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Carry und Kronos


Carry hatte sich derweil von ihrem ersten Schrecken erholt und glaubte inzwischen, sie hätte nur einen verrückten Traum gehabt - zumal ihre Tante mit keinem Wort erkennen ließ, dass sie tatsächlich ins Krankenhaus gekommen war. Der fremde junge Mann, den sie an der alten Miene getroffen hatte, hatte jedenfalls behauptet, dass sie geschlafen hatte, als er sie kurz nach der Sprengung entdeckt hatte. Sie wusste gar nicht so genau, was sie eigentlich von ihm halten sollte. Sie hatte ihn vorher nie gesehen, aber jetzt lief er ihr dauernd über den Weg und behauptete er könne ihr helfen. Sie täte ihm leid, weil sie so einsam wäre. Sicher - sie war einsam, aber was wollte er denn dagegen tun? »Hallo, Carry! Wieder hier?« Erschrocken sah sie auf. Da war er schon wieder. »Ach, sie sind es!« Er lächelte. »Nicht doch, Carry! Ich heiße Kronos.« Er reichte ihr die Hand, die sie unsicher ergriff. »Ich treffe mich da drüben mit ein paar Leuten. Wir hängen einfach nur ein bisschen rum und haben Spaß zusammen. Warum kommst du nicht einfach mal mit?« »Ach, ich weiß nicht. Ich kenn da doch sicher niemanden.« »Na, dann lernst du sie kennen! Na, komm schon!« Sie ließ sich überreden und folgte ihm zu dem anderen Stolleneingang, der aus irgendeinem Grund nicht gesprengt worden war. Irgendwo in einem Teil des Stollens, den sie gar nicht kannte - und sie hatte immer gedacht, sie kannte hier jeden Winkel - hatten sie einen größeren Raum gefunden und mit Fackeln hell erleuchtet. Sie sah sich schaudernd um. »Was ist los, Carry?« Sie riss sich zusammen. Das waren nur Fackeln. Da konnte nichts passieren. Früher hatten sie Räume nur mit so etwas beleuchtet. »Nichts! Alles in Ordnung.« log sie. »Na, dann: herzlich Willkommen bei den Titanen!« »Hey, Kronos! Leute, Kronos ist wieder da! Und schaut mal, wen er da mitgebracht hat!« Carrys Gesicht verschloss sich und sie wandte sich zum Gehen, doch Kronos ließ sie nicht gehen. »Du bist doch gerade erst gekommen! Du kannst doch jetzt noch nicht gehen!« Von irgendwoher nahm er ein Glas und reichte es Carry. »Komm, trink erst mal was mit uns.« Unsicher nippte sie daran. So wie die Leute drauf waren, war das bestimmt Alkohol. Sie mochte keinen Alkohol - der war immer entweder bitter oder scharf oder sonst irgendwie unangenehm - aber das hier war gar nicht so übel. Das war leicht und süß und schmeckte gar nicht wie Alkohol. Sie trank noch einen Schluck und setzte sich zu den anderen. Plötzlich hatte sie gar nicht mehr das Bedürfnis hier weg zu kommen. Sie schlürfte weiter von ihrem Getränk und hörte den Späßen der anderen zu. Die Späße waren plötzlich gar nicht mehr so derb, wie sie vorhin geklungen hatten. Jetzt musste sie mitlachen. Plötzlich fühlte sie sich pudelwohl. Endlich war sie nicht mehr allein. Endlich hatte sie ein Zuhause gefunden. Sie wurde schläfrig und eine der Frauen nahm sie mit in die hinteren Räume und legte sie auf ein weiches Bett, wo sie sofort einschlief. Als sie erwachte saß eine andere Frau an ihrem Bett und hatte sofort wieder etwas von dem Getränk für sie. Sie trank den Becher glücklich aus und folgte der Frau wieder hinaus in den Gemeinschaftsraum, wo schon wieder - oder noch immer - das Leben tobte. Sie sah sich um. Kronos war nicht mehr da, aber das machte nichts. Sie hatte ja so viele neue Freunde. Sie setzte sich dazu und lachte weiter mit ihnen. Drei Tage und Nächte blieb sie bei den Leuten, die Kronos die Titanen genannt hatte. Sie saß bei ihnen, lachte mit ihnen und trank mit ihnen. Es kam ihr nicht ein einziges Mal in den Sinn, dass da etwas nicht stimmte, dass sie noch ein anderes Zuhause hatte, dass sie diese Leute eigentlich gar nicht kannte. Dann kam Kronos wieder. »Kommt, wir wollen Spaß haben. Wir brennen die Stadt nieder!« Carry lachte und johlte mit den anderen und zog mit ihnen los in die Stadt. Sie kamen an dem Hof ihrer Tante vorbei. Sie dachte flüchtig daran, wie gemein Onkel und Tante immer zu ihr gewesen waren und plötzlich brannte es irgendwo. Irgendwo in ihr regte sich etwas. »Kriegerin des Lichts!« Von ganz weit her schien eine Stimme nach ihr zu rufen.

Julia und die anderen 5 Krieger des Lichts saßen gemeinsam gemütlich bei Warren im Wohnzimmer und diskutierten darüber, wie sie sich davor schützen konnten, dass sie wieder erkannt wurden. Die Aktion gestern mit dem deutschen Minister war ziemlich riskant gewesen. Plötzlich verstummte Helaku und schloss die Augen. Die anderen schwiegen erschrocken. Langsam wich die Farbe aus Helakus Gesicht. »Oh, mein Gott! Leute, wir haben ein Problem! Ich habe die ganze Zeit losen Kontakt zu Carry gehalten und sie schien in den letzten Tagen auch ganz zufrieden zu sein, aber eben kam eine Welle kalten Hasses von ihr. Naja, sie ist mit einer Gruppe ziemlich übler Typen auf dem Weg in eine Stadt. Und das Schlimme ist: Ihre Gabe hat sich völlig verselbständigt. Ich fürchte den Hof, auf dem sie aufgewachsen ist, hat sie in Brand gesteckt, ohne überhaupt zu merken, was sie tut.« Julia und die anderen sahen ihn alarmiert an. »Ist es bei ihr, wie es bei Mika und mir gewesen ist? Hat sie jemand mit ähnlichen Fähigkeiten wie deinen manipuliert?« fragte Warren erschrocken doch Helaku schüttelte den Kopf. »Manipuliert schon, aber auf andere Weise. Wie genau kann ich aus dieser Entfernung nicht feststellen. Ich versuche sie von hier aus wieder zur Vernunft zu bringen, aber ihr müsst die anderen aufhalten. Da ist Ärger im Anmarsch!« Helaku schloss wieder die Augen und kümmerte sich nicht mehr um die Freunde. Julia sah Mika an. »Es hilft nichts. Wir werden das Experiment wagen müssen - auch, wenn wir eigentlich keine Zeit für so etwas haben.« Mika nickte kurz. Beide legten eine Hand um ihren Talisman und reichten einander die andere. Hochkonzentriert schlossen sie die Augen und tatsächlich einer nach dem anderen erhielt eine “neue Persönlichkeit”, die jedoch nicht tatsächlich viel änderte - nur gerade genug, dass sie nicht zufällig wieder erkannt werden konnten. Mika und Julia sahen sich um. »Naja, mit ein bisschen Übung wirst du nachher auch noch komplexere Illusionen hinbekommen, aber fürs erste Mal ist das schon ganz gut, finde ich. Also gut, lasst uns aufbrechen.« Mika wollte etwas sagen, aber sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Wir reden später darüber, Mika. Jetzt müssen wir unsere Arbeit erledigen.« Sie legten ihre Hände aufeinander und Mika und Julia konzentrierten sich wieder. »Bitte setzt uns in der Nähe der Unruhen bei Alice Springs ab, so dass uns niemand entdeckt.« Sekunden später standen sie vor einem Hof, der lichterloh brannte und in der Ferne sahen sie schon die Rauchwolken aus der Stadt aufsteigen. Eine nicht mehr ganz junge Frau und zwei Jungen, die etwas älter sein mochten, als die Freunde, standen davor. Die Frau weinte bitterlich. Julia sah sie voller Mitgefühl an. »Kane, du hilfst mir bitte. Ihr anderen geht schon mal vor und kümmert euch um das dort.” Sie wies in Richtung der Rauchwolken. “Warren, kannst du von hier aus Regen für das komplette Gebiet beschaffen?« Warren nickte. »Wird nicht ganz einfach sein, aber es muss irgendwie gehen. Ich sehe keine andere Möglichkeit das schnell unter Kontrolle zu bringen.« Er lehnte sich an einen Baum und schloss die Augen. Während Julia und Kane auf den Hof zugingen, machten sich Mika und Sanura auf den Weg zur Stadt. Sie waren kaum ein paar Schritte gegangen, da blieb Kane wieder stehen. »Warte mal. Ich glaube, ich habe eine Idee, wie ich dir englisch beibringen kann. Leg mal deine Hand auf San Tanadinas Kristall.« Ohne lange zu fragen, tat Julia, was er sagte und sah ihn gespannt an. Er legte seine Hand auf ihre und schloss die Augen. Fast sofort öffnete sich in ihrem Geist eine Tür - ähnlich, wie damals, als sie das geheime Wissen ihrer Vorfahren entdeckt hatte - nur hinter dieser Tür fand sie Sprachkenntnisse, die sie nie geahnt hätte. »Toll! Langsam wird aus meinem Kopf ein ganzer Computer. Danke, Kane. Mit ein bisschen Übung werde ich damit hervorragend zurechtkommen.« Kane lächelte. »Prima! Dann lass uns gleich loslegen. Die sehen aus, als wäre da noch jemand drin.« Julia wurde blass. »Um Gottes Willen! Nur das nicht!« Sie ging auf die Leute zu. »Bitte erschrecken sie nicht!« Sie sprach plötzlich fließend Englisch, wie sie selbst erstaunt bemerkte. »Wir kommen gerade von einem Ausflug zurück. Was ist passiert? Können wir ihnen irgendwie helfen?« Die Frau schüttelte den Kopf. »Mein Mann ist im Haupthaus eingeschlossen und wir kommen nicht zu ihm durch.« Sie schluchzte laut auf. »Ach, wenn Carry doch bloß da wäre!« Julia horchte auf. Carry? Sollte es möglich sein, dass … Sie schüttelte unwirsch den Kopf. Darüber konnte sie später nachdenken. »Aber irgendwie müssen wir ihrem Mann doch helfen können!« Sie wandte sich an Kane und benutzte jetzt die geheime Sprache. »Wir müssen da rein. Ich mach was mit San Tanadina, dass uns nichts passiert, aber du wirst ihn führen oder wahrscheinlich eher tragen müssen.« Kane nickte nur und ging mit einem kurzen Blick auf die Frau und die Jungen voran. Die Frau starrte sie mit aufgerissenen Augen an. Es dauerte einen Augenblick ehe sie hastig versuchte, die beiden Jugendlichen zurückzuhalten. »Wartet! Ihr könnt nichts tun! Es ist zu spät!« Doch weder Julia noch Kane kümmerten sich jetzt noch um sie. Mit jeder Minute, die sie jetzt noch warteten, wurde es gefährlicher. Julia sah zum Himmel und stieß Kane kurz an. Er folgte ihrem Blick und nickte grimmig. Warren gab alles was er hatte. Der Himmel bedeckte sich bereits. Sie waren am Eingang angelangt und nun holten sie noch einmal tief Luft. Julia legte ihre Hand an den Dolch. »Bitte schütze uns vor dem Rauch!« Sie nickte Kane noch einmal zu. »Viel Glück!« Er nickte und öffnete die Tür. »Das werden wir brauchen!« Flammen schlugen ihnen entgegen doch sie traten hindurch. »Weißt du eigentlich, wo wir hin müssen?« Julia lächelte. »Dieses Haus ist ziemlich alt und offenbar hat eine meiner Vorfahrinnen mal hier gelebt. Jedenfalls kenne ich mich erstaunlich gut aus.« Er hustete unterdrückt. »Aber sie hat doch gar nicht gesagt, wo er eingeschlossen ist.« »Es gibt in diesem Haus nur eine Stelle, wo ein Mann, wie Carrys Onkel eingeschlossen sein könnte, ohne dass er alleine herauskäme - und zwar oben.« Er sah sie zweifelnd an, folgte ihr aber ohne zögern, als sie durch die Flammen hindurch die Treppe hinauf rannte und zielsicher eine schwere Türe öffnete. Der Raum dahinter war groß, dunkel und fensterlos. Bis hierher waren bisher weder Feuer noch Rauch gedrungen, doch der Mann lag bereits bewusstlos am Boden. Kane knallte die Tür hinter ihnen wieder zu, während Julia bereits an der Seite des Mannes hockte und ihre Hände prüfend über ihm ausbreitete. Sie nickte. »Er hat ‘ne schwere Rauchvergiftung, aber das kriege ich problemlos wieder hin.« Sie sah zur Tür, wo jetzt dicker Rauch durchs Schlüsselloch quoll. »Wir müssen hier raus. Schnell!« Gemeinsam hievten sie den Mann hoch und schlangen sich jeder einen Arm um den Hals und schleppten ihn zur Tür. Kane wollte sie gerade öffnen als Julia ihn hastig warnte. »Nein! Nicht so anfassen. Nimm ein Tuch.« Sie sah sich um, entdeckte aber auf die Schnelle keines. Mit einem kurzen Griff nach San Tanadina hatte sie eines in der Hand. Im selben Moment hörten sie es vor der Tür krachen. Sie stöhnte. »Die Treppe! Ich fürchte, die war aus Holz! Da können wir nicht mehr durch. Wir nehmen San Tanadina!« Sie griff erneut nach ihrem Dolch und Sekunden später standen sie im unteren Flur direkt vor der Tür und hinter ihnen krachte der Rest der Treppe zusammen. »Nichts wie raus hier! Als nächstes stürzt die Decke ein!« Sie legte das Tuch auf die fast glühend heiße Türklinke und öffnete die Tür. Keuchend stolperten sie nach draußen. »Mein Gott! Ihr habt es geschafft!« Erleichterung klang in der Stimme der Frau als sie auf sie zu eilte und ihren beiden Jungs im Laufen eine Kopfnuss gab. »Jetzt helft ihnen doch mal. Von den beiden könnt ihr euch mal ‘ne Scheibe abschneiden! Die haben Mumm in den Knochen!« Die Jungen eilten voran und nahmen ihnen ihren Vater ab. »Legt ihn dort drüben unter den Baum. Der Arzt kommt gleich.« Julia runzelte die Stirn. Kane und sie hatten trotz des Schutzzaubers noch eine Menge Rauch abbekommen und die eine oder andere Verbrennung hatten sie auch, aber der Mann hatte schon eine schwere Rauchvergiftung als sie ihn gefunden hatten. Sie sah zum Himmel. Da war ein gewaltiges Gewitter im Anmarsch. Bei solchen Bedingungen und dem Aufruhr, der in der Stadt herrschte, konnte es eine Weile dauern ehe der Arzt tatsächlich kam. »Das könnte schon zu spät sein. Ich werde mich darum kümmern!« Sie ging hinüber zu dem Baum, an dem Warren stand und bat San Tanadina um eine Notfalltasche und ein transportables Beatmungsgerät im Miniformat zur Tarnung für das, was sie tatsächlich tun würde. Warren schlug gerade die Augen auf und atmete tief durch. »Alles klar bei dir?« Warren nickte erschöpft, während er prüfend zum Himmel sah. »Alles OK. Danke, Julia.« Sie folgte seinem Blick. »Es sieht so aus, als würde es hier gleich ordentlich rumsen. Gute Arbeit, mein Freund. Ruh dich aus.« Warren schüttelte unzufrieden den Kopf. »So weit ist es noch nicht. Wenn ich jetzt nicht aufpasse, verzieht sich das Ganze wieder, ohne dass auch nur ein einziger Tropfen Wasser runterkommt.« Er schloss wieder die Augen und konzentrierte sich. Mit einem besorgten Blick ließ sie ihn wieder alleine und kümmerte sich um den Verletzten. Die Frau stand sprachlos neben ihr und beobachtete sie, während das Haus weiter abbrannte. Die ersten Tropfen Regen fielen und sie sah erstaunt zum Himmel. Sie sah zu ihrem Haus hinüber. Die Nebengebäude hatten noch kein Feuer gefangen. Hoffnung glomm in ihren Augen auf. Hoffnung darauf, dass sie wenigstens die Nebengebäude würden retten können.

»Kehr um, Kriegerin des Lichts! Dies ist nicht deine Bestimmung! Beende die Zerstörung und kehre um!« Unschlüssig blieb sie stehen. Umkehren? Warum? Sie sah sich teilnahmslos um. Überall um sie herum brannte es, aber das musste so sein. Ihre Freunde hatten es gesagt. Feuer ist gut. Sie runzelte die Stirn. Irgendwo, tief in ihr, schien etwas aufzuschreien. »Kehr um, Kriegerin des Lichts!« Umkehren? Wohin? Sie zog mit ihren Freunden durch die Welt. Sie starrte auf die Menschen, die sich immer weiter von ihr entfernten, während immer mehr Häuser in Brand gerieten. Häuser, die brennen? Ein großes, schönes Haus und ein paar kleinere Nebengebäude tauchten vor ihrem inneren Auge auf. Sollte man in Häusern nicht wohnen können? Hatte sie nicht in diesem Haus gelebt? Plötzlich leckten Flammen an dem Haus vor ihrem inneren Auge. »Kehre um, Kriegerin des Lichts! Suche deine wahren Freunde!« Umkehren? Sie keuchte, als sie endlich erwachte und wieder klar denken konnte. Ein paar Regentropfen fielen in ihr Gesicht, doch sie sah nicht zum Himmel. Ihr entsetzter Blick galt den brennenden Häusern um sie herum. »Nein!« schrie sie verzweifelt. »Nein, was habe ich nur getan?« Schluchzend fiel sie auf die Knie. Feuer! Überall war Feuer! Sie hasste Feuer. Sie sah verzweifelt auf das brennende Haus vor ihr. »Ich will kein Feuer mehr sehen! Es muss aufhören zu brennen!« Ihr verzweifelter Willen brach sich Bahn und plötzlich flackerten die Feuer um sie herum. Sie sah sich verwirrt um. Es brannte noch immer, aber war es nicht schon weniger geworden? Eine Stimme hallte in ihren Ohren wieder und sprach aus der Vergangenheit zu ihr. »Du beherrscht das Feuer, Carry! Du kannst Feuer machen, wann und wo du willst.« Sie lachte bitter auf. Selbst wenn die Stimme recht hatte: Was nutzte es ihr, wenn sie Feuer machen konnte. Sie musste es löschen. Dann erinnerte sie sich an noch etwas, was diese Stimme zu ihr gesagt hatte. Nein, das hatte sie gar nicht gesagt, aber sie hatte das Feuer in dem ihre Eltern starben überlebt - also musste sie es gelöscht haben! »Du beherrscht das Feuer, Carry!« In plötzlicher Erkenntnis schloss sie die Augen und konzentrierte sich. Als sie Minuten später die Augen wieder öffnete, waren die Flammen fast verloschen. Entschlossen kämpfte sie die Flammen in dem stärker werdenden Regen weiter nieder bis sie endlich verloschen waren. Erschöpft sank sie in sich zusammen und weinte. Was hatte sie nur dazu gebracht, sich diesen Menschen anzuschließen? »Kehre um, Kriegerin des Lichts. Suche deine wahren Freunde!« Ihre wahren Freunde? Wer waren ihre wahren Freunde? Langsam stand sie auf und ging hinaus in die Wüste, in der sie den größten Teil ihrer Kindheit verbracht hatte.

Erschöpft sank Julia zu Boden und die Frau machte ihren Söhnen Beine, dass sie ihr Wasser bringen sollten. Einen Moment später hatten Julia, ihre beiden Begleiter und der Mann, den sie aus dem Feuer gerettet hatten und gerade aufwachte, ein Glas Wasser in der Hand. Dankbar trank Julia es leer. »Vielen Dank!« Die Frau schüttelte energisch den Kopf. »Wir müssen uns bei euch bedanken! Ihr habt meinen Mann gerettet ohne über die Gefahr nachzudenken, in die ihr euch begeben habt. Ihr habt uns gezeigt, dass man nur mutig vorangehen muss, um zum Ziel zu gelangen! Danke!« Julia lächelte. »Wir helfen immer gerne. Es ist die Aufgabe eines jeden von uns zu helfen, wo er kann.« Sie wandte sich an den Mann, der noch immer hustete. »Sie haben eine Menge Rauch eingeatmet. Das nehmen ihre Lungen sehr übel. Sie sollten in den nächsten Tagen viel mit Kamille inhalieren, dann wird es ihnen sicher bald wieder besser gehen.« Er nickte. »Sie sehen sehr jung aus für eine Ärztin!« Julia lächelte. »Ich bin auch noch gar keine Ärztin! Ich bin erst 16, aber ich werde später Medizin studieren.« »Du bist sehr mutig für dein Alter, …« Sie runzelte die Stirn. »Wie heißt du eigentlich?« Julia wurde rot. »Oh, entschuldigen sie! Wir haben uns gar nicht vorgestellt! Also, ich heiße Katrin Voß und dies hier sind meine Freunde Jimmy und Shiro.« Warren und Kane sahen einander an. Daran hatten sie bisher noch gar nicht gedacht! Natürlich brauchten sie nicht nur ein anderes Aussehen sondern auch neue Namen! Der Mann lächelte verzerrt. »Ich heiße Eric, dies ist meine Frau Sidney und unsere beiden Söhne Walt und Terry.« Walt hatte Julia die ganze Zeit neugierig angestarrt, jetzt brach die Frage, die ihm die ganze Zeit auf der Zunge gelegen hatte, aus ihm heraus. »Woher wusstest du, wo du ihn finden würdest? Du hast nicht lange suchen müssen, oder?« Diese Frage handelte ihm eine weitere Kopfnuss von seiner Mutter ein, die diese Frage offenbar für unhöflich hielt. »Ich habe einmal in einem Haus gelebt, das im selben Stil gebaut war. Deshalb wusste ich, dass ein Mensch nur eine einzige Möglichkeit hatte irgendwo wirklich eingeschlossen zu werden. Das ist alles.« Julia lächelte über das enttäuschte Gesicht des Jungen. »Ich könnte dir natürlich auch erzählen, dass ich mit dem Wissen meiner Vorfahren geboren wurde und einer von denen in genau diesem Haus gelebt hat.« Sie sah ihn verschmitzt an. »Aber das würdest du mir wohl nicht glauben. Oder?« Walt, Kane und Warren sahen sie erst bestürzt und dann, als sie begriffen, belustigt an. »Nein, wohl nicht!« lachte Walt. »Also, dann bleiben wir lieber bei der Wahrheit, oder?« Sie zwinkerte ihm zu und wandte sich wieder seiner Mutter zu, die gerade betonte, was für ein außergewöhnlich mutiges Mädchen sie sei. »Ich bin gar nicht so mutig wie ich aussehe. Ich habe schließlich immer ein paar Jungen bei mir, die mir aus der Patsche helfen können.« Sie zwinkerte Kane und Warren zu. Kane lächelte. »Als ob du das nötig hättest!« Julia wurde sehr ernst als sie jetzt etwas ansprach, das ihr vorhin aufgefallen war. »Wo ist ihre Tochter?« Sidney sah sie verwirrt an. »Meine Tochter? Ich habe gar keine Tochter. Wie kommst du darauf?« »Naja, vorhin haben sie sich verzweifelt gewünscht eine gewisse Carry wäre hier.« Sidney zuckte zusammen und die Gesichter von Eric und seinen Söhnen wurden finster. Man brauchte nicht Gedanken lesen zu können, um zu erkennen, dass sie damit in ein Wespennest gestochen hatte. Hastig winkte Sidney ab. »Da musst du dich verhört haben, meine Liebe. Ich habe nichts dergleichen gesagt!« »Ja, das habe ich dann wohl! Entschuldigen sie! Ich glaube wirklich, ich sollte langsam zum Ohrenarzt gehen. Das passiert mir ständig!« Sie lachte. »Könnte ich vielleicht noch ein Glas Wasser bekommen? Ich habe so ein schreckliches Kratzen im Hals.« Sidney nickte schnell. »Natürlich! Gib mir dein Glas. Ich hole dir noch etwas.« Julia stand umständlich auf. »Wissen sie was? Ich komme einfach mit! Ein bisschen Bewegung wird mir nach der Aufregung gut tun!« Und schon ging sie los - immer in die Richtung aus der Walt und Terry vorhin mit dem Wasser gekommen waren. Etwas verwirrt folgte Sidney ihr. Warren und Kane sahen sich irritiert an. So hatten sie Julia noch nicht erlebt. Da sie aber annahmen, dass Julia etwas Bestimmtes mit diesem Theater bezwecken wollte, taten sie das Ihre und machten höflich Konversation mit Vater Eric.

Erschöpft ließ Helaku sich in den Sessel zurücksinken. Es war anstrengender als er gedacht hätte, jemanden auf diese Entfernung zu beeinflussen. Zumal er in diesem Fall nicht so direkt vorgehen wollte, wie bei seinem Vater vor einiger Zeit. Carry war einsam. Nur deshalb war sie so abweisend und schließlich sollte sie einmal zu ihrem Team gehören. Da konnte er nicht einfach in ihre Gedankenwelt einbrechen. So etwas tat man unter Freunden nicht. Also hatte er ihr nur ganz sanft zugeflüstert und sich dabei bemüht ein bisschen mystisch zu klingen und sich nicht selbst zu verraten. Carry durfte nicht wissen, dass er Verbindung zu ihr hielt und wusste, was sie dachte. Sie sollte nicht glauben, dass er sie bespitzelte. Er schloss die Augen. Ja, sie hatte die Beeinflussung - welcher Art sie auch immer gewesen sein mochte - endgültig abgeschüttelt. Sie war verzweifelt und weinte, aber sonst ging es ihr gut. Er ließ die Verbindung lose bestehen und forschte nach den Gedanken von Mika. »Alles klar bei euch?« »Ein Teil der Feuer hinter uns scheint auszugehen, aber alles andere kümmert sich nur wenig um Warrens Regen.« »Verbinde deinen Willen mit San Tanabea und bekämpfe das Feuer mit deinem Geist. So ähnlich hat es jedenfalls Carry gemacht.« »Ich werde es versuchen. Danke für den Tipp! Was macht sie jetzt?« »Sie weint.« »Das ist vermutlich nicht Neues!« »Nein, aber es heißt, dass sie von nichts und niemandem mehr kontrolliert wird und weiß, was sie getan hat.« »Prima! Kannst du das auch Julia sagen? Wir haben uns getrennt.« »Ist gut!« Er schlug die Augen wieder auf und sah sich um. Seufzend stand er auf und machte sich auf die Suche nach etwas zu trinken. Im Kühlschrank fand er noch eine Flasche Cola von der er einen großen Schluck trank, ehe er ins Wohnzimmer zurückkehrte. Er ließ sich wieder in den Sessel sinken und nahm Kontakt mit Julia auf.

»Wie kommt es, dass ihr hier noch eine komplette Wohnung habt?« Julia und Sidney standen in der Küche in einem der kleinen Nebengebäude. »Wir vermieten diese Wohnung manchmal an Touristen. Eric hält es zwar für Unfug, aber es ist in meiner Familie so Tradition und das Haus gehört mir.« Julia vergewisserte sich vorsichtig, dass sie wirklich allein waren und schloss die Küchentür. »Warum haben die Männer eigentlich vorhin so seltsam reagiert? Verstehen sie mich bitte nicht falsch. Ich weiß, dass es mich eigentlich nichts angeht, aber wir haben da draußen vorhin ein Mädchen getroffen, das sehr unglücklich war und uns den Weg zurück in die Stadt gewiesen hat. Sie kannte diesen Hof hier offenbar genau.« Sidney nickte unglücklich. »Das war bestimmt meine Carry.« »Dann haben sie doch eine Tochter?« »Nein.« Sidney war den Tränen nahe. »Carry ist meine Nichte, aber ich habe sie aufgezogen wie meine eigene Tochter. Ihre Eltern sind einem großen Hausbrand zum Opfer gefallen. Carry hat es aber irgendwie überlebt. Sie war damals noch so klein.« Tränen liefen über ihre Wangen, als sie, wie es schien, das erste Mal seit langer Zeit sich all den Schmerz von der Seele reden konnte. Julia griff in ihre Tasche und reichte ihr ein Taschentuch. »Danke! Ich war damals jung und alleine, also nahm ich Carry zu mir. Bald darauf habe ich Eric kennen gelernt und geheiratet. Dass er bereits zwei kleine Jungen mit in die Ehe brachte, störte mich nicht weiter. Dann würde Carry später Spielgefährten haben. Aber dann entdeckten wir, dass wir kein Feuer mehr anzünden konnten, das nicht ausging, wenn Carry auch nur in die Nähe kam. Nicht einmal eine Kerzenflamme brannte in ihrer Gegenwart. Eric fing an sich vor dem Kind zu fürchten. Er wurde immer gröber zu ihr und fing an sie zu schlagen. Die Jungen wollten nicht mit ihr spielen und nannten sie eine Hexe seit sie etwa 4 Jahre alt waren. Ich habe immer wieder versucht zu vermitteln und meine Carry zu beschützen, aber mit der Zeit wurde es immer schlimmer. Carry floh in die Wüste. Eric will sie schon so lange in ein Internat abschieben, aber ich habe mich immer dagegen gewehrt. Ich wollte sie bei mir behalten. Sie ist doch alles, was mir von meiner Familie geblieben ist. - Sie und dieses Haus hier.« »Wo ist sie jetzt?« Sidney hob schluchzend die Schultern. »Ich habe sie seit 3 Tagen nicht gesehen.« In diesem Moment rief Helaku nach ihr. Julia hob den Kopf zur Decke und schloss die Augen. »Helaku?« »Geht es dir gut, Julia? Du bist so angespannt.« »Ich bin OK. Was ist mit Carry?« »Sie hat sich von dem Bann befreit und ist in die Wüste zurückgelaufen. Ich glaube sie muss über ein paar Dinge nachdenken.« »Ist sie sicher, wo sie ist?« »Ja.« »Das ist gut. Wenn was sein sollte, sag mir bescheid.« »Ist gut.« Sie öffnete die Augen wieder und sah in das verwirrte, etwas verängstigte Gesicht Sidneys. Sie lächelte. »Es ist alles in Ordnung. Ich habe nur gerade eine Botschaft erhalten. Carry hat eine besondere Gabe. Sie beherrscht das Feuer, aber leider beherrscht ihre Angst vor Feuer ihre Gabe. Deshalb ist es so schwierig für sie, diese Gabe geheim zu halten. Menschen haben Angst vor dieser Gabe. Das ist eine schlechte Voraussetzung für ein friedliches Leben. Haben sie jemals mit ihr darüber gesprochen?« Sidney schüttelte den Kopf. »Vielleicht ist das das Problem. Sie wusste bis vor ein paar Tagen überhaupt nichts von ihrer Gabe und konnte sich daher auch das Verhalten von ihrem Mann und den Jungen nicht erklären. Warum fahren sie beiden, sie und Carry, nicht zusammen in Urlaub und lassen die Männer hier den Schaden richten. Gibt es nicht irgendwo noch ein paar Verwandte, die nichts von Carrys Begabung wissen?« Sidney hob kurz die Schultern. »Die einzigen Verwandten, die wir noch haben, sind meine Tante und ihre Familie in Deutschland, aber ich habe sie nie kennen gelernt.« »Diese Tante hieß nicht zufällig Mary Darling?« Verdutzt sah Sidney sie an. »Woher weißt du das?« Julia lächelte. »Das ist mein Geheimnis, aber wenn ihr nach Deutschland kommt, werdet ihr eine Überraschung erleben. Die alte Dame heißt jetzt Wagner und lebt in Fulda.« »Wenn wir nach Deutschland kommen! Ich hoffe nur, Carry kommt nach Hause. Ich mache mir solche Sorgen um sie.« »Es geht ihr gut. Ein Freund von mir hat sie gerade gefunden. Ich bin mir sicher, dass sie bald nach Hause kommt.« Julia sah zum Fenster hinaus. »Wenn sie wiederkommt, nimm dir bitte viel Zeit für sie. Sie ist einsam und ihre Angst frist sie auf. Sie muss an sich selbst glauben lernen und ihre wahren Freunde finden. Das ist wichtig für sie.« Sie sah wieder Sidney an und lächelte. »Ich glaube, wir werden jetzt wieder weiterziehen.« Sie reichte ihr die Hand. »Viel Glück!« »Danke, Katrin!« Julia öffnete die Tür und ging ohne ein weiteres Wort hinaus, trat zu den Männern, verabschiedete sich kurz von Eric und seinen Söhnen und machte sich mit ihren Freunden auf und davon. »Du lieber Himmel! Was war denn mit dir auf einmal los?« fragte Kane als sie endlich außer Hörweite waren. »Das erzähle ich euch später. Lasst mich erst mal hören, was sich bei den anderen tut.« Sie legte ihre Hand an ihren Dolch und schloss die Augen. »Mika? Wie sieht es bei euch aus?« »Schlecht! Für jedes Feuer, das wir löschen, machen die mindesten 2 neue.« »Konzentriert euch nicht so auf die Feuer. Versucht, diese Typen aufzuhalten. Wir sind gleich bei euch.« »Danke!« Sie öffnete die Augen und sah die beiden Jungen an. »Mika klingt ziemlich erschöpft. Er hat sich mit dem Versuch die Feuer zu löschen fast verausgabt, obwohl es ein aussichtsloses Unterfangen ist. Wir müssen ihm helfen.« Sie streckte ihnen die Hand entgegen und sie verstanden sofort. Mit ein paar gemurmelten Worten zu San Tanadina verschwanden sie, um ein paar Kilometer weiter ganz in der Nähe von Mika und Sanura wieder aufzutauchen. Sie sahen sich um. Überall um sie herum lagen die Trümmer und verkohlte Überreste einstmals herrschaftlicher Häuser aus den jüngeren Neubaugebieten der Stadt. Ihre Gegner hatten eine breite Spur der Verwüstung hinterlassen, als sie in Richtung Stadtkern weiter gezogen waren. »Wir müssen sie irgendwie aufhalten! Hat jemand eine Idee, wer die sind?« »Nein, aber sie haben offensichtlich ähnliche Kräfte wie Carry. Das ganze schöne Wasser, das Warren uns gebracht hat, hat fast gar nichts geholfen. Die Feuer brennen einfach weiter.« Julia stöhnte. »Na, herzlichen Glückwunsch! Das hat uns ja jetzt gerade noch gefehlt!« Sie seufzte. »Na gut. Lasst uns sehen, was wir gegen sie ausrichten können!« Sie streckte ihren Freunden die Hand entgegen und sie sprangen alle gemeinsam zu ihrem nächsten Einsatzort. Sie sahen sich vorsichtig um. Sie waren in einer kleinen Straße gelandet, in der es gespenstisch still war, aber es brannte noch nicht. Als sie um die nächste Ecke biegen wollten, traten sie hastig wieder zurück und stolperten fluchend übereinander. »Was machen wir jetzt?« »Wir müssen die Typen abfangen, ehe sie hier auftauchen, Kane.« »Vielleicht erzähle ich dir ja nichts Neues, aber dazu ist es zu spät. Da kommen sie schon.« Julia sah in die Richtung, in die Kane gewiesen hatte und stöhnte. »Verflixt! Gehen wir erst mal rein. Vielleicht finden wir eine Möglichkeit, ihre Fähigkeiten zu blockieren. Mika, könntest du Helaku herholen?« Mika nickte stumm und verschwand. Sie betraten einfach das nächste Haus, das seine evakuierten Bewohner gar nicht erst verschlossen hatten und suchten sich einen guten Fensterplatz. Julia sah ihren Gegnern entgegen und überlegte fieberhaft. Die ganze Umgebung war regendurchnässt, aber das schien sie nicht sonderlich zu stören. Die Feuer brannten, als gäbe es keinen Tropfen Wasser, der sie löschen könnte - und vermutlich stimmte das auch. Mika hatte es irgendwie geschafft, ihre Feuer trotzdem zu löschen, aber eigentlich war er viel zu erschöpft, um noch viele Experimente zu machen. Sie wandte sich trotzdem an den gerade wider auftauchenden. »Mika, du hast mehr Erfahrung mit San Tanabea. Glaubst du, du könntest eine Art Barriere errichten, damit die Feuer gar nicht erst entstehen?« Mika sah sie kurz überlegend an. »Keine Ahnung, aber die Idee ist einen Versuch wert.« Er stellte sich ans Fenster und schloss die Augen in höchster Konzentration. Für einen Augenblick setzten die Neuentzündungen aus und die 5 Freunde hielten gespannt den Atem an, doch dann gab es eine kleine Explosion und alles fing von vorne an, während Mika erschöpft zu Boden sank. Julia sprang an seine Seite und prüfte kurz seine Gesundheit. »Jungs, könntet ihr ihn dort auf das Bett legen?« Helaku und Kane nickten, doch Warren war bereits ans Fenster getreten. Mit geschlossenen Augen und einem zu allem entschlossenen Ausdruck im Gesicht stand er da und konzentrierte sich. Plötzlich entstand genau vor ihren Augen ein riesiger Tornado und blieb unbeirrbar dort stehen. Julia sah flüchtig zu dem hastig aufgestellten Krisenstab am anderen Ende der Straße hinüber und sah die Posten laufen. »OK, Warren, glaubst du, du hältst das durch?« Warren hatte die Augen wieder geöffnet und nickte entschlossen. »Gut. Dann bleibst du hier und konzentrierst dich auf deinen Sturm und wir anderen gehen da runter.« Sie sah die anderen an. Sie alle machten entschlossene Mienen und nickten. Gemeinsam verließen sie das Haus und traten hinter den Tornado. »Helaku, du behältst bitte Warren im Auge.« Ihre Gegner blieben auf der anderen Seite des Sturms stehen und einer von ihnen schrie: »Wer wagt es, sich uns in den Weg zu stellen?« »Wir!« sagte Julia. Ihre durch San Tanadina geschickt verstärkte Stimme klang bedrohlich ruhig, doch ihren Gegner schien das nicht sonderlich zu beeindrucken. »Und wer ist - wir?« Er sprach jetzt auch mit normaler aber verstärkter Stimme, was ihnen endgültig klar machte mit was für einem Gegner sie es hier zu tun hatten. »Wir sind die Krieger des Lichts und wer bist du?« »Ich bin wer ich bin. Das tut nichts zur Sache.« »Du willst mir deinen Namen also nicht sagen?« Das war mehr eine Feststellung als eine Frage. »Dann verschwinde von hier und lass die Menschen in Frieden.« Ein höhnisches Lachen war die Antwort. »Gut, wir gehen. Diese Sache begann mich sowieso gerade zu langweilen. Aber glaubt ja nicht, dass mich euer kleines bisschen Hokuspokus auch nur im Mindesten beeindruckt.« Wie um seine Worte zu unterstreichen blies er leicht in den Tornado und er löste sich auf. Lachend zogen sie davon und ließen ein paar erschrockene junge Krieger zurück. »Warren ist am Ende seiner Kräfte. Er ist gerade zusammengebrochen.« informierte Helaku leise. Julia schüttelte heftig den Kopf. »Schrecklich! Wer sind die bloß?« »Ich habe keine Ahnung, aber Carry wird uns das verraten können. Sie war 3 Tage bei ihnen.« Julia nickte. »Stimmt! Aber wir können sie noch nicht fragen. Sie braucht noch Zeit. Lasst uns erst mal nach Miami zurückkehren. Ich möchte nicht unbedingt den Menschen hier in die Arme laufen. Diese komischen Typen sind erstmal weg, da werden sie vermutlich schnell in ihre Häuser zurückkehren.« Sie gingen wieder hinauf zu ihren Freunden und stellten überrascht fest, dass ein kleines Mädchen neben Warren saß und ihm ein kühles Tuch auf die Stirn gelegt hatte. »Ist jetzt alles wieder gut? Sind die bösen Menschen wieder weg?« Sie sahen einander an. »Soll ich …« Julia sah Helaku ernst an. »Sieh nach, ob es wirklich nur ein harmloses Kind ist.« »Ich kann nichts Ungewöhnliches an ihr spüren.« »Dann können wir ihr, glaube ich, vertrauen.« Sie wandte sich an das Kind, das ihnen mit großen vertrauensvollen Augen entgegensah. »Ja, Liebes. Die bösen Menschen sind wieder weg, aber ich kann dir nicht versprechen, dass sie nicht wiederkommen.« Das Mädchen lächelte strahlend. »Das macht nichts. Ihr werdet nicht zulassen, dass sie wieder kommen und uns wehtun.« Julia nickte ernst. »Wir werden versuchen sie aufzuhalten so oft sie auch zurückzukommen wagen.« Sie setzte sich auf das zweite Bett und bedeutete der Kleinen sich zu ihr zu setzen. »Wie heißt du?« »Lissy.« Julia lächelte erstaunt, als das Mädchen auf ihren Schoß kletterte. »Weißt du, Lissy, es gibt überall auf der Welt böse Menschen und wir hier …” Sie machte ein Zeichen mit der Hand, das die ganze Gruppe einschloss. “… kämpfen überall mit ihnen, aber niemand darf unsere wahre Identität erfahren. Das würde unsere Familien und Freunde in Gefahr bringen. Verstehst du das?« Lissy nickte ernst. »Klar!« »Und deshalb musst du mir auch versprechen, dass du niemandem erzählst, dass du uns gesehen hast.« Plötzlich wurde das Kind traurig. »Darf ich es auch der netten Tante nicht erzählen, die mir gesagt hat, dass ich auf euch warten soll?« Alarmiert fasste Julia das Kind bei den Schultern. »Von welcher Tante sprichst du, Lissy?« Sie warf Helaku einen schnellen Blick zu. »Bitte lies in ihren Gedanken!« Helaku nickte und wurde Sekunden später blass. »Julia! San Tanadina!« Verwirrt griff Julia danach und wurde leichenblass, als sie die Hand des Kindes bereits darauf spürte. Ehe sie begriff was passierte sprang Lissy von ihrem Schoß und lief zu einer jungen Frau, die gerade das Zimmer betrat. »Sie spricht von mir! Gib ihn mir, Kind!« Verlangend streckte sie dem Kind die Hand entgegen. Als Lissy nicht sofort reagierte, weil sie den Dolch noch fasziniert betrachtete, hob sie die Hand, um sie schlagen, doch Sanura war schneller und stellte sich schützend vor das Kind. »Bevor sie anfangen unschuldige Kinder zu schlagen, hätten sie ja vielleicht erstmal die Güte uns zu sagen, wer sie sind! Ich mag es entschieden nicht, wenn man kleine Kinder derartig beeinflusst!« Helaku bebte vor unterdrücktem Zorn, doch die junge Frau zuckte nur mit den Achseln. »Dein Problem, Junge! Der Zweck heiligt die Mittel und ich will diesen Dolch!« Sie versuchte Sanura zur Seite zu schieben, aber Sanura blieb mit finsterem Gesicht felsenfest stehen. »Wer sind sie?« wiederholte sie mit eiskalter Stimme Helakus Frage. »Ich bin euer schlimmster Albtraum, wenn ich nicht gleich bekomme, was ich haben will!« Lissy stand - den Dolch immer noch in der Hand - verwirrt daneben und starrte die Frau an. Langsam stand Julia auf und trat neben das Kind. »Da sie offensichtlich nicht die Mutter sind, werde ich nicht zulassen, dass sie dieses Kind auch nur anrühren.« Ihre Stimme klang ruhig und sachlich und ihr Gesicht ließ keine Gefühle erkennen, als sie die Frau kurz ansah, doch als sie sich Lissy zuwandte und sich hinkniete war ihre Stimme wieder voller Wärme. »Gibst du mir den Dolch zurück, Lissy? Ich weiß nicht, was die Tante dir versprochen hat, wenn du ihn ihr gibst, aber ich glaube, sie wird keines ihrer Versprechen halten.« Plötzlich brach Lissy in Tränen aus. »Sie hat gesagt, ihr seid Freunde! Sie hat gesagt, … sie hat gesagt, es ist ein Spiel!« »Da hat sie gelogen, Liebes. Das war kein Spiel.« Sanft nahm sie dem Kind den Dolch aus der Hand und nahm es in den Arm. Fluchend verschwand die Frau. Verdutzt starrten sie an die Stelle, an der sie eben noch gestanden hatte. »Nun,« sagte Julia fröhlich, »jetzt wissen wir wer sie war!« Kane nickte. »Du hast Recht! Aber ich befürchte das bringt uns kein Stück weiter.« »Naja, wir kennen jetzt zumindest eines ihrer Gesichter. Ich bin mir sicher, dass wir ihr noch öfter in dieser Form begegnen werden.« Sie wandte sich wieder an das Kind, das noch immer in ihren Armen lag. »Lissy, mein Schatz. Wir werden jetzt wieder gehen. Versprichst du mir, dass du niemandem von uns erzählst?« »Ehrenwort!« »Danke, mein Schatz. Wenn die bösen Menschen wiederkommen, lass es mich wissen. Ja?« Sie stand auf und trat zu den anderen. »Also gut, wir müssen Mika und Warren in die Mitte nehmen.« Gemeinsam stellten sie den Körperkontakt zwischen den beiden bewusstlosen Jungen und dem Rest des Teams her. Julia schloss hochkonzentriert die Augen. »Bitte San Tanadina und San Tanabea bringt uns sicher wieder nach Miami zurück.« Sekunden später waren sie verschwunden und ließen eine verwirrte und traurige Lissy zurück.

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Tag der Veröffentlichung: 16.11.2009

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