Inidi hatte einen unruhigen Schlaf. Seine Wunden heilten dank einer Sondersitzung im Genlabor schnell und würden keine Narben hinterlassen. Erst hatten ihn immer wieder die Gesichter seiner Verfolger heimgesucht. Die Gesichtszüge seiner Opfer waren besonders entstellte Grimassen und immer wenn er einen von ihnen zu Mus zermalmte schreckte er aus dem Schlaf. Allmählich schaffte er es jedoch sich an eine seiner schönsten Erinnerungen zu hängen und diese rettete ihn über mehrere Stunden, sodass sein Geist und Körper immerhin ein wenig Erholung finden konnten. Dieser Traum war seine Reise in der Inidium. Die ersten Entwürfe und Skizzen lagen jetzt noch in seinem Domizil verstreut. Die ersten Ersuche bei den anderen raumfahrenden Jofaiden von einst waren frustrierend gewesen. Er hatte sogar mit Widerstand zu kämpfen, da es die Mehrheit für klüger hielt, sich bedeckt zu halten. Ihre Angst auf Menschen von der Erde zu treffen teilte er nicht. Dieser Planet bereitete seit der Zerstörung von Krepi seinen Brüdern in den Genlaboren großes Kopfzerbrechen. Eigentlich hätte er gar nicht mehr existieren dürfen und seine Bewohner konnten sich mittlerweile in jedem erdenklichen Stadium der Entwicklung befinden. Aber der Weltraum war groß und die Milchstraße weit weg. Als Inidi endlich die Abgeschiedenheit des Vakuums genießen konnte, schloss er seinen Frieden mit dem Weltraum. Die Reisen durch die Galaxien waren seine große Leidenschaft gewesen, doch diese Zeitalter waren Vergangenheit. Mit seiner schlichten Inidium würde er nicht einmal das Geminisystem verlassen können, aber es genügte ihm, um sich zu verabschieden. Die Schwärze der ewigen Nacht war sein liebstes Narkotikum und die unendlichen kleinen Lichter der weit entfernten Sterne streichelten seine Seele. In der Hoffnung bei den Menschen und Husru eine Begeisterung für das All zu wecken, hatte er so viele interessante Daten über die benachbarten Planeten und Asteroidengürtel gesammelt, wie nur möglich. Die Resonanz war eher bescheiden, aber besser als absolutes Desinteresse. Dem Mond ohne Namen betrachtete er nur getarnt und mit großer Traurigkeit, denn schon damals wusste er, dass Gins Jugendsünde ihn eines Tages einholen würde. Auf diese Weise drifteten seine schlafenden Gedanken durch die weiten des Weltraums und stießen lange Zeit auf nichts als Leere. Irgendwann schaffte es aber ein kleinerer Planet sich zwischen Inidi und die Leere zu schieben.
Krepi
Krepi ist mit 12000 km Durchmesser einer der kleinsten Planeten in seinem System, dafür aber am dichtesten besiedelt. Die Stadt Krepi bedeckt den ganzen Kontinent und dieser macht wiederum 78 Prozent der Oberfläche des Planeten aus. Die Kilometer hohen Bauten ragen wie die aufgestellten Stachel eines Igels weit nach oben und nicht überdachte Aussichtsplattformen oder gar Fenster wären allein schon wegen den hohen Windgeschwindigkeiten eine schlechte Idee, auf Grund der dünnen Atmosphäre auch töricht. Die Stadt und damit der gesamte Planet wird von Technologie beherrscht, am Leben erhalten und beleuchtet sogar seinen Nachbarn, den Planeten Tau, des Nachts. Die Natur ist dabei aber nicht auf der Strecke geblieben. Durch die etwas geringere Anziehungskraft ragen auch die Bäume des Krepi zwischen den Türmen der Stadt weit genug nach oben, um genügend Sonnenlicht zu ergattern. Es ist eigentlich ein schöner Planet, nur ein bisschen voll. Er wandelte durch die Stadt und erkannte Straßen und Gesichter wieder. Viele Jofaiden sahen glücklich aus, aber einige haderten offensichtlich mit ihrem Schicksal. Das rege Treiben auf den Straßen überspielte das Unausweichliche. Zuerst waren es nur die Jofaiden in den gelb/weißen Roben der Genetiker. Aber als die Tage im Zeitraffer vergingen, breitete sich die Trübseligkeit epidemisch aus. Osande war einer der letzten natürlich geborenen Jofaiden. Genetische Manipulationen hatten zur Unfruchtbarkeit einer ganzen Rasse geführt und dieser Prozess war nicht umkehrbar, so sehr man sich auch bei den Wissenschaftlern bemühte. Zuerst befürchtete die Bevölkerung von Krepi ihr baldiges Aussterben, aber Inidi wusste, dass dies vorerst ihr geringstes Problem sein würde. Die Experimente am Genom der Jofaiden hatten eine nie dagewesene Langlebigkeit herbeigeführt und wären ohne den Makel der Unfruchtbarkeit der unbestrittene Apex in der Entwicklung der Jofaiden gewesen. Die Genetiker waren sich sicher, dass sich diese Langlebigkeit zur Unsterblichkeit ausbauen ließ. Ob nun diese Arroganz Ursache der eigentlichen Problematik war oder unerwünschter Nebeneffekt ist in den Geschichtsbüchern nicht festgehalten worden. Doch aber die darauf folgende Resignation der Bevölkerung. Manche hatte Unruhen und Panik befürchtet, doch die Jofaiden waren ihrem Schicksal ergeben und wirkten mit ihren schwarzen Augen jetzt einfach nur noch ein bisschen trauriger. Dann geschah etwas leicht Irritierendes. Inidi begegnete sich selbst. Sein astrales Ich begegnete der historischen Figur. Natürlich war der historische Inidi nicht verwirrt, sondern überschwänglich und begeistert von seiner Aufklärungsmission aus der Milchstraße zurückgekehrt. Dass seine Entdeckung eines Tages für die Zerstörung seiner Heimatwelt verantwortlich sein würde, hätte er sich niemals träumen lassen und es ließ in auch diese Mal wieder aus dem Schlaf schrecken.
Der Flug der Inidium
Die Satelliten waren im Laderaum verstaut, die Besatzung an Bord und die eine kleine Gruppe Wissenschaftler - es waren nur drei in der Sternennadel entbehrlich gewesen - überwachten mit Osande die letzten Vorbereitungen der Mission "Schutzschild". Das Observatorium war tief eingeschneit und die Temperaturen auf dem Gipfel des Zarfet waren eisig. Der Techniker aus der Sternennadel hatte Ben versichert, dass die Inidium die frostigen Temperaturen unbeschadet aushalten würde. Als sie mit ihrem Rangierantrieb auf der ausreichend großen Fläche neben dem Observatorium gelandet war, hatte sie den meisten Schnee einfach weg geweht und der Rest schmolz unter den starken Düsen des Raumschiffs. Jetzt wurde der Ionenantrieb bereit gemacht, um den Ketar zu verlassen. Die Checklisten waren sie drei Mal durchgegangen und die letzten Lämpchen im weißen Cockpit signalisierten ihre Bereitschaft. Ben staunte immer noch jedes Mal, wenn er hinter sich auf die Modifikanten blickte. Raphael war einst - eigentlich erst vor 2 Tagen - ein Husru wie er gewesen. Nun waren sie eine völlig neue Rasse, eine neue Gattung, eine neue Spezies? Ben hätte den Unterschied nicht gewusst, aber viel wichtiger waren ihre bisherigen Leistungen und die Bemerkung von Honta, dass sie sich fortwährend entwickelten. Uriel machte ihm ein bisschen Angst. Aus den Aufzeichnungen in der Sternennadel wusste Ben, dass sie aus ihren Händen mit Lasern auf das Raumschiff der Achaten gefeuert hatte und hier im Raumschiff schien sie regelrecht zu leuchten. Sie war noch schweigsamer als Raphael, doch als er sie beim Beladen der Inidium gefragt hatte, ob sie die Laser unter Kontrolle hatte, meinte sie, dass sie seit dem Sieg über die Achaten trainiert hätte. Ein Ziel wie das Raumschiff würde sie unter keinen Umständen mehr verfehlen. Sie verglich es mit Jonglieren oder Musizieren. Man braucht zwar einen Funken Talent, aber durch Übung wurde es schnell zu einem Teil der Persönlichkeit, der je nach Ausdauer perfektioniert werden konnte. Er wusste, dass sie einst eine Wissenschaftlerin in der Sternennadel gewesen sein musste, aber er konnte sie sich nicht so recht beim Jonglieren vorstellen. Hoffentlich musste sie ihre Treffsicherheit auf dieser Mission nicht unter Beweis stellen, schon gar nicht, falls sie tatsächlich auf Jubilee treffen sollten. Dass dies nicht unmöglich war, hatte ihm Osande bestätigt, der sie durch die Teleskope selbst im Weltraum noch neben dem Raumschiff fliegen gesehen hatte.
Die Raketenmotoren, die beim überwinden der Schwerkraft den Antrieb unterstützen würden, waren jetzt vorgewärmt und bereit. Die Systeme bestätigten freie Flugbahn, einsatzbereite Module der Inidium und Freigabe durch die Bodencrew im Observatorium. Nur ein ohrenbetäubender Lärm und eine leichte Relativbewegung zum Horizont ließen erkennen, dass die Inidium langsam abhob. Beschleunigungskräfte und Vibration würden von den Trägheitsdämpfern vollständig absorbiert werden. Bens Aufregung war die Vorfreude eines kleinen Kindes auf die Erprobung eines neuen Spielzeugs und die zusätzliche Ungeduld in Erwartung einer ersehnten Begegnung mit Jubilee. Er war sich mittlerweile seiner romantischen Schwärmerei bewusst, aber es sollte ihn nicht stören, solange sie ihn nicht von seiner Aufgabe ablenkte, den Schutzschild über Ketar zu installieren. Sein großes Abenteuer hatte so unvermittelt und tragisch begonnen, dass er es immer noch nicht so richtig wahr haben wollte. Doch er war keineswegs nur untätiger Zuschauer gewesen. Er hatte an den Kraftfeldern gearbeitet und tatsächlich umgesetzt, was er sich als Jugendlicher erdacht hatte. Die Inidium war einst die Meisterleistung von Osandes Bruder gewesen, aber jetzt steckten in ihr auch noch ein paar von Bens Überraschungen. Er hatte ganz gezielt auf den Einsatz von Waffen - sehr zum Unverständnis von Raphael und Uriel - an der Inidium verzichtet, aber sie würden keineswegs wehrlos sein. Ein paar Tüftler in der Sternennadel hatten an Waffen für die Modifikanten gearbeitet, aber erst als Michael und Gabriel mit den konfiszierten Waffen der Achaten zurückgekehrt waren, hatten sie erste Ergebnisse vor zu weisen, die Ben dankbar abgelehnt hatte. Auf eine der Handfeuerwaffen der Achaten und sein Schwert wollte Raphael keines Falls verzichten. Sein Schwert hatte ihm gute Dienste geleistet. Es war auf Grund seines Alters ein wenig schartig, aber nichts desto weniger scharf, ausgewogen und zuverlässig. Als er damit zum ersten Mal in der Höhle gekämpft hatte, schienen ihm die Bewegungen ganz natürlich. Zum Glück waren die Achaten auf einen Nahkampf dieser Art nicht vorbereitet und von dem Angriff der Modifikanten überrascht gewesen, aber Raphael war sich sicher, dass sie auch sonst keine Chance gegen sein Schwert gehabt hätten. Uriel hatte ihren Schläger bereits abgelegt, denn ihre Laser waren weit wirkungsvoller.
Nach einigen Minuten gelangten sie in die oberen Schichten der Atmosphäre und der Himmel wurde immer schwärzer. Die ersten Sterne leuchteten und schon bald waren sie der Anziehungskraft des Ketar entkommen und die zusätzlichen Triebwerke verstummten. Beim Blick zurück zum kleiner werdenden Großen Kontinenten hatte das Endorphinniveau in Bens Gehirn seinen Höhepunkt erreicht. Sein Magen beruhigte sich wieder ein wenig, aber am liebsten hätte er laut gelacht oder gesungen, um seiner überbordenden Freude Ausdruck zu verleihen. Seine Augen glitten von einem Stern zum Nächsten. Er erkannte den ein oder anderen Planeten des Systems und hielt nach Ketars Monden Ausschau. Nar und Mar schwebten in einer Reihe mit Rang über dem Horizont des kleiner werdenden Planeten. Ian befand sich wahrscheinlich gerade auf der Rückseite von Ketar, aber der Achat funkelte still über ihnen. Den ersten Satelliten würden sie direkt zwischen den beiden bewohnten Himmelskörpern in Position bringen, um gegen direkte Angriffe zukünftig gewappnet zu sein. An dieser Stelle befand sich ein Satellit über dem Nordpol in Reichweite und über dem Äquator kreisten auf ihren geostationären Bahnen die verbliebenen vier Satelliten, jedoch zu weit auseinander um ein flächendeckendes Schutzschild aufrecht zu erhalten. Von ihren fünf Satelliten an Bord der Inidium würden vier diesen Gürtel verstärken. Den Fünften würden sie aber als erstes in eine mondsynchrone Umlaufbahn bringen, damit er sich immer genau zwischen dem Ketar und dem Achat befinden würde. Die Berechnungen für die nötige Höhe und Geschwindigkeit hatten etwas Zeit in Anspruch genommen, aber das Resultat würde ein flexibles und undurchdringliches Schutzschild garantieren.
Der Mond ohne Namen
Während Ben die Inidium in Position brachte und Uriel die Steuerung des Aussetzmanövers an einem separaten Schirm überwachte, verging Gungmar beinahe vor Schmach in seinem Bunker. Ganz Haget machte sich über ihn lustig und dies war einzig und allein die Schuld dieses Miststücks. Eines Tages war sie einfach aufgetaucht und hatte Fragen über die große Kugel am Firmament gestellt. Bis dahin kannte niemand irgendwelche Wesen, die sich Jofaiden nennen. Es gab nur Hageten. Sie lebten in Klans und hatten das Zeitalter der Dampfmaschinen bereits hinter sich gelassen. Mit der Elektrizität kam der Fortschritt und mit dem Fortschritt eine Phase der großen Entdeckungen. Ihre Wissenschaftler, Forscher und Gelehrten waren damit beschäftigt das Leben der Hageten zu vereinfachen und immer neue Kuriositäten zum Besten zu geben. Der große Aufbruch in eine glanzvolle Epoche erzeugte eine unbeschwerte Stimmung unter Jung und Alt. Das große Genie der vergangenen Jahrzehnte war eine Frau namens Mira Cordurium. Es gab kein Gebiet der neu entstandenen Wissenschaften, das sie nicht revolutioniert hätte. In der Medizin hatte sie unglaubliches Umdenken durch Zusammenhänge wie den Stoffwechsel, das Immunsystem und Vererbung verursacht. In der Mathematik hatte sie Prozeduren erdacht, die der Allgemeinheit weitestgehend ein Geheimnis bleiben würden und auf dem Gebiet der Vergangenheitsforschung war sie ein wandelndes Kompendium zum Alten Schin - der Vorvater aller Hageten. Ihre größte Leistung stand im argen Kontrast zu ihrer aberwitzigsten Behauptung. Einerseits hatte sie die Energie der zwei Sonnen den Hageten nutzbar gemacht und damit den immer größer werdenden Hunger der Industrie nach Strom ein für alle Mal gestillt. Andererseits stammte von ihr auch angeblich die Behauptung, dass die große Kugel am Firmament sich nicht um den Haget, sondern der Haget den Mond dreht. Noch abenteuerlicher wurde die Schlussfolgerung, dass sich dieser Mond wiederum um die zwei Sonnen dreht, aber solche wirbelnden Tänze der Gestirne hätten wir wohl bemerkt, wie ein junges Paar, dass beim Tanz ein paar ausgelassene Drehungen zu viel vollführt hat. Und ausgerechnet diese verwirrenden Spiralen sollte dieses Weibstück mit ihren weißen Haaren und ihrem defekten Raumschiff getroffen haben - wohl eher unwahrscheinlich, wie die verkniffenen Mathematiker zu sagen pflegten. Doch seit dem störte diese unverschämte Person seine Kreise und er schäumte vor Wut allein bei dem Gedanken, dass sie immer nur Fragen gestellt hatte, aber nie Antworten gab. Noch vor wenigen Generationen besaßen die Torsch großes Ansehen. Durch geschickte Einschüchterung der anderen Klans und einige Scharmützel hier und dort, wagte es niemand ihnen einen Gefallen ab zu schlagen oder zu widersprechen. Doch der Fortschritt und der allgemeine Wohlstand, hatten seinen einst so stolzen Klan zur Bedeutungslosigkeit degradiert. Die Fremde hatte zusätzlich auch noch Salz in diese Wunde gestreut, da sie nicht zu erst zu Gungmar - dem Chef des Klans der Torsch - gekommen war. Ihr Anliegen hatte dem zur Folge keine Legitimation, um bei den restlichen Hageten Unterstützung zu finden. Doch diese empfingen sie mit offenen Armen und plauderten munter über ihre Vermutungen. Bald sollte sich die Legende des Alten Schin mit den rätselhaften Wesen der Jofaiden vermischen. Gungmar hatte diese Gutenachtgeschichten selbst von seinen Eltern und Großeltern gehört. Ein paar der Übereinstimmungen waren zwar möglich, der Rest wohl eher konstruiert. Der Alte Schin war einst ein Magier, der, der Legende nach, einst den Haget besuchte und befand, dass dieser schöne Planet nicht ohne Bewohner bleiben sollte. Also rief er einen mächtigen Zauberspruch und erschaffte so die Hageten. Viele Mythen ranken sich um die Zeit, da er noch unter ihnen lebte, sie von Krankheiten heilte und ihnen mit Prophezeiungen über Wetter und Ernte zur Seite gestanden hatte. Tatsächlich war er ebenso grau, wie der Jofaide, den Gungmar beim Lagerplatz auf dem Ketar gesehen hatte, aber dieser sprach nicht mit einem großen Stab, wie der Alte Schin das getan haben soll. Doch das waren alles Kindermärchen und etwas viel Interessanteres weckte seine Neugier. Das Mädchen - Jubilee, wie sie sich nannte - fragte, ob er ebenso unsterblich war, wie die Jofaiden es sind. Gungmar war clever genug, um zu wissen, dass diese scheinbar beiläufige Frage das eigentliche Anliegen dieser Person war, denn wer keine Antworten gibt, verrät sich oft durch den Unterton seiner Fragen. Gungmar brauchte aber erst noch einen Beweis, bevor er damit vor seinen Klan treten konnte. Mermog - Friede seiner Seele - und er benutzten ihre kriminelle Energie, um im geeigneten Moment in das verbeulte Raumschiff ein zu brechen. Von außen wirkte das tonnenförmige Raumschiff eher plump, aber im Inneren überstieg es bei Weitem alles was Gungmar je an Luxus und technischen Spielereien gesehen hatte. Die bewegten Bilder und fremden Schriftzeichen sagten ihm nicht viel, aber auf einem Tisch fand er Pläne in einer Sprache, die er wieder erkannte. Er steckte alles ein, was er später entziffern könnte. Mermog hatte gehofft irgendwelche wertvollen Schätze zu finden, aber hier gab es keine Kostbarkeiten, keine Waffen oder sonstige lose Gegenstände. Die bequeme Einrichtung und aufwendige Beleuchtung kamen ohne Zierrat und Edelsteinen aus und keinerlei Waffen lagen in den Ecken oder hingen an den Wänden, wie es bei den Torsch Tradition war. Also verließen sie das Raumschiff so unbemerkt, wie sie gekommen waren. Zurück in den Hallen der Torsch ließ er seinen alten der Lehrer Fongten rufen, denn dieser beherrschte die Sprache des Alten Schin. Fongten trug einen für Gelehrte typischen, schweren, dunkelblauen Mantel und besah sich durch seine dicken Brillengläser die Pläne und Aufzeichnungen. Seine Hände schienen immer neue Wege zu suchen und zu finden, um gefaltet zu werden, während seine Augen über den Text und die Zeichnungen huschten. Immer wieder murmelte er etwas, dass manchmal freudig überrascht und ein anderes Mal zweifelnd und nachdenklich klang. Gungmar übte sich in Geduld, da er wusste, dass er seinen alten Lehrer nicht unterbrechen durfte. Mittlerweile war er zwar der Chef des Klans, aber er konnte sich noch gut an die Maßregelungen erinnern, die er als kleiner Junge im Unterricht beim damals schon alten Fongten erhalten hatte. Die Hände seines ehemaligen Lehrer schienen endlich zu einem Schluss gekommen zu sein und er hob langsam das Gesicht, ohne die Augen von den Schriftstücken ab zu wenden.
"Eindeutig Originale. Sehen sie nur diese wunderschöne Tempelanlage mitten in den Berg gehauen. Ich würde zu gern einen Blick in diese Bibliothek werfen. Darf man wissen wo ihr diese Dokumente gefunden habt?"
"Erbstücke", log Gungmar. Daraufhin beschrieb ihm sein alter Lehrer den genauen Inhalt der einzelnen Papiere. Navigationsbeschreibungen, um die Jofaiden zu finden. Der vermutliche Standort der geheimen Informationen in einer Kammer unter der Bibliothek. Einiges über andere Planeten, wie Krepi und Ketar, sowie manches, ohne Relevanz für Gungmar. Doch in seinem Kopf hatte der Plan bereits Gestalt angenommen.
Die Vorbereitungen liefen über mehrere Monate. Er hatte Kungot beauftragt sich mit Jubilee anzufreunden oder zumindest auszufragen. So hatte er erfahren, dass das Raumschiff bei der Notlandung nur leicht beschädigt wurde. Kungot bot seine Hilfe bei den Reparaturen an und machte sich so nebenbei auch ein wenig mit der Steuerung vertraut. Schließlich waren die größeren Reparaturen abgeschlossen und die Männer bereit und ausgerüstet. Gungmar und seine Truppe stahlen daraufhin das Raumschiff und machten sich auf den Weg nach Ketar, um im Tempel der Jofaiden die Quelle des ewigen Lebens zu stehlen. Alles lief hervorragend, bis sie plötzlich in einem unsichtbaren Gefängnis saßen. Die Männer im Tempel berichteten über Funk, dass sie den Kristall mit den Geheimnissen gefunden hatten. Jubilees Aufzeichnungen machten eine eindeutige Identifizierung möglich. Allerdings hatten sie ebenfalls unerwartete Probleme. Das Schicksal schien sich noch einmal zu wenden, als die Satelliten und damit das Kraftfeld von Jubilee zerstört wurden, weil sie ihr Raumschiff wieder haben wollte. Um ihn aber vollends zu demütigen, tauchte sie auch noch auf Ketar auf und rettete sie vor, den eigentlich wehrlosen Ketari.
Er hatte viele Männer verloren, einschließlich Mermog und einige waren immer noch auf Ketar gefangen. Die Ketari waren naiv und unvorbereitet. Sie hatten weder Waffen noch diplomatisches Geschick, wie ihm dieser Ben demonstriert hatte. Umso erniedrigender war seine Niederlage. Eigentlich hätte es ein Spaziergang sein müssen, doch diese Weicheier hatten Einfallsreichtum bewiesen und von diesem geheimnisvollen Wächter des Tempels hatte nichts in Jubilees Aufzeichnungen gestanden. Jetzt musste er den Spott aller und die Untergrabungen seiner Autorität seines eigenen Klans über sich ergehen lassen. Er schlug gegen Wände und Schränke, um seinem Frust Luft zu verschaffen, als plötzlich einige Lämpchen auf seiner Arbeitsfläche anfingen zu blinken. Die Ketari kamen und suchten Vergeltung für den heimtückischen Angriff und ihre getöteten Brüder. Anscheinend gab es dort doch einige Männer, denen die Wörter Ehre und Mut ein Begriff sind. Offenbar waren sie doch nicht ganz so verweichlicht, wie Gungmar vermutet hatte. Er beschloss die Würde seines Klans wieder her zu stellen und trat ins Freie. Bei ihrer Mission hatte er ein paar Männer zurück gelassen, die, sollten die Ketari sie unerwarteter Weise in einen Kampf im All verwickeln, diese mit bereitgestellten Raketen unter Beschuss nehmen sollten. Jetzt setzte er sich hinter ein Steuerpult und visierte das ketarische Flugobjekt an. Mit bloßem Auge konnte er es nicht sehen, aber es musste sich direkt vor der großen Kugel am Firmament befinden. Drei Raketen stiegen in kurzen Intervallen auf. Jede einzelne so hoch wie zwei Mann. Getestet hatten sie diese Begleiterscheinungen der Fortschritts auf der zur Kugel abgewandten Seite des Haget. Ihre entfesselte Zerstörungskraft hatte Gungmar Tränen in die Augen getrieben. Die Erste würden seine Rache für die peinliche Verletzung an seiner Schläfe sein, die zweite für die Gefangenen, die er zurücklassen musste und die Dritte für die toten Männer seines Klans.
Ben erkannte, was da auf ihn zukam. Er hatte damit gerechnet und verfolgte die Linie mit eindeutigem Ziel auf seinem Bildschirm. Uriel und Raphael schauten ihn neugierig an. Sie verwunderte am meisten, wie dieser Zivilist Ruhe bewahrte und offensichtlich einen Plan hatte. Der Satellit war bereits in Position und die Inidium schwebte ohne Antrieb im Raum.
"Ben, wir können leider noch kein stabiles Kraftfeld erzeugen, da sich zurzeit nur ein Satellit in Reichweite des neuen Satelliten befindet." Ben konnte Osandes Beunruhigung hören und die Modifikanten sie in seinen Augen sehen.
"Ich weiß", sagte Ben, "Aber ich benötige keinen weiteren Satelliten."
In diesem Augenblick berührte die Linie auf seinem Monitor eine Blase um die Inidium und die Detonation verpuffte einige hundert Meter von Inidis Raumschiff entfernt in der Leere des Alls. Ben hatte ihr ein eigenes Schutzschild eingebaut und war sehr zufrieden mit dessen Zuverlässigkeit. Uriel widmete sich wieder den Vorbereitungen für den nächsten Satelliten, als wäre nichts gewesen, aber Raphael nickte immerhin anerkennend in seine Richtung. Osandes Miene hellte sich erleichtert auf.
"Hättest du mir nicht vorher sagen können, wie dein Plan ausgesehen hat?"
Ben lächelte nur ein wenig schuldbewusst und steuerte die Koordinaten für den nächsten Satelliten an, während Gungmar ein paar unselige Flüche gen Himmel schickte. Er wollte sich noch nicht geschlagen geben und machte die nächste Salve scharf, als sich eine Hand auf seine Schulter legte.
"Würdest du mir verraten, was das soll?"
Gungmar schrak zusammen, als er Jubilee hinter sich erkannte.
"Ich hatte angenommen, du hättest deine Lektion gelernt, als ich dich vor den Ketari gerettet hatte. Ich werde keine weiteren Übergriffe dieser Art tolerieren."
Mit diesen Worten hob sie ihn aus dem Sitz hinter dem Steuerpult und warf ihn zurück in seine Hütte, als wäre er aus Stroh und kein ausgewachsener Haget. Gebrochene Rippen und ein Bein gesellten sich zu den übrigen Prellungen und der Beule an seiner Schläfe.
Tag der Veröffentlichung: 18.01.2010
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