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Reko Tannlauf war ein ganz normaler Hobbit. Er war so normal, wie die meisten anderen Hobbits in seinem Alter. Er war gemütlich, bodenständig, nicht zu klein und nicht zu groß für einen Hobbit und hatte bereits einen leichten Bauchansatz. Jedoch war Reko noch sehr jung, und sein Vater war leider alles andere als ein gewöhnlicher Hobbit. Seit seine geliebte Mathilda - Rekos Mutter - am seltenen Angmar-Fieber gestorben war, war er nicht mehr der alte.

"Nicht mehr ganz bei Trost!" hatten die anderen Hobbits in der kleinen Waldschenke gesagt und: "Der Tannlauf ist ein komischer Geselle geworden."

Reko hatte die Waldschenke immer sehr gemocht. Er saß oft im kleinen runden Fenster, das zum Mückenteich hinausschaute, und hörte den alten Hobbits bei ihrem Geschwätz zu. Doch je mehr sein Vater ins Gerede kam, desto öfter rutschte er seitwärts aus dem Schenkenfenster und setzte sich stattdessen auf einen alten Baumstumpf am Teich.

Als sein Vater eines Tages beschloss, die kleine Waldsiedlung im Auenland zu verlassen, war Reko sogar froh darüber. Jedoch nur für wenige Tage. Anfangs wanderten sie zusammen in stiller Natur entlang des Barandúin, verweilten oft für Stunden an dessen Ufern und angelten. Rekos Vater hatte seinem Sohn bereits früh das Angeln beigebracht, so war es Tradition bei den Tannlaufs, einer recht kleinen Hobbitfamilie, die auch nach Maßstäben der Hobbits nie von besonders großer Bedeutung war.

Nach etwa einer Woche kamen sie jedoch in die erste Siedlung der Menschen. Sie übernachteten in einem Gasthaus, und sowohl das hektische Treiben in den Straßen der Siedlung als auch die ungewohnte Größe der Umgebung war zuviel für Reko. Sein Vater hingegen versuchte sich einige Tage als Händler auf dem Markt, brachte jedoch kaum genug zusammen, um das Zimmer im Gasthaus zu zahlen.

So deckten sie sich eines Tages mit Proviant ein und zogen wieder in die Wildnis. Als sie nach einigen weiteren ereignisarmen Tagen in die Ausläufer des Ered Luin Gebirges kamen, stießen sie auf eine kleine Ansiedlung fernab aller großen Straßen und Städte. Auch hier lebten Menschen, doch sie waren von ruhiger Natur und pflegten abends Geschichten zu erzählen, die sie von den wenigen fahrenden Händlern, die sich in ihre Gegend verirrten, aufgeschnappt hatten.

"...es soll ein Zauberer bei ihnen gewesen sein!" berichtete Derebas, der stämmige Hufschmied, gerade, als Reko und sein Vater die kleine Schenke betraten. Sofort wurde es still und alle Blicke hefteten sich auf die Hobbits. Reko starrte die Menschen erschrocken an und dachte einen bangen Augenblick lang, die Menschen wollten sie aus der Stadt werfen, doch dann lachte der Schmied laut auf. Es war ein polterndes aber herzliches Lachen.

"Nein sowas!" Derebas erhob sich und ging auf die beiden Hobbits zu, "Halblinge! Und das bei uns! Was für ein Glück wir doch haben, solch seltenen Besuch."

Er schob zwei weitere Stühle an den großen runden Tisch in der Mitte der Schenke und lud die Hobbits ein, sich zu ihnen zu setzen.

"Sagt, was führt euch gerade hier her?" fragte eine dicke Frau mit rosiger Haut und strohfarbenen Locken, "wir haben hier selten Fremde."

"Derebas erzählt seit Jahren die selben alten Geschichten", eine zierliche Frau mit nachtschwarzem Haar und Wangenknochen hoch wie die der Elben lachte glockenhell, "wir können ein wenig Abwechslung gebrauchen."

Rekos Vater sah unschlüssig seinen Sohn, während sie sich setzten. Reko seinerseits beobachtete seinen Vater und fürchtete, dass Geschichten - wie alles, was von vergangenen Zeiten erzählte - die Erinnerung an seine tote Mutter wieder wecken würde. Also sprang Reko ein.

"Ich kenne da eine Geschichte aus meiner Heimat", begann Reko.

Alle sahen mit einemmal gebannt zu ihm. Niemand wunderte sich, vermutlich waren alle Hobbits in den Augen der Menschen wie Kinder, so dass der Altersunterschied zwischen Reko und seinem Vater kaum einen Unterschied machte.

"Die Geschichte handelt von Ungbar, einem Geist, der vor einigen Jahren in Mückenweiler sein Unwesen trieb. Er schlich sich abends an die offenen Fenster der Hobbithäuser und stahl alles mögliche von den Fensterbänken. Einen Strauß Wiesenblumen, Glasperlen, einen Apfel... ihr lacht vielleicht, aber für die Hobbits in Mückenweiler waren das große Reichtümer.

Eines Tages beschlossen die Bewohner des Dorfes, sich gegen Ungbar zu wappnen. Sie schlossen alle ihre Fenster und Türen, sobald es Abend wurde. Doch nun kam Ungbar morgens und stahl aus den offenen Fenstern. Also schlossen die Bewohner ihre Türen und Fenster auch morgens. Und bald waren alle Fenster und Türen von ganz Mückenweiler Tag und Nacht geschlosse.

Die Bewohner von Mückenweiler fanden so bald ihr Ende, in dem sie einer nach dem anderen erstickten. Und wisst ihr warum?"

Stille.

"Wegen... Ungbar?" fragte die dicke Frau.

"Nein", Reko schüttelte den Kopf, "weil sie zwanghaft Angst vor dem Verlust hatten. Man kann nicht verhindern, dass man etwas oder jemanden verliert. Und deshalb die Welt auszusperren, das ist keine Lösung..."

Erneut herrschte Stille, und alle grübelten und wunderten sich, dass ein kleiner Hobbit solch große Weisheit besaß. Auch Rekos Vater grübelte den ganzen Abend über, und schließlich, als der nächste Morgen kam, machte er sich mit seinem Sohn wieder auf den Weg zurück in die Heimat.

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Texte: Disclaimer: Mir gehört nichts von Tolkien oder HdR. Ich borge mir nur einiges aus und gebe es dann wieder zurück. Mit dieser Geschichte wurde kein Geld gemacht.
Tag der Veröffentlichung: 27.06.2008

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