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Geburtstagstriologie



Ich saß auf dem Boden vor meiner Vitrine und nahm aus der untersten Schublade eine alte Geburtstagskarte. Beim öffnen spielte sie noch immer die bekannte Melodie „Happy Birthday“. Dabei liefen Tränen über mein Gesicht. Diese Karte hatte ich irgendwann von meiner Mutter bekommen. Eine Blumenwiese in zartem Pastell, liebevoll mit zusätzlichen Vögelchen und Engeln beklebt. Meine Mutter war schon 4 Jahre tot. Seit 8 Wochen nun mein Mann. Es war mein fünfundvierzigster Geburtstag. Und er hatte nur in dem Sinn eine Bedeutung für mich, dass ich ab jetzt die sogenannte Große Witwenrente bekam. Der Kontakt zu meinen Geschwistern war wegen einer dummen Sache abgebrochen. Sie fehlten mir, gerade heute.




Was folgte war ein Jahr der Verzweiflung. Ich ging durch ein Meer der Tränen und Einsamkeit, tauchte aber immer wieder daraus auf. Liebe Menschen zogen mich hoch. Bis ich es alleine schaffte. Und so wagte ich einen neuen Anfang. Wir kannten uns nur über Telefon, und eine Radiosendung. Aber an meinem Geburtstag wollte er das erste Mal kommen. Doch wie sollte ich das der Familie meines verstorbenen Mannes beibringen? Meine Schwiegermutter und Schwägerinnen kamen zum Kaffee. Als der verabredete Zeitpunkt immer näher rückte, machte ich ihnen das Geständnis. Und sie reagierten ganz anders, als ich es befürchtet hatte. Voller Verständnis. Oder war es Erleichterung mich wieder versorgt zu wissen, nicht mehr so angewiesen auf ihre Hilfe? Meiner jüngsten Schwägerin sah man die Neugierde förmlich an. Sie suchte sich Arbeiten die ihr gehen hinauszögerten. Räumte den Tisch für mich ab und spülte. Dann stand er vor der Türe. Und ich schaute in die eisblauen Augen eines Riesen, der mich einfach in den Arm nahm und küsste. Wir kannten uns durch viele Telefonate aus halb Europa, denn er war Fernfahrer. Und jetzt endlich angekommen bei mir.


Nachdem er den angebotenen Kuchen meiner noch immer anwesenden Schwägerin abgelehnt hatte, lies sie uns nun doch etwas verlegen allein. Nein, er hatte trotz meines Geburtstages keine Blumen mitgebracht. Und damals war seine Aussage, dass für ihn nur selbstgepflückte in Frage gekommen wären, für mich nicht wichtig. Es war ein schöner Geburtstag.


Wieder ein Jahr später, und wieder mein Geburtstag. Das erste Mal konnte ich ihn wieder etwas größer feiern. Ein Grillabend mit Schwiegereltern und den Geschwistern meines Mannes mit Partner. Dazu eine Nichte meinerseits, die einzige die den Kontakt nicht abbrechen lies. Da er am nächsten Tag Geburtstag hatte, kamen auch seine Kinder. Es hätte wieder ein schöner Geburtstag werden können. Wir hatten für den nächsten Tag eine Fahrt in einen kleinen Urlaub geplant. Eigentlich nur für mich Urlaub. Er arbeitete inzwischen in Österreich auf dem Bau und wollte mich für eine Woche mitnehmen. Ich hätte mich also freuen können. Aber heute fehlten für mich wichtige Worte, auf die ich den ganzen Abend wartete. Kurz vor zwölf rief eine Freundin an und wollte mir, und dann ihm gratulieren. „Vergiss es“ waren meine Worte. Ich höre sie noch wie heute. Und ich erzählte ihr traurig von meinem vergeblichen Warten. Kein Glückwunsch von ihm. Warum? Ich weiß es heute noch nicht. Vielleicht habe ich ihm da schon nichts mehr bedeutet, war er meiner überdrüssig geworden. Einige Wochen danach, nach vielen Enttäuschungen und noch mehr Wut kam die Trennung. Aber die ging von mir aus.

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Texte: Traumwanderer
Bildmaterialien: gif animaatjes.de
Tag der Veröffentlichung: 21.07.2014

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