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Ich wollte sie schon aus meinem Büro werfen. Weil sie mir erklärte, wozu sie mich anheuern wollte. Mich – ich bin Privatdetektiv. Sie zeigte mir einen dicken Packen Geld. Sie bot mir noch mehr als sie mit hatte. Ich hatte keine Wahl. Die Gläubiger waren immer in meiner Nähe. Drohten mir. Meine Möglichkeiten wurden immer knapper. So nahm ich an, musste annehmen. Das Geld würde mir endlich wieder das Luftholen erlauben. Ich erzähle lieber nicht, wie ich in diese Lage gekommen war. Glauben sie es mir einfach. Die große, elegante Frau ging wieder. Ich blickte ihr lange nach. Nicht wegen ihrer langen Beine in den schwarzen Nylons. Nicht wegen des Minirocks, den sie trug. Auch nicht wegen ihrer High Heels. Obwohl sie genau mein Typ war. Sondern weil ich ja gesagt hatte. Weil ich den Auftrag angenommen hatte. Ich war über meine Zustimmung entsetzt. So aber ging ich trotzdem. Sie hatte mir eine Zeit genannt. Zu der mein Opfer abwesend sein würde. Ich knackte das Schloss der Wohnung in wenigen Sekunden. Dann betrat ich sie. Lauschte nach Geräuschen. Nichts zu hören. So schloss ich die Eingangstüre. Begann mein Werk der Zerstörung. Zuerst in der Küche. Ich warf das Geschirr auf den Boden. Räumte die Fächer mit einer einzigen Armbewegung aus. Hinterließ schon dort ein riesiges Chaos. Ich setzte im Wohnzimmer fort. In der Garderobe verwendete ich ein scharfes Küchenmesser. Ich zerschnitt damit Kleidung und Wäsche. Die ganze Zeit musste ich an meine Besucherin denken. An das Warum. Ich unterdrückte diesen Gedanken. Machte weiter. Ich ging in jedem Zimmer ans Werk. Dann verließ ich die Wohnung. Schloss leise die Türe. Ohne die Nachbarn zu sehr aufgeschreckt zu haben.
Er hatte schon wieder zugeschlagen. Ich denke daran. Als ich auf dem Weg zum Fundort der Leiche gehe. Der Anruf hatte mich aus meinem unruhigen Schlaf gerissen. Wieder er, den die Medien ohne viel Fantasie den Namen Bowieschlitzer gegeben hatten. Dies war möglicherweise sein siebtes Opfer. Sie waren immer vom gleichen Typ: Blonde langbeinige junge Frauen, mit einem Hang zu kurzen Röcken und hohen Absätzen. Und zu One Night Stands.
Soweit wir wussten, lief es immer gleich ab: Der Mann machte die Bekanntschaft der Opfer in Bars oder Cafes. Überredete sie, mitzukommen. Hatte mit ihnen Verkehr. Dann schien er sie zu überreden, noch einmal weg zu gehen. Er schlitzte ihnen danach die Kehle durch. Ließ sie in einer der engen Sackgassen in der Stadt liegen. Zudem schlitzte er ihnen allen noch eine Nummer auf ihre flachen Bauchdecken. Nummerierte sie durch. Opfer Eins bis Sechs hatten wir schon gefunden.
Ein Rätsel blieb mir, aber auch der gesamten Kommission, die gebildet worden war, warum. Wieso hatte er mit ihnen Sex und brachte sie dann um? Keine der Frauen war vergewaltigt worden. Keine Gewaltanzeichen. Aber all sie hatten unmittelbar vor ihrem Tod Sex gehabt. Mit dem Mörder. Wir hatten in einigen Fällen Zeugen gefunden. Sie hatten bestätigt, dass das jeweilige Opfer mit einem Mann mit langen schwarzen Haaren und einem Schnurbart weg gegangen war.
Als ich jetzt vor dem Fundort um die Ecke biege, sehe ich schon Polizeiautos, eine Absperrung, Lichter. Höre Sirenen. Ich quetsche mich durch die gaffende Menschenmenge. Zeige meinen Ausweis vor. Der Polizist an der Absperrung lässt mich durch. Wieder liegt das Opfer in einer dunklen Sackgasse. Hinter einer Mülltonne.
Copyright © tredition GmbH
Texte: tredition
ISBN: 978-3-86850-252-7
Tag der Veröffentlichung: 21.07.2010
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