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Als wir ihn das erste Mal sahen, galoppierte er mit wehender Mähne hinter einer kleinen Araberstute her. Blieb er stehen, versuchte sie sich im vorsichtig zu nähern. Aber schon keilte er mit einem seiner Hinterbeine aus. Und erschrocken wich sie zurück.
Haflinger sind eigentlich als gutmütige und zuverlässige Pferde, vor allem im Gebirge bekannt. Sie sind ausdauernd und tragen auch enorme Lasten. Dieser Wallach hatte allerdings einen guten Schuss Araberblut abbekommen. Daher sein Temperament, das er noch öfter unter Beweis stellen sollte.


Er kam in einen Stall mit zwei Großpferden, sogenannten Warmblütern, etlichen Katzen und einigen Schweinen. Vor den Großen hatte er gebührenden Respekt. Und die Katzen durften sogar seinen Schweif als Kletterseil benutzen. Ein anderes Verhältnis hatte er zu den Schweinen. Anfangs erschraken wir, wenn es im Stall wieder einmal laut quickte. Doch dann konnten wir zufällig beobachten, wie unser Haflinger diese Tiere sanft in ihre Rückenschwarte zwickte. Und es schien ihnen zu gefallen, denn sie sprangen ihm förmlich entgegen. Nicht so schön war allerdings, dass unser Nachbar seinen Schweinekoben eines Morgens unter Wasser stehend vorfand. Grund war ein darin befindlicher Wasserhahn. Und den hatte der Schlingel in seinem Spieltrieb doch tatsächlich aufgedreht. Das wussten wir, weil er bei einem Versuch schon beobachtet worden war.


Ebenso beim Spielen an einem damals noch üblichen Drehschalter für das Licht. Aber auch wenn es unvorstellbar klingt, er hatte es folgsam wieder ausgeschaltet.
Während er sich gelassen neu beschlagen und wenn nötig auch impfen ließ, tobte er sich gerne anderswo aus. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er nach längeren Standzeiten über die Koppel raste. Seine Hufe flogen nur so über den Boden und sein Kopf war angriffslustig gesenkt. Kurz vor einem Holzstoß bremste er dann abrupt ab. Meist warf er sich dann auf den Rücken, wälzte sich genüsslich und streckte alle vier Hufe in die Luft.
Nach einem vom Regen durchweichten Boden war eine längere Säuberungsaktion mit Bürste und Striegel angesagt. Auch die Hufpflege durfte nicht vernachlässigt werden.


Wir hatten ihn als Kutschpferd gekauft. Und auch dabei ging manchmal sein Temperament mit ihm durch. So wurde eine Fahrt auf einem Stoppelacker trotz Kutsche für ihn zu einem großen Spielplatz. Eigentlich war ja der Sinn, dass er einmal abseits der Straße richtig gefordert werden konnte. Aber dann war er kaum zu halten.
Auf kleineren Turnieren brachte er es zu beachtlichen Erfolgen. Es war nicht immer einfach, ihn einer bestimmten Gruppe zu zuordnen. Eigentlich gehören Haflinger zu den Ponys. Aber da es in unserer Gegend einige dieser Rasse gab, wurde manchmal die Kategorie Kleinpferde ausgeschrieben. Sein größter Erfolg, allerdings im Zweispänner, war eine Platzierung unter den ersten Drei bei einer fränkischen Meisterschaft.


Ein benachbarter Verein veranstaltete auch einmal eine sogenannte Distanzfahrt. Hier ging es nicht, wie bei den normalen Turnieren, um Hindernisse, sondern um die benötigte Zeit für eine bestimmte Strecke. Und er war gut dabei. Während viele der Großpferde danach noch ziemlich ausgepowert zur anschließenden Begutachtung geführt werden mussten, hatte er sich schnell erholt. Leider wurden dann seine Blutdruckwerte, die auch mit einbezogenen wurden, als zu hoch eingestuft. Da nach einer anderen Aussage Haflinger schon höhere Grundwerte haben, hätte wohl eine Differenzmessung ein gerechteres Ergebnis gebracht.


Nebenbei wurde er von Jugendlichen gerne ausgeritten. Eine dieser Reiterinnen spannte ihn im Winter vor einen Kinderschlitten und bestickte sogar ein Glockenband für sein Geschirr. Beide hatten ihren Spaß dabei. Und sie erzählte uns, dass er jedes Mal wenn sie in einer zu scharfen Kurve vom Schlitten fiel, ohne Zuruf stehen blieb. Ross und Reiter verstanden sich eben auch ohne Worte.
Bis seine nächste Reiterin ihn schweißüberströmt zurückbrachte, und auf unsere Vorhaltungen meinte das Pferd müsste abspecken. Ein Zeichen wie wenig sie von dieser Rasse wusste.
Wir hatten unseren Haflinger viele Jahre. Und als wir ihn aus persönlichen Gründen verkaufen mussten, fanden wir für ihn einen schönen Platz auf einem kleinen Reiterhof.


Die zwei Besitzerinnen hatten ihn durch eine Hochzeitsfahrt kennengelernt, und meinten bei ihren verschiedenen Pferderassen würde ein Haflinger noch fehlen. Auch sie hatten ihren Erzählungen nach immer noch etwas mit seinem Temperament zu kämpfen. Vor allem mit seinem Drang mit den vorweggerittenen Pferden immer auf selber Höhe zu sein. Aber gleichzeitig zeigte er auch seine liebenswerte Seite. Er war schon immer sehr anhänglich und verschmust. Man musste ihn einfach mögen.

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Texte: Ute Wunderling
Bildmaterialien: Cover by Peter Bohot/pixelio.de
Tag der Veröffentlichung: 15.04.2012

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