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Ich freue mich über Rückmeldungen jeglicher Art.
Maren hat sich heute Morgen alles haarklein berichten lassen, was ich in den letzten Tagen erlebt habe. Ich habe ihr von Robert erzählt, von deren toller Wohnung und auch von unserem Ausflug in die Hamburger Nachtwelt. Gewisse Details habe ich dabei allerdings ausgelassen, denn stolz bin ich wahrlich nicht darauf, mir einen anonymen Blow Job geholt zu haben.
Mit Frank habe ich am Mittag gesprochen. Er hat die ersten Klausurergebnisse im Internet gesehen und wollte mir nur Bescheid geben. Natürlich habe ich selbst gleich nachgeschaut. Geschafft! Das ist das Wichtigste. Er ist gerade mit Julia bei deren Eltern und etwas genervt. Er suchte einen Anlass, von dort zu verschwinden. Einen wirklichen Grund konnte ich ihm nicht geben, aber zumindest habe ich sie beide eingeladen, mich hier zu besuchen. Die letzten Tage haben mir gezeigt, dass ich gern meine Freunde um mich herum habe.
Am Nachmittag habe ich mir die Kinder geschnappt und bin mit ihnen ins Krankenhaus gefahren. Ich wusste, dass Hinnerk Dienst hat und wollte das ausnutzen, damit Linus zu seiner Kontrolluntersuchung nicht auf einen anderen Arzt trifft. Es war wenig los und so hat er uns schon zum Röntgen begleitet. Zum Glück verläuft die Heilung von Lasses Arm planmäßig und in einer Woche kann er wahrscheinlich schon seinen Gips loswerden. Der kleine Wicht war stolz wie Bolle, als Hinnerk ihn vor versammelter Mannschaft lobte, weil er die Untersuchung so tapfer ertragen hatte. Mit einem neuen Gipsverband, dieses Mal in froschgrün, waren wir bereit für die Heimfahrt. Die Jungs wollten unbedingt noch einmal an den Strand, um ihren neuen Drachen steigen zu lassen. Ich hätte bei der Auswahl des Geschenkes wissen müssen, dass ich meist der Auserwählte sein werde, mit dem sie den Drachen steigen lassen wollten.
Ich schüttelte gerade Hinnis Hand, als dieser mich einen Moment länger festhielt und mir tief in die Augen sah. Obwohl ich nun wusste, dass es nur ein Spiel war und er unerreichbar, breitete sich ein wohliges Kribbeln in meinem ganzen Körper aus, als ich seinen Blick auf mir, eher in mir, spürte.
„Ich habe in einer Dreiviertelstunde Feierabend“, meinte er, ließ meine Hand dabei zum Glück los und gab mir Raum, einen Schritt zurückzutreten. „Habt ihr Lust, mit mir etwas essen zu gehen? Ich habe keinen Bock allein zu essen und bei mir um die Ecke ist eine tolle Pizzeria. Ich lade euch ein.“
Einen Moment habe ich gebraucht, um das zu verstehen. Warum sollte er uns einladen? Mich und die Kinder? Nur weil er nicht allein essen wollte? Seltsam.
„Zum einen finde ich allein essen wirklich blöd“, führte Hinni aus, weil er mein Zögern wohl bemerkte, „zum anderen mag ich noch etwas mit dir besprechen. Also ich würde mich freuen.“
Ob er sich auch noch freuen würde, wenn er eine unruhige Mahlzeit mit zwei kleinen Kindern erlebte, wusste ich zwar nicht, aber nachdem die Kinder sofort freudestrahlend ihre Zustimmung gekreischt hatten, konnte ich auch nur nicken. Wir beschlossen, schon vorzufahren und dort ans Meer zu gehen. Hinni konnte uns am Strand einsammeln, wenn er von der Arbeit kam.
Da die Übergabe an seinen Kollegen eine Weile dauerte, blieb uns über eine Stunde zum Austoben am Strand. Zum Glück war gerade Ebbe und wir hatten einen breiten Streifen, auf dem wir herumtollen konnten. Der Wind fegte nicht allzu böig über den Sand und war dennoch stark genug, um den Drachen gut fliegen zu lassen. Da wir beim Aufbruch zuhause nicht damit gerechnet hatten, direkt nach draußen zu gehen, hatten wir uns nicht ganz so dick eingemummelt. Aber mit hochgeklappten Kapuzen, die am Hals fest verschnürt wurden, waren die Kinder zumindest ausreichend vor dem Wind geschützt. Ich wickelte mir meinen Schal um den Kopf, um die Ohren verdeckt zu haben.
Da es schon langsam dunkel wurde, hatten wir den ganzen Strand für uns allein und konnten uns richtig austoben. Ich merke langsam, dass mir der Sport fehlt. Ich muss mich wohl mal aufraffen, wieder regelmäßig meine Laufrunden zu drehen. Aber das Toben mit den Kindern entschädigt für eine fehlende Sportstunde. Linus hat sich nach kurzer Zeit schon recht geschickt angestellt und durfte den Drachen dann auch allein halten, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass der Zug, den der Wind auf den Drachen ausübte, nicht zu kräftig war und ihn umreißen konnte. Lasse war zwar ein bisschen traurig, dass er das noch nicht durfte, aber er war nun mal drei Jahre jünger und entsprechend leichter. Außerdem hatte er zur Zeit nur einen Arm zum Festhalten. Aber ich konnte ihn gut ablenken, indem ich mit ihm Muscheln sammelte. Die abziehende Flut hatte viele schöne Muscheln angeschwemmt und man musste nur geduldig sein beim Suchen. Mit einer kleinen Tüte, die ich noch im Auto gefunden hatte, machte er sich daran.
Als Hinnerk endlich kam und uns abholte, war mir dann doch schon ziemlich kalt geworden. Aber der Weg zur Pizzeria war zum Glück nicht weit und mit einem heißen Tee wurde mir schnell wieder warm.
Wenn ich gedacht hatte, Hinnerk könnte ein Problem mit dem Essen mit zwei kleinen Kindern am Tisch haben, dann wurde ich sehr getäuscht. Er fand genau das richtige Maß von Aufmerksamkeit und Strenge, dass die Zwerge uns auch einmal in Ruhe ließen. Die Auswahl an Speisen war nicht übermäßig groß, die Qualität dafür umso besser. Die Nudeln der Kinder und unsere Pizzen waren Extraklasse.
Während des Essens kam Hinni zu dem Thema, was er mit mir besprechen wollte. Robbis 33.Geburtstag am 10.3. Nachdem wir die Überraschungsfeier für Oskar so gut hinbekommen hatten, wollte er fragen, ob wir das für seinen Freund auch machen könnten. Roberts Eltern und seine Schwester samt Familie sollten zu dem Wochenende kommen und brauchten eine Unterkunft. Zum Glück wusste ich aus dem Kopf, dass wir drei freie Zimmer auf jeden Fall haben würden, denn die Gäste, die am Dienstag angereist sind, bleiben nur zehn Tage.
„…und Jasper soll natürlich auch kommen. Der müsste zumindest die Nacht von Freitag auf Samstag bei euch schlafen. Normalerweise würde ich ihn ja bei meinen Eltern unterbringen, aber zum einen sind wir da bestimmt am Freitagabend und außerdem ist meine Oma aus Husum momentan zu Besuch und belegt das Gästezimmer“, meinte Hinnerk beiläufig.
Jasper musste also ein besonderer Gast sein, wenn er sonst sogar bei Familie Schwegler untergebracht werden würde.
„Jasper ist Robbis Sohn“, ließ Hinnerk die Bombe platzen, als ich noch grübelte, wer der geheimnisvolle Gast sein sollte, „eine Jugendsünde sozusagen. Er ist zwar schon zwölf, aber in ein richtiges Hotel möchte ich ihn dann doch nicht geben.“
Robbis Sohn. Das musste ich erst mal sacken lassen. Der Mann verwunderte mich immer mehr. Hinnerk berichtete grinsend von den ersten Malen, an denen er den Jungen getroffen hatte. Da war er noch nicht einmal fest mit Robert zusammen, denn der machte eine Beziehung auch davon abhängig, dass sein Partner seinen Sohn akzeptierte – und umgekehrt.
„Zum Glück war Jasper schon über die Zeit hinweg, als er seine Eltern unbedingt wieder zusammen bringen wollte“, meinte Hinni lachend, „die ersten Jahre war es wohl recht anstrengend für alle Beteiligten. Robbi hat nie mit seiner Vorliebe für Männer hinter dem Berg gehalten, aber ein kleines Kind gibt die Hoffnung, beide Eltern wieder zu versöhnen, nicht so schnell auf. Zumal es nicht viel zu versöhnen gibt, denn Robbi versteht sich mit Isa, der Mutter von Jasper, sehr gut. Sie teilen sich das Sorgerecht und haben sich von klein auf immer zusammen um den Jungen gekümmert. Aber sie haben eben auch vereinbart, dass jeder von ihnen nur eine Partnerschaft eingeht, in der der Partner diese Situation mitträgt.“
„Hast du damit kein Problem gehabt?“, fragte ich spontan. Ich versuchte mir vorzustellen, wenn ich einen Kerl finden würde, der ein Kind hat…
„Nein, warum denn“, meinte Hinni locker. „Jasper ist ein toller Junge und manchmal, wenn sein Vater mal wieder einmal die strenge Autoritätsperson spielt, dann verbünden wir uns gegen ihn. Der Junge ist aber sehr gut erzogen und schlägt ganz selten über die Stränge. Am besten gefällt es mir, wenn er Robbi und mich als seine Väter vorstellt, ganz selbstverständlich. Ihm ist egal, wie blöd die anderen Menschen aus der Wäsche gucken. Meine Eltern sehen in ihm schon den Enkelsohn, den sie von mir nie bekommen werden. Alles eine große, glückliche Familie.“
Zwischendurch widmete er sich beim Erzählen immer wieder auch den Fragen der beiden Zwerge und ich konnte mir gut vorstellen, dass er auch mit Jasper sofort gut klargekommen ist. Nach einem Eis zum Nachtisch verabschiedeten wir uns voneinander. Beide Kinder waren schon sehr müde und ließen sich zu Hause problemlos von Maren ins Bett bringen.
Auch ich merke das anstrengende Wochenende noch und werde jetzt langsam ins Bettchen gehen.
Was für eine Nacht! Eigentlich war ich gestern doch sehr müde. Aber geschlafen habe ich nicht besonders gut. Immer wieder wurde ich zwischendurch wach und wenn ich schlief, träumte ich seltsames Zeug.
Ich schaue in den Spiegel und sehe mich im besten Disco-Outfit. Hautenge weiße Jeans (so eng, dass ich mich beim Anschauen schon frage, wie ich da reingekommen bin), ärmelloses, hautenges Shirt in türkis mit der glitzernden Silhouette von New York, Kajal, der meine Augen umrahmt (ich schminke mich nie!!!!), türkis-glänzende Schuhe (ich wüsste nicht einmal, wo man so eine Scheußlichkeit kaufen sollte). Mit manikürten Fingern (ich schüttele mich noch jetzt, wenn ich mich daran erinnere wie es im Traum war) streife ich durch meine Haare und verreibe ein bisschen Gel auf dem Kopf, zupfe die Strähnen in die richtige Richtung.
Im nächsten Moment bin ich schon mittendrin im Gewimmel. Laute Musik dröhnt durch meine Ohren, die Discokugel über mir verteilt das Licht zuckend im Raum. Ich stehe (wie John Travolta für Arme) mitten auf der Tanzfläche und bewege mich im Takt der Musik. (Wirklich gut konnte ich noch nie tanzen. Es geht halt so.) Ich bin ein wenig wie Moses, der das Meer teilt. Wo ich bin, halten die anderen Kerle einen respektvollen Abstand und blicken mich nur bewundernd an.
Augenscheinlich genieße ich die Aufmerksamkeit. Ich zwinkere einem Kerl zu, der bis dahin am Rand der Tanzfläche stand und ziehe ihn mit dem Magnetstrahl meiner Augen zu mir heran. Ein geiler Körper, der sich an meinen schmiegt. Wir werden eins mit der Musik. Er reibt sich an mir, ich werde hart und härter und komme … mitten auf der Tanzfläche, umringt von geifernden Kerlen …
Das war der Punkt, an dem ich mit nasser Hose aufwachte. Wie im besten Teenageralter hatte ein Traum ausgereicht, um mich abspritzen zu lassen. Ich will gar nicht wissen, ob ich selbst Hand angelegt habe oder nicht. Es war schon so peinlich genug!
Doch wer meinte, dass die Nacht danach ruhig verlaufen wäre, täuscht sich. Ich dachte das auch, als ich mich mit frischer Hose wieder hinlegte. Doch der Wahnsinn erfuhr sogar noch eine Steigerung, kaum dass ich die Augen wieder geschlossen hatte.
Nahtlos war ich wieder da, inmitten meiner Bewunderer. Doch hatte der Kerl vorher „nur“ einen geilen Körper, aber kein Gesicht, umringten mich nun gleich fünf knackige Kerle, deren Visagen mir nur allzu bekannt waren (ob die Körper da wirklich immer der Realität entsprachen, wage ich noch zu bezweifeln). Frank, Emil, Oskar, Ole und Hinnerk buhlten um meine Gunst. Einer nach dem anderen presste sich an mich. Von allen Seiten berührten mich Hände und Zungen, verwöhnten mich. Die Tanzfläche gehörte allein uns und ich war der Held, dem die Zuneigung der Massen nur so zuflog.
Das Ergebnis war ernüchternd – als ich keuchend und schwitzend erwachte, war zum zweiten Mal in einer Nacht dasselbe passiert. Ich war allein, die geilen Kerle mit den mir so bekannten Gesichtern waren allesamt verschwunden, und ich durfte selbst mit meiner nassen Hose und dem Frust klarkommen.
Was soll mir ein solcher Traum sagen? Bin ich so notgeil, dass ich jetzt schon feuchte Träume brauche? (Dabei hatte ich doch gerade meinen zweifelhaften anonymen Spaß und sollte für eine Weile befriedigt sein.) Oder kann ich die Vielzahl meiner neuen Freunde einfach nicht unter einen Hut bringen. Emil, Frank und Ole sollte ich wohl auf jeden Fall nichts von diesem wirren Traum erzählen. Nachher bekommen sie doch noch Angst, dass Schwulsein ansteckend sein kann. (Vielleicht wäre das bei Ole derzeit ein kleineres Problem, wenn er dafür so locker umher springen könnte.)
Auf jeden Fall bin ich sehr verwirrt aufgewacht. Erst die heiße und kalte Dusche im Wechsel und ein frischer Becher Kaffee haben mich wieder halbwegs beruhigt.
Ich träume schließlich nie oder zumindest kann ich mich normalerweise nicht daran erinnern. Hier jedoch waren alle Details so lebensnah, dass ich genau sagen könnte, wer von den Jungs wo an meinem Körper herumgespielt hat. Allein die Erinnerung daran lässt meine Gedanken wieder fließen und meinen Kopf knallrot werden.
Dabei muss ich heute einen kühlen Kopf bewahren. Ich habe schließlich Maren versprochen, sie auf ihrer Fahrt zum Termin des Familiengerichts zu begleiten. Da die Kinder auch „vorgestellt“ werden müssen, ist es besser, wenn noch jemand zu ihrer Betreuung da ist, wenn die Verhandlung sich länger hinziehen sollte.
In meinen Augen gibt es nur eine Entscheidung – die Kinder müssen bei ihrer Mutter bleiben. Aber man hat ja schon oft gehört, dass Gerichte mitunter sehr seltsame Entscheidungen treffen.
Ich bin ziemlich müde. Unsere kleine Siegesfeier gestern Abend ist doch noch ausgeufert. Die Verhandlung hat zwar recht lange gedauert, aber zum Glück hat der Richter auf eine Anhörung der Kinder verzichtet. Ich hatte ein paar Bücher und zwei Spiele eingepackt, um uns die Zeit zu vertreiben.
Maren war wahnsinnig aufgeregt, als sie sich auf dem Flur mit ihrer Anwältin traf. Ich habe ihr einfach noch einen Kuss auf die Wange gegeben und mich dann mit den Kindern auf eine Bank vor die Tür des Verhandlungsraumes gesetzt. Dummerweise hatten wir nicht daran gedacht, dass ihr Ex, der Vater der Kinder, natürlich auch kommen würde. Ich hatte gerade aus einem Buch vorgelesen, als er plötzlich vor uns stand und auf uns hinabstarrte. Als Lasse seinen Vater entdeckte, fing er an zu weinen und kletterte auf meinen Schoß. Auch Linus krallte sich in meinen Arm fest und zitterte vor Angst.
„Bist du Marens Neuer?“, zischte er wütend. „Auch du wirst es nicht schaffen, dass die Richter mir meine Kinder wegnehmen. Meine Jungs werden nicht bei einer Hure aufwachsen.“ Er lachte böse. „Hoffentlich besorgt sie es dir richtig. Aber mach dir nichts vor, irgendwann wirst auch du sie langweilen.“ Er streichelte Linus und Lasse über den Kopf. „Bald könnt ihr wieder bei Papa leben, Jungs. Damit ihr zu zu echten Kerlen werdet.“
Ich saß da, einen Arm um Linus gelegt, mit dem anderen Lasse festhaltend, der sich so fest es ging mit seinem freien Arm an mich klammerte und noch immer vor sich hin weinte, und war sprachlos. Es kam mir durchaus einiges in den Sinn, was ich hätte antworten können. Aber all das hätte diesen Primaten nur noch mehr gereizt und die Kinder noch mehr geängstigt. Ich konnte nur hoffen, dass er in der Verhandlung ähnliche Weisheiten von sich geben würde, damit der Richterspruch eindeutig war.
Es dauerte eine ganze Weile, bis die Zwerge sich wieder etwas entspannten. Allein für die Angst, die dieser Kerl, der sich Vater nennen durfte, seinen Söhnen machte, gehörte er bestraft, von den Beschimpfungen seiner Noch-Ehefrau gegenüber einmal ganz zu schweigen.
Maren hatte mir einmal, als wir abends noch bei einem Glas Wein zusammen gesessen haben, erzählt, wie sehr ihr Mann sich in den letzten Jahren verändert hatte. Er wurde immer eifersüchtiger, trank mehr und begann sie zu schlagen. Seit er arbeitslos wurde und den ganzen Tag zuhause mit einer Bierflasche in der Hand auf dem Sofa herumlungerte, wurde es immer schlimmer. Irgendwann durfte sie nicht einmal mehr allein zum Einkaufen gehen, weil er überall Nebenbuhler vermutete. Er begleitete sie und schlug sie, kaum dass sie wieder in der Wohnung waren, bloß weil Maren dem Fleischer beim Einkauf zugelächelt hatte. Erst war es nur eine Ohrfeige, dann mehrere und zum Schluss waren es die Fäuste, mit denen er Maren malträtierte.
Sie war bei ihm geblieben, weil sie ihn liebte. Doch mit jedem Schlag prügelte er auch ein wenig der Liebe aus ihr heraus, bis sie in Hass umschlug. Als er schließlich begann, auch die Kinder zu schlagen, fand sie endlich den Mut, ihn zu verlassen.
Es fällt mir schwer zu verstehen, dass ein Staat, der sich Rechtsstaat schimpft, überhaupt darüber nachdenkt, einem solchen Mann das Sorgerecht für seine Kinder zuzusprechen. Gut, ich gebe es zu, er war nüchtern und sauber gekleidet, aber die Kinder haben geradezu panisch auf ihn reagiert und die Ansage an mich war auch nicht gerade nett. Vielleicht hätte ich ihm mitteilen sollen, dass ich es mir lieber von ihm als von Maren besorgen lassen würde *lol* Bei seiner latenten Gewaltbereitschaft hätte ich allerdings Angst gehabt, dass er mir auch eine reinhaut.
Aber es ist zum Glück alles gutgegangen. Nachdem er in der Befragung wohl auch ausfallend geworden war, konnte auch sein Anwalt nichts mehr richten. Marens Verletzungen waren dokumentiert und die Aussagen der Ärzte und des Frauenhauses, in dem sie zunächst Unterschlupf gefunden hatte, reichten zum Glück aus, um die Richter zu der einzig richtigen Entscheidung kommen zu lassen.
Das war ein guter Grund, abends ein wenig zu feiern. Maren fühlt sich hier in der Pension „Strandduft“ wohl. Sie arbeitet hart, um für sich und ihre Kinder zu sorgen. Ich hoffe, dass ich ihr bald neben dem Bonus auch jeden Monat etwas mehr zahlen kann.
Jetzt muss ich mich aber erst einmal duschen, anziehen und das hintere Zimmer neu herrichten. Frank und Julia kommen heute Nachmittag an. Irgendwie haben sie es geschafft, sich von Julias Familie loszueisen und freuen sich auf ein Wochenende am Meer. Ich freue mich auch. Bald kann ich mich zum offiziellen Fremdenführer ernennen lassen, wenn ich jede Woche neue Gäste umherführe. Allerdings muss ich mir für die Beiden wohl noch etwas anderes ausdenken als für die Jungs letzte Woche. Vielleicht fahre ich mit Julia mal zum Shoppen in den Hauptort. Gegen Berlin oder Hamburg ist das zwar nichts, aber für Touristen eigentlich genau das Richtige. Da gibt es auch ein
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: MIa Grieg
Bildmaterialien: Pixabay
Lektorat: Covergestaltung: Caro Sodar
Tag der Veröffentlichung: 27.06.2016
ISBN: 978-3-7396-6247-3
Alle Rechte vorbehalten