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Eine Nacht voller Peinlichkeit

Die ganze Geschichte war eigentlich für zwei Personen peinlich. Für mich und für den Hauptdarsteller. Aber für beide auf eine ganz andere Art. Gemeinsam war uns nur, dass niemand davon erfahren sollte.
Der Hauptdarsteller ist inzwischen verstorben, ebenso wie mein Mann. Dem einzigen der meine Peinlichkeit mitbekam. Aber es damals wohl gar nicht so auffasste.
Doch nun zur Geschichte.

 

Zum besseren Verständnis möchte ich vorweg noch anmerken, dass mein Mann wegen seiner Behinderung Beinschienen tragen musste, die er logischer Weise nachts ablegte. Also ein nächtliches Aufstehen für ihn etwas länger dauerte

 

 

 

 

 

 

 

 

 

An die genaue Uhrzeit kann ich mich nicht mehr erinnern. Es war noch stockdunkel draußen, aber bereits nach Mitternacht.
In unserer Einfahrt hörten wir plötzlich lautes Rufen. Eine männliche Stimme schrie nur immer wieder den Namen der Versicherung, für die mein Mann damals nebenberuflich tätig war. Da neben unserem Eingang ein Werbeschild dieser Versicherung stand, konnte es sich durchaus um einen Unbekannten handeln. Wir verhielten uns zunächst einfach still, und hofften der Unbekannte würde wieder gehen. Dann aber drückte jemand mehrmals heftig auf unsere Klingel. Und bei dieser hört sich das ziemlich nervend an. Normalerweise reicht einmaliges drücken um das ganze Haus zu wecken. Mein Mann war ratlos und mein Herz jagte wie verrückt. `Tu endlich was` hätte ich ihn am liebsten angeschrien.

 

Und dann kam meine Peinlichkeit. Ich fragte in meiner Aufregung meinen Mann ob ich ihm sein Luftgewehr holen sollte. Wie kam ich nur auf diese absurde Idee? Vielleicht weil ich einfach wollte das irgendetwas geschah? Jedenfalls zeigte es die gewünschte Wirkung. Mein Mann entschloss sich dazu die Polizei anzurufen und ich atmete auf.

 

Aus obigem Grund musste dann allerdings ich das erledigen. Er hatte noch kein Telefon am Bett. Also schlich ich in den Flur. So ruhig wie möglich schilderte ich einem Polizisten die Situation, und er versprach sofort jemanden vorbei zu schicken. Es folgten bange Minuten, die zur Ewigkeit wurden. Der Krach vor unserer Türe hatte inzwischen aufgehört. Bis es erneut klingelte. Diesmal hörte ich eine andere Stimme: „Hallo, hier ist die Polizei“ oder so ähnlich. Erleichtert ging ich zur Haustüre. Was mich dort erwartete verschlug mir einen Moment die Sprache. Zwei Polizisten hielten einen stark angeheiterten Kollegen meines Mannes fest im Griff. „Kennen sie diesen Mann?“ wurde ich gefragt. Nach dem ich dies bejaht hatte, und sie sich vergewisserten hatten das ich ihm vertraute, ließen sie ihn los und verabschiedeten sich.

Ich bat unseren Überraschungsgast am Esstisch platzzunehmen und informierte erstmal meinen Mann, wer uns da so unverhofft besuchte. Worauf er sich entschloss aufzustehen und sich um seinen Kollegen zu kümmern. Der aber wehrte, schon wieder etwas nüchterner, ab. Nein, er wollte nur einen starken Kaffee. Und dann würde er nach Hause laufen. Er hatte mit einigen Kumpels im Sportheim nebenan gefeiert. Zuviel gefeiert wie uns schien. Also bekam er erst einmal den gewünschten Kaffee.

 

Inzwischen war mein Mann auch so weit. Für ihn stand fest, dass er den Kollegen heimfahren würde. Denn erstens stammte dieser aus einem Nachbarort, der nur über eine Strecke mit vielen Kurven und einem Waldstück zu erreichen war, und dann war auf dieser Strecke ein Nachbar in derselben Situation überfahren worden. Nach gutem Zureden willigte er ein.
Wie mein Mann mir danach erzählte, musste er ihn besonders leise vor seinem Haus absetzen. Denn nicht mal seine Frau sollte etwas mitbekommen. Dafür versprach er uns einen guten Bocksbeutel.

 

Den Bocksbeutel bekamen wir nie und es wurde auch kein Wort mehr über diesen Vorfall verloren. Eigentlich hätten wir wenigstens ein Wort des Dankes im nüchternen Zustand erwartet. Und sage bitte keiner, es war ihm vielleicht peinlich. Manchmal muss man zu seinen Peinlichkeiten auch stehen.

 

 

 

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 06.10.2016

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
67. Biowettbewerb Oktober 2016

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