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AUFBLENDE

1_ An einer Straße - Nachmittag/Außen



Die schwingenden Blätter heben sich dunkel vom bewölkten Himmel ab. Es ist Abend, der Wind weht sanft. Es ist vorbei.
Das Auto, das vorbeifährt, hat die Lichter an, und fährt die lange Straße runter, die Lichter der Stadt leuchten schon. Es ist der Wagen von Noras Mutter.


2_ Verschiedene Orte, Wir ziehen vorbei, die schwimmen ineinander – Tag/Wechselnd



Fin liegt am Boden, Blut läuft ihm aus der Nase, und der Wind weht um ihn herum. Er liegt auf einer kleinen Lichtung vor einem Felsen. CHANGE. Joe starrt mit glasigen, gebrochenen Augen aus dem Gebüsch, Blut am Kopf. CHANGE. Tropfen für Tropfen fließt die Infusion langsam in Toms Adern, er liegt bewusstlos oder schlafend auf einem Krankenhausbett. CHANGE. Mit stumpfem Blick sitzt Lisa auf ihrem Bett, und starrt auf zwei halbleere Flaschen die vor ihr stehen. Sie steht auf und wirft sie in den Mistkübel. CHANGE. Eine Kerze brennt einsam in einem dunklen Raum. Direkt hinter der Kerze steht ein aufgeklapptes Totenbildchen. ‚Nora Hoflehner – sie wollte selbst aus ihrem Leben scheiden – Herr, vergib ihr, und lasse ihre Suche enden’. Daneben ist ein Bild von Nora, auf dem sie mit ausdruckslosem Blick [.*.] in die Kamera schaut.


3_ Auf der Straße vor Noras neuem Haus – Tag/Außen


Ein vollgeladener Wagen fährt vor und aus einem der hinteren Fenster blickt Nora mit ausdruckslosem Blick [.*.] heraus.

NORAS MUTTER_
„So, das ist es. Das ist unser neues Haus.“

Gelangweilt klappt Nora ihr Buch zu, nimmt die Kopfhörer aus den Ohren und blickt ihre Mutter fragend an.

NORA_
„Was?“

NORAS MUTTER_
„Dort werden wir ab jetzt wohnen, das ist unser Haus. Das hab ich gesagt.“

NORA_
„Aso, soweit war ich auch schon...“

Sie steigen aus, und Nora packt einen Karton aus dem Kofferraum und trägt ihn rein. Gerade kommt ein Arbeiter der Umzugsfirma vorbei und grüßt sie, sie ignoriert ihn. Kopfschüttelnd blickt ihr ihre Mutter nach, die ihr dann mit einem weiteren Karton folgt.


4_ Die Küche von Fins Haus – Abend/Innen



Sekunde für Sekunde zählt die Digitalanzeige der Mikrowelle herunter, in der gerade Fins Essen entsteht. Fertigfutter. Der lehnt vor der Spüle und füllt sich gerade ein Glas Wasser ein. Sein Vater kommt in die Küche, er trägt einen Anzug mit einer locker sitzenden Krawatte, und sein Trolley steht in der Tür.

FINS DAD_
“So, Fin. Ich bin jetzt dann weg...“

FIN_ murmelnd
„...wieder mal zur Abwechslung...“

Fins Dad wirkt gekränkt. Er versucht Fin in die Augen zu sehen.

FINS DAD_ ernst
„Ich muss diese Reisen machen, wenn ich meinen Job nicht verlieren will. Es tut mir Leid, Junge, und irgendwie muss ich dich ja finanzieren. Seit deine Mutter nicht mehr mitzahlt....“

FIN_
„Willst du jetzt ihr die Schuld geben?!“

FINS DAD_ betont ruhig
„Nein, und vor allem will ich jetzt diese Diskussion nicht noch einmal anfangen. Aber auch wenn du es schon weißt: Sie war es, die die Scheidung eingereicht hat, und sie war es, die mir freiwillig das Sorgerecht übertragen hat. Nur das du das weißt.“

FIN_
„Klingt, als hätte sie dir damit was Schlechtes untergeschoben....“

FINS DAD_ schaut ihm wieder in die Augen
„Du weißt genau, wie ich das gemeint habe. So, ich muss fahren, wenn ich meinen Flieger noch erwischen will, in drei Wochen bin ich wieder da, ich hab dir wieder Geld dagelassen. Und grüß die neuen Nachbarn von mir, die sind heute eingezogen!“

Er holt seinen Mantel, nimmt seinen Trolley und ist nach einer knappen Verabschiedung schon aus der Tür draußen. Fin blickt ihm nach.

FIN_
„Nein, ich bin mir nicht ganz sicher, wie du das gemeint hast...“


5_ In Fins Wohnzimmer – Vormittag/Innen



Fin hängt schlafend in der Couch, der Fernseher läuft - Teleshopping. Am Boden liegen diverse Chips-Sackerl und Flaschen herum. Nur einzelne Lichtstrahlen dringen durch die Jalousienverhangenen Fenster in den, ansonsten nur vom Fernseher beleuchteten Raum.
Das jähe und aufdringliche Klingeln der Türglocke lässt Fin aufwachen, und er torkelt schlaftrunken zur Tür, um sich im Vorbeigehen die Haare im Spiegel zu richten – Es ist Noras Mutter, und sie hat ein freundliches Lächeln auf den Lippen, das Fin auch im Teleshoppingkanal nicht verwundert hätte...

NORAS MUTTER_
„Hallihallo, ich bin Karin Hoflehner, die neue Nachbarin.“

FIN_ irritiert
„Ich heiße Fin...“

NORAS MUTTER_ im selben Atemzug
„Wir sind gestern eingezogen, ich und meine Tochter Nora, und da haben wir uns gedacht stellen wir uns gleich mal vor. Nora wollte allerdings nicht mit....“

Ihr Lächeln erblasst, aber nur um einen halben Augenblick später wieder aufzutauchen.

NORAS MUTTER_
„...aber ich bin trotzdem gekommen.“ Lacht „Und so habe ich mir Gedacht, lade ich dich und deine Eltern doch heute Nachmittag zum Kaffee ein. Glaubst du sie haben Zeit?“

Fin fühlt sich wie im falschen Film... Ein leicht zweifelnder Blick zeigt sich auf seinem Gesicht.

FIN_ zögernd bis zweifelnd
„Meine Mum wohnt nicht mehr hier, und mein Dad ist gestern für drei Wochen auf Geschäftsreise gefahren. Aber ich könnte ja gerne mal vorbeischauen.

Nun ist es Noras Mutter, die zweifelnd dreinschaut, das aber natürlich immer mit ihrem freundlichen Teleshopping-Lächeln.

NORAS MUTTER_
„Wir haben zwar noch nicht alles ausgepackt, aber gerne. So gegen drei?“


6_ In Toms Zimmer – Mittag/Innen



Tom und Fin sitzen um den kleinen runden Tisch in der Mitte des Zimmers, dessen Zentrum wiederum ein Aschenbecher steht. Fin drückt gerade eine Zigarette aus, und Tom lehnt sich zurück und raucht genüsslich.weiter. Fin dreht sich um, macht die Musik leiser, woraufhin Tom das Gesicht verzieht. Mit geschlossenen Augen wippt er mit seinem Kopf noch das Lied weiter, dann schaut er Fin an. Dann erst bemerkt er, dass Fin scheinbar etwas sagen will.

FIN_ nachdenklich
„Hab neue Nachbarn, sind gerade erst eingezogen...“

TOM_
„Und weiter?“

FIN_
„Kein Ahnung, sie hat mich zum Kaffee heute eingeladen, weiß nicht ob ich hingehn soll...“

Es klingelt an der Tür, und Tom steht auf.

TOM_
„Die Pizzen sind da“

Er packt seine Geldbörse, Fin gibt ihm einen Zehner, und Tom geht runter, die Pizzen abholen. Während er weg ist, zündet sich Fin die nächste Zigarette an und starrt nachdenklich an die Decke. Er dreht die Musik lauter. Und genießt.
Jäh wird er herausgerissen, als Tom zurückkommt.

TOM_ ruft
„Essen fassen!“

Also stellt er die beiden Schachteln auf den kleinen Tisch, und legt auf Fins Schachtel das Restgeld. Beide essen jetzt, aber Tom durchbricht das Schmatzen als Erster.

TOM_
„Gibt’s irgendeinen besonderen Grund, warum du hingehn solltest?“

Fin, der voll und ganz mit Essen beschäftigt war, schaut ihn irritiert an.

TOM_
„Den Kaffee bei deinen Nachbarn mein ich...“

FIN_
„Aso, keine Ahnung. Neugier höchstens. Angeblich haben die eine Tochter in unserem Alter. Anschaun kann man sich’s ja mal.“

TOM_ grinst breit
„Na dann kannst du die ja mal auschecken. Du weißt, ich bin Single.“

Er lehnt sich mit selbstgefälligem Grinsen zurück, und blickt Fin erwartungsvoll an, aber der isst erstmal weiter. Er macht eine Pause, bevor er weiterredet.

FIN_
„Die Nachbarin hat ihren Namen erwähnt, hab ihn aber vergessen. Ich werd, glaub ich, trotzdem mal vorbeischaun.“

TOM_ mampfen und grinsen gleichzeit ist schwer...
„Schau, ob du mir ein Foto von ihr besorgen kannst...“

Fin dreht nur die Musik wieder lauter.


7_ Im Vorraum von Noras Haus – Nachmittag/Innen


Ein paar offene Umzugskartons stehen herum, und sonst noch Säcke. Trotzdem wirkt alles sehr ordentlich und sauber. Es klingelt, und Nora kommt die Treppe runter – und noch bevor ihre Mutter überhaupt in den Raum kommt, hat sie die Tür geöffnet. Es ist Fin, der sie überrascht anschaut.

FIN_ erklärend, beinahe entschuldigend
„Äh... Ich bin Fin, dein Nachbar. Deine Mutter hat mich scheinbar für heute Nachmittag zum Kaffee eingeladen.“

Nora schaut ihn kurz an, mustert sein Gesicht. Dann sehen sie sich kurz in die Augen.


8_ Die Unterführung einer Schnellstraße – Nacht/Außen



Seine Finger rutschen über den Hals seiner Gitarre, als Joe den einen Akkord spielt, der nachhallt....


9_ Im Vorraum von Noras Haus (continued – 8) –

Nachmittag/Innen

Nora und Fin sehen sich noch immer in die Augen, bis Nora das Schweigen bricht.

NORA_ irgendwie kühl
„Ich heiße Nora. Komm rein.“

Gerade kommt ihre Mutter auch in den Raum, mit ihrem Teleshopping-Lächeln, und streckt Fin die Hand entgegen. Nora mustert sie etwas überrascht, um nicht zu sagen missbilligend.

NORAS MUTTER_ wie immer übertrieben freundlich
„Ah, da ist ja schon unser Gast. Bitte entschuldige die Unordnung, wir haben noch nicht alles ausgepackt. Komm, ich habe schon aufgedeckt.“

Fin schnuppert kurz, und bemerkt sofort den Geruch von Kaffee, der ihm intensivst in die Nase steigt, und Noras Mutter geht bereits ins Wohnzimmer, und nachdem ihr Nora mit verdrehten Augen folgt, macht sich auch Fin auf den Weg.


10_ Im Wohnzimmer von Noras Haus – Nachmittag/Innen



Noras Mutter schenkt gerade Kaffee ein, dabei immer brav plaudernd. Ihr gegenüber, am anderen Ende des Tisches sitzt Nora, dazwischen Fin. Der bekommt gerade ein Stück Kuchen auf sein Teller, und wirkt eher hilflos gegenüber dieser gespielten Freundlichkeit. Leise bedeutungslose Musik dudelt im Hintergrund. Es klingt nach Fahrstuhl.

NORAS MUTTER_
„Und wie ist es so in der Nachbarschaft? Ha? Erzähl mal!“

Nora wirft ihr wieder diesen Missbilligenden Blick zu, doch erhält nur die freundliche Teleshopping-Maske als Antwort.

FIN_ zögernd
„Naja, ist eher eine ruhige Gegend hier. Ein paar nervige Hunde, ein, zwei zu laute Rasenmäher, aber sonst eigentlich ruhig.“

Noras Mutter lacht auf, als wäre das ein sehr guter Witz gewesen. Aber sie lacht gerade nicht so laut, dass sie die Ketten der Etikette sprengen würde Nora schnauft geringschätzig, während sie ihre Mutter anstarrt.

NORAS MUTTER_
„Klingt ja nett. Und wie lange wohnt ihr schon hier?“

FIN_
„Seit cirka acht Jahren. Vorher hatten wir eine kleine Wohnung in der Innenstadt.“

NORAS MUTTER_
„Du hast heute Vormittag gesagt, deine Mutter wohne nicht mehr hier...“

FIN_
„...meine Eltern haben sich vor zehn Jahren scheiden lassen. Sie ist ausgezogen. Hab sie seit damals nicht mehr gesehen...“

NORAS MUTTER_
„Oh, das tut mir leid.“

Und man sieht ihr an, wie egal es ihr ist.

NORAS MUTTER_
„Mein Mann ist auch vor einem halben Jahr von uns gegangen..:“

Fin ist sich nicht ganz sicher, was sie meint, und das bringt sein fragender Blick zum Ausdruck.

NORA_ platzt heraus
„Er ist tot!“

Nora stellt ihr Gedeckt bewusst aggressiv zusammen, und macht Anstalten, aufzustehen, doch ihre Mutter will sie noch nicht gehen lassen.

NORAS MUTTER_
„Ach, bleib doch bitte noch sitzen.“

NORA_
„Mir ist schlecht. Ich bin auf meinem Zimmer“

Und sie geht. Fin bleibt allein zurück, dem Kreuzverhör weiter ausgeliefert.

NORAS MUTTER_ unauffälliger Themenwechsel
„Und was macht dein Vater so beruflich?“


11_ In Noras Zimmer, Nachmittag/Innen


Ein einsames Grablicht leuchtet in den ohnehin schon hellen Raum. Nora sitzt im Schneidersitz auf ihrem Bett, ein großes Buch auf ihren Knien, das vollgestopft mit Notizen, kleinen Lesezeichen und Fotos ist. Es ist ihre Bibel, und alle Anmerkungen und Markierungen spielen auf das Leben nach dem Tod an. Sie nimmt einen Leuchtstift, und Markiert eine weitere Stelle.
Es ist aus dem Buch der Weisheiten, aus dem Kapitel Eins der Absatz 16, zusammen mit den Absätzen Eins bis Sechs aus dem Kapitel Zwei desselben Buches.

DIE BIBEL_ (off)
“Die Frevler aber holen winkend und rufend den Tod herbei / und sehnen sich nach ihm wie nach einem Freund; / sie schließen einen Bund mit ihm, / weil sie es verdienen, ihm zu gehören.
Sie tauschen ihre verkehrten Gedanken aus und sagen: Kurz und traurig ist unser Leben, / für das Ende des Menschen gibt es keine Arznei, / und man kennt keinen, der
aus der Welt des Todes befreit.
Durch Zufall sind wir geworden, / und danach werden wir sein, als wären wir nie gewesen. / Der Atem in unserer Nase ist Rauch, / und das Denken ist ein Funke, / der vom Schlag des Herzens entfacht wird;
verlöscht er, dann zerfällt der Leib zu Asche, / und der Geist verweht wie dünne Luft.
Unser Name wird bald vergessen, / niemand denkt mehr an unsere Taten. / Unser Leben geht vorüber wie die Spur einer Wolke / und löst sich auf wie ein Nebel, / der von den Strahlen der Sonne verscheucht / und von ihrer Wärme zu Boden gedrückt wird.
Unsere Zeit geht vorüber wie ein Schatten, / unser Ende wiederholt sich nicht; / es ist versiegelt, und keiner kommt zurück.
Auf, lasst uns die Güter des Lebens genießen / und die Schöpfung auskosten, / wie es der Jugend zusteht.“

Sie legt den Stift weg und lehnt sich zurück. Kurz schaut sie auf ein Foto, das wir nicht sehen (!), sie schließt die Augen, und lässt ihre Erinnerungen schweifen. Erschrocken fährt sie auf, als es an der Tür klopft:

FIN_ durch die Tür
„Darf ich reinkommen?“


12_ Die Unterführung einer Schnellstraße – Nacht/Außen



Joe sitzt einsam an eine dreckige Säule gelehnt im Schein der Straßenlaternen. Die Haare hängen ihm ins Gesicht, als er sein Lied weiterspielt.


13_ In Noras Zimmer, Nachmittag/Innen


Nora steht überrascht auf, fasst sich kurz, und öffnet die Tür.

NORA_
„Natürlich.“

Sie setzt sich wieder aufs Bett, und beobachtet Fin, der sich im Zimmer umsieht. Sein Blick bleibt am Bücherregal hängen, wo verschiedene Bibeln neben einem Koran, einer Bagahavad-Gita, verschiedenen Büchern des Dalai-Lama und anderen religiösen Bänden stehen.

FIN_
„Bist du so gläubig?`“

NORA_
„Nein, eigentlich überhaupt nicht. Ich bin nur interessiert.“

Fin starrt sie an. Kurz sieht er so aus, als ob er weiterfragen würde, schüttelt aber dann den Kopf.

FIN_
„Wo habt ihr eigentlich vorher gewohnt?“

Von seinem billigen Smalltalk überrascht, zögert sie erstmal. Sie setzt zu einer Antwort an, aber hält sich zurück. Erst beim Zweiten Mal lehnt sie sich zurück.

NORA_
„Eigentlich eh noch hier im Ort, aber weiter draußen am Land.“

FIN_
„Oh, wie genau...“

Nora übergeht dieses Kommentar und macht Musik, die im Hintergrund läuft. Währenddessen geht Fin zu der Kerze hinüber, und starrt in die Flammen. Nora blickt ihn von hinten an.


14_ Im Flur vor Noras Zimmer, Spätabends/Innen



Leise geht Noras Mutter zu der Tür zum Zimmer ihrer Tochter und horcht kurz an der Tür. Man hört Gelächter von drinnen, vorsichtig klopft die Mutter.

NORAS MUTTER_ vorsichtig
„Ah, Nora? Es ist schon spät, du solltest deinen Gast dann mal heimschicken...“

NORA_ durch die Tür
„Den werf´ ich schon noch raus, nur keine Angst, Mum.“

Mit etwas verzweifelter Miene, zieht die Mutter ab.


15_ In Noras Zimmer, Spätabends/Innen


Fin und Nora sitzen am Boden, ein paar Kerzen brennen auf dem Boden zwischen den beiden. In dem ansonsten dunklen Raum steht eine Weinflasche, und Nora holt gerade eine zweite unter dem Bett hervor, um sie zu entkorken.

NORA_ leicht angeheitert
„So, jetz wird’s aber wirklich schon spät. Nach der gehst du aber, ok?“

FIN_ grinst
„Dann lass mich den mal kosten“

Er nimmt die Flasche, und riecht mal daran. Wie ein professioneller Weinkenner verzieht er erstmal das Gesicht, schwenkt die Flasche leicht, und riecht dann noch mal. Dann gibt er auf, und nimmt einen Schluck.

FIN_
„Ich hab nie verstanden, wie man da Unterschiede riechen soll.“

NORA_
„Meistens schmecken sie die Unterschiede.“

FIN_
„Naja, dann probier´n wir´s halt.“

Er nimmt einen weiteren kräftigen Schluck.


16_ In Noras Zimmer, Noch später/Innen


Die Kerzen sind heruntergebrannt, und Fin lehnt todmüde am Bett. Auch Nora wirkt schon sehr angeschlagen, und sie trinkt gerade den letzten Schluck aus der Weinflasche.

NORA_ schaut die Flasche an
„Gut, dass die als erstes unter meinem Bett versteckt wurden.“

Noch einmal probiert sie, ob nicht noch ein Schluck aus der Flasche rauskommt, ist dabei aber nicht erfolgreich.

FIN_
„Wie spät ist es eigentlich?“

NORA_
„Viel zu spät. Komm ich werf dich jetzt raus!“

Sie steht auf, und streckt Fin die Hand entgegen, um ihm aufzuhelfen. Sie berühren sich das erste mal.


17_ Die Unterführung einer Schnellstraße – Nacht/Außen


Joe sitzt noch immer dort, und spielt nun sein ganzes, einsames Lied. Und immer wieder macht er sich Notizen auf einen schmuddeligen Collegeblock...


18_ In Fins Wohnzimmer – Vormittag/Innen


Tom und Fin sitzen am Boden vor der Couch, und futtern Chips. Fin hat die Augen geschlossen, er hat scheinbar ein ziemliches Schlafdefizit. Währenddessen gibt sich Tom Gehirnentspannungs-Filme. Auf der Mattscheibe flimmern billige Actionstreifen.

TOM_
„Gleich in der ersten Nacht so lang und heftig?“

Fin muss erstmal aus seinem beinahe Halbschlaf erwachen, und ist gleich mal irritiert, weil der Held im Film noch immer schießt. Oder schon wieder. Was auch immer. Eigentlich wird dort eh nur geschossen.

FIN_ verschlafen seinen Blick vom Fernseher wendend
„Was?“

TOM_ grinsend
„Na, deine neue Nachbarin muss es ja in sich haben...“

Fin verdreht die Augen.

FIN_
„Shut up, Tom. Da war nix besonderes. Wir haben uns halt gut verstanden, ein netter Abend halt.“

TOM_ zieht eine Braue hoch
„Ist sie also doch nicht so umwerfend? Du Ärmster hast also wirklich eine Schreckschraube als neue Nachbarin....“

FIN_
„Nein, im Gegenteil. Die ist echt fesch und interressant...“

TOM_
„Hm... Ich hab irgendwie Hunger.”

FIN_
„Ich eigentlich nicht...“

Tom steht auf und geht raus, worauf Fin sich wieder zurücklehnt und die Augen schließt.

TOM_ von draußen
„Ich schau mal in der Küche, ob ich was essbares finde...“

FIN_ murmelnd, schon wieder fast schlafend
„Mach das...“

Als er wieder aufwacht, sitzt Tom neben ihm mit einer riesigen Schüssel Cornflakes. Der schlechte Film läuft noch immer. Oder schon wieder? Oder ist es ein anderer? Egal, alle gleich schlecht.
Fin schaut verschlafen drein.

TOM_ schmunzelnd
„Moin.“

Fin streckt sich genüsslich.

FIN_
„Wie lange hab ich geschlafen?“

TOM_
„Vielleicht eine Stunde.“

Er deutet mit dem Löffel auf den Fernseher.

TOM_
„Ich bin mittlerweile bei Teil drei, und die Handlung hat sich noch immer kaum verändert.“

Eine Zeit lang sitzen die beiden bloß da, und man hört die schlechten Geräusche einer schlechten Ballerei. Schlechter Film halt.

TOM_
„Und, wie ist sie so?“

Fin hat gerade etwas verträumt geschaut, ob es vom Schlaf oder von was anderem kommt ist noch unklar. Doch trotzdem weiß er sofort, wen Tom meint.

FIN_
„Umwerfend.... Und interessant....“


19_ Ein großer Raum voller Chaos – Vormittag/Innen


Viele Leute liegen auf den Couchs und manche auch aufm Boden. Die meisten wirken zumindest so, als würden sie bewusst dort liegen. Im Zeitraffer stehen alle auf, nur Lisa bleibt alleine liegen. Sie sieht so aus, als wäre sie am Abend vorher an der Stelle zusammengebrochen und liegen geblieben. Und ziemlich genau so war es auch: Ärgster Filmriss.
Fast alle sind weg, nur Lisa liegt noch am Boden. Sie blinzelt und bleibt dann mit offenen Augen noch etwas liegen. Eine Flasche fällt um, als sie aufsteht, und ins Bad wankt
Der Blick in den Spiegel birgt keine Überraschungen. Der Schmerz bohrt sich durch ihr Hirn, als sie sich niedersetzen muss. Vorsichtig tastet sie in das Regal und sucht die Packung Aspirin, die ihr gerade auf den Boden fällt, und aus der jetzt die Tabletten herauskullern.

LISA_
„Shit...“

Sie beugt sich nach vorne um die Aspirin einzusammeln und verzieht dabei das Gesicht. Plötzlich regt sie ein Brechreiz. Schnell beugt sie sich zum Klo rüber und kotzt.
Eine Freundin von ihr erscheint im Türrahmen.

IRGENDWER #1 _
„Lisa? Alles ok?“

Lisa spuckt noch mal aus.

LISA_
„Schlechte Frage...“


20_ In Noras Zimmer – Vormittag/Innen


Nora sitzt auf ihrem Bett, und betrachtet gerade eine der Weinflaschen, als ihre Mutter plötzlich an die Tür klopft. Schnell richtet sich Nora auf, und verstaut die Flasche.

NORAS MUTTER_ durch die Tür
„Nora?!“


NORA_ hastig
„Ja?“

Ihre Mutter steckt den Kopf durch die Tür.

NORAS MUTTER_
„Ich fahre dann deine Großmutter ins Altersheim besuchen, kommst du mit?

NORA_ eher wenig begeistert
„Eigentlich hab ich schon was vor...“

NORAS MUTTER_
„...sie hat dich schon lange nicht mehr gesehen...“

NORA_ beißt sich auf die Lippe
„Ich weiß...“

NORAS MUTTER_
„Wer weiß, wie lange sie noch lebt...“

Nora hüllt sich in Schweigen, und ihre Mutter geht wieder hinaus. Nora bleibt noch ein bisschen sitzen und steht dann auf. Ihre Mutter ist schon weg.


21_ In Fins Vorzimmer (continued –18) – Vormittag/Innen



Es läutet, und Tom, der gerade in der Küche war, öffnet kauend die Tür, vor der Nora steht. Sie wirkt überrascht.

NORA_
„....äh, wohnt Fin nicht hier?“

Tom versucht erst zu sprechen, schluckt dann aber doch vorher noch runter.

TOM_ nickend
„Jaja, natürlich. Komm rein.“

Nora kommt herein.

TOM_
„Bist du Nora?“

Nora zieht überrascht die Augenbraue hoch.

TOM_ erklärend
„Fin hat schon von dir geredet...“

Nora sieht sich um.

NORA_
„Ist er nicht da?“

In dem Moment kommt Fin aus dem Wohnzimmer.

FIN_
„Doch, ich bin da.“

Die beiden sehen sich in die Augen, und sie spüren es einfach. Manchmal ist einfach alles klar, eine Zukunft tut sich auf, deren schmerzhaftes Ende jeder kennt, und es doch ignoriert, geblendet von dem Moment.
Aber wirklich nur geblendet? Ist es dieser eine Moment wert? Für Fin und Nora schon.
Tom drückt sich eher in den Hintergrund, und verschwindet dann ganz in der Küche.

NORA_ leise
„Und jetzt?“

FIN_ kommt näher, flüsternd
„Ich weiß nicht.“

Sie stehen nahe beinander, schauen sich in die Augen. Stille.
Plötzlich zerreißt ein lautes Klirren den Moment.

TOM_ aus der Küche
„Scheiße!“

Fin dreht sich um, und will nachsehen, was Tom schon wieder ruiniert hat, doch Nora hält ihn fest. Sie schaut ihm noch mal lange in die Augen.

NORA_
„Wir müssen heute Abend noch miteinander reden...“

FIN_ haucht
„ok,“

Dann erst geht Nora wieder zur Tür hinaus. Langsam geht Fin in die Küche, mit leicht glasigem Blick. Dort kniet Tom gerade und hebt die Scherben eines Tellers auf.

TOM_
„Was war das gerade?“

FIN_
„Ein wunderschöner Moment.“

22_ Auf Lisas Heimweg – Tag/Außen


Lisa ist blass. Sie trinkt noch ein Glas Wasser, bevor sie sich endlich au den Heimweg macht. Sie schließt von außen die Tür der Wohnung ihrer Freundin, und fährt mit dem Bus heim. Im Bus schläft sie beinahe noch mal ein, und als sie endlich aussteigt, zögert sie, nachhause zu gehen. Trotzdem geht sie langsam heim, und wirft sich vor der Tür noch schnell einen Kaugummi in den Mund.


23_ Bei Lisa zuhause (continued – 22) – Tag/Innen


Sie schließt von außen die Tür auf, nur um sie von innen wieder zu verschließen. Erschöpft lehnt sie sich dagegen und schließt die Augen. Atmet durch. Schüttelt ihren Kopf und wirft ihre Schuhe achtlos in Richtung Garderobe. Dann erst geht sie langsam zu ihrem Zimmer. Doch ihre Zimmertür steht offen. Lisa legt ihren Kopf schief und geht langsam näher, um dann langsam durch den Spalt zu schauen.
Mit wutverzerrtem Gesicht stößt sie die Zimmertür ganz auf und überrascht dort ihren Stiefvater, der sich gerade über ihren Kasten beugt, und eines ihrer Höschen in der Hand hält.

LISA_ wütend
„Günther, was wird das?! Raus hier! RAUS!“

Erst überrascht, grinst Günther gleich dreckig. Achtlos wirft er Lisas Unterwäsche zurück in die Lade, und kommt ihr näher.

GÜNTHER_ hämisch
„Ah, endlich ist die Streunerin wieder mal zuhause. Wieder gesoffen?“

LISA_
„Halts Maul. Verschwinde!“

Günther kommt ihr immer näher, und steht ihr nun bedrohlich nahe im Türstock, in den Lisa zurückgewichen ist, gegenüber.

GÜNTHER_
„Ich musste doch kontrollieren, ob du nicht wieder irgendwelche Flaschen versteckt hast... Den Wodka unter deinem Bett hab ich schon konfisziert...“

Er beugt sich nun zu ihr hinunter, um ihr ins Ohr zu flüstern.

GÜNTHER_
„Aber keine Sorge, ich sage deiner Mutter schon nichts... Wir wollen doch nicht, dass sie unglücklich wird, oder?“

Er grinst wieder hämisch, und lacht auch noch, als Lisa ihn von sich stösst, und die Tür zuknallt. Sie kauert sich auf ihrem Bett zusammen und weint. Sie ist einsam.


24_ Bei Fin – Nacht/Außen


Wieder steht Nora vor der Tür, doch diesmal zögert sie lange. Ihr Finger liegt schon fast auf dem Klingelknopf, als sie wieder innehält. Sie lehnt sich noch gegen die Tür und richtet sich erst wieder auf, nachdem sie durchgeatmet und geklingelt hat. Es dauert nicht lange, bis Fin die Tür öffnet.

FIN_
“Willst du reinkommen?“

Nora nickt nur stumm und folgt ihm.


25_ In Fins Zimmer – Nacht/Innen


Nora geht als erst von beiden ins Zimmer, geht auch schnell, und erst im Zimmer dreht sie sich um, und blickt ihn an.


NORA_
„Es ist ernst.“

FIN_
„Ich weiß.“

Sie setzt sich auf den Boden, lehnt sich an der Wand an. Mit traurigem Blick mustert sie Fin, der sich vor sie setzt.

NORA_
„Ich meine... Ich kenne dich kaum!“

FIN_
„Dann lass dich drauf ein, und lern mich kennen...“

Sie blickt weg, als er ihr in die Augen schauen will. Nervös und irgendwie bedrückt steht sie auf.

FIN_
„Es ist mir auch ernst...“

Fin steht wieder auf, und gibt Nora die Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen, sie stehen sich gegenüber und blicken sich endlich wieder in die Augen. Langsam tastet sie nach seiner Hand, lehnt sich an seine Schulter.

NORA_ leise
„Warum kann so was nicht einfach sein?“

Fin küsst sie auf die Stirn. Man muss es sich nur einfach machen.

FIN_
„Mach es dir einfach...“

NORA_ an seiner Schulter
„Ich weiß noch nicht einmal deinen Nachnamen.“

FIN_
„Ist das denn wichtig?“

Nora blickt über seine Schulter ins Leere und denkt nach.

NORA_
„...nein das ist es nicht.“

Sie richtet sich auf und blickt ihn an. Und küsst ihn. Nora könnte jeden Moment losheulen vor Freude. Einfach glücklich. Und Fin ist erleichtert. Einfach glücklich.


25_ In Toms Zimmer – Tag/Innen


Mit Lauter Musik sitzt Tom alleine in seinem Zimmer, und baut sich einen Joint. Dabei nimmt er den letzten Rest aus seinem kleinen Plastiksäckchen. Ein Fernseher läuft, aber ohne Ton. Tom ist es egal, was läuft, aber die Bilder sind bunt. Genüsslich dreht er den Joint, und brennt die Spitze ab.
Dann lehnt er sich zurück und zieht sich ordentlich einen durch. Bunte Farben ziehen an ihm vorbei, die Farbe tropft aus seinem Fernseher...

26_ In Toms Zimmer (continued 25) – Tag/Innen


Ein unscharfer Blick, dumpfes Dröhnen im Kopf. Ein Blinzeln, und das Zimmer zeigt sich ein bisschen düster, denn die Vorhänge sind zugezogen und das einzige Licht kommt flackernd aus dem rauschenden Fernseher, wo die Simpsons laufen.

BART SIMPSON_
„You know, Lisa... Making teenagers depressed is like shootin’ fish in a barrel.“

Tom beugt sich vor und versucht die restlichen Hanf-Krummen einzusammeln, und beäugt traurig das viel zu kleine Häufchen. Nach einem Zaghaften Blick in seine Geldbörse nimmt er sein Handy und schreibt eine SMS. ‚Brauche 5g. Slb Zeit, slb Ort, Tom’.


27_ Unter einer Brücke – Später Abend/Außen


‚Brauche 5g. Slb Zeit, slb Ort, Tom’, leuchtet es auch hier auf dem Handy, aber es ist definitiv nicht Toms. Der Dealer blickt auf, als er Schritte hört, es ist Tom, der den Weg heruntergeschritten kommt. Schon von weitem grinst ihn der Dealer an.

DEALER_
„Hast Glück, hab gerade eine neue Lieferung reinbekommen, und natürlich auch schon probiert. Derbster Shit.“

Tom ist jetzt direkt vor dem Dealer und steckt die Hände in die Taschen. Er wirkt gereizt, ein bisschen verärgert über den Dealer, sein Blick strotzt vor Verachtung.

TOM_ sauer
„Ich hoff für dich, dass sie besser ist, als die letzte. Weil die war doch sicher gestreckt, oder?!“

DEALER_ gespielt gekränkt
„Hey Tom, ich verkauf nur gute Ware. Ungestreckt, ehrlich!“

Er erhält nur ein verächtliches schnauben als Antwort, worauf er wieder beginnt zu grinsen.

DEALER_ verschwörerisch
„Brauchst du mal was, was so richtig flasht?“

Tom gibt sich misstrauisch, er verengt die Augen.

TOM_
„Was meinst du?“

DEALER_
“Komm mit...“


28_ In einem dunklen Zimmer – Nacht/Innen


Von ein paar Kerzen erhellt gibt der Dealer zwei weiße Pulver auf einen Löffel, und wartet bis sie sich über den Flammen der Kerze verflüssigen. Tom schaut ihn erwartungsvoll an, als er die klare Flüssigkeit aufzieht, und ihm seinen ersten Schuss setzt.


29_ In Fins Zimmer – Tag/Innen


Nora sitzt am einen Ende des Bettes, Fin am anderen. Sie ist zurückgelehnt und starrt an die Decke.

NORA_
„Bist du eigentlich immer alleine daheim?“

Fin zögert, schaut sie an.

FIN_
„Irgendwie schon. Seit meine Mum mit einem Anderen abgehaun ist, und meine Schwester jetzt auch eine eigene Wohnung hat...“

NORA_ richtet sich auf
„Ich hab gar nicht gewusst, dass du eine Schwester hast.“

FIN_
„Ja, sie heißt Elisabeth, und wird bald einundzwanzig. Sie ist damals gleich mit 18 ausgezogen, werd ich wahrscheinlich auch dann machen...“

Nora lehnt sich wieder zurück und fixiert den Punkt an der Decke von neuem.

NORA_
„Und dein Vater?“

Fin schnaubt verächtlich.

FIN_
„Der ist immer auf irgendwelchen Geschäftsreisen, also bin ich fast immer alleine. Tut gut, dass du da bist.“

Er beugt sich vor, und küsst sie auf die Stirn. Sie lächelt ihn an, er rollt sich neben sie.

FIN_
„Und deine Mum? War die immer schon so?“

NORA_
„....ja. Sie hat sich eigentlich gar nicht verändert, seit mein Dad gestorben ist, falls du das meinst.“

FIN_
„Naja, nicht unbedingt...“

NORA_
“Ich hab noch nie ein wirklich gutes Verhältnis zu ihr gehabt, immer eher zu meinem Vater. Der war Lehrer und hatte also immer viel Zeit für mich. Schöne Zeit.“

Sie stockt und blickt ins Leere.
Dann dreht sie sich zur Seite und umarmt Fin.

NORA_
“Glaubst du, mein Vater ist jetzt im Himmel?“

Fin schweigt während sie, den Kopf auf seiner Schulter, an ihm vorbeischaut.

NORA_
„Vielleicht ist er aber auch wiedergeboren worden. Glaubst du, er kann sich noch an seine Tochter erinnern? Werde ich ihn wieder mal sehn?“

Er wartet, ob sie noch etwas sagen will.

FIN_
„Wenn ich ehrlich bin.... darüber hab ich mir noch nie so Gedanken gemacht. Aber... Es kann doch auch nicht sein, dass wir einfach verschwinden. Hätte das alles dann einen Sinn?“

NORA_ haucht
„....was ist schon der Sinn des Lebens?“

Stille.

FIN_
“Du... Du bist mein Sinn, Nora.“

NORA_ schaut ihn an
„Aber was ist, wenn ich irgendwann einfach nicht mehr bin? Hörst du dann auf zu existieren, weil du keinen Sinn mehr hast?“

Er schaut sie traurig an.

FIN_
“In einer gewissen Weise würde ich dann aufhören zu existieren.“

NORA_
„Sterben?“

Er legt ihr sanft den Zeigefinger auf die Lippen.

FIN_
“Shhh.....“


30_ Bei Lisa – Abend/Innen



Lisa steht unter der Dusche. Unbemerkt öffnet sich die Türe, eine Gestalt nähert sich, es ist Günther, der Lisa beim Duschen beobachtet. Als diese gerade nach dem Shampoo greifen will, sieht sie ihn im Spiegel.

LISA_ kreischt
„Raus hier! Verschwinde!“

Günthers Gesicht verfinstert sich, seine Hand schnellt vor, schließt sich um Lisas Hals und drückt sie an die Wand.

GÜNTHER_ zischend
„Halts Maul, du dreckiges Luder. Ich weiß genau, wie viel du herumsäufst und wahrscheinlich auch herumhurst. Du bist also nicht in der Position, irgendwelche Forderungen zu stellen!“

Er drückt scheinbar fester zu, und lässt sie dann los. Mit einem weiteren verächtlichen Blick verabschiedet er sich von Lisa, die in der Duschkabine zusammensinkt und schluchzt. Beim hinausgehen dreht er das Licht ab und schließt die Tür, nur noch die klägliche Beleuchtung des Spiegels brennt.

Lisa kauert unter dem noch immer laufenden Strahl der Dusche, und kämpft mit sich selbst. Langsam richtet sie sich auf, dreht das Wasser ab. Sie kommt aus der Dusche und hängt sich ein Handtuch um die Schultern, als sie sich vor den Spiegel stellt.
Sie blickt sich lange in die Augen, ihre nassen Haare tropfen auf den Boden.

Mit geschlossenen Augen tastet sie in einer Lade herum, holt eine Rasierklinge heraus, setzt sie sich an die Handflächen. Und das Blut tropft zäh in das weiße Waschbecken, während sie mit geschlossenen Augen das Gesicht schmerzvoll verzieht.


31_ Unterwegs – Nacht/Außen


Lisa geht, ihre Tasche umgehängt, aus dem Haus und verschwindet in der Nacht. Nachdem sie ein bisschen gegangen ist, wirft sie sich in irgend eine Ecke, und starrt vor sich hin.


32_ Auf einer Brücke – Früher Morgen/Außen


Tom kommt gerade mit dem Rad von seinem Dealer, wo er nach seinem ersten Heroin-Rausch geschlafen hat. Lisa sitzt gerade am Geländer, und starrt schweigend in den Fluss, als Tom sich nähert.
Tom bleibt ein paar Meter vor ihr stehen.

TOM_
„Hey.“

Lisa dreht den Kopf und sieht ihn ruhig an.

LISA_
“Hey.“

TOM_
„Du heißt doch Lisa, oder?“

Die Angesprochene nickt.

TOM_
„Ich bin Tom.*

LISA_
„Ich weiß.“

TOM_
„Du warst doch auch damals auf Fins Party, oder?“

LISA_
„Ja... Hab ihn schon lange nicht mehr gesehn. Geht’s ihm gut?“

Sie schaut Tom mit traurigen Blick an, und er setzt sich neben sie.

TOM_ schaut auch in den Fluss
„Ja. Er hat jetzt wieder eine Freundin.“

LISA_
„...manchmal braucht man jemand anderen zum glücklich sein.“

Sie richtet sich auf, sieht ihm direkt in die Augen.

LISA_
„Kennst du die Zeiten, in denen dir der finale Schritt als einzige Lösung vorkommt?“

TOM_
„Was meinst du?“

Sie stockt.

LISA_
„...vergiss es.“

Erst jetzt fällt sein Blick auf die teilweise noch blutigen Binden um ihre Handflächen. Er schweigt kurz, und richtet dann seinen Blick auch wieder ins Wasser.

TOM_
„Meinst du das mit finalem Schritt?“

Sie blickt auf. Tom deutet auf ihre Hände, sie scheint sich zu schämen, zieht sie weg, und steht auf.

LISA_ schaut ihn nicht an
„Danke fürs Reden. Bye.“

TOM_ resigniert
„Tschau.“

Sie nimmt ihre Tasche und geht in die Richtung, aus der Tom kam. Lisa unterdrückt ihre Tränen, während Tom aufsitzt und weiterfährt.


32_ In Fins Haus – Vormittag/Innen


Tom fährt scheinbar gleich direkt zu Fin, denn er steigt dort gerade vom Rad, und läutet an. Keine Reaktion. Tom läutet noch mal, immer öfter, bis er schließlich sturmläutet. Keine Reaktion.
Während er die Augen verdreht, hebt er einen kleinen Blumentopf unweit der Tür, holt einen Schlüssel heraus und sperrt sich selbst auf. Drinnen zieht er nichtmal die Schuhe aus, und geht direkt in Fins Zimmer.


33_ Fins Zimmer – Vormittag/Innen


Fin schläft noch, und zwar scheinbar sehr gut, denn er hört die schweren Schritte nicht, mit denen sich Tom seiner Tür nähert Erst als die Tür aufspringt macht er die Augen auf, Tom steht schon mitten im Zimmer.

FIN_ verschlafen
„Moin Tom...“

Er richtet sich auf, reibt sich die Augen und streckt sich demonstrativ.

TOM_ motiviert
„Guten Morgen!“

Er setzt sich auf den Tisch und schaut Fin dabei zu, wie er aufsteht und sich anzieht. Der packt aber erstmal seinen Wecker, um zu sehn wie spät es ist. Der Wecker zeigt 11:25 an.

FIN_
„Warum bist gerade du schon um die Zeit wach?!“

TOM_
„Vielleicht wollte ich einfach mal bald aufstehn?“

Fin schaut ihn äußerst zweifelnd an.

FIN_ Augenbraue oben
„Du?“

TOM_
„Ja, ok. Ich hab bei einem Bekannten gepennt und der hat mich halt schon so früh rausgeworfen.“

FIN_
„Und deshalb musst du mich auch schon mitten in der Nacht aufwecken?“

Er schlurft demotiviert an Tom vorbei und in die Küche runter.

TOM_ feixend
„Naja, Schönheitsschlaf brauchst du ja sowieso keinen mehr.“

FIN_ streckt ihm den Mittelfinger aus
„Danke, Süßer.“

Unten in der Küche herrscht natürliches Chaos. Dadurch, dass Fin allein im Haus ist, und Tom fast die ganze Zeit bei ihm ist, stehen überall dreckige Gläser und Teller herum, dazwischen liegen alte Lebensmittel, und offene Packungen. Chaos.
Aus all dem sucht sich Fin die sauberste Tasse, wäscht sie noch mal mit kaltem Wasser aus und lässt sich dann einen Kaffee herunter. Dann schaut er in den Kühlschrank, nur um sich zu vergewissern, dass er leer ist.

FIN_
„Verdammt, keine Milch mehr. Heute ist Sonntag, oder?“

TOM_ schulterzuckend
„Glaub schon.“

Also packt Fin nur Butter und Honig und muss jetzt auch noch auf die Toasts warten. Frühstücken heißt Geduld zeigen. Tom holt währenddessen die Zeitung von draußen.

TOM_ beim zurückkommen
„Hey Fin, kannst du dich noch an die Party vor ein paar Monaten erinnern? Die bei dir hier...“

FIN_ kauend
„Ja, wieso?“

TOM_
“Na, da war doch die eine Blonde. Lisa, oder so.“

FIN_ überlegt kurz
„Mhm, stimmt. Lisa war auch dabei. Von der hab ich aber schon ewig nichts mehr gehört.

TOM_
“Naja, ich hab sie vorher getroffen, und wollte wissen, ob du mir ihre Nummer geben könntest.”
Fin schaut auf und grinst Tom an.

FIN_
„Darf man fragen, wieso?“

TOM_
„Hab sie grade getroffen und kurz mit ihr geplaudert. Wirkte nicht so ganz gut drauf.“

Fin holt sein Handy aus der Hosentasche und legt es vor Tom auf den Tisch.

FIN_
„Hab sie unter Lisa eingespeichert, suchs dir raus. Und richt ihr einen schönen Gruß von mir aus, hab sie schon ewig nicht mehr gesehn.“

TOM_
„Danke, Mann.“

Die Toasts sind mittlerweile auch fertig, und Fin kann endlich frühstücken.

TOM_
„Wie geht’s dir eigentlich mit Nora?“

FIN_
„hm... Mit ihr zusammen zu sein ist gut für mich. Viele Sachen werden mir um einiges klarer...“

TOM_
„Schön für dich.“

Fin bleibt jetzt allerdings stumm.


34_ In Fins Haus – Nachmittag/Innen


Tom und Fin stehen gerade im Vorzimmer und verabschieden sich, Tom geht heim. Fin steht in der offenen Tür und überlegt nur kurz, bis er sich auch seine Schuhe anzieht, und rausgeht.
Für ihn sind es nur wenige Meter bis zu Noras Haustür, an der er klingelt.
Noras Mutter öffnet. Ihr erster Blick zeugt nicht unbedingt von großer Begeisterung, aber sie würde doch nie unfreundlich sein.

FIN_
„Hallo, ist Nora da?“

NORAS MUTTER_
„Ja, ich hol sie dir gleich.“

Sie geht rein, und schließt hinter sich die Türe, bittet Fin nicht, hereinzukommen, sondern schließt einfach die Tür vor seiner Nase.
Fin ist überrascht, wartet aber ganz ruhig vor der geschlossenen Tür.
Kurze Zeit später öffnet Nora.

NORA_
„Hi.“

FIN_
„Hey. Hast du Zeit?“

NORA_
“Klar, was machen wir?“

FIN_
„Gehen wir spazieren?“

NORA_ lächelt
„Klar gerne, ich komme schon.“


35_ In einem kleineren Waldstück – Nachmittag/Außen


Nora und Fin gehen Hand in Hand durch den Wald.

NORA_
„Wie schaut’s bei dir denn eigentlich mit Schule aus?“

Fin schnaubt kurz.

FIN_
„Mein Dad hat mir mal Geld für eine Nachhilfe gegeben, aber ich hab mich nie drum gekümmert...“

NORA_
“Wieso? Nachprüfung?“

FIN_
„Hab eine Nachprüfung in Englisch, und eine in Biologie... Weil irgendwie ist es mir ziemlich egal, woraus die Steine waren, die hier vor drei Millionen Jahren gelegen haben..“

Nora lacht, und sie gehen schweigsam weiter.

NORA_
„Und? Wirst du die Klasse wiederholen?“

FIN_
„Ich weiß nicht, ob ich das will. Eigentlich will ich gar nichts machen, einfach nur sein....“

NORA_
“Das wird dir dein Dad nicht erlauben, da kannst du sicher sein...“

FIN_
„Pah, er würd’s wahrscheinlich gar nicht mitbekommen.“

Sie gehen noch ein Stück, und setzen sich dann auf eine kleine Bank, und sie lehnt sich an seine Schulter. Eine Zeit lang genießen sie einfach nur die Atmosphäre.
Dann biegt plötzlich eine kleine Familie um die Ecke und geht auch durch den Wald: Eine Frau mit ihrem Mann und zwei Kindern geht scheinbar auch gerade spazieren, und die beiden Mädchen hüpfen lachend an Nora und Fin vorbei.
Fins Blick bleibt an der Frau hängen, die ihn allerdings nur kurz im vorbeigehen unbeteiligt zulächelt.

Irgendwer #2 _ im Vorbeigehen zu ihrem Mann, kaum hörbar
„So jung....“

Als die kleine Familie vorbei war, sah Fin der Frau noch immer nach.

NORA_
„Hast du die gekannt?“

FIN_ braucht länger
„Das war meine Mutter...“

Stille....

NORA_
„Wieso hat sie dich nicht gegrüßt?“

FIN_
„Sie hat mich nicht mehr erkannt...“

Er sinkt in sich zusammen, und Nora legt tröstend den Arm um ihn, doch dann steht er auf.

FIN_
„Komm, lass uns heimgehn...“

Dann gehen die beiden weg.


36_ In Toms Zimmer – Nachmittag/Innen


Tom sitzt auf seiner Couch und starrt auf das Handy in seiner Hand, während er tief an seiner Zigarette zieht. ‚Lisa’ steht auf dem kleinen Bildschirm...
Mit einem langen Seufzer legt er das Handy zurück auf den Tisch und starrt es nun zurückgelehnt an. Er dreht es ein paar Mal. Dann packt er es doch noch, und drückt auf anrufen.
Es dauert lange, bis Lisa sich meldet.

LISA_ durchs Handy
„Hallo?“

TOM_
„Hi, ich bin’s – Tom. Wir haben uns heute Morgen auf der Brücke gesehn.“

LISA_ verwundert
„Ah, hallo... Woher hast du meine Nummer?“

TOM_
„Fin hat sie mir gegeben.“

LISA_
„Ah, er kennt mich also doch noch...“

TOM_ sachte
„Geht’s dir noch immer nicht besser?“

LISA_
„Hab ich dir gesagt, dass es mir schlecht geht?“

Tom legt sich auf die Seite, das Handy am anderen Ohr.

TOM_
„Ich hab’s dir angesehen.“

Diesmal braucht Lisa länger um zu antworten, man hört sie schwer atmen.

LISA_
„In letzter Zeit hab ich oft ziemlichen Stress mit meinem Stiefvater. Eigentlich ist er nicht mal mein wirklicher Stiefvater, einfach nur der aktuelle Freund meiner Mum, aber sie wünscht sich, dass ich ihn als Vater sehe – den Arsch.“

TOM_
„Sind deine Eltern geschieden?“

LISA_
“Mein Dad würde sich nie von meiner Mum scheiden lassen, auch wenn sie ihm schon oft gesagt hat, dass sie nichts mehr von ihm will. Seitdem tut sie ihm ziemlich oft weh...“

TOM_
„Scheiß Situation...“

LISA_
„Oh, ja...“

Sie schweigen sich kurz gegenseitig an.

LISA_
„Willst du noch mal zur Brücke kommen? Ich brauch wen zum Reden, und Handys mag ich auch nicht...“

Tom grinst breit.

TOM_
„Gerne.“

LISA_
„Auch jetzt gleich?“

TOM_
„Sofort?“

LISA_
„Ja... Ich sitz noch immer hier...“

TOM_
„Bin schon so gut wie unterwegs, bis gleich!“

LISA_
“Danke.“

Tom legt auf, und bleibt noch immer grinsend auf der Couch liegen. Dann erst nimmt er das Handy ein zweites Mal, und beginnt eine SMS zu schreiben. ‚Brauch was von dem neuen Zeug. Hols mir bei dir ab, Tom’ und sendet es an seinen Dealer.
Beim Hinausgehen nimmt er sich dann noch Geld aus der Handtasche seiner Mum...


36_ Am Fluss – Nachmittag/Außen


Lisa und Tom gehen den Fluss entlang, die Brücke im Hintergrund. Während sie reden, ‚tanzt’ Tom immer wieder um sie herum, manchmal mehr, manchmal weniger aufgedreht und offensichtlich.
[Das Gespräch ist nicht hörbar, es läuft Musik – Anstrengen mit der Mimik!]
Irgendwann setzten sich die beiden auf einen Stein und reden dort weiter, irgendwann gehen sie zurück, kommen bei Toms Rad an.

LISA_
“Danke noch mal...“

Sie schaut ihn länger an.

TOM_
„Sehn wir uns morgen?“

LISA_ lächelt
„Ich hab deine Nummer...“

Dann dreht sie sich um und geht, endlich lächelnd. Während sich Tom auf sein Rad schwingt, und in die Richtung wegfährt, aus der er beim ersten Treffen gekommen ist, bleibt sie stehen und dreht sich um, sieht ihm nach. Hoffnungsvoll.


37_ Vorraum von Fins Haus – Nacht/Innen


Es ist bereits Nacht, und Fin sitzt im Dunklen am Boden des Zimmers. Es ist nicht einmal sein Zimmer in dem er sitzt, es ist der kälteste Raum im Haus, der Vorraum. Kaltes, weißes Licht kommt von einer Straßenlaterne durch die Glastür herein.
Es donnert, doch es regnet nicht. Man kann auch zu traurig sein, um zu Weinen.
Nora klopft, sie klingelt nicht.
Fin sackt in sich zusammen, bevor er sich aufrichtet, und ihr die Tür öffnet. Nora steht mit tränenverquollenen Augen draußen, und der Wind weht durch die Bäume. Sie schaut ihm nur kurz in die Augen, bevor sie sich ihm um den Hals wirft und losschluchzt.


38_ Fins Zimmer – Nacht/Innen


Wieder ist der Raum dunkel, und wieder scheint eine Straßenlaterne herein, diesmal allerdings eine andere, obwohl es dasselbe kalte Licht ist.
Nora und Fin sitzen sich gegenüber am Bett, und während er melancholisch-traurig vor sich hinstarrt, schluchzt Nora noch immer leicht. Sie scheint sich zu schämen, in einer gewissen Weise unterdrückt sie das Schluchzen.

NORA_
„Ich meine... natürlich streiten wir uns oft, du hast ja meine Mum kennen gelernt. Aber heute hat sie es weiter als sonst getrieben...“

Fin sieht sie traurig an.

NORA_
„...sie hat gesagt, du hättest einen schlechten Einfluss auf mich, du bist ihr allgemein suspekt...“

FIN_
“Du lässt dir von ihr vorschreiben, was du tun sollst, wen du treffen sollst?!“

Nora lacht beinahe gequält, oder versucht es zumindest.

NORA_
„Natürlich nicht! Aber, verdammt noch mal, sie ist meine Mutter! Bekommt sie nicht mit, was mir an dir liegt? Ich meine... Sollte da nicht eine gewisse Bindung da sein? ... sie war mir noch nie so fremd wie in letzter Zeit...“

Die beiden schweigen, und draußen beginnt es zu Regnen.

FIN_
„...fuck, was soll ich da sagen? Meine Mum hat mich gar nicht mal mehr erkannt! Vor knapp siebzehn Jahren war ich noch ein Teil von ihr...“

Nora zündet eine Kerze an, und sieht Fin tief in die Augen.

NORA_
„Fin, ich werde dir nun bald eine Frage stellen, und es ist mir wichtig, dass du ehrlich bist. Ich will nichts von dir, was du nicht willst...“

FIN_
„Was meinst du?“

NORA_
„Shh.... Lass mir bitte Zeit...“

Sie nimmt Fins Hand, und legt sie in ihre. Sanft schließt sie die Finger, und nimmt mit der andern Hand die Kerze, tröpfelt langsam das Wachs auf seine und ihre Hand. Fin hält still...

NORA_
„Ich habe mir schon lange darüber Gedanken gemacht, besonders seit dem Tod meines Vaters. Doch gewagt hab ich’s dann doch nie, weil ich nie wusste, was dann mit mir passiert... und... ehrlich gesagt weiß ich noch immer nicht, was passieren würde...
Aber egal was danach kommt, zu zweit mit dir kann es nicht schlimm sein...“

Lange starrt Nora jetzt auf die beiden Hände, und dann wieder in Fins Gesicht.

NORA_
„Ich meine einfach einen Schlussstrich, einen Ausweg. Verdammt...“

Sie zögert wieder einmal, und bricht dann das Wachs, nimmt jetzt beide Hände von ihm.

NORA_
“Fin, ich will dich fragen, ob wir uns nicht umbringen sollten. Ich weiß es ist viellei...“

Doch Fin legt ihr den Finger auf die Lippen.

FIN_
„Shh....“

Sie starrt ihn verzweifelt an und wartet auf seine Antwort. Doch Fin hält die Augen geschlossen.

FIN_
„Gib mir Zeit, lass es uns erst in ein, zwei Wochen tun...“

Verzweifelt wirft sich Nora ihm um den Hals, klammert sich an ihn.

NORA_
„In neun Tagen ist Freitag...“

Er beginnt sie zu küssen. Immer intensiver werden die Küsse...

FIN_
“Ja... In neun Tagen.“

Sie küssen sich weiter, bis sich Nora zurücklegt, und er sie langsam auszieht. Irgendwann greift er dann zum Kondom.


39_ Vor einem alten Fabriksgebäude – Nacht/Außen


Auf einer kleinen Stiege vor der weißen Wand sitzt Joe, und versucht gerade, einen seiner Liebestexte zu vertonen. Erst schlägt er ein paar Akkorde, dann spielt er einzelne Melodien. Immer wieder nimmt er eine Taschenlampe, um sich selbst zu leuchten, wenn er sich in seinem Collegeblock Notizen macht. Eingeklebt, mit Büroklammern festgemacht und teilweise einfach nur rein gelegt sind einige Fotos. Fotos von Nora, manche zeigen auch Nora und Joe zusammen, auf einem Küssen sie sich. Die ganzen Bilder sind rund um mehrere Texte, die meisten sind durchgestrichen, und einer ist ein paar mal eingekreist: ‚bright love – GONE / for no reason – GONE, for no obvious one / left alone – HERE / standing in the dark – HERE, left alone with my fear /...’. Irgendwann gibt er dann auf, räumt das Zeugs in seine Tasche, und geht, mit seiner Gitarre am Rücken, wieder heim.
Tom fährt auf seinem Rad an ihm vorbei, doch die beiden kennen sich nicht und Tom fährt weiter. Mit seinen Kopfhörern im Ohr hört er erst spät, dass sein Handy klingelt, doch dann bleibt er unter einer Straßenlaterne stehen, nimmt das Handy aus der Hosentasche (‚Unbekannter Teilnehmer’) und hebt ab.

TOM_
„Hallo?“

DEALER_ durchs Handy
“Hey, ich bin's.“

TOM_
“Hi.“

DEALER_ Handy
“Sag schnell, wo bist du gerade?“

TOM_
“Auf dem Weg zu dir, schon fast da. Wieso?“

DEALER_ Handy
“Du kannst nicht zu mir kommen, du Schwachkopf! Ich hab doch auch Nachbarn, die was bemerken könnten! Wo bist du genau?“

TOM_
“Bin grad ins Industriegebiet gekommen...“

DEALER_ Handy
„Ok, fahr zurück und wart auf mich bei der Unterführung, ich komm vorbei. Bis gleich.“

Tom schüttelt erst ungläubig den Kopf, dann dreht er sein Fahrrad um und fährt zurück zur Unterführung, wo er sein Rad an eine Säule lehnt und wartet.
Es dauert nicht lange, da kommt auch schon der Dealer mit seinem Auto daher, und bleibt bei Tom stehen, winkt ihn ans offene Fenster und hält ein kleines, schwarzes Säckchen raus.

DEALER_
„Also: da sind zwei fertige Spritzen drinnen, die kannst du nachher auskochen und behalten, schenk ich dir. Und es is noch ein kleines Päckchen mit drei Gramm drinnen. Wie du das dann spritzt, weißt du?“

Tom nickt nur stumm.

DEALER_
„Also gut, das dürfte mal eine Zeit lang reichen.... Ich mach dir sogar einen Einsteigerpreis, sagen wir 120?“

TOM_
„Bist du verrückt? Für drei Gramm willst du 120 Euro?!“

Der Dealer zieht sein Päckchen wieder zurück.

DEALER_
“Hey, Junge... Das hier ist keine harmloses Gras mehr, das ist feinstes H., bei uns ist das Zeug halt mal teuer, verdammt. Also, nimmst du’s?“

Tom zögert nicht sehr lange. Er drückt dem Dealer all sein Geld in die Hand und nimmt das Päckchen.

TOM_
“Das sind hundert, mehr hab ich nicht mit. Geb ich dir nächstes Mal...“

Der Dealer starrt ihm direkt in die Augen.

DEALER_
“OK, aber auch nur weil ich dir ein bisschen vertraue. Seeya, du hast meine Nummer...“

Dann fährt er schon weg, und lässt Tom stehen, der sich langsam auf sein Rad setzt.


40_ An einer Bushaltestelle – Vormittag/Außen



Nora geht gerade nachhause, sie marschiert am Gehsteig die Straße entlang. Sie hat wie immer ihre Tasche geschultert, und der Verkehr zieht an ihr vorbei.
Joe sitzt im Bus und starrt aus dem Fenster, als er plötzlich auffährt und sofort auf den „Bitte Halten“-Knopf drückt. Wenige Meter später ist auch schon die nächste Haltestelle, und Joe springt raus, immer Nora im Blick, die er bereits durch die Fenster gesehen hat.

JOE_
„Hey, Nora!“

Nora schaut überrascht auf.

NORA_
„Oh... Hi Joe...“

JOE_
„Hab lang nichts mehr von dir gehört...“

NORA_
„...ich weiß... ich wollte dich nicht mehr anrufen...“

JOE_
„Ja... du hast auch nicht mehr abgehoben...“

NORA_
„Ich hab dir meine neue Nummer nie gegeben....“

JOE_
„hm... Hab gehört, du bist umgezogen...“

NORA_
„Ja... Ich wohn' jetzt hier in der Nähe...“

Joe schaut Nora ein wenig verzweifelt an.

JOE_
„Und wie geht es dir sonst so?“

NORA_
„hm... Ich komm klar...“

JOE_ hackt nach
„...und deine Mum, wie kommt die damit klar?“

NORA_
„pha... Die stürzt sich in ihre Arbeit.“

Es entsteht eine peinliche Stille.

JOE_
„Und? ... Ist irgendwas besonderes passiert bei dir in den letzten vier Monaten?“

Nora schaut ihn lange an.

NORA_
„Ja... ich hab wieder einen Freund.“

Joe bricht innerlich zusammen.

JOE_
„...und bist du glücklich?“

Nora schaut ihn wieder an, sie nickt.

NORA_
„Ich muss jetzt gehen. Bye.“

JOE_
„Bis irgendwann...“

Nora schüttelt leicht den Kopf. Und Joe schaut ihr traurig nach.


41_ In Fins Zimmer – Nachmittag/Innen



Nora und Fin sitzen sich gegenüber auf dem Teppich am Boden, während im Hintergrund der Fernseher läuft. Teleshopping. Ohne Ton.

NORA_
„...ich meine.. Ich hab ihn schon ewig nicht mehr gesehen, ich hab ihn eigentlich schon vergessen. Joe und ich waren damals nicht lange zusammen gewesen...“

FIN_
„Was hat er gesagt?“

NORA_
„Er hat eigentlich nur sinnlos herumgestottert und sonst eigentlich auch nur Smalltalk... Aber ich richtig gesehn, wie es ihm wehgetan hat, als ich dich erwähnt hab.“

FIN_
„Glaubst du, er malt sich noch Chancen aus?“

NORA_
„Ich bin mir sogar sicher... Aber keine Angst, ich hab ja jetzt dich...“

Sie nimmt Fins Hand, und schaut ihm tief in die Augen.

NORA_
„...und das für immer. Bald, Fin...“

Er beugt sich vor, und küsst sie.

FIN_
„Mein Dad kommt heute Abend wiedermal heim, kannst du mir bitte noch ein bisschen aufräumen helfen? Ich will nicht... ich will heute Nacht nicht mit ihm Streiten, verstehst du?“

Nora hält noch immer seine Hand.

NORA_
„Klar helf' ich dir. Aber hast du nicht gesagt, er fährt für drei Wochen weg?“

FIN_
„Ja, er hat eine von seinen Reisen abgebrochen, weil irgendwer krank geworden ist. Dafür fährt er morgen gleich wieder weg... ...es ist das letzte Mal dass ich ihn sehe...“

Nora streichelt seine Wange, und küsst ihn.


42_ Fins Haus – Abend/Innen



Fins Dad kommt heim.

FIN_
„Hey, Dad.“

Der stellt erschöpft seine Koffer ab.

FINS DAD_
„Hallo Fin.“


43_ Vor Noras Haus – Abend/Außen



Nora kommt gerade aus dem Haus, in der Hand einen Müllsack, und sie geht direkt auf die Mülltonnen zu, bleibt dort kurz stehen.
In dem Moment kommt Joe die Straße entlang, als wäre er zufällig hier, bis er 'zufällig' Nora sieht.

JOE_ nervös
„Ah, Hallo Nora...“

Nora schaut ihn finster an, und nimmt sich langsam die Kopfhörer aus den Ohren.

NORA_
„Was machst du hier?“

JOE_
„Ich bin zufällig grad vorbeigekommen, und...“

NORA_ fällt ihm ins Wort
„Nimmst du an, dass ich dir das jetzt glaube?“

JOE_ erwischt
„Was meinst du...?“

NORA_
„Joe, bist du mir nachgegangen?!“

JOE_
„Ich...“

Nora klappt die Mülltonne laut zu.

NORA_
„Ich glaube du gehst jetzt besser...“

JOE_
„Aber...“

...Nora bringt ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen, und geht stumm wieder hinein. Joe bleibt noch lange stehen...

44_ In Fins Wohnzimmer – Abend/Innen



Fins Dad mützelt gerade im Wohnzimmer auf der Couch, während Fin gerade noch den Geschirrspüler in der Küche einräumt. Nach kurzer Zeit verstummt das Klirren von Tellern und Tassen aus der Küche, und Fin steht im Türrahmen, betrachtet seinen schlafenden Vater.
Er setzt sich auf die andere Couch, nimmt die Fernbedienung und schaltet die Nachrichten ein.
Sein Vater wird wieder etwas munterer, schaut fern.

FIN_
„Dad?“

FINS DAD_
„...hm?“

FIN_
„Ich würde gerne eine Party machen... und... bräuchte dafür noch ein bisschen Geld.“

Die Nachrichtensprecherin redet immer wieder dazwischen. Fin schaut den Fernseher an, während sein Vater sich aufrichtet.

FINS DAD_
„Geht sich das mit deinem Lernen aus?“

FIN_ stöhnt
„Wenn du meine Nachprüfungen meinst...“

FINS DAD_
„Ich möchte, dass du das ernst nimmst! Du legst gerade die Grundsteine für dein späteres Leben!“

FIN_
„...ja, klar. Nein, nur keine Angst. Ich mach gute Fortschritte in Bio.“

FINS DAD_ mustert ihn
„Und Englisch?“

FIN_
„Quite well...“

Fins Vater lehnt sich wieder etwas zurück, und schaut wieder Nachrichten, während sein Sohn ihn erwartungsvoll anschaut.

FIN_
„...und?“

FINS DAD_
„Aso, ja. Ich überweis' dir ein bisschen was extra. Ausnahmsweise.“

FIN_
„Danke...“

FINS DAD_ unterbricht ihn
„Aber übertreib's nicht! Ich will nicht hören, dass sich die Nachbarn beschwert hätten, und lad' bitte nicht zu viele Leute ein, ok?“

FIN_
„Klar, ich halt's im Rahmen.“

Die beiden schauen wieder stumm fern.

FINS DAD_
„Wie sind eigentlich die neuen Nachbarn so?“

FIN_
„Naja... Sie ist recht... nett, ein wenig aufgesetzt. Und ihre Tochter ist ziemlich sympathisch...“

FINS DAD_
„hm... wir hätten's scheinbar auch schlimmer erwischen können...“

FIN_
„hm... stimmt.“

Er steht auf.

FIN_
„So, ich bin heut' Abend ein bisschen bei einem Freund. Ich komm aber nicht zu spät heim, ist das ok?“

Sein Dad nickt nur.

FINS DAD_ Augen auf dem Fernseher
„jaja, viel Spaß...“


45_ In Toms Zimmer – Innen/Nacht



Tom liegt in seinem Zimmer am Boden, mitten im Chaos, stoned wie noch nie. Sein rechter Arm ist hochgekrempelt, und ein paar Spritzen liegen noch am Boden, neben fast leeren Säckchen mit weißem Pulver. Und alles verschwimmt... CHANGE. Knapp zwei Stunden später, und Tom ist schon längst eingeschlafen. Jemand will die Tür schwungvoll aufmachen, doch sie ist versperrt. Lautes Klopfen.

FIN_ durch die Tür
„Tom?! Mach auf!“

Wieder Klopfen. Nur langsam erwacht Tom aus seinem Deirium.

TOM_ verschlafen
„...wha?...“

FIN_
„Hey, mach auf! Ich bin's, Fin.“

Tom richtet sich auf, reibt sich den Kopf, und schaut sich kurz um. Er ist sichtlich verwirrt. Schwerfällig und langsam beginnt er, die Spritzen in die nächstbeste Lade zu räumen.

TOM_
„...ich bin schon wach, zieh' mich nur mehr an...“

Er zieht sich behäbig am Tisch hoch, wankt zur Tür, sperrt auf und geht gleich zum Fenster um frische Luft rein zu lassen. Fin öffnet langsam, kommt herein und mustert den total kaputten Tom.

FIN_
„Also... man kann's auch echt übertreiben...“

TOM_
„üäh... Fuck off...“

Er schmeißt sich fix und fertig auf die Couch, und schaltet den Fernseher ein. Fin landet neben ihm. CHANGE. Nochmal viel später in der Nacht. Fin ist im sitzen eingeschlafen, Tom schaut noch immer ziemlich aufmerksam das schlechte Spätprogramm im Fernsehen.
Tom schaut kurz zur Seite und stößt Fin mit dem Ellbogen an.

TOM_
„Hey...“

FIN_ fast schlafend, mit geschlossenen Augen
„Was'n?“

TOM_
„Hast du eigentlich wieder Geld von deinem Alten bekommen?“

FIN_
„....klar.“

TOM_
„...äh... Kannst du mir da vielleicht ein bisschen was leihen?“

Fin macht die Augen auf, und schaut Tom an.

FIN_
„Hast du dein ganzes Geld weggekifft?“

TOM_
„Ja, und? Kannst du mir bitte dieses eine Mal was leihen? Bitte....“

FIN_ seufzt
„Nein, sorry. Ich mach wahrscheinlich bald eine Party, und da brauch' ich die ganze Kohle....“

TOM_
„Shit...“

Fin reibt sich die verschlafenen Augen und schaut auf die Uhr.

FIN_ genervt
„Ah, fuck... Ich hab meinem Dad eigentlich gesagt, dass ich heute nicht so lange wegbleib'...“

Er steht auf, packt seine Sachen, und geht.


46_ In Fins Zimmer – Innen/Mittag



Fin liegt ziemlich ramponiert aussehend quer über sein Bett. Leise schnarcht er dahin, die Anzeige seine Weckers sagt '13:11'. Die Sonne scheint hell durch die Vorhänge, und auf einmal läutet Fins Handy – 'Mitteilung erhalten'.
Ziemlich unwillig schlägt Fin erst die Augen auf, und hievt sich dann hoch. Er setzt sich erst einmal an den Bettrand und schnauft tief durch, er reibt sich das verschlafene Gesicht. Erst jetzt sieht er, wie spät es ist.

FIN_
„Scheiße...“

Nachdem er sich seine Sachen vom Boden ausgesucht hat, zieht Fin sich langsam an, und liest die SMS. Dann steckt er sein Handy ein, und wankt in die Küche runter, wo ein Zettel auf dem Tisch liegt. Er ist von seinem Dad.

FINS DAD_ off
„Guten Morgen, Fin.
Du hast noch geschlafen, wie ich gefahren bin, ich wollte dich nicht aufwecken. Hab dir das Geld diesmal aufs Konto überwiesen. Mach's bei deiner Party nicht zu wild, ok?
Wir sehen uns in ca. zwei Wochen wieder.
Paps.“

Nachdem er ihn gelesen hat, knüllt Fin den Zettel zusammen, und wirft ihn weg.

FIN_ ironisch, genervt
„Danke....“

Er dreht den Radio auf, und macht sich Frühstück. Als er sich gerade niedersetzen will, läutet es an der Tür. Er zögert kurz, doch dann steht er auf, und geht zur Haustür.
Draußen steht Nora.

FIN_ verwundert
„Oh, hi...“

NORA_ mustert ihn
„Guten Morgen, du bist gerade aufgestanden?“

FIN_
„Jaja... Was gibt’s?“

NORA_
„Ich hab nur gesehn, dass dein Dad schon weg ist, und hab die Musik gehört, und da wollt ich rüberschaun.“

Sie gehen in die Küche.

FIN_ dreht leiser
„Du hörst meine Musik bei dir drüben?“

NORA_
„Wenn das Fenster offen ist, ja...“

FIN_
„...cool...“

Er setzt sich wieder zum Frühstückstisch, sie zu ihm.

NORA_
„Fin, in nicht einmal mehr einer Woche ist Freitag.“

Fin hält im Kaffee Trinken inne. Er starrt sie an.

NORA_
„Vielleicht klingt es jetzt blöd oder so, aber ich will es mit Schlaftabletten machen. Wir sollen einfach nebeneinander einschlafen...“

Er hält über den Tisch ihre Hand und sagt nichts, während im Hintergrund fröhliche Musik aus dem Radio dudelt.

NORA_
„...wo willst du es eigentlich machen?“

Fin schweigt noch, er schaut kurz aus dem Fenster.

FIN_
„Ich will es nicht bei mir zuhause tun... Draußen?“

Er steht auf und räumt den Tisch ab, während Nora noch sitzen bleibt und jetzt auch aus dem Fenster schaut.

NORA_
„Ich kenne eine schöne Stelle im Wald....“

Fin steht hinter ihr, küsst sie.

FIN_
„Ok...“

Nora steht auf, und packt ihre Sachen schon wieder.

NORA_
„Meine Mum will, dass ich heute zum Mittagessen daheim bin... Ich komm in einer Stunde oder so wieder, ok?“

FIN_
„Bis nachher.“

Sie küssen sich noch einmal.


47_ In einer Apotheke – Nachmittag/Innen



Tom steht ziemlich ramponiert in der Schlange an der Kassa einer Apotheke. Die Kundin vor ihm nimmt von der lächelnden Verkäuferin ihr Sackerl entgegen, und macht Platz für Tom. Das Lächeln der Verkäuferin gefriert merklich, als sie den zerschlissenen Tom von Oben bis Unten mustert.

VERKÄUFERIN_
„Ja, bitte?“

TOM_ ziemlich fertig
„Eine Packung Aspirin oder ähnliches bitte...“

Die Verkäuferin zieht eine Augenbraue hoch, und dreht sich dann um, um eine Packung Tabletten vom Regal zu nehmen.

VERKÄUFERIN_
„Das macht dann Acht Euro Neunzig, bitte.“

Sie tippt etwas auf ihrer Kassa herum, während Tom umständlich zwei stark zerknüllte Fünfer aus seinen Taschen holt, und sie ihr auf den Laden legt.
Stumm gibt sie ihm sein Restgeld.

TOM_
„Danke... Wiedersehn...“

Er schleppt sich kaputt in Richtung Ausgang.

VERKÄUFERIN_ im Hintergrund
„Das macht dann Neunzehn Euro Fünfzig.“

IRGENDWER #3_ im Hintergrund
„Ich hab leider nur den Fünfhunderter da...“

Tom horcht auf.

VERKÄUFERIN_ legt die Scheine hin
„Das sind dann... Hundert, Zweihundert, Dreihundert, Vierhundert, Vierhundertfünfzig, Vierhundertsiebzig, Vierhundertachtzíg und Zehn Cent, hier bitte.“

Tom dreht sich um, und schnappt reflexartig nach dem Geld. Blitzschnell zuckt er herum, und rennt er aus dem Geschäft raus. Der Kunde bleibt kurz perplex stehen, bevor er ihm nach schreit und nachläuft.
Hektisch dreht sich Tom im Laufen noch ein paar mal um, ein paar Passanten wenden sich ihm zu, doch er bricht durch. Schnell sprintet er in die erstbeste Seitengasse, und springt über einen niedrigen Holzzaun. Er landet in einem Park wirft dabei ein Schild um 'Rasen betreten verboten', und er rennt weiter. Schnell rennt er durch eines der anderen Eingangstore, und kommt bei einem Haufen Fahrräder dabei. Nur kurz bleibt er stehen, und schnauft durch.
Sein Blick fällt auf die Fahrräder. Ein paar sind nicht abgesperrt. Er packt sich das erstbeste und tritt tief in die Pedale...


48_ Auf der Brücke – Nachmittag/Außen



Sie beobachtet das Wasser, das wie immer sanft unter ihr durchfließt. Lisa sitzt in letzter Zeit oft hier, starrt einfach in den Fluss, und heute hat sie eine Wodkaflasche neben sich stehen, schon fast leer, und heute starrt sie auch nicht ins Wasser – Heute lehnt sie mit geschlossenen Augen am Geländer, alles dreht sich um sie. Sie sieht nur ungenaue Schemen, und einer davon kommt gerade schnell auf sie zu. Mit einem Lallen streckt sie nur kurz die Hand aus, aber Tom hat sie schon längst gesehen und springt von seinem Rad ab.

TOM_ grinst
„Also wir treffen uns aber oft hier überm Wasser…“

LISA_ lallt
„Who….? He, Tom…. Hab ich dir schon mal erzählt, dass mein Va... dass mein Stiefvater ein Arsch is? Er hat….“

Sie nimmt zwischendurch die Flasche, schraubt sie umständlich auf und nimmt einen langen Schluck. Lisa schüttelt kurz den Kopf, der Wodka brennt. Dann dreht sie sich wieder zu Tom um, will etwas sagen, doch der Wodka kommt wieder hoch. Schnell dreht sie sich um zum Kotzen.

TOM_ beugt sich über sie
„Du hasts aber ordentlich erwischt. Komm erstmal runter von da…“

Er hilft ihr hoch, kickt die leere Flasche von der Brücke und bringt sie zu ein paar kleinen Bäumen am Ufer, wo sie sich die Seele aus dem Leib kotzt.

TOM_
„Ich hol nur kurz mein Rad…“

Während er weg ist, fällt Lisa auf die Knie, und stumme Tränen laufen ihre Wangen entlang. Als Tom im Hintergrund zurückkommt, wischt sie sich diese schnell davon, bis er wiederkommt. Lisa dreht sich um, steht auf.

LISA_ langsam
„Hast du ein neues Rad?“

TOM_ schnell
„Das ist nur ausgeborgt!“

Er reicht ihr ein Taschentuch, mit dem sie sich den Mund abwischt, und obwohl es ihr nach dem Kotzen besser geht, muss sie sich an seiner Schulter halten.

LISA_
„Ich will schlafen…“

TOM_
“Klar, ich bring dich heim…“

LISA_ träge
„…da kann ich auf keinen Fall hin, meine Mum darf mich auf keinen Fall so sehen…. Auf keinen Fall… …. ….kann ich bitte bei dir ausschlafen?“

TOM_ überrascht
„Nein, sorry, meine Eltern sind auch daheim. Aber du kannst bestimmt bei Fin schlafen, der hat immer sturmfrei…“

LISA_
„Bitte, ja….“

Sie legt den Kopf auf seine Schulter und scheint schon beinahe einzuschlafen. Tom zögert lange, er scheint etwas überfordert. Doch dann legt er den Arm um ihre Schulter, und sie gehen in Richtung Fin davon, das Rad bleibt liegen…


49_ Vor Fins Haus – Nachmittag/Außen



Nora klingelt gerade bei Fin an.

JOE_ im Hintergrund
„äh… hey, Nora…“

Nora versteinert, dreht sich langsam um.

NORA_ finster
„…es ist jetzt ganz wichtig, dass du ganz schnell gehst…!“

JOE_ irritiert
„Aber… ich wollte doch bloß ein bisschen mit dir reden!“

NORA_
„Aber ich nicht mit dir… Und jetzt geh. Schnell.“

JOE_
„Aber…“

Hinter Nora öffnet Fin gerade die Türe, er schaut zuerst Nora an, und dann irritiert Joe.

NORA_ resigniert
„Hallo Fin… Das ist Joe…“

JOE_ schaut Fin an
„…Fin? Du bist also ihr Freund? …ich auch…“

NORA_ wütend
„Du bist schon seit sechs Monate mein Freund!“

Joe kommt einen Schritt auf sie zu, greift nach ihrer Schulter, doch sie reißt sich los, Fin geht dazwischen.

FIN_
„Lass sie in Ruhe, Nora will nichts mehr von dir!“

JOE_ aggressiv
„Das weißt du natürlich am Besten, wie?!“

Fin stößt ihn nach hinten, es entsteht ein kurzer Schlagabtausch, in dem Fin böse am Kiefer getroffen wird, er blutet leicht.

NORA_ geht dazwischen
„Verdammt, hört auf!“

Doch Fin stürzt an ihr vorbei auf Joe und wirft ihn um, dann kniet er auf ihm und schlägt immer wieder auf ihn ein, Joe blutet stark aus der Nase. Nora zieht Fin von Joe herunter, stellt sich zwischen die beiden.

NORA_ laut
„Verdammt, hör auf! Joe, verschwinde! Ich will dich nie wieder sehen, hau ab!“

Dann zieht sie Fin ins Haus hinein. CHANGE. Etwas später bei Fin drinnen. Die beiden sitzen nebeneinander am Boden im Vorraum, Fin hält sich einen nassen Fetzen an die aufgeplatzte Lippe. Sie schweigen.

FIN_ längst beruhigt
„Sorry, bei mir sind da einfach ein paar Sicherungen durchgebrannt.“

NORA_
„Lass es… Er hätte nicht kommen sollen. Der Idiot akzeptiert es einfach nicht…“

FIN_
„Ich hab trotzdem überreagiert…“

Nora widerspricht ihm nicht…

FIN_
„Du… Ich will am Mittwoch eine Party machen…“

NORA_ entgeistert
„Eine Party?“

FIN_
„Ja, eine Art… Abschlussparty..“

NORA_
„Meinst du das gerade ernst??“

FIN_
„Ha? Wieso nicht?“

Nora springt auf, stellt sich vor ihn.

NORA_
„Ich meine das ernst! Das ist kein verdammter Spaß!“

Auch Fin steht langsam auf.

FIN_ beschwichtigend
„Ich natürlich auch, aber ich würde gerne noch einmal mit meinen Freunden feiern…“

NORA_ wütend
„Verdammt, hast du vorher doch mehr abgekriegt?! Ich finde das nicht lustig! Ist das für dich ein Spaß, dass dein Leben Scheiße ist?!“

Es läutet an der Türe, und Nora starrt Fin schwer atmend an, während er langsam zur Tür geht und öffnet.

FIN_ aus der Türe raus
„Es is grad sehr unpassend, Tom… Was ist denn mit….?“

Doch Tom lässt sich nicht irritieren, er geht einfach an Fin vorbei und bringt Lisa gleich ins Bad, nickt Nora im Vorbeigehen zu.

NORA_ flüstert Fin zu
„Was soll das?!“

Fin zuckt nur mit den Schultern.

TOM_ aus dem Bad
„Ich hab sie stockbesoffen gefunden, und sie hat mich fast angekotzt. Heim wollte sie nicht, und bei mir geht’s auch nicht. Also schlaft sie heut bei dir, ok?“

NORA_ leise, bebend
„Fin, ich…“

TOM_ steckt den Kopf durch die Türe
„Du.. äh, Nora… kannst du vielleicht kurz übernehmen? Ich kann sie schlecht ausziehn und unter die Dusche stellen….“

Nora verdreht die Augen, stürmt ins Bad, wirft Tom raus und schmeißt die Tür hinter sich zu.

TOM_ zur geschlossenen Tür
„Danke…“


50_ In Fins Wohnzimmer – Vormittag/Innen

Tom und Fin liegen jeweils auf einer Couch und schlafen tief, der Fernseher läuft noch, und auf dem Boden sind schon wieder eine leere Sackerl. Lisa hat die Nacht in Fins Bett geschlafen, und damit die beiden auf die Couches gebannt.
Natürlich läuft gerade Teleshopping im Fernsehn, als man jemanden die Treppe herunterkommen hört, und Lisa den Kopf durch die Tür steckt, und die beiden Schlafenden mustert. Sie hat ein schmuddeliges langes T-Shirt an, das ihr zu groß ist, und ein Hose, in die sie dreimal hineingepasst hätte. Alter Bestand von Fin.

Nachdem sie einige Zeit in der Tür gestanden ist, setzt sie sich auf den Teppich am Boden und lehnt sich an die Couch, auf der Tom schläft. Sie mustert ihn kurz. Dann nimmt sie die Fernbedienung und sucht nach einem besseren Programm, bei Musik bleibt sie stehen und dreht lauter

FIN_ schläfrig
„Mach das leiser...“

Auch Tom rührt sich, er dreht sich einfach nur genervt um.

LISA_ grinst; dreht leiser
„Jaja, ich hab eh auch Kopfweh... Wenigstens seid ihr jetzt wach...“

Fin richtet sich auf und streckt sich, dann stößt er Tom an, weckt ihn vollends auf.

FIN_
„Will irgendwer frühstücken?“

TOM_ müde, stöhnend
„Nein eigentlich nicht wirklich...“

LISA_
„Ja, ich brauch dringend einen Kaffee. Und Aspirin, irgendwas gegen Kopweh...“

Fin lässt sich schlapp zurückfallen.

FIN_
„Ist es ok für dich, wenn du dir den Kaffee selbst machst? Wir haben nur so ein Instant-Zeugs im Haus, findest du gleich rechts überm Herd. Aspirin is auf der anderen Seite...“

Stöhnend steht Lisa wieder auf und geht raus.

LISA_
„Jaja, großer Gentleman, ich werd's schon finden...“

Fin schaut wieder auf den Fernseher, doch Tom schaut ihr nach. Die beiden schweigen kurz, Fin grinst allerdings schon die ganze Zeit.

FIN_
„Und? Wird das noch was mit euch beiden?“

TOM_ abwesend
„...bin mir nicht sicher...“

FIN_
„...aber stören würds dich nicht, oder?“

TOM_
„Im Gegenteil, aber sie hats grad nicht leicht, und ich weiß nicht ob sie da auch mehr will. Klar als Stütze und Hilfe, aber als Freund? Ich will schon, aber ich bin mir nicht sicher, was sie will...“

FIN_
„Also ich würds euch beiden gönnen. Vielleicht kannst du dich dann auch wieder ein bisschen mehr zusammenreißen.“

Toms Gesicht verfinstert sich schlagartig.

TOM_
„Halts Maul.“

Fin quittiert das nur mit einem verstörten Blick auf seinen Freund, sagt aber nichts mehr. Vielleicht, weil Lisa bereits durch die Tür kommt. Sie hat eine große Tasse dampfenden Kaffees in der Hand und will sich gerade wieder auf den Boden setzen, da steht Tom plötzlich auf.

TOM_ kurz angebunden
„Ich geh duschen.“

Lisa schaut ihm irritiert nach, während er nach draußen ins Bad geht.

LISA_
„Was ist los?“

FIN_ Blick auf den Fernseher
„Nichts, er wollte halt duschen gehen.“

Lisa schaut ihn zweifelnd an, sagt aber nichts mehr. Die beiden sehen einfach fern.

FIN_
„Hab lange nichts mehr von dir gehört. Hat mich gestern ehrlich gesagt, ziemlich überrascht, wie du hier aufgetaucht bist...“

LISA_ seufzt
„Ja, ich hab grade eine stressige Zeit, da sind Partys und so halt um einiges zu kurz gekommen.“

FIN_
„Und ist währenddessen irgendwas passiert? Erzähl was du so getrieben hast.“

LISA_
„Nein, eigentlich war nichts spannendes. Bei dir? Tom hat mir erzählt, dass du eine neue Freundin hast.“

FIN_
„Ja, sie ist vor kurzem nebenan eingezogen. Nora.“

LISA_
„Freu dich, dass du jemanden hast...“

FIN_
„Ja, ich bin glücklich...“

Schweigen.

FIN_
„Wie schauts eigentlich bei dir mit Freund und so aus?“

LISA_ langsam
„Ich bin mir grade nicht ganz sicher. Neuorientieren und so... Kannst du bitte umschalten? Der Sender ist echt das letzte!“

Mit diesem dezenten Themenwechsel schließt sie die Unterhaltung, ab jetzt schweigen die beiden.
Nur bis Tom wenig später aus dem Bad kommt, er hat noch leicht nasse Haare. Tom zögert nicht lange und setzt sich zu Lisa auf die Couch, weil Fin seine ganze beansprucht.

FIN_
„Dann werd ich aber auch noch schnell duschen gehen.“

Er steht auf, wirft Lisa die Fernbedienung rüber und geht dann auch raus.
Tom und Lisa sitzen jetzt nebeneinander und schauen schweigend fern, doch jeweils eine Hand liegt unauffällig in der Mitte, die Hände wandern langsam. Beide schauen gespannt und interessiert auf den Bildschirm, während ihre Hände schon sich schon fast berühren. Es ist Tom, der schließlich die Initiative ergreift.


51_ Vor Noras Haus – Nachmittag/Außen



Tom geht gerade die Straße weg, und Fin sieht ihm nachdenklich nach, zündet sich eine Zigarette an. Immer wieder schaut er zu Noras Haustür, die gleich am anderen Ende des gelben Zweifamilienhauses ist, bis er schließlich seine Zigarette wegwirft, und doch anläutet. Noras Mutter öffnet.

TOM_
„äh... Hi. Ist Nora da?“

Noras Mutter gibt sich kalt, irgendwie triumphierend.

NORAS MUTTER_
„Sie hat gesagt, sie will nicht mit dir sprechen... Auf wiedersehen.“

Dann schließt sie die Tür.


52_ In Fins Zimmer – Nachmittag/Innen



Obwohl es draußen sehr hell ist, wirkt es sehr dunkel in dem Raum, in dem Fin am Boden sitzt, und sich gedankenverloren mit dem Handy vor seinen Füßen spielt. Irgendwann nimmt er es dann einfach und wählt Noras Nummer. CHANGE. Noras Handy läutet, doch sie drückt Fin weg, liegt nur stumm auf ihrem Bett.


53_ In Fins Haus – Nachmittag/Innen



Zufällig sieht Fin, wie Nora gerade am Haus vorbeigeht, und die Straße entlang geht. Schnell rennt er zur Tür hinaus, ihr nach.
Als er Nora eingeholt hat, dreht sie sich zu ihm um.

NORA_ kühl
„Ich habe gerade keine Zeit...“

Fin ist sichtlich getroffen.

FIN_
„Können wir heute Abend reden? Bitte...“

Doch Nora dreht sich nur um, und gibt sich die Kopfhörer in die Ohren. Sie geht weiter, lässt ihn mitten auf der Straße stehen.


54_ In Fins Haus – Abend/Innen



Fin sitzt vor seiner Haustür, mit dem Rücken an die Wand gelehnt. Er wartet und starrt immer wieder auf die Uhr. 18:32. CHANGE Fin hat die Knie angewinkelt und seinen Kopf verzweifelt darauf gelegt, er schaut wieder auf seine Uhr 18:51. CHANGE 19:22. CHANGE Fin sitzt noch immer dort, das Gesicht in seinen Händen vergraben – es ist 19:48.
Da erscheint Noras Schemen in der Glastür, sie läutet.
Fin seufzt, und steht langsam auf, öffnet die Tür, und Nora sieht ihn eindringlich an.

FIN_ niedergeschlagen
„Hi... komm rein.“

Nora kommt herein, streift seine Hand im Vorbeigehen und geht dann ins Wohnzimmer, wirft sich auf eine Couch und schaut Fin lange an, der setzt sich auf den Teppich vor ihr.

NORA_
„Ich habe viel nachgedacht. Ich verstehe deine Idee nicht, und eigentlich verabscheue ich sie noch immer...“

FIN_
„Nora, bitte. Ich weiß, dass du mich nicht verstehst, und zum feiern zumute ist mir auch nicht, aber ich will meine ganzen Freunde ein letztes Mal sehen. Die kommen aber nur bei einer Party alle zusammen... Und wenn unser Leben schon endet, warum dann nicht mit einem Knall davor?“

Er versucht, gequält zu grinsen. Nora setzt sich zu ihm auf den Boden, nimmt seine Hand.

NORA_
„Ich will nicht, dass das zwischen uns steht. Mach deine Party. Triff deine Freunde. Aber lass mich nie mehr los...“

Sie umarmt und küsst ihn.

FIN_
„Nie mehr...“

Er küsst sich nochmal, sie zieht ihn ganz auf den Boden...


55_ In Fins Zimmer – Vormittag/Innen



Fin und Nora liegen beide auf dem Bett, starren an die Decke.

NORA_
„Wir wissen noch immer nicht, wo wir es tun werden...“

FIN_ verwundert
„Was ist mit dem Wald?“

NORA_
„Ich hab mir das noch überlegt... Ich weiß nicht. Ich will nicht für Tage und Wochen im Wald liegen, ohne dass wir gefunden werden...“

FIN_
„Ist das nicht sowieso egal, wenn wir dann tot sind?“

Nora macht eine lange Pause. Trotz allem, ist es für sie erschreckend, wie locker Fin alles ausspricht.

NORA_
„Nein, es ist nicht egal. Man kann auch sich auch schön verabschieden...“

Sie nimmt seine Hand.

NORA_
„Deswegen möchte ich mit dir zusammen gehen. Fin, ich will nicht alleine sterben...“

Er drückt ihre Hand.

FIN_
„Wir werden zusammen sterben. Miteinander einschlafen, so wie du es gesagt hast...“

NORA_
„Willst du das auch?“

FIN_
„Ja.“

NORA_
„Wir müssen uns noch die Tabletten besorgen...“

FIN_
„Die können nicht so schwer zu kriegen sein.“

Nora setzt sich auf, und mustert Fin verwundert, irgendwie besorgt.

FIN_
„Ich muss sowieso noch einkaufen, ich schau, ob ich welche in der Apotheke bekomme. Sind die rezeptpflichtig?“

Wieder schaut Nora besorgt und beinahe misstrauisch.

NORA_
„Für was musst du denn noch einkaufen?“

FIN_
„Die Partygäste wollen versorgt werden...“

Nora sieht demonstrativ aus dem Fenster.


56_ In Fins Küche – Abend/Innen



Tom und Fin kommen herein, beide tragen große Rucksäcke und jeweils eine Bierkiste, die sie erschöpft auf die Ablage stellen. Flaschen klirren.

FIN_
„Glaubst du wir kommen damit aus?“

TOM_
„Kommt drauf an, wie viele Leute dann wirklich kommen...“

FIN_
„Naja, ich rechne mit ungefähr Zwanzig...“

TOM_ schaut in die Rucksäcke
„Doch, das dürfte reichen... Und du willst sicher nichts verlangen? Das ist ein Haufen Kohle, der da versoffen wird...“

FIN_
„Nein. Ich hab damit gerechnet, dass es einiges kosten wird...“

Sie räumen die Rucksäcke aus und fördern mehrere Whisky- und Wodkaflaschen zu Tage, die sie der Reihe nach aufstellen.

FIN_
„Und kannst du bitte noch ein bisschen Gras aufstellen? Ich schätze mal, dass mehr als einer einem Joint nicht abgeneigt wäre... Ich geb' dir natürlich das Geld.“

TOM_
„Klar...“

Sie räumen weiter herum.

TOM_
„Was war das eigentlich vorher noch in der Apotheke? Bist du krank?“

FIN_ räumt sehr bestimmt herum
„Nein, ich wollte nur ein paar Aspirin daheim haben, wenn ich eine Party mache...“


57_ In Noras Zimmer – Abend/Innen



Nora sitzt gerade im Schneidersitz auf ihrem Bett, wieder ihre Bibel aufgeschlagen. Diesmal das Hohelied der Liebe, Kapitel acht, Absatz eins.

DIE BIBEL_ (off)
„Träfe ich dich draußen, / ich würde dich küssen; / niemand würde mich deshalb verachten.“

Daneben liegt ein verschwommenes Foto von Fin. Nora seufzt schwer und schlägt eine andere Seite auf, die durch ein Lesezeichen markiert ist. Es ist im Buch der Weisheiten, Kapitel eins, Absatz dreizehn.

DIE BIBEL_ (off)
„Denn Gott hat den Tod nicht gemacht / und hat keine Freude am Untergang der Lebenden.“

Nora lehnt sich an die Wand hinter ihr und starrt nachdenklich auf die Zeilen, ohne sie wirklich zu lesen, sie ist mit Gedanken ganz wo anders. Erst durch das Klopfen an ihrer Tür wird sie aus den Träumen gerissen.

NORA_
„Ja?“

NORAS MUTTER_ steckt den Kopf durch die Tür
„Ich bin heute Abend im Fitnessstudio, also mach dir selbst was zu Essen, ok?“

Nora nickt abwesend.

NORAS MUTTER_ zögert
„Na dann...“

Sie dreht sich um und will die Tür hinter sich schließen.

NORA_ hinterher
„Mum?“

NORAS MUTTER_ kommt zurück
„Ja, Nora?“

NORA_
„Ich wollte nur fragen... weil... Hast du Morgen Abend für mich Zeit?“

NORAS MUTTER_ freudig überrascht
„Gerne, für was?“

NORA_
„...keine Ahnung, wir haben schon lange nichts mehr miteinander gemacht... Ich koche morgen Abend für dich...“

NORAS MUTTER_ lächelt
„Gerne...“

Sanft schließt sie die Tür hinter sich.


58_ In Noras Zimmer – Abend/Innen



Blackscreen – es klopft, und eine Tür geht auf:

NORA_ überrascht
„Hey, du hier?“

FIN_
„Ja, ich hab deine Mum wegfahren sehen, und hab mir gedacht: Warum nicht auch mal zu dir kommen?“

Ein Kuss. CHANGE. Die Tür zu Noras Zimmer geht auf, und die beiden kommen herein, Fin schaut auf die Umzugsschachteln, die offen herumstehen.

FIN_
„Noch immer nicht ausgepackt?“

NORA_
„Für was denn?“

Fin verstummt und setzt sich schweigend aufs Bett, Nora neben ihn. Sie umarmt ihn.

NORA_
„Wir wissen noch immer nicht, wo...“

Fin starrt auf die leeren Weinflaschen, die in der Ecke des Zimmers stehen.

NORA_ folgt seinem Blick
„So hats angefangen...“

Fin küsst sie.

FIN_ steht auf
„Komm, wir gehen spazieren!“

NORA_ irritiert
„Wohin?“

FIN_
„Keine Ahnung, suchen wir uns einen Platz für Freitag.“

Jetzt steht auch Nora auf, und küsst ihn.

NORA_ leise
„Draußen?“

FIN_
„Lassen wir den Rest einfach hier...“


59_ In einem Waldstück auf einem Hügel – Abend/Außen



Nora und Fin gehen Hand in Hand durch die Dämmerung. Der Wald rund um sie wirkt einsam, obwohl man entfernten, gedämpften Straßenlärm hören kann. Zwischen den Blättern sieht man schon die ersten Lichter der abendlichen Stadt.
Schweigend gehen die beiden nebeneinander, bis sie zu einer kleinen, überdachten Plattform kommen, von der aus man einen guten Ausblick über die Stadt hat.

FIN_
„Hier.“

NORA_
„Ja, hier. Am Freitag...“

Die beiden schweigen, während sie sich an den Rand der Plattform setzen, und den Blick über das Panorama schweifen lassen. Nora legt dabei ihren Kopf auf Fins Schulter.

FIN_
„Ich war heute schon einkaufen...“

NORA_
„Für die Party?“

FIN_
„Nein. In der Apotheke...“

Stille.

NORA_
„Am Freitag...“


60_ Auf dem Heimweg – Nacht/Außen



Es ist bereits dunkel, als Fin und Nora nach Hause gehen. Die Straße ist in unregelmäßigen Abständen hell beleuchtet, immer nur mit einem kleinen Lichtkegel.

NORA_
„Ich habs mir für morgen Abend mit meiner Mum ausgemacht...“

FIN_
„Was denn?“

NORA_
„Ich hab ihr vorgeschlagen, für sie zu Kochen... Ich... hab keine Ahnung, wieso... Ich schätze mal, dass ich einfach nicht so von ihr gehen will, ganz ohne mich mit ihr ausgesprochen zu haben...“

FIN_
„Du willst es ihr sagen?!“

NORA_
„Nein, natürlich nicht! Ich will nur einfach so mit ihr reden. Vielleicht tut es ihr dann mehr weh, wenn ich sterbe...“

Sie schaut ihn von der Seite an. Fin geht schweigend neben ihr. Sein Gesicht wirkt im weißen Licht der Straßenlaterne blass.
Als die beiden dann vor ihrem Haus ankommen, zögert Fin.

FIN_
„Kommst du noch mit rauf?“

NORA_ lächelt
„Nein, ich muss morgen bald aufstehen und einkaufen. Dann kochen... oder es zumindest versuchen...“

FIN_
„Heißt das, wir sehen uns morgen nicht?“

Sie streichelt seine Hände.

NORA_
„Wahrscheinlich nicht... Aber übermorgen dann wieder...“

FIN_
„Nora, ich liebe dich...“

Sie lächelt ihn an.


61_ Im Fernsehen



HOMER SIMPSON_
„I'm just tryin' to party with you guys...!“

BART SIMPSON_
„Homer, first of all, its called partey. And second: we wouldn't partey with you, if you were the last dad on earth!“


62_ Fins Haus – Abend/Innen



Das ganze Haus ist voll, überall stehen und sitzen Leute mit Gläsern und Bierflaschen herum, Musik kommt aus dem Wohnzimmer.
Dort sitzen auch Lisa, Fin und Tom. Tom dreht gerade ein wenig an der Stereoanlage herum, legt eine neue CD ein.

FIN_ zu Lisa
„Und du willst wirklich noch nichts?“

LISA_
„Nein, das Cola reicht mir noch.“

Sie dreht sich um, und am Teppich hinter ihr steht ein kleiner Tisch, der mit Gläsern, Flaschen und Tellern vollgestellt ist. Zielsicher nimmt sie sich einen bunten Becher und trinkt herunter.

IRGENDWER #4_ aus dem Hintergrund
„Hey Tom, mach mal die Musik lauter!“

TOM_ dreht ein bisschen leiser
„Fuck off, wir wollen uns unterhalten...“

LISA_
„Wo ist eigentlich deine Freundin, Fin?“

FIN_
„...die hat heute was mit ihrer Mum vor, kann also leider heute nicht.“

TOM_
„Und das hat sie nicht verschieben können?“

Fin macht eine Pause, trinkt von seinem Becher herunter.

FIN_ schlicht
„Nein.“

Tom und Lisa werfen sich einen unsicheren Blick zu, Fin steht auf.

FIN_
„So, mal schauen, wer schon alles da ist...“

Er geht weg, und lässt die beiden anderen zurück, Lisa sitzt noch am Boden, Tom auf der Couch. Und beide versuchen, sich möglichst nicht anzusehen, nichts Falsches zu sagen. Gar nichts halt.


63_ Noras Esszimmer – Abend/Innen



Das Streichholz entflammt fauchend, und Nora zündet damit die Kerzen an, ihre Mutter sitzt schon am Tisch.

NORAS MUTTER_
„Der ist aber schön gedeckt.“

Nora hat ihr gerade den Rücken gekehrt, um noch was zu holen, und verdreht die Augen.
Als Nora weg ist, macht ihre Mum allerdings trotzdem noch das Tischtuch und die Gedecke zurecht. Sie muss halt doch noch besser sein...
Dann kommt Nora mit den Suppentellern herein.

NORAS MUTTER_
„Und was verschafft mir nochmal die Ehre...?“

Nora serviert und setzt sich nieder.

NORA_
„Darf ich nicht auch mal nett sein? Wir haben einfach schon lange nichts mehr gemeinsam gemacht...“

NORAS MUTTER_
„Freut mich.“

NORA_
„Ja...“

Beide Löffeln schweigend ihre Suppe.

NORAS MUTTER_
„Der Nachbarsjunge schmeißt heute scheinbar eine große Fete. Weiß sein Vater davon?“

NORA_
„Ich denke schon...“

Sie essen weite.

NORAS MUTTER_
„Schmeckt sehr gut.“

NORA_
„Danke...“


64_ In Fins Haus – Abend/Innen



Lisa und Tom sitzen noch immer stumm beieinander, er betrachtet sie von der Seite.
Fin kommt mit einem anderen Freund von ihm wieder zurück, setzt sich auf die Couch.

FIN_
„Hey Tom, kennst du Andi noch?“

TOM_ nickt
„Hi.“

ANDI_
„Hallo.“

FIN_
„Das ist Lisa, eine Freundin von mir.“

Lisa nickt Andi zu.

FIN_
„So, Leute! Ich bin für die erste Tequilarunde!“

Er nimmt ein paar Stamperl vom kleinen Tisch, und schenkt den Tequila reih' um aus.

ANDI_
„Für mich bitte keine Orange...“

ALLE_
„Cheers!“

Andi, Tom und Fin sieht man schon an, wie sehr der Schnaps brennt, Lisa hat allerdings nur ruhig die Augen geschlossen. Sie lehnt sich zurück.

ANDI_
„Was is bei dir eigentlich so los in den Ferien, Fin? Glaubst du das du die Nachprüfung schaffst? Ha?“

FIN_ schüttelt den Kopf
„Ich mach mir keine allzu großen Hoffnungen...“

ANDI_
„Und? Wirst du die Klasse wiederholen? Oder hörst du auf mit der Schule?“

Fin schenkt stumm neu ein.

FIN_
„Ich weiß es noch nicht... Mal sehn', wie die Ferien überhaupt für mich ausgehen...“

ANDI_
„Für mich keine Orange, danke.“

ALLE_
„Cheers!“


65_ Bei Nora – Nacht/Innen



Nora und ihre Mum essen noch immer sehr schweigsam. Mehrmals schaut ihre Mum auf, bevor sie das Schweigen bricht.

NORAS MUTTER_
„Und, freust du dich schon wieder auf die Schule?“

Nora legt ihr Besteck nieder.

NORA_
„Mum, es sind Ferien...“

NORAS MUTTER_
„Naja, so oft gibst du mir ja nicht Gelegenheit, mit dir zu Reden.“

Nora fängt wieder an zu Essen.

NORAS MUTTER_
„Erzähl doch auch mal was von dir. Wie geht es dir denn so?“

NORA_
„Wie immer...“

NORAS MUTTER_ lacht
„So schlecht?“

Nora straft sie mit einem herablassenden Blick, ihre Mutter verschweigt.

NORAS MUTTER_
„Was ist nur aus meiner kleinen Nora geworden? Sieh dich an, du bist schon so erwachsen.“

NORA_
„Mum, du klingst wie in einem schlechten Film.“

NORAS MUTTER_ gekränkt
„Jetzt wirst du verletzend.“

Nora isst weiter.


66_ In Fins Haus – Nacht/Innen



Die Tequilaflasche ist schon sichtlich leichter geworden, und die vier sind mittlerweile schon zu acht, die Flasche kreist in der Runde.

TOM_ diskret zu Fin
„Hey, gehn wir nach oben, hab ziemlich gutes Zeug dabei.“

Fin nickt nur, und die beiden stehen auf.

LISA_
„Wohin?“

FIN_
„Tom und ich gehen kurz weg, wir kommen nachher wieder.“

Lisa schaut Tom kurz an, doch dann bekommt sie schon wieder die Flasche, und als Fin und Tom verschwinden, leert sie die Flasche in einem Zug.
CHANGE. Tom stopft gerade die Bong, während Fin die das Fenster aufmacht und die Vorhänge zu zieht.

TOM_
„Warum eigentlich die Party?“

FIN_
„Einfach ein letztes Mal feiern...“

Tom nimmt das Feuerzeug und heizt das Gras an.

TOM_ bläst Rauch
„Ein letztes Mal? Haust du ab?“

FIN_
„Glaub schon. Ich verschwinde bald...“

TOM_ reicht ihm die Bong
„Na dann...“

CHANGE. Lisa leert gerade den Wodka, und reißt die Arme in Siegerpose hoch. Partey.


67_ Bei Nora – Nacht/Innen



Leicht pikiert nippt Noras Mum an ihrem Glas, atmet dann aber tief durch und versucht wieder, freundlich zu sein.

NORAS MUTTER_
„Wie geht es eigentlich deinem Freund? Ihr seid doch ein Paar, oder?“

NORA_ schaut nicht auf
„Ja, sind wir.“

Ihre Mum lächelt.

NORAS MUTTER_
„Das freut mich für dich. Und? Wie ist er so? Ach, verliebt sein ist was Schönes...“

Nora tief durch.

68_ In Fins Haus – Nacht/Innen



Fin und Tom sitzen beide ziemlich breit am Boden, die Bong liegt irgendwo daneben, als Tom plötzlich lacht und sich aufrichtet.

TOM_
„Hey Fin...“

Fin grummelt nur aus dem Hintergrund.

TOM_
„Wenn du schon abhaust, dann will ich dir noch was zum Abschied schenken...“

Er nimmt seine Tasche, und das Säckchen mit den Spritzen heraus.

TOM_
„Hier... Arschteuer, aber flasht derbstens!“

Fin hat sich auch bereits aufgerichtet, und schaut nun auf die zwei Spritzen, die auf Toms offener Hand liegen.

FIN_
„Tom, ich weiß nicht... Hin und wieder ein bisschen Gras ist für mich ja ok, aber auf hartes Zeug will ich echt noch nicht umsteigen.“

Kurz wirkt Tom gekränkt, packt aber dann die zweite Spritze schnell weg.

TOM_
„Passt, bleibt mehr für mich... Ich komm dann nach.“

Und Fin geht schon zur Tür raus und wankt die Treppe hinunter, zurück ins Wohnzimmer, wo er sich am Türstock halten muss, und Lisa ihm entgegen wankt, sich an ihn anlehnt.

LISA_
„Bist eine gute Seele, Fin...“

Er nimmt auch einen Schluck vom Wodka, und geht dann zur Couch, Lisa neben ihm.


69_ Bei Nora – Nacht/Innen



NORA_ scharf
„Ja... Verliebt sein kann schon recht schön sein. Dad war auch ziemlich verliebt in dich!“

Noras Mum fällt das Besteck aus den Händen.

NORAS MUTTER_ sehr ruhig
„Ja, bevor dein Vater ...gestorben ist, waren wir recht glücklich... Stimmt schon...“

NORA_
„Du meinst, bevor er sich selbst umgebracht hat, oder?!“

NORAS MUTTER_ wütend
„NORA!“

NORA_
„Mum, lüg' mich bitte nicht an, ich hab euch doch damals gehört! Du hast gesagt, dass du dich scheiden willst!“

NORAS MUTTER_
„LÜGNERIN!“

NORA_
„Hast du einen anderen gehabt? Oder war es nur, weil er keinen Job hatte?!“

NORAS MUTTER_ rasend
„Aha? Du hast es ihm auch nicht gerade leicht gemacht? Wer hat ihn denn regelmäßig angeschrien, von wegen Hassen und so? Jaja, die Pubertät ist doch immer für eine Ausrede gut!“

NORA_ ganz ruhig
„Mum. Ich hasse dich dafür, dass du meinen Vater in den Tod getrieben hast. Ich gehe.“

Sie steht auf, und geht aus dem Haus. Ruhig.


70_ In Fins Haus – Nacht/Innen



Fin und Lisa hängen beide schon ziemlich besoffen in der Couch, er lehnt an ihrer Schulter, trinkt gerade aus einer Sektflasche, die Party rundherum ist in vollem Gange.
CHANGE. Wieder eine größere Gruppe rund um den kleinen Tisch, sie würfeln und regelmäßig muss irgendwer aus der Runde einen kräftigen Schluck aus der Wodkaflasche nehmen. Gerade säuft Fin den letzten Schluck, und er bekommt von drei Mädchen gleichzeitig einen Kuss auf die Wangen, auch von Lisa. Nur die stößt ihn dann nach hinten und holt sich noch einen Kuss. Und noch einen...
Tom im Hintergrund hält sich auch am Türrahmen fest, und beobachtet die beiden mit traurigen Augen. Dann dreht er sich schnell um und rennt wieder zurück in Fins Zimmer, wo er mit zitternden Fingern die zweite Spritze auspackt, und sich in den Arm rammt. Das Heroin rinnt ins Blut, viel zu viel Heroin, und Tom fällt mit flackernden Augen auf den Rücken. Er zuckt unkontrolliert.


71_ In Fins Haus – Nacht/Innen



Blackscreen – Musik, ein Schrei.

NORA_
„Du Arsch! ICH HASSE DICH, FIN!“

Eine Tür schlägt. CHANGE. Fin schaut verwirrt auf, sieht Nora weglaufen, schaut die irritierte Lisa an.

FIN_
„Scheiße!“

Er springt auf, und will Nora nachlaufen, doch er rutscht im Vorraum aus, und bleibt wimmernd dort liegen. Er kotzt und weint.


72_ In Fins Haus – Vormittag/Innen


Der Tag danach. Jemand hat Fin in sein Bett getragen, in dem er jetzt noch immer liegt, und seinen Rausch ausschläft, daneben steht ein Kübel. Zur Sicherheit.
Es klopft leise, und eine zersauste Lisa kommt herein, bleibt kurz mitten im Raum stehen, schaut sich um, und versucht sich vorzustellen, was Tom hier gestern getrieben hat. Ihr Blick fällt auf eine zerbrochene Spritze, die fast unterm Bett verschwindet. Dann macht sie sich daran, Fin sanft aufzuwecken.

LISA_ sanft
„Hey, Fin...“

Fin schlägt die Augen auf, und betrachtet Lisa, wie sie neben seinem Bett steht. Dann kommen die Erinnerungssplitter. Er dreht sich um.

FIN_
„Oh, scheiße...“

LISA_ behutsam
„Fin, du musst schnell aufstehen, unten wartet einer von der Polizei auf dich...“

Fin richtet sich auf und schaut sie verständnislos an.

LISA_
„Sie haben Tom gestern noch mit dem Notarzt abgeholt... Er hat sich eine Überdosis gespritzt... Hast du gewusst, dass er auch harte Drogen genommen hat?“

Fin schaut weg.

LISA_
„Und Noras Mum war da. Nora ist gestern nicht mehr nachhause gekommen...“

FIN_ alarmiert
„Wo ist sie hin?“

Pause.

LISA_
„Seit gestern Nacht hat sie keiner mehr gesehen...“

Wieder fühlt sich Fin schuldig.

FIN_
„Das mit gestern Abend...“

LISA_ schluckt schwer
„Scheiße, wir waren beide besoffen...“

Fin schweigt. Er hat sich in seinem Bett aufgerichtet, er war voll angezogen darin gelegen.

LISA_
„Sie sagen, Tom hat sich die Überdosis absichtlich gesetzt, es war zu viel, um ein Unfall zu sein... Glaubst du, er hat... hat uns gesehen?“

Fin reibt sich verzweifelt das Gesicht.

FIN_
„Bestimmt... Scheiße, war da zwischen euch schon mehr?“

Diesmal lässt sich Lisa ziemlich Zeit.

LISA_
„Noch nicht wirklich... Aber es war schon so eindeutig, es war irgendwie... ganz anders. Normalerweise hab ich vorher was, und dann...“

FIN_ steht auf
„Ist der Polizist noch da?“

LISA_
„Ja, er steht unten...“

Fin geht hinaus und will die Tür hinter sich schließen.

LISA_
„Fin?“

Er dreht sich nochmal um.

LISA_
„Sie geben dir die Schuld, dass Nora verschwunden ist...“

...

FIN_
„Ich weiß...“

CHANGE. Blackscreen.

POLIZIST_
„Bist du Fin Lehner?“

FIN_
„Ja, wieso?“

POLIZIST_
„Ich würde dir gerne ein paar Fragen über gestern Abend, und über deine Freundin stellen...“


73_ In Fins Zimmer – Nachmittag/Innen



Stumm sitzt Fin in seinem Zimmer, starrt melancholisch auf eine Kerze, die auf der Fensterbank neben seinem Bett steht, auf dem er liegt. Seine Gedanken sind bei Nora, beim gestrigen Abend und gleichzeitig überlegt er, ob es Nora schon gewagt hat.
Ohne ihn.
CHANGE. Einsam wandert Fin durch den Wald, in dem er mit Nora erst vor ein paar Tagen spazieren gewesen sind. Sein Ziel ist die kleine, überdachte Plattform, auf der er mit ihr gesessen ist, wo sie es tun wollten, doch dort ist niemand, die Bänke sind verlassen.


74_ Auf dem Weg zu Fins Haus – Nachmittag/Außen


Joe legt eine Schaufel ins hohe Gras, und wartet zwischen ein paar Bäumen, den Blick auf die Straße vor Fins Haus gerichtet – Und es dauert auch nicht lange, bis Fin sich blicken lässt, er geht gerade heim, den Kopf gesenkt. Da geht Joe hervor.

JOE_
„Was, sie haben dich noch gar nicht mitgenommen?“

Fin schaut überrascht auf, und sein Blick verfinstert sich, als er Joe sieht.

FIN_
„Was willst du hier?“

JOE_
„Ich hab davon gehört, dass die Polizei da war, und es wundert mich, dass sie dich noch nicht festgenommen haben.“

Fin geht weiter.

JOE_
„Die wissen nämlich wie wir alle, dass du Nora zum Abhauen getrieben hast!“

Jetzt bleibt Fin stehen, und dreht sich um.

FIN_
„Du redest Scheiße. Verschwinde hier. Sie hat dir sogar selbst gesagt, dass sie dich nie wieder sehen will.“

JOE_
„Das hat sie nicht so gemeint! Sie hat mich immer noch in Schutz genommen!“

FIN_
„Aber auch nur, weil ich dich sonst wahrscheinlich totgeprügelt hätte...“

Er dreht sich wieder um und geht weiter, lässt Joe mit wutverzerrtem Gesicht stehen. Joe zögert kurz, doch dann greift er zu der bereitgelegten Schaufel, und gibt Fins einen flachen Schlag auf den Rücken, der schreit schmerzerfüllt auf.

FIN_
„Bist du verrückt?!“

Er greift nach der Schaufel, und es entsteht eine wüste Rauferei, immer wilder... spontaner Kampf (Umgebung -> Möglichkeiten?) ...bis Fin in Rage über dem am Boden liegenden Joe steht, die Schaufel fest in beiden Händen, weit ausholt und mit einem lauten Schrei zuschlägt. Blut spritzt auf den Boden, und Fin steht breitbeinig da, atmet schwer.
Erst langsam kommt ihm in den Sinn, was er gerade getan hat: Joe rührt sich nicht mehr!

FIN_ entsetzt
„...fuck!“

Die Schaufel fällt ihm aus den Händen, und mit fassungslosem Blick starrt er auf den Boden, wo Joe mit blutigem Kopf liegt. Jetzt ist alles zu spät. Noch immer wie betäubt zerrt er die Leiche ins Gebüsch.


75_ Im Waldstück – Abend/Außen



Noch immer paralysiert wandelt Fin die Wege entlang, ziellos. Bis er zu der Plattform kommt, und aus seiner geistigen Starre aufwacht.
Nachdenklich lehnt er an einem Holzpfosten, und lässt seinen Blick weit schweifen. Und auch seine Gedanken schweifen weit. Zu Nora.
Dann bleibt sein Blick an einer hohen Aussichtswarte hängen, und endlich hat er ein Ziel, ein letztes Ziel.
Die Stufen zum Besteigen des Turms sind schmal und steil, aber Fin geht sie zügig und bestimmt hoch, bis er durch die Tür auf die oberste Etage kommt, das Dach.
Die Stadt ist großteils schon beleuchtet, und der Wind weht ihm durch die Haare, während er an den Rand des Geländers tritt. Noch einmal lässt er seinen Blick schweifen, bevor er auf die kleine Mauer hinaufsteigt, die Arme schließt, und die Hände ausbreitet.

FIN_ off
„Endlich vorbei...“

Und er springt.

ABBLENDE



2005 wählten in Österreich rund 1400 Menschen den Freitod.

ENDE.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 05.06.2008

Alle Rechte vorbehalten

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