WINGMASTER
WINGMAN 2
DIE BASTION DER SHEDORRA
von
Aarn Munro
--- „I have followed my trade on the place, where the lightnings are made!“ ---
Rudyard Kipling
Tritch trat vor. Das Tor schimmerte hinter ihr, warf einen hellen Schein in das Dunkel der Eingangshalle. Die Nikknokks waren abgeflogen, hatten ihren Echsenmann gerettet. Sie wollten ihr dabei vorhin auf die Pelle rücken, doch sie war dem Pulsstrahl des Splatgeschützes gerade noch mit einem Hechtsprung entkommen. Die Mündung des Rohres hatte ihre Geschosse abgefeuert und diese hatten kleine Explosivkrater auf dem Boden draußen aufgeworfen. Tritch konnte es den Echsen nicht verdenken, denn für die war sie natürlich der Feind, der Gegner. Beinahe hätte es sie erwischt; sie konnte gerade noch durch den Eingang der fremden Station ins Innere hechten, wo ein Flimmerfeld an der Tür alles Nichtorganische wie Geschützgranaten auszusperren schien. Dann aber hatte ein anfliegender Raumjäger der Firma die Echsen vertrieben. „Undankbares Gesindel! Immerhin habe ich ihren Flieger gerettet!“ sagte Tritch vor sich hin. Aber die beiden Arten, Terraner und Nikknokk-Echsen waren eben im Streit. Sie kämpften um wichtige Ressourcen hier draußen im fremden Weltall, Seltene Metalle und Schwerquarze. Jetzt hatte man sogar außerdem noch die fremde Station einer dritten Alienart entdeckt!Wie der einmal eine Basis der sagenhaften Sheddorra, deren Artefakte weit verstreut über den Spiralarm gefunden worden waren. Tritch befand sich gerade im Eingangsbereich der Station, doch es war finster darin, und sie konnte nichts erkennen, obwohl hinter ihr das geöffnet wirkende Tor nach draußen noch Schummerlicht hereinließ.
Sie drehte sich um, hielt die Hände nach vorn, um nicht zu fallen, aber auch ihre Makaroff in der Faust. Den Fliegerhelm hielt sie noch geschlossen, denn es gab keine Anzeige für Luft hier drin an ihrem Armbandscanner. Die Wumme immerhin funktionierte auch im Vacuum. Das war gut so.
Sie trat kurz zurück und prüfte den Eingang, doch eine Art Schirmfeld hielt sie zurück. Ihre Hand jedenfalls konnte nicht nach draußen gelangen. Eine zähe Masse hielt sie zurück. Milchig schimmerte das Türfeld und schirmte den Eingang nun ab. Licht fiel hindurch, doch Materie konnte durch die Abschirmung von hier nicht nach draußen gelangen. Also musste sie nach vorn gehen. Vorwärts! Irgendwo würde sie schon wieder herauskommen. Tritch drehte sich um und ging gezielt los, diesmal in die andere Richtung, nach innen. Hinein in die fremde Basis, die unbekannte Station. Eigentlich hatte sie so gar nicht hierher kommen wollen. Aber jetzt musste sie das Beste aus ihrer Situation machen. Tritch checkte den Funkempfang ihres Armbandsenders, doch die Fremdmetallwände der Basis hielten die elektromagnetischen Funkwellen zurück. Vielleicht wurde die Strahlung auch durch unbekannte Energiefelder abgeschirmt. Sie wusste es nicht. Jedenfalls war sie vorerst von jeglicher Außenkommunikation abgeschnitten. Auf sich allein gestellt. Da konnte sie sich auch gleich hier umsehen. Tritch hob den Kopf wieder; ihre scharfen Fliegeraugen musterten das Innere der Bastion.Zuerst wirkte die Umgebung wirklich dunkel, dann erkannte sie drei hellere Flecke in der Entfernung, verteilt in der Form eines gleichseitigen Dreieckes. In ihrem Gehirn schimmerten die Kleckse farbig: rotorange, grünblau und gelbweiß. Nun hatte sie die Wahl, jeder Weg war ihr recht. Tritch wendete sich dem gelben Fleck zu und trat näher. Zuerst wirkte es nicht so, als würde sie sich diesem Phänomen weiter annähern können, eher schien der Farbfleck noch weiter zurück zu weichen. Dann aber explodierte eine gelb wallende Farbsymphonie um sie herum. Sie spürte, wie sie herumgeschleudert wurde, taumelte und dann fühlte sie den Ortswechsel. Plötzlich war sie woanders. Ein helles, ruhiges Licht strahlte von der Decke einer großen Halle hell leuchtend herunter. Tritch sah sich um. Sie hörte eine Art Summen. „Das kann nicht sein!“ sagte sie und sah auf den Armscanner. Doch, hier war Luft! Zumindest gab es eine Atmosphäre, Druck war vorhanden. Tritch prüfte die Zusammensetzung; sie hätte gern einmal den schweren Fliegerhelm geöffnet. Doch dann rümpfte sie die Nase unter der Helmscheibe.. Achtzig Perzente Helium, zwanzig Anteile Neon. Edelgase. Nicht gerade so zum Atmen für sie geeignet – aber als Konservierungsmittel für technische Anlagen, die eventuell lange sich selbst überlassen bleiben müssen, durchaus sinnvoll einsetzbar. Es war also nichts mit Atmen! Nur die Konserve aus der Dose auf ihrem Rücken. Keine frische Luft. Mist!
Sie sah sich um, irgendwo musste das Brummen doch herkommen. Unwillkürlich schüttelte sie die schwarze Lockenmähne im Helm.Sie drehte sich einmal um sich selbst. Hinter ihr befand sich der wallende Gang, durch den sie gerade gekommen war. Das gelbe Licht waberte diesmal am anderen Ende des Tunnels. Seitlich war die Halle groß, sie erkannte keine Wände, doch vor ihr schien es weiter im Raum eine Art von technischen Geräten zu geben. Tritch trat einige Schritte vor und Konturen schälten sich aus der Helligkeit der Luft.
Gewaltige Blöcke ragten plötzlich vor ihr auf, sie schienen leicht zu vibrieren, vielleicht Arbeitsmaschinen im Leerlauf. Doch wofür diese Apparate geeignet waren oder was sie kontrollierten oder herstellten, davon hatte sie keine Ahnung, konnte nur raten. Terranische Technologie war dies jedenfalls nicht und auch die Nikknokks konnten so etwas nicht bauen, das wusste sie instinktiv, denn sie war durchaus in der Lage, das technische Potential der am nächsten liegenden interstellaren Konkurrenz aus den Tiefen des Alls abzuschätzen. Die Echsen hatten diese Station jedenfalls nicht erbaut, soviel war einmal klar! Hoch ragten die Kolosse an den Seiten auf, mindestens fünf bis sechs Meter. Doch in der Mitte war immerhin eine schmale Gasse gelassen, so dass sie sich hier hindurch zwängen konnte.
Die Verkleidung der Maschinen war dicht, doch spürte sie bei der Berührung das gleiche Abwehrfeld wie am Eingang der fremden Basis. Sie konnte diese Apparate also nicht wirklich berühren. „Das berühren der Figüren mit den Pfoten ist verboten!“ murmelte sie und grinste. Doch übertrug das Schirmfeld immerhin das Vibrieren, den Arbeitstakt oder Leerlaufrhythmus der großen Geräte.
Tritch zwängte sich voran, schritt mutig zwischen den Kolossen dahin. Dann bemerkte sie einen Wirbel in der Luft vor ihr; hier schien es eine Art Symbol zu geben, das erneut auf ihr Gehirn einwirkte. Tritch grinste: „Auch für Frauen schadet es nicht, ein Gehirn zu haben!“ hörte sie die Stimme ihres Ausbilders, wenn er sie wieder einmal herunterputzte. Sie konzentrierte sich, sah genau hin und ein chromatischer Sturm explodierte in ihrem Kopf. Wirbelnde Farben, Muster und Schlieren ordneten sich dynamisch in ihrer Wahrnehmung zu einem festen Schema an. Sie erkannte eine Art Schaltung. Mitten drin schien ein Bedienungsknopf auf ihre Berührung zu harren. Pulsierend wechselte der Schalter das Farbsystem von rotblau auf violett-orange. Immer im Wechsel von etwa drei Sekunden. Das kam Tritch wie eine Aufforderung vor. Sollte sie? Oder vielleicht nicht? Nur wer wagt, gewinnt!, hieß aber schließlich die Devise, also ließ sie den rechten Arm vorschnellen und drückte den immateriellen Knopf mit ihrem Handschuhdaumen. Etwas schien einzurasten, vorn in der chromatischen Maschine - und in ihrem Gehirn. Sie spürte ein Signal durch ihren Arm fahren und bunt in ihrem Kopf explodieren. Etwas schien sie zu scannen, kurz erhaschte sie einen eventuellen Kontakt zu einer fremden Entität, doch der Augenblick war zu kurz um real zu sein. Vielleicht hatte sie sich auch getäuscht. Doch das leise Brummen der Maschinen hinter ihr änderte den Tonfall. Sie löste den Daumen vom Regler und drehte sich herum. Eine Farbkakophonie explodierte jetzt vor ihr, dort, wo die fremden Apparate standen. Waren sie eben noch metallisch blau gewesen, schillerten die Apparate jetzt in pulsierenden, multifarbigen Wechselfeldern, irisierten von rotblau über lilagrün in fraktalen Mustern wahnwitzig über ihren Oberflächen und drehte in wilden Wirbeln kaleidoskopartig fremde Muster in ihren unbekannten Darstellungen.
Allein vom Hinsehen wurde Tritch schwindlig und sie musste den Blick abwenden und die Augen senken, um nicht verrückt zu werden. Shedorra-Tech war wirklich bizarr. Immerhin hatte sie etwas bewirkt. Was das nun genau war, konnte sie noch nicht erkennen. Aber sie spürte einen Luftstrom um sich herum. Rasch sah Tritch auf ihr Armbandgerät. Die Luft veränderte sich: statt He und Ne bekam sie jetzt Sauerstoff und Stickstoff im Verhältnis Eins zu Vier. Sie prüfte das Manometer an der Schulter, der Druck erhöhte sich, die Atmosphäre wurde dichter, lag bereits bei 0,7 at und wurde stärker. Sie wartete ruhig ab. Das Pfeifen nahm ab, wurde leiser und der Luftzug beruhigte sich. Es schien so, als wäre die Luft ausgetauscht. Tritch erkannte nach zwei Minuten den endgültigen, sich nun nicht mehr ändernden Druck bei 0.98 at und war zufrieden damit. Damit konnte sie gut leben und auch atmen. Kurz entschlossen, steckte sie die Makaroff ein und öffnete den Helmverschluss. Vorsichtig klappte sie die Umrandung einige Zentimeter weit auf, doch sie erstickte nicht. Prüfend sog sie einen Luftzug ein, die Atmosphäre war klar, rein und atembar. Also wagte sie es endgültig und klappte den Helm an seinen Scharnieren zurück auf den Rücken.Dieser faltete sich automatisch in seinen Klappzustand zurück, es war Erinnerungsmaterial. Dann nahm sie noch einen tieferen Atemzug. Alles war klar. Sie konnte die Luft assimilieren.
Jetzt konnte sie sich wieder den Apparaten zuwenden. Diese waren sicher nicht nur für das Ambiente zuständig. Für die atmosphärische Regelung eines Luftaustausches hätte bei weitem einer dieser Kolosse genügt. Selbst der terranische Stand der Technik hätte hierfür nur eine kleinere Maschine benötigt. Also mussten diese Geräte noch eine andere Bedeutung haben, weitere, unbekannte Wirkungen erzeugen. Hinter dem virtuellen Mentalschalter erkannte sie eine weitere chromatische Wirbelwand. Wahrscheinlich eine Schalttafel der Fremden. Shedorra-Tech war eben seltsam. Tritch ging an dem mentalen Regler vorbei und näherte sich der kaum sichtbaren Farbwand an der Rückseite des riesigen Raumes. Hier gab es jetzt keine Maschinen mehr, alles um sie herum schien nun leer zu sein, der ganze vordere Raum vor der Schalttafel. Auch diese Wand konnte sie kaum erfassen, ihr Blick glitt immer an den nicht genau erfassbaren Konturen ab, doch bildete sich ein farbiges Bild in ihrem Kopf. Die Wirkung der Steuergeräte schien sich auf ihr Gehirn einzuprägen, langsam erkannte sie den regelgerechten Wechsel hinter den Schlieren des Farbrhythmus, die das fremde Gerät in ihrem Gehirn erzeugte. Daher schloss sie die Augen ganz, horchte nach innen und versuchte, die Bedienung der Schaltwand über das veränderbare Wallen der Farbmuster zu erkennen.
Nach einer Weile an Konzentration glaubte sie, die drei wichtigsten Bedienelemente der Tafel erkannt zu haben. Der erste Schalter steuerte die Transfertüren zwischen den Tunneln. Deutlich erkannte sie drei Farbmuster, die rötlich, blaugrün und gelb schimmerten. Diese Farben blieben in all dem Wallen und Wirren konstant. Also sollten sie die Tunneltüren regeln, die Öffnungen in diesem fremden Weltenbau steuern.
Das zweite Gerät wirkte violettlila in pulsierendem Farbwechsel mit weinrot. Sie glaubte, hier die Konstellation der Kraftwerke erkannt zu haben. Die Quellen des Betriebes. Auf acht Sekunden weinrot erfolgte eine Zehntelsekunde violettes Aufblitzen. Tritch vermutete diesen Rhythmus als Leerlaufanzeige der Geräte, die auf Bereitschaft geschaltet waren.Vielleicht konnte sie das Gerät mentalchromatisch steuern. Noch aber wollte sie das nicht wagen, denn der dritte Regler gab ihr bisher Rätsel auf. Sie öffnete ihr Gehirn weit und ließ die bunte Farbkombination hereinfließen. Tiefblau wechselte hier in raschem Rhythmus mit orangegelb. Sie spürte eine ringartige Form in ihrem Kopf, wie ein langer Tunnel schien die Verbindung zu sein. Die vibrierende Pulsation verwirrte sie, also zog sie ihre mentalen Fühler zurück und die Wirkung erlosch bis auf einen Farbwechsel weit im Hintergrund ihres limbischen Systems.
Tritch wusste jetzt, was dieses Gerät ansteuerte. Es musste sich um eine Art interstellare Funkverbindung handeln. Etwas wovon Terra und auch die Nikknokk-Echsen schon lange träumten. Doch ließ die Torsprungtechnologie, deren sie sich bedienten, diese Art von langreichweitigem Breitstrahl auf elektromagnetischem Wege nicht zu. Im Zeitalter der Sprungtore mussten zum Nachrichtenaustausch materielle Kuriere, also kleine, schnelle Schiffe, eingesetzt werden. Eigentlich beinahe eine Art von Widerspruch zu der weit fortgeschrittenen Kräuseltheorie der Raum-Manipulationen, die der Sprungtortechnologie zugrunde lag. Doch es war eben so. Die Jagdpiloten nannten diese kleinen Kurierboote verächtlich die „Post“, doch war diese materielle Transport-Verbindung notwendig, um über die lichtjahreweiten Entfernungen zwischen Sprungtoröffnungen kommunizieren zu können.
Hier hatte die fremde Art anscheinend einen Fortschritt errungen, den die Terraner noch nicht besaßen. Schon deshalb könnte diese Basis von Nutzen sein, wenn man die Tech in den eigenen Besitz bringen konnte … und die Nikknokk-Echsen von dieser Station fernhalten. Das würde dem CoRhAl-Konzern – und damit der Menschheit – einen wichtigen strategischen Vorteil bringen. Dann könnten sie die Echsen damit hier draußen endgültig abhängen. Sie nickte zufrieden und hob die Makaroff. Tritch ging dann weiter den Gang entlang, horchte dabei auf weitere Farbschwingungen im Mentalbereich. So verschwand sie im milchigen Hintergrund.
Der Transponder vibrierte, als der Empfänger anschlug. Der Orterstrahl kam klar herein und zeichnete. Skunks Jäger sendete sofort das Antwortzeichen. Die Telemetrie erkannte, dass der Pilot von Bord gegangen war. Doch der Raunjäger stand auf Bereitschaft. Die Antwort wurde durch die dünne Atmosphäre gestrahlt und ließ die großen Funkempfänger auf der ARGUS klingeln.Die Jagdmaschine wurde endgültig eingepeilt.
Der Funkoffizier des großen, trägen Frachtschiffes gab die Koordinaten bekannt, der Navigator für orbitale Kurssetzungen schaltete und das Schiff schwebte ein. Noch einmal wurde das Lasersignal kalibriert, dann waren die Daten klar. Ein letztesmal brüllten die Heckmotoren auf, die seitlichen Navigationsdüsen korrigierten den Ort, an dem der Raumer über dem Planeten schwebte und verstummten wieder. Der Radar zeichnete jetzt eindeutig. Major Harlan sah auf den großen Monitor, der die Umrisse der fremden Basis zeigte. Der Redeemer war eindeutig davor lokalisiert worden, und wurde als blauer Punkt angezeigt. Die Konturen der fremden Station dagegen erschienen in grellrot auf dem Holo. Das Objekt zeichnete deutlich. Der Transponder sendete das Freund-Signal.
Der Kommandant griff nach dem Mikrophon und gab seine Befehle: „Los geht’s! Landemanöver Delta A Eins einleiten! Vorgehen nach Plan A!“
Sofort öffneten sich die großen Hangare mittschiffs elektronisch und die ersten Frachtcontainer wurden abgeworfen. Selbststeuerung manövrierte die riesigen Quader nach unten. Eine der riesigen Kisten nach der anderen wurde hydraulisch aus dem schräg gekippten Hangar der ARGUS hinabgeworfen. Zwölf solcher gewaltigen Pakete stürzten in die dünne Luft hinab, dann sprangen die Söldner hinterher. Zweihundert Mann Bodentruppen hatte die ARGUS aufgewendet, um die unbekannte Bodenstation fremder Aliens zu sichern .Shedorra-Tech war heiß begehrt hier draußen in der schwarzen Wildnis des Alls.Da musste man klotzen, nicht kleckern. Aber es musste sich rechnen für den Konzern.
Im Anflug nach unten rasten die Düsen der Fluganzüge brüllend ihre Kräfte heraus und beschleunigten die ersten hundert Mann an den fallenden Containern vorbei. Sicher landeten die Truppen in den braunen Sanddünen und schwärmten sofort aus. Knisternd bekam der Kommandant oben eine Antwort durch das Funkgerät: „Hier Leutnant Burschikov. LZ gesichert. Alles klar. Kein Kontakt!Weder Gruuhl noch sonstige Aliens in Sicht!“ Damit musste sich Major Harlan oben im Orbit zufriedengeben.
Burschikov stand in der Halbwüste neben einer Art verdrehtem Kaktusgewächs und sah nach oben. Die lange Nase passte kaum in den Helm und seine dürre Gestalt wuchs hoch empor, fast zwei Meter. Tatsächlich war er in seiner Jugend auch Basketballspieler bei Cozmos Mercuro gewesen, unter der lodernden Sonne. Das dünne Blondhaar lag kurz und eng am Kopf an und der Leutnant sah zu, wie seine Männer ausschwärmten und den Abschnitt der Wüste sicherten, den sie für das erste Basislager ausgewählt hatten. In ihren schweren Anzügen hüpften die Söldner der CoRhAl mit Hilfe der Sprungdüsen in Reihen vorwärts und besetzten das fremde Gelände. Spiralig verdrehte Gewächse leuchteten in fahlem Gelb auf dem hellen Wüstenboden. Nach drei Minuten war das erste Terrain gesichert. Burschikov spähte nach oben. Schon schwebten die vordersten Container herab, bremsten automatisch, als das Annäherungsradar die Oberfläche des Planeten erkannte.Die Bremsdüsen brüllten ihre Kraft hinaus. Sanft setzte der erste neben ihm auf. Dann sanken die nächsten der schweren Frachtquader herab. Knirschend zerquetschten sie ein paar Gewächse, doch kamen alle der großen, orangefarbenen Frachtbehälter heil unten an. Darüber schwebte die zweite Charge der Sicherungsmannschaft. Auch diese Jungs schwebten jetzt herunter und landeten sicher zwischen den Behältern, die sie sofort mit ihren langen Makaroffs sicherten.
Burschikov sah sich um. Hinter ihm zackten schroff die Kliffberge empor, vor ihm lag die Halbwüste und von fern war die Basis der Fremden erkennbar, etwa vier Kilometer entfernt. Der lange, hohe spiralförmig gedrehte Turm war nicht zu übersehen in seiner verrückten Geometrie. Alien-Tech war schon verwirrend. Daneben buckelten breit die drei niedrigen Gebäude. Die Alien-Station der Shedorra, des ausgestorbenen Sternenvolkes..
Burschikov sah auf sein Handgerät: die Telemetrie des schnellen Flitzers zeichnete klar, der Raumjäger stand im Wartemodus vor dem Eingang zur fremden Station. Er gab ein Kommando und ließ seine Männer ausschwärmen. Fächerförmig näherten sich die Truppen der fremden Basis. Doch nichts passierte hier draußen. Die Wüste war tot bis auf ein paar gelbgrüne, sechsbeinige Alien-Eidechsen, die schnell in Deckung huschten. Die kleine, rote Sonne stand hoch, aber konnte kaum Strahlung bis hier herunter bringen, also war das Licht eher diffus. Die gelben Drehgewächse waren harmlos.
Sein Telekom schlug an.“Hier Sarge Bastarr! Vorraum gesichert! Ebene klar! Kein Kontakt!Raumjäger abgedeckt. Der Pilot ist nirgendwo zu sehen. Vielleicht ist er in die Station hineingegangen. Sollen wir eindringen?“
Leutnant Burschikov schaltete um auf Sendung, dann gab er seine klaren, eindeutigen Befehle: „Sichern Sie alle drei Gebäude und den Turm. Stellen Sie dann zwanzig Mann zusammen und dringen Sie ein. Sie können den Sturmtrupp selbst führen, wenn sie möchten, ansonsten nehmen sie ihren besten Mann und setzten den an die Spitze! Melden sie klar, wenn sie soweit sind. Ausführung!“ Er senkte den Arm und spähte herüber zur fremden Station. Diese verrückte Topologie des bizarr verdrehten Turmes machte ihn ganz kirre. Er musste den Blick abwenden und drehte sich zum Containerdorf herum, wo die Aktionsbesatzung bereits damit begann, die großen Behälter auszuladen. Seitenwände kippten herunter, in den freigesetzten Hohlräumen wurden Frachtkisten sichtbar, die ersten Fahrzeuge rollten auf brummenden, schweren Rädern eine Klapprampe herab und zogen die Kisten an schweren Trossen heraus. Ein Gabelstapler fuhr brummend heran und hob einen Stapel auseinander. Schwere Lauf-Boter stapften die Rampen herab, zogen Kisten hinter sich her.
Schon formten sich die ersten technischen Geräte auf dem sandigen Untergrund und die Bereitstellung der neuen Basis fing an, Form zu gewinnen.
Burschikov war zufrieden mit dem Arbeitstempo, als er sah, wie rasch die Techniker, von den Soldaten unterstützt, den ersten Stützpunkt der CoRhAl auf Spot aufbauten. So wurde dieser frisch eroberte, neu errungene Sandplanet ja wohl jetzt genannt. Die Raumtruppen des Konzerns hatten die kosmische Umgebung von den Nikknokks gesäubert und den rotbraunen Rostbrocken jetzt selbst erobert. „Kotzbrocken!“ murmelte Burschikov und sah sich weiter aufmerksam um.Die Männer hatten den Planeten für sich bereits umgetauft und nannten ihn Spit! Das war eben deren Jargon. Doch er musste nicht eingreifen, denn ein interstellarer Konzern wie Corall bezahlte gut und die Männer waren auch exzellent ausgebildet und hoch motiviert. Schließlich wollte jeder mal als erster auf einer fremden Welt landen. Selbst dann, wenn der Planet mickrig war und nur wie eine Mischung von Mars, Merkur und Nevada aussah. Nichts als Wüste und roten Rostsand. Aber hier gab es seltene Erden, wichtige Metallsorten und Schwerkristalle. Das alles benötigte die Firma für ihre interstellaren Raumgeschäfte; davon lebte der Konzern – und auch die Staaten der Erde sollten ihren Teil davon abkriegen, wenn sie spurten. Wie so viele Söldner dachte Burschikov nicht wirklich oft über Politik nach und die Länder von Terra interessierten ihn wenig. Er arbeitete für Firmen, nicht für irgendwelche machtlosen Staaten, die kaum über ihre Ländergrenzen hinaus planen konnten, von gierigen, korrupten Politikern in die Irre geführt.
Hier draußen im All hingegen ging es um harte Tatsachen. Es ging darum, den Einfluss der Nikknokks, dieser verfluchten Echsen, im All zu beschneiden und sie aus dem Feld zu schlagen, die bereits gefühlt ewige Konkurrenz der Terraner. Dabei war der erste Kontakt beider Arten kaum hundert Jahre her. Doch gleich zu Beginn hatten sie sich beharkt, es gab eben zu viele, gemeinsame Interessen. Zu sehr überschnitten sich die Zielbereiche beider Arten , obwohl ihre Denkweise doch sicher verschieden war. „Scheißechsen! Kick their ass!“ murmelte er.
Burschikov beobachtete, während er um die Container herumging, wie das erste Lager rasch aufgebaut wurde. Schon wurden die großen Behälter zerlegt, ihre Wände anders verschraubt und der erste permanente Standort der Firma CoRhAl entstand, als sich die Hütten formten, in Reih und Glied um den zentralen Kastenbau. Rasch wurden weitere Kisten heruntergetragen, geöffnet und ausgepackt. Es gab keinen Abfall, jedes Material wurde zweckmäßig und nutzbringend irgendwo eingebaut, so war die Firma eben auf maximalen Profit orientiert. Bald waren acht der zwölf ursprünglichen Container bereits in Wach-und Wohnhäuser umgebaut und auch die übrigen vier Frachtbehälter verschwanden rasch, als ihre Wände demontiert wurden. Stakende Transport-Boter trugen Leichtmetallwände herum und bauten den Rest des Stützpunktes systematisch nach Plan auf.
Nach einer Stunde stand das Lager, bereit und fertig. Befehlszentrale, Funkraum, Waffenlager, Sanitöterkammer, Kraftwerksraum und Fraß-Küche mit Abfüll-Messe standen bereit. Drei der zusätzlichen Räume dienten als Garagen für die sechs schweren Fahrzeuge und die übrigen konnten als Unterkunft für die Männer genutzt werden.Irgendwann. Denn jetzt ging es erst einmal darum, die Lage zu sichern und endgültig zu klären. Schon wurden vier schwere Sputkanonen um das Lager herum montiert, deren Läufe drohend in den Himmel ragten.Sie sollten den Luftraum absichern.Auch zwei schwere Raketenbatterien mit Boden-Luft-Raketen wurden montiert. Sollten die Echsen nur kommen! Der LT sah zu, wie die Geschützstellungen fertig wurden. Schutzpanzerung wurde angebracht, Buckelbunker errichtet und das Offensivfeld um die eigene Basis herum war fertig. Sein Mikro rauschte, als eine Meldung nach der anderen einging. Die Pioniere waren tüchtig gewesen. Wie immer bei Corall, zügig und schnell.So erwartete er das!
Burschikov zog die Hände hinter dem Rücken hervor und betrat die Befehlszentrale. Ein Techniker spleißte noch im Hintergrund einige Kabel zwischen die Wände, klappte dann die Innenebene hoch, rückte die Wandpaneele ein, strich sie glatt und alles war bereit. Der Leutnant war zufrieden. Er schaltete den Funk ein: „Gut gemacht, Männer! Das ging zügig, wie erwartet.Vielleicht gibt‘s einen Bonus dafür. Sarge Bastarr, Meldung!“ Die krächzende Stimme von Bastarr drang durch den Funkempfänger: „Truppe bereit zum Sturm. Pilot noch nicht zurück! Außenraum der fremden Hallen gesichert!“ Der Leutnant räusperte sich. Seine Orders kamen knapp: „Bereit zum Eindringen. Destination: Finden Sie den Piloten, möglichst lebend. Sichern Sie innen die
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Holger Döring
Bildmaterialien: Holger Döring
Cover: Holger Döring
Tag der Veröffentlichung: 11.01.2018
ISBN: 978-3-7438-4993-8
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Für Andreas Brandhorst