Müde!
Ich bin einfach müde!
Seufzend legte ich den Kopf in den Nacken und betrachtete unsere weiße Hightech- Decke von unserem Hightech- Raum unserer Hightech- Zentrale.
Ich könnte kotzen, wenn ich nur nicht so müde wäre…
Ach Verdammt!
Das nervende Klicken und Klackern von einer völlig überbelasteten Tastatur verriet mir das sich unser Super- Nerd ebenfalls im Raum befand.
Er hatte eine Ergometrische Tastatur wegen seiner Sehnenscheidenentzündung in den Fingern.
Der Gedanke, dass man so oft dasselbe macht, dass man davon Schmerzen bekommt ist wirklich abstoßend.
Aber ich sollte mich da gar nicht melden, ich tue ja auch nichts anderes, ich tue auch immer das gleiche.
Ja, immer das Gleiche tun, nur was sollte man auch sonst tun, wenn man nichts anderes kann?
Ich zum Beispiel habe noch nie etwas anderes in meinem Leben als das hier getan, außerdem wäre ich zu einem normalen Leben gar nicht fähig, rein körperlich würde es da schon schwierig.
Stark blinzelnd begann ich ausgedehnt zu gähnen.
Wie lange hab ich wohl schon nicht mehr geschlafen?
3 oder 4 Tage?
Vielleicht auch 5, so sicher war ich mir da nicht, es ist auch wirklich nicht leicht sich da fest zu legen, den wirklich geschlafen habe ich bestimmt schon 15 Jahre nicht mehr, das wirklich traurige daran war aber, dass ich gerade mal 20 Jahre alt bin, fühlen tue ich mich aber wie nicht ganz hundert...
Wenn ich mein Alter in Hundejahren angeben würde wäre das glaub ich passender, also bin ich ... Alt.
Das deprimiert jetzt irgendwie.
Supernerd tippt sich unaufhörlich die Finger wund, zum Schluss muss ich wieder einen Eisbeutel zum kühlen holen, darauf läuft es doch immer hinaus.
"ICH WERDE SIE ALLE UMBRINGEN!"
Wie ein Donnerschlag hallte es durch den Hightech- Raum mit Krankenhausfeeling. Der Supernerd erschreckte sich, ich hörte seine sonst so sicheren Finger von der Tastatur rutschen, ein seltenes schleifen.
"Verdammt Al, beruhige dich!", eine Glockenspielstimme tadelte recht nutzlos. Die Hightech- Tür zum Hightech- Raum ging surrend auf und Al, dicht gefolgt von Prinzessin Lilifee auf Helium stürmten herein.
"Hey, Fee...", stotterte Supernerd vom PC her durch den Raum, doch Fee schien es noch nicht mal zu bemerken, sie war viel zu beschäftigt den Schreihals zu beruhigen.
Ich spürte ihren Vorwurfsvollen Blick auf mir, weil ich nicht einschritt und ihr half, doch ich war ehrlich gesagt zu müde.
"ICH HASSE DIESE DRECKIGEN, STINKENDEN..."
"AL,", warf Fee erschüttert ein, "nun reicht es aber auch mal langsam. Wir wissen alle das du wütend bist, wir sind es ja selber auch! Und wir wissen, dass es dir gehörig gegen den Strich geht hier untätig rum zu sitzen, es geht uns ja allen so! Doch wir müssen das Beste aus der Situation machen, wir müssen jetzt unsere Kräfte sammeln und uns schonen!"
Kräfte sammeln klang gut, ich schloss die Augen. Ein bisschen schmunzeln musste ich aber auch, als ob einer von uns schlafen könnte, wir alle warteten auf den Weltuntergang.
"Aber ich kann es nicht fassen, dass sie uns schon wieder entwischt sind! Sie sind uns immer einen Schritt voraus, wie ist das möglich?", er meckerte weiter und redete sich den Frust von der Seele, den wir alle hatten, wie Fee vor hin gesagt hat, uns alle pisste die Situation an. Wir wissen noch nicht mal was sie planen, außer, dass es nichts Gutes sein kann...
Ich verzog das Gesicht, als mir auffiel, dass ich schon wieder im Plural geredet hatte. Wenn man hier zu lange ist vergisst man das mein ein Individuum ist, das Kollektiv scheint hier allgegenwertig, selbst in deinen Gedanken. Schuld daran, war die Tatsache, dass wir nun mal alles zusammen machten.
Schritte ertönten im Gang, wieder surrte die Tür und jemand betrat den Raum, es wurde merklich kälter. "Was ist hier los?", fragte eine ernste und recht hohe Stimme für einen Kerl. In meinen Gedanken formte sich das Wort Arschloch.
"Al hat sich nur etwas über unsere gegenwärtige Lage beschwert!", erklärte Fee kurz und recht widerwillig. "Du solltest deine Kräfte lieber schonen, Animal! Anstatt sie mit unnötigen rumbrüllen zu vergeuden!", das Arschloch hatte die Sympathie eines KZ.
"Was gibt es neues, Dot?", warf Mister Niceguy nun ein und schritt durch den sich immer weiter abkühlenden Hightech- Raum über den Hightech-Boden.
Aus Fees und Als ruckartigen Bewegungen konnte ich schließen, dass sie erst jetzt bemerkten das Dot überhaupt anwesend war.
"An sich nichts neues, Cedric. Ich kann sie immer noch nicht Orten, sie müssen die Sender die ich ihnen untergeschmuggelt habe gefunden haben, was unmöglich ist, oder sie sind an einem Ort wo ich kein Signal bekomme, aber mir ist kein Ort bekannt auf der Erde wo das möglich ist. Also müssen sie unter der Erde sein, mein Funksignal wird durch das Gestein der Gegend abgeleitet, weil es so Kupferhaltig ist, aber wie kommen sie dort hin. Am leichtesten geht es durch die Kanalisation. Ich habe alle Pläne der Stadtkanalisation, es erstreckt sich weit über die Grenzen der Stadt, hier, aber sie sind uralt, ich weiß nicht welche Kanäle aktiv sind und welche nicht. Doch sie müssen irgendwo rein, deshalb wollte ich gerade sämtliche Straßenverkehrscomputer hacken, vielleicht finde ich ein paar Abnormitäten. Eine Baustelle, oder ein Stau, es könnte sein, das sie dann bei diesem Gully rein sind, aber mehr als vermuten kann ich auch nicht...", es ist erstaunlich wie fließend er sprechen kann, wenn es um Computerzeugs, Elektronen, Sender und so geht. "Was meinst du mit du wolltest?", Cedric labert einfach Scheiße. Ich meine ja noch nicht mal, was er sagt, es ist die Art wie er etwas sagt, am liebsten würde ich jedes Mal die Klospülung ziehen, wenn er den Mund auf macht. "Ich war gerade dabei, doch dann kam Fee,", ich wusste das er ihr beim Sprechen einen anhimmelnden Blick zu warf, " und Al rein..." "Du solltest dich wirklich langsam mal zusammenreizen, du störst Dot bei seiner Arbeit, und seine Informationen sind entscheidend. Dot, gut gemacht, bleib dran!", seine Stimme war eiskalt, wenn ich sie das Klo runter spüle klirrt es bestimmt.
Doch ließ mich Cedrics Worte die Stirn in Falten legen. Al war vielleicht ein Hitzkopf, und etwas beschränkt, doch hatte er nichts Schlimmes gemacht, mit seiner Fragerei hatte Cedric Dot genauso von der Arbeit abgelenkt wie Al und Fee ihn. Außerdem überschätzte er mal wieder seine Autorität, mal wieder tat er so, als wäre er der Anführer dieser Truppe, obwohl Dot tatsächlich eine gute Spur hatte.
Ich mochte Al vor allen Dingen, weil er so ehrlich war, bei ihm wusste man immer wo ran man wahr, in diesem Hightech- Haus war das eine Seltenheit, unter uns war das ein Seltenheit, hier kochte doch jeder seinen eigenen Brei.
Al war halt das genaue Gegenteil zu Arschloch Cedric, seine Arrogante, Möchtegern Erwachsende Art hing mir zum Hals rau. Seine besserwissende Scheißart brachte mich täglich zum kotzen. Er war ein Langweiler, Spießer!
Also ehrlich, selbst sie Langeweile langweilt sich bei ihm, meistens kommt sie dann zu mir.
Apropos mir ist langweilig und ich bin müde, doch eigentlich müsste ich jetzt was sagen, so wie: "Halt die Schnauze, Cedric!" oder "Spiel dich nicht so auf, Cedric!", aber nee!
Ich bin einfach zu müde!
"Was willst du eigentlich hier, Cedric?", fragte nun Fee giftig. Ach ja, die gute alte soziale Fee, stellt sich immer auf die Seite der Armen und schwachen, selbst wenn es sich, wie bei diesem Beispiel um geistige Hilflosigkeit handelte, aber was soll machen. Fee hatte tatsächlich ein riesengroßes Helfersyndrom, sie war so zu sagen, wie geschaffen für unseren Job.
Job! Das ist lustig, denn schließlich ist das unser Leben. Leben für die Arbeit, hier traf das mal endlich wirklich zu, echt frustrierend, wie sind alle Workaholics, ob wir nun wollen oder nicht.
"Ich wollte wissen, wie die Lage ist! Ich habe ein ungutes Gefühl, sie lassen sich diesmal zu viel Zeit für den neuen Angriff!", blasiert rechtfertigte sich Cedric/Arschloch, "Im Gegensatz zu euch!"
"Vielleicht wollten wir das ja auch machen!", antwortete Fee schnippisch. "Natürlich!", Sarkasmus tropfte aus Cedrics Mund auf den Hightech- Boden, ich sollte nach her aufpassen, nicht das ich noch ausrutsche.
Wieder surrte die Tür und noch jemand trat in den eh schon überfüllten Hightech- Raum, an den ruhigen Schritten erkannte ich sofort Misery. Einer der Hightech- Stühle wurde zur Seite gerollt und ich hörte wie Dot das Gewicht verlagerte, die geballte Weiblichkeit die von Misery abstrahlte verwirrte auch weniger unerfahrene Männer als den Supernerd.
Ich glaube er hatte sogar ein bisschen Angst vor ihr, ich kann es verstehen.
Fee und Cedric stritten hitzig, Cedric wurde von Satz zu Satz biestiger.
Ob Al ihn wohl festhalten würde, während ich ihm eins verpasse, Fee würde das bestimmt nicht zu lassen, aber sie kann ihn auch nicht leiden. Ich sollte mir dann wahrscheinlich eher sorgen um Misery machen müssen, die beiden waren seit Ewigkeiten Freunde, warum auch immer. Schließlich regte sich Cedric auch immer über ihren Pessimismus auf, was ziemlich lächerlich ist, denn er ist genauso Antioptimistisch.
Gerade als Cedric Fee wahrscheinlich etwas sehr gemeines an den Kopf hauen wollte mischte sich Misery ein: "Lass gut sein, Ced! Der klügere gibt nach!" Ihre rauchige, ätherische Stimme ließ meine Hormone schaudern. Fee schnaubte verächtlich.
Da war auch der Unterschied zwischen den beiden. Fee war eher mädchenhaft, unschuldig und zierlich, Misery hingegen war... eine Frau... und was für eine. Trotzdem wusste ich nicht, was ich von ihr halten sollte, obwohl ihre ansprechende Gestallt sie mir positiv erscheinen ließ, ich bin halt auch nur ein Mann. Ein bisschen war es schon nervig das sie überall Tod und Zerstörung sah, aber ihr Verstand war messerscharf, wie ihre Zunge...
Mit Misery, fiel mir auf, waren fast alle in der Hightech-Kommandozentralle versammelt. Dot, das Computergenie und die wandelnde Steckdose, Fee, die über die Gesetzte der Schwerkraft nur lacht, Animal, meistens Al genannt, mit seiner tierischen Power, Cedric der Gefrierschrank, Misery, die wirklich mit ihrem eigenen Schatten reden konnte, und wahrscheinlich sogar ne Antwort bekam, und ...ich.
Der einzige der fehlte war Teddy, ich wollte mir gar nicht vorstellen, was er gerade machte. Mit einem prophetischen Sirren ging die Tür auf, sofort erstarrten die anderen. Wenn man vom Teufel spricht.
Der Arme Teddy hatte es schon nicht leicht in unserer Gruppe.
Mit kaum wahrnehmbaren Schritten streifte Teddy durch den Raum. Die anderen überlegten nun hin und her, wie es weiter gehen sollte, doch war ich mir sicher, dass sie Teddy nicht aus den Augen ließ, sie trauten ihm nicht, sie hatten sogar richtig Angst vor ihm.
Seufzend vernahm ich Dots keuchen und registrierte, dass alle verstummten.
Immer das gleiche!
"Leg es hin Teddy!", ich hob die Stimme nicht an, "Wir fassen nichts an, was uns nicht gehört!"
Ein dumpfer laut versicherte mir, dass Teddy tat, was ich ihm gesagt hatte. Dot atmete beruhigt aus. Die anderen Sprachen doch trotzdem nicht weiter.
Ich klopfte einladend neben mir aufs Sofa, ohne die Augen zu öffnen: "Komm her, Teddy!"
Im Gegensatz zu den anderen hatte ich nichts gegen Teddys nähe, ich fand sie sogar beruhigend, sie gab mir immer das Gefühl für etwas wichtig zu sein , ich meine für etwas wirklich wichtig zu sein. Und ich denke es ist sehr wichtig das Teddy nicht irgendwem ein Ohr abbeißt, oder?
Es gibt bestimmt ehrenvollere Dinge, doch hey, was soll´s!
Die Polsterung ging kurz runter und ich wusste Teddy saß neben mir, schweratmend legte er seinen Kopf auf meine Schulter.
Die anderen fingen sich wieder an zu unterhalten. Dot gab von sich wieder sein typisches klicken.
"Ich denke, wir werden eh alle sterben.", kommentierte Misery eine Reihe von Überlegungen zu einer neuen Strategie, ich verkniff mir ein lachen. "Mit der Einstellung wird das wohl auch so kommen.", fuhr Cedric sie an. "Wir werden nicht sterben, es sah schon oft schlecht für uns aus, doch jedes Mal sind wir als Sieger daraus hervor gekommen!", der Gedanke ans versagen war Fee zu wieder.
So ging es eine Zeitlang hin und her, während dessen versuchte ich den Fakt zu verdrängen, dass keiner von uns ein eigenes Leben hat, selbst sterben werden wir irgendwann zusammen.
Spaß macht das hier wirklich alles nicht, wenn ich ehrlich bin verfluche ich die ganze Scheiße, namens meine Existenz...
Mein Leben ist jedoch nicht vorbei, ich hatte noch nie eins, und werde auch nie eins bekommen, so wie wir alle, auch das haben wir gemeinsam.
Dots Finger hielten plötzlich inne, ein lautes und schrilles Läuten durchdrang den Hightech- Raum.
Der Alarm war ausgelöst worden. Neben mir richtete sich Teddy auf und verkrampft. Ich öffnete noch immer nicht meine Augen, ich wusste auch so was passierte. Die gelben rund um Leuchten blinkten, der riesige Hightech- Bildschirm rechts von mir an der Wand wurde ausgefahren und schaltete sich von alleine an. Nach einem kurzen kriselnden Schneesturm erschien auf ihm in Hochauflösung ein zäher, alter Mann in Uniform, welcher barsch verkündet: "Helden, ihr werdet gebraucht! Wir sind alle in Gefahr, die Menschheit zählt auf euch, rettet unsere Welt!"
Resigniert öffnete ich die Augen, fest um schloss ich Teddys zitternde Hand und sagte laut: "Los Geht's!"
Ich saß wie betäubt auf diesem blöden Plastiksitz und starrte mit Weitaufgerissenen Augen, Nasenlöchern und Mund, also alle Löcher meines Gesichtes, mein gegenüber völlig verdattert an.
Er lächelte milde, schaute auf mein Knie und wurde leicht dunkel auf den Wangen.
Das hatte er nicht gerade wirklich zu mir gesagt, das konnte nicht wahr sein, oder?
Es war einfach unmöglich...
Noch nie hatte man das zu mir gesagt, außerdem war ich mir sicher, dass man das so auch nicht sagte!
Selbstsicher, selbstverständlich, schon richtig banal, als wäre es eine allgemeine Tatsache, Allgemeinwissen!
Das konnte doch nicht richtig sein.
Das war nicht wie beschrieben, es war nicht so wie ich tausendmal gesehen, gehört und gelesen hatte.
Wo war die Romantik, der Kitsch, die Kerzen, die Musik, der Sternenhimmel, der Lebensgefährlicher Moment davor, schöne Kleider oder einfach nur ´ein Blumenstrauß?
Wo war das alles?
Nein, so ging das nun wirklich nicht, oder etwa doch?
Ich schluckte schwer, das konnte ich einfach nicht glauben, das war unmöglich!
Wir sitzen hier vor Mc's in der Bushalte, Hallo!
Also romantischer geht's wohl kaum, kaum 20 Meter entfernt dröhnte ein Presslufthammer auf 'ner Baustelle.
Auch knisterten keine Funken, mein Herz schlägt auch nicht so doll das mein T-Shirt sich vorne anhob...
Wenn ich ehrlich sein soll, ich war mir noch nicht mal sicher ob mein Herz im Moment überhaupt schlug...
Der Schock saß tief!
Vorsichtig sah er mir ins Gesicht, sofort presste er die Lippen zusammen, er verkniff sich das Lachen über mein Gesicht, doch mein Kiefer war noch immer völlig steif, ich hatte das eben erlebte noch immer nicht verarbeitet.
Okay, sehen wir mal über den absolut falschen Ort und Augenblick hinweg (Augenblick, weil ich noch meine durch geschwitzten Schulsachen hatte, außerdem hatte ich gerade was von Mc's gegessen und war ganz beschmaddert), dann war da immer noch der Grund!
WARUM?
Zum Henker, warum sollte er sich in mich...?
Ich konnte es noch nicht mal denken...
Das einzige was wir gemeinsam haben ist, das unsere Familiennamen beide mit M anfangen, dadurch sind wir gleichzeitig Tafeldienst in der Klasse, wow!
Sonst gibt es da nichts, gar nichts, hallo?
OMFG!
Was soll das bloß alles, ich raff das alles nicht. Ist mir einfach zu hoch.
Langsam schloss ich den Mund. "Ähm, Daniela? Alles in Ordnung? Atmest du noch, Ela?", er verzog das Gesicht vor Anstrengung nicht laut los zu lachen.
"Warum?", platzte es nun aus mir raus, meine Stimme hörte sich ganz rau an.
"Warum?", wiederholte er mit weicher Stimme und einem Lachen, was Wolken verscheuchen konnte, "Weil du einfach... unbeschreiblich bist!"
Er zuckte mit den Schultern.
"Na danke auch!", ich zog ein Weltuntergangsgesicht.
"Nein, du verstehst mich falsch!", lachte er auf, "Ich kenne einfach keinen anderen Menschen der so faszinierend ist wie du!", seine hellen Augen brannten sich in meine, das schlucken viel mir schwer, mein Hals war ganz taub, "Zum ersten Mal ist es mir aufgefallen, als wir vor zwei Monaten mit der Klasse weg waren, da hast du am Bahnhof einer alten Frau den Koffer runter getragen, und das obwohl du doch führ deine Tollpatschigkeit, die an so was ähnliches wie körperliche Behinderung grenzt, bekannt bist. Es hätte mich nicht gewundert, wenn du samt Koffer die Treppe runter gefallen wärst!", nun hatten sein Lächeln und sein Blick etwas Spitzbübisches und ich wurde rot.
"Na das ist ja ein toller Grund!", meinte ich vor Sarkasmus triefend.
"Du verstehst mich immer noch nicht!", meinte er seufzend, "Das war das selbstloseste, was ich je in meinem Leben gesehen habe. Du hast es einfach getan, ganz selbstverständlich, ich glaub sogar es hat niemand außer mir gesehen, und danach hast du nicht rum posaunt wie hilfsbereit du doch bist! Das hat mich echt beeindruckt!", er schien das was er sagte wirklich ernst zu meinen, "Und dann habe ich dich weiter beobachtet, du bist der ungewöhnlichste Mensch, den ich kenne. Alleine auf der Zug fahrt, als du dein Buch angefangen hast zu lesen bist du da richtig drin versunken, es schien nur dich und das Buch zu geben, man wusste immer was passiert war, ob was lustiges, romantisches oder trauriges, dein Gesicht hat einem alles erzählt, deine Mimik ist so... ist so vielschichtig. Auch deine Gestik, wenn du mit jemanden erzählst, ich könnte dir stundenlang zu hören und zu schauen!", er sah mich an, doch schien er mich gar nicht richtig zusehen, als würde er träumen, "Später dann in der Schule konnte ich nicht anders als dich weiter zu beobachten, mir fiel so viel auf, wie du zum Beispiel immer versuchst allen zu helfen, wo du nur kannst, selbst obwohl du dir dabei eigentlich immer weh tust, oder das du nicht gerne mit Füller schreibst, weil du Linkshänder bist und dann immer alles verwischt, was du aufgeschrieben hast. Mathe ist nicht deine Stärke, du kriegst dann immer rote Flecken überall im Gesicht, weil es dich so ankotzt. Deine Flasche hältst du, wenn du trinkst, es ist immer Apfeltee, mit zwei Händen, du hast Angst dich zu bekleckern.", er sah mir nun wieder direkt in die Augen, mein Mund war schon wieder leicht geöffnet.
"Soll ich noch mehr sagen?", er sah mich mit einem so wichtigen Blick an, dass ich das Gefühl hatte aus Gold zu sein.
Ich konnte nicht antworten, also machte er weiter: "Wenn dir was nicht gefällt rümpfst unbewusst die Nase, und du hast 1000 Fältchen unter den Augen und das passiert vor allendingen immer dann, wenn dich jemand wegen deiner Sommersprossen anspricht, du hasst sie, ich finde das jede einzelne dich noch schöner macht, als du bist!", er strich ganz sanft mit der rechten Hand übers Gesicht, dann nahm er mir die Strähne die ich ohne es bemerkt zuhaben zwischen die Fingern gedreht hatte und wickelte sie sich kurz um den Zeigefinger und steckte sie hinter mein Ohr, "Das machst du wenn du nervös wirst, letztens in der Englischklausur habe ich gedacht du drehst sie dir ab, du schienst ziemlich verzweifelt!"
"Ich hatte Animal Farm nicht gelesen, der Kommunismus ist einfach nicht so mein Ding!", gab ich mechanisch zurück. Er nickte nur, wusste er auch das?
"Ach ja, das wichtigste habe ich vergessen, du hast den schönsten Nacken der Welt!", eindringlich und eindeutig sah er mir in die Augen.
Mein Kopf stand in Flammen.
"Ich mag es, wenn du rot wirst, dann sieht man deine Sommersprossen noch deutlicher...", okay, das ist krass!
Aggressiv fuhr ich mir durchs Haar.
Ein irritierendes lautes Klopfen ließ mich mürrisch zur Baustelle schauen, doch da war gerade Pause.
Erschrocken, stellte ich fest, dass es sich dabei um mein Herz handelte.
Es war so laut, man hörte es bestimmt noch in Spanien, oder, noch schlimmer, er hörte es.
So wie er lächelte, hörte er es bestimmt!
Und obwohl ich mir sicher war, das da in meinem Magen keine Schmetterlinge rumpelten, sondern Chicken McNuggets musste ich ihn doch zurück an lächeln.
Vielleicht war das hier alles doch viel romantischer als ich dachte...
Tag der Veröffentlichung: 29.09.2013
Alle Rechte vorbehalten