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Epilog

Ohne Grund und ohne Ziel starre ich in die weite Ferne des endlos schimmernden Meeres. Alles kam mir vor wie ein Verlangen, das ich nicht deuten konnte. Der kühle Sand, den meine Zehen umgaben, fühlte sich geschmeidig an. Das Dämmerungslicht, wo orangefarbene Feuerzungen den Himmel füllten und jeden in eine sinnliche Stimmung versetzte umgaben mich wie Nebel, der sich nicht abschütteln ließ. Warum? Warum bin ich so allein? Meine Gedanken kreisten um mein Leben, mein Verlangen und meine Wünsche. Mein Herz brennt und wird ertränkt von dem Wasser das mich umgibt. Ich habe sämtliche Gefühle des Lebens verloren. Und immer öfter frage ich mich, was für einen Zweck soll mein Leben haben?

1. Neues Leben /Leyla

 

Es ist riskant alles hinter sich zu lassen, was man vorher als Leben bezeichnet hat.

Doch jedes Ende setzt einen Neuanfang voraus.

 

Endlich ist es soweit. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, wo ich in meinen rostigen, dunkelblauen Pickup springe und fahre. Langezeit habe ich überlegt, ob es richtig ist alles zurückzulassen. Immerhin spreche ich hier von der Entscheidung für immer zugehen und somit meinen Vater zu verlassen. Er war sehr traurig und verletzt, doch tief im inneren weiß er, dass mich hier nichts und niemand halten kann. Außer er vielleicht, aber der Abstand tut mir gut, dessen bin ich mir jetzt schon bewusst. Der Gedanke daran, dass sich unsere Nachbarin gut um ihn kümmern wird, bestärkt meinen Wunsch endlich diesen Ort zu verlassen. Es liegen einfach zu viele Erinnerungen hier, die mir Tag für Tag mehr Schmerzen zufügen. Das klaffende Loch in meiner Brust wächst nicht zu. Es sitzt einfach alles fest, sogar das offensichtliche und alltägliche bereitet mir Kummer.

Ich starte den Motor, der daraufhin aufbrummt. Ich lege den ersten Gang ein und biege die Auffahrt hinaus. Es tut weh, meinen Vater so einsam stehen zu sehen, aber wenn ich an die Zukunft denke, von der ich schon mein Leben lang träume, überwiegt dieser einfach. Wenn ich mich eingelebt habe, einen gut bezahlten Job und eine kleine Wohnung finde, kann er mich, bzw. ich ihn besuchen. So oder so, ich werde das hier durchziehen.

Als das Ortsschild im Rückspiegel verschwindet, atme ich auf. Dieses Stück war das schwerste, das ich hinter mich bringen musste. Jetzt beginnt mein neues Leben. Nur ich und der Rest der Welt.

Die Mittagssonne steht hoch am Himmel und brennt heiß auf mein altes Auto. Geld für ein neues habe ich natürlich nicht, ebenso wenig für eine Klimaanlage. Die Fenster nach unten gekurbelt, kommt wenigstens lauwarme Luft nach innen.

Nach einer weiteren Stunde Fahrzeit halte ich an der nächsten Tankstelle, da ich wie immer vergessen habe vorher zu tanken. Benzin rein, bezahlen, noch schnell einen Kaffee to go und weiter geht’s. Zwischendurch nippe ich daran. Die leicht herbe Note schmeckt bitter auf meiner Zunge. Eigentlich bin ich eher der süßliche Typ, aber lieber herb als gar keinen. Im Laufe der Jahre, wo ich täglich Büroschichten schob, wurde Kaffee zu meinem besten Freund im Leben. Eine Sucht, die man nicht umgehen kann. Die Sonne rückt in immer weitere Ferne, bis sie ganz untergegangen ist. Seit geschlagenen sechs Stunden bin ich jetzt schon unterwegs und vor mir erstreckt sich eine endlos lange Straße, keine Häuser links oder rechts der Fahrbahn. Die Müdigkeit breitet sich langsam aus. Nach einer weiteren halben Stunde muss ich mich zusammenreißen, damit meine Augen offen bleiben und ich nicht sofort einschlafe. Als ich auf einem Schild dann endlich lese: HOTEL 1 km, beschließe ich, dort einen Zwischenstopp zu machen.

An der Rezeption sitzt eine junge, schwarzhaarige Dame. Die Beine verschränkt auf dem Schreibtisch und das Handy in der Hand. Manchmal frage ich mich wirklich, ob die nichts Besseres zu tun haben, als den lieben langen Tag blöd rumzusitzen.

„Hallo, haben sie noch ein Zimmer frei?“, frage ich freundlich. Sie hebt den Kopf an und mustert mich von Kopf bis Fuß.

„Für wie lange?“, antwortet sie gelangweilt, während sie auf ihren Kaugummi rum kaut.

„Nur heute.“, entgegnete ich ebenfalls mit verzogener Miene.

„Hier“, sie griff hinter sich und nahm einen Schlüssel aus einem Glaskasten. „Zimmer 5. Die Treppen rauf, dann links dritte Tür.“

Ich murmelte noch einen Dank, was sie nicht einmal mehr gehört hat.

Ich sperre die Tür auf und blicke in ein altmodisch eingerichtetes Zimmer. Ein modriger Geruch stieg mir in die Nase. Wenigstens ist es nur für eine Nacht. Einen meiner Koffer nahm ich mit, damit ich mich umziehen kann. Schnell sprang ich noch in die Dusche, sodass ich gleich am frühen Morgen aufbrechen kann und nicht da schon wieder Zeit vergeude. Als ich mich ins Bett legte, schlief ich sofort ein.

Unsanft wurde ich von meinem Handywecker wachgerüttelt. Die Nacht war kurz aber ausreichend. Ich fühlte mich wesentlich besser und ausgeruhter als gestern Abend.

Im Badezimmer, naja eher einer Kammer putze ich mir die Zähne, kämme meine Haare und binde sie zu einem Pferdeschwanz zusammen. Zum Anziehen wähle ich ein ausgeblichenes rotes, enges Top, das meine Kurven schön betont und eine Jeans Hot Pants. Die Sneakers an, den Koffer in die Hand, das Zimmer zu und die Treppen hinunter. Auf dem zweiten Blick sieht die Rezeption, die aus Holz gebaut ist, ziemlich zerfallen aus. Von weitem kann man denken, dass sie nicht besetzt ist. Als ich näher komme, meine Arme auf die Anrichte lege und hinunter schiele blickt mir ein älterer Mann zu.

Eine Broschüre auf dem Nachttisch, verriet mir die Preise dieser Pension. Läppische 150€ ohne Essen. Um Geld zu sparen, verzichte ich auf das Frühstück, welches im Preis miteingerechnet wird. Schnell und ohne viele Worte bezahle ich das Geld und muss mit ansehen, wie mein Geldbeutelinhalt immer weniger wird.

Als ich den Pickup auf die Straße lenke, fühlt es sich schon ziemlich vertraut und befreit an, die leeren Straßen hinunter zu brettern. Die Stunden verstrichen, es wurde Mittag. Links erblicke ich das Meer. Ich wollte schon immer am Meer sein. Der endlos weite Ozean erzählt seine ganz eigene Geschichte. Ich sehe es als einen anderen Ort. Hier sind wir, doch der endlose Ozean spielt in einer ganz anderen Dimension und darunter herrschen Dinge, von denen auch wir heute noch keine Ahnung haben.

Eine Stunde später kommt eine Kleinstadt. Eine weitere verstrich und der Himmel schenkt mir einen Himmel aus schimmernden orangetönen.  

In der kommenden Stadt hielt ich spontan an. Auf dem Ortsschild steht COMALI.

Der Abend zeigt sich in seiner vollen Pracht. Der Sonnuntergang war wirklich herrlich. So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen. Auf einem Parkplatz hielt ich an. Dann stieg ich aus und ging umher um mir die Füße zu vertreten. Nach ein paar Metern stieß ich auf einen kleinen Supermarkt. Mein Magen fing zu knurren an. Es war jetzt einen Tage her, seit ich etwas Richtiges gegessen habe. Als ich durch die Tür ging, ertönt eine Klingel. Ein junger Mann trat hervor und begrüßt mich.

„Hallo, kann ich behilflich sein?“

Aus unerklärlichen Gründen muss ich zu lächeln anfangen. Es ist komisch, aber hier gefällt es mir und das kann ich nach der ersten Begegnung schon sagen. Es kommt mir vor, als würde ich mich hier auskennen, arbeiten und wohnen. Hier kann ich nach 10 Minuten sagen, dass ich mich wohl fühle. Klingt verrückt, aber hier werde ich bleiben.

„Hallo, nein danke. Ich schaue mich nur um. Wenn etwas ist, werde ich mich melden.“, gebe ich nett zurück.

„Okay. Du bist neu hier. Oder nur auf der Durchreise?“, meldet sich der junge Mann.

Ich schlängle mich durch die paar Reihen.

„Ähm ja, ich ziehe um. Wahrscheinlich sogar hierher. Ich bin einfach losgefahren und werde mich nun wo niederlassen. Leider habe ich keinen Job und keine Wohnung, weshalb ich heute Nacht in meinem Auto schlafen werde, um Geld zu sparen.“ Ehrlich erzähle ich dem Fremden meine Pläne. Ob dies so gut ist, wird sich rausstellen, oder auch nicht. Es ist ja nichts Unrechtes. Er erklärte mir, mit nachdenkendem Blick, er müsse kurz telefonieren. Ich nahm mir einen Einkaufskorb und warf Brot, Marmelade, Äpfel und Plastikbesteck hinein. In die andere Hand nahm ich mir einen Sixpack Wasser. Mein Mund ist schon ziemlich ausgetrocknet und schreit nur so vor Durst. Am liebsten würde ich sofort eine Flasche aus der Folie befreien und auf Ex austrinken. Doch dann kam der Fremde, der mir sympathisch vorkommt, zurück. Ich stelle gerade meine Sachen auf die Theke, als er mit ein breites Grinsen aufzeigt.

„Wieso so glücklich? Hast du im Lotto gewonnen?“, wende ich mich an ihn.

„Nein, aber gleich wirst du auch grinsen. Ich hab eine Wohnung für dich.“ Ich wusste nicht wie mir geschieht. Will er mich jetzt verarschen? Doch wieso sollte er?

„Was? Wie hast du das jetzt angestellt.“, fragte ich fassungslos und grinsend.

„Naja, sagen wir so, ich habe einen guten Freund, der ein altes, kleines Hausboot besitzt. Er möchte es gerne vermieten, da er nicht gerade viel verdient. Es wäre ein kleiner Nebenverdienst, doch niemand hier hat Interesse daran.“

„Ja, ich möchte es mir gerne anschauen. Ich bin um alles froh. Ach ja, ich bin übrigens Leyla.“

„Kein Problem, ich bin Taylor. Ich hab in einer Stunde Feierabend, ich kann dich hinbringen wenn du willst.“

„Das wäre echt toll, danke Taylor. Ich hab riesenglück das ich auf dich gestoßen bin.“, danke ich ihm.

Wir vereinbarten noch, wo wir uns treffen, danach zahlte ich und machte mich mit einen breiten Grinsen auf den Weg zurück zum Auto.

Was wäre gewesen, wenn ich ihm jetzt nicht zufällig begegnet wäre? Egal, ich bin ihm begegnet und nett ist er zudem. Ich öffne die Beifahrertür, werde meinen Einkauf hinein und mache es mir bequem. Die Sonne strahlt mir warm ins Gesicht und ich nehme eine Brise Meeresluft wahr. Auf diesem Moment strebe ich schon lange hin. Taylor habe ich gesagt wo ich parke. Er kommt dann wenn er Feierabend hat und bringt mich aufs Hausboot. Er sagt, ich muss mich nicht sofort entscheiden, es ist nur, dass ich ein Dach überm Kopf habe. Wenn hier alle so freundlich und hilfsbereit sind, war es eindeutig eine richtige Entscheidung.

Pünktlich um 18 Uhr schlendert Taylor über den Parkplatz. In seiner Hand funkelt etwas auf. Als er näher kommt erkenne ich die abgerundete Form eines Schlüssels.

Gemeinsam fahren wir mit meinem Pickup die Straße hinunter. An der Kreuzung biegen wir in eine abgelegene Straße mit Reihenweisen, gigantischen und wunderschönen Häusern. Am Ende dieses Viertels halten wir an einem kleinen Parkplatz. Ich steuere meinen Wagen in die nächstgrößere Lücke, ehe wir austeigen und zum Pier hinuntergehen. Die Kulisse ist einfach atemberaubend. Das Meer und der Strand. Ein kleiner Steg führt geradewegs zu einer Andockstelle. Stillschweigend schreiten wir den Holzweg entlang. Am Ende dessen, treibt ein kleines Bootshaus. Die quadratische Form, der grün, weiße Holzanstrich und die runden Fenster lassen dieses beschauliche Heim idyllisch auf mich wirken. Taylor überreicht mir den Schlüssel und somit die Ehre als erster das Innere zu erblicken. Das Haus besteht aus drei Räumen. Der Wohn-Koch und Essbereich. Das Bad und das Schlafzimmer. Für das, das das Boot schon sehr alt ist, ist der Zustand sehr gut. Kleine Renovierungen wie der Boden oder die Wandfarbe und ein paar alte, kaputte Möbel lassen sich mit ein paar Handgriffen austauschen. Sobald ich einen Job gefunden habe und das nötige Kleingeld fließt.

„Danke Taylor, du kannst deinen Freund ausrichten, ich nehme es.“

„Wirklich? Das ist ja wunderbar.“, erfreut er sich.

„Ja, ich nehme es, vorausgesetzt der Preis stimmt.“ Sein Gesicht bildet eine kleine Stirnfalte.

„Der Monatsmietpreis liegt bei 150€ all inklusive.“

Ich erstrahle förmlich. So ein billiges Haus habe ich noch nie gesehen. Als ich ein Jahr lang in einer WG gelebt habe, musste ich dort schon 250€ zahlen. Hier habe ich ein Haus für mich allein. Zusammen mit dieser Kulisse ein wahrer Traum, den ich mir nun erfülle.

„So, nun brauche ich nur noch einen Job.“, murmle ich vor mich hin. Taylor hat es gehört.

„Ich glaube, da weiß ich sogar etwas.“ Ein hämisches Lachen umspielt seine Mundwinkel.

„Nun sag schon!“, fordere ich ihn lachend auf.

„Hier um die Ecke gibt’s eine Bar. Clary’s. Dort hat erst kürzlich eine Bedienung gekündigt und sie suchend dringend Ersatz. Die Bezahlung soll sehr gut sein und das Trinkgeld darfst du auch behalten. Wahrscheinlich nicht das was dir vorschwebt, aber erstmal besser als nichts. Wenn du willst kann ich mit Clary reden, sie ist meine Tante.“

„Oh mein Gott, das wäre wirklich großartig. Ich kann natürlich auch selbst mit ihr reden, du musst mir nur sagen wo ich hin muss.“

„Ja, was hältst du davon, wenn ich dich morgen abhole und wir dann gemeinsam hingehen?“

„Das wäre großartig, Danke Taylor.

Wir verabschieden uns noch, ehe er in außer Sichtweite kommt.

 

Mit dem Schlüssel fest in der Hand verankert, gehe ich in mein neues, bescheidenes Heim. Ich schleppe meine drei Koffer und etliche Kartons hinein. Das erfreulichste daran ist, die Möbel sind im Preis enthalten. Ich kann sie auch wegwerfen, aber für die erste Zeit wird es wohl reichen. Eine kleine Küche mit Essenstisch, ein Ein Personen Bett und die Universal Dusch und Badewanne mit Toilette sind bereits vorhanden. Was will man mehr?

Die gekauften Lebensmittel stelle ich in der Küche ab. Das erste Mal werde ich hier jetzt essen. Am Tisch. In meinem neuen zu Hause.

Wie ein Schlag erinnere ich mich an mein altes zu Hause. Meinem Vater. Ich krame mein Handy aus der Hosentasche und rufe ihn an, um ihn auf den neusten Stand der Dinge zu bringen. Er ist sichtlich erleichtert und sogar ein wenig erfreut dass ich ein Dach überm Kopf habe.

Nach der kleinen Stärkung schlüpfe ich in meinen Schlafanzug und lege mich in das kleine Bett. Es knarrt unter meinem Gewicht, doch das ist mir egal. Immer noch besser als mein Pickup. Viele Gedanken kreisen in meinem Kopf umher. Was wird morgen passieren? Doch tief in meinem Inneren freue ich mich sogar auf Morgen und meine bevorstehende Zukunft. An diesem Gedanken klammere ich und dann schlafe ich endlich ein.

 

Die Morgensonne strahlt mir warm in mein Gesicht und veranlasst mich aufzustehen. Taylor wird in zwei Stunden hier aufkreuzen.

Eine kalte und prickelnde Dusche am Morgen lässt mich klar denken.

Als nächstes werde ich mir mein Outfit für das „Vorstellungsgespräch“ zusammenstellen. Nach einer halben Stunde hab ich mich dann schlussendlich für eine enganliegende, schwarze Hose und eine weiße Bluse entschieden. Ein Job ist besser als gar keiner. Diese Gelegenheit darf ich mir nicht entgehen lassen. In einem der Koffer befinden sich schwarze Ballerina. Diese sollen mein Outfit vollenden.

Es klopft an der Tür, vorauf ich sofort aufspringe und sie öffne. Taylor steht mit verschränkten Armen im Türrahmen. Lässig und leger. Wir begrüßen einander ehe wir zusammen in die Bar gehen. Das nicht weit entfernte Lokal macht einen netten Eindruck. Der Parkplatz ist bis auf ein paar Autos leergefegt, doch es ist ja immerhin Morgen.

„Hier finden abends Partys statt. Morgens betreiben wir ein Frühstücksbüffet. Gelegentlich haben wir auch ein paar Events am Laufen. Firmenfeiern oder Privatpartys.“, klärt er mich auf. Es gibt also genug zu tun.

Drinnen angekommen begrüßt uns eine Mitte dreißig, gut aussehende, schlanke Frau. „Hallo, du musst bestimmt Leyla sein. Ich bin Clary Torela. Du kannst gerne Clary sagen. Wie mein Nefe mir berichtet, hast du Interesse an einen Job?“

Ich war schon bei manchen Vorstellungsgesprächen, aber so wurde ich noch nie begrüßt. Das gefällt mir. Es wirkt sehr vertraut.

„Ja, es freut mich sie kennenzulernen. Natürlich habe ich Interesse. Ich bin gerade erst neu hierhergezogen und wäre wirklich froh, wenn ich ein geregeltes Einkommen habe.“

„Gut, lass uns den Rest in meinem Büro besprechen.“

Ich folge ihr hinter die Bar, durch eine Holztür. Sie bittet mich in einen der Ledersessel Platz zu nehmen.

„Also, das wichtigste vorab. Du bekommst, vorausgesetzt du unterschreibst, einen Monatslohn von 900€. Das Trinkgeld darfst du behalten. Deine Schicht beginnt von 10 – 17 Uhr. Und zwar Montag bis Freitag. Falls wichtige Veranstaltungen anstehen, kann es sein, dass du einspringen musst.“ Als Bedienung 900€? Das ist natürlich viel Kohle. Mit so viel hab ich nie gerechnet. Das muss doch einen Haken haben.

„Wie schaut es mit meiner Kleidung aus? Was soll ich anziehen?“, frage ich.

„Ach ja, das hätte ich fast vergessen.“ Sie steht auf, öffnet eine Schranktür und kramt herum. „Der Gehalt ist natürlich mehr als bei üblichen Bedienungen. Das hat auch seinen Grund.“ Mit einem Stofffetzen kehrt sie an ihren Platz zurück. Ich wusste doch, dass es einen Hacken gibt. „Hier.“ Sie reicht mir das braune Lederimitat. „Weißt du, wir benötigen dringend Personal. Gerade erst hat eine gekündigt, weil sie mit den Umgang mit den Menschen nicht klar gekommen ist. Mein Vorschlag ist deswegen, du arbeitest erst einmal eine Woche probe. Danach entscheide ich, ob du hier das Zeug hast um hier anfangen zu können.“ Ich betrachte meine „Arbeitsuniform“. Eine kurze Jeans Hot Pants und ein Lederleibchen, wo hinten der Name des Lokals eingestickt ist. Sehr sexy. Ich schaudere kurz. Hot Pants gehören sowieso zu meinen alltäglichen Klamotten. Doch das Lederleibchen ist sehr eng. Meine Brüste sind dann auf jeden Fall nicht versteckt. Mit meiner Figur habe ich seit ich 20kg abgenommen habe, keine Probleme mehr. Ich wurde in meiner Schulzeit immer gemoppt. Ich hatte keine Freunde. Ich musste schon sehr viel durchstehen. Und dann auch noch das mit meiner Mutter.

Aber jetzt bin ich hier. Bereit für ein neues Leben. Ich werde allen zeigen, was ich für eine sexy und gute Kellnerin ich sein werde.

„Gut, wann kann ich anfangen? Montag oder Morgen schon?“ Zuerst war ihre Miene sehr erstaunt und aufgeschreckt. Nun schenkt sie mir ein Lächeln.

„Am besten heute noch. Du kannst den Rest der Woche die Abendschicht von 18 – 00 Uhr übernehmen. Nächste Woche kannst du dann normal arbeiten.“

„Okay, dann bis heute Abend.“

Ich reiche ihr die Hand und verabschiede mich. Sie ist sehr erfreut über meine lockere Art. Mit Menschen kann ich gut umgehen. Meine Kindheit ist geprägt von ehrenamtlichen Diensten.

Die Arbeiterinnen, in dieser Schicht, tragen gerade Kaffee und Hörnchen den einzelnen Kunden hin. Ich freue mich auf diese neue Herausforderung. Ein neuer Ort, ein neues Leben. Dieses Motto wird mich in der kommenden Zeit begleiten.

 

 

 

 

 

2. Der Beginn des Alltags - oder etwa doch nicht? /Leyla

 

Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum!

 

 Wieder zu Hause, rufe ich als erstes meinen Vater an. Ich will ihm keine unnötigen Sorgen bereiten, indem ich mich nicht melde. Nach dem dritten Piep ertönt seine aufgebrachte Stimme.

„Hallo Schätzchen, ich dachte schon, du rufst gar nicht mehr an!“

„Hey Papa.“

„Wie geht’s dir? Hast du dich schon eingelebt? Brauchst du Geld? Kleidung? Möbel? Ich kann dir welche schicken.“

„Mir geht’s gut. Beruhige dich. Ich habe einen neuen Job. Naja, vorerst muss ich eine Woche Probearbeiten.“

„Das sind ja gute Neuigkeiten.“

„Apropos Möbel. Du könntest mir tatsächlich welche schicken. Hier habe ich zwar auch ein paar. Doch ich weiß nicht, wo ich meine Klamotten einräumen soll. Wenn ich ein wenig Geld zusammengespart habe, werde ich aber sowieso renovieren.“

„Das werde ich machen. Wo wohnst du?“

In dieser Zeit habe ich ihn schon zwei Mal angerufen. Doch ich habe ihm noch nicht erzählt, wo ich wohne.

„In Cumali, Pier 2.“

Am anderen Ende der Leitung herrscht Stille.

„Okay.“

Nur Okay?

„Ich werde dir ein paar Möbel zukommen lassen. Vielleicht werde ich dich auch besuchen kommen.“ Aha, war doch noch nicht alles.

„Du musst nicht kommen. Ich komme alleine zu Recht. Ich habe eine Wohnung und einen gut bezahlten Job. Also kein Grund sich sorgen zu machen.“

„Ich vermisse dich.“

„Ich dich auch Paps. Ich werde mich melden.“

„Okay, tschüss mein Schätzchen.“

„Bye.“

Dann lege ich den Hörer auf.

 

Damit mir die Wartezeit nicht wie quälend, langsam verstreichende Stunden vorkommen, beschließe ich, einer meiner alten Gewohnheiten nachzugehen. Joggen. Dabei kann ich den Kopf freikriegen. Es entspannt mich und wenn zugleich Musik auf mich einwirkt fühle ich mich stark und unzähmbar.

Nachdem ich meine Sportklamotten überstreife, meine Kopfhörer reinstecke, kann es schon losgehen. Ich verfalle in einen langsamen Trab. Nebenbei erkunde ich die Umgebung. Ich weiß einfach zu wenig über diesen wunderschönen Ort. Das berauschende Gefühl das Meer zu erkunden, neue Menschen kennenzulernen und das Leben selber in die Hand zu nehmen ist sehr aufbauend. Ich laufe und laufe. Immer weiter, immer schneller. Der Wind liebkost mein Gesicht. Meine Haare beugen sich dem Wind. Ein atemberaubendes Gefühl der Verheißung. Mein Blick auf die Armbanduhr verrät mir, dass ich schon geschlagene 2 Stunden unterwegs bin. Die Menschen, denen ich begegne, grüßen alle sehr freundlich und zuvorkommend. Ich fühle mich wirklich sehr wohl hier. Mein Weg endet bei Taylor. In seinem Laden kaufe ich noch frisches Obst und Gemüse. Getränke und Fleisch. Er reicht mir eine Stofftüte, damit ich noch heil nach Hause komme. Den Rest des Weges beschließe ich zu gehen. Das Essen wird es mir danken.

In meinem neuen Heim, stelle ich alles in die Küche. Die Musik dröhnt mir immer noch in den Ohren. Im Takt tanze und singe ich mit. Nur gut das mich niemand sieht. Wie mir schlagartig bewusst wird, habe ich nicht einmal einen Topf, um mir essen zu machen. Im Schrank unter der Arbeitsfläche befindet sich glücklicherweise noch eine alte, verstaubte Pfanne. Diese setze ich auf den Elektroherd.

Ich schnipple das Gemüse in kleine Stücke und brate sie an. Dasselbe mache ich mit dem Schweinefleisch, nachdem ich sie mit Salz und Pfeffer, die noch im Regal standen, gewürzt habe. Danach stelle ich die Pfanne auf den kleinen Essenstisch und schaufle Löffel für Löffel in meinen Mund. Da ich nicht weiß, in welchen Karton die Teller sind, ist dies die Alternativlösung. Wenn Paps mir ein paar Möbel zukommen lässt, kann ich mit dem ausräumen beginnen.

Ich spüle die Pfanne ab und trinke noch einen großen Schluck von meiner Plastikflasche, ehe ich in die Dusche springe. Das Wasser ergießt sich über meinem Kopf. Rinnsale fließen von meinen Kopf über meinem Bauch hinunter zu den Füßen, bevor sie auf den Boden prasseln. Die Shampoo Flaschen habe ich ganz oben in einen der Pappschachtel einsortiert, sodass ich nun Gebrauch davon machen kann. Große Schaumkleckse fallen ebenfalls auf den weißen Untergrund. Ich stelle das Wasser ab und greife nach dem Handtuch. Sorgfältig trockne ich meinen Körper ab.

Außerhalb der Dusche ziehe ich mir meinen Slip über. Ein roter Push-up BH soll meine Brüste in meiner Arbeitsuniform zum rechtmäßigen Platz rücken. Normalerweise bin ich eher der Typ von bequemen Klamotten, aber nun muss es halt so sein. Dort legt man eben Wert Äußerlichkeiten. Die Hotpants betonen meinen Arsch. Ich besitze auch solche Hosen, ich bevorzuge aber mehr welche, die meine Arschbacken völlig bedecken. Nun folgt das Lederleibchen. Am liebsten würde ich darunter noch ein weißes Top platzieren. Immerhin muss ich so auf die Straße gehen. Wenn ich mich mit jemanden vergleichen müsste, dann mit Daisy. Daisy von dem Film: Ein Duke kommt selten allein. Sexy und verführerisch. Kein Mann kann ihr wiederstehen. Unberechenbar schön. Naja egal. Ich muss mich jetzt auf den Weg machen. Nur noch schnell die roten Jacks an.

Kurz vor der Bar stoppe ich und atme noch ein paar Mal kurz durch. Dann wage ich den ersten Schritt zu meinem neuen Job und meinem neuen Leben.

Clary rennt mir sprichwörtlich schon in die Arme.

„Hallo Leyla. Wow, du siehst wirklich heiß aus. Ich hätte im Leben nicht gedacht, dass dir das so gut steht. Hier, ich möchte dir jemanden vorstellen. Das ist Christina. Sie wird dir alles zeigen und dir deine ersten Aufgaben zuteilen, bis du dich auskennst.

Ein braungebranntes, dunkelhaariges Mädchen reicht mir die Hand. Ihre langen, seidig weichen Haare fallen ihr über die Schultern. Die grünen Augen lassen ihr Gesicht engelsgleich erscheinen. Zusammen mit dem hellen Leder sieht sie wirklich sehr heiß aus.

Nett gebe ich ihr meine Hand.

„Hallo, freut mich ich bin Leyla.“

„Christina.“

„Wie ich sehe harmoniert ihr ja schon super. Leyla, ich wünsche dir einen schönen Arbeitstag und viel Erfolg. Chrissi, du erteilst mir dann Bericht.“

Meine Chefin verzieht sich in ihr Büro, sodass ich mit Christina alleine hierstehe.

„So, also wir sind hier heute in der Unterzahl. Eine Kollegin ist krank geworden, sodass wir das heute alleine stemmen müssen. In einer halben Stunde ist Einlass. Abends ist hier immer alles voll. Dies ist vor allem eine Bar der Reichen Schnösel, die hier immer haufenweise Geld fließen lassen. Falls sie dich blöd anpöbeln denk dir nichts dabei und ignorier es. Ich würde vorschlagen, du übernimmst die Tische 10-20 und ich nehme die anderen.“ Sie zeigt mir die Tische, um die ich mich kümmern muss und zudem noch, wo ich an der Bar die Getränke holen muss. Eine Preisliste und einen Geldbeutel, den ich mir mit einer Kette an meiner Hose festmache bekomme ich auch gleich. Chrissi kommt mir sehr sympathisch rüber. Sie erklärt mir alles sehr ausführlich und falls ich fragen habe, kann ich auf sie zurückkommen. Heute werden sehr viele Leute erwartet.

Als wir auf die ersten Gäste warten, plaudern wir noch ein wenig.

Sie lebt hier schon seit ihrer Geburt. Es ist eine kleine Stadt mit vielen Möglichkeiten. Das Leben hier ist vergleichbar mit dem Landleben. Jeder kennt jeden und jeder grüßt jeden. Hier steht Freundschaft vor allem.

Nachdem ein paar Plätze besetzt sind, beginne ich meine Arbeit. Viel Erfahrung mit bedienen habe ich nicht, aber ich bin bereit und offen für neues. Mit Menschen kann ich gut umgehen. Die gierigen Blicke der Männer sind schon miteinprogrammiert. Solange sie mich nicht begrabschen, komme ich gut damit zu recht. Falls sie mich angraben, werde ich nicht stillschweigend daneben stehen.

Am Tisch 13 warten mich fünf Männer. Freundlich begrüße ich sie. Normal gekleidet und in einen Gespräch vertieft. Bis ich mitten hinein platze. Machthungrige Blicke durchbohren mich von Kopf bis Fuß.

„Hey, was darf ich euch bringen?“

Ich nehme die Bestellungen auf und hole die Getränke. Zwei Bier und drei Carona. Gekonnt stehle ich sie bei den einzelnen Personen ab und kassiere das Geld.

„Dankeschön Kleines. Bist du neu?“, fragt mich der gesprächigste von ihnen. Wahrscheinlich hat er das sagen in dieser Gruppe.

„Ja, ich bin neu. Heute ist mein erster Tag.“, antworte ich neckisch. Bei solchen Kunden muss man einfach die weiblichen Seiten zeigen. Ob ich nun will oder nicht, mir bleibt nichts anderes über, wenn ich hier anfangen will.

Er lehnt sich zurück und schlürft von seinem Bier. Ich drehe mich um und gehe zurück an die Bar, wo ich den besten Überblick habe.

An diesem Abend fertige ich noch zahlreiche Tische ab. Der Schweiß tropft mir von der Stirn. Alle Tische sind besetzt und in den Ecken unterhalten sich verschiedene Gruppierungen. Seien es Mädchen oder reiche Männer, die hier riesige Champagnerflasche nach der anderen verprassen.

„Noch ne Flasche.“, ertönt am Tisch 11 neben mir. Heftig nicke ich dem jungen Mann mit weit aufgeknöpftem Hemd zu. Lässig liegt sein Arm auf der Stuhlrückenlehne. Er ist in Begleitung einer hübschen Frau, die ihn begierend anstachelt und an seinem Hemdkragen herumfummelt. Nach seiner Reaktion, findet er dies als normal und es bestärkt seine Coolheit enorm.

Die Pappschachtel mit den übergroßen Flaschen beginnen sich zu leeren und es ist noch nicht einmal die Hälfte des Abends zu Ende.

Ich stelle sie vor dem Kunden ab und er gibt mir viel zu viel Geld. Im Geldbeutel krame ich das Wechselgeld zusammen, als sich eine Hand um mein Handgelenk schließt.

„Lass gut sein. Stimmt so.“ Sein silberner Armreif liegt kalt auf mir. Ein Dankeschön und schon eile ich zum nächsten Tisch, nachdem er mich losgelassen hat. Seine Frau schenkt mir böse Blicke.

Die leeren Flaschen und Gläser sammle ich alle auf, um sie Rey zu bringen. Er ist der Barkeeper, der uns die Getränke gibt. Freundlich stellte ich mich bei ihm vor und er sich ebenfalls. Rey ist sehr nett und hilfsbereit. Vor allem aber sieht er wahnsinnig attraktiv aus.

Die Zeit verrinnt wie im Rausch. Die Geldbörse fühlt sich und die Gäste werden schönlangsam weniger.

„Lass mich los!“, höre ich Christina zischen. Mein Kopf macht eine 360 Grad Drehung. Die Hand eines Mannes liegt um ihrer Taille, die immer weiter hinunter Richtung Arsch wandert. Ohne Nachzudenken marschiere ich zu ihr hinüber. Sie windet sich in seinem Griff, doch er lässt nicht locker. Seine Kumpels am Tisch amüsieren sich über das Schauspiel. Zum Teufel mit den guten Manieren, kann ich da nur sagen.

„Lass sie los.“, rede ich ruhig auf ihn ein. Er hebt den Kopf vielsagend ein wenig in meine Richtung an. Ein kalter Schauder jagt mir den Rücken hinunter.

„Uhh, noch eine. Da macht das Ganze doch gleich doppelt Spaß.“ Ein siegessicheres Lachen geht durch die Runde. Wenn er denkt, dass ich mich so einfach in seine Hände fallen lasse, hat er sich geschnitten. Jetzt mache ich siegessicher einen Schritt auf ihn zu, packe sein Handgelenk und bereite ihm sehr viele Schmerzen, indem ich seine Hand umdrehe. Christina ist befreit und er steht freiwillig auf. Seine Hand drücke ich an seinen Rücken, was ihm höllische Schmerzen zukommen lässt.

„Okay, okay, okay, tut mir leid.“, gibt er kleinlaut zu. Abrupt löse ich meinen Griff und drehe mich zu meiner Kollegin um.

„Alles in Ordnung?“

„Ja, alles Okay. Danke dass du mir geholfen hast. Ich war jetzt wirklich aufgeschmissen. Beinahe hätte ich Rey gerufen.“

„Kein Problem. Ist doch selbstverständlich.“ Dann grinsen wir uns beide gegenseitig an.

Als dann um kurz vor zwölf nur noch ein paar Menschen an ihren Getränk hängen, kommt Chrissi auf mich zu.

„Du hast wirklich gute Arbeit geleistet. Wir sehen uns morgen.“ Sie verabschiedet sich von mir, daraufhin gehe ich. Es war mein erster Arbeitstag und ich bin völlig fertig. Es war sehr ereignisreich.

Die lauwarme Nachtluft streichelt warm mein Gesicht. Auf dem Nachhauseweg lasse ich den Abend noch einmal Revue passieren. Ich biege auf dem Parkplatz und erblicke mein Auto. Daneben steht ein getuntes Auto. Ein dunkelblauer Mustang, der auf dem ersten Blick mein Herz erwärmt. Da niemand in der Nähe ist, umkreise ich den hochmodernen Wagen. Ein Traum jeder Frau. Naja mein Traum. Ich wollte schon immer mit einem schnellen Wagen die Straße jagen. Das Autofahren, also nicht das an die Regeln halten Autofahren, sondern das Adrenalin getränkte Autofahren liebe ich. In meiner Vergangenheit war ich einmal in meinem Leben Beifahrerin. Normalerweise bin ich diejenige, die am Steuer sitzt. Doch bei diesem einen Mal musste ich beinahe mein Leben lassen. Es war in einem Doge Charger. Die Gefühle, die ich darin hatte, waren Freiheit, Ungezwungenheit und Adrenalin. Diese Seite gehört aber nun zu den Akten. Die Narbe, die meinen Rücken von oben bis unten säumt und die eine, die von der Schulter zum Nacken fließt sind das Ausmaß einer Katastrophen Nacht. Nicht zu vergessen, die Narbe in meinem Oberschenkel, wo sich ein Autoteil verkeilt hat und ich beinahe bei lebendigen Leibe aufgespießt wurde. Die Rettungskräfte schnitten mich vom Wagen los und flogen mich, samt meinen Spieß im Fuß in die nächste Klinik.

Ich dachte schon lange nicht mehr an diese Nacht. So gut es geht, verdränge ich den Gedanken daran. Ich krame die Schlüssel aus meiner Hose und sperre die Haustür, nachdem ich den hölzernen Weg absolviert habe, auf.

Drinnen mache ich mich als erstes Bettfertig, lege mich anschließend hinein und verfalle augenblicklich in einen tiefen Schlummerschlaf.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Die Reise zurück in den Kampf um die Krone /Nick

 

Home sweet Home

 

 Die Autos sind schon verschifft. Nun fehle nur noch ich. Letztes Jahr habe ich es zeitlich nicht hinbekommen wieder nach Hause zu fahren. Die Karriere steht in meinem Leben halt an erster Stelle. Wie dem auch sei, werde ich nun wieder einmal nach Hause kehren. Dort habe ich wenigstens meine Ruhe von den vielen Menschen, die mich tagtäglich belagern und Autogramme fordern oder mich über mein Privatleben auskundschaften. Es ist kein großes Geheimnis, dass ich mich nicht in einer festen Beziehung befinde und nur schnell eine Nummer schiebe. Die Mädels fallen mir zu Füßen, aber sie wissen, es ist nur für eine Nacht und dann hat sich die Geschichte. In letzter Zeit aber, ziehe ich mich lieber zurück und verbringe meine Abende allein. Die Trostlosigkeit spiegelt sich aber schnell wieder in der Arbeit ab. Weshalb mir dieser Urlaub wieder zurück zu meinen Stärken verhelfen soll. Dieser Sommer wird energiegeladen, äußerst reizvoll, alkoholisch und schnell. Dessen bin ich mir jetzt schon sicher. Meiner Mutter habe ich Bescheid gesagt, worauf sie überglücklich ist, mich einmal wieder zu sehen. Seit der Scheidung mit Ehemann Nummer zwei ist sie die meiste Zeit alleine. Als Immobilienmaklerin verdient sie zwar relativ gut, sie muss aber auch weite Reisen auf sich nehmen, um die schönsten Wohnungen zu verkaufen. Ich lenke das Hausboot, dass ich seit Jahren schon besitze auf die nächste Reise. Dies hier eignet sich nicht nur als Wohnung, sondern auch als Werkstadt. Neben dem Fußballspielen ist dies meine zweite Leidenschaft. Das Rennfahren.

Meine Heimreise dauert jetzt noch zwei Tage, wenn nichts dazwischen kommt. Währenddessen schlage ich die Stunden auf dem Deck tot. In der Sonne brate ich genüsslich vor mich hin. Zwischendurch plane ich die Willkommensparty mit meinen Freunden und Rennfahrerkollegen. Wenn ich dann am Samstagmorgen ankomme, werde ich für den Abend alles erdenkliche Einkaufen und meine Autos am Pier, wo ich mein Haus andocke zur Schau stellen. Diese vier Schätzchen sind alles was mir Lieb und teuer ist. Und natürlich meine Fans, auch wenn sie mir manchmal auf die Nerven gehen. Am Haus wird dann noch eine Plattform, also so gesehen die Terrasse mit Schwimm und Whirlpool befestigt. Insgesamt kann man es als gewöhnliches Haus am Meer betrachten. Irgendwie bin ich sogar stolz auf das. Es betont meinen Reichtum, doch nicht im übertriebenen Sinn, sondern auf eine Weise, die für alle von Vorteil ist. Wenn der Sommer zu Ende ist, werde ich die Plattform abbauen und aufbewahren lassen. Danach packe ich wie immer meine Sachen und verziehe mich zu meinem Fußballclub FC Bulmati, einen der Besten seiner Klasse. Früher spielte ich wie wahrscheinlich jeder Junge in seiner Heimat. Ich war beim FC Cumali. Sie sind nicht schlecht, aber auch nicht besonders gut. Sie spielen in der zweiten Liga. Bis jetzt sind sie Dritter. Um aufzusteigen, und dort auch noch erfolgreich zu sein, sollten sie eine Schippe drauflegen. Als ich gewechselt habe, waren alle sehr enttäuscht von mir. Einer ihrer wichtigsten Stammspieler, Stürmer und Freund hat beschlossen sie für einen besseren Club und für mehr Geld zu verlassen. Diese Entscheidung fiel mehr schwer, aber nun bin ich nahezu so gut wie Robert Lewandowski. Einer meiner größten Vorbilder. Wie dem auch sei, werde ich mir in Cumali als erstes das beste Street Girl suchen, das es gibt. Als nächstes meine Autos auf Vordermann bringen und noch die Lachgaseinspritzungen einbauen. Heuer will ich wieder gewinnen. Dieses Mal kommt mir Taylor nicht so einfach davon…

 

4. Neue Freunde und Erkenntnisse /Leyla

 

Wenn Schicksal und Vergangenheit aufeinandertreffen

 

 Die Nacht verlief ruhig und traumlos. Irgendwann am Morgen bin ich von der Sonne wachgeküsst worden. Nun sitze ich am Tisch mit BH und einer Jogginghose und schlürfe eine Tasse heißen Kaffee, den ich frisch aufgebrüht habe. Ein Blick auf meine Uhr verrät mir die Uhrzeit: 09:30 Uhr. Ich lehne mich zurück und massiere mir den Nacken. Als ich aufgewacht bin, war ich furchtbar verrenkt und nun habe ich Nackenschmerzen.

Ein klopfen ließ mich wieder in die Realität zurückkehren. Die Tür. Ich bekomme besuch. Ich habe nur einen BH an! Oh mein Gott! Ich hüpfe wie von einer Tarantel gestochen auf und laufe ins Schlafzimmer. Dort liegt mein Koffer offen und einige Kleidungsstücke hängen heraus. Meine Hand umschließt das erst beste Oberteil. Ohne nachzudenken, ziehe ich es mir über. An der Tür bemerke ich, dass es ein ausgeleiertes Top ist, das kurz über meinem Bauchnabel aufhört. Da hätte ich gleich nur im BH aufmachen können. Vor mir steht Taylor.

„Hey“, begrüßt er mich und tritt ein.

„Hallo“, entgegne ich ihm. Etwas verwirrt schaue ich ihm nach, als er sich so mir nichts dir nichts einfach auf einen Stuhl sinken lasst und die Füße hochlegt.

Festgewurzelt stehe ich da. Er schaut mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Langsam löse ich meine Starre und setze mich auf den Stuhl daneben.

„Ich hab den Mietvertrag dabei. Hier.“ Er reicht mir das Dokument. „Les ihn durch, unterschreib und gib in mir dann einfach wieder. Ich warte währenddessen.“

Ich nehme den Umschlag entgegen und öffne ihn. Vor mir warten ein paar Seiten Text, die ich durcharbeiten muss. Und das ihm Schnelldurchlauf. Ich fliege geradezu über die Zeilen mit meinen Augen und arbeite mich vor. Als ich am Ende angelangt bin, habe ich nichts Falsches ermittelt. Die Monatsmiete liegt bei 150€. Mit den Möbeln kann ich anfangen was ich will. Renovierungen muss ich vorher mit dem Vermieter absprechen, wo mir Taylor versichert, dass sein Kumpel Alec nichts dagegen hat, da er weiß, in welchem Zustand sich dieses Haus befindet. Somit habe ich nichts gegen diesen Vertrag auszusetzen. Es ist eben eine Absicherung für Alec, wer weiß, zu was ich alles fähig bin. Nachher reiße ich alles ab, und errichte noch ein Hotel. Okay, das wird nie im Leben passieren. Er reicht mir einen Kugelschreiber und dann unterschreibe ich den Vertrag. Nun bin ich offiziell Mieter dieses Hauses.

„Gut, dass ist erledigt. Herzlichen Glückwunsch zu deinem neuen Heim.“ Er reicht mir die Hand und schüttelt sie kräftig. „So, Clary hat mich gebeten, dir das zu geben. Sie sagt, ich zitiere: „Wenn jemand so viel Mut beweist, und anderen aus der Not hilft, zudem eine grandiose Arbeit leistet und auch noch super aussieht, derjenigen muss ich einfach einen Job geben. Also hier, dein Arbeitsvertrag. Lies ihn, und nimm ihn heute zur Arbeit mit. Was machst du heute Nachmittag? Hast du Lust die Gegend zu erkunden? Ich fahr auch.“ So viel Infos auf einmal. Zuerst einmal nehme ich den Arbeitsvertrag entgegen. Ich bin so sprachlos, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte, zum Glück habe ich keine.

„Wieso nicht? Ich kenne einfach zu wenig von diesem Ort. Wann kommst du?“ Wenn ich die Vergangenheit hinter mich lassen will, muss ich es zulassen, die Kontrolle über das Steuer jemanden anders zu überlassen. Es fällt mir so schwer, dass ich die Wörter sehr unsicher von mir preisgebe. Auf seiner Stirn zuckt kurz eine Falte auf, ehe er weiterspricht.

„Okay, das freut mich. Ich bin um 2 Uhr hier. Mach dich auf eine grandiose Autofahrt gefasst.“

Oh, wie grandios sie werden wird, weiß er noch gar nicht. Die Tatsache, dass ich ihn am liebsten für den Fahrersitz umbringen will, verheimliche ich besser. Über diese Sache, habe bisher noch niemanden erzählt. Außer meinem Therapeuten. Meine Mutter dachte, es sei eine gute Idee, ihr zuliebe bin ich hingegangen. Hinterher fühlte ich mich auch nicht besser. Das einzige, was ich aus diesen Sitzungen mitgenommen habe, ist ein Verbündeter, denn ich meine Geheimnisse anvertraut habe. Hermann Nickels. Nur er kennt die wahre Geschichte jener Nacht. Er war es auch, der mir gesagt hat, die Reaktion, die ich auf Fahrersitz – Beifahrersitz hege, seien vollkommen normal und diese Angst, nicht die Kontrolle zu haben, werde ich höchstwahrscheinlich auch nie verlieren.

Ich verabschiedete Taylor und ich krame meinen Laptop hervor. Ich checke meine E-Mails. 0 neue Nachrichten. Damit komm ich klar. Mein altes Leben will ich hinter mir lassen und das geht am besten, wenn ich keinen Kontakt mehr zu alten Bekanntschaften pflege. Die neuesten Neuigkeiten vom FC Bulmati erscheinen. Sieg gegen Fragas. Wenn ich ein Fan bin, dann von diesem Fußballverein. Siege und viele Meisterschaften gehen auf deren Konto. Und ich wohne nur 1km vom Stadion entfernt. Leider fehlte mir bisher das nötige Geld, um mir ein Spiel anzuschauen.

Den Laptop schalte ich aus und überlege, was ich nun machen soll. Die Möbel, damit ich meine Kartons ausräumen kann, sind noch nicht eingetroffen. Puhh. Ich sitze da. Schaue doof in die Luft und warte bis die Zeit vergeht. Ich warte und warte. Dann nehme ich spontan denn Arbeitsvertrag und lese ihn sorgfältig durch.

Dort steht nichts, was ich nicht schon wüste und somit unterschreibe ich auch diesen Vertrag.

Nun besitze ich eine Wohnung und habe einen neuen Job in der Tasche. Überglücklich krame ich den benötigten Papierkram hervor und lege ihn zu dem Vertrag, denn ich heute Abend wieder abgeben werde.

Dieser Ort bringt bisher nur positives mit sich. Und nun kann ich endlich den Strand besichtigen. Meinen blauen Bikini habe ich in meinem Koffer schon erblickt und ziehe ihn an. Darüber ein hellblaues Sommerkleidchen. In einer kleinen Tasche lege ich ein Handtuch und Sonnencreme. Jetzt werde ich den Schritt in das kühle Nass wagen. Oder so in der Art.

 

Am Strand weht eine warme Meeresbrise und die Sonne brennt ins Gesicht. Neben meinem Haus befindet sich gleich der gelbe Sandstrand, dort lege ich das Badetuch hin und ziehe mein Kleid aus. So schnell wie möglich bahne ich mir einen Weg zum kühlen Wasser. Der Sand brennt heiß unter den Fußsohlen. Gekonnt springe ich in das Meer. Wenn man jede Woche schwimmen geht, weiß man irgendwann, wie man richtig springen muss. Tauchend schwimme ich immer weiter und tiefer hinunter. Es ist ein atemberaubendes Gefühl der Schwerelosigkeit. Federleicht drehe ich mich wie eine Meerjungfrau, bis ich an der Oberfläche ankomme. Die Entfernung zum Ufer ist sehr gewachsen, deswegen schwimme ich wieder zurück, nicht das ich zu weit wegtreibe, das wär ein schöner Schlamassel. Noch einmal tauche ich bis zum Boden ab. Dort erblicke ich eine Muschel. So groß wie meine Hand. Mit den Knien sinke ich den Sand und betrachte das Naturkunstwerk. Kurzerhand beschließe ich, sie mitzunehmen. Mit dem Kopf im Nacken tauche ich auf.

Auf meinem Handtuch lege ich mich hin und genieße einfach nur den Augenblick. Die warme Liebkosung der Sonne erzeugt ein prickelndes Abenteuer auf meiner Haut. Die Palmen werfen Schatten und das Meer glitzert in abertausenden Funken. So kann man es aushalten.

Immer wieder drehe ich mich und lasse mich von allen Seiten erwärmen.

„Leyla? Bist du das?“

Schlagartig drehe ich mich wieder auf den Rücken, um zu sehen, wer mich beim Namen angesprochen hat. Christina.

„Christina. Hay, wie geht’s?“

„Gut. Willst du dich auch ein wenig sonnen? Kann ich mich zu dir gesellen?“, fragt mich die nette Kollegin, die ich aus der Patsche geholfen habe.

„Na klar! Ich habe ja sonst auch keine Gesellschaft.“

„Danke.“ Sie legt ihr Handtuch neben mir ab und entblößt ihren Modelkörper. Sie trägt einen weißen, trägerlosen Bikini, der schön ihren bronzehautton unterstreicht.

„Weißt du, es trifft sich gut, dass ich dich hier erblickt habe. Dann können wir mal quatschen und uns kennenlernen.“

„Ja, ich bin froh jetzt eine Wohnung und einen Job zu haben, ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin.“

„Das glaube ich. Erst kürzlich hat mich mein Freund betrogen und nun habe ich ihn rausgeworfen. Es fühlt sich komisch an, nun alleine zu wohnen. Gesellschaft bekomme ich sonst auch nur durch die Arbeit.“, vertraut sie mir an. Schon ist sie mir noch ein Stück sympathischer geworden.

„Das tut mir leid. Wie geht’s dir? Kommst du klar?“

„Ja, muss ich ja. Anfangs wusste ich nicht mehr, welchen Zweck mein Leben noch haben soll, und nun, lebe ich mein Leben, warte auf den richtigen und mache nun endlich das, was ich will.“

„Das nenn ich mal eine gute Einstellung. So ähnlich ist es bei mir auch. Ich komme von Bulmati. Dort habe ich viele Fehler gemacht und viel verloren. Deswegen wollte ich weg. Ein neues Leben. Weg von der Vergangenheit. Ich brauchte einen … Neuanfang. Denn habe ich hier gefunden.“, vertraue auch ich ihr an.

„Danke. Danke,… dass ich mit dir reden kann. Es fühlt sich gut an, mit jemanden mal darüber zu sprechen. Das ist so verrückt...“, beendet sie ihre Worte.

„Was ist denn verrückt?“, dränge ich nach einer vollständigen Antwort.

„Das es mir vorkommt, als würde ich dich schon lange kennen. Mit dir kommt es mir so Unkompliziert vor. Wie mit einer guten Freundin.“

„Gut, dass ich da nicht die einzige bin.“ Lachend nahmen wir uns in die Arme. Ein Hauch von Geborgenheit schwang darin umher. Es ist wohl Schicksal, wenn eine Betrogene und eine Hoffnungslose aufeinandertreffen. Es entsteht Freundschaft. Wahre und aufrichtige Freundschaft. Ob dies in Kraft tritt, kann ich nicht sagen. Doch diese Umarmung sagt mir, dass es etwas ganz besonderes werden kann. Man muss nur daran glauben und arbeiten.

„Wenigstens bin ich nicht mehr alleine.“, gibt sie mir ebenfalls lachend zurück, während wir uns aus der Umarmung lösen.

„Du kannst immer anrufen, wenn etwas ist.“ Wir tauschen Nummern aus, ehe wir stillschweigend das Meer betrachten.

„Naja, heute wird wieder ein Haufen los sein bei der Arbeit.“

„Warum eigentlich?“, frage ich ahnungslos.

„Bald beginnen wieder die Road Races. Noch nicht gehört?“ Nun klärt sie mich auf. In meinem Gehirn schwingen bereits die Alarmglocken.

„Jedes Jahr finden auf den Straßen der Stadt Rennen statt. Die Reichen und die normalen Typen bringen dazu ihre besten Kisten auf die Straße. Heuer wollen sie etwas ganz besonders machen. Ein Desert Fight. Eine ganze Gruppe von Autos jagt durch Wüstenstrecken. Daneben sitzen die Street Girls.“

Die Alarmglocken schrillen. Ich will sie nicht hören. So wird die Vergangenheit wieder Aktuell. Mein Interesse ist nun vollkommen geweckt.

„Was sind Street Girls?“

„Frauen, die den Fahren Anweisungen geben, welche Routen oder Abkürzungen am kürzesten, bzw. gefahrlosesten sind.“

Auch wenn mein innerstes bis auf das äußerste gereizt ist. Ich darf nicht mitmachen. Wenn ich daran denke, was ich beim Letzen Mal für Schäden davon getragen habe. Nein. Davon muss ich mich fernhalten.

Mein Handywecker ertönt und wirft mich aus den Gedanken. Heilfroh bin ich um die Ablenkung.

„Christina, es tut mir wirklich sehr leid, aber ich muss jetzt gehen. Taylor holt mich ab. Er will mir die Umgebung zeigen.“

„Du weißt schon, dass er auch Rennfahrer ist, oder?“

Na toll. Mit verzogener Miene mache ich ihr klar, dass ich bisher nicht einmal wusste, dass auch hier illegale Straßenrennen betrieben werden.

„Pass einfach auf, ja? Versprich mir das. Es ist aber auch nichts, was noch keine Frau von hier versucht hat.“

„Ich verspreche es.“ Auch wenn ich keine Ahnung habe, was ihre Bemerkung in Bezug auf die Frauen von hier zu bedeuten hat, aber okay. Ich werde vorsichtig sein.

 

Zurück am Haus fährt gerade Tyler um die Ecke. Sein Porsche brüllt schon von weitem. Schnellst möglichst wechsle ich den Bikini gegen Unterwäsche. Darüber wieder das Kleid. Meine Haare öffne ich und käme sie durch, da sie sehr verfilzt sind. In dem Moment, als ich die Bürste beiseitelege, klopft es an der Tür. Ich reiße sie auf und entdecke ihn. Zusammen gehen wir zum Auto. Die Beifahrertür thront genau vor mir.

„Alles okay?“ Ich nicke ihm zur Antwort. Reis dich zusammen Leyla, ermahne ich mich!

Der Ledersitz fühlt sich geschmeidig an. Dann lässt er den Motor aufheulen und biegt mit mir aus dem Parkplatz. Hinaus auf die Straße. Wenn er ein Rennfahrer ist, weiß er was er tut. Naja, das dachte ich auch von meiner Mutter.

 

Neben den Straßen sind Häuser, Bäume und Menschen. Freundlich grüßt er den staunenden Menschen zu. Ja, es ist schon ein cooles Gefühl, wenn man um sein Auto beneidet wird.

Wohl fühlen tue ich mich neben ihm ganz und gar nicht. Ich versuche so gut es geht mich an seiner Stimme, die gerade Touristenführer spielt zu orientieren. Hoffentlich bemerkt er nicht, wie sehr ich mich im Sitz verkrampfe. Doch wie kann man das nicht bemerken, wenn man zusammengekauert und beinahe zitternd dahockt?

„Alles in Ordnung?“, richtet er an mich.

„Ja klar, ich hab mich nur gerade gefragt wie du die Lachgaseinsprizungsflaschen unter den Sitz bekommen hast.“, lenke ich von mir ab. Als ich eingestiegen bin, roch ich bereits das mir so vertraute Mittel. Vom Sitz hängt ein Kabel heraus, mit dem er die Austrittsmenge der Flaschen regulieren kann, ohne daran zu drehen. Er ist sichtlich beeindruckt, das ich darüber Bescheid weiß. Immerhin ist er jetzt sprachlos.

„Woher weißt du, dass ich sie unter dem Sitz habe? Das hat bis jetzt noch niemand herausgefunden.“, hakt er weiter.

Na weil ich das auch immer so mache du Dödel.

„Naja ich hab gerade erfahren dass hier Rennen stattfinden und dann ist es wohl offensichtlich, dass du sie hier oder im Kofferraum hast.“

„Du hast Ahnung von Autos, das gefällt mir. Ich bräuchte auch noch ein Street Girl, hast du nicht vielleicht Lust einmal mitzumachen?“

Das konnte ich jetzt gar nicht gebrauchen. Ich wollte nie wieder etwas damit zu tun haben und jetzt bin ich wieder soweit.

„Ich weiß nicht, ich hab keine Ahnung davon und du hast bestimmt schon jemanden, der mit dir schon harmoniert, oder?“

„Ich kann dir alles beibringen, was du über Rennen und Street Girls wissen musst. Ja, ich habe ein Street Girl, leider ist sie mir abgesprungen…“

„Nee, ich glaub nicht. Ich kann das nicht.“

Bitte lass das Thema fallen und erzähl mir etwas über Blumen oder Schokolade.

„Ich habe eine Idee. Nächstes Wochenende ist das erste Rennen. Du kannst mich ja begleiten und dann kannst du immer noch ja oder nein sagen. Die Qualifikationen für Desert Fight sind erst in drei Wochen, bis dahin wärst du soweit.“

Ich weiß nicht was ich darauf erwidern soll. Doch wenn ich das tun würde, wäre nicht ich die Fahrerin, sondern Taylor und das kann ich nicht machen.

„Ich überleg es mir.“, gab ich ihm zur Antwort, mit der er sich endlich zufrieden gab und wieder den Touri-Führer annahm. Als er mich wieder zu Hause absetzte, dankte ich ihm für die Umgebungsbetrachtung und gab ihm auf seine Frage, die er nochmals stelle die gleiche Antwort: Ich werde es mir überlegen, vielleicht.

Nun aber heißt es, für die Arbeit herrichten. Was auch immer mich dazu geritten hat, ich habe Lust mich schön zu machen.

Meine vielen Locken, die ich für gewöhnlich glätte, da sie wie ein Reisigbesen aussehen, käme ich durch und fixiere sie schön mit Haarspray. So schlecht sieht das gar nicht aus. Nachdem ich meine Zähne geputzt und mich abgewaschen habe, krame ich meine Schminksachen hervor. Eine dünne Schicht Makeup und Puder, das meine natürliche Seite noch vorhanden bleibt und dann benutze ich meinen Masquara. Dadurch werden meine Wimpern optisch verlängert und meine Augen betont.

Bei meiner Kleidung habe ich wenigstens nicht das Problem: Was soll ich anziehen.

 

Pünktlich zu Schichtbeginn gebe ich noch meine Formulare ab und ernte zugleich Lob für den Griff in den Schminkbeutel. Clary ist sehr sympathisch und gibt mir wirklich das Gefühl gebraucht zu werden.

Als Chrissi mich erblickt rennt sie gleich freudestrahlend auf mich zu und begrüßt mich. Ich bin sehr überrascht, wie schnell ich hier schon Freunde gefunden habe.

Der Raum fühlt sich und ich renne von einem zum anderen Tisch. Das Gute an dieser Arbeit ist, sie vergeht schnell. Bis ich wieder auf die Uhr schaue, ist schon wieder eine Stunde rum. Das kommt halt davon, wenn man nur mit bedienen beschäftigt ist. Mit den gierigen Blicken der Männer komme ich auch bestens klar, immerhin bekommt man meistens von denen das meiste Trinkgeld.

Am nächsten Tisch wartet schon eine Horde Frauen mit spärlicher Kleidung auf mich, die mit den Männern am Tisch gegenüber flirten. Ich nehme deren Bestellung auf und hole die Getränke. Am Tisch der Männer ruft mich einer zu sich, ich soll den Frauen eine Flasche Champagner auf seine Kosten bringen. Nachdem ich dies erledigt habe, kassiere ich noch das Geld für diese Flasche ab und drehe meine Runde von neuem. Leere Gläser wegräumen und wieder volle bringen.

In der Ecke des Raumes sitzt ein Tisch voller Männer, die gerade mit ernstzunehmenden Gesichtern diskutieren. Die Hand wird erhöht und ich eile zu dem Mann, der sein Geld loswerden will. Er bestellt eine Runde Whiskey und schickt mich wieder fort. Als ich das Tablett abstelle starren mich sieben lustgierige Männer an. Ich beuge mich zum Tablett vor und reiche jedem sein Glas. Als ich eine Hand auf meinem Arsch vernehme drehe ich mich sofort um. Ein junger Mann, der nicht älter als 20 aussieht, knetet gerade meinen Arsch durch. Wenn er denkt, dass ich mir das gefallen lasse, hat er sich geschnitten. Wie gestern bereite ich auch ihm höllische Schmerzen, bis er kleinlaut wird.

„Mach das noch einmal und ich breche dir die Hand!“, zische ich ihm ins Ohr.

„Jonas, lass sie los, was fällt dir ein, dieses unschuldige Mädchen einfach so zu begrabschen? Das gehört sich doch nicht. Auch wenn sie noch so sehr zum Anbeißen aussieht.“, sagt der, der gerade höflich die Getränke bestellt hat. Ich glaub ich bin im Falschen Film.

„Ach sie an, wer doch noch aufkreuzt. Wir wollten schon ohne dich anfangen Taylor.“ Schlagartig drehe ich mich um und bin froh ein bekanntes Gesicht zu erblicken.

„Hey.“

„Leyla, hey, freut mich dich wiederzusehen. Hast du dich schon eingearbeitet?“

„Ja einigermaßen, wenn nicht immer diese Typen wären, die einen angraben, wenn man ihnen schon die Getränke vor der Nase abstellt.“, rücke ich zynisch hervor mit der perfekten Lautstärke, damit auch die am Tisch merken, was für Kinderkacke sie abziehen und wie lächerlich sie damit sind.“

„Sie haben dich belästigt? Lass mich raten, das war Jonas, ein ewiger Frauenheld, der denkt das er jede mit seinen Charme umwerben kann. Aus dem musst du dir nichts machen, der ist ein ziemlicher Feigling wenn es drauf ankommt.“, flüstert er mir zu.

„Hey“, begrüßt er die anderen, während ich von jedem das Geld bekomme.

„Wir sind aber immer noch nicht alle, Nick fehlt noch. Er kommt fährt heuer ja auch wieder mit.“, spricht er weiter. Das müssen also alle Rennfahrer sein, dann hab ich erst recht richtig gehandelt, ihm diese Aktion nicht durchgehen zu lassen.

Am Tisch wird scharf die Luft angehalten, sodass ich kurz von meinem Geldbeutel aufschaue, alle sitzen dort und sagen kein Wort mehr.

„Du meinst Nick, den Nick, mit dem du immer Kopf an Kopf gerätst und mich deswegen von der Straße geräumt hast?“, platzt einer von ihnen hervor.

„Ja genau der Nick. … Leyla, bringst du mir bitte auch einen Whiskey?“

„Na klar.“ Von da an war ich sehr verwirrt und neugierig zugleich. Diese Truppe ist wohl nicht sehr erfreut dass dieser Nick mit von der Partie ist.

Schnell hohle ich Taylors Getränk um noch mehr von dem Thema zu erfahren.

Am Tisch konnte ich vereinzelte Gesprächsfetzen aufnehmen.

„ … feiert am Freitag in seinem Hausboot mit vielen alten Kollegen und uns.“

„… er hat auch viele Street Girls eigeladen, da müssen wir zugreifen. Ich brauch auf jeden Fall eine neue, weil …“

„Hier Taylor.“ Ich reiche ihm den Whiskey. Geld muss er nicht bezahlen, da er hier ja auch nebenbei noch arbeitet.

„Hast du es dir schon überlegt?“

Nicht schon wieder. Ich hab mir darüber noch gar keine Gedanken gemacht…

„Okay.“

„Okay? Ja oder nein?“

„Ja, ich werde es mir anschauen, wie es hier läuft und dann schau ich weiter. Aber ich werde es mir nur anschauen und nicht mitfahren.“

Das ist wohl das vernünftigste was ich machen kann. Zuschauen kostet einem auch nicht das Leben und ich mache ihm eine Freude. Das bin ich ihm noch schuldig, nachdem er mir diesen Job und eine Wohnung beschafft hat.

„Okay, damit kann ich leben. Aber auch nur dieses eine Mal. Wenn du mich fahren siehst, wirst du darum betteln, mitfahren zu dürfen.“

„Mal schauen. Aber betteln wirst du mich nie sehen, das kann ich dir jetzt schon versprechen.“, versichere ich ihm.

Ein Lachen und ein „Das wirst du schon noch sehen.“, waren seine Antwort darauf.

 

Diese Schicht verging ohne weitere Komplikationen und ich war froh, die kühle Nachtluft um mich zu haben. Das Gespräch um die Straßenrennen geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf und ich muss ständig daran denken. Selbst zu Hause, wo heute der dunkelblaue Mustang stand, sind noch drei Autos hinzugekommen. Keine gewöhnlichen Autos, sondern getunte Rennautos. Mein Herz schlägt schneller und ich komme nicht herum, ohne sie begutachtet zu haben. Ein roter Ferrari, ein Lamborghini und ein Doge Charger. Bei diesem Wagen blieb ich stehen. Es ist unmöglich, aber er sieht aus wie meiner. Mein Vater hat meinen als Schrotthaufen verkauft, ohne mich zu fragen. Gerne hätte ich mich darangemacht jede Delle und jedes kaputtgegangene Teil zu ersetzen, leider spielten meine Eltern damals nicht mit.

Dieses Auto aber ist genauso wie meins. Wie kann das sein? Als ich einen Blick unter das Fahrzeug mache, wusste ich es ganz genau: Das ist mein Doge Charger, mit dem ich einst den Unfall hatte. Mein Vater hat ihn daraufhin an einen jungen Mann in Bulmati verkauft. Alle Einzelheiten, die ich darin eingebaut habe, sind erneuert worden, selbst der goldene Fleck der Sprühflasche, die ich damals testen wollte ist noch am Auspuff zu erkennen. Die Farbe und die Lackierung. Alles ist gleich. Bei einem war ich mir sicher, ich muss herausfinden, wenn dieses Höllentier gehört.

 

Im Haus zog ich als erstes meine Klamotten aus und hüpfe unter die Dusche. Das kühle Wasser vertrieb den Nebel in meinen Kopf und ließ mich den Tag Revue passieren. Endlich konnte ich abschalten. Das waren viele Erkenntnisse aus der Vergangenheit für mich, alles, was ich versucht habe zu verdrängen, ist nun wieder aktuell.

Ich lege mich ins Bett und versuche zu schlafen, doch irgendwie will der Schlaf nicht kommen.

Spät in der Nacht wurde ich von einem Lauten Krach geweckt. Ich schrecke hoch. Was war das? Einbrecher? In mein Zimmer scheint Licht und von draußen ertönt eine Stimme. Leise taste ich mich zu meinem Koffer vor, wo eine große eiserne Taschenlampe liegt und ergreife sie. Als ich aus dem Fenster spähe, erblicke ich neben mir ein Boot. Also ein Hausboot, das nebenan andockt. Menschen der Marine sind dort, um den Vorgang genauestens zu beobachten. Es laufen einige Leute umher und schauen, dass sie das Haus befestigen. Die Taschenlampe ließ ich sinken und hüpfte wieder in mein Bett zurück. Endlich konnte ich einschlafen…

5. Willkommensparty und eine neue Nachbarin /Nick

 

Fehlende PS werden durch Wahnsinn ersetzt

 

Obwohl ich erst spät in der Nacht angedockt habe, bin ich frühmorgens schon wieder auf den Beinen. Jetzt muss ich noch Einkaufen gehen, damit alles für die morgige Party bereit steht. Bescheid hab ich schon allen gegeben. Ebenso meiner Schwester Rayna, die immer und überall dabei sein muss. Ihre kindische Art und ihre Ausgelassenheit gehen mir tierisch auf die Nerven. Andauernd blamiert sie mich und macht in den Medien großen Wirbel.

Ich vermeide es so gut es geht bei Taylor im Supermarkt vorbeizuschauen. Wenn ich nur an ihn und seine große Klappe denke, juckt es mich schon in den Fingern. Dieses arrogante Arschloch, das mich immer von der Straße drängt und unwahre Gerüchte über mich verbreitet. Und so etwas war mal mein bester Freund…

Jedenfalls ist nun eine neue Saison und hier möchte ich nun allen beweisen, dass ich der wahre Rennfahrerchampion bin. Durch meine Fußballkarriere bin ich ziemlich eingeschränkt und weil ich vor zwei Jahren erst gewechselt habe, konnte ich letztes Jahr nicht heimkehren, da ich viel Trainieren musste, um ein Stammspieler zu werden. Was bringt mir ein Wechsel, wenn ich dann nur auf der Bank sitzen darf? Mein Manager und bester Kumpel Toby hat alles Nötige organisiert, damit ich heimkehren kann. Im letzten Spiel hab ich mir erst einen Muskel gezerrt und es ist besser, wenn ich ein wenig kürzer trete. Wären hier nicht die Rennen, hätte ich ihm einen Vogel gezeigt und gesagt: Spinnst du? Wegen einem gezerrten Muskel mache ich doch nicht auf krank. Aber ich brauche halt einen Vorwand um ein paar Wochen von der Bildfläche verschwinden zu können. In meinem Mustang verstaue ich die bestellten Getränke und lenke ihn zurück auf die Straße. Dieses vertraute Gefühl von Freiheit auf der Straße ist so wie Schwerelosigkeit.

Zuhause räume ich die zahlreichen Kisten und Schachteln aus und räume sie in die Bar ein. Morgen ist die Party und am Sonntag das erste Rennen. Ich habe mir so lange den Kopf zerbrochen um mich für eine Strategie zu entscheiden. Nun bin ich davon überzeugt die für mich richtige Entscheidung getroffen zu haben. Am ersten Rennen werde ich nicht mitfahren, mir nur ein Bild der diesjährigen Gegner machen. Bis zu den Qualifikationen kann ich dann meine Autos an das Niveau der anderen anpassen und schauen, mit welchen Kleinigkeiten ich sie besiegen kann. Zudem bittet das erste Rennen die beste Möglichkeit sich um ein Street Girl umzusehen. Die Routenplanung übernehme, anders als die anderen, meistens ich selbst. Eigentlich brauche ich die Lady nur, um mir ein optisches Polster und Ansehen zu verschaffen, bzw. die Augen für mich offen zu halten, nicht das ich wieder im Begriff bin, alle zu erfahren. Dies wird heuer aber nicht das Problem sein. Was viele unterschätzen, sind die Reifen. In der Wüste brennt die Sonne und der Sand ist so heiß, das man an den Füßen Brandblasen bekommt. Aus diesem Grunde habe ich mir schon Extraanfertigungen machen lassen, damit ich mir darüber keine Gedanken machen muss.

Ich habe an alles gedacht und nun bin ich bereit. Der Beginn einer neuen Ära, wo ich schon alles durchgeplant habe und dieses Mal rocke ich den Asphalt, bzw. durch den Sand.

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Tag der Veröffentlichung: 18.10.2015

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