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Welch ein herrlicher Sommersonntag. Ich liege auf der Hollywoodschaukel, schaue zum Himmel hinauf und beobachte die wenigen Wolken. Die Luft ist klar und heiß, ich höre die Grillen zirpen und Vögel zwitschern. Es ist einfach herrlich relaxend. Ich liege da und denke an IHN. Nur noch ein paar Wochen, dann werde ich ihn wieder- sehen. In meinem Urlaub. Ich freue mich so sehr darauf.

Dachte ich noch Anfang des Jahres daran, ins Reisebüro zu gehen um einen Flug zu buchen, nur um bei ihm zu sein, kam mir ein glücklicher Zufall sehr entgegen. Ich habe doch wirklich einen Flug GEWONNEN! Anfangs zweifelte ich meinen Gewinn schon etwas an, hatte ich doch noch nie etwas gewonnen, außer ein paar CDs vielleicht. Ich suchte überall nach einem Haken, jedoch bin ich, glücklicher- weise, immer noch nicht fündig geworden. Ich werde also fliegen, in wenigen Wochen. Mit SchwanLM.
Angesichts der vielen unerfreulichen Nachrichten, die man leider zu oft auf die Ohren bekommt, beruhigt es mich nicht wirklich, zu wissen, für viele Stunden im Flieger s(chw)itzen zu müssen. Der Gedanke daran bereitet mir Bauchschmerzen. Andererseits ist Fliegen viel sicherer als Autofahren, sagt man. Da muss ich jetzt eh durch, schließlich werde ich IHN zur Belohnung für die vielen Stunden wieder in meine Arme schließen können.

Viel zu viel Zeit ist vergangen, seit wir uns das letzte mal ,,richtig" gesehen haben. Computer, Internet und Webcams können alles schon um einiges erleichtern und uns irgendwie einander nahe bringen, doch fühlen und riechen kann man sich nicht. NOCH nicht! Die Technik entwickelt sich ja rasend schnell, wer weiß, was in der Zukunft alles möglich sein wird.
Wir sehen uns tagaus, tagein, ich kann nicht klagen. Wir reden stundenlang über Gott und die Welt. Wir wissen über unser beider Leben sehr gut Bescheid. Ich muss sagen, nie zuvor hat irgendjemand solch einen Einblick in mein Leben und meine Gefühlswelt gehabt, und schon gar nicht war dieser Jemand männlichen Geschlechts. Sollte ich mal einige Stunden nichts von ihm hören, fehlt er mir unheimlich und ich mache mir immer ein bisschen Sorgen. Ich bin mir sicher, dass das auf Gegenseitigkeit beruht.

Zwischen all unseren "Sitzungen" senden wir uns die zuckersüßesten Nachrichten aufs Handy. So sind wir uns, wo immer wir uns auch gerade aufhalten, trotz großer Entfernung nah und überall füreinander erreichbar.

Und doch ist er soweit weg. Dieser Gedanke wird manchmal unerträglich für mich. Ich möchte mit IHM hier in der Sonne liegen, auf der Hollywoodschaukel, den Grillen lauschen und... Flugzeuge hören. Ein Flugzeug brummt gerade über mich hinweg. Schlagartig (warum nur?) bin ich in Gedanken auf meinem eigenen, endlos langen Flug, auf dem Weg zu IHM, um ihn nach endlos langer Zeit wieder- zusehen.

Wie würde es wohl sein? Wie würden die ersten Minuten oder Stunden verlaufen? Schon tausendmal malte ich mir in Gedanken aus, wie wir uns um den Hals fallen und uns innig küssen und uns dann nur noch festhalten werden. Endlos lange. Auf dem Flughafen. Vielleicht würde ich aber auch aus lauter Vorfreude schon im Flugzeug in Ohnmacht fallen. In ein paar Wochen werde ich mehr wissen. Genauer gesagt in fünf Wochen, ich werde im September fliegen. Mit SchwanLM. Fensterplatz. Alles organisiert.

Irgendwie kann ich es immer noch nicht fassen. Aus unserer einstigen Echtbeziehung wurde so etwas wie eine Brief-Telefon-Freundschaft, welche dann kurzzeitig wegen persönlicher Weiterentwicklung auf Eis gelegt war, die dann wieder auferstanden ist, wie Phönix aus der Asche, dann zur CYBER AFFAIR mutierte und bald haben wir uns wieder. In echt. Life und in Farbe. Welche Freude. Unfassbar!

Die Sonne brennt. Das Piepsen meines Handys hat mich soeben aus meinen Träumen gerissen. "Piep, piep... Sie haben eine neue Nachricht." Von wem wohl? "Hast Du gerade in diesem Moment an mich gedacht?" Oh, wenn du wüsstest...
Ich werde jetzt ins Haus gehen und mir etwas Kühles zu trinken holen.

*****



Vor sechseinhalb Jahren irrte ich mit meiner Freundin auf dem Parkplatz einer Diskothek herum, ziemlich planlos, wo wir nun endlich den Jahreswechsel zelebrieren sollten. Nach langem Hin und Her beschlossen wir, doch in diese Disco zu gehen. Wir waren gerade noch beim Mut- antrinken. Plötzlich eine dunkle Stimme aus dem dunklen Hintergrund. „Wisst ihr auch nicht, wo ihr hinsollt?“ Eigentlich wollten weder er noch wir in diese jene welche Disco, vor der wir uns gerade befanden, gehen. „Unser“ Club, der sich gleich gegenüber befand, hatte ja leider geschlossen. Wie dumm!

Nachdem wir ein paar Worte mit dem Eigentümer der dunklen Stimme aus dem nächtlichen Hintergrund gewechselt hatten, packten wir ihn einfach und fuhren woanders hin, ein kleiner Club in der City. Sage und schreibe um 23:35 Uhr hatten wir doch noch eine Party gefunden. Wow, noch im alten Jahr! Mit SEINER Hilfe. Die Party war nett und es dröhnte gute Musik aus den Boxen. Im weiteren Lauf der Nacht machten wir uns bekannt, tanzten und lachten und tauschten schließlich unsere Telefonnummern. Wir brachten IHN später noch nach Hause und ich gab IHM spontan einen Kuss auf die Wange. Einfach so. Er sah mich an und meinte, „Wofür war der denn?“ Ich lachte ihn einfach an und antwortete, „Happy New Year!“

Eine Woche später sahen wir uns wieder. In jener Disco, wo wir eigentlich die Woche zuvor auch sein wollten. Ich hätte ihn fast übersehn. Typisch für mich. Auf diese Weise ist mir wahrscheinlich schon einiges entgangen, nur weil ich ihn oder sie oder es nicht sofort erkannte. Schließlich entdeckte ich IHN aber. Sein Name war übrigens, um dieses Geheimnis nun zu lüften, Jessy. Eigentlich war dieser Abend eher unspektakulär. Wir wechselten ein paar Worte, erzählten uns, was das neue Jahr bisher so gebracht hatte. Ansonsten war ich mit meinen Mädels zusammen.

Wenige Tage später rief er bei mir an und wir verab- redeten uns für den folgenden Tag. Er war sehr zuvor- kommend und lieb und goldig und fragte mich dauernd, ob alles in Ordnung sei oder ich noch irgendwelche Wünsche hätte. Mir ging es gut.

Wir machten es uns auf seinem Bett bequem und schauten Videos an. In seinem Zimmer roch es ausgesprochen gut nach würzigem Tee. Diesen Duft, mit dem ich Sinnlichkeit und Geborgenheit verbinde, konnte ich bis heute nicht mehr vergessen. Er saß auf seinem Bett, seinen Rücken an die Wand gelehnt und ich saß vor ihm, meinen Rücken wiederum an seinem Oberkörper. Er hatte seinen Arm um mich gelegt und streichelte mich zart. In meinen Gedanken war ich schon weit weg von dem Film, den wir gerade sahen. Ich wollte mehr. Ich wollte Jessy küssen und streicheln und ihm endlich sein T-Shirt ausziehen. Als hätte er meine Gedanken gelesen, zog er mich höher zu sich und küsste mich. Oh, diese weichen Lippen! Sie berührten meine erst sanft bevor sie sich fordernder auf meinen Mund drückten. Ich fuhr mit meiner Zunge zwischen seine Lippen, um sie zu teilen und saugte an seiner Unterlippe. Während seine Zunge begann, mit meiner zu spielen, streichelte mir Jessy über meinen Rücken und Arme. Ich fuhr mit einer Hand unter sein T-Shirt, was er endlich loswerden musste und erfühlte seinen Bauch und seine Brust. Er hatte warme, weiche Haut. Ich zog ihm das Shirt endlich aus. Auch er machte sich an die Arbeit, mich zu entkleiden. Seine Hände wanderten über meine Taille hoch zu meinen Brustspitzen. Ich erschauerte unter seiner Berührung und seine Küsse raubten mir den Verstand. Ich konnte nicht mehr warten. Ich drehte mich um, zog ihm auch noch die restlichen Sachen aus und setzte mich dann auf seinen Schoß. Er war immer noch an die Wand gelehnt und wir konnten uns anschauen, als er in mich eindrang. Wie gut sich das anfühlte! Ein leiser Seufzer kam mir über die Lippen. Er umfasste meine Taille mit beiden Händen und zog mich fester zu sich. Wir fanden unseren Rhythmus und schwebten kurze Zeit später auf Wolke sieben.

Wow, unser erstes Mal war überwältigend! Danach hatte ich wirklich keine Wünsche mehr offen, außer, dass sich dies hier noch oft wiederholen würde, denn in genau diesem Moment wusste ich bereits, ER war der Lover meines Lebens.

Nein, wir waren von diesem Zeitpunkt an nicht direkt ein Paar. Wir trafen uns zwar regelmäßig, hatten viel Spaß, schauten viele Filme an und hatten tierisch guten Sex. Jedoch blieb unsere Art von Beziehung unverbindlich.
Leider verloren wir uns nach einiger Zeit aus den Augen und gingen unserer eigenen Wege. Nichts Dramatisches.

Eines Tages, kurz vor seiner Abreise, trafen wir uns wieder, REIN ZUFÄLLIG, in der Disco. Hatte ich erwähnt, dass Jessy Amerikaner ist und hier in Deutschland für zwei Jahre der US Army gedient hatte? Nun jedenfalls war seine Zeit um und er musste, beziehungsweise durfte wieder zurück nach Hause. Bis hierhin immer noch nicht weiter dramatisch.

Als ich gerade nach Hause gehen wollte, fragte er mich noch einmal nach meiner Telefonnummer. Er hatte sie verloren!!! Dies war nun der Grund, weshalb wir uns aus den Augen verloren hatten?

Wie gesagt, der Tag seiner Abreise stand vor der Tür und uns blieb nicht mehr viel Zeit, die verlorenen Wochen wieder aufzuholen. Er rief mich an und bat mich ihn abzuholen. Angesichts der Tatsache, dass es schon ziemlich spät am Abend war und ich am nächsten Tag früh aus den Federn und arbeiten musste und ich eigentlich auch keine Lust hatte, alles wieder aufzufrischen und dadurch das Ende zu dramatisieren, kostete es Jessy eine ziemlich lange Überredungsphase, bis ich endlich einwilligte. Ich holte ihn also ab und wir fuhren zu mir, wir wollten wenigstens ungestört sein, wenn es schon die letzte Nacht sein musste. Es gewitterte und regnete die ganze Fahrt über. Wie passend!

Bei mir zu Hause angekommen, fielen wir, ohne große Worte und Zeit zu verlieren, übereinander her und küssten uns innig. Wir lagen auf einer Decke auf dem Fußboden und massierten uns gegenseitig mit Öl. Während wir uns leidenschaftlich liebten, ein letztes Mal, zuckten draußen Blitze durch die Nacht. Es war die leidenschaftlichste Nacht meines bisherigen Lebens.
Am Morgen, das heißt nur wenige Stunden später, fuhr ich ihn zurück und dann hieß es Abschied nehmen. Ich sagte auf dem Rückweg kein einziges Wort. Ich fühlte mich elend. Ich hatte es geahnt. Wir hätten uns nicht treffen sollen. Andererseits hätte ich mir diese letzte Nacht, DIE Nacht schlechthin, nicht entgehen lassen können. Ich schluckte und versuchte, gegen aufsteigende Tränen zu kämpfen.

Bei Jessy vor dem Haus angekommen, saß ich immer noch wortlos da und schaute aus dem Fenster. Ich konnte meine Tränen nicht mehr halten. Er legte einen Arm um mich und zog mich zu sich. Nun war alles zu spät. Ich konnte nur noch heulen.
Wir konnten da nicht ewig herumsitzen. Wir mussten beide pünktlich zur Arbeit und ändern konnten wir eh nichts mehr. Er gab mir einen Abschiedskuss und stieg aus dem Auto.

Oh Gott, wenn ich nur daran denke... hat mal jemand ein Taschentuch?

Ich weiß nicht mehr genau, wie ich mit tränenüberströmten Augen nach Hause fahren konnte, doch ich hatte den Weg gefunden.

Ich war so fertig und niedergeschlagen und musste ja immer noch ins Büro. Ich kühlte mein verquollenes Gesicht ein wenig, holte tief Luft, dann ging ich los. Ich hoffte wirklich sehr, viel Arbeit für diesen Tag zu haben, so wäre ich wenigstens abgelenkt.
Nach ein paar Tagen war der ganz große Kummer etwas abgeflaut. Nur wenn es Gewitter gab, kamen die Erinne- rungen an unsere letzte Nacht und mit ihnen mein Schmerz wieder zurück. Und, nachdem ich den ersten Brief von ihm erhielt.

„...Hi Baby, bist du überrascht? Ich hoffe doch nicht. Ich hab dir gesagt, ich würde immer schreiben. Um ehrlich zu sein, ich hätte nicht gedacht, dass dich das so mitnimmt. Ich fühlte mich ziemlich schlecht, weil ich länger bei dir bleiben wollte und konnte es nicht. Es tut mir auch leid, dass wir bis zum Schluss gewartet haben, uns noch einmal zu treffen. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich muss immer an unsere letzte Nacht denken. Ich dachte immer, wir hätten großartigen Sex gehabt, aber DIESE Nacht war absolut fantastisch. Auf jeden Fall bin ich froh, dass wir es doch noch geschafft haben, wieder Freunde zu sein... Pass auf dich auf. Jessy“

Und da rollten sie wieder, meine Tränen. Erst als Jessy wieder zurück in den Staaten war, merkte ich, wie sehr ich ihn eigentlich mochte und nun vermisste.


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Texte: ISBN: 978-3-86850-683-9
Tag der Veröffentlichung: 01.07.2010

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