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... und dennoch spukts in Tegel

 

 

 

 

 

Ein Goethe-Ghost-Roman

 

von

Bremens Clentano und Johannes Faustus

 

 

Entree: Die Fahrt nach Tegel

 

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Die Dämonenfratze raste auf Goethe zu. Das Gesicht des Höllenwesens war verzerrt, schrecklich anzusehen in seiner wuchtigen Gewalt.Seine Augen flammten, die Zähne drohten. Mit lautem Zischen näherte sich die grimmige Visage, raste immer näher heran. Riesig ragte sie über ihm auf, das finstere Gesicht dräute in schrecklichem Schwarz und Rot.Im Hintergrund lohte ein feuriger Berg ....

 

Goethe bückte sich und die Maske rauschte über ihn hinweg, um am jenseitigen Ende der Bühne von einem Arbeiter aufgefangen zu werden.

„Gut!“ sagte Goethe knapp. „Das wird genügen. Die Fratze wird den Teufel ausreichend darstellen. Die Zuschauer werden sich ergötzen, wenn die Walpurgisnacht dargestellt wird.“ Er rieb sich erfreut die Hände.

„Das wird eine wundervolle Aufführung werden. Ja, wer Vieles bringt, wird Vielen etwas bringen.“

Er bückte sich kurz, legte die Hand unterstützend auf den Rand der Bühne und sprang hurtig hinab auf den Boden. Goethe war gerade dabei, seinen Faust I aufzuführen, im Theater von Weimar. Die Vorbereitungen waren gut gelungen, alles war im Fortschritt.Das Bühnenbild war bereits beinahe fertig, die feurigen Gebirge im Hintergrund der Rückwand waren überzeugend gemalt und wirkten wirklich irgendwie düster und gewalttätig. Er war zufrieden, doch jetzt musste er Weimar leider für eine Weile verlassen, denn ein dringendes Gespräch mit seinem Verleger in Berlin stand an. Der „Werther“ war ein richtig großer Erfolg geworden in Deutschland und nun musste er die neuen Konditionen mit seinem Buchverkäufer besprechen.

Goethe zupfte die Kniehose zurecht, schwang sich in den langen Gang zwischen den Stuhlreihen und verließ die Theaterhalle mit erhobenem Haupt. Rasch ging er die breite, weiße Außentreppe herab, die zur Empore des Gebäudes führte und näherte sich über den gut ausgestreuten Weg dem grünen Rasen dahinter. Hier wartete bereits die Kalesche auf ihn, das leichte Gepäck war hoch auf den Rücken des schnellen Wagens geschnallt, der Schwager war bereits dabei, die Pferde anzuschirren und so war alles bereit für eine wirklich lange Reise.

Goethe nahm seinen Überrock von dem Haken, der seitlich an Kutsche befestigt war. Das war seine bevorzugte Reisekleidung, ein wahrhaft gebauschter und bequemer Mantel, der selbst die durch die mangelhafte Federung der Kutschen erzeugten Stöße bei schneller Fahrt sehr gut abpufferte.

Er schwang sich auf das Trittbrett, öffnete den Schlag und kletterte hinein auf die zwar wenig bequeme Holzbank. Doch ein Kissen aus dem Vorrat der Frau von Stein,das er ihr mühsam abgerungen hatte lag bereits bereit und Goethe setzte sich. Ein Klopfen mit dem Stockhaupt seines als Wanderstab getarnten Reisedegens an die Vorderwand und so wusste der Schwager, dass er bereit war. Zufrieden lehnte er sich zurück, als der Wagen anruckte. Die Tür war geschlossen und er hörte, wie der Kutscher die Pferde anfeuerte. Langsam kam die Kalesche schaukelnd in Gang, wurde schneller und das Gefährt raste aus dem Bereich von Weimar hinaus.Richtung Berlin, genauer gesagt: nach Tegel.

 

Zwei Stunden später: auf der Landschaft raste die Kutsche schnell dahin. Zum Glück waren die Straßen zwischen dem Herzogtum von Weimar und Preußens Hauptstadt recht gut angelegt, so dass der Wagen ohne große Probleme vorwärtskam. Noch waren die Pferde recht frisch und obwohl der Kutscher ein flottes Tempo vorlegte, schonte er sie doch. Also musste das Gespann noch nicht gewechselt werden und Goethe konnte sich noch ein bisschen die Zeit mit Lesen vertreiben. Er zog das Gedichtbüchlein aus der Rocktasche und begann, darin zu lesen. „Das Bess‘re ist des Guten Niederlage!“ sagte er vergnügt, nickte aber nach einer Weile ein wegen des monotonen Rollens der Räder auf dem immerhin stabilen Untergrund.

Er erwachte durch das Einbremsen der Kutsche und spähte durch das Fenster hinaus. Ein schneller Pferdewechsel erfolgte an einer Station auf dem Pfade; eine Einkehr war noch nicht nötig und die preußische Grenze mit ihren Formalitäten für Zoll und Einreise lag noch vor ihm. Die Reise ging weiter.

 

Nach einigen Stunden war die Stadtgrenze erreicht und die Kutsche rollte bis zu ihrem Ziel voran. Hier bremste der Kutscher ein und ließ mit einem lauten „Brrr!“ die Pferde zum Stehen kommen.

„Wir sind da, mein Herr!“ sagte er und Goethe stieg munter heraus. Die Tür des Wagens klappte und er schwang sich aus dem Sitz auf die staubige Straße der Stadt.

Er zog einen güldenen Taler heraus, den er dem Schwager mit leichter Verbeugung überreichte. „Hier mein Bester!“ sagte er nonchalant und etwas lässig. Dann nickte er und berührte kurz den Hut

„Willkommen und Abschied!“ murmelte er und wandte sich von der Kalesche ab, dem Haus zu, vor dem diese sich eingeparkt hatte.

Es war ein großes Haus, typisch für eine aufstrebende Preußenstadt, etwas wuchtig und breit gebaut, doch auch hoch und trutzig wirkend. Das Eingangstor lag über einer kurzen Treppe, die fein ziseliert aus Marmor gestaltet war. Putten mit seltsamen Dingen in den Händen, die ihn etwas nervös machten, prankten links und rechts vom Eingang an der Wand. Die Fratzen der steinernen Figuren waren nicht gerade angenehm zu sehen, aber Goethe blieb einen Moment stehen, um sich die Gesichter genauer anzusehen, Vielleicht konnte er sich hier eine Inspiration für die weitere Theatergestaltung seines Faust holen. Intensiv musterte er die finsteren Larven der Putten und die düsteren Engel.

Doch plötzlich hörte er einen Ruf. Goethe drehte sich herum, noch auf halber Treppe befindlich. Vor dem Haus lag ein kleiner Park mit hohen Bäumen und das helle Sonnenlicht schillerte herunter und brach sich an der Oberfläche eines kleinen Teiches hinter einem feinen, gedrechselten, metallischen Zaun. Ein gut gekleideter Mensch kam mit raschen Schritten die Straße entlang und steuerte gewandt auf ihn zu. Die Lockenperücke unter dem hohen, schwarzen Zylinder ragte etwas verrutscht empor. Es war Schiller. Der Mann, mit dem er sich hier verabredet hatte. Auch dieser wollte mit dem Verleger reden.

 

Schiller trat kurz vor und klopfte gegen die Hauswand: „Festgemauert in der Erden!“ sagte er anerkennend. „Ja!“ erwiderte Goethe und deutete zum Park und dem Teich hinüber: „Aber: Nebel über den Wassern!“

 

 

 

 

Teil 1: Bei Nikolai

 

 

 

Er drehte sich herum und zog den Klingelzug, der malerisch an der Seite der Tür hing. Gleichzeitig betätigte Schiller den güldenen Klopfer, dessen Ring in ein Löwenmaul gefasst war. Die Tür öffnete sich knarrend nach innen und ein Diener erschien mit fragendem Gesicht: „Wir sind avisiert, mein Bester!“ sagte Goethe lebhaft und der Diener rückte beiseite und ließ sie ein. Nach einem schmalen, dunklen Gang kamen sie in eine weite Marmorhalle, in deren Hintergrund eine breite Treppe nach oben schwang.

„Wofür die Perücke?“ fragte Goethe. „Diese Dinger sind doch nicht mehr á la mode!“ Schiller grinste mokant: „Ich betreibe historische Studien!“ erwiderte er. „Dazu muss ich wissen, wie sich so etwas anfühlt!“ Goethe nickte leicht: „Dann rücken Sie das Ding wenigstens gerade!“ Denn die alte Perücke reichte Schiller ein wenig über die Stirn und sie saß schief, war verrutscht.

Der Diener erschien hinter ihnen und geleitete sie die Treppe empor. Oben öffnete er eine breite Holztür aus schönem Mahagoni und ließ sie in ein großes Arbeitszimmer ein. Hinter einem langen Schreibtisch erwartete Nikolai sie bereits. Ein breiter Backenbart umschwang sein starkes Kinn. Die Augen blitzten.

„Ah! Die Herren Goethe und Schiller! Bitte setzen Sie sich, meine Herren! Wir können sofort über die neue Druckauflage des Faust sprechen, Herr Goethe.Und Sie möchten sicher ihre „Maria Stuart“ an den Mann bringen?!“ Das war mehr eine Feststellung als eine Frage, doch Schiller nickte dazu.

Kurz darauf waren sie vertieft in all die Belange, die eine Buchauflage eines Theaterstückes so ausmachen. Der Verleger klingelte zwischendurch und der stumme Diener erschien und servierte Getränke zur Erfrischung. Goethe grinste: „Uns ist so kannibalisch wohl!“ meinte er und trank den kredenzten Wein aus. Nach einer kurzen Pause kam Nikolai zu einem neuen Thema.

„Sie wissen ja Bescheid über dieses Spukhaus in Tegel, von dem ich Ihnen neulich erzählt habe, nicht wahr?“ Goethe bejahte, denn er hatte ausführlich Bericht darüber erhalten und diese Nachrichten auch sofort an Schiller weitergegeben, so dass auch dieser über das kolportierte Phänomen Bescheid wusste. „Nun!“ Nikolai unterbrach sich kurz, um einen Schluck aus dem feinen Glas zu trinken: „es wurden erneut Gespenster davor gesehen. Ich habe Mitteilungen einiger wirklich seriöser Zeugen, dass die Sichtungen echt sein sollen. Was halten Sie davon?“ Wissbegierig starrte er die beiden Dichter an. Goethe zögerte, denn er glaubte nicht an derlei Nachrichten. Zu oft waren die Berichte aufgebauscht worden oder von unzuverlässigen Zeugen erstellt. Manchmal gab es Wichtigtuer dabei oder es waren notorische Lügner unter den Leuten, die sich nur exponieren wollten. Goethe glaubte nicht an Geister, das Phänomen an sich allerdings war durchaus untersuchenswert.

Schiller zuckte lässig mit den Achseln unter dem Gehrock: „Sie wissen ja! Schon der große englische Dramatiker sagt: … Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde ...“ Er machte allerdings ein skeptisches Gesicht. „Man sollte diesen Dingen aber eigentlich auf den Grund gehen, finde ich. Damit nicht immer solche Schauergeschichten kolportiert werden. Da wird schon nichts dahinter sein. Ein Studentenulk vielleicht, ein Auerbachscher!“ Er sah Goethe an … und grinste dabei.

Nikolai wiegte zweifelnd den Kopf.

„Nach dem, was ich so hörte, muss mehr dahinter sein!“ sagte er fest. „Nun. meine Herren, wollen Sie sich nicht persönlich davon überzeugen? Vielleicht gibt dieses Geschehnis neuen Stoff für ihre Dichtungen und Theaterstücke!“ Schiller ließ sich nur zu gerne hier breitschlagen: „Tja, ich muss sagen, ich habe zwar genug Dramenstoff vor mir liegen … mit meinen historischen Studien aber sie haben natürlich recht. Was sagen Sie?“, wendete er sich an Goethe. Dieser nickte nur: „Drum hab‘ ich mich der Magie ergeben!“ , sagte er: „Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält!“ Er war schon gespannt, was sie Beide in diesem Spukhaus vorfinden würden. Wahrscheinlich doch nur die reine Scharlatanerie irgendeines findigen Kopfes. Vielleicht hatte Brentano sich einen Spaß erlaubt. Diese Romantiker waren doch immer für jeden Unfug zu haben.

„Dann sei es beschlossen!“ begeisterte sich der Verleger. „Ich werde Sie gleich nachher dort hinfahren. Dann können wir das schaurige Haus gemeinsam erkunden. Das wird schon lustig werden. Dennoch sollten wir uns vorsichtshalber bewaffnen!“

„Gut!“ sagte Schiller: „Ich sei, gewährt mir die Bitte, in Eurem Bunde der Dritte! Zum Glück habe ich immer mein gut geöltes Pistol bei mir!“ Er zog einen kleinen, vergoldeten, doppelläufigen Vorderlader aus der Seitentasche des Gehrockes. „Darf ich vorstellen, das ist die eiserne Jenny!“

Goethe nickte nur. Er kannte die kleine, nützliche Waffe bereits. „Ich selbst habe immer mein Rapier dabei. Bester Toledostahl!“ sagte er und schraubte den Kopf des Gehstockes ab. Blitzschnell zog er die schmale, lange Klinge heraus.

Nikolai war zufrieden. Er selbst pflegte sich, wenn sein Diener nicht zugegen war, mit einem breiten Messer zu bewaffnen. So waren sie gerüstet für den Aufbruch ins Spukhaus. Doch Schiller, der immer pragmatisch denkende Mensch, vergaß nicht, für Vorräte an Lebensmitteln und Getränken zu sorgen. Er hatte schließlich lange genug gehungert. Ein Laib Brot, ein getrockneter Schinken, einige Äpfel sowie eine große Flasche mit Wasser (und eine kleine mit Branntwein) waren schließlich in den Staufächern der Jacken untergebracht. So waren sie bereit zum Aufbruch.

 

Das Spukhaus

 

 

 

Schiller ging neben Goethe den Weg zur Kalesche entlang. „Wer weiß, was das für ein Gespenst ist!“ orakelte er. „Vielleicht der Geist von diesem Kleist, der Euch immer so nervt!“

Goethe grinste maliziös, aber erwiderte nichts. Dann murmelte er doch ein paar Worte: „Kleist? Du gleichst dem Geist, den du begreifst, nicht mir! --- Banquos Geist wird es jedenfalls nicht sein. Wir werden sehen! Vielleicht ein Weingeist aus Auerbachs Keller!“ Er zog eine kleine grüne Flasche aus der Rocktasche, die er aufschraubte. Kritisch sah er sie an und trank einen Schluck daraus. Stirnrunzelnd hielt er sie dann gegen den Morgenhimmel. „Hm, leer!“

Ein kleiner Junge lief just in diesem Moment auf dem Trottoir vorbei und Goethe rief ihn an. „He. Du! Wie heißt Du denn, mein Junge?“ Der aufgeweckte Knabe sah ihn mit offenen Augen an: „Ernst - Theodor, mein Herr!“ - „Na dann, hier hast Du eine grüne Flasche. Dies ist eine magische Phiole, Du wirst sehen!“ Mit diesen Worten übergab er das kleine Glasgefäß an den Knaben, entließ ihn mit einer Handbewegung und dieser rannte davon, leicht verwirrt, doch seinen neuen Schatz umklammernd.

„Ach ja!“, sagte Schiller sinnend: „Die Freuden des Lebens liegen eben in den einfachen Dingen!So schafft man die zukünftigen Helden der Literatur!“

Goethe nickte und deutete mit dem unteren Ende des Spacierstockes auf die bereits geöffnete Tür der Kutsche, die sie an ihr Ziel bringen würden. Die Pferde scharrten bereits unruhig mit den Hufen.

„Und wir werden uns jetzt unseren einfachen Dingen zuwenden, mein Freund! Den Geistern des Herrn Nikolai!“ Damit schwang er sich durch den offenen Schlag in das Innere des Wagens. Schiller folgte kommentarlos. Auf ein Kommando hin setzte sich die Kalesche in Bewegung und die Hufe der Pferde ratterten über die Kopfsteinpflaster der Straße.

Hermann Nikolai war bereits vor gefahren und erwartete die beiden Herren am Rande der krummen Seitengasse, in der das Spukhaus sich befinden sollte. Er hatte seinen Schwager bereits fortgeschickt und auch Goethe und Schiller taten dergleichen mit ihrer Kalesche.

Dann waren die drei Männer bereit. Der Verleger führte das Trio an. Langsam begaben sich die drei durch das Trottoir der krummen Gasse in die hohle Straße hinein:
„Durch diese hohle Gasse muss er kommen!“ murmelte Schiller. Goethe nickte, beinahe feierlich, doch auch ihm war etwas beklommen zumute. Er umklammerte den elfenbeinernen Griff seines Spacierstockes fester, so dass die Knöchel weiß hervorgetreten wären, hätte er keine Handschuhe getragen.

Schon die Häuser links und rechts waren krumm und schief, doch das kleine Haus am Ende der Straße schien drohend herüberzublicken; eine fast unheimliche Bedrohung ging düster von der eher klein wirkenden Villa mit den hellgrünen Wänden aus. Gedrechselte Säulen flankierten den Eingang, doch waren sie fleckig, halb zerstört und der Putz platzte bereits von den Wänden. Die schwarze Tür hinter der kurzen Treppe öffnete sich knarzend, als Nikolai sie mit einem großen, roten Bronzeschlüssel aufsperrte. Die drei Abenteurer gingen hinein. Mochte das Haus auch recht niedrig sein, so ragte es doch tief nach hinten und besaß außerdem zwei lange Seitenflügel. Die kleine Vorhalle war ruhig; ein alter Sessel streckte seine Sitzfläche einladend aus und prompt nahm Schiller darin Platz. Das Holz ächzte zwar, doch es hielt die eher spillrige Figur des Dichters leicht aus. Er streckte die langen Beine von sich und stellte den Korb mit den Vorräten neben den Sessel.

„Und nun? Warten wir hier auf das Gespinst des Gespenstes? Oder erkunden wir lieber die übrigen Räume?“
Goethe runzelte die Augenbrauen. „Ich bin für die Aktion“, sagte er. „Im Anfang war die Tat!“.

Auch Nikolai war dafür. „Zum Teufel die Bilanzen!“, meinte er. Also entschieden sie sich dafür, das Innere der alten Villa zu erkunden. Zunächst jetzt bei Tageslicht, doch mussten sie mindestens bis Mitternacht ausharren, denn dies war ja die allgemeine Stunde, zu der Geister regelmäßig zu erscheinen pflegten.

„Es ist nicht sinnvoll, wenn wir uns trennen … oder doch?“, sinnierte Schiller überlegend. „Wir wären dann zumindest mit der Durchsuchung des alten Hauses schneller fertig!“, pflichtete Goethe ihm bei: „doch halte ich das nicht für opportun, in der Gemeinschaft liegt die Stärke!“

Nikolai nickte: „Denn sechs Augen sehen mehr als zwei!Wenn es denn etwas zu sehen giebt, was so außergewöhnlich ist.“

Also erkundeten sie die Räume der Villa gemeinsam.

Neben dem Erdgeschoss schien es nur eine erste Bel Etage zu geben, unter der Straßenebene vielleicht noch einen Keller, oben darüber einen Dachboden. Die zwei Seitenflügel ragten nach hinten heraus. Die drei Männer beschlossen, zunächst im Haupthaus zu bleiben und hier erst einmal vom Keller bis zum Boden alles abzusuchen.

Goethe griff sich eine beschirmte Kerze in einer Sturmlaterne, Schiller trug eine Petroleumlampe und nur Nikolai verzichtete auf eine eigene Lichtquelle. Dafür schwang er sein breites Messer drohend. Sie sollten nur kommen, diese Gespenster.

Der Dichter der Räuber sah sich in der Vorhalle um. „Nur drei Türen von hier aus!“ bemerkte er. „Untersuchen wir mal diese Öffnungen. Die Wahrheit findet sich nur in der Tiefe!“

Die erste Tür führte in einen großen Salon. Sessel und einige Chaeselongues standen einladend herum, doch verspürte keiner der Männer jetzt den Drang, sich zu setzen.Sie waren hoch aktiv, nicht müde. Außerdem waren die Möbel bereits recht eingestaubt. Schiller musste niesen, dabei verrutschte die Perücke, die er unter dem hohen Hut trug bis über seine Augen. Mit einem gemurmelten Fluch rückte er sie zurecht.

 

 

Goethe spähte in den zweiten Raum, Es schien sich um eine Art Lager zu handeln, diverse Regale standen parallel verteilt in dem groß wirkenden Zimmer und er ging vorsichtig hinein. Ab und zu fand er einige alte Bücher auf den staubigen Bretter,. „Ah hier! Der Hermes Trismegistos!“, murmelte er.

„Und dort: Die Poetik des Aristoteles, zweiter Band. Dieses Buch findet man auch nicht in jedem Haushalt!“ Vorsichtig zog er die schmale Kladde heraus, pustete den Staub von den Deckeln und schob es sich gedankenverloren in die Seitentasche des Überrocks. Wie gut, dass es den Herrn Reclam gab und dessen nützliche Hefte. „Ja: im Anfang war – das Wort!“

Er sah sich weiter um, fand aber nichts mehr außer ein paar alten Theaterrequisiten. Ein paar Girlanden, Skizzen von Bühnenbildern und einige Masken, ein Paar Khoturne. Goethe griff sich eine der Masken, es war die verzerrte Fratze eines Komischen und schob sie über den Kopf. Dann nahm er den Hut ab, streckte den Schädel aus der Tür heraus und machte ein paar zischende Geräusche. Nikolai, der direkt hinter der Toröffnung stand, fuhr zusammen. Erschrocken blinkten seine Augen. Seine Hand griff zum Messer im Gürtel. Dann jedoch erkannte er Goethes Jacke und lächelte mühsam. „Sie und ihre Scherzchen!“ machte er sich Luft. Goethe schob die tückisch grinsende Maske der Commedia-del-Arte hoch und setzt den Hut wieder auf.

„Habe.ich Sie erschreckt, werter Meister!“ fragte er ruhig. „An derlei Mummenschanz, so fürchte ich, werden wir uns gewöhnen müssen, wenn die Geister eintreffen. Bis dahin sollten wir unsere Nerven gestählt haben, als die tapferen Helden, die wir sind.“

Schiller streckte den Kopf aus dem Salon: „Ja, mein Ritter von Berlichingen!“ sagte er feierlich. „Karl Moor in Form meiner werten Person ist da ganz auf ihrer Seite! Lassen Sie uns voranschreiten! Heben Sie Ihre eiserne Faust!“

Damit ging er auf die dritte Tür zu.

Goethe legte die alte Maske beiseite und folgte dem Berufskollegen auf dem Fuße. Nikolai schloss sich an, die Hand immer noch am Griff seines großen Messers.

Knarrend öffnete sich das Entree und gab den Blick auf eine doch recht kleine Kammer frei.

Schiller trat hinein, hob schwenkend die Petroleumlampe und sah sich um. Es schien sich um das ehemalige Studierzimmer eines Anatomen zu handeln. Auch Goethe war gleich fasziniert. So ähnlich hatte er sich die Stube des Heinrich Faust vorgestellt. Schiller ging etwas tiefer in das kleine Zimmer, damit die andren beiden Erkunder ihm nachfolgen konnten. Dabei schwenkte er die Lampe hoch über die Gegenstände, die er so sah, denn in der Düsternis des kleinen Raumes war sonst kaum etwas erkennbar.Er hob einen Schädel von einem Stapel staubiger Manuskripte. Goldzähne blitzten im Gebiss des Skelettkopfes. „Ah! Ein reicher Yorick!“ machte Schiller und blies etwas Schmutz von dem Kopf. „Oder es ist der staubige Stig!“ Er begann zu niesen, denn die Luft war nun arg von dem alten Feinstaub gefüllt, den die drei Männer jetzt ungewollt aufgewirbelt haben. „Wirbeln Sie doch nicht so einen Staub auf!“ sagte Goethe indigniert und wedelte mit einem Spitzentüchlein vor seiner Nase herum.

„Ich betreibe historische Studien, mein Herr! Sehen Sie das nicht!“ verkündete Schiller und legte endlich den Schädel wieder auf einem Buchstapel ab. Er schwenkte die Lampe herum.

„Ah, schau an! Hier haben wie die vollständige Gestalt!“ Er leuchtete ein an der Wand hängendes Skelett an und ließ den Schein der Lampe an den Knochen entlangfahren. „Nun! Dieser hier ist jedenfalls mausetot! Und das schon eine ganze Weile. Ich glaube nicht, dass dieser Knochenmann noch ein Tänzchen aufführt.“ Goethe zeigte mit der Spitze des Stockes auf das Skelett. „Wie Ihnen vielleicht entgangen ist ...“ dozierte er: „...hängt das Gerippe nicht einfach an der Wand! Sondern es ist festgeschmiedet worden. Sehen Sie: hier und hier…“ Er deutete mit dem Stock auf die metallenen Bänder, mit denen das Skelett fest an der Wand befestigt war. „Hier sind einige Fesseln angebracht, die eine Ewigkeit halten könnten!“ sagte er beunruhigt. „Das muss doch einen bestimmten Grund haben. Ich glaube nicht, dass der verschwundene Besitzer dieser Studierstube hier nur seinen Knochenmann besonders fest an die Wand ketten wollte, damit er nicht herabfällt!

Doch lassen sie uns weitergehen! Hier können wir zunächst nichts Neues mehr lernen!Dieser arme Sünder hier spricht nicht zu uns.“

Die drei Männer verließen den kleinen Raum, nicht ohne zuvor noch die diversen Gerätschaften erkundet zu haben, die, stark eingestaubt, auf diversen Regalen standen. Von Retorten über Gläser bis zu Pistillen und Mörser samt Stößel war allerlei chymisches Gerät der Alcheimie zu finden. Auch die benötigten Zeichen für die Umwandlung der Metalle standen an der Wand, kryptisch geordnet auf einer Tafel.

„Oha!“ sagte Goethe und wiederholte sich, was er nicht oft tat: „Das ich erkenne, was die Welt – im Innersten zusammenhält!“

„Ja! Aber ...“ sagte Schiller trocken: „wenn ich sie zitieren darf, werter Herr Kollege: Du gleichst dem Geist, den Du begreifst ...Gehen wir. Hier findet sich doch nichts mehr!“

Sie verließen den Raum.

Kaum hatten sie die Tür zugeklappt, erhob sich der einzelne Schädel vom Tisch und begann, durch die Luft zu schweben. Oberhalb des Schreibtisches hielt er dort an, wo Schiller ihn weggenommen hatte. Rot glühte der alte Skelettkopf, dann senkte er sich wieder auf seinen alten Standort herab und das rote Zucken erlosch.

Das Skelett an der Wand hob den Kopf, der vorher seitlich an der Schulter angelegt war und sah sich mit gelb leuchtenden Augenhöhlen um. Der Körper spannte sich an und ruckte an den metallenen Fesseln. Dreimal zuckte der Kopf mit dem Blick durch den Raum, doch als er nichts Auffälliges bemerkte, erlosch das grelle Leuchten in den Augen wieder und der Rumpf erschlaffte. Der Kopf rutschte erneut seitlich an die Schulter. Alles war ruhig.

 

 

Das Skelett war zur Ruhe gekommen, der Schädel stand still. Da hätte man plötzlich ein Knarren hören können;

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Bremens Clentano
Bildmaterialien: Johannes Faust
Cover: Jonhannes Faust
Lektorat: Bremens Clentano
Übersetzung: Keine
Satz: Keinen
Tag der Veröffentlichung: 02.10.2019
ISBN: 978-3-7487-1690-7

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Zunächst: Es klang ... ... nach Sturm und Drang! Doch als ich drauf sah noch ein Mal, war es ein klassisches Fanal! Allein: als auf den Inhalt fiel mein Blick, erkennen tat ich Romantik!

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