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Prolog

Vom Flughafen Oslo fuhren sie sofort mit dem Taxi in die angegebene Privatklinik. Als er dem Fahrer die Adresse vorwies, nickte der nur. Für ihn war schon der Name schwer lesbar:

Klinikk Dr. Nilsson, Sognsvann

Nach kaum einer Stunde näherten sie sich einem offenbar großen Areal, von dem sie nur die ersten Gebäude sehen konnten. Er zahlte und sie stiegen aus. Mrs. Oasley betrachtete das Gelände und zeigte sich erfreut: „Sieht wirklich solide aus!“

Am Empfang erklärte eine freundliche Dame den Weg durchs Haus. Gut, dass seine Frau mitgekommen war, es ging ja um Leben und Tod. Nun hörte sie alles aus erster Hand.

Er klopfte kurz an die Tür und öffnete. Auf den Gedanken, stehen zu bleiben und eine Aufforderung abzuwarten, wäre er nie gekommen. Noch am Eingang verweilten sie und er vergewisserte sich:

„Dr. Keldan Nilsson?“

Der Arzt stand auf und begrüßte den Gast:

„Und Sie sind Mr. Oasley und seine Frau! Wunderbar - wie vereinbart!

Ich lasse Kaffee und ein wenig Gebäck herbringen – ist Ihnen doch Recht?“

Seine einladende Geste wies auf die freien Sessel an einem Kaffeetisch direkt am Fenster. Er sprach etwas auf Norwegisch in eine Wechselsprechanlage auf dem Schreibtisch.

Nachdem die Neuankömmlinge Platz genommen hatte, setzte er sich zu ihnen. Das Gespräch drehte sich erst einmal um den Anfahrtsweg:

„Hatten Sie Probleme, den Weg zu finden? Am besten, man nimmt ein Taxi!“

„Genauso haben wir das gemacht!“, lächelte der Besucher. Seine Frau überließ ihm die Konversation.

„Wir sind über Island, Keflavik airport, geflogen. Liegt daran, dass mein Jet keine so große Reichweite hat! Dort haben wir auch ein wenig gegessen“, legte er dar.

Dr. Nilsson fand, sie sollten nur zum Thema kommen, wenn die Gäste nicht zu erschöpft wären:

„Ihr Weg war doch recht weit und damit anstrengend. Falls Sie eine Pause einlegen wollen, wir haben Appartements in verschiedenen Größen. Die grundlegenden Dinge haben wir ja vor wenigen Tagen am Telefon besprochen.“

Der gerade Eingetroffene lehnte jeden Stillstand ab:

„Das Thema ist viel zu wichtig, als dass man es verschieben könnte! Sie wissen, ich habe Krebs, mehrere Spezialisten sagten, es gehe nicht mehr lange. Die haben sich sehr gewundert, dass ich trotz Schmerzen noch so eine Reise auf mich nehmen will. Operabel soll das auch kaum sein – insgesamt schlechte Aussichten!“

„Ich sagte bereits im Vorgespräch“, hob sein Gegenüber an,

„dass ich Ihnen wahrscheinlich helfen kann! Die Methoden dazu habe ich erst vor Kurzem fertiggestellt. Im letzten Jahr habe ich schon zwei Menschen behandeln können – und mit durchschlagendem Erfolg. Verfahren und Präparate sind noch vollkommen unbekannt.

Mir ist klar, Leber und Bauchspeicheldrüse sind bei Ihnen zum großen Teil zerstört. Was noch von den umliegenden Organen betroffen ist, werde ich ja sehen. Daraus ergibt sich ein Teil des Problems: auch wenn der Krebs zum Stillstand kommt, brauchten Sie Funktionen, die Sie nicht mehr haben! Es ist die gleiche Schwierigkeit wie bei meinen beiden Patienten vom vorigen Jahr.“

„Welchen Lösungsweg kann man da gehen?“

Oasley beugte sich gebannt vor.

„Nicht jedem“, erläuterte sein Visavis,

„steht dieser Weg offen! Ich suche schon seit einiger Zeit nach Leuten, denen die materielle Sicherheit der Familie, also von Frau und Kindern, so bedeutend ist, dass sie auf ein entsprechendes Angebot eingehen würden. Was ihnen offeriert wird, muss überwältigend sein – sonst geht niemand darauf ein! Außerdem darf kein Zweifel an der Realisierung bestehen!

Ein weiteres Hindernis bildet die Rechtssprechung: wenn ich jemanden operiere und entnehme ihm lebenswichtige Organe, so gilt das als Mord. Um dort Angriffsflächen zu vermeiden, benötigt man erhebliche Summen.

Sie dürften nie andeuten, auf welche Art Sie wieder gesund geworden sind, sonst sind wir beide an einem Verbrechen beteiligt!“

Oasley und seine Frau schauten sich an.

„Klingt recht rational und logisch! Was wäre das nun für ein Betrag?“

„Alles in allem dreihundert Millionen Dollar!

Es ist wohl das Beste, Sie ziehen sich in Ihre Suite zurück, ich habe eine bereitstellen lassen. Dann sollten Sie mit Ihrer Frau darüber sprechen und das Für und Wider erwägen.

Trinken Sie aber noch Ihren Kaffee aus!“

Der Gastgeber machte sich offensichtlich auf eine Vertagung des Gesprächs gefasst.

Der Mann auf dem Besucherstuhl sah seiner Frau ins Gesicht, sie nickte unmerklich.

„Nein“, erwiderte er,

„wir haben uns schon entschlossen. Es bleibt noch genug Geld übrig, das ist uns die Sache wert!“

„Erfreulich, wenn es so schnell geht. Sie haben sich gut entschieden, man lebt schließlich nur einmal!

Nun zu den Details, ich glaube, wir haben noch das Formular, das wir im vergangenen Jahr aus ähnlichem Anlass benutzt haben. Im Prinzip wird darin festgelegt, dass Sie vor der Behandlung nur eine Million zahlen, einen Monat später zehn Millionen und nach einem Vierteljahr – wenn kein Krebs mehr auffindbar sein sollte – den Rest. Sie sehen, ich gebe Ihnen genug Zeit, ein Gutachten von unabhängiger Seite zu veranlassen. Über den Erfolg meines Herangehens bin ich mir absolut sicher.

Gegenwärtig arbeite ich an der Verzögerung des Alterungsprozesses. Es scheint so, als ob ich die Uhr des Lebens um diverse Jahre zurückdrehen kann, Einzelheiten kann ich jedoch noch nicht sagen. Wenn Sie das zu gegebener Zeit interessiert, rufen Sie mich an! Es wird zwar auch nicht billig, doch wesentlich preiswerter, als die Krebsbehandlung.“

Familie Oasley bedankte sich und war sichtlich besserer Verfassung. Die Fragen wurden zu Punkten gestellt, die keine Herausforderung darstellten.

„Noch ein völlig anderes Thema“, begann Mrs. Oasley, damit gute Stimmung machend,

„mir gefallen, soweit man sie vom Eingang her sehen kann, die Gebäude! Auch das Grundstück am See und im Wald ist wunderbar gelegen. Sie haben sich etwas sehr Schönes aufgebaut!“

„Ja, Sie haben wohl Recht – für hiesige Verhältnisse eine gute Lage. Doch Sie kennen den Norwegischen Winter nicht! Es ist einfach zu dunkel, und das für mehrere Monate. Meine Mutter kommt aus Deutschland, dort war ich sehr oft bei Verwandten, noch als Kind – versteht sich. In jenem Land wächst unheimlich viel, anders als bei uns. Es ist auch spürbar länger hell. Wenn ich alt werde, käme das als Ruhesitz in Frage!“

Dr. Nilsson hatte mit solcher Begeisterung gesprochen, dass kein Zweifel bestand, ob er das ehrlich meinte. Frau Oasley stimmte selbstverständlich zu, sie hätte nach den guten Neuigkeiten sowieso allem und jedem beigepflichtet.

Der restliche Kaffee wurde getrunken und man nahm Abschied. Die Familie begab sich in ihre Suite, die einen herrlichen Ausblick auf den See hatte. Das Familienoberhaupt rief sofort in Milwaukee an, damit das erste Geld sogleich überwiesen wurde. Wenn die Sache so zu regeln war – besser konnte es kaum sein!

 

Schon am nächsten Morgen bekam Mr. Oasley einen neuen Status: er wurde Patient. Die ersten Untersuchungen erwiesen sich als wenig aufregend, doch das Kernspintomogramm zeigte unzweifelhaft, wie angegriffen seine Organe schon waren. Nun, das hatte er ja bereits gewusst. Eine andere Sache ist es allerdings, die Aufnahmen zu betrachten und Erläuterungen zu hören. Ihm wurde nur zu offenkundig: wenn es hier keinen Erfolg gab, war alles vorbei.

„Nicht gerade begeisternd, doch unser Doktor kriegt das bestimmt wieder hin!“, erklärte ihm die untersuchende Ärztin. Ihre Stimme verriet Bewunderung.

Direkt daran schlossen sich die Medikamente an. Morgens, mittags und abends hatte er jeweils eine ganze Schale voll. Sie hatte eine Reihe Vertiefungen und in fast jeder lag eine Tablette. Außerdem wurde er an eine Infusion angeschlossen. Es dauerte nur Stunden und er fühlte sich, als würde er kochen. Anderntags kam erneut Dr. Nilsson.

„Sie machen sich gut!“, eröffnete der. Dann wies er auf den Infusionsschlauch:

„Der Cocktail tötet Ihren Krebs ab, am Ende kommt er zum Erliegen. Wenn er nach mehreren Kontrollen nicht mehr nachweisbar ist, beenden wir das. Das kann immerhin bis zu zwei Wochen dauern – solange sollten Sie ebenfalls das Zeug schlucken! Die verschiedenen Mittel“, dabei deutete er auf das Schälchen,

„dämmen die Nebenwirkungen ein. Später, wenn wir die intravenöse Behandlung nicht mehr brauchen, bekommen Sie weniger und andere Präparate.

Für den Rückflug ist es sinnvoll, Vorbereitungen zu treffen: Sie benötigen ein Bett oder eine Liege im Flugzeug. Sprechen Sie deswegen mit Ihren Leuten dort!“

„Wirklich kein Problem! Wenn es nur das ist?“

„Zwei Wochen“, dachte er bei sich,

„das ist ja im Handumdrehen!“

Der Mann im weißen Kittel beugte sich vor:

„Ich muss noch operieren. Die Verhandlungen mit einem möglichen Spender laufen, es sieht erfolgversprechend aus! Zuerst müssen wir die Erkrankung zurückdrängen, dann kommen Sie unters Messer. Natürlich muss ich erst die Organe entnehmen.“

Selbstredend war genau das ein Thema, dass der Amerikaner lieber überhören wollte. Eine neue Leber und anderes musste sein, wie man dazu kam – das war nicht sein Ding. Folglich enthielt er sich jeden Kommentars.

Der Optimismus nahm zu, da so selbstverständlich von seiner Gesundung geredet wurde. Freundlich lächelnd trennten sich beide.

 

Dr. Keldan Nilsson war tatsächlich gehobener Stimmung. Dass jemand die Hälfte seines Vermögens ausgäbe, um weiterzuleben, konnte man voraussetzen. Die Million Vorabzahlung war für seinen Kunden nur Kleingeld. Für ihn dagegen war das Erscheinen dieses Betrages auf dem Konto einfach traumhaft. Im Vergleich dazu das Gehalt eines guten Arztes – völlig lächerlich. Die Methode war schon brauchbar, wenn auch nicht optimal!

Es stellte einen weiteren Schritt auf dem Weg nach oben dar. Er war jedoch gezwungen zuzugeben, dass er diesem Oasley in gewisser Hinsicht ausgeliefert war, der wusste eben zu viel von ihm. Ihm musste klar sein, er würde sich auch selbst mit ans Messer liefern – trotzdem war das alles andere als ideal! Sein außerordentliches Wissen brachte eine Menge Geld, eventuell ließ sich aber ein besserer Weg finden.

Daran, als Arzt angesprochen zu werden, hatte er sich inzwischen gewöhnt. Eigentlich war er Molekularbiologe, die Verbindung mit der medizinischen Praxis führte indessen zu signifikant erhöhtem Einkommen. Ein Arzt allein hätte das, was er geschaffen hatte, nie hingekriegt. Die Kenntnisse modernster chemischer Verfahren waren entscheidend!

Einem Menschen viel Geld versprechen? Seine Mundwinkel verzerrten sich zu einem bösen Lächeln. Wie schon erprobt, griffe er auf eine „Waise“ zurück. Da gab es auch überhaupt keine Schwierigkeiten mit der Polizei. Außer ihm selbst gab es keine Verwandtschaft, wenn sie verschwände, dürfte das niemand erfahren, so gut wie kein Problem!

 

Zwei Wochen lag er schon in dieser Klinik, er konnte fühlen, wie es ihm besser ging. Für heute Abend war die Operation geplant, hatte der Doktor gesagt. Alles was Recht ist, so durfte es weitergehen! Ein bisschen flau war ihm trotz allem, als er auf den Eingriff vorbereitet wurde. Aber was sollte schon passieren? Man würde sehr auf ihn Acht geben, schon weil es sonst kein Geld gäbe!

Nachdem soweit alles in die Wege geleitet und der Krebspatient betäubt war, erschien Dr. Nilsson und rollte ihn zum Aufzug. Als sich dessen Tür geschlossen hatte, schob er erneut seine Ausweiskarte in den Leseschlitz. Er drückte eine Kombination als Ziel, die den Angestellten unbekannt war. Der Lift setzte sich in Bewegung und hielt erst, als er sich deutlich unter dem Niveau des Kellers befand. Die Tür glitt auf und er fuhr das Bett in einen OP-Saal. Kräftige Arme fassten den leblosen Körper und hoben ihn auf den gleißend beleuchteten Operationstisch.

„Wir ersetzen Leber und Bauchspeicheldrüse, wenn sonst noch etwas zu stark beschädigt oder gar zerstört ist, auch das! Die Schäden an den genannten Organen konnten wir bereits im Kernspin sehen. Die neuen liegen dort in den Behältern.“

Die Anweisungen kamen kurz und knapp. Allen war klar, mehr als fachliche Fragen gab es nicht zu stellen. Als nach Stunden die letzte Naht gesetzt wurde, anerkannte der Chef:

„Das war gute Arbeit, ich bedanke mich bei Ihnen!“

Er schob den Kranken abermals zum Fahrstuhl. Indem er das neue Ziel eingestellt hatte, verließ er das geheime Reich. Hier, unter der Klinik, lebten und arbeiteten fast nur Klone. Sie waren einfach belastbarer, wollten den „Makel“, eine Waise zu sein, widerlegen. Gehorsam und vollkommenes Vertrauen zu ihm waren ihnen einprogrammiert worden. Um das zu bewerkstelligen, musste ein komplizierter Prozess über Monate abgearbeitet werden.

Entsprechend ärgerlich war es, einen davon zu opfern.

Wer käme auf den Gedanken, hier könne etwas Unerlaubtes ablaufen? Er hatte gutherzig Waisenkinder adoptiert, die irgendwann auf eigenen Füßen stehen wollten. Dass es sich bei seinen „Waisen“ um Klone handelte, hätte wohl niemand gedacht. Die Adoptionspapiere waren getürkt – immerhin in hervorragender Qualität!

Nutztiere konnte man schon seit Jahrzehnten so erzeugen, in letzter Zeit – so die Agenturen - auch Affen. In einer Reihe von Ländern gab es Institute, die unseren vierbeinigen Freunden ein Leben nach dem Tode ermöglichten natürlich mit genau dieser Technologie. Es gab tausende geklonte Hunde, Katzen und sicher auch anderes. Wenn es nicht so ein ernstes Thema wäre, könnte man über jene Meldungen lachen. Auf diesem Gebiet war er zuhause, hier kannte er den Stand der Wissenschaft. Organisationen mit Geld – praktisch unbeschränkten Mitteln – waren viel weiter. Doch sie schwiegen, keine News, nie Publikationen. Der Ehrgeiz der Forscher wurde hier mit Gratifikationen aufgewogen. Sicher wussten Geheimdienste Bescheid, jedoch ließen sie nichts verlauten: sie durften nicht zeigen, dass und auf welchem Wege sie Informationen erhalten hätten!

Aber er brauchte nun einmal seine Organe. Wenigstens war dieser sofort bereit, sich einen Sender in die Hüfte einpflanzen zu lassen. Eine glaubwürdige Geschichte erwies sich immer wieder von Vorteil. Dass er von jener Operation nicht aufwachte – wer konnte schon davon berichten?

So ein Weg brachte Verluste und unnötige Risiken, er war einfach gezwungen, etwas besseres zu finden. Doch könnte er seine Ziele sonst erreichen? Es lief auf einen Krieg hinaus, den führte man seit jeher mit den modernsten Methoden, da gab es keine Gewissensbisse!

 

Drei Wochen später erfolgte eine abschließende Untersuchung. Die Narben mussten noch mit äußerster Behutsamkeit behandelt werden. Dr. Nilsson wünschte seinem Patienten weitere Heilungserfolge. Am Rande flocht er ein, dass noch gewisse finanzielle Verpflichtungen offen seien. Da Mr. Oasley sich eindeutig besser fühlte und das auch seiner Frau erklärt hatte, zeigten beide unumwunden Dankbarkeit:

„Selbstverständlich erfolgt eine Überweisung; so wie es mir geht, glaube ich tatsächlich, keinen Krebs mehr zu haben!“

„Sie haben nicht mal mehr den kleinsten Rest, die Kontrolle hat es gezeigt. Aber es ist beruhigender, Sie hören das auch von unabhängiger Seite!

Wir fahren Sie noch mit dem Krankenwagen zum Flughafen, Vorsicht ist ratsamer. Auch danach legen Sie sich hin. Einen schönen Heimflug und denken Sie daran: vergessen Sie diesen Klinikaufenthalt und meinen Namen!“

Sie winkten sich noch einmal zu, dann entfernte sich der Arzt aus dem Zimmer.

 

Ein normaler Fall

 

Blickt man auf den Stadtplan, so sieht man, dass die Autobahn durch bewohntes Gebiet geht; planerisch ein schwieriger Fall. Hamburg ist eben kein Kurort sondern eine Industriestadt, die den Vergleich mit anderen Metropolen nicht scheuen muss.

Auf die Frage: „Hast du das gleich so geplant?“, wäre meine Antwort:

„Nein, das war nur Zufall, eventuell Glück!“

An diesem Ort begann nämlich meine berufliche Laufbahn. Inzwischen gefällt es mir hier sehr gut. Vermutlich hat auch die Gewohnheit ihren Anteil daran. Sowohl Gebäude als auch Anlagen im Zentrum der Stadt finden mein Gefallen nach wie vor. Stets wenn es mich drängt, kann ich abends ins Kino oder ein Café gehen. Für ein gutes Angebot entscheidend: die Anzahl von Kaufhäusern oder Geschäften jeder Art ist beeindruckend. Trotz all dieser Errungenschaften ist Natur zu sehen! Eine Stadt kann eben etliches bieten!

 

Meinen Traum, den Beruf des Kriminalisten zu ergreifen, konnte ich mir erfüllen. Das versprach, eine andauernde Aufgabe zu werden, die sicher kaum langweilig würde. Im Laufe der Zeit hatte ich die Dreißig überschritten. Da mir einige Sportarten sehr gefielen, war meine Figur beispielhaft. Gerne hätte ich noch ein paar Zentimeter zugelegt, doch eins achtzig war schon ein gutes Maß. Keiner mochte sagen: klein und pummelig! Dazu noch blonde Haare und blaue Augen – Mutter Natur hatte es gut mit mir gemeint. Es gab keine ausgefallenen Hobbys, nur gute Kleidung sowie entsprechendes Essen, leider in Maßen – des Gewichts wegen.

 

„Guten Morgen, Herr Beyer!“, begrüßte mich die ältere Frau.

Wenn ich nur wüsste, wie sie heißt! Sie wohnte im Erdgeschoss, soviel war klar. Es wäre wirklich gut, den Namen parat zu haben. Eine kleine Ausrede hatte ich: sie war gerade erst eingezogen.

„Morgen! Was machen Sie denn um diese Zeit hier? Ich muss arbeiten, aber Sie?“, antwortete ich. Es musste auch ohne Anrede gehen.

„Ach, meine Klingel ist kaputt, der Handwerker will gleich früh kommen! Da habe ich die Tür umgeschlossen, damit er herein kann. In der Wohnung höre ich, wenn jemand klopft.“

Der neue Tag brach an, kaum eine Spur zu sehen. Nur schwer konnte man im reflektierten Licht der Straßenlampen die Fassaden erkennen. Einzig der untere Teil jedes Gebäudes war gut sichtbar.

Ich trat aus dem Haus und schlug die Richtung zur nächsten U-Bahn-Haltestelle ein. Die Hose war eine meiner teuersten, gleichzeitig passte sie sowohl in Stil als auch in der Farbe zur Jacke. Die Schuhe sahen solide aus, hatten aber mit gutem Grund eine überwiegend sportliche Note. Das brachten die Anforderungen meines Berufes mit sich.

Der Winter verging, lange genug hatte er gedauert. Die Luft wurde spürbar wärmer. Ab dieser Woche war ein dünnerer Mantel angesagt. Nicht immer das schwere Zeug tragen zu müssen, ließ die Welt gleich fröhlicher aussehen! Das stellte einen wichtigen Punkt am Kommen des Sommers dar. Viel mehr Bewegungsfreiheit!

Gott sei Dank – es ist keine große Entfernung von Eppendorf nach Alsterdorf. Mit dem Auto zu fahren hatte keinen Sinn, man brauchte ewig, um den Wagen abzustellen, wobei man den wertvollen Platz zu Hause verlor – also besser die U-Bahn. Dabei ist Alsterdorf weniger dicht besiedelt als manch anderer Bezirk!

Wie ein riesiger schwarzer Wurm kam der Zug angebraust und näherte sich dem Bahnsteig, dem Licht. Habe ich das richtig gesehen, stand da nicht ein Kollege? Die hohe Gestalt war sehr auffällig. Schnell noch einige Türen nach vorn, wenn ich ihn treffen wollte!

Um die Fahrgäste herauszulassen, öffneten sich die Seiten. Die Station füllte sich schlagartig mit Menschen. Das hielt aber nur solange an, bis andere Leute begannen, sich in die Wagen zu quetschen. In diesem Stadtviertel stiegen genauso viele Leute ein, wie hinausgegangen waren. Das ließ die U-Bahn noch ebenso vollgestopft, wie vorher. Innen das übliche Gedränge, keiner der Passagiere nahm es noch tatsächlich wahr. Ohne zu vielen auf die Füße zu treten, kämpfte ich mich bis zu Lothar Zander, einem meiner angenehmsten Mitstreiter, vor.

„Hallo Lothar! Du hast nicht mit mir gerechnet?“, grüßte ich.

„Ach Paul, grüß dich! Naja, ich weiß ja, dass du hier einsteigst. Aber in der Bahn kann man noch ein bisschen schlafen, sogar im Stehen! Da schaut niemand nach anderen.“

Um das Gespräch am Laufen zu halten und doch die zahlreichen Zuhörer zu berücksichtigen, fragte ich nach seinem Sportverein:

„Wie geht es deinen Jungen von der Mannschaft?“

Nachmittags war er Trainer einer Basketball-Truppe, die zehn bis zwölf Jahre alt waren.

„Es gibt erneut Ärger“, erläuterte er, „der Vermieter der Halle will mehr Geld!“

„Das wollen alle, bei mir steigt die Miete auch ständig!“, entgegnete ich.

Damit war für eine Weile der harmlose Gesprächsstoff ausgegangen.

Wieder einmal stieg eine junge Mutter mit ihrer kleinen Tochter ein. Schick angezogen, gute Figur, nettes, ja schönes Gesicht. War auch Sie alleinstehend wie so viele? Eine junge liebevolle Frau! Wäre doch was für mich – oder? Leider gibt es auch die ganz anspruchsvollen, aber mit etwas Glück läuft es meistens anders. Dauernd gingen mir Frauen durch den Sinn, heute war etwas geschehen: der Frühling war gekommen!

Ja, es wurde ernsthaft Zeit, dass ich mich mit dem Thema Familie befasste. Eine zu haben, würde mir freilich sehr gefallen. War ein Mädchen sowohl hübsch als auch klug, so war es bisher vergeben. Das Zusammenleben mit meiner letzten Freundin war mir kaum mehr präsent. Wir hatten in zu vielen Dingen verschiedene Meinungen. Inzwischen fehlte mir die Gemeinsamkeit, besonders die tägliche Unterhaltung doch sehr.

Meine Station! Es war Zeit auszusteigen und die Zeit lief!

 

Draußen wurde es langsam hell. Der Asphalt glänzte – es hatte in der Nacht geregnet. Bei der Annäherung an die Arbeitsstelle, also unser Gebäude, schauten mich die ersten Blumen in den Gärten an. Ohne ein Fachmann zu sein, wusste ich doch, was ein Krokus ist. Schweigend ging ich neben Lothar her.

Von der Haltestelle war es nur eine kurze Strecke bis zur Arbeit. Jetzt kam der Polizei-Bau bereits in Sicht. Eine eigenwillige Form! Weder schön noch direkt hässlich. Eben zweckmäßig und modern. Wie die Blätter an einer Blüte standen die Anbauten an einem mittleren Ring. Allerdings sieht man als Fußgänger den Grundriss nicht. Der Architekt hatte sich richtig was einfallen lassen. Von Standard-Bauform keine Spur! Ein zentraler Teil mit einem umlaufenden Gang und davon abgehende Flügel.

Schnell in den Fahrstuhl und darauf hoffen, dass vor uns irgendjemand Kaffee gekocht hat.

Wie immer mussten wir etliche Zeit warten, denn auf jeder Etage stiegen Kollegen aus und ein. Endlich kamen wir auf unserer Ebene an.

 

Jetzt hinein in unser Großraumbüro! Es gibt eine Menge Leute, denen das wenig gefällt, mir ist es angenehm, mit mehreren Leuten in einem Raum zu sitzen. Allein ist es langweilig. Einen großen Teil des Tages ist man sowieso auf Achse und danach ist es mehr als vorteilhaft, die Gefährten zu sehen. Auch jetzt erkannte ich nur vertraute Gesichter; viele, die man ohne dieses Büro selten treffen würde!

Man wartete offenbar auf mich.

„Herr Beyer, kommen Sie doch gleich mal rein!“, rief Herr Mikisch, der Chef. Auch er hatte seine Eigenheiten. Er nutzte jede Gelegenheit, einen Smoking zu tragen. Heute hatte er ein ausgesprochen gut sitzendes Modell gewählt und damit sah er sehr vorzeigbar aus. Hörte man Gespräche, so fühlte jeder trotzdem schnell, dass er von uns die meiste Erfahrung hatte. Er war beinahe unersetzbar, so konnte man über die Marotte hinwegsehen!

War ich unpünktlich? Ich schaute auf die Uhr: gerade acht. Keine Ahnung, worum es heute ginge, aber die Einladung klang nicht unfreundlich.

 

Besprechungen wurden immer in einem speziellen Raum abgehalten. Um den Tisch gruppierten sich einige Leute von uns, der Streife und diesmal sogar von den Pathologen. Letztere waren nicht oft zugegen, es musste zweifellos einiges geschehen sein. Der reichlich große Raum war unpersönlich eingerichtet, dazu verwendete man typische Büromöbel. An einer Seite hing eine Pin-Wand. Verschiedene Bilder dienten als Schmuck. In der Ecke stand ein großer Bildschirm, ein recht modernes Gerät. Ich hatte ihn wohl schon manches Mal in Funktion gesehen, wenn die Daten einer Überwachungskamera zu zeigen waren. Es dauerte nur kurz, bis alle am Tisch Platz genommen hatten. Dann richteten sich die Blicke zur Stirnseite des Tisches.

„An der U-Bahn-Station Hallerstraße ist ein Mann vor die einfahrende Bahn gestürzt und überfahren worden. Er hat nicht überlebt. Sie werden sofort losfahren und alles untersuchen. Beeilen Sie sich, das war schon vor fünfzehn Minuten!“, eröffnete der Hauptkommissar.

Wie immer äußerte er sich straff und präzise.

„Wenn man von einer Bahn überrollt wird, ist kaum etwas zu machen. Es gibt da nur wenige glückliche Ausnahmen!“, kommentierte Blumentritt, Doktor der Pathologie. Seit einiger Zeit machte er solche Bemerkungen, er hatte wohl im TV unterschiedliche Krimis gesehen, bei denen dieser Tonfall auftrat.

Der Chef überging die Bemerkung.

„Also Beeilung! Die Sache sieht klar aus. Es wird wohl schnell gehen. Sie übernehmen das, dazu schreiben Sie den Bericht, Herr Beyer!“, schloss Herr Mikisch den Auftrag ab. Die Versammlung löste sich auf.

 

Also den Kaffee lauwarm hinunter und los nach Hallerstraße. Die Aktentasche wurde mit dem Nötigsten gefüllt. Der Pathologe, ein sehr sportlicher Mann von etwa fünfunddreißig Jahren, kam gleich mit. Ferner erschienen zwei Streifenpolizisten, um mir bei der Absperrung zu helfen.

Es versprach, eine einfache Aufgabe zu werden. Lange waren wir nicht unterwegs, die Strecke war nur kurz. An der Station angekommen, bot sich das übliche Bild: eine neugierige Menschenmenge. Jeder wollte unbedingt das Opfer sehen. Es war ein ziemliches Gedränge. Alle auf einem Platz, alle ganz dicht an der Bahnsteigkante. Man könnte glauben, dass bald der Nächste auf das Gleis fällt.

Die Träger des vorsichtshalber gerufenen Krankentransports standen herum und warteten, wann sie den Überfahrenen wegbringen könnten. Wo waren denn Personen, die den Vorfall beobachtet hatten? Zeugen gab es wenige, obwohl doch viele in den Zug einsteigen wollten. Niemand war in der Lage, genau zu beschreiben, was geschah. Man drängelte und schubste wie gewöhnlich und dabei hat es sich wohl zugetragen. An der Lage des Körpers konnte man auch nichts Besonderes erkennen. Die Leiche lag genau zwischen den Schienen. Es war erstaunlich wenig Blut zu sehen. Ein Bahnbeamter sagte mir, wann alles passierte: zwanzig Minuten vor acht.

Da mir die Zeit im Nacken saß, weiterhin die Bahn von neuem fahren musste, ließ ich das Opfer nach einer kurzen Sichtung der Umgebung von den Sanitätern bergen, danach wurde die Strecke erneut freigegeben. Auffällige Gegenstände fanden wir nicht. Die Sanitäter kämpften sich mit der sperrigen Trage durch die Menschenmassen. Langsam normalisierte sich der Verkehr. Der Stau der Menge auf dem Bahnsteig löste sich auf. Wir verließen die Station wieder um schließlich zu unseren Wagen zu gehen.

Der Pathologe hatte die Leiche gesehen und meinte:

„Dafür, dass es eine Bahn war, ist es noch sauber!“.

Mit seinem drahtigen, gut trainierten Körper machte er auf mich nicht den Eindruck eines langen Medizinstudiums. Man könnte eher denken, er habe mit einem Fitness - Center zu tun.

 

Den weiteren Teil des Tages füllten die Autodiebstähle. Da hatte der Chef sich wohl verpflichten müssen, einer Nachbar-Abteilung unter die Arme zu greifen.

Endlich gab es auch richtig heißen Kaffee. Ich musste nur noch auf den Pathologen warten, dann konnte ich meinen Bericht verfassen. Doch wie groß war meine Verwunderung, als mich Dr. Blumentritt – für bestimmte langgediente Kollegen „Blume“ - anrief, um sich zu vergewissern, dass ich am Platz war. Er wolle noch mit mir sprechen! Zwanzig Minuten später kam er hoch.

Mit elastischen Schritten – auf dergleichen legte er Wert – betrat er das Büro. Seine Eröffnung überraschte uns alle.

„Der Mann ist nicht gestolpert oder ähnliches. Er hat einen Einschuss im Herzen, verursacht von einem sehr ungewöhnlichen Kaliber! Im Grunde gab es wenig Verletzungen. Er ist anscheinend auf den Boden gesunken, bevor der Zug kam. Sonst hätte ich die Verletzung an der Brust gar nicht wahrgenommen. Morgen kriegen Sie einen Bericht. Das Geschoss hatte einen Durchmesser von fünf bis sechs Millimeter – habe ich noch nie bei jemandem gesehen. Es ist kein Steckschuss, wir haben also kein Projektil!“

 

Sollten wir zum zweiten Mal zum Tatort zurückfahren oder war längst alles unbrauchbar geworden? Die Chance, die Kugel zu finden, war gering. Trotzdem rief ich abermals mehrere Leute zusammen. Wir sperrten die Station noch einmal ab, fanden aber nichts. Dafür nahmen wir die Bänder der Videoüberwachung mit. Dieser Fall erwies sich als doch nicht so einfach, wie gedacht! Er würde mich zweifellos einige Zeit beanspruchen. Die eigenartigen Umstände sollte der Chef kennen, sei es nur, damit er wusste, dass er mir keine weitere Arbeit übertragen konnte.

Er saß in seinem Büro über den Schichtplan gebeugt. Als er mich durch die Tür kommen sah, schaute er auf.

„Was gibt es denn? Sind es die Autos oder der Tote von der Bahn?“

„Herr Blumentritt hat festgestellt, dass ein Mord vorliegt, kein Unfall. Der Mann ist erschossen worden!“, gab ich das Gehörte weiter. Außerdem erwähnte ich das ausgefallene Kaliber.

„Ach, und in einer U-Bahn-Station! Das wollte man ohne Zweifel dadurch vertuschen, es wie ein Unglück aussehen lassen! Ganz gewiss hat keiner was gehört oder gesehen.

So ein Geschossdurchmesser ist mir bisher in der Praxis unbekannt geblieben. In Waffenkatalogen kommt das vor, aber in echten Fällen? Davon hat auch niemals einer erzählt! Womöglich ist das auch ein Pfeil? Eine Armbrust vielleicht? Sie finden sicher heraus, wer einen Vorteil von der Sache hat. Ärgerlich, dass kein Teil der Munition aufzufinden war, das hätte die Tatwaffe näher eingegrenzt!

Bestimmt werden Sie für die nächste Zeit nicht in der Lage sein, an den Autos weiterzumachen. Falls Sie die Wohnung der Familie beobachten müssen, können Sie zusätzlich auf zwei weitere Leute zugreifen. Machen Sie einen entsprechenden Vorschlag!“

Er entließ mich mit einem freundlichen Kopfnicken.

 

Eventuell boten die Überwachungsbänder Wichtiges? Details konnte man beim besten Willen nicht ausmachen, obwohl ich gründlich suchte. Die Tat verübte irgendjemand offenkundig in einiger Entfernung zur Kamera. Der Mörder trug einen Hut, den er tief ins Gesicht gezogen hatte. Also wollte er ein Wiedererkennen vermeiden! Das Einzige, was man ziemlich begründet sagen mochte war, dass es ein Mann sein musste.

Der Tote hieß Herweg und hatte vor einigen Jahren hier geheiratet. Er arbeitete als Astronom und das ist besonders im wolkenreichen Hamburg ein ungewöhnlicher Beruf. Gibt es hier überhaupt Fernrohre? Er ist also am sechzehnten März gestorben. Ob seine Ehe den eigentlichen Grund bildete? Wenn man die Statistik betrachtet, klar eine der wahrscheinlichsten Ursachen. Mutmaßlich eine Erbschaft? Oder es gab Streit um Posten? In Instituten findet man ja oft üble Intrigen. Unter Umständen Ärger mit jemand anderem? Lässt sich Vergleichbares in den Akten finden? Um die Möglichkeit zu haben, in diesen Unterlagen zu recherchieren, kam ich nicht umhin, erst das Archiv zu bemühen. Aus ihnen war zu entnehmen, dass seine Eltern bei einem Autounfall in Frankreich verstorben waren. Also ein Waisenkind.

Es gab Geschwister: einen Bruder. Konnte man ihn befragen? Kann sein, er wollte selbst einiges verbergen? Zuerst musste ich die häusliche Umgebung abklären. Bis zum Mord wird der Kampf um Jobs wohl nicht gehen!

 

Wer ist verdächtig

 

Ich fuhr in die Hansastraße zur Wohnung der Familie Herweg. Eine sehr angenehme Wohngegend, wie ich bemerkte. Man hatte seinerzeit das Haus sehr aufwändig mit Stuck verziert – ein echtes Schmuckstück dieser Epoche. Die ganze Straße sah so aus! Auch das Treppenhaus und später die Wohnungstür machten einen reichen und gepflegten Eindruck. Es wirkte, als würde das Gebäude sagen: wer so wohnt ist arriviert! Das war zu präsentieren, das sollte jeder wissen.

Frau Herweg öffnete und bat mich hinein. Das Domizil gefiel mir. Geräumig und schön eingerichtet. Scheinbar hatten die Herwegs einen ordentlichen Teil ihres Einkommens in Möbel investiert. Der Bücherschrank konnte einen begeistern! Auch die Lampen in den beiden Zimmern, die in meinem Gesichtsfeld lagen, waren originell. Bei dem Blick zur Beleuchtung fielen mir sofort die Stuckverzierungen an der Decke auf. Das passte ganz gut zum Haus, war aber unmodern. Es schränkte für den gegenwärtigen Geschmack die Auswahl des Mobiliars sehr ein.

Frau Herweg selbst kleidete sich ausgesucht gut. Sie gab sich sehr sympathisch.

„Mein aufrichtiges Beileid zu diesem Verlust!“, eröffnete ich. Was kann man in so einer Situation schon sagen – es ist alles hilflos. Andererseits musste ich ein Gespräch zustande bekommen, dabei sogar peinliche Fragen stellen. Es würde sehr unangenehm zugehen, jedoch gab es für solche Fälle inzwischen eine gewisse Routine. Erst später nach geraumer Zeit wäre ich genötigt, über die Erkenntnis, dass jemand Herrn Herweg ermordet hatte, zu sprechen.

 

„Gegebenenfalls erzählen Sie mir vorerst von der Arbeit, der Lebenseinstellung sowie dem Umfeld Ihres Mannes!“, begann ich.

„Ich setze erst einmal Kaffee auf, das wird wohl länger dauern!“

Nachdem sie aus der Küche zurückkam, setzte sie sich an den Tisch. Die Erzählung nahm ihren Anfang. Auf diese Art war in Erfahrung zu bringen, dass Herr Herweg fast alle Informationen und Daten über das Internet bekam. Er übermittelte nur Koordinaten und bekam dann Bilder oder Messwerte zu den genannten Punkten als Reaktion. Mir wurde klar, dass man auch in Orten wie Hamburg als Astronom tätig sein kann. Aber das war keine Antwort auf meine wichtigeren Fragestellungen.

Indessen war der Kaffee fertig. Sie stellte Tassen auf den Tisch, trug das heiße Getränk herein und schenkte ein.

„Milch, Zucker?“, war die obligatorische Wendung.

 

„Gibt es Schwierigkeiten in der Hierarchie oder irgendjemanden, der Ihren Mann nicht mag, d.h. schlecht auf ihn zu

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 03.07.2018
ISBN: 978-3-7438-7402-2

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