Cover

Verlorenes Paradies

 

Mein Hund liegt im Schatten des Quittenstrauches. Sein helles Fell hebt sich vom saftigen Grün der Blätter ab. Er träumt wohl. Aber kaum von einem kleinen Paradies, dass er nie kennengelernt hat. Genauso wenig wie die Keramikgans, mit der er sonst seinen Lieblingsplatz hätte teilen müssen.

Die Quitte ist eine der letzten Erinnerungen an ein kleines Paradies. Ein Freund brachte sie uns damals aus seinem geerbten Garten. Zusammen mit mehreren Eimern der harten, gelbgoldenen Früchte. Meine Schwiegermutter verarbeitete sie  zu köstlichem Quittengelee. Auch der weiße Flieder ist eine Erinnerung an diesen Freund. Früher stand dort eine Birke. Eine von vielen entlang der Straßenseite. Birken, die immer höher in den Himmel ragten. Von ihnen nahm ich als erstes Abschied. Dass ich meiner allergischen Nachbarin damit einen großen Gefallen tat, wusste ich damals nicht. Gleichzeitig mit dem Fällen der Bäume, nein eigentlich mit dem entfernen des letzten Wurzelwerkes, nahm auch der Freund Abschied. Mein Dank für seine schweißtreibende Arbeit war ihm nicht  genug.

Die leuchtend roten Kletterrosen sind  noch da. Und wie jedes Jahr kann das alte Holzgerüst die Fülle der Blüten kaum tragen. Sie bildeten einen wunderschönen Kontrast zu den unzähligen weißen Holunderblüten. Wie hätte mein Hund dieses Dickicht geliebt.

Auf einem der abgesägten Äste saß eine Eule aus Keramik. Liebevoll von mir bemalt. Ebenso ein alter Eisentisch, den ich meinem Nachbar abgeschwatzt hatte. Bis das der Rost uns schied. Auf dem betonierten Gartenpfad marschierte eine Schar Hühner von der pflegeleichten Sorte. Auf ihren Hahn warteten sie allerdings vergeblich.

Das Erdmännchen, das vorwitzig aus dem Boden schaute, ließ sich nicht mal durch einen Pfiff vertreiben.

 

 

Solange der Flieder noch nicht so ausladend war, gab es in dieser Ecke noch Platz für meine Bohnen. Die langen Stangen bildeten einen Wigwam. Übersät mit den orangeroten Blüten der Feuerbohne, ein Blickfang auch für Vorübergehende.

An der gegenüberliegenden Längsseite zwei Haselnusssträucher entlang der unverputzten Mauer.  Sie trugen reichlich Nüsse zum Verzehr für Mensch und Tier. Auch als köstlichen Likör.

Vor dem Haus ein breiter Streifen mit bunten Blumen. Alles überragend meine Lieblingsblume mit ihren strahlenden Blütenblättern. Auch hier gab es noch allerlei Getier. Eine Schildkröte die ihren Panzer der Sonne entgegen reckte, ein Igel, das Geschenk einer gartenliebenden Schwägerin, und unter dem Wasserhahn ein kleines Ferkel vor dem Trog, dass neugierig sein Schnäuzchen in die Höhe streckte. Auch wenn das Größenverhältnis nicht immer stimmte, sie brachten zusätzliches Leben in meinen kleinen Garten.

Bis auf Drängen der Bagger kam. Zwar nur in verkleinerter Ausgabe, aber mit großer Wirkung. Pflegeleicht hieß das Motto. Alles was wucherte musste raus. So fielen ihm der Holunder und die Haselsträucher zum Opfer. Nur die Quitte wehrte sich. Wir haben uns mit ihr auf einen regelmäßigen Rückschnitt geeinigt. Der unebene Rasen wurde fachmännisch, aber  erfolglos saniert. Dafür darf der Hund ihn weiter begießen.  Vor dem Haus haben leblose Steine ihren Platz gefunden und die Tiere landeten, soweit noch nicht beschädigt, auf dem Flohmarkt. Es machte keine Freude, sie täglich als Kitsch bezeichnen zu lassen.

Nein, eigentlich habe ich es so nicht gewollt. Während die Männer sich wie kleine Jungs um den Bagger rissen, wurde mir das Ausmaß meiner Entscheidung immer mehr bewusst. Doch wenn nur einer Freude an dieser Art Garten hat, und der andere das nicht akzeptieren will, dann ist es besser einen Kompromiss zu schließen.  Aber jedes Grün, als Unkraut bezeichnet,  das sich doch noch vorwitzig zwischen die Steine drängt, und mühevoll entfernt werden muss, lässt mich träumen. Wie viel lieber würde ich dort Blumen säen.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 06.07.2013

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /