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Falsch verbunden

Krankenhäuser sind mir ein Graus. Mein Vater starb dort ganz überraschend. Keiner wusste warum und woran. Monatelang besuchte ich auch meinen Mann im Krankenhaus. Und hatte dabei sehr unschöne Erlebnisse. Und die gab es auch später nochmal in anderer Sache. Wen wundert es also, dass ich Krankenhäuser meide wo es geht. Besuche kosten mich jedes Mal große Überwindung. Aber darum geht es hier nicht.


Bei der folgenden Geschichte ging es nur um einen Anruf. Meine Schwester hatte mir erzählt, dass unserer Schwäger, der Witwer unserer ältesten Schwester, im Krankenhaus liege. Sie meinte ich solle ihn, da die Entfernung zu groß war, wenigstens mal anrufen. Und hier muss ich anmerken, dass dieser Schwager normal ein sehr humorvoller Mensch ist. Da kommt es schon mal vor, dass er sich am Telefon mit einem anderen Namen meldet. Ich rief also die angegeben Nummer an und ließ mich auf der Station verbinden. Bald hörte ich seine Stimme. Allerdings erst mal nur ein knappes „Ja“ Auf meine Frage wie es ihm ginge, erzählte er mir, dass er am nächsten Tag operiert würde. Es folgte eine Krankengeschichte, die mich immer mehr verwirrte. Hatte meine Schwester nicht etwas von Herz und Lungenproblemen erzählt? Wieso auf einmal ein Furunkel. Noch dazu an einer sehr intimen Stelle? Irgendjemand musste hier verwirrt sein. Entweder wurde meine Schwester langsam etwas vergeßlich, oder mein Schwager hatte zuviele Tabletten bekommen. Erst mal Ruhe bewahren und sich nichts anmerken lassen.

Ich erzählte ihm, dass meine Schwester Maria schon fast an sein Krankenbett geeilt wäre um sich um ihn zu kümmern. „Dann soll sie mal kommen“ meinte er darauf trocken. Bis seine Frage kam wer Maria überhaupt wäre. Ich stutzte abermals. „Na deinen Humor hast du ja scheinbar nicht verloren“ antwortete ich erstaunt. Es folgte ein leises Lachen. Aber gleich darauf die Frage, wer denn ich wäre. Er wäre Johann … und würde mich nicht kennen. Nach seiner nochmaligen Frage „Wer sind sie?“ blieben mir die Worte endgültig weg. Ihm dauerte dieses Schweigen offensichtlich zu lange. Und mit einem deftig rheinischen „Leck mich de Söck“ legte er auf. Was tun? Eine Bekannte, der ich davon erzählte, meinte daran könnten durchaus Tabletten schuld gewesen sein. Zumal in diesem Alter. Auch ein Freund, der ihn kennt und dieses Telefonat mitgehört hatte, war sehr verwundert. Wir waren beide der Meinung, dass ich hundertprozentig mit meinem Schwager gesprochen hätte.

Meiner Schwester wagte ich es zunächst gar nicht zu erzählen. Aber dann ergab sich doch eine Gelegenheit. Sie äußerte ihr Unverständnis über die ständigen Verlegungen in diesem Krankenhaus. Da dämmerte es bei mir. Ich fasste mir ein Herz und berichtete. Aber sie war keinesfalls überrascht. Ja, mit diesem Herrn hatte sie in Unkenntnis der neuerlichen Verlegung auch gesprochen. Auch sie hatte ihren Irrtum nicht bemerkt. Bis er höflich meinte, sie habe wohl jemand anderen sprechen wollen. Die Unterhaltung mit ihr schien ihm allerdings gefallen zu haben. Was hat sie ihm um Himmels Willen alles erzählt? Die angeblich aktuelle Telefonnummer lehnte ich dankend ab. Da wartete ich lieber bis er nach Hause kam und rief für gesundheitliche Auskünfte seine Lebensgefährtin an.

Wer immer dieser Herr Johann war, seine Krankengeschichte bleibt mein „Telefongeheimnis“. Und ich hoffe er hat alles gut überstanden. Seinen letzten Ausspruch nehme ich ihm auch nicht übel. Schließlich bin ich mit solchen Ausdrücken aufgewachsen.

 

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Tag der Veröffentlichung: 08.05.2013

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