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Hallo Du da oben

Ich denke es ist keine schlechte Idee dir mal zu schreiben, und einiges zu klären. Hauptsächlich mein Verhältnis zu dir. Nein, nicht nur zu dir, sondern zu deinen selbsternannten Stellvertretern. Hätte ich gewusst, wie sich das alles entwickelt, hätte ich wahrscheinlich schon bei meiner Taufe lautstark protestiert. Vielleicht habe ich das ja sogar, und mich hat bloß keiner verstanden. Einen zweiten Namen mussten meine Eltern sich für mich einfallen lassen. Weil meiner nicht der einer Heiligen wäre. Was sind eigentlich Heilige? Muss ich über Heilige Kontakt zu dir aufnehmen? Quasi so als Türöffner. Wie heißt er noch der Heilige für Verlorenes? Florian? Ach nein, das ist der für Feuer. Aber meinst du nicht auch dann sollte man doch lieber die Feuerwehr rufen? Richtig, Antonius! Verloren habe ich ja etwas, nämlich den Glauben an die Institution Kirche. Aber da ich mir sicher bin, dass ich den auch nicht mehr wiederfinden will, brauche ich keinen Antonius. Dazu ist zu viel geschehen.

 

 

 

 

 

Ich will hier nicht zu sehr auf die Missetaten deines angeblichen „Personals“ eingehen. Kindesmissbrauch und Völlerei gab es wohl schon zu jeder Zeit, nur wurde das eine unter den Teppich gekehrt und das andere als normal angesehen. Oder einfach still geduldet, aus Angst es sich mit den Mächtigen zu verscherzen. Die Kriege, die sie in deinem Namen führten, waren ja nur zum Wohle aller. Vielleicht sogar die Hexenverbrennungen und Teufelsaustreibungen. Damals wie heute wagten die wenigstens dagegen vorzugehen. Damals aus Angst vor Strafe, heute aus Angst alleine da zustehen, ausgeschlossen zu werden aus einer mächtigen Institution.

 

Aber da sind meine eigenen Erlebnisse, die den Ausschlag gaben mich abzuwenden. Ich wurde katholisch erzogen, musste jeden Sonntag in die Kirche. Und dieses Muss war das erste was mich störte. Verstanden habe ich sowieso nicht viel. Aber das soll man da wohl auch nicht. Jeder geleierte Rosenkranz war eine Qual. Und dann die Scheinheiligkeit so mancher Besucher. Fehlte nur noch die Maß Bier auf der Empore. Da gibt es ein nachdenklich machendes Lied von Herrmann van Veen. Es heißt <Geschichte vom lieben Gott> Und darin schildert er wie du dich mit denjenigen solidarisierst, die auch lieber deine Natur genießen, anstatt in einem muffigen und überladenen Raum Namens Kirche zu sitzen. Ich hoffe so ist es auch. Denn nirgends bist du mir näher als dort. Vor vielen Jahren stand ich voller Staunen in der Mitte des Straßburger Münsters. Aber dieses Staunen kam weder im Bamberger noch im Kölner Dom zurück. Beeindruckende Bauwerke, mehr nicht mehr. Und die Erkenntnis, dass einigen Menschengruppen der Zugang erschwert wird, sei es durch unüberwindliche Barrieren oder gar einer Art Eintrittsgeld tat ihr übriges. Dein natürliches Haus ist frei zugänglich für alle. Und dafür müssen wir nur sorgsam damit umgehen, und es nicht mit unnützen und kostspieligen Dingen überladen.

   

Ganz schlimm wurde es als ich von Klosterschwestern unterrichtet wurde. Da brach plötzlich eine heile Welt für mich zusammen. Nichts mit christlicher Nächstenliebe. Versager waren verloren und wurden unbarmherzig nieder gemacht. Ich weiß Priester und Ordensschwestern sind auch nur Menschen. Aber dürfen sie mir deswegen seelische Verletzungen zufügen?

Ich habe Respekt vor jedem der Fehler erkennt und seine Konsequenzen daraus zieht, wie Priester die ihr Gelübde nicht mehr einhalten können. Aber nicht für solche die nach den Geboten ihrer Kirche sündigen und andere unbarmherzig für die gleichen Fehler verachten und bestrafen. Ich denke du weißt was ich meine.

Eines Tages habe ich mich also aus dieser "scheinheiligen" Welt befreit. Lange genug haben mich Pflichtbewusstsein gegenüber meiner Familie davon abgehalten. Und auch noch ein Rest von Aberglauben. Was wird sein, wenn ich kein christliches Begräbnis bekomme? Falle ich dann irgendwo ins Leere? Heute bin ich überzeugt, wenn es dich gibt dann fängst du mich auf. Ja, du hast richtig gelesen, wenn es dich gibt. Denn ich gehöre manchmal auch zu den Zweiflern.

 

 Das was in deinem Namen alles geschieht, das kann nicht dein Wille sein. Wie Hohn klingt dieser Teil des Vater Unser in meinen Ohren . Was ist dein Wille? Wer will das wissen? Und was ist gottgefällig, wie gerne gesagt wird. Wenn ich für ein neues Kirchendach spende, während mein eigenes zerfällt? Oder wenn ein armer Rentner brav sein Kirchengeld bezahlt, obwohl er sein Leben lang gleichzeitig Kirchensteuer bezahlt hat? Jetzt tut ihm vielleicht jeder Euro weh. Und er muss ja auch noch für sein christliches Begräbnis sparen. Denn umsonst ist nicht mal der Tod. Nebenbei erwähnt, der Kirchenaustritt auch nicht. Aber dafür bekommt man ein Schreiben des Bedauerns und das Angebot darüber zu reden. Was aber wie berichtet eher zu einem Überzeugungsgespräch als zu einem erforschen der Gründe wird. Gründe sind unwichtig.

 

 

 

 

Ich versuche so zu leben wie ich es mit mir vereinbaren kann. Vielleicht nicht gottgefällig im Sinne mancher Mitmenschen, aber ich hoffe es gefällt dir. Und mir gefällt inzwischen meine Freiheit auch.

Nun falte ich meinen gedanklichen Brief zu einem unsichtbaren Flieger und lasse ihn in den Abendhimmel steigen. Vielleicht erreicht er dich dort oben. Ich habe den Vermerk <Persönlich> weggelassen. Denn ich hoffe, dass noch einige ihn lesen und sich ihre eigenen Gedanken machen. Denn Gedanken sind frei. Trotzdem dürfen sie mir diese auch gerne verraten.

 

Liebe Grüße

Impressum

Texte: selbst
Bildmaterialien: selbsterstellte Fotomontage
Tag der Veröffentlichung: 03.10.2014

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