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Es war einmal, vor langer, laaaanger Zeit - lange bevor es euch oder eure Eltern gab - da stand in diesem Wald hier ein kleines Häuschen aus Holz. In diesem Häuschen wohnten die beiden Geschwister Timo und Rosa - die genauso alt waren wie ihr - mit ihren Eltern. Rosa, die dasselbe schöne lange Haar hatte, wie ihre Mutter, half ihrer Mama gerne und oft bei den Arbeiten im Haus. Denn Rosa war ein sehr fleißiges Mädchen, das nicht nur so super putzen konnte, dass selbst der stumpfe Holzboden im Haus so richtig glänzte, es spülte auch, dass die Teller funkelten und wusch so gut, dass die dreckigen Anziehsachen sauberer wurden, als wären sie neu. Außerdem konnte sie wunderschön singen und wenn das Sonnenlicht auf ihre Augen traf, funkelten diese wie Sterne. Ihr Bruder Timo war allerdings nicht so fleißig. Dazu war er viiiel zu beschäftigt.Oft vergaß er die Aufgaben, die ihm seine Eltern gaben. Etwa, wenn sein Vater ihn in den Wald schickte, Holz zu hacken, damit sie im Kamin Feuer machen konnten und nachts nicht froren. Dann legte Timo sich viel lieber unter einem Baum und horchte den Geräuschen des Waldes und seiner Tiere. Und manchmal schlief er sogar darüber ein. Oder er spielte stundenlang hier im Wald, beobachtete die vielen Tiere, die ihn bestens kannten und alle seine Freunde waren. Sie kamen zu ihm, wenn sie sich verletzt hatten oder ein Dorn in ihrer Pfote steckte, damit er ihn für sie herauszog. Auch die Pflanzen blühten umso grüner und bunter, wenn er an ihnen vorbeiging und sie freundlich grüßte. Hin und wieder bastelte er sich auch aus Ästen - die er unterwegs fand - ein Holzschwert und kämpfte damit gegen Drachen, Trolle und andere schreckliche Ungeheuer, die es nur in seiner Fantasie gab. Darüber waren die Eltern natürlich manchmal wütend, denn nicht selten kam er danach nach Hause und hatte keine der Aufgaben erledigt, die sie ihm aufgetragen hatten. „Du bist ein fauler Nichtsnutz!“, schimpften sie dann mit ihm. „Warum kannst du nicht sein, wie deine Schwester? Nimm dir doch mal ein Beispiel daran, wie fleißig sie ist!“ Diese Worte machten Timo sehr traurig, denn er wollte nicht, dass seine Eltern so über ihn dachten. Er war ja gar nicht faul, er wollte ja wirklich all das tun, was sie von ihm verlangten. Aber im Wald hier gab es doch immer sooo viel zu sehen, was ihn ablenkte und vergessen ließ, weswegen er hergekommen war. Doch auch wenn er noch so traurig war, tief in seinem Herzen wusste er, dass seine Eltern irgendwann stolz auf ihn sein würden. Eines Tages würde er ein großer Held werden, dann würden sie staunen und „Ah“ und „Oh“ rufen, und endlich erkennen, das er kein Nichtsnutz war, sondern sogar sehr nützlich. Aber wie hätte Timo ahnen können, dass dieser Tag schon sehr bald sein sollte, genauer gesagt, am nächsten Tag? Timo hatte tief und fest geschlafen – unter uns: er hat auch ziemlich laut geschnarcht (Schnarchgeräusch) – und von den vielen tollen Geschichten geträumt, die sein Vater ihm und seiner Schwester jeden Abend vor dem Schlafen gehen erzählte. Niemand konnte so erzählen wie Papa. Wenn er seine Geschichten begann, vergaß man alles um sich herum. Es war beinahe, als würde die Geschichten Wirklichkeit. Meistens waren es spannende und oft sehr lustige Geschichten. Manchmal waren sie aber auch ein ganz klein wenig unheimlich - aber am Ende ging es natürlich immer gut aus. Die Geschichten handelten von großen, bösen Trollen, von winzig kleinen Waldfeen, von Kobolden mit Gesichtern wie faltige Kartoffeln, von tapferen Rittern die wunderschöne Prinzessinnen retteten, von feuerspeienden Drachen und zauberhaften Einhörnern. Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass wenn Timo durch den Wald ging, er dabei oft noch die Geschichte im Kopf hatte, die sein Vater ihm und seiner Schwester am Abend zuvor erzählt hatte. Auch wenn sein Papa immer behauptete, diese Geschichten seien alle bloß erfunden, Timo wusste es besser. Denn wisst ihr, er hatte schon einmal eine Fee gesehen - eine winzige kleine Waldfee. Ehrlich. Normalerweise waren sie wahnsinnig schnell und versteckten sich unter großen Blättern oder hinter Bäumen, wenn Menschen durch den Wald gingen - aber dieses eine Mal, war eine kleine Fee nicht schnell genug gewesen. Timo hatte sie noch gesehen: Sie war ungefähr so groß wie ein Finger eines Erwachsenen. Wie ein winziger Mensch, nur viel, viel hübscher. Sie trug keine Anziehsachen wie ihr, sondern ein Kleidchen aus Blättern und ein Hütchen aus Blumen. Und sie hatte zwei in allen Farben schimmernde Flügel, die im Sonnenlicht in allen Regenbogenfarben glänzten. Timo gähnte und streckte sich in seinem Bett. Dann fiel sein Blick auf das Bett seiner Schwester Rosa. Aber was war das? Ihr Bett war leer. Ob sie wohl schon vor ihm aufgestanden war? Da flog ein schwarzer Rabe durch das offene Fenster und ließ sich auf der Schlafdecke nieder, mit der sich seine Schwester immer zudeckte: „Krah, krah“, rief er, „bist du endlich aufgewacht? Seit einer Stunde versuche ich schon dich zu wecken. Die bösen Trolle sind gekommen und haben deine Schwester geholt, als ihr alle am schlafen wart. Durch das Fenster haben sie mit ihren behaarten Armen hereingegriffen und die Rosa geholt!“ Timo erschrak und bekam ganz große Augen. „Die Trolle? Ja gibt es die denn wirklich?“ „Dummer Junge!“, schüttelte der Rabe den Kopf. „Nur weil du noch keinen gesehen hast, heißt es doch nicht, dass es keinen gibt. Oder hast du vorher schon mal einen sprechenden Raben gesehen?“ Timo überlegte. „Hmm…Nö!“ Im nächsten Moment hörte er seine Mutter schreien. Schnell eilte er zu ihr, während der Rabe ihm hinterher flog. „Was ist denn passiert, Mama?“, fragte er sie besorgt. „Oh, mein armer Junge, dein Vater ist verschwunden. Heute Nacht träumte ich, die Trolle hätten ihn geholt. Und jetzt wache ich auf und er ist wirklich weg.“ „Das war kein Traum, Mama“, rief Timo. „Sie haben auch Rosa mitgenommen. Aber habe keine Angst, ich werde losgehen und sie zurückholen.“ „Du?“ Seine Mutter machte große Augen. „Und wie willst du das schaffen?“ Timo grinste. „Überlasse das mir! Ich verspreche dir, ich bringe beide zurück.“ „Sei vorsichtig!“, rief die Mutter. „Du bist vielleicht ein fauler Kerl, aber ich liebe dich trotzdem. Und ich möchte nicht, das dir was passiert. Passe bitte gut auf dich auf!“ Sie küsste ihn zum Abschied auf die Stirn und streichelte ihm über den Kopf. Dann zog Timo los, gefolgt von dem sprechenden Raben. Er ging tief in den Wald hinein, dort wo überall Blätter in allen Farben auf dem Boden lagen, dann rief er laut: „Ihre Geschöpfe des Waldes, hört mich an! Ihr Tiere, ihr Elfen und Kobolde. Ihr Einhörner und Waldgeister, kommt alle heraus und zeigt euch mir, denn ich weiß, dass ihr da seid. Ich bin ein Freund des Waldes, das wisst ihr. Und ich bin euer Freund. Oft habe ich euch geholfen, doch heute brauche ich eure Hilfe. Und habt keine Angst, ich werde niemanden erzählen, dass es euch wirklich gibt. Das soll mein Geheimnis sein. Bitte, ihr müsst mir helfen!“ Danach wartete Timo. Doch im Wald um ihn herum, war alles wie immer. Die Blätter bewegten sich und raschelten im Wind, die Luft war feucht, alles war noch ein wenig nass vom Morgentau und man hörte hier und dort einen Vogel zwitschern, doch nirgendwo trat jemand hervor. Timo wurde traurig, fast weinte er vor Enttäuschung. „ Wollt ihr wohl dem Jungen helfen?“, krächzte der Rabe, der sich auf Timos Schulter niedergelassen hatte. „Wenn jemand ein Freund dieses Waldes ist, dann er!“ Die Pflanzen und Büsche und Äste der Bäume bewegten sich, als nickten sie zustimmend. Und plötzlich geschah etwas: Überall um Timo herum begann es zu rascheln. Unter den Blättern auf dem Boden krochen plötzlich winzige Waldfeen hervor, die sich dort versteckt hatten. Und manche von ihnen kamen sogar auf kleinen Feldmäusen oder Eichhörnchen angeritten. Ein paar daumengroße, grasgrüne Männlein kamen auf Vögeln angeflogen, aus den Büschen kamen ein paar ziemlich schrumpelig aussehende Kobolde mit lustigen Mützen und spitzen Ohren hervor, ein paar Heinzelmännchen ritten auf Rehen herbei und von überall kamen auch die Tiere des Waldes herbei. Die pelzigen Häschen, der schlaue Fuchs, das grunzende Wildschwein, der heulende Wolf, die zwitschernden Vögel, die krabbelnden Ameisen und die flink huschenden Eichhörnchen. Sie alle sammelten sich um Timo. Viele der Tiere kannte Timo gut, denn den meisten von ihnen hatte er schon oft in Not geholfen. Und ganz zum Schluss, kam noch ein Wesen… Ein Gebüsch direkt vor Timo begann plötzlich zu glitzern und zu leuchten. Zwei Regenbogen bildeten sich dort, und wo sie sich berührten, ertönte ein Geräusch wie das tausender kleiner Glöckchen. Das Gebüsch teilte sich nach links und nach rechts, und aus den beiden Regenbogen trat ein schneeweißes Einhorn hervor, dessen Horn glitzerte wie Diamanten. Alle anderen Geschöpfe, die Tiere, Elfen, Kobolde, usw., verbeugten sich vor dem Pferd mit dem Horn auf der Stirn. Sogar der Rabe auf Timos Schulter senkte seinen Kopf. „Oh, Majestät, welche Ehre. Ihr, der König des Waldes, kommt selbst?“ „Ich hörte“, sprach das Einhorn mit freundlicher Stimme, „das unser Freund Timo Hilfe bräuchte!“ „Das ist wahr!“, rief der Rabe. „Die Trolle haben seine Schwester und seinen Vater geholt!“ „Was wollen die Trolle denn von den beiden?“, fragte das Einhorn neugierig. „Ich weiß es!“, rief eine kleine Waldfee. „Die Rosa singt sooo wunderschön. Sicher wollen sich die Trolle, die nicht singen können, an ihrem Gesang erfreuen.“ „Ich weiß auch etwas!“, rief ein hässlicher, aber irgendwie lieb aussehender kleiner Kobold mit breitem Mund, spitzer Nase und lustiger Mütze. „Seinen Vater haben sie sicher geholt, weil er so schöne Geschichten erzählen kann. Denn das kann er, ich habe sie oft gehört, wenn ich des Nachts am Fenster der Kinder lauschte.“ Das Einhorn nickte und sah Timo aus seinen großen, glänzenden, himmelblauen Augen an. „Die Trolle reisen mit Zaubergeschwindigkeit. Aber ein Mensch bräuchte zu Fuß so viele Jahre um bei ihnen anzukommen, dass er dann ganz, ganz alt wäre. Also wirst du mit mir reisen. Setze dich auf meinen Rücken, dann bringe ich dich mit Zaubergeschwindigkeit zu den Trollen. Und alle Geschöpfe des Waldes folgen uns!“ Timo schwang sich auf das Einhorn und kaum sa0 er auf dem Rücken des magischen Tieres, da galoppierte es los, schneller als der Wind, schneller als ein Blitz. Timo konnte sich kaum an der seidigen Mähne festhalten, so schnell war es. Und die Elfen, Feen, Kobolde und Tiere folgten ihm nach, so gut sie konnten. Als das Einhorn nach ein paar Minuten endlich hielt, fanden sie sich auf einer großen Wiese inmitten des Waldes wieder. Dort saßen die Trolle - die so riesig waren wie Elefanten - gerade alle im Kreis und lauschten dem wundervollen Gesang der kleinen Rosa und den spannenden Geschichten von Timos Vater. Timo sprang vom Rücken des Einhorns und rannte auf die Trolle zu. „Lasst meine Schwester und meinen Papa frei!“, schrie er wütend. Als die Trolle ihn sahen, sprangen sie auf, fuchtelten wild mit den Armen und knurrten wie ein böser Hund. „Geh weg!“, sagte der Obertroll, der Größte von ihnen. „Die beiden gehören jetzt uns!“ „Niemals!“, rief Timo. „Gebt sie heraus!“ „Und wer erzählt uns dann die Geschichten, hm? Wer soll dann für uns singen?“, fragte der Troll. „Es reicht!“, rief der Kobold mit der lustigen Mütze. „Wenn die Trolle nicht wollen, dann gibt es nur eines: Auf sie mit Gebrüll!“ Und was für ein Gebrüll. Alle Tiere, Kobolde, Feen usw. stürzten sich auf die riesigen Trolle. Sie bissen, pieksten, schubsten, zerrten, bespuckten und schlugen die Trolle, die zwar viel, viiiel größer waren, aber sich gegen die große Menge der bedeutend kleineren Angreifer kaum wehren konnten. Timo blickte das Einhorn an: „Das will ich nicht!“ Er wandte sich an die Kämpfenden: „Halt!“, schrie er. „Schluss damit!“ Sofort hörten alle auf zu kämpfen und sahen ihn überrascht an. „Es soll sich keiner weh tun. Ich will das nicht.“ Er trat auf die Trolle zu und blickte zu ihnen hinauf. „Hört zu“, sagte er laut, „wenn ihr meine Schwester und meinen Vater gehen lasst, verspreche ich, dass wir euch freiwillig an den Wochenenden beibringen, wie man singt und selber Geschichten erfindet. Dann braucht ihr uns bald dafür nicht mehr.“ Die Trolle kratzten sich nachdenklich am Kopf. „Ja, geht denn das?“ Timos Vater und Rosa nickten.
„Natürlich“, bestätigte Timo. „Aber nur, wenn ihr die Beiden jetzt freilasst!“ Der Obertroll nickte. „So soll es sein. Aber du gibst uns dein Wort, ja?“ „Das habt ihr“, versprach Timo. Das Einhorn sah ihn zufrieden an. „Gut gemacht“, sagte es sanft. Dann durfte Timo mit seinem Vater und Rosa nach Hause gehen. Timos Familie hielt ihr Versprechen. Sie brachten den Trollen das Singen und Geschichten erzählen bei. Und schon sehr bald brauchten die Trolle sie dafür gar nicht mehr. Timo aber war in den Augen seiner Familie nun kein Nichtsnutz mehr. Er war jetzt ein Held, mutig und schlau. Und wenn er doch wieder einmal vor lauter vor-sich-hin-träumen seine Aufgaben vergaß, waren seine Eltern nicht mehr so wütend. Denn nun wussten sie: Wenn es darauf ankam, konnte man sich auf ihn verlassen. Man musste ihn eben nur manchmal öfter daran erinnern, was er zu tun hatte. Timo und seine Familie lebten wieder sehr glücklich.

Und ihr, liebe Kinder - die ihr vielleicht auch mal im Wald seid - achtet doch mal auf die Blätter und die Gebüsche - oder auf knackende Zweige. Denn wer weiß, vielleicht versteckt sich dort gerade eine kleine Fee. Haltet deshalb gut die Augen auf. Man kann ja nie wissen. ..


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Tag der Veröffentlichung: 05.12.2010

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