Cover

Älter werden ist nicht alt

 

Vergangenheit ist Geschichte,

Zukunft ist Geheimnis

und jeder Augenblick ein Geschenk.

 

So lautet ein Zitat der Liedermacherin Ina Deter.

 

Wenn man wie ich die Jüngste von vier Schwestern ist, dann kann man sich das Älter werden erst mal in Ruhe betrachten. Wobei die Jüngste der anderen drei fünfzehn Jahre älter ist als ich. Aber bei jeder lief das Altern anders ab.Meine älteste Schwester war die kreativste, und das auch noch im Alter. Für sie gab es keine Grenzen. Wenn sie meinte dieses täte ihr gut, oder das könne sie auch noch, dann tat sie es einfach. Leider wurde sie nicht sehr alt.Die mittlere war früher die temperamentvollste. Und nach gezwungener Anpassung während ihrer Ehe ist sie, jetzt mit 75 und wieder ohne Mann, noch mal richtig aufgelebt. Sicher hat auch sie ihre Wehwehchen, aber ihre vielen Aktivitäten lassen sie diese oft vergessen. Sie ist Ersatzoma, Betreuerin ihrer frauenlosen Cousins, geht auf Seniorennachmittage und auf ihren Stammtisch. Mit ihrer Tochter flog sie nach Sardinien und sogar Sri Lanka. Eine ihrer Lieblingsfarben ist rot und im Fasching kostümiert sie sich sogar.Dagegen ist die Jüngste meiner drei Schwestern mehr das Hausmütterchen. Sie geht ganz in ihrer Fürsorge für die Familie auf. Aber einmal in der Woche ist Wassergymnastik angesagt und mit ihrem Mann ist sie statt mit Auto jetzt mit Elektro Caddy unterwegs. Sie genießt abends mit ihm ihren Wein und gönnt sich den nötigen Schlaf. 

 

Aber jetzt bin ich dran. Vor einigen Jahren meinte eine meiner Schwestern noch:“Ich bin ja auch schon alt.“ Was so viel heißen sollte wie: „Was denkst du junger Hüpfer von mir“.  Jetzt heißt es schon: „Du bist auch nicht mehr so jung.“ Womit sie recht hat. Aber eigentlich geht es mir wie meiner ältesten Schwester. Ich fühle mich nicht so. Wären da nicht „liebe“ Mitmenschen, die einen ab und zu unsensible kleine bis größere Stiche versetzen. Das fing schon kurz vor meinem fünfzigsten an. Damals hatte ich einen um einiges jüngeren Freund. Und die Frage einer seiner Bekannten ob ich seine Tante sei, hat mich schon etwas geschockt. Für mich Zeit, mich nicht mehr mit jüngeren Männern einzulassen. Dafür verfolgte ich damals noch ungläubig die Unterhaltung einiger Schulfreundinnen über ihre tägliche Tabletteneinnahme wegen Bluthochdruck. Leider gehöre ich jetzt auch dazu. Aber solange es nicht mehr werden. Allerdings habe ich an Kilos etwas zugelegt. Sowas soll ja nach den Wechseljahren vorkommen. Die habe ich übrigens gut überstanden. Vielleicht ist es auch eine Sache der Einstellung. Wenn man sich nicht schon vorher verrückt macht geht es leichter.Meine Friseuse meinte neulich, meine Haare werden langsam auch etwas dünner. Was aber bei meinem kräftigen Haaren noch lange nicht ins Gewicht fällt. Ich habe schon einige Zeit aufgehört zu tönen. Denn mit Grausen beobachte ich das Ergebnis zu vieler Tönungen und Färbungen bei älteren Frauen. Ihren guten Vorsatz, rechtzeitig in Ehren zu ergrauen bevor es peinlich wird, können die meisten nicht verwirklichen. Zugegeben mich juckt es manchmal auch noch, so ein paar Lichter zu setzen. Aber Geld und Meinungsverschiedenheit halten mich davon ab. Mit zunehmender Ergrauung werden meine Haare aber auch störrischer. Es gibt Leute die meinen das wäre ich auch. Ist das schon Altersstarrsinn? Nein, nur Notwehr. Mit mir kann man noch lange nicht alles machen.

 

 Ab 55 hatte ich die geistige Berechtigung in unserer Tageszeitung die Seniorenseite Forum 55 zu lesen. Und vieles hat mich dabei empört. Ich fühlte mich einfach noch zu jung für auf Senioren zugeschnittene Kurse und  Vorträge. Rollatoren die über ihre Besitzer berichten, finde ich immer  noch nicht lustig. Und auch wann und ob ich ein Testament mache bestimme ich. Da lese ich schon lieber einen guten Krimi oder unterhalte mich Generationsübergreifend auf FaceBook. Inzwischen gehe ich  rasant auf die 60 zu. Und das wird meine schwerste Hürde. Schon jetzt werde ich manchmal uncharmant von meinem Mitbewohner als „altes Weib“ bezeichnet, wenn er sich über mich ärgert. Und so langsam sticht es. Letztes Jahr hatte ich nach langer Zeit E-Mail Kontakt mit einem meiner ehemaligen Auszubildenden. Er meinte, dass er damals ein bisschen in mich verliebt gewesen sei. Und gerne würde er mich einmal besuchen. Doch nach eingehender Unterhaltung mit meinem älteren ICH habe ich ihm geraten mich lieber so wie damals in Erinnerung zu behalten. Da war ich noch ca. 20 Jahre jünger.

 

 Ich merke auch so langsam, dass mir manches nicht mehr so flott von der Hand geht. GottseiDank geht es meiner Freundin auch so. Sie wurde ein halbes Jahr vor mir 60. Und so habe ich sie an ihrem Geburtstag gefragt:“Fühlst du dich nun anders?“ Nachdenklich meinte sie: „Erst war es schon komisch, aber jetzt habe ich mich gewöhnt.“ Was aber nicht jeden Tag so ist. Sie braucht immer noch ihre berufliche Bestätigung, verschiebt private Träume auf später. Warum kann man es sich nicht leichter machen? Beruflich etwas zurückstecken oder zumindest schon mal kleine Träume nebenher verwirklichen. Bevor es zu spät ist.

 

 

 

 

Was soll ich an meinem 60.feiern?

Meinen Abschied von der „Jugend“

oder meinen Einzug ins „Alter“?

 

Nein, älter werden ist nicht alt.

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 07.03.2014

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /