Cover

Absolut unbekümmert kreisten Bernar und Bianca auf elliptischen Bahnen um ihr gemeinsames Baryzentrum. Bianca, der größere des Doppelgestirns im Zentrum des Gemini-Sonnensystems glühte etwas rötlicher, als ihr meistens gelb-, aber auch manchmal weißglühendes Gegenstück Bernar. Ihre ungeheuerliche Energie pulsierte im Rhythmus zu Asraels Atemzügen. Er meditierte und war mit der immensen kosmischen Energie eins. Atmete er aus, strömten mächtige Sonnenwinde durch das All. Atmete er ein, dann blähten sie sich auf und so wie ihre Bahnen verschlungen waren, wanden sich nun auch sein früheres und neues Ich zu in einander hängenden Ringen. Anders als Bianca und Bernar kamen sich Asrael und der verweichlichte Wissenschaftler immer näher. Asrael gewann an Gravitation und der Abstand zwischen den separaten Sphären wurde zusehends geringer. Irgendwann würde Asrael sein Alter Ego vollständig vereinnahmen. Sobald sein früheres Ich die kritische Grenze überschreiten würde, musste es nachgeben, aufbrechen und Stück für Stück von Asrael einverleibt werden.


Zu dem Zeitpunkt aber, als sich seine Einheit in Richtung Tempel aufmachte, war er die Ausgeglichenheit selbst. Die implantierten Erinnerungen, die genetische Konditionierung und das Bewusstsein seiner eigenen Unbesiegbarkeit, berauschten ihn schlicht weg. Unsicherheit war früher sein täglicher Dämon. Ein autodidaktisches Genie mit dem Selbstwertgefühl von welkem Laub. Hätte ihm seine Mutter nicht gesagt, was er studieren sollte, hätte er heute sein Dasein sicherlich als Essensbote oder Fensterputzer gefristet. Doch nun herrschte in seinen Gedanken solche Klarheit, dass er meinte seinen Weg mit einer leuchtenden, gelben Spur vor sich zu sehen. Selbst seinen Weggefährten eilte ein verzerrtes Abbild voraus, das Asrael deutlich sehen konnte, als sie ins Freie traten. Diese Spuren endeten in einem bereitgestellten Transporter, doch kurz nachdem sie sich gesetzt hatten, konnte er ihre gemeinsame Linie in einer Flugbahn zum Tempel der Jofaiden wieder ausmachen. Der Morgen nahte in einiger Entfernung und ein Unwetter lag in der Luft. Die milchige Dunkelheit wich behutsam den Vorboten des neuen Tages. Vor Asraels Augen erwachte aber bereits die ewige Nacht des Berges, die Düsternis der Höhlen. Er wusste, dass sie keinerlei Erfahrung aufweisen konnten, dennoch löste die bevorstehende Konfrontation keine Nervosität aus, eher eine Kaskade von Eingebungen der alternierenden Ergebnisse ihres siegreichen Vorgehens. Egal, was, wie oder wer sich ihnen in den Weg stellen würde, er wusste, dass sie stärker, klüger und schneller reagieren würden. Er konnte es fühlen, nicht auf eine esoterische Art und Weise, kein Wunschdenken, keine Wahnvorstellung, sondern konkrete Konsequenzen, die sich im auftaten, sobald er sich auch nur eine der undenkbarsten, aggressivsten Reaktionen der Achaten ausmalte. Die Rauchsäule quoll noch immer Unheil verkündend aus der Pore des Steilhangs, aber sein analytisch arbeitender Verstand entmystifizierte bereits dieses ewige Feuer. Es musste sich um ein künstlich gelegtes Feuer der Achaten handeln, denn sonstige Nahrung, wie z.B. Holz oder Gase gab es für ein natürliches Feuer in diesen Höhlen nicht. Der Umstand, dass es nur aus einer Höhlenöffnung rauchte, sagte ihm, dass die anderen unterirdischen Gänge verschlossen wurden und somit auch keine Gefahr für die Bibliothek darstellte. Offensichtlich eine Vorsichtsmaßnahme der Achaten, um sich unerwünschten Besuch vom Leibe zu halten oder Ungeziefer aus zu räuchern. Für sich und die übrigen Modifikanten war diese Konstellation wahrlich kein Hindernis. Ihre blauen Augen verbargen sich hinter unempfindlichen Hornhäuten, die unter anderem einer integrierten Schnittstelle zum Netzwerk und Restlichtverstärkern Obdach boten. Ihre Lungenbläschen quetschten aus jedem gasförmigen Oxid den benötigten Sauerstoff und neues Organ zwischen den Lungenflügeln gelagert, war in der Lage diesen als Reserve zwischen zu speichern. Ihr verfeinertes Gehör würde die Achaten schon atmen hören, bevor diese auch nur eine Ahnung davon hatten, dass sie Besuch bekämen, von ihrem raubtierhaften Geruchssinn ganz zu schweigen. Diese uneingeschränkte Überlegenheit schloss ein Scheitern ihrer Mission aus.


Der Weg zur Kammer


Mann hätte meinen können, sie kommunizieren via Telepathie, denn als sich die Modifikanten vor dem Höhleneingang positionierten, wurde weder gesprochen, noch Zeichen gegeben. Ohne ein für Außenstehende sichtbares Signal betrat einer nach dem anderen die Höhle. Das organisierte Vorrücken einer unaufhaltsamen Maschinerie war in Gang gesetzt worden. Honta verfolgte ihre Bewegungen von der Sternennadel aus. Man hatte die nötigen Instrumente und Technik aus den Genlabor mitgebracht (logistisch für Honta ein Kinderspiel), da man die Sternennadel als ideale Basisstation benutzen konnte und sie reichlich Platz bot. Die Wissenschaftler gehörten nun zur unterstützenden Abteilung der Modifikanten und blickten mit konzentrierten Mienen auf die sieben Übertragungen der Helmkameras, die Asrael und Co. im Transporter aufgesetzt hatten. Gin hatte zwei seiner Assistenten mitgebracht, welche sich hauptsächlich mit den Lebenszeichen und restlichen Körperfunktionen der Modifikanten beschäftigten. Honta und Gin standen so beinahe verlassen vor der großen Leinwand, die momentan Asraels Kamera übertrug. Zuerst ging Uriel, gefolgt von Gabriel und Raphael. Honta meinte, dass die Höhle plötzlich heller wurde, als Uriel sie betreten hatte, aber sicherlich, war das nur die bildbearbeitende Software, die in Echtzeit mitlief. Als nächstes nahmen Penuel und Ramiel ihre Nietpistolen von der Schulter und folgten in einheitlichem Abstand. Dann zog Michael sein Schwert und setzte sich gefolgt von Asrael in Bewegung. Die Computer überwachten auch die Temperatur und Umwelt, aber Asrael konnte sich auf seinen Instinkt verlassen. Der schwache Luftzug und das Echo der Geräusche des Zarfet verriet ihm mehr über das Tunnelsystem, als die holographische Karte von Honta. Der direkte Zugang zur Kammer unterhalb der Bibliothek war eine verstopfte Arterie. Alle Seitenarme und Zugänge, sowie Luftschächte waren gesprengt oder anderweitig verschlossen worden. Der Rauch hatte nur einen Ausweg, aber auch mindestens einen offenen Tunnel, welcher als Luftzufuhr fungierte. Asrael konnte keine derartige Bewegung der Luft ausmachen und vermutete, dass dieser ebenfalls vollkommen abgeschottet worden war. Eines musste man ihnen lassen, wenn auch zum Untergang geweiht, waren sie gut organisiert. Würden die Modifikanten an einer falschen Stelle in das Tunnelsystem durchbrechen, würden es die Achaten sofort merken.


Die Kameras zeigten über viele Minuten endlose Tunnel, Treppen und Höhlen. Einige waren mit Malereien und Steinmetzarbeit verziert, andere schlicht und glatt poliert, aber die meisten einfach nur rauer Stein. Auf Hontas holographischer Karte verfolgte er die zurückgelegte Strecke. Sie waren weit weg von der großen Vorhalle des Tempels und tief unter der Stadt. Gerne wäre er mit da unten gewesen, doch wäre ein inakzeptables Risiko für die Unternehmung gewesen. Untrainiert und unerfahren, mal abgesehen von den ersonnenen Szenarien seiner Kindheit. Jetzt fühlte er sich dennoch unwohl, seine Schöpfung allein in die Ungewissheit geschickt zu haben. Diese Zweifel wurden immerhin etwas gelindert durch seine Karte des Tunnelsystems, die mit jedem Schritt der Modifikanten und jeder Messung der Computer weiter vervollständigt wurde. Mehr Gänge und Höhlen tauchten vor ihm auf und der Untergrund ergab langsam ein System. Keine Symmetrie, doch aber eine Absicht der Erbauer war zu erkennen. Die Vorhalle führte unweigerlich zur Bibliothek und Honta hatte sie immer als zentralen Mittelpunkt des Heiligtums betrachtet. Ein Tempel des Wissens, was bisher immer den größten Sinn ergeben hatte. Doch die unterirdischen Gänge kreisten um ein anderes Allerheiligstes. Erst war nur ein Lauern zuerkennen, als trauten sich die Tunnel nicht näher an ihr eigentliches Ziel heran, doch mit jeder Aktualisierung der Karte wurde das Gesamtbild deutlicher und das Auge des Sturms allmählich sichtbar. Die Kammer. Honta wollte sich soeben bei Gin nach dem Zweck der Kammer erkundigen als plötzlich alle Bewegung auf den Überwachungskameras erstarb.


Brüder


Einen Husru überfiel die Melancholie mit derselben Regelmäßigkeit, wie die weiblichen Menschen ihre Menstruation. Ben war ein veritabler Husru. Seine Sorgen kamen nicht von ungefähr, doch er wusste auch um die Gefahren ungezügelter Melancholie und versuchte seine Gefühle zu ordnen. Das letzte Gespräch mit Gungmar war weder sonderlich aufschlussreich gewesen, geschweige denn beruhigend. Noch einmal würden sie es nicht riskieren, da eine Rückkehr der Achaten immer wahrscheinlicher wurde. Der Kurator mied offensichtlich das Observatorium und er hatte weder Honta, noch Inidi finden können. Ein Silberstreif waren drei weitere Satelliten, die in Sonderschichten fertig gestellt worden waren. Nun musste sie nur noch jemand in ihre Umlaufbahn bringen, aber die Experten aus der Sternennadel waren zu beschäftigt und seine Alternativen unauffindbar.


"Osande? Kannst du ihn auch nicht finden?"


Der ratlose Blick in den Augen seines Mentors sprach Bände.


"Ich habe schon seit Wochen nichts mehr von ihm gehört. Das ist nicht neu und auch nicht wirklich beunruhigend, doch war es mir bisher immer möglich ihn zu spüren, zu erahnen wie es ihm gerade geht und wo er gerade steckt. Du Honta könnt das verstehen, ihr seid auch wahre Brüder und Freunde. Doch, dass ich absolut gar nichts hören oder spüren kann, bedeutet entweder, dass er nicht gefunden werden möchte oder tot ist."


Bei den letzten Worten konnte Ben Osandes telepathische Stimme brechen hören und er verstand nur zu gut. Honta war sein Bruder und obwohl er seine Lebenszeichen spüren konnte, war dieser in heller Aufregung. Trotzdem waren das nicht seine einzigen Sorgen und sein Mentor konnte es spüren.


"Dich bedrückt noch immer, was der Gefangene gesagt hat, oder? Wie kann ich dir helfen, mein junger Praktikant?"


"Es ist nichts, ich verstehe nur nicht, warum sie so wütend darüber sind, dass Menschen, Husru und Jofaiden unterschiedliche Lebensspannen haben. Es klang fast so als mache er euch persönlich dafür verantwortlich."


"Ein langes Leben mag verlockend klingen, aber wir Jofaiden waren schon immer überzeugt, dass die Zeit selbst über die universalen Angelegenheiten der Intelligenz entscheidet."


"Du meinst sie suchen im Tempel nach einem Mittel für Ewiges Leben und behaupten ihr hättet es vor uns verheimlicht?"


"Ich weiß nicht, was sie zu finden hoffen, aber sie missverstehen Ewiges Leben. Eure Intelligenz, eure Seele ist ohne Anfang. Seit es also Zeit gibt, gibt es auch Intelligenz und was nicht geschaffen wurde, hat auch kein Ende. Eure Seele ist daher unsterblich und eurer derzeitiges Leben nur Ausdruck einer Entwicklungsstufe im großen Ganzen des Ewigen Lebens. Ob 100, 150, 1000 oder 100000 Jahre sind im Vergleich zur Ewigkeit folglich ohne Bedeutung. Verstehst, was
ich dir zu sagen versuche?"


Ben kannte den Vortrag seines Mentors, doch es beantwortete immer noch nicht seine Frage. "Ich schon, aber ich glaube unsere Besucher werden das nicht einsehen. Sie sind scheinbar der Meinung, ihr verfügt über Mittel und Wege ihr Leben zu verlängern, würdet es ihnen aber niemals freiwillig zur Verfügung stellen. Haben sie damit recht?"


"Nun ja, rein formal müssten alle Ketari darüber abstimmen, die Jofaiden würden wahrscheinlich im Allgemeinen eine Empfehlung dagegen aussprechen, sich aber der Mehrheit anschließen."


"Sie wissen so viel über uns und doch so wenig. Das ergibt alles so wenig Sinn, es sei denn natürlich ihr versteckt dort unter der Bibliothek noch ein geheimes Genlabor."


"Dem ist nicht so und dir sei versichert, auch mir gibt ihr Vorgehen Rätsel auf."


Feindkontakt


Das Kollektiv hatte den Feind gewittert und änderte seine taktische Dynamik. Penuel und Ramiel sicherten die Höhle und den ausschlaggebenden Durchgang zum nächsten Gang. Asrael besah sich seine Gefährten und nach dem er zufriedenstellender Weise ihre Entschlossenheit registriert hatte, folgte er seiner transparenten Spur. Sein Schwert lag wohltuend ausgewogen in seiner Hand und mehr Schutz, als den seiner widerstandsfähigen Haut und der beschichteten Uniform wäre unverhältnismäßig. Seine Instinkte machten keine unmittelbare Gefahr aus und er wollte schon falschen Alarm verkünden, als der graue Gang sich rot färbte. Das war definitiv einer der Eindringlinge gewesen. Seine breiigen Überreste klebten an einer Wand vor einem verschlossenen Zugang zur Hauptschlagader des Tunnelsystems Richtung Kammer. Uriel hob seine Hand und das von ihm ausgehende Licht strahlte immer heller. Penuel mit ihren engelsgleichen Gesichtszügen trat näher an die Wand und schloss die Augen.


"Etwas verbirgt sich vor mir. Die Achaten waren, dabei den Durchgang zu verschließen, als sie irgendetwas oder irgendjemand überraschte. Es liegt ein dunkler Fleck über den Ereignissen, aber ich spüre mehr Angst, als nur die der Achaten. Vielleicht irgendein Tier, dass hier unten haust."


"Das hätten wir längst gewittert", erwiderte Asrael. "Ich glaube, dass uns jemand die Arbeit abgenommen hat, allerdings sollten wir uns diesem jemand nur sehr vorsichtig nähern."


Das Blut breitete sich an einer Stelle keilförmig aus und überzog mit einem schleimigen Nebel immer mehr des Tunnels bis dieser komplett rot war und erst nach vier bis fünf Metern wieder verblasste. Die Knochen waren zermalen und auch sonst gab es nichts woran man das Opfer hätte identifizieren könnten. Die Modifikanten gingen jetzt schneller, aber ihre Sinne waren noch schärfer gespannt, dank der Warnung von Asrael und den Überresten eines kurzen Kampfes.


Eine Reihe von Wissenschaftlern hatte die Toiletten aufgesucht, denn die Bilder waren von stechender Qualität. Honta konnte sich keinen Reim darauf machen, denn man hatte ihnen versichert, dass die Tunnel leer waren. Ein Tier war wirklich unwahrscheinlich, da es noch nie von den Jofaiden gesehen worden war. Sie hatten den Tempel erbaut und benutzten ihn regelmäßig. Er konnte sich geradeso beherrschen seinen Brechreiz zu unterdrücken und wandte sich an Gin:


"Weißt du, was um alles in der Welt dort geschehen ist?"


"Leider nein. Ich hatte gehofft, diese Aktion würde ohne Blutvergießen verlaufen, aber auf so etwas war ich nicht vorbereitet. Ein verletzter - wie nennt ihr sie doch gleich - Achat, oder? Vielleicht ein bedauerlicher Todesfall, aber diese Gräueltat ist mir unbegreiflich."

Honta hatte Gin in den vergangenen Stunden näher kennen und schätzen gelernt. Er war ein Genetiker mit Leib und Seele. Seine größte Liebe galt aber dem Leben. Er bewunderte die Natur und ihre Wertschätzung des Lebens, wie sie es nahezu vergötterte, indem sie dem Leben in unerschöpflicher Schönheit und Form Ausdruck verlieh. Es war selbstständig und überdauerte Lebensformen, Sterne und Galaxien. Er kannte die intuitiven Eigenheiten, dass Zusammenspiel kleinster Bausteine und die große Zusammenhänge des Lebens und nun sah er es seit sehr langer Zeit auf blasphemische Art und Weise zerstört, sodass die Schwärze seine Augen noch dunkler wurde.


"Mir geht es ebenso, Gin. Ich habe mich gefragt, was die Achaten antreibt alle Ketari zu töten die ihnen bis jetzt über den Weg gelaufen sind und nun zu alle dem auch etwas Unbekanntes auf den Plan gerufen hat, dass euren Tempel und diese Kammer anscheinend verteidigt. Kannst du mir sagen, was sich da unten befindet."


"Ich sagte doch bereits, dass sich dort nichts befindet, was eine Gefahr für unsere Schöpfung darstellt."


"Ich weiß und ich vertraue dir. Auch respektiere ich den Umstand, dass es für die Jofaiden ein Heiligtum ist, aber ich muss begreifen, wie es soweit kommen konnte und was das für Konsequenzen nach sich zieht. Wenn ich mutmaßen müsste, würde ich meinen, die Achaten sind auf der Suche nach etwas, was ihnen gehört, was ihnen wichtig ist und ihr ihnen weggenommen habt. Das soll keine Beleidigung sein, aber danach sieht es für mich derzeit aus, wenn ich in Betracht ziehe, was mir zurzeit an Informationen zur Verfügung steht."


Gins traurige Falten um seine Stirn lichteten sich. "Keine Sorge, mein Freund, ich fühle mich nicht von Logik beleidigt. Die Kammer unter der Bibliothek ist ein kleines Archiv und enthält die ältesten Legenden, Mythen und Geschichten, die von unserem Volk handeln. Sie sind unsere Wurzeln und deshalb heilig. Wir kennen sie und haben alles, was für euch von Nutzen sein könnte, mit euch geteilt. Es ist Bestandteil unserer gemeinsamen Zivilisation."


"Dann müssen die Achaten noch etwas dort vermuten, denn ein paar Geschichtsbücher würden diese Ausschreitungen nicht rechtfertigen."


"Glaube mir, die Geschichte ist für viele Grund genug zur Ausschreitung, sei es um sie richtig zustellen, oder wie in den meisten Fällen, um sie nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten."


"Aber wo überschneidet sich dann unsere Vergangenheit mit unserem Mond? Hat sich eigentlich jemand je die Mühe gemacht, dessen Geschichte zu erforschen?"


"Nein, er war unbewohnt, als wir Jofaiden diese Welt betraten und es gibt keinerlei Nachforschungen über die offensichtlich menschlichen Ursprünge der Achaten. Schon gar nicht in dieser Kammer. Ich verstehe es auch nicht."


Einige bleichgesichtige Wissenschaftler hatten es wieder an ihren Arbeitsplatz geschafft und machten Honta darauf aufmerksam, dass die Modifikanten ihr Etappenziel erreicht hatten. Die Kammer war eine quadratische Höhle mit vielen Vorkammern, die jeweils mehrere Ein- und Ausgänge besaßen. In einer dieser Vorkammern vermutete Asrael das Feuer und war sich sicher, dass die Hauptkammer abgeschottet war. Eine der hinteren Vorkammern war ihr Ziel gewesen und Asrael vergewisserte sich, dass die Wände kühl waren. Ramiel trat unaufgefordert vor, legte seine Hände neben Asraels und wartete, bis dieser sich entfernt hatte. Ein fernes Donnergrollen war zuerst nur in den Knochen zuspüren, doch als das Gestein anfing nachzugeben, war die Quelle der kaum spürbaren Erschütterungen eindeutig Ramiel. Er trat zur Seite und ein schwerer Schlag von Gabriels Keule brachte die Wand vollends zum Einstürzen. Penuel sicherte als Erste die Vorkammer, woraufhin Asrael und die anderen ihr wie ein einzelner Schatten folgten. Der Durchgang zur Hauptkammer war frei und dieses Mal ging Michael voraus. Unhörbare Schritte glitten über den Marmor und spähten durch nachtsehende Augen nach dem Feind. Nur beiläufig registrierten sie die Speicherkristalle dieses Archivs. Nichts war zerstört oder brannte, aber es war unnatürlich warm. Das Feuer konnte also nicht mehr weit entfernt sein. In der Mitte des Raumes betrachtete Uriel einen leeren Ständer.


"Sie haben weshalb sie gekommen sind."


Asrael stimmte ihr zu. "Ich kann ihre Spur in dieser Richtung wahrnehmen", und deutete auf einen schmalen Durchgang zu ihrer Linken. Die Spur der Achaten war dunkler und verschwommen, aber die des fehlenden Kristalls war klar und hell. "Honta, sie haben einen Kristall entwendet und fliehen Richtung Norden tiefer hinein in den Zarfet. Der Kristall war auf einem Ständer in der Mitte der Kammer postiert. Alles andere scheint unangetastet und das Feuer stellt keine unmittelbare Gefahr für uns oder die Kammer dar. Was soll unsere Priorität sein?"


"Verfolgen sie die Achaten und bringen sie den Kristall, wenn möglich, unbeschädigt zurück." Gin hatte geantwortet und seine Stirn wieder in verstörte Falten gelegt. Auf den Monitoren wurde es wieder unruhig, als sich Raphael meldete.


"Wir haben hier wieder Überreste eines Kampfes." Er wies auf einen anderen Gang und wieder konnte man eindeutig die Explosionsrichtung erkennen. Anscheinend hatte ihr Unbekannter die Achaten hier wieder eingeholt und von der Seite angegriffen. Drei keilförmige Explosionsüberreste strahlten in die Kammer, alle mit einem gemeinsamen Brennpunkt. Hinter diesem Punkt waren diesmal aber auch einige Einschusslöcher zu sehen, sowie ein paar Spritzer von schwarzem Blut, Jofaidenblut.


"Beeilen sie sich bevor weder die Achaten, noch das andere Wesen die Oberfläche erreichen und ihr Gemetzel in der Stadt fortsetzen. Allem Anschein nach war hier unten doch ein Jofaid gewesen, vielleicht eine Geisel, versuchen sie diese zu befreien. Und jetzt los."


Honta hatte eine kleine Ansprache gehalten, obwohl seine Knie versagen wollten. Zum Glück stellte Asrael keine Fragen und die Modifikanten setzten sich umgehend in Bewegung. Sie liefen so schnell durch die Gänge, dass Honta nur noch übler wurde und er sich abwenden musste. Der Tod war noch nie so nah und realistisch gewesen. Ben und er retteten die Welt sonst üblicher Weise ohne Verluste. Wenn der Tod eine Rolle spielte, dann meist nur in weiter Entfernung. Die Ereignisse der letzten Stunden und Minuten trafen in aber mit voller Wucht aus kürzester Entfernung. Er wandte sich der holographischen Karte zu und ließ sich von dem grün schimmernden Rohrgeflecht ein wenig beruhigen. Der Weg der Modifikanten kam wieder nach oben und glich sich langsam dem Tunnelsystem an, das von der Vorhalle des Tempels den Berg hinauf führt. Augenblicklich wurde im wieder speiübel. Sie mussten Ben warnen, denn offensichtlich flohen die Achaten auf die Spitze des Zarfet. Er wurde von Asrael in seinen panischen Gedankengängen unterbrochen.

"Wir können sie vor uns sehen. Momentan befinden wir uns in einer langgestreckten Höhle. Unterwegs haben wir noch ein Dutzend Überreste von Achaten gesehen, allerdings lässt die Explosionsrichtung darauf schließen, dass sie unser unbekanntes Wesen verfolgen. Wir werden sie überwältigen, allerdings sollte man den Ausgang dieses Tunnels sichern, um die Stadt vor diesem Wesen zu schützen."


Der Kurator trat zu Gin und Honta. "Wir werden eine Barriere oder Netz als Falle aufstellen. Offenbar erreichen sie die Invasoren rechtzeitig, denn soeben haben sich die übrigen aus dem Lager befreit und nehmen mit ihrem Raumschiff Kurs auf das Observatorium."


Honta sah ihn fassungslos an. "Wie ist das möglich?"


"Wir haben einen Ernergiestrahl vom Mond registriert und im selben Moment waren 4 unserer Satelliten zerstört. In Folge dessen brach das Eindämmungsfeld zusammen."


Noch während Honta den Schock über das plötzliche Eintreffen des Kurators und seinen vernichtenden Nachrichten verarbeitete, verwickelten die Modifikanten die Achaten in einen Kampf. Es waren ca. 20 der Invasoren übrig und die hinter ihnen liegenden Geplänkel hatten sie schwer gezeichnet. Furcht und Unglauben stand ihnen ins Gesicht geschrieben und der Überraschungsangriff der Modifikanten tat das seine. Die ersten wurden binnen Sekunden kampfunfähig und bewusstlos geschlagen. Ein paar suchten Schutz hinter Felsvorsprüngen und eröffneten das Feuer. Ihre Bestürzung wuchs, als ihre Projektile keinen erkennbaren Schaden an den Modifikanten hinterließen. Diese huschten wie Schatten von einem Achat zum nächsten und trieben sie Richtung Ausgang. Um ihrem Untergang zu entgehen, schossen die Achaten auf ihrer Flucht mit schwereren Energiewaffen und Granaten. Ramiels und Penuels Nietpistolen ratterten mit leisen Pressluftstößen und stutzten die Gegenwehr zurecht. Uriel blendete mit seinen Lichtstrahlen die letzten Achaten und Gabriel, Asrael und Michael erledigten die letzten von ihnen im Nahkampf. Die Schwerter und Keulen hätten in den engen Gängen nichts ausrichten können, doch in dieser Höhle blieb genug Platz für verheerende Schwünge und die heftigste Gegenwehr wurde mit dem Tod quittiert. Derweil kümmerte sich Raphael um die Verwundeten, fesselte und sammelte sie zusammen.


"Uriel, Ramiel und Gabriel, ihr folgt diesem Weg bis zum Ausgang, um sicher zu gehen, dass wir niemanden vergessen haben. Penuel, du gehst zurück und kümmerst dich um das Feuer. Der Rest von uns beginnt mit dem Abtransport der Gefangenen und alle halten die Augen nach dem Jofaiden und dem verschwundenen Kristall offen."


Er brauchte sich nicht erkundigen, ob alle verstanden hatten, denn ihre Spuren eilten ihnen bereits wie gewünscht voraus. Er war zufrieden, sehr zufrieden. Sie hatten sich im Kampf bewährt, gesiegt und diesen Kristall würden sie auch noch finden. Die Aussicht auf eine Aufklärungsmission oder vielleicht sogar eine Jagd auf das unbekannte Wesen erregte ihn freudig. Die Dunkelheit der Höhlen war ihr Spielplatz geworden.


Als Ramiel das Raumschiff der Achaten auf dem Gipfel des Zarfet unter Beschuss nahm, drehte es wieder ab. Ben und Osande beobachteten den Sieg der Ketari fasziniert vom nur 300 Meter entfernten Observatorium. Und dann geschah es, dass Ben seinen Engel zum ersten Mal sah. Sie flog ohne Hilfsmittel und feuerte Energiestrahlen auf die seltsamen Wesen am Höhlenausgang. Die drei Gestalten zogen sich schnell zurück und erwiderten ein ums andere Mal das Feuer. Eine der Drei schoss eben falls mit einer Art Laser, aber die Achaten hatten die Ablenkung durch Bens Engel genutzt, um ihr Raumschiff außer Reichweite zubringen und Richtung Mond zu fliehen. Der Engel sah Ben im vorbeifliegen in die Augen, und dieser war auf der Stelle verzückt von ihrer unglaublichen Schönheit. Ihr anmutiger Flug hatte ihn dermaßen gebannt, dass sie ihn ohne weiteres vom Zarfet hätte stoßen können, ohne dass er in der Lage gewesen wäre ihr (im wahrsten Sinne des Wortes) zu widerstehen. Doch sie schwebte einfach nur an ihm vorbei, beschleunigte, holte das Raumschiff auf seinem Weg in die obere Atmosphäre ohne Mühe ein und ward verschwunden.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 12.01.2010

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /