Cover

Gins und Osandes Gleiter hatten ihr Tempo stark verringert, als sie durch die Tiefen des invertierten Gebirges flogen. Spitz zulaufende Täler und endlos verzweigte Schluchten strichen an Ben, Mira, Jubilee und Osande vorbei. Irgendwo hier draußen musste Gin sein geheimes Labor errichtet haben. Sie ließen ein wahres Labyrinth an Gängen und Canyons links und rechts liegen, sahen vereinzelte, spärliche Vegetation und zogen mit den Vögeln ihre Bahnen entlang der vorprogrammierten Route des Gleiters. Sie hatten die Lichter eingeschaltet, da die Dunkelheit hereinbrach und nur wenig Licht in die Gräben fiel. Eine ganze Weile hörten sie ein fernes Rauschen. Ob Wind oder Fluss war lange nicht zu unterscheiden, bis das Dröhnen immer lauter wurde und der Tubundo sich tief unter ihnen in der Klamm offenbarte. Das Wasser war in der Dämmerung schwarz und reißend. Ben nahm an, dass die schmelzenden Schneemassen des Zarfetgebirges einen gemütlichen Fluss in dieses tosende Monstrum verwandelt hatten. Wenn es jetzt noch zu regnen beginnen würde, wäre hier unten wahrscheinlich die Hölle los. Oft genug waren Honta und er in kleineren Canyons des Hohen Zarfets unterwegs gewesen, um zu wissen, dass diese Flüsse von einer Sekunde auf die andere ihr Gesicht komplett wandeln konnten. Sie hatten so einige Gruselgeschichten von ihren Eltern und Lehrern über unvorsichtige Wanderer und Bergsteiger gehört, doch wurde es Ben heute zum ersten Mal bewusst, wie schnell sich diese schlauchartigen Gänge in Todesfallen verwandeln könnten. In den Bergen hatte er immer die Weite genossen, den Ausblick mit weit aufgerissenen Augen verschlungen und sich frei gefühlt. Hier rückten die steilen Felswände immer näher. Das Gefühl der Beklemmung wuchs sich langsam in starrende Klaustrophobie aus und das Zwielicht nährte durch die huschenden Schatten des Scheinwerferlichts eine schleichende Paranoia. Jubilees Anwesenheit verhinderte, dass er seinen Ängsten nachgab. Ein Blick in ihr konzentriertes Gesicht und ein engelgleiches, kurzes Lächeln, als sie eben diesen Blick bemerkte, ließen ihn sogar vergessen, dass er als wahrscheinlich einziger Husru auch eine veritable Hydrophobie kultivierte. Der Tröpfchennebel wurde dichter und das Licht der Scheinwerfer versandete nach wenigen Metern. Unvermittelt und zur Überraschung aller Insassen bog Gins Gleiter in eine Kathedrale von Höhle ab und folgte einem Kurs in etwa parallel zum Tubundo, dessen Grollen jetzt etwas leiser, aber immer noch gut hörbar von den Höhlenwänden hallte. Die Höhle war hoch und ihre Seiten senkrecht. Durch die Beleuchtung der Gleiter ließ sich ein majestätisches Gewölbe über ihren Köpfen erahnen. Schlagartig verstummte das Getöse des reißenden Flusses und die beiden Gleiter passierten eine schmalere Öffnung. Dahinter kam eine weitere Höhle zum Vorschein. Diese hatte eine wesentlich niedrigere Decke, dafür reichte aber die Leistung der Scheinwerfer nicht aus, um das gegenüberliegende Ende zu erleuchten. Stattdessen reflektierten sich ihre Lichtkegel in einem stillen, schwarzen See. Ihre Gleiter schwebten tief über der Wasseroberfläche entlang des linken Ufers dieses unterirdischen Meeres. Bis auf ein entferntes Rauschen war es absolut still. Ihre Fahrt kam zu einem Ende, als Gins Gleiter an einem Felsvorsprung anhielt. Entlang des steilen Ufers führte hier ein Pfad in die Dunkelheit. Erst in einer reichlichen Entfernung konnte Ben ein grünes, schwaches Licht ausmachen und er vermutete, dass sie einen ausgedehnten Spaziergang vor sich hatten.


Der Plan


"Hast du eigentlich schon einen Plan?" Diese Frage hatte Jubilee ihn vor etwas einer halben Stunde gestellt und er hatte bis jetzt noch nicht darauf geantwortet. Das grüne Licht war nun deutlich näher und wahrscheinlich hatten sie schon über die Hälfte der Strecke geschafft. Osande trug bedächtigen Schrittes eine Laterne und erhellte so für einige Meter den glitschigen Pfad am Rande des Sees. Dass der Gleiter soweit ab vom Labor landen musste, war den unzähligen Stalaktiten, Stalagmiten und Stalagnaten geschuldet. Dieses tief hängende und hoch aufragende Nadelkissen wäre für den Gleiter eher hinderlich bis unpassierbar gewesen. Tatsächlich hatte Ben keinen Plan und in seinem Kopf arbeitete es auf Hochtouren, während er darauf achtete, nicht in einem der vielen Rinnsale, die den Pfad kreuzten, aus zu rutschen. Eigentlich war Jubilee ihr bester Plan, den sie hatten. Zu diesem Schluss war er ungefähr vor zehn Minuten gekommen. Sie hatte die Modifikanten schon einmal eindrucksvoll in Schach gehalten. Damit war ihr Überraschungsmoment aber auch eindeutig verspielt und sie waren unwiderlegbar zahlen- und ausrüstungsmäßig unterlegen. Die Modifikanten waren für die Rettung der Ketari konzipiert gewesen und würden mit Sicherheit keine Schwierigkeiten haben eine Stellung zu halten und ungebetene Touristen ab zu wehren. Das Szenario in der Sternennadel hatte Ben klar gemacht, dass sie wütend und unberechenbar waren. Ihre Rage hatte sich auf Gin konzentriert und der Kurator spielte ebenfalls irgendeine Rolle, die ihm aus Sicht der Modifikanten vermutlich ein ähnliches Schicksal zugedachte. Die hinterlassene Botschaft war eindeutig eine Drohung gewesen. Eine eiserne Faust hatte wutentbrannt ihren Schöpfer zerquetscht und der Verrat schien noch nicht gesühnt. Dieser Verrat hatte auf jeden Fall mit ihrer genetischen Modifikation zu tun, denn sonst wäre Honta für sie keine Hilfe und somit mittlerweile genauso tot, wie die übrige Belegschaft der Sternennadel. Sie erhofften sich hier in diesem verlassenen Labor etwas zu finden, aber was? Heilung, die Umkehr ihrer Modifikation? Fühlten sie sich betrogen, weil sie nicht mehr gebraucht wurden und es kein Zurück aus ihrer Situation gab? Ben hoffte auf eine Krankheit, ein Defekt, oder sonst irgendetwas, was sich für ihr Vorhaben Honta zu befreien als vorteilhaft erweisen würde. Dann könnten sie vielleicht verhandeln, Hilfe anbieten und einen Ausweg aufzeigen, wo die Vernunft dieser sieben Ketari von Wut vernebelt war. Doch diese Sieben waren inzwischen weder Ketari, noch besaßen sie viel ihrer ursprünglichen Vernunft.


Das Wesen der Irrationalität


Als unsere vier Gefährten das alte Labor in seinem grünen Schein erreichten, vermuteten sie die Reise umsonst unternommen zu haben. Die Örtlichkeiten waren verlassen und verwahrlost. Der Staub erzählte eine Geschichte des Vergessens und die zerbrochenen Gerätschaften waren zu nichts mehr zu gebrauchen. Sie schlossen daraus, dass die Modifikanten diesen Ort entweder noch nicht gefunden hatten oder bereits unverrichteter Dinge wieder abgezogen waren, da es hier offensichtlich nichts von Interesse gab. Sie sahen sich in einem größeren Raum mit an einander gereihten Inkubatoren um. Die gläsernen Kammern waren größtenteils zerbrochen und Unkraut überwucherte die Anlagen. Sie fanden weder Aufzeichnungen, noch Hinweise auf den Verbleib der Modifikanten. Mira und Osande saßen auf leicht baufälligen Drehstühlen und erholten sich schweigend von den Anstrengungen. Ben untersuchte mit kindlichem Eifer diesen Abenteuerspielplatz und konnte sich in seiner Phantasie bereits ausmalen, was sich hier vor vielen Jahren abgespielt haben musste. Jubilee scannte aus der Luft ihre Umgebung und schlagartig änderte sich ihre zeitliche und räumliche Wahrnehmung. In Zeitlupe flogen kleine Bleiprojektile nur wenige Zentimeter von ihrem Kopf entfernt an ihr vorbei. Allerdings kam die Salve immer näher und sie bewegte sich unendlich langsam zur Seite, um den verheerenden Nachzüglern aus zu weichen. Aus ihrem Blickwinkel sah sie, wie Osande und Mira bereits von zwei Modifikanten überwältigt worden waren und während sie noch ihren Schutzschild aktivierte und das Feuer erwiderte, sah sich suchend nach Ben um. Zu ihrer Bestürzung fand sie ihn nicht, hoffte aber, dass ihm die Flucht gelungen war. Der Tod in weiblicher Gestalt, atemberaubend schön und mit dieser Nietpistole bewaffnet, hatte aufgehört auf sie zu feuern, dafür richtete sie den Lauf ihrer Waffe jetzt auf Mira. Ein weiterer Modifikant hielt sein Schwert an Osandes Hals. Der gewünschte Effekt blieb nicht aus und Jubilee stellte ihren Laserbeschuss ein. Aus seiner Deckung erhob sich nun ein dritter Modifikant und Jubilee erkannte eine der Waffen von Gungmar und seinen Konsorten.

Gabriels dunkle Augen starrten voller Hass auf Osande und während er seinen Kopf abwandte, blieb sein Blick noch eine geraume Zeit auf dem versteinerten Jofaiden haften. Michaels Schwert verharrte unbewegt in der Luft und Penuel hielt mit der Präzision eines bosonischen Uhrwerks (diese Zuverlässigsten aller Uhrwerke sollen mit dem Sagen umwobenen Higgs-Mechanismus funktionieren) Miras Schweißperlen im Visier. Dennoch machten sie eine gehetzte Erscheinung; nicht nervös, aber unruhig.

"Wieso seid ihr hier? Fordert der Kurator Vergeltung?" Gabriel stellte mit ruhiger Stimme die Frage, aber eine spürbare Feindseiligkeit lauerte nur auf den kleinsten Anlass.

Jubilee erkannte, dass jede Konfrontation für ihre Freunde fatale Folgen haben könnte. "Wir haben uns lediglich Sorgen um einen Freund von uns gemacht. Wenn wir uns davon überzeugen könnten, dass es ihm gut geht, wären wir äußerst erleichtert." Sie improvisierte und wünschte Ben hätte sie in seinen Plan eingeweiht, doch er hatte ihr nur vage versichert, dass sie ihn nur machen lassen sollte. Sie würde hier solange wie möglich auf Zeit spielen.

"Eurem Freund geht es gut, aber ihr hättet nicht in Begeleitung eines Verräters kommen sollen."

"Was man auch immer euch angetan hat, es hat sicherlich nichts mit uns oder unserem Anliegen zu tun. Können wir denn irgendwie behilflich sein, dieses Missverständnis zu beseitigen?"

"Lasst die Tatsachen unsere Sorge sein. Ihr werdet uns unterdessen begleiten, bis entschieden ist, was mit euch geschehen wird."

"Oh, nur keine Umstände. Wir waren im Begriff wieder auf zu brechen und da wir nun wissen, dass es unserem Freund gut geht, reicht uns euer Wort dafür." Jubilee wandte sich zum gehen und Gabriel schaute ihr entgeistert hinterher, als Ben mit Getöse durch die Decke brach und auf Penuel landete. Sie ächzte und schubste ihn unsanft von sich. Jubilee hatte auf eine Intervention gehofft, aber dieses Schauspiel ließ sie kurz die Augen verdrehen, bevor sie Gabriel aus dem Weg rammte und Michael mit gezielten Energiestößen zum Rückzug zwang. Ben schloss sich ihrer Flucht an, aber diese endete jäh als sich am Ausgang der Höhle Asrael, Ramiel und Uriel postierten.

"Ich darf euch im Namen des verstorbenen Dr. Gin Hazaget hier im historischen Teil seiner Haget-Laboratorien begrüßen." Asraels Tonfall und seine Augen verhöhnten sie bei diesen Worten. "Wie ich sehe, meint es das Schicksal gut mit mir. Ich hatte befürchtet mich längere Zeit von hier entfernen zu müssen, um mich der Jagd widmen. Meine Beute hat es jedoch vorgezogen selbst vorbei zu schauen." Ein irres Lächeln umspielte sein silbernes Gesicht und nun waren Ben und seine Freunde von schwer bewaffneten Modifikanten umzingelt.

"Habt ihr die Wissenschaftler umgebracht? Das waren doch eure Freunde, was ist nur vorgefallen, dass ihr so durchgedreht seid?" Jubilee ließ ihn telepathisch wissen, dass es keine gute Idee ist jemanden der höchstwahrscheinlich tatsächlich durchgedreht ist, zu provozieren.

"Wir waren niemals Freunde und letztendlich erwiesen sie sich alle als feige Verräter, doch das soll euch nicht interessieren. Viel interessanter ist dahingegen ob eure Begleiterin vom Haget hier ein gewisses heimisches Gefühl hat?"

"Was meint dieser Mörder damit?", erkundigte sich Mira. Aus Asraels Gesicht wich jede Belustigung und Jubilee seufzte innerlich, denn allem Anschein nach hatten es alle darauf abgesehen, diese Psychopaten zu reizen, was ihr reichlich unklug vorkam.

"Eigentlich hatte ich etwas mehr Verständnis erwartet, denn schließlich haben die Jofaiden euch Ähnliches angetan wie uns. Es mag vielleicht für deinen Intellekt schwer fassbar sein, aber die erste Generation Hageten ist hier in diesem Raum entstanden. Gin hat euch, sprich deine Vorfahren, erschaffen, nach belieben mit ihnen experimentiert und dem genetisch interessanten Teil das Leben gewährt, während andere nicht so viel Glück hatten. Er hat mit eurem Erbgut wie mit einem Baukasten gespielt. Krankheiten, Lebenserwartung, Intelligenz und vieles mehr hat er dem einen gegeben und dem anderen genommen."

Mira starrte ihn ungläubig an, doch ihr Mund formte bereits Worte, noch ehe ihr Verstand dies realisieren wollte. "Der alte Schin."

"Oder auch besser bekannt als Dr. Gin Hazaget. Aber genug Geschichte für heute. Ramiel und Penuel, sperrt sie ein. Vorher bleibt nur noch eins zu tun." Asrael schritt näher auf Jubilee zu. Nur wenige Zentimeter vor ihrem Gesicht blieb er stehen. Ihre Augen trafen sich und ergründeten die gegenseitigen Untiefen ihrer Seelen. Jubilee hatte jeden Muskel in ihrem Körper gespannt, wurde aber dennoch davon überrascht, als Asrael ihre Hand in die seine nahm.

"Auch wir haben viel gemeinsam und nachdem, was ich aus deinem Gespräch mit dem Kurator entnommen habe, hätte ich dich früher oder später ohnehin aufsuchen müssen." Er betrachtete ihre Handfläche, strich mit seiner linken über ihre Haut und kratze sie ganz ohne Vorwarnung. Überrascht stieß sie ihn weg und besah sich die rötliche Hautabschürfung. Ihre Selbstheilung verhinderte, dass es anfing zu bluten, aber nichtsdestotrotz spürte sie den unangenehmen Schmerz. Asrael holte aus seiner Jacke ein Reagenzglas hervor und verstaute ihre Gewebeprobe wieder in seiner Tasche.

"Wir werden dafür sorgen, dass diese Monster uns nicht ausrotten und die Ketari weiterhin unterdrücken." Mit diesen Worten wurden sie abgeführt und in ebenso rostige, wie gebrechlich aussehende Käfige gesteckt.

Ramiel, der etwas von einer Bulldogge hatte, bezog vor ihrem Verschlag Stellung. Sein überdimensionaler, quadratischer Schädel blickte stur in Richtung Ausgang, als würde er eher einen Befreiungsversuch erwarten, anstelle eines Ausbruchs. Ben kam sich vor wie ein Tier im Zwinger, doch saß in ihrem Fall das wilde Tier außerhalb der Gitterstäbe. Jubilee saß mit angezogenen Beinen an die hintere Seite ihres Gefängnisses gelehnt und starrte mit glasigem, wenn auch leicht amüsierten Blick vor sich hin.


Verblendung


"Was war denn auf einmal los?", wollte Honta wissen.

"Alles in Ordnung. Wir hatten nur gerade eine größere Lieferung von unseren Kollegen aus der Sternennadel", beruhigte Gin seinen Schützling. "Ich habe hier etwas für dich und Raphael. Unter der Lieferung befand sich auch eine Gewebeprobe, die uns vielleicht weiter helfen könnte."

Nicht weit vom historischen Teil des Laboratoriums lag der modernere Abschnitt. Das Sicherheitsschott öffnete den Blick auf die blau weißen Räumlichkeiten. Steril und bestens ausgestattet war dieser Bereich im Gegensatz zu dem grünen Labor voll funktionsbereit und in tadellosem Zustand. Gleich hinter der ersten Sicherheitstür, welche nur mit Hand-, Iris- und Stimmenidentifikation geöffnet werden konnte, befand sich ein Wachposten. Auf dessen Bildschirmen war auch die Ankunft von Ben, Jubilee, Mira und Osande registriert worden. Gabriel hatte hier zu diesem Zeitpunkt dienst und sollte sich dem Problem annehmen, bis Asrael entschied, dass er offensichtlich Unterstützung bräuchte. Von hier aus sah man jetzt auch die Bilder der Überwachungskameras, welche die Käfige mit den internierten Besuchern zeigten. Von all dem bekam Honta nichts mit. Sein Labor war weit von jeder Aufregung entfernt. Er arbeitete hoch konzentriert an der Heilung seiner Modifikanten. Der Kurator hatte ihn und Gin hintergangen und eine abschaltende Sequenz in die Modifikanten eingebaut. Offenbar als Rückversicherung gedacht, sollte es dafür sorgen, dass die sieben Probanden sich nach ca. 2 Wochen selbst abschalten, d.h. sterben. Allerdings hatte Gins Designer-Gen zur dynamischen Anpassung des Erbguts - von Honta auch Modifikator-Gen genannt - das Schlimmste verhindert. Dieses Gen hatte die bereits beschädigten Bereiche größtenteils repariert und lag seit her im ständigen Kampf mit dem Terminator-Gen. Dabei hatte sich das Modifikator-Gen bereits selbst weiter entwickelt und verbessert. Die Modifikanten entfalteten in ungeahnter Geschwindigkeit neue Fähigkeiten und vermochten sich in unglaublich kurzer Zeit an äußere Umstände an zu passen. Dennoch degenerierten sie zusehends, denn der Eindringling des Kurators leistete ganze Arbeit und widersetzte sich bisher allen Bemühungen ihn zu entfernen oder zu zerstören. Zum Glück verfügte Gin über dieses speziell eingerichtete Labor. Es lag weit außerhalb der Reichweite des Kurators und seiner Intrigen. Außerdem gab es hier außergewöhnliche Möglichkeiten zur Visualisierung und Erprobung genetischer Manipulationen. Diese ganzen Spielereien wollte Honta unbedingt Ben zeigen, doch zum gegenwärtigen Zeitpunkt war er einfach viel zu beschäftigt, zu weit weg und außerdem nicht ganz sicher, wer noch alles zu der Verschwörung des Kurators gehörte.

"Wie ist der Stand der Dinge?", erkundigte sich Gin.

"Uns ist es gelungen einen weiteren Bereich der hinteren Hirnregionen zu stabilisieren, aber es ist eine Sisyphusarbeit, da ständig neue Bereiche degenerieren. Wir schlagen eine ziemlich trostlose Schlacht und wenn wir nicht bald eine Strategie entwickeln, werden wir sie verlieren."

"Konzentrieren wir uns auf die Probe, die man uns mitgebracht hat. Sie stammt von einem außerketarischen Organismus, der ein paar Ähnlichkeiten mit unseren Modifikanten aufweist."


Unverhofft


"Wisst ihr, ich war schon oft in gefährlichen Situationen und sah mich entsetzlichen Gefahren gegenüber, doch noch nie ist es so glimpflich und lächerlich einfach ausgegangen." Jubilee hatte telepathisch das Wort an Ben und Osande gerichtet. Mit einem Fingerzeig auf ihren und die beiden anderen Köpfe gab sie Mira zu verstehen, dass sie den Vorteil der lautlosen Kommunikation gegenüber den Modifikanten ausnutzen mussten. Mira verstand und hielt unaufgefordert Ausschau nach einer verräterischen Bewegung ihres Aufpassers.

"Dieser Asrael ist gefährlich, hat bereits getötet, deinen Freund entführt und eine unsagbare Wut, die ihn antreibt und dennoch sperrt er uns sorglos in einen Witz von Käfig. Entweder legt er es darauf an, dass wir ausbrechen, oder er unterschätzt uns maßlos."

"An seiner Stelle würde ich einfach auf Unzurechnungsfähig plädieren. Ich glaube dieser Typ hat einfach jeden Bezug zur Realität verloren", erwiderte Ben. Osande hob seinen schwarzen Augen aus einer angestrengten Überlegung und schaute erst Jubilee und dann Ben traurig an.

"Was geschehen ist, mag uns als glücklicher Zufall erscheinen, doch ich fürchte Ben liegt gar nicht so weit weg von der Wahrheit. Es waren wieder einmal unsere Fehler der Vergangenheit, die uns eingeholt haben. Das Experiment Modifikant ist fehlgeschlagen und mit ihm versagen mehr und mehr Direktiven unserer Programmierung. Wir haben das Gleichgewicht der Harmonie in diesen armen Ketari zerstört und ihnen befohlen für den Schutz ihres Planeten zu sorgen und nun betrachten sie uns Jofaiden allem Anschein nach als eine omnipräsente Gefahr für Ketar."

"Aber dann hätte er dich doch ohne weiteres sofort getötet, wenn seine Wut auf alle Jofaiden gerichtet ist." Jubilee hob ihre Augenbrauen, um geräuschlos ihren Unglauben an Osandes Schlussfolgerungen kund zu tun.

"Das hatte ich ehrlich gesagt auch erwartet und es wäre nur konsequent gewesen, doch ich glaube, dass Asrael und die anderen nicht länger irgendeiner Konsequenz oder Vernunft gehorchen. Ihre Ängste und die kontroverse Programmierung in ihren Köpfen kontrollieren jetzt ihr Handeln."

"Und das macht sie zu tickenden Zeitbomben", fügte Ben hinzu.

"Falls ihr beide richtig liegt und unsere Freunde hier einfach durchgedreht sind, dann dürfte unsere Flucht ein Leichtes sein, dafür aber unabsehbare Folgen für deinen Freund Honta haben."

"Ich glaube, dass er vorerst in Sicherheit ist. Sie brauchen ihn, deswegen ist er hier. Vermutlich haben sie erkannt, dass etwas nicht stimmt und er soll diesen Fehler beheben." Osande hatte Ben mit diesen Worten beruhigen wollen, doch dieser schoss nun aufgebracht in die Höhe und seine drei Freunde ermahnten ihn augenblicklich die Ruhe zu bewahren, während Ramiel nur einmal kurz grunzte und sie weiterhin ignorierte.

"Du willst ihn doch nicht etwas hier lassen. Das kommt gar nicht in Frage." Ben hatte die Fäuste geballt und kam sich so ungeheuerlich hilflos vor.


"Beruhige dich, Ben. Ich glaube, was Osande sagen wollte, ist, dass es ihm vorerst gut geht und er in keiner unmittelbaren Gefahr schwebt."

"Sehr richtig, dass gibt uns genügend Zeit nachzudenken", bestätigte Osande Ben.

Nachdem Ben sich wieder ein wenig entspannt hatte, sah seine Freunde wieder etwas hoffnungsvoller an. "Wir brauchen ein Plan."

"Du meinst, wie du zum Beispiel wieder durch die Decke brechen willst, um einen Modifikanten platt zu machen." Jubilees Spitze gegen sein Ungeschick ließ Ben entschuldigend lächeln.

"Eigentlich wollte ich gerade einen schweren Balken auf sie fallen lassen, als der Boden unter mir nachgab. Hatte doch aber einen ähnlichen Effekt." Er wollte lachen, verkniff es sich aber, da er Ramiels Aufmerksamkeit nicht auf sie lenken wollte. Stattdessen grinsten nun alle drei und Mira wunderte sich, was der Grund zur Freude war, als sie sich gerade umgedreht hatte.

In Bens Kopf hatte wieder angefangen zu arbeiten, "Können wir noch mal rekapitulieren, welche Fähigkeit du besitzt, Jubilee?"

"Du meinst Fähigkeiten, die uns helfen könnten hier raus zu kommen?" Ben nickte und nach kurzer Überlegung begann Jubilee aufzuzählen.

"Fliegen, Laser, Schutzschild, Telepathie und Teleportation. Das müssten die wesentlichen gewesen sein. Hinzu kommen noch ein paar sekundäre Merkmale, wie verstärkte Wundheilung und hoch sensible Wahrnehmung."

Bens spontaner Gedanke fand unbeabsichtigt seinen Weg in die Konversation, als er noch etwas hinzufügte. "Du hasst noch dein einnehmendes Wesen und deine überwältigende Schönheit vergessen." Im selben Augenblick, da er Osandes fragende Augen sah, lief er auch schon rot an und Jubilee lächelte verlegen. Ben versuchte das Thema zu wechseln.

"Kannst du uns alle hier raus teleportieren?"

"Leider nein. Ich muss mich schon sehr konzentrieren, dass ich keine Gegenstände in meiner Hand oder Kleidungsstücke an meinem Körper verliere." Bens Kopf wurde dunkelrot und auch er hatte größte Mühe sich zu konzentrieren.

"Dann teleportiere dich raus und überwältige diesen Fleischberg vor unserem Käfig."

"Gern aber dann würden diese Überwachungskameras dort oben sicher Alarm schlagen und wir wären immer noch in der Unterzahl. Allerdings habe ich eine andere Idee." Sie ging auf die gegenüberliegende Seite des Käfigs und nahm ein kleines Gerät von den Stäben, dass sie beim Eintreten dort versteckt hatte. "Dieses kleine Schmuckstück hat mir schon auf dem vergessenen Planeten der Gnog meine Haut gerettet." Sie schaltete es kurz ein und eine Projektion von Jubilee auf dem Boden mit angezogenen Beinen erschien zu Bens Füßen. Er wich leicht erschrocken zurück, nickte aber, als er im selben Augenblick verstanden hatte, was Jubilees Plan war. Sie wollte sich allein hinaus teleportieren, während die anderen hier ruhig die Stellung hielten. Sie verabredeten ein Zeichen, das sie bei ihrer Rückkehr vorwarnen sollte, wenn Jubilee ihre Befreiung in Angriff nahm. Mira hatte immer noch keine Ahnung, was die drei geplant hatten, übte sich aber in Geduld, da sie ahnte, wozu diese kleine Vorführung der zweiten Jubilee gut sein würde. Jubilee verschwand ohne Geräusch oder Vorwarnung, als hätte das Universum sie verschluckt.

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Tag der Veröffentlichung: 06.03.2010

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