Der kleine Picks fühlte sich nicht mehr wohl in seinem engen Eierhaus. Er konnte sich nicht drehen und wenden. Immer stieß er mit dem Köpfchen an irgendeine Wand. Aber wenn Picks ganz still lag, hörte er seltsame Geräusche.
Bald zwitscherte und piepte es, bald hörte er Flügelrauschen und manchmal auch die vertrauten Stimmen seiner Eltern. Picks war neugierig. Er hätte zu gern gewusst, was da draußen vor sich ging.
Eines Tages hielt er die Enge nicht länger aus. Er reckte und streckte sich mit aller Kraft. Nach einer kurzen Zeit gab es einen lauten Knacks. Die kühle Luft erschreckte Picks zwar, aber er fühlte sich trotzdem sehr glücklich. Endlich konnte er sich richtig bewegen.
„Seht nur, unser kleiner Nachzügler ist da!“
Wer hat da gesprochen? Das war nicht die Mama, sondern eines von seinen großen Geschwistern. Der älteste Bruder Tracks, der schon zwei Tage vor Picks geschlüpft war, betrachtete gutmütig den kleinen Burschen, der da gerade das Licht der Welt erblickt hatte.
„Der ist aber winzig!“, sagte daraufhin Kisa, das einzige Mädchen in der Amselkinderschar.
Picks kuschelte sich in das warme Nest an seine Geschwister und hoffte, dass die Eltern bald nach Hause kämen.
Ganze sechs Eier hatte die Amselmama gelegt und alle Kinderchen waren nun geschlüpft. Mama und Papa hatten jede Menge Arbeit vor sich, denn die Kleinen hatten großen Hunger. Sie sollten schnell wachsen und kräftig werden, damit sie im Sommer noch das Fliegen lernen konnten. Abends setzte sich die Mama auf das Nest und wärmte ihre Kinder mit ihren weichen Federn. Aber während des Tages waren beide Eltern ständig unterwegs, damit die Kinder genügend Nahrung und Wasser bekamen.
Bald stellte sich heraus, dass Picks gegen seine älteren Geschwister keine Chance hatte. Die anderen Amselkinder waren immer die Ersten, wenn Mama oder Papa mit einem Schnabel voll Würmchen an ihr Nest kamen. Sie drängten Picks beiseite oder hüpften einfach auf ihn drauf, um die begehrten Leckerbissen zu erhaschen. Wenn der Papa versuchte, dem jüngsten Kind einen Bissen zu geben, drängelte sich jedes Mal ein Geschwisterchen vor.
Leider hatten die Eltern auch sehr wenig Zeit, denn sie mussten sechs kleine Schnäbel füttern. Tracks war bereits doppelt so groß wie Picks, denn er war der Älteste und somit auch der Stärkste unter den Amselkindern. Aber auch Kisa nahm keine Rücksicht auf den Kleinen. Nur der nächstältere Bruder Pocks ließ ab und zu eine kleine Grille oder ein Würmchen direkt vor seinem Schnabel fallen. So bekam Picks wenigstens eine kleine Portion.
Mit der Zeit wuchsen die Amselkinder heran. Dadurch wurde es immer enger im Nest. Picks, der ständig an den Rand gedrückt wurde, musste sehr aufpassen, damit er nicht aus dem Nest fiel. Weil aber unser Picks nun so wenig Essen abbekam, wurde er auch immer schwächer. Eines Morgens fielen ihm einfach die Augen zu vor Müdigkeit.
In dem Moment streckte sich Tracks und entfaltete seine Flügel. Dabei gab er Picks unabsichtlich einen Schubs und dann purzelte der kleine Vogel auch schon die Hecke herunter. Glücklicherweise hatten die Eltern das Nest nicht so hoch gebaut, sodass Picks zwar unsanft, aber ohne größere Verletzungen landete. Nur der Po tat ihm ein bisschen weh und seine noch kümmerlichen Flaumfedern lagen kreuz und quer auf dem Rücken. Nun war guter Rat teuer.
Picks piepste laut nach seinen Eltern, aber sie waren gerade aus dem Nest geflogen, um Nahrung zu suchen. Tracks und Kisa schauten oben aus dem Nest heraus. Sie hörten ihren Bruder zwar, aber sie konnten ihn nicht mehr sehen. Das Laub der Hecke war dicht gewachsen. Als endlich der Papa zum Nest kam, berichteten Tracks und Kisa, dass der kleine Picks hinausgefallen war.
Der Papa erzählte es der Mama, und dann suchten beide ihren Kleinen. Leider war Picks nirgends mehr zu finden. Die Mama weinte und auch Papa Amsel war sehr traurig, aber sie konnten nichts mehr für Picks tun. Jetzt blieb noch die Arbeit für die restlichen Kinder, denn Tracks hatte schon wieder Hunger und die anderen kleinen Amseln ebenfalls.
Picks fand sich in einer kleinen Erdhöhle unterhalb der Hecke wieder. Als er sich umsah, konnte er den Eingang sehen. Das Sonnenlicht schien herein und wärmte ihn. Trotzdem hatte der kleine Amseljunge Angst. Er war nun ganz alleine. Seine Eltern waren nicht da, seine Geschwister fehlten ihm und er wusste nicht, wo er hingehen sollte.
Für den Anfang war die Höhle nicht schlecht. Hier hätte er Schutz vor Regen und Wind. Am meisten aber quälte ihn der Hunger. Picks hüpfte dem Eingang zu und schaute nun zum ersten Mal hinaus. Was gab es da nicht alles zu sehen! Bunte Blumen wuchsen direkt vor seinem Schnabel. Eine riesige Wiese voller Kräuter und Blüten wuchs hinter der Hecke.
Und seltsame Vögel sah er da. Vom Papa hatte er nämlich erfahren, dass sie Vögel sind. Andere Tiere kannte Picks nicht und so dachte er, dass alle Tiere Vögel sind. Diese Vögel, die er sah, hatten Hörner und ein weißes Fell. Sie zwitscherten auch nicht, sondern sie meckerten. Picks hörte es ganz deutlich.
„Mähähähähä!“, machten diese Vögel. Picks staunte über die Größe und über die lustigen Geräusche. Als er dann nach unten sah, ringelte sich direkt vor seinen Füßen ein frecher Wurm. Schnapp – schon hatte Picks den Leckerbissen im Schnabel und er freute, sich sehr über das unverhoffte Essen.
Gespannt hielt er weiter Ausschau und siehe da, er fand noch einen Wurm, und noch einen, und sogar einen kleinen Käfer! Auf einem großen Blatt entdeckte er in seinem Glück auch noch ein paar Wassertropfen zum Trinken. Picks war zum ersten Mal
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 29.03.2022
ISBN: 978-3-7554-1045-4
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