„Ich öffnete meine Augen. Doch alles um mich herum war dunkel. Es war finstere Nacht im Jahre 1864. Ich lag auf einer hölzernen alten Bankim Londoner Hyde Park und krümmte mich vor Schmerzen. Was war nur passiert? Diese Schmerzen an meinem Hals....Es brannte. Es brannte so sehr... Meine Haut, meine Muskeln, alles an mir....fühlte sich innerlich an als würde ich bei lebendigem Leibe verbrennen. Doch ich brannte nicht wirklich, es war nur dieses unerträgliche Gefühl.
Als ich mich langsam aufrichtete und meine Hände sich berührten erschrak ich.Sie waren eiskalt. Was war nur los mit mir? Und warum war ich alleine? Langsam kamen die Erinnerungen zurück. Ich wusste noch,dass ich am Abend zuvor auf dieser netten Feier im Londoner Stadtteil West End gewesen war. Und da war dieser junge gutaussehende blonde Mann mit dem ich mich angeregt unterhielt. Kurz vor Mitternacht luder mich ein, mit ihm eine Runde durch den nahe gelegenen Hyde Park spazieren zu gehen. Mein Urteilsvermögen war etwas eingeschränkt durch den köstlichen Wein der vor Ort ausgeschenkt wurde und so willigte ich ein und kurz darauf gingen wir los. Zugegeben es war damals schon ziemlich naiv von mir. Um diese Uhrzeit war im Hyde Parkfür gewöhnlich kaum eine Menschenseele unterwegs. Als wir schon eine ganze Weile spazieren gingen, lief er plötzlich vor und verschwand hinter einer großen blickdichten Hecke. „Warte! Wohin gehst du Aramil?", rief ich ihm noch nach während ich ihm hinterher lief. Als ich ebenfalls um die Ecke bog und ihn dort mitdem Rücken zu mir gewandt stehen sah, war ich erleichtert. Doch nur Sekunden später drehte er sich blitzschnell um, packte mich undrammte seine Zähne in meinen Hals...
Mit meinen Gedanken zurück in die Gegenwart erstarrte ich plötzlich. Denn in diesem Moment wurde mir klar was dieses Gefühl des Brennens auslöste. Warum sich meine Haut so eiskalt anfühlte und ich diese fast unerträglichen Schmerzen hatte.
Ich war dabei mich in einen Vampir zu verwandeln...."
„Doch hier begann meine Geschichte erst . . ."
Es lagen nun schon zwei Jahrhunderte als Vampirin hinter mir und doch konnte ich mich in all den Jahren nie daran gewöhnen einer zu sein. Nach meiner Verwandlung schloss ich mich zwar schnell einem Clan an, doch schaute ich mir bei ihnen lediglich die Kampftechniken ab und wohnte bei ihnen. Denn ich wusste nicht wohin. Aber ich fühlte mich bei ihnen nicht wohl. Denn im Gegensatz zu ihnen, jagte ich keine Menschen. Und auch keine Tiere. Ich wollte nicht wie ein Monster leben, beziehungsweise so mein Dasein fristen. Doch leider kam auch ich nicht ohne Blut über die Runden. Zum Glück kannte ich jemanden namens Reed. Er arbeitete in einer englischen Blutbank und schmuggelte mir bei Bedarf regelmäßig Blutkonserven zu. Er verdankte mir sein Leben und stand in meiner Schuld. Auch in meinen anderen Lebensbereichen wollte ich es den Vampiren auf keinen Fall gleich tun. Die Tatsache dass ich mich tagsüber nicht frei bewegen konnte, schränkte die Sache zwar erheblich ein, aber ich suchte mir für Nachts immer einen Job als Kellnerin in englischen Pubs. Das half mir über viele Jahre hindurch und so konnte ich schnell weg vom Clan und somit auch weg aus der Schusslinie der Vampirjäger. Dachte ich zumindest. Mittlerweile existiere ich seit circa 200 Jahren und habe mehr als genug Geld angehäuft um nicht mehr arbeiten gehen zu müssen. Doch ich tue es trotzdem. Denn ohne die Arbeit würde ich verrückt werden. Was sollte ich sonst auch tun? Ich bin zwar immer gezwungen nach ein paar Jahrzehnten meinen Wohnort und meine Arbeitsstelle zu wechseln, da ich seit meiner Verwandlung nicht mehr altere, aber das ist das kleinste Übel. Das schlimmste am Vampirsein war für mich, all die geliebten Menschen in den Anfangsjahren gehen zu sehen und ganz allein zurück zu bleiben und keinem Menschen mehr zu nahe kommen zu dürfen. Ich hatte zwar damals noch den Clan aber dieser existierte nun auch nicht mehr. Einige Mitglieder wurden zu gierig und fielen den Vampirjägern schnell auf. Woraufhin diese nicht lange fackelten. Die Vampirjäger stammten meist aus einer Familie und sammelten über Generationen hinweg Informationen über uns, was uns sehr verwundbar machte.Und sie hatten diese eine Gabe. „Gabe Gottes" nannte es mein Clan immer. Torin, unser damaliger Anführer, erklärte mir einmal, dass die Vampirjäger uns mit der Gabe Gottes von allen anderen Menschen unterscheiden könnten. Da wir Vampire zwar tot sind aber dennoch existieren, sind wir so eine Art Wanderer zwischen den Welten der Lebenden und der Toten. Dieses sehen die Jäger an einem grauen Nebelschleier der uns umgibt wie eine dünne Hülle. Deshalb kann man sagen, sobald uns ein Vampirjäger erkannt hat und man nicht schnell genug entkommt, wars das. Zum Glück war ich immer sehr schnell. Doch so viel nun zu meiner Vergangenheit.
Hier & jetzt
Es ist recht warm heute im „Red Trinity", dem Pub in dem ich seit ein paar Jahren arbeite. Die Gäste lachen, trinken und haben sichtlich Spaß dabei. Es ist ein guter Abend. Der alte Henry, unser Barkeeper, versucht gerade wie jeden Abend sein Glück bei den Frauen und wird jedes mal wieder enttäuscht. Aber es ist erstaunlich wie oft er es trotzdem immer wieder versucht. Dabei ist er ein anständiger Kerl und hätte es auch endlich mal verdient seine bessere Hälfte zu finden.Genauso wie ich, denke ich mir. Doch schnell versuche ich diesen Gedanken wieder beiseite zu drängen, denn ich , dass es für mich unmöglich sein würde einen Menschen zu lieben. Und einen Vampir den ich lieben könnte, will ich nicht. Die Nähe der Menschen macht mir zwar inzwischen nichts mehr aus, aber auch nur solange sie sich nicht verletzen und ich ihr Blut nicht sehen oder riechen muss. Denn dann würde es für sie gefährlich werden und das will ich vermeiden. Also ist es besser allein zu sein. Plötzlich reißt mich das zersplittern einer Bierflasche aus meinen Gedanken. Da hat wohl wieder jemand über seinen Durst getrunken, was hier nun wirklich nicht selten vorkommt. Mittlerweile ist es zwei Uhr morgens, ich bin allein und der letzte Gast ist gerade gegangen, als ich noch ein paar Tische abwische um dann Feierabend zu machen. Als ich auf einmal von draußen eine mir bekannte Stimme um Hilfe schreien höre. Ich lasse die Sachen liegen und eile sofort nach draußen in den Innenhof. Dort sehe ich eine vermummte Gestalt die sich offensichtlich an Henry zu schaffen macht. Als sie mich erblickt, schnappt sie sich seine Tasche und rennt davon. Doch der Gestalt hinterher zu rennen kommt mir nicht in den Sinn. Ich renne sofort nach Henry. „Henry, was ist passiert?!", frage ich ihn mit lauter Stimme in der Hoffnung dass er mich versteht. Doch Henry greift nur nach meiner Hand und sieht mich wortlos mit angestrengtem verzweifeltem Blick an. Dann sehe ich es. Er ist schwer verletzt. Der Räuber hat ihm mit einem Messer in den Bauch gestochen. Überall ist Blut. Der süßliche Geruch des Blutes steigt mir in die Nase und meine Instinkte melden sich, doch ich beruhige mich und versuche die Blutung mit meiner Schürze zu stillen. Aber es gelingt mir nicht. Stattdessen habe ich jetzt auch noch Henrys Blut an meinen Händen. Ich renne in den Pub zurück und wähle den Notruf. Dann eile ich zu Henry zurück, nehme seine Hand aber er hält sie nicht mehr fest. Die Verletzung ist zu schwer. Er ist tot.
Zwei Stunden später...
Als die Polizei und die Sanitäter und Co. mit Henry wegfahren, gehe ich traurig zurück in den Pub, setze mich an den Tresen, spreche einen Toast auf den guten alten Henry vor mich hin und genehmige mir einen Drink, bevor ich meine Tasche packe, den Pub abschließe und mich auf den Weg nach Hause mache. Genug für heute.In Gedanken versunken laufe ich durch die dunklen Straßen als mich urplötzlich ein Mann von der Seite angreift. Ich erkenne schnell, dass er ebenfalls ein Vampir ist. Er packt mich und schleudert mich gegen eine naheliegende Hauswand. „Was zum?!" Warum greift mich ein anderer Vampir an?!Gerade als ich wieder aufstehe und mich etwas sammle, packt er mich wieder und drückt mich auf den Boden. Er zieht eine kleine Flasche mit einer klaren Flüssigkeit darin aus seiner Tasche. Mein Instinkt sagt mir sofort, dass es Weihwasser ist. „Nein, bitte, was hab ich denn getan?! Warum willst du mich vernichten?!" Mit zornigem Blick sieht er mich an und sagt: „Du bist eine Bedrohung für Aramil!", antwortet er mir. Mir läuft es eiskalt den Rücken herunter. Aramil? Doch nicht etwa mein Schöpfer? Ich habe ihn nie wieder gesehen seit diesem Abend im Hyde Park und vergeblich Jahre damit verbracht ihn zu finden um es ihm heimzuzahlen was er mir angetan hat. Ich versuche den Angreifer von mir runter zu drängen, aber es klappt einfach nicht. Gerade als der fremde Vampir mir das Weihwasser einflößen will, löst er sich schlagartig in Asche auf. Als der Dunst sich legt, schaue ich in zwei entschlossene braune Augen. Schnell stehe ich auf und gehe hastig zwei Schritte zurück. Denn diese zwei wunderschönen Augen gehören einem Vampir-Jäger. Aber nicht irgendeinem, sondern Jason Bennett. Er ist sehr bekannt und gefürchtet unter den Vampiren. Er hat schon zahlreiche Vampire auf dem Gewissen, ganze Vampir-Clans hat er ausgelöscht und gilt als bester Vampir-Jäger seiner Zeit. Das ist selbst mir bekannt. Wortlos und leibhaftig steht er nun vor mir mit seinen breiten Schultern, seinen dunkelbraunen Haaren die er als kurzen Zopf nach hinten gebunden trägt und sieht mich an. Sein Blick ruht zwar immer noch auf mir aber er ist nicht mehr so finster und entschlossen wie kurz zuvor noch. Vielmehr neugierig. „Wieso bist du für Aramil eine Bedrohung?", will er auf einmal wissen. „Ich weiß es nicht. Aber wieso willst du das überhaupt wissen? Wieso vernichtest du mich nicht einfach?" Und woher kennt er überhaupt Aramil? Er sieht mich irritiert an. „Warum sollte ich? Hast du mich angegriffen? Nein. Habe ich dich angegriffen? Nein. Also nenn mir einen Grund warum ich dich töten sollte." Ich verdrehe die Augen. Alles klar, er will anscheinend Spielchen spielen, aber darauf habe ich keine Lust, die Nacht war auch so schon anstrengend genug. Dann werde ich jetzt lieber gehen, bevor er es sich noch anders überlegt.Ich nehme meine Tasche vom Boden auf, zupfe meine Sachen zurecht und will mich wieder auf den Weg nach Hause machen, als Bennett sich mir hartnäckig in den Weg stellt und ich gezwungen bin ihm wieder in seine schönen braunen Augen zu schauen. „Das war kein Scherz", meint er zu mir. „Ich weiß, dass du eine Vampirin bist, aber trotzdem nenne mir einen Grund, warum ich dich töten sollte."„Na, genau deshalb! Weil ich eine Vampirin bin. Ein herzloser, kalter Blutsauger der es nicht besser verdient hat und du ein Vampirjäger bist!", zische ich ihn an. „Ich töte keine Vampire die keine Menschen auf dem Gewissen haben, dann wäre ich nicht besser als sie", entgegnet er mir. „Ach ja und wieso habe ich davon noch nie etwas gehört?", will ich jetzt wissen, weil ich ihm nicht glaube. Auf einmal werden seine Gesichtszüge weich und er sagt: „Weil ich erst seit ein paar Jahren weiß, dass es da eine bestimmte Vampirin gibt, die all die Jahre zwischen Menschen existiert und trotz diverser Gelegenheiten nie ihren Instinkten nachgegeben hat." Verdutzt schaue ich ihn an. Er meint offensichtlich mich. Aber woher will er das wissen? „Du bist bekannt unter uns Vampirjägern, Yelena", sagt er auf einmal. „Den anderen Vampirjägern ist es zwar egal, aber ich habe eine Regel an die ich mich seitdem beim jagen halte und die heißt nun mal Auge um Auge, Zahn um Zahn. Doch du hast selbst in den Anfangsjahren,wo sich fast alle Vampire nicht kontrollieren können, keinen Menschen getötet. So steht es in den Tagebüchern meiner Familie die ich fand. Und das fasziniert mich." Irritiert und zugleich geschmeichelt schaue ich ihn an. „Tagebücher deiner Familie?! Und wie lange beobachtest DU mich schon?" „Ich beobachte dich schon seit du angefangen hast, hier im „Red Trinity" zu arbeiten." Ich bin sprachlos, all die Jahre die ich schon existiere wurde ich beobachtet. Misstrauisch blicke ich Bennett an. „Wenn ich nun so lange schon beobachtet werde und es den anderen Vampirjägern aber egal ist, dass ich keinen Menschen getötet habe, wieso existiere ich dann noch?" Plötzlich schaut mich Bennett mit ernster Miene an.„Weil ich die anderen auf falsche Fährten geführt habe, um dich vor ihnen zu schützen. Denn nur du kannst mich zu dem Ur-Vampir Aramil führen der meinen Vater und meinen Großvater ermordet hat."Jetzt verstehe ich. „Da muss ich dich enttäuschen. Ich habe selbst vergeblich Jahre nach ihm gesucht um mich an ihm zu rächen. Aber erhält sich zu gut versteckt, Bennett." „Du kannst mich Jason nennen. Aber da irrst du dich. Er muss dich ebenfalls beobachten sonst wüsste er nicht, dass du noch hier wärst und er würde seine Leute nicht immer wieder schicken um dich zu töten. Demnach muss er sich in deiner Nähe aufhalten." So langsam ging es mir auf die Nerven, dass mich scheinbar alle beobachten und ich werde wütend.„Wieso kommt er dann nicht selbst zu mir und bringt es zu Ende?"„Genau das ist auch mir ein Rätsel," antwortet Jason. Schweigend sehen wir uns einen kurzen Moment an. Ich kann nur schwer meine Gefühle im Zaun halten, da die Erinnerung an Aramil wieder hochkommt. Doch mir ist etwas aufgefallen. „Jason, was meinst du damit als du gerade sagtest, dass er immer wieder Leute nach mir schicken würde? Außer dem Angreifer von heute Nacht, sind mir aber keine anderen begegnet." Jason sieht mich mit entschlossenem Blick an. „Weil ich die anderen Vampire schon getötet habe. . .bevor sie dich hätten töten können." Wie angewurzelt stehe ich nun da. Mir war die ganze Zeit nicht bewusst, dass ich anscheinend so in Gefahr schwebe. Sollte es stimmen was er sagt. Aber was hätte er davon wenn er das alles nur erfinden würde? Übermannt von so vielen Informationen rund um meine Person, mache ich einen Schritt auf Jason zu. „Bitte lass mich vorbei. Ich will, nein ich muss nach Hause. Die Sonne wird jeden Moment aufgehen." Sie würde tatsächlich bald aufgehen, aber im Moment dient die Tatsache nur als Ausrede um schnell aus dieser erdrückenden Situation heraus zu kommen. Jason tritt zur Seite und noch bevor er was sagen kann, renne ich so schnell ich kann Richtung Zuhause. Sprachlos lasse ich Jason zurück.
Eine Woche ist es nun schon her, dass ich dem Vampirjäger Jason Bennett begegnet bin. Was er mir alles erzählt hat, hallt immer noch in meinem Kopf herum. Doch vielleicht hat er auch alles nur erfunden? Ich kenne ihn ja so gut wie gar nicht und immerhin ist er ja ein Vampirjäger. Aber wenn es stimmt was er gesagt hat, dann hat er mir schon einige Male das Leben gerettet. Fakt ist, ein fremder Vampir wollte mich töten und handelte im Auftrag von Aramil. Und diese Tatsache macht mir unheimliche Angst. Aber sie bringt mich andererseits meinem Ziel auch näher. Nämlich herauszufinden wo Aramil sich aufhält und ihn zu vernichten. Doch will ich einen Vampirjäger an meine Seite, wenn ich das durchziehe? Vielleicht vernichtet er mich, nachdem wir Aramil getötet haben ja auch ohne mit der Wimper zu zucken und ich bin nur ein Mittel zum Zweck... Aber die Art wie er mich ansah. Diese Augen. Soll ich es wagen ihm zu vertrauen?
Ich überlege eine ganze Weile, während ich die Kellertreppe in meinem Haus hinabsteige und in den Vorratsraum gehe. Ich öffne den kleinen Kühlschrank links neben meinem Karton voller schöner Kleider aus den vorangegangenen Jahrhunderten die ich aufbewahrt habe. Als ich die ganzen Blutkonserven im Kühlschrank liegen sehe, wird mir wieder bewusst wie sehr ich mein Dasein als Vampirin hasse und wie sehr ich mich rächen will. Auf einmal fiel mir die Entscheidung dann sehr leicht. Wenn ich Aramil töten will, ist so jemand wie Jason eine willkommene Unterstützung.
Entschlossen schnappe ich mir eine Konserve und gehe damit zurück nach oben in die Küche und bereite mir ein Glas davon zu. Ich gehe mit dem Glas ins Wohnzimmer, setze mich auf die Couch und will gerade ein Buch lesen als es überraschend an der Tür klopft. Misstrauisch stelle ich mein Glas ab. Wer klopft nachts um 1 Uhr an fremde Häuser? Ich laufe schnell zur Kommode neben der Haustür, hole meine Pistole heraus und verstecke sie hinter meinem Rücken als ich mit der anderen Hand den Türknauf umdrehe.Vorsichtig öffne ich die Tür. „Du kannst das ,was auch immer du da hinter deinem Rücken versteckst, wieder weglegen Yelena, ich komme in Frieden," ertönt eine tiefe mir bekannte Männerstimme.Es ist Jason.Er muss meine Aktion mit der Pistole wohl durch das kleine Fenster neben der Haustür gesehen haben.
Schmunzelnd steht er vor mir. „Was willst du hier?", will ich von ihm wissen.„Darf ich reinkommen?", entgegnet Jason mir. Mit einem misstrauischen Blick lasse ich ihn herein. Als er mein Wohnzimmer betritt, sieht er sich erstaunt um. An den weißen Wänden hängen große Bilder von zahlreichen Künstlern, die Gardinen an den beiden Wohnzimmerfenstern sind in hellblau gehalten und mitten im Raum steht mein großes Big Sofa aus dunkelbraunem Leder. Und direkt davor der Fernseher. „Was hast du denn gedacht wie ein Vampir lebt?", frage ich ihn verschmitzt, als ich sein Gesichtsausdruck sehe. „Naja, nicht so 'normal' ", antwortet er mir, während er sich auf die Couch setzt.
Ich verschwinde in der Zwischenzeit kurz in die Küche um noch schnell die Konserve verschwinden zu lassen und eile danach zurück ins Wohnzimmer. Irgendwie peinlich berührt, dass ein Vampirjäger auf meiner Couch sitzt, direkt vor meinem mit blutgefülltem Rotweinglas frage ich, ob ich ihm etwas zu trinken anbieten könne. Irritiert, aber freundlich antwortet er mir. „Ja, wenn du noch was von dem Rotwein da hast, nehme ich wohl ein Glas." Na toll. Ich werde rot und druckse herum. „Also...ähm...Rotwein habe ich nicht im Haus." Jason's Gesichtsausdruck wird schlagartig ernst, als er versteht was ich meine. „Woher hast du es?", will er sofort wissen und greift sich an die Brusttasche als wenn er kurz davor ist eine Waffe zu ziehen. Schnell antworte ich ihm damit die Situation nicht eskaliert. „Es stammt aus einer Blutbank, du kannst dich beruhigen." Erleichtert atmet er aus. Genau wie ich ihm, vertraut er mir anscheinend auch nicht. Das kann ja eine gute Zusammenarbeit werden, denke ich mir.
„Es tut mir leid, ich bin einfach vorsichtig", sagt Jason plötzlich. „Ich habe noch nie mit einer Vampirin zusammengearbeitet." Als wir uns ansehen, müssen wir beide leicht grinsen. „Ich wäre auch misstrauisch," scherze ich leicht als sich unsere Blicke treffen. Das die Chemie jetzt zwischen uns stimmt, ist nicht zu übersehen.
„Ich bin froh, dass du dich dazu entschieden hast, mit mir zusammen Aramil zu töten, Yelena, aber ich werde mich wohl erst daran gewöhnen müssen, dass meine Mitstreiterin auch Blut trinken muss, um zu überleben," sagt er und grinst mich dabei neckisch charmant an. Ich werde verlegen und versuche es zu überspielen. Was mir allerdings nur mäßig gelingt. Gerade als ich mich umdrehen will um nochmal in die Küche zu gehen, schießt völlig unvorhergesehen ein brennender Holzpfeil durchs Fenster direkt an meinem Gesicht vorbei, berührt meine Wange und setzt ein Bild an der Wand in Brand. Schmerzerfüllt fasse ich mir ins Gesicht, während Jason nicht lange fackelt, mich packt und mich Richtung Ausgang zerrt. „Wir müssen hier raus, schnell! Sie müssen mir gefolgt sein!"
„Wer sind 'sie'?!", rufe ich ihm zu. „Die anderen Vampirjäger!", antwortet Jason mir, als er die hintere Haustür aufreißt. „Los schnell zu meinem Ford Mustang da vorne, ich halte dir den Rücken frei! Lauf!"
Ich packe meinen ganzen Mut zusammen und renne so schnell ich kann voraus. Als ich am Auto ankomme, reiße ich die Beifahrertür des Mustangs auf und verschanze mich im Auto. Als auch Jason das Auto erreicht und sich hinters Steuer schmeißt, zögert er nicht eine Sekunde und drückt das Gaspedal durch. Die Reifen quietschen laut, als wir in Richtung der Straße fahren.
Als ich in den Rückspiegel schaue,verzweifle ich. Mein ganzes Haus steht in Flammen, alles was ich mir in den letzten Jahren aufgebaut habe, wo ich mich lange Zeit sicher fühlte, wo ich ein einigermaßen ruhiges Leben führen konnte bis jetzt, brennt gerade lichterloh. Tränen schießen mir in die Augen, während ich schweigend neben Jason im Auto sitze. Auch Jason sagt nichts. Er scheint erschüttert darüber zu sein, dass seine Jagdkollegen es in Kauf genommen haben, ihn auch zu töten bei dieser Aktion.
Eine ganze Weile fahren wir nun schon mit dem Mustang durch die regnerische Nacht. Wir haben London verlassen und befinden uns jetzt anscheinend weit außerhalb der englischen Hauptstadt. Um uns herum sehe ich nichts anderes mehr außer ein riesiges Waldgebiet.
„Wo fahren wir hin?", frage ich Jason, der, so zielstrebig wie er fährt, genau zu wissen scheint, wo es hin geht. „Wir fahren in ein altes Safe House meiner Familie. Da müssten wir erst einmal sicher sein und können uns auf die nächsten Schritte konzentrieren.", antwortet er mir.„Aber wie geht es dir überhaupt, was macht deine Wange?", fragt Jason mich besorgt. „Mir geht's wieder gut, es ist alles wieder wie vorher." Inzwischen habe ich mich von dem Angriff erholt und die Verletzung an meiner Wange ist auch wieder völlig verheilt. Ja, das ist eine meiner positiven Vampir-Eigenschaften: Selbstheilung. Zwar nicht sofort nach dem eine Verletzung bei mir entsteht, aber überdurchschnittlich schnell danach. Außerdem bin ich durch meine Verwandlung sehr schnell geworden.
Doch nicht jeder Vampir hat dieselben Eigenschaften wie ich. Es ist bei allen unterschiedlich. Manche sind extrem stark, wieder andere sind extrem gelenkig, andere haben ein extremes Gehör bekommen und so weiter. Man sagt, dass die Ur-Vampire jede Eigenschaft die es gibt, selbst beherrschen würden. Ich hoffe, dass das nicht der Wahrheit entspricht, sonst wird es für uns nicht nur schwer sondern fast unmöglich Aramil zu vernichten. Schnell verdränge ich den Gedanken daran.
Als Jason rechts abbiegt und wir plötzlich mitten durch den Wald fahren, werde ich etwas nervös. Wo soll denn hier ein Haus sein? Immer noch etwas misstrauisch ihm gegenüber, hoffe ich, dass es keine Falle ist. Aber dann sehe ich in einiger Entfernung vor uns, dieses kleine Holzhaus direkt an einem riesigen See gelegen und bin erleichtert. Denn hätte er mich töten wollen, hätte er zugegebenermaßen schon mehrere Gelegenheiten gehabt, dafür hätte er nicht extra hier raus fahren müssen.
Langsam bremst Jason das Auto ab und parkt direkt vor dem Haus. Wir steigen aus. „Das ist es, hier können wir erst mal bleiben. Ist das okay für dich, Yelena?", fragt Jason mich, während ich schon am Hauseingang stehe und den Türknauf umdrehe. Nickend stimme ich ihm zu. Als ich das Haus betrete, stehe ich direkt im Wohnzimmer. An den Wänden hängen viele sehr alte Waffen die zum Töten und fernhalten von Vampiren benutzt wurden und teilweise noch benutzt werden. Viele unterschiedliche Messer, Holzpfähle, Kreuze. Sofort bleibe ich in der Haustür stehen, drehe mich um und gucke Jason ungläubig an. „Unter diesen Voraussetzungen ist es allerdings nicht okay für mich hier zu bleiben.", sage ich ihm mit entschlossenem Blick als ich auf die Dinge an den Wänden zeige. Jason geht an mir vor und weiß sofort was ich meine. „Oh, daran habe ich nicht mehr gedacht. Ich werde die Sachen sofort abhängen.",entschuldigt er sich.
Nachdem Jason die Wände wieder etwas Vampir-freundlicher gemacht hat, schau ich mich nun endlich etwas um. Es ist ein sehr kleines Haus. Es gibt ein zentrales Wohnzimmer mit offener Küche, ein Schlafzimmer, ein Bad und einen Vorratsraum. Es gibt keinen Dachboden oder gar einen Keller. Aber alles ist schön möbliert. Die stabile Holzküche ist aus dem gleichen Holz gemacht, wie das ganze Haus. Eigentlich ist alles was hier aus Holz ist aus dem selben Holz gemacht. Es gibt einen kleinen Esstisch mit mehreren Stühlen daran, eine große Ledercouch und zwei lederne Sessel dazu und einen kleinen Fernseher. Ein Telefon gibt es nicht. Die zwei Fenster im Raum sind mit dunklen Gardinen versehen. Einen Flur gibt es auch nicht. Man kommt direkt vom Wohnzimmer in alle anderen Räume.„Es ist irgendwie schön hier, zwar sehr klein aber schön. Es gefällt mir.", sage ich zu Jason als dieser sich gerade eine Tasse Tee macht.
„Danke, aber mach es dir nicht zu gemütlich hier", scherzt er, während er sich jetzt mit seiner Tasse an den kleinen Esstisch setzt. Ich setze mich zu ihm. „Wie wollen wir jetzt weiter machen? Wie wollen wir herausfinden wo sich Aramil aufhält?", frage ich Jason. „Ich denke, ich brauche gleich erst mal eine Pause und lege mich schlafen. Danach sehen wir weiter." Ich nicke ihm verständlich zu. „Okay, wenn du nichts dagegen hast, werde ich mir deinen Wagen jetzt mal ausleihen und zu meinem Bekannten an der Blutbank fahren." Denn ich bekam langsam richtig Durst. Mein Glas konnte ich ja nicht austrinken und die ganzen Blutkonserven sind mit meinem Haus niedergebrannt.
„Alles klar, aber nimm das hier mit und pass auf, dass dir auf dem Weg zurück, keiner folgt.", ermahnt mich Jason, während er mir eine Pistole und einen Holzpfahl in meinen Rucksack steckt und ihn mir in die Hand drückt. „Alles klar, bis später."
Nach circa 1 Stunde Fahrt komme ich in London an der Blutbank an. Als ich an die Hintertür klingele, öffnet ein mir völlig Fremder die Tür. Doch mein alter Bekannter Reed war nirgends zu sehen. „Hallo, entschuldigen sie aber ist Reed zufällig heute am arbeiten?", frage ich ihn, in der Hoffnung er könne mir weiterhelfen. Misstrauisch sieht mich der alte Mann an. „Nein, Reed arbeitet hier nicht mehr. Wollen sie sonst noch was wissen?" So ein Mist. „Wo arbeitet er denn jetzt?", frage ich ihn hartnäckig weiter Löcher in den Bauch. „Junge Frau, Reed arbeitet nirgends mehr. Er wurde vor zwei Tagen ermordet. Und jetzt verschwinden sie. Weg hier!" Sichtlich genervt von meiner Fragerei, knallt er die Hintertür vor meiner Nase zu.
Ich bin geschockt. Reed ist tot? Es waren bestimmt Aramil's Handlanger. Verzweifelt überlege ich, wo ich denn jetzt das Blut herbekommen soll, was ich mittlerweile so sehr benötige. Die anderen Blutbanken sind keine Option für mich. Da ich dort keinen Mittelsmann habe und keine Unschuldigen verletzen will. Da fällt mir ein, dass ich noch eine halbvolle Blutkonserve in meinem anderen Rucksack im Safe House haben müsste. Als ich mich vergewissert habe, dass mir keiner folgt, setze ich mich ins Auto und fahre zurück. Während ich am fahren bin, merke ich, wie ich anfange zu zittern, obwohl mir gleichzeitig so unglaublich heiß ist, dass mir der Schweiß die Stirn hinabläuft.
Das ist die Art wie mein Körper mir seit der Verwandlung mitteilen will, dass er Blut will. Und zwar schnell! Ich hasse es! Und je länger ich warte, desto schwieriger wird es für mich, gegen meine Instinkte an zu kämpfen. Als ich wieder am Safe House ankomme, gehe ich schnell hinein um nach meinem Rucksack zu schauen. Aber ich kann ihn nirgends finden. Jason muss ihn beiseite gelegt haben. Aber ich möchte ihn nicht wecken und suche selbst hastig weiter. Plötzlich höre ich es im Bad leise knacken und leicht rascheln. Was ist das? Ein Einbrecher? Ein hungriges Tier von draußen, was sich irgendwie Zugang verschafft hat, um nach Futter zu suchen? Oder einer von Aramil's Leuten? Ich sollte lieber vorsichtig sein.
Noch immer durcheinander und geschüttelt von Kälte und Hitze zugleich, vergesse ich beim heranschleichen meine Waffen mitzunehmen. Als ich näher an die Badezimmertür herantrete, wird das Geräusch immer lauter.
Inzwischen rast mein Puls so schnell, dass ich das Gefühl habe, einen Marathon zu laufen. Und die angespannte Situation macht die Sache nicht einfacher für mich. Ich reiße die Tür auf und schaue dem Einbrecher direkt ins Gesicht. Dieser erschreckt sich so sehr, dass er rückwärts gegen das große Handtuchregal knallt und sich durch ein hervorstehenden dicken Nagel am rechten Handgelenk verletzt. „Ahh, verdammt nochmal!", flucht er laut vor sich hin, während er sich die Wunde mit der linken Hand zu hält. In diesem Moment kann ich an seinen Zähnen erkennen, dass er kein Vampir ist. Er ist also keiner von Aramil's Leuten, dass ist schon mal gut. Sie haben uns also nicht gefunden.
Was allerdings weniger gut ist, sondern besonders schlecht, ist die Tatsache dass sich meine Instinkte so stark melden wie nie zuvor. Als der Einbrecher die Hand von seiner Wunde nimmt, um zu schauen wie stark er blutet, sehe ich die blutverschmierte Hand ebenso. Jetzt ist es zu spät. Meine Zähne werden spitzer und ich renne blitzschnell zu ihm hin, nehme sein Handgelenk und beiße zu. Er hat keine Chance wegzurennen. Ich bin einfach zu schnell.
Endlich kann ich meinen Blutdurst stillen. Ich merke wie ich in eine Art Rausch verfalle, aber auch dass ich mit meinen Gefühlen kämpfe. Dem Gefühl von großer Schuld auf der einen Seite und großer Erleichterung auf der anderen. Ich höre wie der Einbrecher mich anfleht aufzuhören und nach Hilfe schreit. Aber ich kann nicht aufhören. So sehr ich es auch will, ich komme in diesem Moment einfach nicht gegen meine Vampir-Instinkte an, als völlig unvermittelt Jason in der Tür steht. „Yelena, hör auf!! Was tust du?! Hör sofort auf damit!", schreit er mich an. Doch auch ihn ignoriere ich.
Doch Jason wäre nicht Jason, wenn er sich so leicht ignorieren lassen würde. Er rennt auf mich zu und reißt mich von meinem Opfer los. Drückt mich mit aller Kraft gegen die Wand und versucht mich wachzurütteln. „Yelena, verdammt, kämpfe dagegen an. Du hast es so lange geschafft! Kämpfe dagegen an!" Doch immer noch dem Rausch verfallen, trete ich Jason gegen den Bauch und befreie mich so aus meiner misslichen Lage. Aber als meine Augen das Badezimmer nach dem Einbrecher absuchen, finden sie nichts. Er ist schon längst über alle Berge. Also sind nur noch Jason und ich in dem Raum. Immer noch blutdürstig, drehe ich mich zu ihm um und schaue ihn mit einem gefährlichen Blick an. Jason erkennt die Gefahr die nun von mir ausgeht, sieht mich mit entschlossenem aufmerksamen Blick an und zieht seinen Holzpfahl aus der Jackentasche hervor. „Das wagst du nicht, Yelena......!
Da stehe ich nun. Mit einem scheinbar unstillbaren Durst nach Blut. Doch was ist das für ein gleichmäßiges schnelles Klopfen, dass ich seit ein paar Minuten die ganze Zeit höre? „Yelena, beruhige dich. Ich bin's", sagt Jason als er mir mit langsamen vorsichtigen Schritten näher kommt. Je näher er mir kommt, desto lauter wird das Klopfen. Jetzt weiß ich es. Es ist sein Herzschlag, den ich hören kann. Ich habe eine neue Vampir-Eigenschaft erhalten. Doch das ändert nichts an meiner Situation. Grimmig schaue ich Jason an und warne ihn weg zu gehen. Doch er ignoriert mich und kommt stattdessen immer noch weiter auf mich zu, bis er mir direkt gegenüber steht. „Ich warne dich, ich habe mich nicht unter Kontrolle", wiederhole ich.
„Nein, ich warne DICH, Yelena", kontert er mit einem Unterton in der Stimme der nichts Gutes erahnen lässt. Ich habe ihn gewarnt. Blitzschnell und mit voller Wucht reiße ich ihm den Holzpfahl aus der Hand und schmeiße ihn in die Ecke des Badezimmers. Woher kommt plötzlich diese Kraft? Unwichtig. Gerade als ich Jason an die Kehle greifen will, verpasst er mir einen Kinnhaken der sich sehen lassen kann. Benommen gehe ich zu Boden. Diesen Moment nutzt Jason aus. Er packt mich, zerrt mich durchs Wohnzimmer in den Vorratsraum und lässt mich dort auf dem Boden sitzen, während er sich hastig vor die Tür begibt und die Zimmertür von außen verriegelt.
„Yelena, hör zu. Du bleibst jetzt erst mal da drin. Bis du dich wieder beruhigt hast, ich hoffe du kannst es noch. Ich werde sehen, dass ich dir ein paar Blutkonserven besorgen kann", versucht Jason zu mir durchzudringen.„Und noch etwas..., solltest du mich jemals wieder angreifen, werde ich nicht eine Sekunde zögern dich zu töten." Der letzte Satz von ihm rüttelt mich wach. „Mich töten?", murmele ich vor mich hin als der Rausch langsam abklingt. Als ich den Mustang wegfahren höre, stehe ich auf und schaue in die spiegelnde Scheibe einer gläsernen Vitrine. Entgegen dem Volksglauben haben nämlich auch Vampire ein Spiegelbild. Meine braunen Augen sehen schuldig und müde aus und meine schwarzen langen Haare hängen mir mitten ins Gesicht. Strähnen kleben an meinen mit Blut verschmierten Mundwinkeln. Ich schäme mich zutiefst.
Denn ich sehe genau das, was ich hoffte nie sehen zu müssen. Jason würde mir nie wieder vertrauen. Ich habe alles zunichte gemacht. Nur wegen einen Moment der Schwäche. Ich bin eine tickende Zeitbombe, denke ich mir und schlage mit der Faust vor Wut in mein Spiegelbild. Da ist sie wieder. Diese Kraft, die ich auch vorhin gespürt habe. Ich denke ich habe jetzt zwei neue Vampir Eigenschaften. Na ganz toll. Hoffentlich richte ich damit nicht noch mehr Schaden an. Am liebsten würde ich jetzt ins Bad gehen und mich frisch machen. Mir die Schuld abwaschen, wenn dies nur möglich wäre.Ich gehe zum Fenster und es gelingt mir es zu öffnen. Also nichts wie wieder rein ins Haus und unter die Dusche.
Nach einer wohltuenden heißen Dusche, ziehe ich mir eine blaue Jeans Hose und ein weißes T-Shirt über und mache im ganzen Haus die Vorhänge zu, denn die Sonne ist inzwischen aufgegangen und sucht sich ihren Weg ins Haus. Danach setze ich mich an den kleinen Esstisch in die Küche und warte auf Jason. Mittlerweile ist er schon drei Stunden fort. Langsam fange ich an mir Sorgen zu machen. So lange braucht man doch nicht um einige Blutkonserven zu besorgen. Oder hat er mich aufgegeben und ist doch wieder zurück zu seinen Jagdkollegen gefahren? Aber dann hätte er mich vorhin nicht verschont. Also kann ich letzteres wohl ausschließen.
Inzwischen sind es vier Stunden die Jason jetzt weg ist und ich habe ein ganz ungutes Gefühl.Ich laufe hin und her und überlege wie ich nach ihm suchen soll, draußen bei grellem Sonnenschein, als sich plötzlich der Türknauf an der Haustür umdreht und ein blutverschmierter Jason durch die Tür ins Haus fällt. „Jason!", rufe ich besorgt und erleichtert zugleich, eile zu ihm und ziehe ihn aus den Strahlen der Sonne die durch die Tür ins Haus fallen. Anschließend stoße ich die Tür hinter uns zu. Nachdem ich Jason auf die Couch gelegt habe, beeile ich mich und hole nasse Handtücher und eine Schüssel mit Wasser und Desinfektionsmittel. „Was ist passiert Jason?", will ich von ihm wissen. Der süßliche Geruch seines Blutes lässt meine Instinkte wieder hochkommen, stärker zwar als vor dem Vorfall letzte Nacht, aber es gelingt mir sie wieder zu verdrängen.
Mit viel Kraft versucht Jason mir etwas zu sagen. „Ich hätte nicht herkommen sollen mit meinen Verletzungen, du bist zu labil. Aber ich weiß nicht wo ich sonst noch hin könnte." „Ich weiß, Jason, aber es ist schon okay", versuche ich ihn zu beruhigen, während ich seine Stichverletzungen verarzte. Mit einem leichten lächeln in seinen Augen, sieht er mich an und ich erwidere seinen Blick. Noch nie hat mich jemand so angesehen wie er. Doch von jetzt auf gleich werde ich aus meinen Gedanken gerissen, denn Jason zieht wieder ein schmerzverzerrtes Gesicht. Nachdem ich ihn verarztet habe, gebe ich ihm noch zwei Schmerztabletten damit er wenigstens schmerzfrei schlafen kann.
Ich lege mich ins Bett und versuche auch etwas zu schlafen. Obwohl ich es nicht müsste als Vampir.
Gegen Abend, als die Sonne gerade untergegangen ist, stehe ich auf und schaue nach Jason. Auf der Couch liegt er nicht mehr aber er sitzt zu meiner großen Erleichterung am Esstisch.
Gedankenversunken schaut er in seine Tasse Kaffee. „Willst du mir sagen, wer dir das angetan hat und was überhaupt passiert ist, Jason?", frage ich ihn vorsichtig.
„Es waren meine ehemaligen Jagdkollegen. Sie haben mich mit dem Auto verfolgt, als ich gerade in London rein gefahren bin. Als ich dachte ich hätte sie abgeschüttelt, stieg ich aus und lief zur Blutbank. Anschließend verstaute ich die Blutkonserven im Mustang und als ich den Kofferraum wieder zu schmiss, bekam ich direkt das erste mal eins von hinten über den Kopf gezogen und ging zu Boden. Dann ging alles ganz schnell. Es stellte sich heraus, dass auch ein paar Vampire von Aramil mich verfolgt hatten und die Jäger konzentrierten sich dann auf sie, anstatt auf mich. Zum Glück. Ich nutzte die Unachtsamkeit beider Seiten und fuhr so schnell ich konnte wieder hier her."
„Du wurdest von beiden verfolgt? Das ist nicht gut", erwidere ich besorgt.
„Aber einer von Aramil's Vampiren hat diesen Zettel hier verloren." Jason legt einen gelblichen alten Zettel auf den Tisch. Darauf steht in schrecklich krakeliger Schrift geschrieben:
'Tötet diesen verdammten Vampirjäger Jason Bennett. Er spielt sich als Beschützer von Yelena auf. Ohne ihn wird es für mich ein leichtes sein, sie zu vernichten, solange sie ihre vollen Kräfte noch nicht entdeckt hat. Doch mir rennt die Zeit davon. Seht zu dass ihr das schnell erledigt. Ihr werdet reich belohnt.'
Ungläubig schaue ich zu Jason. „Das scheint eindeutig von Aramil zu stammen. Es ist seine Art sich so auszudrücken. Doch was meint er mit meinen Kräften? Was soll damit sein?"
„Hat sich irgendwas bei dir verändert in letzter Zeit, Yelena? Ist dir irgendwas aufgefallen?", will Jason von mir wissen.
Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Meine Eigenschaften. Natürlich. Das hat Aramil gemeint.
„Ja, ich denke bei mir hat sich etwas verändert, Jason. Seit letzter Nacht habe ich diese Stärke und dieses Gehör. Meine neue Stärke ist kontinuierlich da, das kann ich nicht einfach wieder abstellen, aber mein neues Gehör. Wenn ich will kann ich deinen Herzschlag hören. Oder eben auch nicht. Ich kann draußen vor der Tür die Insekten fliegen hören, wenn ich will. Ich kann es durch meine Willenskraft steuern." Jason sieht mich misstrauisch an, während er den letzten Schluck Kaffee aus seiner Tasse trinkt.
„Aber hattest du nicht gesagt, dass 'normale' Vampire nur ein oder zwei Vampir-Eigenschaften haben nach ihrer Verwandlung? Wie kann es dann, dass du jetzt auf einmal vier Eigenschaften hast?"
Wortlos und mit kritischem Blick, starren wir beide einen kurzen Moment lang auf den Zettel und versuchen uns einen Reim daraus zu machen.
Bis Jason die Stille unterbricht. „Ich glaube, ich weiß warum Aramil dich töten lassen will...Er fürchtet sich vor dir."
Skeptisch schaue ich ihn jetzt an. „Was? Aber wieso sollte er mich fürchten, er ist mein Schöpfer und ich kann niemals stärker sein als er."
„Das stimmt so nicht ganz, Yelena." Jason zieht ein dickes Buch aus seinem Rucksack und blättert hastig darin herum, als würde er nach etwas bestimmten suchen. „Hier ist es.“ Er zeigt mit einem Finger auf einen Satz. Das habe ich letztens kurz überflogen, aber jetzt wo du mir sagst, dass sich etwas bei dir verändert hat, denke ich du solltest das hier lesen:
'...Es existieren immer nur zwei Ur-Vampire gleichzeitig. Ur-Vampire können nicht von normalen Vampiren oder Menschen getötet werden, doch beißt der Ur-Vampir auf seiner Jagd unwissentlich einen Menschen der für die Eigenschaften eines Ur-Vampirs empfänglich ist, wird dieser, je länger er als Vampir existiert, ebenfalls einer werden. Ur-Vampire können nur von ihres gleichen vernichtet werden.'
Geschockt klappe ich das Buch zu. Jetzt wird mir einiges klar.
Als könne Jason meine Gedanken lesen, sagt er:
„Ich glaube du entwickelst dich, Yelena...Du entwickelst dich zu einer Ur-Vampirin. Deshalb will er dich töten, denn du bist die einzige, die ihn töten kann."
„Was? Ich, eine Ur-Vampirin? Das kann nicht sein. Ich fühlte mich niemals den Vampiren zugehörig und jetzt soll ich zu so einer Ur-Vampirin mutieren? Das darf doch nicht wahr sein."
Jason bemerkt wie aufgebracht und verzweifelt ich bin und legt überraschend seine Hand auf meine. „Yelena, das heißt nicht, dass du automatisch zu so einem Monster werden wirst, wie es Aramil ist. Du bist anders als er, dass heißt du wirst auch eine andere Ur-Vampirin werden, als er. Du kannst mit deinen Eigenschaften auch Gutes bewirken, wenn du dich beherrschen kannst." Plötzlich rückt er näher zu mir heran.„Trotz der Tatsache, dass du eine Vampirin bist Yelena, bist du deiner guten Seele treu geblieben und ich kann mir nur ansatzweise vorstellen wie schwer es für dich sein musste, all die Jahre gegen deine Instinkte anzukämpfen. Und wie groß deine Enttäuschung darüber sein muss, dass sie letzte Nacht für einen kurzen Moment die Kontrolle über dich gewonnen haben. Doch letztendlich hast du den Einbrecher nicht getötet."
Mit Tränen in den Augen, sehe ich Jason an. „Ja, aber nur weil du dazwischen kamst. Wer weiß, was sonst noch passiert wäre..."
Liebevoll sieht Jason mich nun an und legt seinen Zeigefinger auf meine Lippen. „Nichts wäre passiert, ich bin mir sicher die Yelena, die ich bis jetzt kennenlernen durfte, hätte wieder die Oberhand gewonnen."
Als Jason seinen Zeigefinger wieder runter nimmt, sehen wir uns beide tief in die Augen und vorsichtig berühren sich unsere Lippen. Wir küssen uns. Seine Lippen fühlen sich weich und angenehm warm an. Für einen kleinen Augenblick vergesse ich meine Sorgen, auch wenn ich innerlich mit mir am kämpfen bin und genieße den Moment mit ihm so gut es geht.
Gerade als mich die ersten kleinen Zweifel überkommen, bei dem was wir gerade machen, werden Jason's Küsse leidenschaftlicher und er führt mich liebevoll in Richtung seines Schlafzimmers, wo wir anschließend die Nacht zusammen verbringen.
Ein paar Stunden später wache ich in Jason's Armen auf. Es ist immer noch Nacht. Jason schläft noch, aber meine Zweifel haben mich aus dem Schlaf gerissen. Ich drehe mich zu Jason um und beobachte ihn einige Augenblicke lang. Er sieht so glücklich und friedlich aus. Und ich bringe ihn immer mehr in Gefahr, indem ich mich auch noch in ihn verliebe? Was wenn ich mich einmal wieder nicht kontrollieren kann und ihn verletze oder gar töte, weil er zur falschen Zeit in meiner Nähe ist? Das könnte ich mir niemals verzeihen, denke ich mir, schleiche mich leise aus seinem Bett und ziehe mich an.
Während ich Jason noch einmal für einen kurzen Moment anschaue, denke ich mir, dass je länger er in meiner Nähe bleibt, es immer gefährlicher für ihn werden wird.
Also fasse ich einen Entschluss.
Wenn ich ihn beschützen will, muss ich allein weiter ziehen.
Ich schnappe mir schweren Herzens meine beiden Rucksäcke, gebe Jason sanft einen Abschiedskuss auf die Wange, schnappe mir seine Autoschlüssel und verlasse das Safe House. . .
Die Nacht neigt sich dem Ende zu und der Morgen begrüßt den Tag. Ich werde wach und öffne meine Augen. Erwartungsvoll drehe ich mich zur Seite, um ihr einen Kuss auf ihr wunderschönes langes schwarzes Haar zu geben, doch...sie ist nicht da. Ich stehe auf, ziehe mich an und schlendere in die Küche, um zu sehen wo sie steckt. Auch hier keine Spur von Yelena. Langsam überkommt mich ein schlechtes Gefühl. Ich suche in jedem Zimmer nach ihr. Nichts. Als ich im Vorratsraum nachsehe, entdecke ich, dass ihre beiden Rucksäcke und ihre Jacke verschwunden sind. Schnell eile ich aus dem Haus, denn ich habe eine schlimme Befürchtung.
Und tatsächlich: Yelena ist mit meinem Mustang auf und davon!
Ich renne wieder ins Haus und schnappe mir meinen Laptop. Denn mein Mustang ist mit einem GPS Tracker ausgestattet, aber das weiß nur ich.
Kurz nachdem ich das Tracking Programm öffne, hat es auch schon meinen Mustang geortet. Doch eins verwundert mich. Yelena ist nicht weit gekommen. Vielleicht hat sie eine Panne und ich kann sie noch einholen. Keine vier Kilometer zeigt er mir hier an. Das schaffe ich locker zu Fuß, denke ich mir, denn ich bin recht sportlich. Vorsichtshalber nehme ich noch meine Waffe mit, man weiß ja nie was einen erwartet. Ich laufe also los und male mir alle möglichen Szenarien in meinem Kopf aus. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich sie noch beim Mustang antreffen werde, denn die Sonne scheint inzwischen recht stark.
Als ich nach circa 45 Minuten endlich ankomme, bin ich geschockt. Yelena muss einen Unfall gehabt haben und gegen einen Baum gefahren sein. Die gesamte Front meines Autos war hinüber, aber anscheinend konnte sie sich noch rechtzeitig retten, zum Glück. Denn von ihr ist nichts zu sehen. Oder freue ich mich zu früh? Denn als ich mir den Mustang von innen näher ansehe, erkenne ich, dass sie ihre beiden Rucksäcke auf dem Beifahrersitz liegen gelassen hat. Ich schnappe mir den Rucksack, wo sie für gewöhnlich die Blutkonserven immer verstaut und sehe, dass von den Konserven nichts fehlt. Sie würde niemals ohne das Blut gehen. Sie weiß, dass sie es braucht und was passiert, wenn sie es nicht bekommt. Mit den Gedanken bei Yelena, höre ich plötzlich jemanden auf der anderen Seite des Wagens leise vor Schmerzen stöhnen.
Ich eile um das Auto herum und sehe einen fremden verletzten Mann von außen an der Fahrertür sitzen. „Was ist hier passiert?!", will ich von ihm wissen. „Sie müssen ihr helfen! Schnell! Da fuhr heute morgen diese junge Frau in dem Mustang vor mir. Sie hatte einen Unfall. Ich fuhr mit meinem Pick Up rechts ran und wollte ihr helfen, aber da kamen diese Männer. Sie müssen mir glauben. Ein paar griffen mich direkt an, der Rest kämpfte gegen die verletzte Frau. Sie war schnell und auch stark, aber dann warf ihr einer der Männer von hinten eine Kette oder so etwas über den Kopf und sie fiel einfach kraftlos zu Boden." Das kann nur eine silberne Kreuzkette gewesen sein, denke ich mir. Silber ist in Verbindung mit einem Kreuz nämlich eine effektive Waffe, um Vampire für eine Weile aus der Bahn zu werfen. „Und was ist dann passiert?", frage ich ihn ungeduldig und drängelnd weiter.
„Ein Mann packte sie über die Schulter und warf sie in einen dunkelblauen Van. Danach fuhren sie in Richtung der alten Höhle hinter den Hügeln, dahinten rechts." Einen dunkelblauen Van? Oh nein, ich hoffe sie ist nicht Derek in die Hände gefallen. Einem Jäger aus Lambeth. Er ist ein Psychopath. Er quält seine Opfer gerne, bevor er sie tötet. Die Zeit drängt.
„Kann ich mir ihren Wagen ausleihen?", will ich von dem leicht verletzten Fremden wissen. Ohne ein Wort gibt er mir die Autoschlüssel. Ich werde stutzig. Er will keine weitere Hilfe? Als ich auf den Pick Up zu laufe, wird mir übergangslos klar, dass ich in eine Falle getappt bin. Gerade als ich mich umdrehen will, fliegt die erste Faust an mir vorbei. Ein Glück, dass ich ausweichen konnte. Im Augenwinkel sehe ich, wie der verletzte Fremde davonläuft. „Wie konntest du dich nur von uns los sagen und mit dieser Vampirin zusammen tun?!", ruft mir plötzlich eine bekannte weibliche Stimme aus der Ferne zu, während ich damit beschäftigt bin, sämtlichen Tritten und Hieben der anderen Jäger aus meiner ehemaligen Truppe auszuweichen. Doch schnell geht ihnen die Puste aus, denn im Nahkampf macht mir keiner etwas vor. Ehe sie sich versehen, geht ein Jäger nach dem anderen zu Boden. Nach einem kurzen Moment ist der Angriff vorbei, aber die Frau von gerade, stellt sich mir jetzt direkt in den Weg. Es ist Dakota Davis. Ebenfalls eine ehemalige Kollegin von mir. Sie ist ein paar Jahre jünger als ich und ist noch nicht sehr erfahren, was das jagen von Vampiren angeht. „Dakota, du verstehst nicht was hier läuft.Ich hab's eilig! Bitte geh mir aus dem Weg. Ich muss zu ihr!" Wütend verzieht sie ihr Gesicht. „Wieso 'musst' du zu ihr, Jason? Überlasse sie doch einfach den anderen Jägern," entgegnet mir Dakota. „Ich will meine Familie rächen. Du weißt doch, wer sie getötet hat. Und nur Yelena kann ihn töten, ansonsten niemand," versuche ich sie auf dem Laufenden zu bringen.
„Jetzt hat diese Blutsaugerin auch schon einen Namen?", fährt Dakota verärgert fort, „das wird ja immer besser." Ich will mir ihr Gerede nicht länger anhören und mich gerade weiter auf den Weg Richtung Pick Up machen, als sie plötzlich eine Pistole auf mich richtet.„Was wird das? Steck die Pistole wieder weg", versuche ich Dakota zu überzeugen. Doch sie bleibt stur. „Mal angenommen ich würde dich gehen lassen Jason, wie soll es danach weiter gehen? Wenn du dich mit einer Blutsaugerin verbündest, kannst du nie mehr zu uns Vampirjägern zurückkehren, deshalb sag mir jetzt warum ich dich weiter ziehen lassen sollte!" Die Zeit sitzt mir im Nacken und ich mache mir große Sorgen um Yelena, also erzähle ich drauf los, um Dakota dazu zu bringen, die Waffe endlich wegzustecken.
„Ich muss die Vampirin retten, damit ich mir weiter ihr Vertrauen erschleichen kann. Damit sie letzten Endes den Ur-Vampir tötet. Denn die Vampirin entwickelt sich zu einer Ur-Vampirin, dass macht sie so stark und wir Jäger könnten Aramil alleine nicht töten und sie auch nicht. Vielleicht haben wir das Glück und die beiden Ur-Vampire, töten sich am Ende gegenseitig. Dann sind wir die Gewinner. Und hätten mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen." Angeekelt von mir selber, über das was ich gerade über Yelena gesagt habe, merke ich, dass ich Dakota damit überzeugen konnte. Sie steckt endlich die Waffe weg. „Ich hoffe, du sagst die Wahrheit. Dann geh, ich werde die anderen Jäger aus unserem Clan von deinen Plänen berichten und wir werden dir nicht mehr im Wege stehen. Sofern du tatsächlich die Wahrheit gesagt hast." Ich schnappe mir den Rucksack mit den Blutkonserven aus meinem kaputten Auto, laufe zum Pick Up des Verräters und fahre los.
Als ich ein paar Minuten später an der besagten Höhle ankomme, sehe ich, dass vor ihr vier dubiose Gestalten Wache zu halten scheinen. Irgendwo dort muss Yelena sich befinden.
Ich schleiche mich an, mache ein Manöver zur Ablenkung und bringe die Jäger für eine Weile zum schweigen.
Nachdem ich das erledigt habe, durchsuche ich sie und nehme alle Schlüssel mit die ich bei ihnen finden kann, man weiß ja nie. Anschließend betrete ich die Höhle. Sie ist sehr dunkel je weiter ich hineingehe, aber unten an den Wänden haben die Jäger aus Lambeth, denen Derek angehört, circa alle fünf Meter kleine Lampen aufgestellt, zum Glück.
Mittlerweile bin ich schon sehr weit vom Höhleneingang weg. Als ich auf einmal Yelena vor Schmerzen schreien höre. Rasch laufe ich in Richtung ihrer Stimme und halte mich dabei dicht an den Wänden, bis ich schließlich Yelena zu Gesicht bekomme. Sie sitzt in einer Art großen silbernen Käfig, schwitzt und ist stark am zittern. Außer Derek scheint niemand anderes hier zu sein. Er kniet außen vor dem Käfig und hat ihren Arm durch das Gitter gezogen. Plötzlich schreit Yelena wieder auf. Und ich sehe warum. Derek ritzt ihr mit einem silbernen Jagdmesser etwas in den Unterarm.
Als dann Yelena überraschend mit ihrem anderen Arm Derek packt und heftig gegen den Käfig zieht, sodass dieser sich verletzt, platzt ihm der Kragen. Völlig unerwartet bekommt Derek Yelena's Arm wieder in seine Gewalt, nimmt ihre Hand und rammt ihr das Jagdmesser durch ihren Handrücken. Vor lauter Schmerz fällt Yelena in Ohnmacht. Es reicht! „Wenn du ihr nochmal etwas antust, werde ich dich erschießen!", rufe ich während ich mit meiner geladenen Pistole auf Derek ziele. Am liebsten würde ich direkt zu Yelena rennen, aber ich darf mir bei Derek keinen Fehler erlauben. Denn das könnte mein letzter sein.
Mit einem schmierigen selbstgefälligen Grinsen im Gesicht hebt Derek seine Hände. „Hallo Jason, lange nicht gesehen. Willst du wirklich dein Leben für diese Blutsaugerin aufs Spiel setzen oder was hast du vor?"
Gerade als ich ihm sagen will, dass er einfach verschwinden soll, spüre ich kalten Stahl in meinem Nacken. Verdammt. Ich habe einen seiner Männer wohl übersehen.
„Gib mir den Rucksack!",befiehlt mir Derek und kommt mir näher. Er reißt mir den Rucksack vom Rücken und wirft einen skeptischen Blick hinein. „Ist das dein Ernst? Du versorgst die Blutsaugerin mit Blut, Jason? Was ist nur aus dem großen Jäger geworden?" Kopfschüttelnd nimmt Derek sein Jagdmesser und schlitzt eine Konserve nach der anderen auf. Das Blut sickert in den Boden und ist zu nichts mehr zu gebrauchen. Anschließend schmeißt er den Rucksack neben den Käfig auf dem Boden. Verdammt.
„So, dann haben wir das auch erledigt," sagt er mit genug tuendem Blick. „Deine kleine Vampir-Freundin wird sich nach ein paar quälenden Stunden auflösen.Problem gelöst."
Inzwischen hat mich Derek's Kollege, ein Gorilla von einem Mann, weiterhin fest im Griff.
„Das wirst du bereuen Derek. Ich werde dich finden und dich töten," brülle ich ihn wütend an. Daraufhin fängt Derek breit an zu grinsen. „Weißt du Jason, du bringst mich immer auf neue Ideen. Los, sperr ihn zu dieser Blutsaugerin in den Käfig", befiehlt er seinem Kollegen, „mal sehen wie nett sie zu ihm ist, wenn sie wieder erwacht."
Geschockt sehe ich ihn an.„Das ist nicht dein Ernst, Derek!"
Sein Kollege packt mich und zerrt mich Richtung Käfig, schmeißt mich hinein und schließt die Gittertür hinter mir zu.
„Los, lass uns gehen Samuel, wir hatten unseren Spaß!", sagt er und sie verschwinden.
Jetzt sind nur noch Yelena und ich hier in der Höhle, hier in diesem Käfig. Eine ziemlich gefährliche Situation, in der ich da geraten bin, wenn man bedenkt wie sie wird, wenn sie kein Blut bekommt.
Doch Yelena liegt noch immer bewusstlos neben mir auf dem Boden. Ich ziehe meine Jacke aus, hebe leicht ihren Kopf an und lege die Jacke darunter. Auch wenn es mir vor der Situation graut, die mich erwartet sobald sie erwacht, hoffe ich dennoch, dass sie bald erwacht.
Ich setze mich neben sie und streichle zärtlich ihre Wange. Dabei fällt mir auf was Derek ihr in den Unterarm geritzt hat. Das Wort: Blutsaugerin....
Nach circa einer Stunde merke ich, dass sie langsam wieder zu Bewusstsein kommt. „Yelena,kannst du mich hören?", flüstere ich ihr zu und versuche sie langsam wieder zu erreichen. Plötzlich greift ihre Hand nach mir.Trotz ihrer Eigenschaft der schnellen Selbstheilung, ist die Verletzung nicht verheilt. Das Silber an Derek's Jagdmesser ist schuld daran. „Was machst du hier Jason? Es ist zu gefährlich. Wie kommst du hier rein?", will sie von mir wissen. „Ich bin dir gefolgt und hier gelandet. Derek hat mich dann zu dir in den Käfig sperren lassen."
Yelena zittert immer noch am ganzen Körper. „Hast du Blut bei dir Jason?", fragt sie drängend und ein bisschen gierig nach.
Ich schaue sie an und schüttle langsam den Kopf. „Ich hatte es bei mir. Aber Derek hat es vernichtet. Den gesamten Vorrat." Mit verzweifelt kontrolliertem Gesichtsausdruck steht Yelena langsam auf, will mit ihren Händen die Gitterstäbe auseinander ziehen, aber als sie die auch nur berührt,schreit sie auf. Denn alles ist aus Silber. Stumm bleibt sie mit dem Rücken zu mir gedreht am Gitter stehen. „Ich werde dir nichts tun,Jason. Eher sterbe ich ganz. Es kostet mich gerade unglaublich viel Energie mich zu kontrollieren. Aber ich werde nicht mit der Schuld leben, dich getötet zu haben."
Plötzlich sackt sie in sich zusammen. „Yelena!!", rufe ich und fange sie gerade noch so auf.„Es ist zu spät für mich, Jason. Verzweifelt überlege ich was wir tun können...was ich tun kann. Während ich überlege, liegt Yelena mit ihrem Kopf auf meinem Schoß. „Gerade als ich mich deinetwegen damit anfreunde, als Vampirin zu existieren, ist es auch schon wieder vorbei. Aber ich danke dir, für die kurze schöne Zeit Jason." Ich kann ihr ansehen, wie sehr sie sich kontrollieren muss, mir nicht an die Kehle zu springen, aber ich sehe auch ein warmherziges lächeln, dass über ihr Gesicht huscht.
Schlagartig kommt mir eine gefährliche Idee, wie ich sie retten kann und uns aus dieser Situation befreien kann. Ich fange sofort an mein Hemd an einer Seite hochzukrempeln. „Was machst du da, Jason?", fragt sie mich mit geschwächter leiser Stimme.
„Ich will, dass du mich beißt Yelena", antworte ich ihr entschlossen. „Was?! Bist du verrückt geworden, Jason?!"
„Nein bin ich nicht. Wenn du von meinem Blut trinkst, wirst du stark genug sein die Gitterstäbe aufzubrechen, trotz des Silbers. Da bin ich mir sicher. Denn du bist keine gewöhnliche Vampirin. Aber du musst aufhören, wenn du ausreichend getrunken hast."
„Das ist doch vollkommen bescheuert. Ich werde niemals von deinem Blut trinken! Was, wenn der Plan nach hinten los geht und ich nicht aufhören kann? Nein, das werde ich nicht machen!", meckert sie mich keuchend und entsetzt an.
„Das hab ich mir schon fast gedacht", entgegne ich ihr und setze direkt Plan B in die Tat um. Daraufhin beiße ich mir selbst so in den Unterarm, das nur ganz wenig Blut austritt.
Als Yelena das Blut an meinem Unterarm sieht, verliert sie die Kontrolle, zieht meinen Unterarm gierig zu sich und beißt zu.
Ich habe furchtbare Schmerzen und mir kommen plötzlich doch leise Zweifel daran, ob das so eine gute Idee war.
Aber inständig hoffe ich, dass Yelena sich wieder fängt und die Kontrolle übernimmt, als mir auf einmal von einem Augenblick zum anderen immer schwärzer wird vor Augen...
Meine Augen sind geschlossen als ich Jason beiße. Langsam beginne ich mich wieder stark zu fühlen. Ich merke ganz genau wie das Blut mich stärker macht. Doch ich kann einfach nicht aufhören zu trinken...
Aber ich...
MUSS.
Ich öffne meine Augen und sehe, wie blass Jason mittlerweile geworden ist. Geschockt lasse ich von ihm ab. Zum Glück ist er nicht bewusstlos geworden. „Siehst du, ich wusste dass du es schaffen würdest", grinst er mich trotz allem erleichtert an.
Mit einem unglaubwürdigen Augenrollen lehne ich ihn etwas mit dem Rücken an die Gitterstäbe und überlege mir wie ich uns aus diesem verdammten Käfig befreien kann.
„Versuch jetzt die Gitterstäbe auseinander zu ziehen", rät mir Jason mit geschwächter Stimme. Als ich gerade die Gitterstäbe berühren will, höre ich einige Schlüssel in Jason's Tasche klirren. „Wieso trägst du so viele Schlüssel bei dir?", will ich von ihm wissen.
„Ach ich habe den Wachmännern vor der Tür einfach alle Schlüssel abgenommen die sie dabei hatten, für den Fall dass sie einmal nützlich sein könnten."
Fassungslos schaue ich Jason an. Ich habe eine böse Vorahnung. Ohne ihn zu fragen, greife ich hastig in seine Tasche und hole alle Schlüssel heraus und probiere einen nach dem anderen am Schloss des Käfigs aus.
„Yelena, du glaubst doch nicht ernsthaft, dass diese „einfachen" Wachmänner einen passenden Schlüssel für diesen Käfig hier bei sich trugen?!"
Gerade als ich ihm antworten will, dass nichts unmöglich ist, macht es 'klick'. Ein Schlüssel passt tatsächlich. Und die Tür des Käfigs lässt sich öffnen.
„Oh", platzt es verwundert und etwas peinlich berührt aus Jason heraus.
Da uns die Zeit fehlt, kann ich mich nicht länger über Jason's Fahrlässigkeit aufregen und helfe ihm aus dem Käfig.
Gemeinsam laufen wir Richtung Höhlenausgang, als Jason auf einmal kurz anhält, in die Hocke geht und seine Schnürsenkel wieder zubindet. Gedankenversunken laufe ich einfach weiter Richtung Ausgang. Als ich aus der Höhle trete, zucke ich plötzlich zusammen.
„Yelena!! Nicht!", schreit Jason mich an.
Doch es ist zu spät. Intuitiv halte ich mir meinen Ellbogen vors Gesicht um meine Augen zu schützen.
Doch das warme grelle Licht sucht sich seinen Weg. Ich höre Jason's schnelle Schritte von hinten auf mich zu kommen. Er wirft mir seine Jacke über den Kopf und zerrt mich aus dem Licht.
Jason hält mich panisch fest. „Bist du verrückt geworden Yelena?! Läufst einfach so raus in die Sonne, ohne Schutz, ohne alles?!," schreit Jason mich mit verzweifelter und wütender Stimme an.
Doch irgendetwas stimmte nicht, als ich gerade draußen in der Sonne stand. Irgendetwas war anders.
„Jason lass mich los. Etwas ist anders. Ich muss nochmal raus."
„Was?!" Sein Griff wird fester, als wolle er mich aufhalten.
Daraufhin löse ich mich blitzschnell von ihm und renne wieder hinaus aus der Höhle in die pralle Sonne.
Als ich draußen angekommen bin, starre ich direkt in die Sonne. Doch...es macht mir nichts aus.„Dieses wunderschöne helle Licht. Es ist einfach unfassbar. Ich verstehe nicht...wie das sein kann." Ich schaue an mir herunter und betrachte meine Arme, meine Hände...meine Haut. Letztere ist makellos geworden. Keine Narben der letzten Jahrhunderte sind mehr zu sehen. Tränen steigen mir in die Augen. Solange habe ich das Sonnenlicht nicht gesehen. Ich dachte ich würde es nie wieder sehen.Und nun das. Langsam drehe ich mich zu Jason um, der mich mittlerweile eingeholt hat.
„Wie ist das nur möglich Yelena?", freudestrahlend zieht Jason mich zu sich in seine Arme, sieht mich an und sagt:
„Du bist bei Tageslicht sogar noch schöner als in der Nacht."
Geschmeichelt von seinen lieben Worten, genieße ich den kurzen Moment in seinen Armen, bevor wir uns mit dem geliehenen Pick Up wieder auf den Weg zurück Richtung Safe House machen.
Als wir circa 15 Minuten später am Haus ankommen, trauen wir unseren Augen nicht.
Das Safe House brennt lichterloh, die Feuerwehr ist bereits vor Ort , doch so wie es aussieht ist dort nichts mehr zu retten.
Wie angewurzelt stehen wir an der Straße, als ein Feuerwehrmann mit einem Zettel in der Hand auf uns zu kommt. „Entschuldigung, sie sind doch Yelena Wozniak oder?" Verdutzt schaue ich ihn an. „Ja, die bin ich, wieso?" „Ich habe hier einen abgelaufenen alten Ausweis von ihnen in dem schon gelöschten Teil des Hauses gefunden. Und dieser Zettel war ganz in der Nähe der Haustür mit einem Jagdmesser an einem Baumstamm befestigt.
Er übergibt mir einen knitterigen Zettel auf dem steht:
*Ich weiß immer wo du bist Yelena, du kannst dich nicht vor mir verstecken. Früher oder später werde ich dich kriegen. Nämlich dann, wenn ich unser Katz und Maus Spiel endlich satt habe. P.S. Das Kleid was du damals in London getragen hast, stand dir wirklich ausgezeichnet.*
Als ich den letzten Satz zu Ende lese, weiß ich genau das Aramil den Zettel geschrieben hat. Und er ist es auch der das Haus angezündet hat.
Wütend zerknülle ich den Zettel in meiner Faust.
Jason bemerkt wie sauer ich werde, bedankt sich schnell im Namen von uns beiden bei dem Feuerwehrmann und schiebt mich sanft in Richtung unseres Autos.
„Ich verstehe nicht, wie er mich finden konnte. Ich meine, wir waren in einem Safe Haus."
Noch immer wütend und besorgt steige ich mit Jason ins Auto.
„Wir sollten uns lieber ein Hotel suchen und uns von dort aus auf die Suche nach Aramil machen", sagt Jason zu mir als er den Motor anwirft.
„Ja, und ich muss sehen, dass ich mir neue Blutkonserven besorge", erwidere ich.
Als der Tag sich schließlich dem Ende zu neigt haben wir endlich ein passendes Hotel und eine Blutbank gefunden die mich bei Bedarf regelmäßig mit Blutkonserven versorgen kann.
Eine Stunde später
In unserer Hotel Suite angekommen lässt sich Jason neben mir aufs Bett fallen. Er sieht sehr erschöpft und müde aus, denke ich mir, als ich ihn betrachte. Aber nach so einem Tag kann ich es verstehen. Da kommt mir eine Idee. Ich tue ihm etwas gutes und besorge ihm ein üppiges Abendessen aus dem hauseigenen Restaurant. Er wird bestimmt großen Hunger haben.
„Jason ich gehe mal kurz nach unten in die Lobby. Ich bin gleich zurück."
Jason nickt und schaltet den Fernseher ein, als ich das Zimmer verlasse.
Unten angekommen gebe ich meine Bestellung ab und schaue mich ein wenig um, während ich aufs Essen warte. Zugegeben, ich hätte das Essen auch telefonisch aufs Zimmer ordern können aber ich will ihm das Essen persönlich bringen.
Zur gleichen Zeit in der Hotelsuite
~Tür knarren~
„Das ging aber fix Yelena, was wolltest du denn in der Lobby?", will Jason ganz beiläufig wissen als er vom Schlafzimmer in den Eingangsbereich der Suite schlendert. Doch dann wird Jason misstrauisch. Yelena ist weit und breit nicht zusehen. Aber er hätte schwören können eine Tür gehört zu haben.„Yelena? Wo bist du?"
Gerade als er sich wieder umdrehen will, wird er von hinten von zwei Vampiren angegriffen und zu Boden gerissen. Jason versucht sich mit aller verbliebenen Kraft die Vampire vom Leib zu halten, aber er ist einfach noch zu geschwächt von der Aktion mit Yelena. Und diese Vampire hier sind anders. Sind stärker. Für einen kurzen Moment gelingt es Jason dennoch sich aus der misslichen Lage zu befreien und Richtung Ausgang zu rennen. Doch als er die Tür aufreißt um hinaus in den Flur zu rennen, prallt er direkt gegen Aramil. Erschrocken von dessen Anwesenheit, bleibt er abrupt stehen. Aramil packt Jason mit seiner eiskalten Hand an die Kehle und schleudert ihn zurück in die Hotelsuite. „Haltet ihn fest!", befiehlt er den anderen Vampiren. Diese schnappen sich Jason und drücken ihn gegen die Wand. Aramil läuft langsam auf Jason zu. „Du bist also Jason Bennett, der GROßE Vampirjäger, der mich zwingt persönlich aus meinem Versteck zu kommen damit ich endlich die Sache mit Yelena zu Ende bringen kann?"
„Fahr zur Hölle, Aramil! Ich werde deine beiden Lakaien gleich zuerst erledigen und dann dich. Denn ohne deine ganzen Diener bist du nur halb so stark!", schnaubt Jason vor Wut.Sichtlich beleidigt von Jason's Worte wird Aramil wütend. Doch er fängt sich relativ schnell wieder und tritt mit einem fiesen Grinsen ganz nah an Jason heran. Mit seinen langen, dünnen, weißen Fingern schiebt er Jason's schulterlanges braunes Haar von dessen Schultern. Jason versucht sich immer wieder aus den Griffen der Vampire los zu reißen aber es gelingt ihm nicht. Als er merkt, dass seine Chancen zu entkommen immer schlechter werden, denkt er an Yelena und fragt sich wo sie bleibt und ob es ihr gut geht.
Doch dann wird er von Aramil's Worten aus seinen Gedanken gerissen. „Schade, dass kein anderer außer euch sehen kann, wie ich dem GROßEN Jason Bennett jeden einzelnen Tropfen Blut aus dem Leib saugen werde. Und jetzt haltet ihm den Mund zu!" Jason versucht sich noch zu wehren, aber als er Aramil von sich wegstoßen will , ist es schon zu spät. Aramil beißt zu. Jason spürt denselben starken Schmerz wie noch ein paar Stunden zuvor in der Höhle, als Yelena ihm das Blut aus dem Arm saugte. Doch dieses Mal....so sagt es ihm sein Gefühl....wird es nicht gut für ihn ausgehen.
Zurück zur Lobby
Nichtsahnend welch schlimme Szenen sich gerade in unserer Hotelsuite abspielen, helfe ich der jungen Kellnerin die ganzen Speisen die ich bestellt habe, auf ein Tablett zu packen. „Da müssen sie aber großen Appetit haben, bei so vielen leckeren Sachen", scherzt sie.„Oh ja, mein Freund und ich sind weit gereist und haben wenig Pausen gemacht", lüge ich ihr vor. Ich kann ihr ja schlecht die Wahrheit sagen. „Ich befürchte sie brauchen noch ein Tablett. Darf ich Sie nicht doch begleiten damit die Sachen auch heile oben ankommen?", lächelt sie mich freundlich an. Sie hat nicht ganz unrecht. Ich und zwei Tabletts, das kann nicht gut gehen. Zum Glück stand ich bei meiner Arbeit in den Pubs immer an der Theke und musste nicht kellnern, sonst hätte ich mir jede Woche einen neuen Job suchen können, denke ich mir etwas belustigt über mich selbst.
„Ja es wäre nett wenn sie mich kurz begleiten könnten", antworte ich ihr schließlich.
Nachdem wir auch die letzten Gläser auf das zweite Tablett gestellt haben, machen wir uns mit dem Fahrstuhl auf den Weg nach oben.Wir laufen den Flur zur Hotelsuite entlang, als ich plötzlich inne halte und kurz vor unserer Tür stehen bleibe. „Moment. Warten sie. Irgendetwas stimmt nicht. Mein Freund würde nie die Tür einfach so auflassen." Die Kellnerin guckt mich komisch an.„Vielleicht haben Sie sie vorhin nicht ganz zu gemacht oder ihr Freund ist sich selbst was aus der Lobby holen gegangen?"
Ich schaue sie ungläubig an, sage ihr das sie bitte hier warten soll und betrete die Suite. Im Eingangsbereich war Jason nicht zu sehen. Vielleicht liegt er noch auf dem Bett und ich bin umsonst beunruhigt. Schnell laufe ich ins Schlafzimmer um nach zu sehen. Puh er liegt auf dem Bett, genauso wie noch vor einer Stunde als ich das Zimmer verlassen habe. Ich bin erleichtert, rufe die Kellnerin herein und stelle mein Tablett auf Jason's Nachttisch.
„Ich habe dir was zu Essen mitgebracht, Jason. Ich dachte mir,dass du großen Hunger haben musst, stimmt doch oder?" Doch ich bekomme keine Antwort. Nicht mal eine Reaktion. Sehr ungewöhnlich für ihn, denke ich mir. Vielleicht schläft er.„Jason?" frage ich jetzt etwas nervöser und beuge mich zu ihm herunter. Erst jetzt schaue ich ihn richtig an und erkenne seine unglaublich blasse Gesichtsfarbe. Panisch aber sanft nehme ich seinen Kopf in meine Hände. Sein Kopf ist eiskalt, seine Augen geschlossen und er reagiert immer noch nicht. Verzweifelt spreche ich ihn an. „Jason! Wach auf!! Ich setze mein verbessertes Gehör ein aber ich kann nur den Herzschlag der Kellnerin hören, die an der Zimmertür weiter hinten steht. Bei Jason höre ich nichts. Zitternd greife ich zum Telefonhörer und will den Notruf wählen, denn ich nehme an, dass er doch zu geschwächt ist von meiner Aktion heute, als der Kellnerin etwas an ihm auffällt. „Sehen sie da an seinem Hals auch diese kleinen Löcher? Sieht aus als hätte er sich selbst oder jemand anders ihn irgend womit gepiekst? Sofort lege ich wieder auf und schaue mir seinen Hals genauer an und bin geschockt. Es ist eindeutig eine Bisswunde.
Sofort drehe ich mich zur Kellnerin um und versuche ihr weiß zu machen, dass er nur sehr sehr tief schlafen würde. Sie darf auf keinen Fall wissen was hier passiert ist. Es würde sich nicht nur bei den „normalen" Menschen schnell herum sprechen. Auch die Jäger wären alarmiert. Also versuche ich mich zusammen zu reißen,auch wenn ich innerlich zerbrochen bin. „Wissen Sie was? Ich habe mich geirrt. Er hat einen sehr tiefen Schlaf, fast wie ein Stein und wie gesagt wir sind weit gereist. Er wird sehr müde sein. Sie können wieder beruhigt nach unten gehen. Danke, dass sie mir geholfen haben das Essen hierhin zu bringen." Der irritiert-besorgte Gesichtsausdruck der Kellnerin wechselt in ein zufriedenes über. „Okay, nichts zu danken, das ist mein Job. Ich wünsche ihnen und ihrem Freund nachher dann einen guten Appetit und noch einen schönen Abend. Falls Sie noch was brauchen, melden Sie sich."Nach diesen Worten geht sie zur Tür hinaus.
Als sie die Tür hinter sich verschließt, bricht es aus mir heraus, denn Jäger können nicht in meines gleichen verwandelt werden. Sie sterben nach einem Vampirangriff. Weinend falle ich aufs Bett und ziehe Jason verzweifelt an mich heran und halte ihn fest umschlungen „Wieso? Wieso? Ich liebe dich Jason, bitte lass mich nicht allein! Ohne dich schaffe ich das hier alles doch nicht.Wer hat dir das nur angetan? Ich war doch nur kurz weg."
Zwei Stunden später...
Noch immer wie erstarrt, halte ich Jason fest. Ich kann kaum einen klaren Gedanken fassen aber raffe mich dann doch auf und schlendere ins Bad nebenan. Ich schalte das Spiegellicht ein, schaue in den Spiegel, sehe mich und das Bett auf dem Jason liegt und Tränen steigen mir wieder in die Augen. Ich schließe meine Augen, senke meine Kopf und mache mir Vorwürfe...Ich hätte ihn nicht so nah an mir heran kommen lassen sollen, hätte mich nicht in ihn verlieben sollen, dann wäre er jetzt noch am leben.
Als ich mich wieder etwas gesammelt habe, hebe ich meinen Kopf wieder, schaue nochmal in den Spiegel und erschrecke. Jason ist weg! Jason lag doch gerade noch auf dem Bett! Schnell drehe ich mich vom Spiegel weg, mache mich auf den Weg zurück ins Schlafzimmer, doch noch bevor ich die Badezimmertür erreiche, stehe ich im dunkeln. Jemand hat das Licht ausgeschaltet und schließt die Tür. Ich laufe langsam weiter, denn ich weiß natürlich noch wo der Ausgang ist. Doch keine 10 Sekunden später stoße ich im dunkeln gegen eine Person. „Wo willst du hin, Yelena?" Zwei feuerrote Augen leuchten mich zornig an. Ich erstarre vor Angst, trotz der mir vertrauten Stimme.
Jason bist du es?...................Wie ist das möglich?...........und..................Was zur Hölle bist du?
Jason sieht mich mit seinen leuchtend roten Augen an. Vorsichtig gehe ich einen Schritt zurück. So sehr ich ihm jetzt auch um den Hals fallen würde, so sehr ich auch froh und erleichtert darüber bin, dass er nach all dem doch wieder vor mir steht, so sehr ist mir die ganze Situation auch nicht ganz geheuer. Seine ganze Erscheinung wirkt irgendwie verändert. Seine Haare sind pechschwarz, etwas zerzaust und hängen lose auf seinen Schultern, seine Augen sind feuerrot und er hat einen wütenden Gesichtsausdruck. Wer auch immer hier vor mir steht, es ist nicht der Jason den ich kenne.
„Wie ist das möglich? Du warst tot. Ich habe deinen Herzschlag nicht mehr gehört,“ sage ich zu ihm mit verzweifelter Stimme.
„Was redest du da Yelena? Ich habe auf dich gewartet und du kamst nicht. Weil du solange weg warst, bin ich schließlich eingeschlafen. Und jetzt kommst du nach gefühlten zwei Stunden wieder und erzählst so einen Unsinn.“ Jason schaut mich wütend und zugleich völlig ahnungslos an.
Wieso erinnert er sich nicht an das was passiert sein muss, als ich unten in der Lobby war?
Ich bin doch nicht verrückt. Um ihm zu beweisen, dass etwas passiert sein muss, als ich weg war, packe ich ihn an seinem Arm und schleppe ihn mit zum Badezimmerspiegel.
Als er sich erblickt, erschreckt er. „Was zum Teufel ist mit meinen Augen?!“, sagt er entsetzt und reibt sich ein paar Mal mit den Fingern die Augen. „Und meine Haare sie sind, sie sind pechschwarz!!“ „Beruhige dich Jason, das wird sich sicher aufklären,“ versuche ich ihn zu beschwichtigen obwohl ich selber nicht weiß mit was ich es gerade zu tun habe. Doch schlagartig dreht sich Jason um, packt mich, drückt mich mit einer unmenschlichen Kraft gegen die Badezimmerwand und schaut mir mit seinen leuchtend roten Augen tief in die Augen. „Was ist passiert Yelena, sag mir die Wahrheit...Ut verum dicas!“, schnaubt er wütend. Ut verum ...was? Inw as für eine Sprache spricht er da? Auf einmal verspüre ich den Drang ihm alles zu sagen was ich weiß. „Deinen Bisswunden nach zu urteilen, wurdest du von einem Vampir getötet und es muss passiert sein als ich unten in der Lobby war.“ Was? Was erzähl ich da, das wollte ich ihm jetzt doch noch gar nicht sagen. Doch irgendwie kann ich nicht anders. Etwas verleitet mich dazu. Völlig hypnotisiert von seinen Augen rede ich weiter: „Als ich wieder aus der Lobby hochkam, fand ich dich auf dem Bett liegend vor, wie ich dich verlassen hatte. Doch du hattest keinen Herzschlag mehr, hattest diese Bisswunden an deinem Hals und warst definitiv tot. Und dann standest du nach einer Weile plötzlich im Badezimmer. Mehr weiß ich auch nicht.“
Jason lässt mich los, schiebt seine Haare beiseite und schaut sich seinen Hals an. In dem Moment als sein Blick nicht mehr auf mir ruht und seine Augen sich wieder zu einem schönen braun verfärben, verschwindet auch dieses bedrängende Gefühl von eben wieder. Jason scheint sich etwas zu beruhigen, verlässt das Badezimmer und setzt sich aufs Hotelbett.
Ich zweifel etwas ob ich ihm folgen soll oder nicht, da ich verunsichert bin ob er irgendwie wütend auf mich ist.
Doch als ich ihn da so sitzen sehe, kann ich nicht anders und gehe zu ihm, setze mich neben ihn und nehme seine Hand.
„Yelena, es tut mir leid. Ich wollte das gerade nicht. Irgendwas ist mit mir durchgegangen,“ sagt Jason entschuldigend zu mir.
„Ich kann verstehen, dass du verunsichert bist. Ich weiß ja auch nicht zu „was“ du geworden bist. Ein Vampir bist du jedenfalls nicht. Aber ich denke du beherrscht die Fähigkeit des Hypnotisierens und des Beherrschens und bist sehr stark wie ich gerade bemerkt habe. Und ob da noch was ist, werden wir erst noch herausfinden müssen,“ erwidere ich ihm und sehe ihn dabei besorgt an.
Daraufhin zieht Jason mich zu sich heran und küsst mich. „Ich liebe dich,Yelena. Komme was wolle. Das hat sich zum Glück nicht geändert.“ Etwas genießen wir den Augenblick noch, bevor wir unsere Sachen wieder packen und die Nacht sicherheitshalber im Pick Up verbringen.
Der nächste Tag bricht an. Jason und ich liegen eng umschlungen auf der Rückbank des Pick Up's. Die Sonnenstrahlen scheinen hell ins Auto rein, doch mir machen sie nichts mehr aus. Ganz im Gegenteil. Seitdem ich wieder in die Sonne kann, meide ich nun ganz bewusst den Schatten.
Ich drehe mich etwas mehr nach Jason hin und schaue ihm in sein schönes friedlich schlafendes Gesicht. Was bist du nur Jason? Frage ich mich dabei und hoffe dass nun nichts böses in ihm schlummert, was irgendwann heraus will.
Als er kurze Zeit später seine Augen öffnet und mich direkt ansieht, lächelt er. „Wie schön du bist. Diesen Anblick möchte ich jeden Morgen sehen,“ grinst er mich an und streichelt mir über die Wange.
Geschmeichelt von seinen Worten setze ich mich langsam hin und werde wieder ernst. „Jason ich konnte gestern Nacht erst nicht einschlafen und habe dann einfach an der Rezeption nachgefragt ob sie gestern Abend eine oder mehrere Personen rein gehen sehen haben, die nicht Gäste des Hotels gewesen sind.“ Jason schaut mich mit ernster Miene an. „Und?“
„Ich habe der netten Kellnerin von gestern etwas Geld zugespielt und durfte die Aufnahmen der Überwachungskamera kopieren. Hier ist der USB Stick.“ Jason nimmt daraufhin sofort seinen Laptop vom Beifahrersitz und schaltet ihn ein. „Dann lass mal sehen wer mir das angetan hat,“ zischt Jason zornig als seine braunen Augen plötzlich etwas rötlich schimmern als er den USB Stick anschließt.
Mir läuft es plötzlich eiskalt den Rücken hinunter.
Als wir uns die Aufnahmen ansehen, sehen wir Aramil mit zwei weiteren Vampiren die sich in Richtung unserer Hotelsuite machten, genau um die Uhrzeit wo ich nicht dort war. Sie mussten es gewesen sein. Jason ballt vor Zorn seine Hände und seine Augen werden glutrot. Gerade als wir das Video schließen wollen, weil wir denken dass wir alles gesehen haben, erscheint ein uns nicht Unbekannter auf der Bildfläche.
„Das ist doch Derek?! Was wollte er denn im Hotel und wer ist der Mann neben ihm? Er sieht aus wie ein Priester. Was hält er da für ein dickes Buch in den Händen?“, frage ich Jason aufgeregt. Als Jason das Bild anhält und es heranzoomt ist er plötzlich regungslos. „Jason? Was ist los? Was hast du?“
„Yelena, das Buch was der Mann in den Händen hält... Das ist das Buch der Toten. Das Buch der Nekromantie. Es beinhaltet Zauberformeln die Tote in Nekromanten verwandeln können.“
Nekromantie? Nekromant? Ich habe davon noch nie was gehört. „Jason was ist ein Nekromant?“
Jason schließt nachdenklich den Laptop. „Ein Nekromant ist ein ausgewählter Jäger und zugleich Herrscher der Untoten, also auch der Vampire. Man kann sagen, er ist die aufgewertete Version eines Vampirjägers. Er kann jeglichen Arten von Untoten Befehle geben wenn er will oder sie mit Leichtigkeit vernichten, ohne sich großartig anstrengen zu müssen.“
Besorgt sehe ich Jason an. „Meinst du, dass du zu einem geworden bist?“ „Ich fürchte ja, Yelena.“, antwortet er mir. Ich verdränge die Tatsache schnell und komme nochmal auf das Überwachungsvideo zurück.
„Aber das war doch bestimmt kein Zufall, dass erst Aramil bei uns in der Hotelsuite war und dann als du „tot“ warst Derek mit einem Priester hier antanzt?“
„Nein, das glaube ich auch nicht. Sie werden gemeinsame Sache gemacht haben, um uns endgültig auseinander zu bringen. Um uns leichter besiegen zu können, denn zusammen sind wir ein gutes Team,“ erwidert Jason.
„Wieso sollte uns die Tatsache dass du nun ein Nekromant bist auseinander bringen?“, frage ich ihn irritiert. Jason sieht mich ernst und verzweifelt an. „Weil Nekromanten keinen Unterschied bei den Untoten kennen wenn sie in Rage geraten. Entweder werden sie seine Soldaten oder er vernichtet sie alle oder beides. Aber ein Nekromant unterscheidet nicht zwischen Freund und Feind. Sobald du eine Ur-Vampirin bist , kann ich dich zwar nicht vernichten aber immer noch schwer verletzen.“ „Aber ich bin noch nicht soweit, Jason. Ich bin noch keine Ur-Vampirin.“ Jason nimmt traurig meine Hand. „Genau.“
Schockiert sehe ich ihn an. Will er damit sagen, dass er mich tötet, wenn ich in seiner Nähe bleibe und er in Rage gerät? Das kann und will ich nicht glauben!
„Das würdest du nie tun, Jason. Du nicht!“
„Yelena, ich.....“ Noch bevor Jason seinen Satz beenden kann, küsse ich ihn auf den Mund und sehe ihn danach in die Augen. „Selbst wenn,.....selbst wenn du mich vernichten würdest...Es wäre mir immer noch lieber, als jemals wieder von dir getrennt zu sein.“ Liebevoll sieht Jason mich nun an. „Du bist eine außergewöhnliche Frau Yelena.“
Als wir uns schließlich wieder dem Videomaterial widmen und es weiter genauer anschauen, entdecken wir einen möglichen Hinweis auf Aramil's Aufenthaltsort. Er hatte anscheinend gelben frischen Sand unter den Schuhen. Die einzige Stelle wo sich hier in der Nähe solch gelber Sand befindet, ist die Baustelle vor der alten verlassenen Tanzschule. Auf der Baustelle wird er sich nicht verstecken. Er wird sich wenn dann in der Tanzschule niedergelassen haben. Das alte Gebäude steht schon seit Jahren leer und hat so gut wie keine Fenster. Der perfekte Ort, denke ich mir. Eifrig packe ich alle Waffen zusammen die ich im Pick Up finden kann, als Jason mich plötzlich festhält. „Was machst du, Yelena? Wir können nicht dorthin. Du bist noch keine Ur-Vampirin. Weder du noch ich können ihn zum jetzigen Zeitpunkt töten.“
Ich höre Jason's Worte zwar aber ich WILL sie nicht hören. Ich packe weiter. „Jason, ich war Aramil in den beiden Jahrhunderten die ich existiere noch nie so nah. Ich werde jetzt gehen. Ich werde ihn töten. Mit dir an meiner Seite oder ohne dich.“ Jason lässt mich los. Als ich kurze Zeit später die Autotür öffne um auszusteigen und annehme, dass Jason mich nicht begleiten will, steht er schon draußen vor der Tür.
„Ich bin zwar immer noch der Meinung, dass wir zu schwach sind, aber du hast Recht. Wann werden wir das nächste Mal so eine Gelegenheit bekommen, sollte er sich wirklich in der alten Tanzschule verstecken. Nun denn, lass uns aufbrechen!“
Jason und ich machen uns auf den Weg in Richtung der alten Tanzschule. Ich bin sehr nervös und habe auch etwas Angst aber gleichzeitig hoffe ich so sehr, dass Aramil sich auch wirklich dort versteckt und es nicht wieder nur eine heiße Spur ist die schlussendlich zu nichts führt. Ich bin nichts desto trotz immer noch nach all den Jahren fest entschlossen Aramil zu töten.
Als ich mich nach links zum Fahrersitz drehe und Jason ansehe und wieder das rote funkeln in seinen Augen erblicke, habe ich plötzlich leise Zweifel, ob ich nicht hätte besser alleine fahren sollen. Er hat mir schließlich gesagt, dass er nicht von Freund und Feind unterscheiden können wird, wenn er in Rage gerät.
Ich schiebe den Gedanken beiseite und konzentriere mich wieder auf das was wir vor haben.
Kurze Zeit später halten wir nicht unweit der Baustelle an.
Wir verstecken unseren Pick Up, nehmen ein paar Waffen an uns und wollen uns gerade zum Eingang des Gebäudes schleichen als Jason mich völlig abrupt am Arm fest hält.
„Warte, Yelena.“ Ich gucke ihn fragend an. „Ich will dir noch was sagen, falls die Sache hier mächtig schief gehen sollte.“
„Was denn, Jason?“
„Ich will dass du weißt, dass ich dich liebe und ich dich immer lieben werde. Mehr als mein Leben. Bis ich dich traf, hatte ich nichts zu verlieren. Ich habe all meine Energie in meinen Job gesteckt. Doch jetzt habe ich etwas zu verlieren. Nämlich dich. Und auch wenn ich nun ein Nekromant bin, hat das nichts an meinen Gefühlen zu dir geändert. Ich werde versuchen mich zu kontrollieren wenn ich im Kampf bin, aber ich kann dir, so sehr ich es auch will, nicht versprechen dass ich dir nicht weh tun werde oder schlimmeres.“
Liebevoll schaue ich Jason an, nehme seine Hand und führe sie an meine Wange. „Ich weiß worauf ich mich einlasse, Jason. Ich liebe dich auch mehr als alles andere. Du hast mein Dasein erst lebenswert gemacht, sofern man es so nennen kann bei uns. Ich habe dich einmal verlassen und das hat nicht geklappt, wie wir ja wissen. Ich würde es nie wieder tun. Es muss so etwas wie Schicksal sein, dass wir uns begegnet sind, auseinander gingen und dann wieder zueinander gefunden haben. Denn unsere Liebe füreinander entspricht nicht gerade der Norm. Aber egal was kommt Jason...selbst wenn du mich töten solltest...Ich weiß worauf ich mich eingelassen habe und ich weiß, dass es dann nicht mehr in deiner Macht stand es zu kontrollieren.“ Als ich das letzte Wort ausspreche, tritt Jason ganz nah an mich heran. Er berührt nun auch mit seiner anderen Hand meine Wange, sodass seine Hände mein Gesicht umschließen, zieht meinen Kopf zärtlich zu sich heran, schließt seine Augen und küsst mich leidenschaftlich auf den Mund. Eine kleine Träne läuft meine Wange hinunter. Ich hoffe inständig, dass dies nicht unser letzter Kuss sein wird. Doch dann wischt Jason meine Träne zärtlich mit seinem Daumen weg. Und damit gleichzeitig auch meinen Gedanken der an dieser Tränen hängt.
Plötzlich hören wir Stimmen aus dem Gebäude vor uns und sind schnell wieder fokussiert.
Hinter einer großen Eiche verstecken wir uns schließlich und beobachten das Geschehen. Derek betritt in Begleitung eines unbekannten Mannes das Gebäude. Noch bevor die Haupttür wieder zu fällt, nutze ich meine Schnelligkeit und stelle meinen Fuß zwischen die Tür bevor sie zufallen kann.
Jason und ich sind drin. Wir befinden uns nun in einem kleinen länglichen Flur, an dessen Ende eine Treppe nach oben führt. Links und rechts befindet sich jeweils noch eine Tür. „Links oder rechts , Jason?“, frage ich ihn voller Vorsicht. „Wir gehen zuerst nach links. Gerade als Jason die Tür auftreten will, springt ihn ein Vampir, der gerade aus der gegenüberliegenden Tür geschossen kam, an. Und versucht ihn wie besessen zu beißen. „Jason!!“ Ich packe den Vampir und schleudere ihn zu Boden, gerade als ich den silbernen Pflock rausholen will um ihn zu töten, rast Jason blitzschnell an mir vorbei, schnappt sich den Vampir drückt ihn gegen die Wand und hält ihn mit seiner Hand an dessen Stirn gedrückt hoch. Im nächsten Moment glühen ihn Jason's Augen an und der Vampir zerfällt in seiner Hand zu Asche. Jason knickt ein und fasst sich an die Augen. „Jason alles in Ordnung?“, frage ich ihn und lege meine Hand auf seine Schulter. Als er sie plötzlich wegschlägt, sich mit seinem Gesicht zu mir dreht und mich zornig mit seinen feuerroten Augen ansieht. Schnell verstehe ich, dass ich mich jetzt besser entferne. Ich nehme langsam meine Hand herunter und gehe zwei Schritte zurück. Ich sage kein Wort. Jason steht auf und wir gehen weiter vorsichtig den Flur entlang Richtung Treppe. Zumindest scheint er sich jetzt gerade kontrollieren zu können, denke ich mir. Immerhin existiere ich noch. Gerade als ich einen Blick nach hinten werfen will, um zu sehen ob die Luft rein ist, sehe ich nur noch eine Faust die mir direkt ins Gesicht schlägt. Es ist Derek. Völlig benommen gehe ich zu Boden. Auf dem Weg nach unten sehe ich wie er Jason von hinten packt und ihn ein Messer ins Bein sticht. Doch ich kann Jason nicht helfen, der Schlag hat mich völlig aus der Bahn geworfen. Das Silber von Derek's Schlagring haftet wie Kleber auf meiner Haut. Hilflos muss ich mit ansehen, wie Derek Jason ein Seil um den Hals wirft um ihn zu erdrosseln. Jason versucht sich zu wehren, kann aber seine mächtigen Fähigkeiten bei Menschen nicht einsetzen. Mit seiner Faust schlägt er Derek ins Gesicht. Daruafhin geht dieser ebenfalls zu Boden. „Dieses mal, Jason, werde ich es zu Ende bringen! Und dich töten! Du dreckiger Nekromant! Und ich dachte mein Plan wäre gut, dich zu einem Nekromanten werden zu lassen, damit du diese verdammte Vampirin tötest und uns die Arbeit abnimmst!“ Derek steht auf und tritt Jason voller Wucht und vor Wut schnaubend auf sein verwundetes Bein. „Ahh!!“ Jason's Gesicht ist schmerzverzerrt. Er verliert viel Blut. Den Moment nutzt Derek aus. Er geht wieder auf Jason los und wirft das Seil, von dem Jason sich kurzzeitig befreien konnte, wieder um seinen Hals und zieht die Schlinge diesmal zu. Immer weiter. Immer fester. Jason versucht immer wieder Derek wegzudrücken oder einen Schlag zu versetzen, doch er kommt nicht an ihn heran. „Jason!!“ Verzweifelt rufe ich nach ihm. Als ich schließlich sehe wie Jason um sein Leben kämpft, fühle ich wie eine unglaubliche Kraft in mir aufsteigt. Ich zwinge mich nach oben und renne blitzschnell auf Derek zu. Packe ihn an seine Kehle und schleudere ihn weg von Jason und gegen die Wand. Winselnd sitzt er nun vor mir auf dem Boden, als ich langsam auf ihn zu komme. „Bitte, ich kann euch noch helfen im Kampf gegen Aramil. Ohne mich werdet ihr das nicht schaffen! Ich bin unverzichtbar!“ Doch ich fühle kein Mitleid. „Das stimmt, Derek.“, erwidere ich ihm nur während ich mich zu ihm herunter beuge. Jason der sich mittlerweile vom Seil befreien konnte, schaut mich fragend an. Als Derek sieht wie ich meine Reißzähne ausfahre und ahnt das ich das gerade anders meinte als er, versucht er mich wegzudrücken. Doch er scheitert. Ich bin stärker. Schließlich beiße ich ihn in den Hals.
Während ich sein Blut trinke, spüre ich wie etwas mit mir passiert. Ich fühle mich plötzlich noch stärker. Mit jedem Schluck den ich trinke. Mein Körper verändert sich. Meine Fingernägel werden lang und spitz. Meine Haut wird immer seidener und schöner. Meine Verletzung von gerade löst sich innerhalb von Sekunden in Luft auf. Mein Haar wird länger und verfärbt sich zu einem wunderschönen kirschrot. Kurz bin ich irritiert was da gerade mit mir passiert. Doch dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Ich habe mich zur Ur-Vampirin entwickelt.
Jason steht regungslos da. „Alles in Ordnung, Yelena? Was ist da gerade passiert?“, fragt Jason mich verblüfft. „Ich denke, ich...ich bin jetzt eine Ur-Vampirin. Ich fühle mich plötzlich noch stärker als vorher. All meine Fähigkeiten scheinen sich verstärkt zu haben. Ich kann jeden Herzschlag hier im Gebäude und außerhalb davon hören von all den Menschen die sich in der Nähe befinden.“ Jason's Augen sind mittlerweile wieder sanft braun. „Das passt perfekt. Wenigstens brauche ich mir jetzt keine Sorgen mehr machen dich töten zu können, Yelena. Das ist jetzt mit deiner Verwandlung unmöglich geworden für mich.“ Er lächelt mich an. „Los, wir müssen weiter!“, sage ich eilig und renne voller neuem Elan auf die Treppe am Ende des Flures zu. Die zwei Vampire die mich vor der Tür oben angreifen wollen, vernichte ich mit einer Leichtigkeit die mich selbst überrascht.
Jason tritt die obere Tür auf, doch als er gerade im Raum steht, fliegt von oben ein unter Strom stehendes Netz auf ihn drauf und er kann sich nicht mehr bewegen. Er ist gefangen. Als ich Aramil erblicke und mich umdrehen will um unsere Strategie nochmal umzustrukturieren, zieht mich Aramil mit seiner Fähigkeit zu sich heran. „Ich habe schon auf dich gewartet Yelena. Dir nach so langer Zeit nochmal so nah zu sein gefällt mir“, witzelt er spöttisch. Aus dem Augenwinkel kann ich sehen wie Jason sich befreien will. Doch auch seine Kräfte können ihm anscheinend nicht dabei helfen. Er wirft mir einen quälenden und besorgten Blick zu. Als Aramil sich plötzlich Jason zu wenden will, nutze ich die Gelegenheit und verpasse ihm einen Kinnhaken in der Luft. Aramil lässt mich plötzlich los und wird durch den Raum geschleudert.
Ich stehe wieder auf dem Boden und eile nach Jason. Gerade als ich ihm helfen will, schreit er mich an, dass ich mich sofort umdrehen soll. Zu spät. Ich merke wie Aramil mich von hinten mit einer unglaublichen Kraft packt und mich ebenfalls durch den Raum schleudert. Mit voller Wucht knalle ich gegen einen Balken der sich in der Mitte des Raums befindet und rutsche verletzt zu Boden. Mein Kopf und mein Rücken schmerzen unglaublich. Es fühlt sich an, als hätte ich mir gerade ein paar Rippen gebrochen. Vom Aufprall noch etwas benommen stehe ich wieder auf und weiche den nächsten Attacken von Aramil aus. Der Kampf ist in vollem Gange. Als er sich kurz umdreht werfe ich meine beiden silbernen Shuriken nach ihm und verletze Aramil an den Schultern. Es scheint jetzt relativ gut für mich zu laufen. Ich glaube ich kann ihn besiegen, wenn ich so weiter mache. Bis mir ein riesiger Fehler unterläuft. Ich vergreife mich bei meinen Waffen und schieße mit normaler statt mit silberner Munition auf Aramil. Als ich es bemerke, ist es schon zu spät. Die Kugeln perlen wie Wassertropfen an ihm ab als Aramil sich danach völlig unerwartet in Luft auflöst. Wo ist er hin? Frage ich mich und suche den Raum mit den Augen ab. „Vorsicht, hinter dir Yelena!“, ruft Jason mir noch zu. Doch zum umdrehen komme ich nicht mehr. Aramil bohrt mir bereits von hinten sein silbernes Schwert durch die Rippen. Blutend gehe ich zu Boden. Ich krümme mich vor Schmerzen und mir ist schwindelig, da ich soviel Blut verliere. „Yelena, nein!!“, schreit Jason mit verzweifelter Stimme. Aramil hebt mich auf und drückt meine Kehle zu. „Wir hätten über all die Jahre ein tolles Team abgeben können Yelena, doch du wolltest keine Menschen töten,“ grinst er mich verächtlich an während er immer weiter zu drückt. Langsam scheine ich das Bewusstsein zu verlieren. Alles wirkt irgendwie so verschwommen. Als ich auf einmal zwei leuchtend rote Punkte immer näher von hinten auf Aramil zukommen sehe. Aramil lässt mich plötzlich fallen. Dann kann ich es sehen. Es ist Jason der sich irgendwie aus dem Netz befreien konnte. Er versucht Aramil unter Kontrolle zu bekommen. Aber das wird er nicht schaffen. Er ist doch ein Ur-Vampir und die kann kein Nekromant kontrollieren, erinnere ich mich. Während die beiden sich weiter unerbittlich bekämpfen, erblicke ich meinen Rucksack mit den Waffen. Ich ziehe mich an dem Tisch hoch und greife nach dem Pflock aus reinem Silber. Unter schmerzen hoffe ich, dass Jason Aramil vielleicht kurzzeitig außer Gefecht setzen kann, damit ich die Chance bekomme ihn endgültig zu vernichten. Doch ich gebe schon fast die Hoffnung auf, als ich sehe wie Aramil Jason zu Boden schleudert. Jason bewegt sich nicht mehr. Aramil läuft zornig mit seinem silbernen Schwert auf mich zu. Das wars also? So wird es enden? Ich hätte auf Jason hören sollen, denke ich mir. Mit Tränen in den Augen halte ich mich an der Tischkante fest. Weglaufen kann ich nicht mehr, dazu bin ich nicht mehr in der Lage. Aramil ist schon fast bei mir. Ich schließe meine Augen. Und warte auf den finalen Schlag. Doch... nichts passiert. Ich öffne meine Augen und sehe Jason der konzentriert seine Hände nach Aramil ausstreckt. Dieser steht wie angewurzelt da und seine Augen leuchten feuerrot. Jason hat es tatsächlich geschafft! Mit letzter Kraft ziehe ich den silbernen Pflock hervor und ramme ihn Aramil durchs Herz. Einen Moment später zerfällt er zu Staub. Besiegt. Aramil ist endlich vernichtet. Doch der Kampf hat seine Spuren hinterlassen. Mit letzter Kraft kommt Jason zu mir, bevor wir schließlich beide zu Boden gehen. Ich sammle all meine Kräfte und greife nach Jason's Hand als auch ich bewusstlos werde.
Ein paar Minuten später . . .
Eine geheimnisvolle alte Dame betritt den Raum mit ein paar anderen Leuten. Als sie Yelena und Jason da liegen sieht und bemerkt, dass sie diese Welt noch nicht verlassen haben, lächelt sie erleichtert. „Endlich habe ich euch gefunden. Die Prophezeiung fängt tatsächlich an sich langsam zu erfüllen...“
Danach dreht sie sich um und verlässt den Raum. Nachdem die anderen die Verletzungen von Jason und Yelena versorgt haben, tragen sie sie schließlich auch hinaus.... Der alten Dame hinterher.
Texte: Alle Rechte vorbehalten
Tag der Veröffentlichung: 03.07.2021
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