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„Jetzt muss ich nur noch die Tomaten klein schneiden, et voilà fertig ist mein Salat.“
Gerade als ich mich an eine Tomate ran machen möchte, ertönt ein lautes Surren an meine Ohren welches mich so sehr erschreckt, dass ich mir in meinen Zeigefinger schneide. „Verdammt", zische ich durch zusammengebissene Zähne und schaue auf die Uhr. Wer zum Teufel klingelt denn bitte um 23:20 Uhr an meine Tür? Nun ja, genauso gut könnte man fragen: Wer macht sich denn bitte schön um diese Uhrzeit einen Salat? Den blutenden Finger nehme ich in den Mund und laufe mit schnellen Schritten zur Tür. Ich gehe auf Zehnspitzen und schaue durch den Spion aber es ist zu dunkel um etwas zu erkennen. Genervt stöhne ich auf und öffne die Tür. …
„Jane..“,´höre ich ihn flüstern. Die Mütze tief in die Stirn gezogen und mit hängenden Schultern steht er da, mein Bruder. „Habe ich dir die Sprache verschlagen? Würdest du mich trotzdem rein lassen? Es ist echt arschkalt hier Draußen“. Ich kann mir sein breites Grinsen unter dem Kragen seiner dicken Jacke gut vorstellen. Wie in einem Traum trete ich einen Schritt zur Seite und lasse ihn passieren. Er geht den Flur entlang zum Esszimmer und schmeißt seine Jacke lässig über einen Stuhl. Mit langsamen Schritten nähere ich mich dem Esstisch und setze mich zu ihm. Sein warmes, raues Lachen holt mich aus meiner Taubheit und ich blicke ihn verwundert an. „Was ist denn, hast du nichts zu sagen?“. Ich hole noch einmal tief Luft und schaue ihm entschlossen in die Augen. „ Wieso bist du hier Dean?". „Wow, wir haben uns seit 5 Jahren nicht gesehen und das einzige was du zu fragen hast, ist der Grund für meinen Besuch?. Du bist meine Schwester und ich ...ich habe dich vermisst“, sagt er mit brüchiger Stimme. Ungläubig schaue ich ihn an. Wut lodert in mir auf. „Dean du..du müsstest doch noch“, fange ich an zu stottern, doch er unterbricht mich. „Hinter Gittern sitzen? Hast du schon einmal was von guter Führung gehört Schwesterherz?". Genervt steht er auf und geht in das Wohnzimmer, wo er sich an den niedrigen Coutchtisch, auf den Boden fallen lässt. „Ich hätte nicht kommen sollen“, höre ich ein Flüstern. Betroffen stehe ich auf und gehe zu ihm. Gegenüber von ihm nehme auch ich auf dem Boden platz. Erst jetzt fallen mir seine müden Augen auf. Er hat abgenommen...seine Mundwinkel scheinen von unsichtbaren Fäden nach unten gezogen zu werden. „ Es tut mir Leid Dean, es ist nur so...du bist“. „Der Mörder deines Vaters? Entschuldige ich meine, unseres Vaters?“. Meine Augen weiten sich und ich schaue auf meine Hände. Wie kann er das einfach so sagen? Hat er denn kein schlechtes Gewissen? Tränen steigen mir in die Augen, die ich durch Blinzeln zu vertreiben versuche. Im nächsten Moment spüre ich, wie sich zwei kräftige Arme um meinen Körper legen. Langsam streichelt er mir über meine glatten Haare, was es mir nicht gerade leichter macht meine Tränen zurückzuhalten. Ich habe ihn auch vermisst...aber er hat unseren Vater getötet. Langsam befreie ich mich von seiner Umarmung und schaue wieder in seine müden Augen. „Wieso?“, höre ich mich fragen. Seit Jahren stelle ich mir diese Frage und kann mir nie einen Grund zusammenreimen. Seine Augen blitzen auf, als er gelassen „Weil er es verdient hat“, sagt. Ungläubig schüttle ich meinen Kopf und mache Anstalten aufzustehen, doch er hält mich an meinen Armen fest. „Verdammt noch mal tue doch nicht so, als wäre er ein Engel gewesen Jane! Er war ein mieses Arschloch und das weißt du“. Ich schaue wieder meine Hände an und versuche eine Antwort in ihnen zu finden. Nach dem Vorfall vor 5 Jahren wurde ich ärztlich behandelt. Ich war in eine Art Koma gefallen und hatte seit dem an keine klaren Erinnerungen mehr. Der Arzt meinte, ich habe sie unbewusst verdrängt. „Jane..es reicht..ich habe genug gelitten ich..“. Wütend, schaue ich auf. „Du hast genug gelitten? DU? Dean, weißt du eigentlich was ich durchgemacht habe? Jeden verfluchten Tag die Blicke von den Nachbarn auf meinem Rücken spürend bin ich zur Schule gegangen, nur um dort von meinen Mitschülern komisch angestarrt zu werden. Weißt du als was ich arbeite? Als Putzkraft! Und wieso? Weil ich eine wunderbare Vergangenheit habe....Ich habe versucht mit der Situation klar zu kommen aber...ich sehe immer wieder dieses Blut vor meinen Augen...und s-s-seine Leeren Augen..“. Seine Hände liegen nun auf meinen Schultern und ich merke wie sie sich verkrampfen. „Du..erinnerst dich an all diesen Scheiß, aber nicht an das Richtige, an die Wahrheit“, sagt er mehr zu sich als zu mir. Eine Träne bahnt sich seine Wange runter und landet auf seiner vollen Unterlippe. „Was meinst du damit? Das ist die Wahrheit“. Er schüttelt seinen Kopf und nimmt die Hände von meinen Schultern. Aus unerklärlichen Gründen fängt mein Herz an zu rasen und ein komisches Gefühl verbreitet sich in meinem Magen. „Ich müsste eigentlich froh sein, dass du nicht die ganze Wahrheit weißt aber ich will nicht, dass du mich hasst. Ich war all die Jahre so selbstlos, Jane...ich kann nicht mehr“. Verständnislos schaue ich ihn an und sehe noch, wie sich sein Antlitz verdüstert. Mit einer schnellen Bewegung drückt er mich auf den Boden und hält meine Handgelenke fest. Vor Schreck bin ich nicht mal in der Lage aufzuschreien. Mein Herz schlägt einen Tick schneller gegen meine Brust. Im nächsten Moment liegen seine Lippen auf meinen. Stürmisch küsst er mich und entlockt mir ein gequältes Stöhnen. Mein Körper beugt sich, zu meiner Verwunderung, ihm entgegen aber mein Verstand protestiert. Irgendetwas kommt mir so bekannt vor. Dieser harte Griff, die Hand die gerade an meine Brust wandert...die heißen Lippen, die sich meinen Hals hinunter küssen...Mein Körper versteift sich und Dean schaut auf. Besorgt schaut er mich an, doch ich sehe ihn nicht mehr. Ich sehe meinen Vater, fühle seine Hände an meinem Körper, spüre seine Zunge in meinem Mund. Mein Magen zieht sich zusammen und ich spüre wie sich mein Gesicht verzieht. Ich blinzle wie verrückt, damit das Gesicht verschwindet, doch es bleibt...Mein Atem geht stoßweise und meine Hände verkrampfen sich in den Teppich. Durch glasige Augen verformt sich das Gesicht meines Vaters, in das Gesicht meines Bruders. Es hat nicht viel gefehlt...hätte er sein Grinsen im Gesicht gehabt, wäre das Bild perfekt gewesen. „Jane..?“, höre ich ihn leise Flüstern. Doch meine Gedanken entfernen sich wieder von der Gegenwart. Ich sehe mich, als 15 jähriges Mädchen. Ich bin in meinem Zimmer und warte....ich warte auf ihn. Aber heute bin ich vorbereitet, heute werde ich all dem ein Ende machen. Die kalte Klinge liegt in meinen Händen...Ich schaue auf die Uhr...gleich ist es so weit. Er wird kommen, wenn mein Bruder schläft. „Er soll ja nicht alles mitkriegen, das ist ein Geheimnis zwischen Papa und dir, meine Maus“, hat er nach einigen Malen mal zu mir gesagt. Seine Hausschuhe haben ihn immer als erstes verraten...dann..die Türklinke..sein lauter Atem....Seine Schritte...Sein Kuss auf meinen Haaren, als würde er gute Nacht sagen. Aber es würden mehr Küsse folgen...das wusste ich bereits nach dem ersten Mal. Aber ich war vorbereitet, ich hatte das Messer..ja das Messer würde alles beenden...„Hey meine Süße, Papa ist da“. Ich warte auf den richtigen Augenblick...auf den Luftzug an meinem Rücken. Dann würde ich zu stechen. Ich sehe ihn, wie er die Decke anhebt...dann sehe ich mich, wie ich mich ruckartig umdrehe und ohne zu zögern, das Messer in seine Mitte ramme. Ich höre ein schmerzerfülltes Schreien...und steche noch einmal zu...seine Schreie erinnern mich an meine eigenen, die ich von mir gegeben habe, als er in mich eingedrungen ist...die Wut führt das Messer wie von alleine und ich steche abermals in ihn ein, bis mich starke Hände von ihm herunter zerren. Dean. Geschockt sieht er mich an und....nimmt mir das Messer aus der Hand. Dann....falle ich ins nichts.


Ein Rütteln an meinen Schultern holt mich aus meinem Trancezustand zurück und ich keuche erschrocken auf. Heiße Tränen schießen mir aus den Augen. Mein Körper ist schweißgebadet und mir ist kalt. Zitternd setze ich mich auf und schaue aus “erwachten“ Augen meinen Bruder an. Noch immer sehe ich meinen Vater vor meinen Augen....das Blut ist an MEINEN Händen....
„Ich war es....Ich habe ihn getötet. Warum Dean? Warum hast du dich für mich geopfert?“, frage ich heiser. „Jane...ich...ich habe mich nicht geopfert...ich habe aus purem Egoismus gehandelt. Ich war immer so selbstlos...doch ich wusste, wenn ich die rette, dann werde ich am Ende dafür belohnt“, sagt er mit einem mir unbekanntem Unterton.
„Was meinst du dam..“. Meine Frage wird mit seinen Lippen unterbrochen. Ein Schaudern geht durch meinen Körper..und ich stoße ihn weg. „Dean..bitte, du nicht auch..“,stammle ich mit brüchiger Stimme. Er macht Anstalten sich wieder an mich zu pressen, doch ich stehe schnell auf und gehe rückwärts in Richtung Küche. Er steht ebenfalls auf und kommt mit schnellen Schritten auf mich zu. „Ich bin nicht so wie er...Ich liebe dich Jane, ich meine es ernst. Ich habe dich schon immer geliebt, aus ganzem Herzen“. Angeekelt verzieht sich mein Mund und mein Hals fängt an zu brennen. Ich komme mit dem Rücken am Tresen an und Dean stellt sich vor mich. „Jane...Ich will dich, ich kann nicht mehr ohne dich..“. Nein! Wieso? „Ich dachte du kannst nicht mehr mit der Lüge leben Dean, aber du meintest...mich? Du wolltest mich nicht an ihn erinnern, sondern dein eigenes Verlangen zeigen? Dean bist du verrückt geworden? Wie kannst du nur...Ich bin doch deine Schwester“, flüster ich. Ungläubig schüttle ich den Kopf und suche Halt am Tresen. Seine Augen zeigen das gleiche Verlangen...aber sie zeigen auch etwas anderes. Soll DAS etwa Liebe sein? Aber es ist doch nicht richtig, es ist..verboten!Eckelhaft und eine Sünde! Langsam füllt er die Lücke zwischen uns und fasst mich zärtlich an meinem Kinn, nur um mich dann zärtlich zu Küssen. Warum ist er nur so zärtlich? Er soll alles sein, aber nicht zärtlich verdammt! Ich spüre die Galle in meinem Hals und versuche ihn wieder von mir zu schieben doch er hält mich fest. Sein Kuss wird immer stürmischer, fordernder. Die Panik macht meine Beine taub. Meine Beine knicken weg und meine Hände stoßen meinen Messerhalter auf den Boden... Dann passiert alles ganz schnell. Mein Gehirn arbeitet nicht mehr, nur noch mein Körper bewegt sich, so wie damals auch. Mit einer Hand greife ich ihm in die Haare und mit der anderen ertaste ich mir ein Messer. Ich erwidere seinen Kuss...einmal, ganz zärtlich...nur um ihm im nächsten Moment das Messer in die Brust zu stemmen. Seine Lippen weiten sich an der meinen. Genau so wie damals steche ich diesmal abermals auf ihn ein...ich spüre nichts...rein gar nichts...ich fühle mich nur so...befreit?
Das Messer immer noch in der Hand haltend, schaue ich an die Decke, in der Hoffnung etwas anderes zu sehen als dieses kahle Weiß. Ich wünschte, ich könnte in den Himmel schauen. Die Wolken vorbei ziehen sehen und die Luft in meinen Haaren und  den Regen auf meiner Haut spüren. So wie damals, als wir alle noch eine "ganze" Familie waren. Mum, Dad, Dean und ich... Ich wünschte, ich könnte meine Hände in eine Fütze tauchen und mir das ganze Blut von den Händen waschen. Ich wünschte, ich könnte die Melodie der Nachtigall hören, mit ihr einschlafen..und nie wieder aufwachen. Doch alles was ich höre, ist ein Wimmern, nein, MEIN Wimmern. Warum weine ich? Ich habe keine Schuldgefühle...also warum weine ich? Vielleicht genau aus diesem Grund? Gerade weil ich nichts empfinde? Durchborhrt mein Herz etwa meinen Verstand, so wie ich sie durchbohrt habe? Fühle ich etwa, aber weiß es nicht? An meinen Händen klebt ihr Blut..in meinen Erinnerungen fliegen ihre Gestalten umher..
In meinem Herzen..sind sie tot. Ich will nie wieder "so" geliebt werden. Genau jetzt brauche ich deine warmen Arme um meinen Körper. Deine schützenden Hände um meinen benutzten Körper. Mutter...Wärest du hier, wäre all dies nicht passiert. Meine Tränen sind lange an meinen Lippen verebbt. Die Rachegötter werden meinen Verstand irgendwann erreichen. Sie werden mich besuchen, in meinen Träumen, nicht im Alltag. Sie werden mir ihre Gestalten zeigen, das Blut...die Erinnerungen. DANN werde ich es spüren. Die Schuld...die Reue..
So weit werde ich es aber nicht kommen lassen. Nein! So weit darf ich es nicht kommen lassen! Seit wann befindet sich das Messer in meiner Hand? Hat mein Körper wieder meinem Verstand voraus gehandelt? Mit zitternden Händen führe ich das Messer an mein linkes Handgelenk. Die scharfe Klinge schneidet sich fast wie von selbst in meine zarte Haut. Dann führe ich das Messer an mein anderes Handgelenk und verziehe leicht das Gesicht, als ich es aufschneide...ich krabble auf meinen Bruder zu und lege meinen Kopf auf seine Brust und nicke zufrieden, als ich das Klopfen nicht höre. Ein mir unbekanntes, verrücktes Lachen dröhnt aus meiner Kehle. Nein, ich werde kein schlechtes Gewissen haben. Nur über meine Leiche.(Im wahrsten Sinne des Wortes)....Ich lege mich neben seinen leblosen, durchbohrten Körper und merke wie sich meine Sicht verdunkelt. Ein Lächeln liegt auf meinen Lippen und allmählich fallen meine Lider zu und mein Körper wird taub. Ich werde in eine tiefe Schwärze gezogen...Komisch, ich dachte man läuft in ein weißes Licht. Doch ich laufe nicht, ich falle und falle und falle........

Es...ist ja SO schön, geliebt zu werden nicht wahr ?


Tuana

Impressum

Texte: Alle Rechte liegen bei mir.
Tag der Veröffentlichung: 08.03.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ihr widme ich diese Kurzgeschichte, weil sie weiß wie es ist "so" geliebt zu werden.

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