Cover

Ben - wir erinnern uns, Husru, Praktikant und diplomatischer Unterhändler zwischen Ketari und Achaten - hatte einen unruhigen Schlaf gehabt. Gestern waren die Achaten gelandet. Gestern waren 137 Ketari und ein Achat gestorben. In seinen Albträumen war er es, der sie umgebracht hatte. Er wachte aber auch ein paar Mal nach guten Träumen auf. Träume in denen Honta und er wieder einmal die Welt gerettet hatten. Sobald er jedoch versuchte sich daran zu erinnern, wie es ihnen gelungen war, entglitten ihm die Träume wie Nebelschwaden. Als nun der Morgen bereits dämmerte, gab er es auf erholsamen Schlaf zu suchen. Er hatte die letzte Nacht zum ersten Mal im Observatorium verbracht. Sein geregeltes Praktikantenleben hatte dies bisher nie erforderlich gemacht, doch nun war er froh, dass es einige kleine Bereitschaftsräume mit unbequemen Betten gab. Als er aus dem Zimmer trat, bemerkte er Osande an einem Schreibtisch in der Nähe des großen Teleskops, liebevoll "Dicke Berta" genannt. Jofaiden schliefen wenig und Ben vermutete, dass sein Mentor die ganze Nacht gearbeitet hatte. Ein telephatisches "Guten Morgen" begleitete ihn auf seinen Weg zur Aussichtsplattform. Gestern stand dort in unregelmäßigen Abständen der Gleiter des Kurators. Das letzte Mal hatten sie sich besprochen, nachdem Osande und Ben vom Lager der Achaten zurückgekehrt waren. Er hatte ihnen von den Bemühungen in der Sternennadel erzählt und war wieder auf dem Weg dorthin, als er sie verließ. Der Kurator hoffte auf erste, konstruktive Vorschläge seitens der Wissenschaftler und Ben und Osande sollten im Schutz des Tageslichtes das Lager erneut aufsuchen, um mehr über die Achaten und ihre Mission zu erfahren. Die restlichen Invasoren, waren noch immer im Höhlensystem des Tempels und würden sich lange vorher ankündigen, wenn sie sich auf den Rückweg zum Lager machen sollten. Man hatte den Korridor zwischen Tempel und Lager großzügig evakuiert und Späher an den bekannten Ausgängen postiert, um Ben und Osande telepathisch über die drohende Gefahr in Kenntnis setzen zu können.
Die Aussichtsplattform ragte weit über den steilen Hang des Zarfet hinaus. Ein atemberaubender Blick bot sich Ben, als über der Uhube-Ebene die Sonne sich daranmachte, den bernsteinfarbenen Morgenhimmel zu erklimmen. Ben folgte den langen Schatten Richtung Stadt und blieb unwillkürlich an der Sternennadel hängen. Ihre verschlungen geschraubte Fassade ließ sie lebendig wirken und der kilometerlange Schatten machte aus ihr eine überdimensionale Sonnenuhr. Ihr Zeiger zeigte exakt in seine Richtung, dies war seine Stunde. Beinahe schien ihm die Last der Verantwortung zu erdrücken, als er in der Nähe des Prytaneion (das Büro des Kurators) Rauch aufsteigen sah. Das Prytaneion lag an einem weiteren Hang, den Ben von seiner Position aus nicht einsehen konnte, er wusste aber ohne Zweifel, dass der Ursprung der Rauchsäule einer der Höhlenausgänge des Tempels war. Es war windstill und der Qualm stieg gerade nach oben, bis er auf eine Inversion traf und sich über Hantikor verteilte, als wäre die wärmere Luftschicht eine unsichtbare Kuppel über der Stadt. Das ließ in unweigerlich wieder an das Kraftfeld denken, das seit gestern Abend ohne Unterbrechung treu seinen Dienst verrichtete. Für ein Kraftfeld waren drei Satelliten notwendig. Es gab insgesamt neun Satelliten für das Meteoritenwarnsystem, die in ihrem geostationären Orbit für eine äußere Abschirmung völlig ausreichend waren. Um jedoch weitere Kraftfelder in unmittelbarer Umgebung von Hantikor zu erzeugen, müssten sie die Positionen der übrigen sechs Satelliten neu berechnen und ausrichten. Das allein würde schon einige Zeit in Anspruch nehmen. Aber einmal davon abgesehen, war der begrenzte Treibstoffvorrat der Satelliten ein viel größeres Problem. Im geostationären Orbit benötigten diese nur selten und wenn, dann nur geringfügige Positionskorrekturen. Das sparte Platz und Gewicht. Zwei Elemente die bei Raketenstarts für Satelliten nicht gerade verschwenderisch zur Verfügung standen. Zwei Varianten, um das Problem zu lösen, gingen Ben durch den Kopf. Entweder würden sie weitere Satelliten nach oben schießen, oder aber die Inidium auf eine Kuriermission schicken. Mehr Satelliten waren auf lange Sicht sinnvoll, aber zeitintensiv. Die Fertigung und Vorbereitungen könnten Wochen dauern. Die Inidium wäre innerhalb weniger Tage wieder einsatzbereit. Soweit er wusste, wurde sie immer noch regelmäßig gewartet und stand voll ausgestattet im Inneren der Sternennadel. Auch sie könnte Satelliten mit in den Orbit nehmen, aber diese müssten ja erst noch gefertigt werden. Immer mehr favorisierte er die Option, die Inidium einige der übrigen sechs Satelliten einsammeln und an ihren neuen Bestimmungsort bringen zu lassen. Am liebsten würde er selbst mit hinauffliegen, aber es gab noch viel im Observatorium zu tun und wenn sie nicht bald Unterstützung bekämen, würden sie unter der Last zusammenbrechen. Vielleicht könnte man Inidi irgendwo ausfindig machen und Osande könnte dabei bestimmt helfen, doch ein anderer Gedanke kam ihm. Für diese "Kurierfahrt" wäre Honta geradezu prädestiniert. Allerdings hatte er keine Ahnung, wo sich dieser momentan herumtrieb. Mit Sicherheit hatte er, ebenso wie Ben, die Landung der Achaten mit Aufregung verfolgt.


Im Untergrund


Inidi Kilion blieb gerne im Untergrund. Ruhe und Dunkelheit waren nur zwei der vielen Annehmlichkeiten, die sich ihm hier fern ab des hektischen Gewimmels und unaufhörlichen Getöses der Stadt boten.
Das Höhlensystem war schon allein durch seine gigantischen Ausmaße ein gefährliches Labyrinth, aber viele versteckte Winkel und Höhlen, sowie eingestürzte Gänge hätten für jeden unkundigen Verirrten den sicheren Tod bedeutet. Betrat man die Höhlen durch den Tempel, gelangte man als erstes in die monumentale Vorhalle. Vorbei am Rund der 60 Jofaiden und der Stadt in der Sphäre lag nun eine zerstörte, steinerne Pforte. Die Achaten hatten sich Zutritt verschafft und den "Weg des Bibliothekars" - rechterhand nach unten - gewählt. Der "Weg des Lichtträgers" ging linkerhand nach oben und wurde schon seit Jahrhunderten nicht mehr benutzt. Der Gang führte hinauf bis zu einer Öffnung in der Nähe des Observatoriums und war in einem eher schlechten Zustand. Der "Weg des Bibliothekars" wurde indessen regelmäßig gepflegt und auf dem glattpolierten Marmorboden waren die Fußabdrücke der Achaten noch eine ganze Weile deutlich zu erkennen. Der Staub der Explosion verriet dem Besucher für viele hundert Meter die eingeschlagene Richtung. Inidi war gerne in der Bibliothek. Nicht Wissen, sondern auch Kunst und Geschichte, Erkenntnisse und Anekdoten umgaben den aufnahmebereiten Geist. Schätze der Lyrik und der Wissenschaft standen dicht an dicht in vielen kleinen Sälen. Verbunden durch breite Gänge beherbergten sie Regale aus geschliffenem, blauen Kristall und waren als 3-dimensionales Waabenkonstrukt in den Berg geschlagen. Inidi hoffte inständig, die Achaten würden nichts davon zerstören, da viele Unikate unwiederbringlich dahin wären. Kurz vor der letzten Biegung des "Weges des Bibliothekars" horchte er gespannt nach den Eindringlingen, aber vernahm nur das sanfte Rauschen der Zugluft. Um die Bibliothek verlief ein kreisrunder Gang, von welchem immer wieder Eingänge zur Bibliothek und weitere Gänge in den Berg abzweigten. Inidi beschloss die Bibliothek zu umrunden und an den Abzweigungen zu lauschen, ob er die Eindringlinge hören konnte. Nach weinigen Schritten blieb er stehen, aber diesmal, weil er sich bewusst wurde, wie Töricht sein Plan war. Was würde er denn tun, wenn er sie tatsächlich hörte? Er war gänzlich unbewaffnet und sie hatten bereits viele Ketari bei ihrer Ankunft ohne zu zögern getötet. Er bedachte seine Lage und ging dann weiter. Die Neugier trieb ihn und die Angst, dass sie fänden wonach sie suchten. Etwas mehr Selbstvertrauen schöpfte er bei der Erinnerung an ein Spiel, das Osande und er vor vielen Jahren gespielt hatten. In ihrer gemeinsamen idealistischen Phase hatten sie oft lange Spaziergänge am Rande von Hantikor unternommen und endlose Diskussionen geführt. Dabei vertrieben sie sich die Zeit, indem sie Steine warfen. Sie waren beide telekinetisch recht begabt und unterstrichen so zusätzlich die Argumente, die sie sich gegenseitig zuwarfen. Im Laufe der Zeit wurden sie immer besser und ihre telekinetischen Fähigkeiten stärker. So liefen sie oft 10 bis 20 Meter von einander entfernt und unterhielten sich telepathisch während sie einen schönen runden Kiesel telekinetisch hin und her warfen. Fangen war wesentlich schwieriger, als werfen, denn dazu musste man lediglich den Stein durch eine Schockwelle beschleunigen. Fangen hieß ein bremsendes Feld auf den letzten Metern mit dem Stein mitzubewegen, aber nach reichlich Übung konnten sie sich völlig auf ihre Diskussionen konzentrieren, während das Werfen und Fangen der Steine nur eine Spielerei am Rande war. Mit Hilfe besagter Schockwelle hatten sie auch Steine einfach nur so weit wie möglich in die offene Ebene befördert und Inidi hoffte, dass sie stark genug war, um ihn zur Verteidigung gegen die ausgewachsenen Eindringlinge von Nutzen zu sein.
Mittlerweile war schon fast zur Hälfte um die Bibliothek herum gegangen, als er Feuer roch. Der Geruch kam nicht aus der Bibliothek, wofür er mehr als dankbar war, dafür aus einem Gang tiefer in den Berg hinein, der ihn nichts Gutes ahnen ließ.


Asrael


Gin und Honta betrachteten ihr Werk. Die Simulationen waren abgeschlossen und die Freiwilligen lagen seit geraumer Zeit in den Inkubatoren. Honta erkannte einen der Wissenschaftler wieder. Er hatte ihn damals - es schien ihm soweit in der Vergangenheit, dabei war es erst gestern Abend gewesen - als Kollegen angesprochen, während Honta die Tiefen seiner dunklen Seele auslotete. Auf seinem Inkubator stand Asrael, einst ein Mensch, doch das Resultat würde eine gänzlich neue Spezies sein. Die Namen hatte Gin ausgesucht und Honta hatte sie noch nie gehört. Die anderen sechs hießen von nun an Uriel, Gabriel, Raphael, Ramiel, Michael und Penuel. "Nomen est omen" hatte Gin gesagt, aber nicht erklärt, was er damit meinte.
Honta ging näher an den Inkubator von Asrael heran. Die äußere Transformation war bereits abgeschlossen und von dem freundlichen, aber verweichlichten Wissenschaftler mit schütterem Haar und Bauchansatz war nichts mehr zu sehen. Sie hatten überlegt, dass auch ihre Körpergröße überragend sein sollte, doch da sich die Invasoren in den Höhlen des Tempels befanden, wäre das wohl unklug gewesen. Dafür war ihre Statur nun wesentlich kompakter und extrem muskulös. Ihre Haut, gepanzert und mit erhöhter Selbstheilungsrate, schimmerte nun in fahlem Silber und die Physiognomie erinnerte nur noch entfernt an ihre ursprünglichen Gesichtszüge. Ihr kantiges und ernstes Gesicht wurde von einheitlich kurzen, schwarzen Haaren eingerahmt. Nur Uriel und Penuel hatten als einzige Frauen ihr langes, schwarzes Haar zu einem Zopf gebunden. Ramiel und Raphael waren Husru, doch ihre Atmungsorgane hatte man durch die robustere Lungenatmung ersetzt. Sie sahen jetzt weder Menschen, noch Husru ähnlich sondern waren etwas Anderes, etwas Neues. Sie waren Modifikanten. Honta hatte das Gefühl dem immer drohenden, mystischen Feind in Form der Achatkrise begegnet zu sein und war mit seiner Reaktion zu frieden. Tatsächlich würde er dazu beitragen, Hantikor und sogar Ketar zu retten. Seine Ängste schienen unbegründet. Wen Ben nur hier sein könnte. Natürlich war er mit den Kraftfeldern beschäftigt und wenn er daran dachte, dass sie beide genau das taten, was sie sich so oft erträumt hatten, erschien es im wieder unwirklich. Er trug immer noch den hellblauen Kittel aus der Sternennadel, doch war dieser längst keine Verkleidung mehr. Er hatte wahrhaftige, wissenschaftliche Arbeit geleistet und Gin hatte ihn wieder und wieder lobend betrachtet, als es um die genauen genetischen Spezifikation ging.


Gungmar


Nachdem sich Ben und Osande den aufsteigenden Rauch besehen hatten, kehrten sie zum Lager der Achaten zurück. Sie überflogen den ketarileeren Korridor. Der Anblick verwaister Straßen ließ Ben in eine düstere Vision von Hantikors Zukunft abdriften. Würden die Kraftfelder versagen und noch mehr Achaten kommen, könnte das einen Konflikt zwischen den beiden Planeten bedeuten, der eine weit größere Opferzahl zur Folge hätte und diese wunderschöne Stadt vermutlich in Trümmern zurücklassen würde. Ein Leid von diesem Ausmaß mussten die Ketari noch nie ertragen und höchst wahrscheinlich würden sie daran zerbrechen. Flüchtlinge, Witwer und Waisen, ein Schatten der Trauer lag auf den leeren Straßen seiner Vision. Noch immer hatten sie nicht den geringsten Anhaltspunkt, was der Auslöser gewesen sein konnte. Sie hatten die Achaten weder provoziert oder okkupiert. Sie würden sie ja kaum dafür verantwortlich machen, dass sie hin und wieder einen Schatten auf ihre Heimatwelt warfen. Über diese Vorstellung erhellte sich sein Gemüt ein wenig und die Erinnerung an die brachiale Begegnung des vermutlichen Anführers der Achaten mit dem Kraftfeld ließ ihn beinahe schmunzeln. Natürlich hatte dieser Umstand Schläfenbeule nicht gerade kooperativer werden lassen und die Sache mit der Besetzung des Tempels, das Feuer und gleichwohl diese geheimnisvolle Quelle ergaben keinen Sinn. Es gab noch so viele Unklarheiten, doch zumindest Osande war zuversichtlich gewesen, dass sie heute etwas mehr in Erfahrung bringen könnten. Doch wie er auf sie reagieren würde, nachdem sie den Leichnam einer seiner Männer entwendet hatten, wussten sie ebenso wenig. Wenigstens hielt das Kraftfeld und würde sie vor einem eventuellen Wutausbruch beschützen. Verdächtig war außerdem, dass der Kurator sich schon ungewöhnlich lange nicht mehr gemeldet hatte und ein großes Geheimnis um die Erkenntnisse der Forscher machte. Sein ungutes Gefühl verstärkte sich wieder, je näher sie dem Kraftfeld kamen. Zum Glück gab es weit und breit keine Schaulustigen. Die unmittelbare Umgebung war evakuiert und durch Straßensperren abgeschottet. Wenigstens würden so keine unschuldigen Ketari einer Gefahr ausgesetzt, wenn das Kraftfeld versagen sollte oder die Achaten einen Weg fänden, sich zu befreien.
Außerhalb des Raumschiffs war nur der ehemals Bewusstlose zu sehen und hielt vermutlich Ausschau nach seinen Kameraden. Ben konzentrierte sich, auch wenn er keinerlei Strategie hatte. In seinen Tagträumen mit Honta, war es meist sein menschlicher Freund, der die heroischen Ansprachen hielt.

"Seid gegrüßt." Etwas Dämlicheres fiel ihm nicht ein. Der Achat blickte nur argwöhnisch in seine Richtung, doch erwiderte er nichts. Seine Nase war verbunden und verlieh ihm die entfernte Ähnlichkeit eines Clowns.

"Ich heiße Ben. Mein Mentor Osande und ich, wollen mit euch reden."

"Wo ist Mermog?"

"Wer?"

"Unser Freund, den ihr getötet und geraubt habt."

"Wir haben ihn nicht getötet und als er hier über längere Zeit lag, haben wir ihn abtransportiert. Wenn ihr ihn wieder mit in eure Heimat nehmen wollt, werden wir ihn euch selbstverständlich zurückbringen."

Ben versuchte den Achaten so zumindest ein wenig zu beschwichtigen. Wo genau Mermog überhaupt war und was mit ihm geschehen war, wusste er auch nicht. Der ehemals Bewusstloses rief etwas Unverständliches zum Eingang des Raumschiffs und kurze Zeit später erschien Schläfenbeule. Seine blaugrün geschwollene Schläfe sah schmerzhaft aus und sein Gesichtsausdruck entsprechend bitter.

"Ihr schon wieder, hatte ich euch nicht gewarnt?"

"Wir möchten reden und wenn möglich Missverständnisse aus der Welt schaffen."

Schläfenbeule schnaubte nur verächtlich, blieb aber stehen.

"Also, auf ein Neues. Mein Name ist Ben und dies ist Osande. Wir wissen, dass ihr vom Klan der Torsch stammt und euer von uns geborgener Freund Mermog hieß. Wäret ihr so freundlich uns auch eure Namen zu verraten?"

Schläfenbeule blitzte den ehemals Bewusstlosen böse an, da er scheinbar mehr gesagt hatte, als er durfte. Schläfenbeules Ton klang äußerst widerwillig.

"Ich heiße Gungmar und dies ist Kungot. Unsere Namen sind uninteressant und es gibt sonst nichts was euch irgendetwas angeht."

"Nun ja, ihr erwähntet eine Mission, welche bereits 137 Ketari und einen eurer Leute das Leben gekostet hat. Eure Männer sind in den Tempel der Jofaiden eingedrungen und haben ein Feuer verursacht, das die Bibliothek unserer kostbarsten Kulturzeugnisse bedroht. Offensichtlich sucht ihr etwas und vielleicht klingt das ja abwegig, aber hättet ihr nicht einfach fragen können? Womöglich wären wir bereit euch einfach zu geben oder gegebenenfalls mit euch zu teilen, wonach ihr sucht?"

Gungmar verzog sein Gesicht zu einer belustigten Grimasse, die offenbar durch seine lädierte Schläfe zu sehr schmerzte und sofort wieder erstarb. Er blickte von Ben zu Osande und wieder zurück.

"Unser jofaidischer Freund, hat nicht zufällig eine telepathische Mitteilung von sich gegeben, die ich leider nicht mitbekommen habe, oder?"

"Verfügt ihr denn über Telepathie?"

"Nein, aber vielleicht fällt ihm ja ein, was wir in den Höhlen der Erkenntnis suchen."

Ben blickte neugierig in die Richtung seines Mentors. Ungläubig sah er nur wie Osande den Kopf schüttelte. "Die Höhlen der Erkenntnis" und etwas wovon Osande wissen sollte und die Husru, sowie höchstwahrscheinlich auch die Menschen keine Ahnung hatten? Er verlor fast sein mentales Gleichgewicht, als die neuen Informationen auf ihn einströmten. Gungmar lächelte angesichts Bens offenkundiger Verwirrung.

"Was meinst du, kleiner Frosch? Wenn die Jofaiden es noch nicht einmal mit euch teilen, wieso dann ausgerechnet mit uns?" Nach einem geröchelten Lachen fuhr er fort. "Wie alt bist?"

"26 Jahre", antwortete Ben ein wenig überrumpelt.

"Eure Jahre dürften den unseren entsprechen, was bedeutet, dass ich einen Sohn habe der genauso alt ist wie du. Und nun lieber Ben, lass dir doch von deinem Freund hier sagen wie alt er ist, wenn er sich noch erinnern kann."

"Oh, da muss ich nachdenken", sagte Osandes Stimme via Gedankenübertragung, "vermutlich etwas mehr als 22000 Jahre, aber wer zählt da noch?" Seine Augen glitzerten traurig, obwohl er sich bemühte zu lächeln. Ben verstand aber immer noch nicht.


Die Jagd beginnt


Während Ben nach Inidi suchte und Inidi nach den Achaten, erwachten am dritten Tag nach jüngster Zeitrechnung die Modifikanten. Es war weit nach Mitternacht und stockfinster. Im Labor flackerte ultraviolettes Licht und tauchte die Geburtstunde der neuen Spezies in eine pathetische Atmosphäre. Sie schlugen ihre blauen Augen auf und wussten, dank implantierter Erinnerungen, augenblicklich worin ihre Aufgabe bestand. Asrael übernahm instinktiv die Führung seiner kleinen Einheit und wurde ohne Widerspruch von allen akzeptiert. Letzte Tests der Reflexe, intellektueller und körperlicher Fähigkeiten beschieden dem Kurator, Gin, Ben und den restlichen 16 Wissenschaftlern der Sternennadel, dass sie innerhalb von 24 Stunden etwas Bahnbrechendes auf die Beine gestellt hatten. Sie würden Teil der unauslöschlichen Geschichte von Ketar werden. Die nächsten Tage würden zeigen, ob sie irgendwelche Fehler gemacht hatten, doch waren sie sich ausnahmslos einig, dass ihre Geschöpfe die Achaten besiegen würden. Unbändige Kraft gepaart mit schwerem Gerät und zusätzlich schützender Rüstung (man hatte als Waffen genommen, was zu finden war: Keulen, historische Schwerter und zwei Nietpistolen, sowie die Schutzkleidung der städtischen Bauarbeiter in neuem Design) würden die Invasoren in die Knie zwingen, den Bewohnern ihres Mondes unmissverständlich klarmachen, dass Ketar ihnen überlegen, aber dennoch gewillt ist, den Frieden wieder herzustellen, sollten sie von weiteren feindlichen Maßnahmen absehen.
Asrael griff sich ein antikes Schwert, Ramiel und Penuel nahmen die schweren Nietpistolen, als wären es Spielzeuge, Uriel und Gabriel die metallischen Schläger und Raphael und Michael die beiden übrigen, Schwerter. So standen sie in schwarzer Uniform, mit eigens kreierten Abzeichen bereit und erhielten ein letztes Briefing.

"Altes Archivmaterial ergab, dass der Schacht aus dem der Rauch aufsteigt zu einer Kammer gehört die sich 200 Meter unter der Bibliothek befindet." Honta wies auf eine holografische Karte des Tempels und markierte die Kammer.

"Der kürzeste Zugang befindet sich hier. Die Anwohner wurden evakuiert und laut Angaben der Priester befindet sich zurzeit niemand außer den feindlichen Invasoren in den Gängen des Tempels. Eure Aufgabe ist es, die Aggressoren unschädlich zu machen, da sie eine Bedrohung für Hantikor darstellen. Bevorzugter Weise würden wir sie gerne im Anschluss verhören. Wir wissen, dass sie unsere Sprache sprechen. Priorität hat ihre Entwaffnung und Gefangennahme, sollten sie jedoch für euch oder andere Ketari unmittelbare Gefahr bedeuten, dann ist es euch erlaubt sie mit allen Mitteln davon abzuhalten."

Die Modifikanten hörten aufmerksam zu und Asrael nickte stellvertretend, als Zeichen, dass sie verstanden hatten.

"Nun gut, dann Wünsche ich gute Jagd."

Es war ein feierlicher Moment, als die Rettung von Ketar in Form dieser sieben dunklen Krieger den Gang zum Transporter entlang schritt. Sie würden die Achaten aufspüren und besiegen. Würde der Mond Verstärkung schicken, würden sie vermutlich selbst damit fertig, aber auch sie konnten ihre Modifikanten an Zahl jederzeit durch weitere Freiwillige verstärken. Und wer würde sich nicht gern an der Rettung seines geliebten Planeten beteiligen wollen, zumal das Ergebnis der Modifikation so beeindruckend war. Schiere Kraft und athletische Höchstleistungen gepaart mit einem strategisch denkenden Geist und der Vernunft eines Ketari waren eine brillante Symbiose. Nun gut, der letzte Punkt würde sich als etwas degeneriert erweisen und die telepathischen Fähigkeiten waren eingeschränkter als der Durchschnitt bei Menschen und Husru, aber mit ein wenig Training würde sich beides wieder aneignen lassen. Solche Nebensächlichkeiten verblassten natürlich neben besagtem feierlichen Moment und nachher ist man immer schlauer...

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 07.01.2010

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /