nicht bemerkt zu haben, stehe ich auch auf und klatsche so ernsthaft wie noch nie.
Ich möchte einfach einen guten Eindruck nach meinem Patzer von mir geben.

„Thomas?“
Vater spricht seinen Gouverneur, der die ganze Zeit hinter uns steht, an und dieser tritt vor.
„Sir?“
„Seien Sie doch bitte so nett und begleiten Sie Prinzessin Amely auf dem Weg zurück in den Palast. Sagen Sie Silvia, meine Tochter soll sich noch ein wenig für den Empfang erholen.“
Folgsam nickt er und ich merke wie mein Vater mir einen Blick zuwirft, der mir sagt, ich solle ihm ohne Widerrede folgen. Auch ich nicke ihm folgsam zu. Zuerst allerdings verabschiede ich mich mit Händeschütteln beim Sieger des heutigen Rennens. Daraufhin verlasse ich zusammen mit Vaters Gouverneur die Bahn. Geradeeben haben wir den drei Siegern gratuliert. Zu Vaters Glück hat wieder sein Pferd gewonnen. Kurz durfte ich auch mit „meiner“ Stimme reden.
Auf dem Weg zum Wagen werde ich ebenfalls von einem Leibwächter begleitet.

 

 

Kapitel 4

 

„Amely, versuche ein wenig zu schlafen. Ich werde dich rechtzeitig auch wieder wecken.“ Silvia steht neben dem Bett, mein Kleid in der Hand. Ich habe mir mein Nachthemd übergezogen bzw. meine Zofe hat mir geholfen.
„Aber was ist, wenn ich nicht schlafen kann?“
„Versuche es wenigstens. Hör auf deinen Vater.“, spricht sie mit flehenden Ton und stöhnt.
Daraufhin verlässt sie den Raum und ich liege da – nervös. Erstens weil ich noch nie auf einem richtigen Empfang dabei war. Hauptsächlich nur immer zur Begrüßung und danach wurde ich wieder entlassen. Doch jetzt muss ich mich mit meinen Eltern und den Gästen dort unterhalten. Auf meinen Schultern legt sie ziemlich spürbar Druck nieder. Nebenbei freue ich mich auf meinen morgigen Geburtstag! Ich frage mich, was meine Eltern dieses Jahr geplant haben. Zuerst haben sie mich in die Planung einbezogen, doch als ich meine Wünsche offenlegte und sie damit nicht einverstanden haben, wurde ich ausgeschlossen. Meine Ideen waren für sie nicht standesgemäß, zu normal. Ich wünschte mir nämlich ein Picknick mit meiner Familie in unserem Stadtpark. Danach wollte ich mit ihnen ins Kino. Meine Eltern waren so gar nicht einverstanden damit und sehen das wieder einmal wie eine Flucht in die Normalität. Für sie muss es prunkvoll, meinem Stand entsprechend sein. Ich schaue auf die Uhr. Früher, als ich noch im Kindergarten war, wenn gerade Ferien waren, musste ich meine Eltern immer nur zu kindsgerechten Veranstaltungen begleiten. Jetzt beginnt so langsam der Ernst des Lebens. Furcht beschleicht mich. Wer weiß, was sich in nächster Zeit verändert, zudem mein Bruder weg ist und ich befürchte, meine Eltern werden mich strenger beäugen und unter ihre Fittiche nehmen. Als ich klein war, wurde ich noch nicht so streng beäugt. Ich war halt ein Kind, das erst noch lernen musste, wie es sich richtig benimmt. Mein Bruder war derjenige, der mich am strengsten betrachtet hat, er hatte ja Druck von Seiten unserer Eltern. Er muss das Vorbild sein, als Kronprinz.
Bevor ich Königin werde, wenn überhaupt, wird jedoch mein Bruder Phillip den Thron besteigen. Darüber bin ich froh, auch wenn die Regierung sich meinen Bruder nicht als zukünftigen König vorstellen kann. Die Regierung findet ihn zu unsicher und schüchtern, obwohl ich viel schüchterner bin. Stattdessen möchte das Volk mich auf den Thron sehen, auch wenn das aufgrund der Landesgesetze nicht möglich ist. Mein Bruder fühlt sich ziemlich unter Druck gesetzt und versucht, sich so gut wie es geht zu benehmen. Ich möchte mich auch so gut benehmen können, doch das würde heißen, dass ich auf alle Dinge verzichten müsste, die mir Spaß machen und das will ich mit 17 noch nicht. Aber was ist wenn ich muss? Zudem mein Bruder im Moment nicht im Dienst der Krone steht und seiner militärischen Ausbildung nachgehen muss.
„Du bist ja immer noch wach!“ Ich habe gar nicht gemerkt, dass die Tür geöffnet wurde und so zucke ich zusammen. Bevor Silvia sich mir widmet, öffnet sie die Schranktüre und holt einen schwarzen knielangen Rock mit weißer Bluse heraus, das ich noch nie gesehen habe; ich schlage meine Decke auf und steige aus dem Bett.
„Woher kommen eigentlich diese Kleider? Ich wusste gar nicht, dass ich diese besitze!“
So langsam muss ich Silvia wie eine Angestellte behandeln, schießt es mir durch den Kopf.
„Das ist deine neue Ankleide.“, antwortet sie kurz gebunden.
Ein klein wenig verwundert bin ich über diese Antwort.
Doch jetzt muss ich mich wirklich umziehen. Ich ziehe mein Nachthemd aus, Silvia reicht mir die weiße Bluse, die ich mir gleich anziehe und auch zuknöpfe. Beim Rock hilft mir Silvia und schließlich bin ich fertig angezogen.
Ich frage mich, was mein Bruder von diesem Outfit findet. Wahrscheinlich würde er sagen: „Du wirst so langsam erwachsen, Amely.“
„Hat mein Bruder sich schon gemeldet?“
„Er ist gut angekommen und gestern hat seine Ausbildung begonnen. Er hat außerdem gesagt, dass er dich vermisst.“ Wieso sagt mir das keiner? Wieso muss ich eigentlich immer nachfragen?
„Und wieso sagt mir das keiner?“, mein Ton klingt ein wenig zu empört.
„Der König wollte, dass wir es dir erst erzählen, wenn du nachfragst. Aber jetzt wechseln wir das Thema und ich richte deine Haare her. Ab morgen wird sich darum deine Zofe kümmern.“ Sie wirft mir einen entschuldigenden Blick zu und mir überkommt ein Abschiedsschmerz.
Schnell schlüpfe ich in farblich passende Ballerina, setzte mich auf meinen Schreibtischstuhl damit Silvia meine Haare noch einmal durchkämmen kann, da ich sie offen lassen werde.

Meine Eltern warten bereits im Foyer auf mich. Meine Aufregung und der Druck, der auf mir lastet, werden größer. Ich spüre, wie ich mich anspanne während ich die Stufen hinunter steige.
„Schön, dass du pünktlich bist.“, begrüßt meine Mutter mich nachdem sie sich umgedreht und mich gesehen hat.
Pünktlich? Ich bin immer pünktlich! Da sich jetzt auch ein paar Fotografen platzieren, stelle ich mich in die Reihe neben meinen Eltern. Wenige Minuten später beginnt dann auch der Empfang. Hintereinander begrüßen wir jeden Gast. Ich beginne eine Rolle zu spielen, versuche ein möglichst ernsthaftes jedoch freundliches Nicken hinzubekommen.
„Guten Tag.“, mit diesen Worten begrüße ich jeden Gast, deren Reaktion meist eine kleine Verbeugung beziehungsweise ein Knicks ist. Daraufhin begeben wir uns in den Rotkreuz- Salon, der jetzt ziemlich klein wirkt mit all den Gästen. Neben meinen Eltern stehend, betrachte ich unsere Gäste, die alle vorschriftsgemäß im Anzug erschienen sind und uns drei hochachtungsvoll ansehen. Ein klein wenig ist es für mich komisch, doch es fühlt sich auch besonders an, ich möchte ja nicht arrogant wirken. Nach der Begrüßung meines Vaters holt er mich zu sich. „Da heute für dich sozusagen Premiere ist, möchte ich gemeinsam mit dir die Gäste begrüßen.“ Als ich das höre muss ich grinsen, denn es hört sich so witzig an diese Worte von meinem Vater zu hören. Doch auf der anderen Seite meint er es überhaupt nicht so, da er es sozusagen als Schritt in die Einführung in die Gesellschaft sieht. Ich versuche mir alle Namen einzuprägen, doch das ist unmöglich und so hoffe ich, dass ich mir die Wichtigsten merken kann. Da wären einmal: Der Premierminister, der Bürgermeister, der Leiter des Pferderennens, der Organisator, der Pressesprecher und so weiter. Alle sind sie mit ihren Ehefrauen und dem ältesten Kind da. Der Sohn des Premierministers scheint sehr nett. Wie sie alle vor mir sich verbeugten oder knicksten, war ein wenig komisch doch jetzt habe ich mich daran gewöhnt.
„Ihre Königliche Hoheit, Sir Nicolas Willow, Sport und Bildungsminister“, mittlerweile hat ein Adjutant sich die Arbeit gemacht mir die Gäste vorzustellen.
Anerkennend nicke ich unseren Gast an, der geschätzt Mitte Vierzig ist, braune Haare sowie einen dunkelblauen Anzug trägt.

Impressum

Texte: Rebekka Richter
Bildmaterialien: Rebekka Richter
Lektorat: noch keins
Übersetzung: keine
Tag der Veröffentlichung: 30.08.2014

Alle Rechte vorbehalten

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