1. Das Wiedersehen
In einem Klassenzimmer des Gordelia Gymnasiums saß ein molliges Mädchen, das aus dem Fenster schaute. Währenddessen stand Herr Dickel an der Tafel und erklärte mit voller Begeisterung die Französische Revolution. Das Mädchen kannte keinen Lehrer, der so begeistert ist jungen Menschen, wie sie selbst es ist, Wissen zu vermitteln. Viele arbeiteten einfach ihren Lehrplan ab, ohne auch nur einen Funken Interesse bei den Schülern zu wecken. Herr Dickel war da ganz anders, er riss mit seiner Begeisterung zu den Themen sämtliche Schüler mit. Dennoch interessierte sich das mollige Mädchen in der hintersten Reihe nicht besonders für den Unterricht. Sie starrte weiter nach draußen und schien ihren Gedanken nach zu hängen. Die Schulklingel ertönte und verkündete, dass der Unterricht vorbei war. Das Mädchen, das eben noch aus dem Fenster starrte, packte nun ihre Tasche zusammen und verließ den Raum. Dies tat sie alles ohne auch nur einen ihrer Mitschüler anzusehen. Sie schien sie alle gar nicht wahrzunehmen. Alle anderen lachten und quatschten über das Wochenende, während sie ihre Taschen zusammen packten und ebenfalls den Raum verließen. Fast zu jeder neuen Stunde mussten die Schüler den Raum wechseln. Nach Geschichte, stand Kunst auf dem Stundenplan. Das Mädchen saß wieder in der letzten Reihe und folgte auch dieses Mal nicht den Unterricht. So lief es jetzt schon seit einem halben Jahr ab. Sie setzte sich auf ihren Platz und sah nach draußen, bis der Unterricht vorbei war. Am Anfang haben ihre Mitschüler versucht sich mit ihr anzufreunden und die in ein Gespräch zu verwickeln, dies gaben sie aber nach spätestens einer Woche auf und begannen sie zu ignorieren. Auch die Lehrer gaben auf sie dran zu nehmen, da sie nichts sagte. Allerdings waren sie mit ihren Schulischen Leistungen zufrieden und unternahmen deswegen nichts. Obwohl es scheint, dass sie nicht am Unterricht teilnimmt, ist sie die Klassenbeste. Nach vier weiteren Schulstunden war die Schule beendet und alle beeilten sich nach Hause zu kommen, um sich danach mit Freunden zu treffen oder andere Sachen zu machen. Das Mädchen aber ließ sich Zeit mit dem einpacken und ging mit langsamen Schritten aus dem Raum und verließ durch den Seitenausgang das Gymnasium. Davor wartete bereits ein schwarzer Skoda. Sie ging direkt auf das Auto zu und bevor sie sich reinsetzte, legte sie auf ihr Gesicht ein wunderschönes, aber gezwungenes Lächeln. Auf dem Fahrersitz saß eine schlanke Frau, die eine Kälte und Strenge ausstrahlte mit dem sie jeden Angst einflössen konnte. Das Mädchen allerdings hatte selten vor dieser Frau Angst. Nein im Gegenteil, sie hasste diese Frau. „Und Catharine, wie war die Schule?“, fragte die Frau ohne jegliches Interesse in der Stimme. Catharine schaute nach vorne durch die Windschutzscheibe und sagte mit ebenso kalter und emotionsloser Stimme: „Alles wie immer, Mutter.“ Damit war das Gespräch zwischen den beiden beendet. Nach einer halben Stunde blieben sie vor einer großen Villa stehen und stiegen aus. „Ich will, dass du dich heute Abend nicht mehr blicken lässt, da ich wichtigen Besuch bekomme.“, befahl die Mutter von Catharine und verschwand in ihrem Schlafzimmer, vermutlich um sich ein passendes Outfit für nachher zurecht zu legen. Catharine schnappte sich aus der Küche eine Schüssel, füllte sich Cornflakes ein, gab Milch dazu und schnappte sich einen Löffel, dann verschwand sie damit nach oben in ihr Zimmer. Ihr Zimmer war in einem hellen Orange gestrichen und bestand aus hellbraunen Schränken. Sie mochte es gerne hell und offen, deshalb grenzte an ihrem Zimmer einen Balkon, auf dem sie jetzt ihr Essen zu sich nahm. Von dort aus konnte sie in den Wald hinter der Villa sehen, in dem sie früher so gerne gegangen war.
Tiefe Sehnsucht erfüllte sie, wenn sie an die Vergangenheit dachte, doch so schnell die Erinnerungen kamen, so schnell verdrängte sie diese wieder.
Denn sie waren so schmerzhaft für sie, das sie um alles, was damit zu tun hat, einen Bogen machte.
Seit einem Jahr interessierte sie sich für nichts mehr und hatte auch kein Ziel mehr vor Augen. Kein richtiges Lächeln zierte mehr ihr Gesicht und ein Lachen vernahm man schon gar nicht. Niemand gab es mehr, der sie verstand, tröstete, aufmunterte oder auch mit ihr lachte, wenn sie es brauchte. Sie fühlte sich einfach nur alleine auf der Welt und so saß sie fast jeden Tag auf dem Balkon und starrte in den Wald. Normalerweise ging sie sobald es dämmerte runter um gemeinsam mit ihrer Mutter, wenn man diese Frau so nennen konnte, Abend zu essen. Heute jedoch machte sie sich einfach bettfertig und ging ins Bett. Dort lag sie mit Augen offen auf dem Rücken, bis sie vor Müdigkeit einschlief. Man könnte meinen sie wäre eine Puppe, die ihren Pflichten nachgeht, indem sie in die Schule geht und sonst nur da sitzt. Wie jede Nacht plagten sie Albträume und sie wachte bei Sonnenaufgang auf. Langsam stand sie auf, machte wie mechanisch ihr Bett und ging ins Bad um sich, für den heutigen Schultag fertig zu machen. Danach ging sie runter in das Esszimmer, wo das Frühstück schon bereit stand. Am Tischende saß ihre Mutter, die nicht einmal ihren Blick von der Zeitung nahm, um ihre Tochter zu begrüßen. Catharine war sich schon lange bewusst, das ihre Mutter sie nicht leiden konnte, ja sie hasste ihre Tochter grade zu. Dennoch versetzte es Catharine jedes Mal einen Stich ins Herz, wenn sie von ihrer Mutter ignoriert oder abfällig behandelt wurde. Dennoch ließ sie es sich nicht ansehen und redete sich immer wieder ein, dass sie nur bei der Frau leben musste bis sie 18 Jahre war. Nach dem Frühstück wurde sie von einem Chauffeur von ihrer Mutter zur Schule gebracht. Dort ging sie in den Raum, wo sie gleich Unterricht hatte.
Catharine war bis vor einem Jahr nicht besonders gut in der Schule, außer in Sport. Dies änderte sich jedoch, nun war sie die Klassenbeste außer in Sport und zu ihrem Unglück ist Sport das nächste Fach, das sie hat.
Während die anderen Mädchen in die Umkleide gingen um sich umzuziehen, steuerte Catharine auf die Toilette zu. „ Ist dir wohl peinlich dich bei uns umzuziehen. Aber bei deiner Figur würde ich nicht mal das Haus verlassen.“, spottete Amber. Ohne sich umzudrehen oder auch nur darauf zu reagieren verschwand Catharine. Sie sah keinen Sinn sich darüber aufzuregen oder etwas dagegen zu unternehmen. Wozu auch? Dennoch brodelte es in ihr, sie würde Amber so gerne mal die Meinung sagen. Nicht weil sie ständig von ihr gemobbt wurde, sondern weil sie auch andere Schüler mobbt. So etwas konnte Catharine noch nie leiden.
Rasch zog sie sich in der Toilette weite und lange Sportsachen an. Nahm ihre Tasche und brachte sie in die Umkleide. Wie immer brauchte sie solange, dass alle schon fertig und in der Sporthalle waren. Ein letzter Blick in den Spiegel damit sie sicher gehen konnte das alles saß wo es sein sollte. Als sie in die Sporthalle kam, hörte sie aufgeregtes Geschnatter von den Mädchen und schaute irritiert auf. Denn normaler Weise unterband der Sportlehrer Herr Moor dies. Ein Stück weiter unterhielt er sich mit einer Person, die sie nicht richtig erkennen konnte. Deshalb beschloss Catharina zu warten und sich am Rand der Halle setzte, wie sie es immer tat. Sie schloss die Augen und bereitete sich mental auf die Sportstunde vor und hoffte, dass sie schon zu Ende wäre. Jedoch wurde sie durch das Geschnatter ihrer Mitschüler wieder ins hier und jetzt geholt. Verwundert öffnete sie die Augen um die Ursache herauszufinden. Sie sah zwei Beine. Ihr Blick schweifte nach oben um zu gucken, wem diese gehören. Sobald sie dieser Person ins Gesicht sah erstarrte sie. Für Cat war es unmöglich herauszufinden, ob aus positivem oder negativem Sinn geschah. Vor ihr stand ein junger und sehr attraktiver Mann, der kurze braune Haare und blaue Augen hatte. Kein Wunder das ihre Mitschüler sich so benahmen, dachte sie. Er lächelte sie an und sah sie erwartungsvoll an. Jedoch rührte sie sich nicht, dazu saß der Schock über dieses wiedersehen zu tief. Zu diesem Entschluss kam auch der junge Mann und sagte:“ Es ist lange her, Cat.“ Sie blinzelte und stand auf, stützte sich jedoch noch an der Wand der Sporthalle. Da sie Angst hatte umzufallen. „Ja,… es ist fast ein Jahr her nicht wahr?“, erwiderte sie. Er nickte und sagte leicht schmollend: „Willst du mich nicht endlich mal richtig begrüßen?“. Sie sah ihn an, trat vor und umarmte ihn. Sie zog den Geruch seines Aftershaft ein, den sie damals so oft roch und schwelgte kurz in der Vergangenheit. Viel zu schnell lösten sie sich wieder und dann nahm sie das entsetzte Gerede der Mädchen wahr. Sie hat anscheinend ungewollt den Zorn ihrer Mitschüler auf sich gezogen. Ihre Stirn legte sich in Falten und sie fragte ihn: „Was machst du hier?“ Er schaute sie ungläubig an und sagte: „Ich will meine beste Freundin besuchen. Darf man das nicht?“ „Doch, doch natürlich, aber wieso grade jetzt und hier?“fragte sie. Er strich sich mit seiner Hand über die Haare. Sofort wusste sie, dass noch mehr dahinter steckte. Also sah sie ihm direkt in die Augen und fragte: „Ich frage nur noch einmal was machst du hier?“ Er konnte noch nie ihrem Blick standhalten, wenn sie es drauf anlegt und somit wendete er sich ab. „Naja…..also…“ stotterte er vor sich hin. Cat´s Gesicht wurde zornig und sagte mit eisiger Stimme: „Wenn du es mir nicht sagen willst, dann will ich, das du jetzt gehst.“ Damit wendete sie sich von ihm ab und wollte grade an ihm vorbei gehen. Wurde jedoch von ihm am Handgelenk festgehalten. Nun standen sie offen für jeden sichtbar in der Sporthalle. „Cat komm zurück.“, sagte er bittend. Sie drehte sich nicht mal zu ihm um, sondern sagte nur: „Ich habe bereits gesagt, ich komme nicht mehr zurück.“ Mit diesen Worten wollte sie weiter gehen. Er hielt sie aber immer noch fest und sagte dann: „Sieh mir in die Augen und sag das nochmal.“ Sie hielt inne. „Das kannst du nicht, nicht wahr? Du kannst nicht vergessen wer du mal warst, was dich ausmacht. Du kannst nicht länger davor weglaufen. Stell dich deinen Ängsten.“, sagte er zornig und lies sie dann los.
Tag der Veröffentlichung: 03.07.2014
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