Kapitel 1
11.06.2005
Die Sonne strahlte mir ins Gesicht und ich hielt die Hände davor, um mich vor ihr zu schützen.
Der schwarze Rock und das weiße T-Shirt – eine Art Choruniform der fünften und sechsten Klassen unserer Schule – wehten leicht im Wind und ich rückte sie nachdrücklich gerade und zog sie gleichzeitig nach unten. An der Tür sah ich meine Mutter und meine Schwester noch mit anderen Eltern reden und so blieb mir nichts anderes übrig, als zu warten.
Meine, zu einem im Nacken zusammengeknoteten Haare, fielen immer mehr auseinander und so öffnete ich den Zopf, für den meine Mutter so viel Zeit aufgebracht hatte. Die Haare fielen mir zerzaust ins Gesicht und ich genoss den kühlen Wind in meinen Haaren.
„Hallo!“, rief plötzliche eine Stimme weit hinter mir, erschrocken drehte ich mich um, da mir die Stimme so unbekannt vorkam. Doch als ich in das Gesicht sah, wusste ich es wer es war. Matthew.
Der Matthew, mit dem ich sonst nie redete und den ich nicht mochte, weil er ein Angeber war.
Der Matthew, der mit mir zusammen in die fünfte Klasse geht und der immer gute Laune hatte und über alles und jeden lachen konnte.
Gerade wollte ich mich umdrehen und ihn einfach ignorieren, da stand er schon neben mir.
„Hi Grace.“, antwortete er fröhlich und sah mich schräg von der Seite an.
Seine Stimme machte mich sprachlos. Ich wusste noch nicht einmal warum. Eigentlich war er nur ein normaler elfjähriger Junge, der mich ignorierte. Zumindest eigentlich ignorierte.
Warum sprach er den jetzt eigentlich mit mir? Und warum machte mich das sprachlos?
„Hallo, Matthew. Warst du auch gerade beim Chorauftritt der Schule?“, fragte ich leise.
„Ja. Ich habe dich auf der Bühne gesehen. Du hast wirklich gut gesungen.“, sagte er ehrlich und blickte mir direkt in die Augen. Meine Wangen liefen rosa an, ich wusste noch nicht einmal warum. Machte er mir gerade ein Kompliment?
„Danke“, flüsterte ich unsicher und sah mich um und beobachtete das Treiben auf der Straße und der Umgebung.„Kannst du mir morgen vielleicht den Text des Liedes mitbringen und es mir beibringen zu singen?“, sagte er unvermittelt. „Bitte“, fragte er unvermittelt und sah mich mit großen Augen an.
„Ja klar, kann ich machen.“, sagte ich verwirrt.
„Danke, wir sehen uns dann morgen Grace und glaube mir, du hast wirklich sehr schön gesungen.“, sagte er lächelnd, winkte mir kurz zu und ging dann weg.
Ich sah ihm noch nach und hörte dann die Stimme meiner Mutter und meiner kleinen Schwester neben mir. Sie nahmen mich beide gleichzeitig in den Arm und drückten mich. Ich dachte schon sie hätten Matthew und mich gesehen und würden mich ausfragen, doch sie gratulierten mir nur zu dem guten Auftritt.
Langsam gingen wir zum Auto und ich drehte mich noch einmal um, um Matthew noch einmal zu sehen, doch er war schon weg.
So plötzlich, wie er in mein Leben getreten war, hatte er es auch wieder verlassen.
Kapitel 2
11.06.2011
„Steig auf mein Fahrrad“, sagte er und deutete auf sein schwarzes Mountainbike.
"Wieso?", fragte ich etwas verwirrt.
„Weil Du sonst zu Fuß nach Hause laufen müsstest und dein Fahrrad dann erst in ein oder zwei Stunden holen könntest.“
Es war ein schöner Tag, schön war vielleicht etwas untertrieben. Denn die Sonne schien warm und hell auf uns hinab und der Wind war eine willkommene kühle Brise.
Man konnte sagen es war ein frühsommerlicher Tag im Mai.
Der Tag hätte perfekt werden können. Ich hatte nur vier Stunden gehabt und müsste zu Hause noch nicht einmal für eine Arbeit lernen oder liegengebliebene Hausarbeit erledigen.
Leider habe ich meine gerade gewonnene Freiheit verspielt, als ich vergessen hatte meinen Fahrradschlüssel einzustecken. Und das leider nicht zum ersten Mal.
„Aber wie kommst du dann nach Hause? Willst Du etwa laufen?“, fragte ich nun scheinbar immer noch etwas verwirrt.
„Natürlich nicht, Grace“, antwortete er amüsiert.
„Wir fahren einfach zusammen. Also, steig auf.“
„Aber, aber….“, sagte ich leicht panisch. Wie sollte ich bloß seine Aufforderung ablehnen, ohne vollkommen verrückt zu wirken.
„Ich bin doch viel zu schwer!“, sagte ich und wusste ganz genau, dass ihn diese Erklärung nicht im Mindesten beeindrucken würde.
„Steig einfach auf“, sagte er grinsend ohne auf meinen Komplex einzugehen. Ich seufzte einmal auf, um ihm noch eine letzte Chance zu geben, ohne mich zu fahren und setzte mich dann vor ihm auf das Rad und versuchte so wenig Platz wie möglich einzunehmen.
„Willst du etwa ein Laufrad aus diesem Fahrrad machen?“, fragte er mich belustigt.
„Du kannst ruhig ein bisschen mehr Platz beanspruchen.“
Gehorsam setzte ich mich zwei Zentimeter weiter auf den Sitz und sah erwartungsvoll nach vorne.
Er seufzte einmal kurz auf und zog mich dann plötzlich mit einem Ruck weiter nach hinten zu sich. Ich stieß einen kurzen Schreckensschrei aus, während er behutsam seinen Arm, um meine Taille legte und mich an sich drückte. Sein Arm hielt mich fest umklammert, sodass ich keine Angst haben musste, herunterzufallen. Mit seinem freien Arm hielt er den Lenker fest und fing an in die Pedale zu treten. Nach dem wir eine Zeit lang ruhig durch einen wunderschönen Park, der nur so von Blume bepflanz war, gefahren waren, durchbrach ich die Stille: „Danke“, sagte ich leise und dachte fast er hätte es nicht überhört, als er antwortete: „Wofür denn?“
"Dafür, dass du mich mitgenommen hast.“
„Ach das? Ich dachte dafür, dass Du so nah bei mir sein kannst.“, sagte er grinsend.
„Bilde dir bloß nichts ein.“, sagte ich ironisch und er fing schon wieder an zu lachen.
Sein Lachen war schön. Es war ein leicht tiefer, aber ehrlicher Ton, der Jeden, der ihn hörte, zum Mitmachen anstiftete.
Bald waren wir bei mir zu Hause angekommen und bevor ich vom Fahrrad abstieg drehte ich mich zu ihm um, um mich bei ihm zu verabschieden, als ich schmerzhaft bemerkte, dass sich mein Haar in seinem Reisverschluss verhing.
Fluchend entschuldigte ich mich bei ihm und versuchte das Haar schnell rauszureißen, als sich seine Finger, um meine panische fuchtelnden Hände legten. „Hey. Warte, lass mich das machen, Du reißt dir doch sonst nur alle Haare raus."Langsam ließ ich meine Finger nach unten sinken und wollte ihm kurz ins Gesicht sehen, um zu sehen, was er dachte, als ich sah, dass unsere Gesichter nur noch wenige Millimeter voneinander entfernt waren.
Es kam mir so vor, als ob wir uns minutenlang ansahen, ohne zu bemerken, was um uns geschah. Behutsam löste er meine Haare aus seinem Reisverschluss.
Dann näherte sich sein Gesicht immer weiter meinem, bis seine Lippen meine trafen. Behutsam schlossen sich seine Lippen um Meine und er nahm mein Gesicht vorsichtig in seine Hände und streichelte durch mein Haar.
Der Kuss war sehr zärtlich und behutsam, doch als sich seine Lippen sich von den Meinen lösten, konnte ich eine Sehnsucht in mir spüren, ihn noch einmal zu berühren.
Langsam bewegte ich mich wieder auf ihn zu und er bemerkte, was ich vorhatte und überwand schnell den schmerzenden Abstand zwischen uns und legte einer seiner Hände in meine Nacken und die andere auf meine Wange und zog mein Gesicht zu Seinem.
Dieser Kuss war anders.
Anders, aber wunderschön.Er spiegelte unsere Sehnsucht, die sich über die Jahre unserer nicht immer wirklich freundschaftlichen Beziehung aufgestaut hatte.
Seine Lippen drängten sich an Meine und nahmen mich in seinen vollkommenen Bann auf.
Seine Finger wühlten in meinem Haar und auch meine Finger fingen an sich auf die Suche nach seinem Gesicht zu machen.
Ich spürte die winzigen dunklen Bartstoppeln an seinem Kinn, die ihn so erwachsen machten.
Ich sah in seine Augen, die mich so intensiv ansahen und spürte sein Lächeln an meinen Lippen, das ihn wieder jünger erschien ließ.
Langsam ließen seine Lippen von Meinen ab, doch er ließ mich nicht einen Zentimeter von ihm weichen und so hörte ich unsere Herzen im gleichen Takt schlagen.
Ich dachte zurück an den Tag, an dem ich ihn zu ersten Mal so richtig kennen gelernt hatte, es war ein Tag im Juni, ein Tag wie heute vor etwas sechs Jahren. Er hatte gesagt, dass ich schön singen würde, und da verfiel ich ihm und seinem Bann zum ersten Mal und viele Male danach.
Ich dachte zurück, an die Tage, Wochen, sogar Monate an denen wir nicht gesprochen hatten, in denen ich scheinbar wütend an ihm vorbeigegangen war oder mir gewünscht habe, ihn anzuschreien. Und das sich dieser Wunsch spätestens dann in Luft aufgelöst hatte, wenn ich in seine Augen gesehen hatte.
"Woran denkst du“, fragte er mich jetzt und ich kam wieder in der Gegenwart an.
„An einen Tag vor etwas sechs Jahren.“
„Den Tag, an dem wir uns kennengelernt haben.“, antwortete er wissend. „Ich habe mir während der ganzen Zeit an diesem Tag und an jedem weiteren Tag gewünscht dich zu küssen, ich konnte an nichts anderes mehr denken. Und jetzt stehe ich hier, sechs Jahre später und nichts hat sich verändert. Ich fühle mich immer noch wie der kleine, zwölfjährige Matthew von damals, den du mit deinem Witz, deiner Klugheit und deiner Schönheit verzaubert hast.“
Kapitel 3
11.06.2017
Es hätte ein Tag wie jeder Andere werden können. Wie gesagt es hätte.
Der Konjunktiv, eine Wunschvorstellung. Wie oft hatte ich ihn verflucht und mir Geschichten ausgedacht, wie mein Leben in seiner Welt hätte aussehen können.
Wie gut das der Konjunktiv nur ein Wunsch ist, und das echte Leben ganz anders aussieht.
Denn diesen Tag hätte kein Konjunktiv vollkommen machen können. Denn erst jetzt erkenne ich, dass es die Momente, in denen wir uns ihn herbeiwünschen wichtig sind, denn nur so werden wir den Tag erleben, an dem er uns vollkommen irrelevant vorkommen wird und wir erkennen, dass das Leben ohne gute und schlechte Tage vollkommen sinnlos und eintönig wäre.
Denn dieser Tag sollte wie kein anderer werden und das war ausnahmsweise auch gut so. Der Tag auf den ich Jahrelang gewartet habe und der nun ganz plötzlich kam.
Der Tag, an dem ich heiraten werde.
Der 11.06.2017.
Hier saß ich dreiundzwanzig und gerade mal ein Jahr älter als meine Mutter, als sie geheiratet hatte, obwohl sie immer gesagt hatte ich dürfte erst mit frühestens 38 Jahren heiraten.
Ich bin dreiundzwanzig im vierten und letzten Jahr meines Germanistikstudiums und unglaublich verliebt. Man konnte also sagen, ich war überglücklich.
Neben mir stand meine Mutter und bürstete mein gewelltes Haar und langsam fielen uns die Tränen über die Wangen.
Dass dieser Tag so schnell kommen würde, hätte keine von uns gedacht. Nicht nur der Tag an dem ich heiraten würde, sondern auch der Tag, von dem wir beide sagen würden, dass wir ihn in guter Erinnerung halten würden.
Ich sah mich und meine Mutter im Spiegel und erkannte mal wieder wie ähnlich wir uns in all der Zeit geworden waren.
Ich hatte die gleichen wiesengrünen, verträumten Augen wie sie. Das herzförmige Gesicht und die gleichen honigfarbenden Haare, nur dass Meine ein Stück länger waren.
Mit elf Jahren, war ich das erste Mal bei einer Hochzeit dabei gewesen und dachte seitdem immer, dass eine Hochzeit perfekt sein müsste.
Das das richtige Kleid stundenlang gesucht werden musste, die Musik für den ersten Tanz auszusuchen, dass beiden Partner gefallen würde, eine unüberwindbare Hürde war und das die Feier und Zeremonie ohne Fehler verlaufen sollte.
Heute fast 12 Jahre später, sieht meine Situation komplett anders aus.
Denn wenn man das richtige Kleid sieht, braucht man nicht weitere sechs Stunden nach einem angeblich Besseren suchen und auch den Song für unseren ersten Tanz hat uns nicht mehr als 1 Minute gekostet.
Und Fehler und Fettnäpfchen machten eine Hochzeit doch erst wirklich zu Einer.
Jetzt weiß ich auch warum andere Paar immer so lange für diese Vorbereitungen gebraucht haben und erkenne, dass ich etwas gefunden haben, nachdem viele noch suchen.
Einen Menschen, der sowohl Freund als auch Partner sein kann.
Denn wenn man weiß, dass einem der Andere wichtiger ist, als jede Chiffonschleife und jede seidene Krawatte, dann hat man erkannt worum es in der Liebe geht.
Es geht nicht um Erfolg, Ruhm oder Einfluss, sondern um das Gefühl, gebraucht und geliebt zu werden, einfach nur weil man der Mensch ist, der man ist.
Meine Mutter riss mich aus meinen Tagträumen und fragte: „Soll ich deine Haare hochstecken oder willst du sie offen tragen?“ Ich wollte mir von keinem Frisör meine Haare machen, da sie es schon so oft und so schön für mich gemacht hatte und ich sie in diesen wichtigen Stunden bei mir haben wollte.
„Was denkst du?“, antwortete ich ausweichend, Entscheidungen zu treffen war mir noch nie einfach gefallen.
„Das musst du selbst entscheiden“, antwortete sie mir lächelnd. „Wie hast du es bloß ohne mich geschafft dich zu verloben.“
„Ich weiß es wirklich nicht.“, antwortete ich grinsend. „Ich wollte dich eigentlich auch noch anrufen, aber es war schon so spät.“, sagte ich lachend und auch sie konnte ihr Lachen nicht mehr zurückhalten. „Ich denke, ich sollte sie offen lassen.“, beantwortete ich ihre Frage von vorhin.
„Ja, das sieht auch viel natürlicher aus und du sahst schon immer wunderschön aus mit deinen Naturwellen.“ Ich umarmte sie einmal fest und sie küsste mich kurz auf die Stirn.
„Ich habe dich unglaublich doll lieb, dass weißt du doch, oder?“, antwortete ich flüsternd, und Tränen schwangen in meiner Stimme mit.
„Natürlich weiß ich das. Ich habe dich auch lieb. Du und deine Schwester, sind die wichtigsten Menschen auf der ganzen Welt für mich. Übrigens siehst du heute wunderschön aus.“, antwortete sie mir und auch sie konnte eine kleine Träne, die ihr an der Wange herunterfloss nicht mehr unterdrücken. Sie drückte mich fest an sich und sagte: „Ich bin so stolz auf dich.“
„Danke“, flüsterte ich und dann sprach ich die Frage aus, die für mich bis zu diesem Zeitpunkt nie eine gewesen war.
„Führst du mich zum Altar?"
„Aber natürlich, Süße, es ist mir eine Ehre.“ Und bevor wir uns beide noch einmal die Blöße geben konnten, noch einmal anfangen zu weinen, trat meine nun mittlerweile siebzehnjährige Schwester – und Brautjungfer- ins Zimmer und verkündete lächelnd: „Es ist so soweit.“
Zusammen mit meiner Mutter und meiner Schwester gingen wir einen kleinen Weg in einem wunderschönen Garten entlang und ich konnte die wunderbare Musik schon hören, die die Braut, ihre Brautjungfer und Mutter ankündigen sollte. Wir hatten uns dafür entschieden draußen an dem Ort zu heiraten, der uns beiden so viel bedeutete. Überall waren kleine, fliederfarbene Vergissmeinnichte und Rosen gepflanzt, ein paar weiße Vergissmeinnichte hatte ich in mein Haar gesteckt. Auf dem Boden langen weiße und fliederfarbene Rosenblüten.
Der Wind strich durch meine offenen Haare und ich sah hinauf zum Himmel, der wolkenlos war und zur Sonne, die hell schien. Ich hatte schon immer gewusst, dass dieser Park von einem scheinbar magischen Zauber umgeben war, aber heute wusste ich es, dass ich die ganze Zeit über Recht gehabt hatte. Ich hörte, wie mein Kleid leise raschelte, wenn ich einen Schritt nach dem anderen ging. Früher hatte ich immer das Gefühl, das das Leben viel zu schnell voranschreitet, doch heute konnte es nicht schnell genug gehen. Zum ersten Mal in meinem Leben wusste ich, was ich wollte, und deswegen brauchte ich auch keine Zeit mehr.
Das Gefühl, dass ich früher hatte, dem Leben hinterherzulaufen und es nie wirklich einzuholen hatte, war einem wunderschönen Gefühl der Gewissheit gewichen. Wir gingen weiter und weiter, und ich dachte schon wir hätten uns verlaufen, doch dann sah ich die Menschenmenge vor mir und einen ganz besonderen Menschen, nur einen Gang weit entfernt von mir, und ich wusste, ich würde mich nie wieder verlaufen. Denn ich hatte meinen Platz im Leben gefunden. Und während alle anderen Menschen, die Braut musterten und sich fragten, warum sie sich gerade dieses Kleid, oder diese Frisur ausgesucht hatte, und sich schwuren bei ihrer Hochzeit alles besser zu machen, sah ich den Menschen an, an deren Seite mein Platz war, ist und sein wird, für immer.
Matthew.
Kapitel 4
11.06.2023
Ich sah mich um in dem Garten um, der mir so viel bedeutet.
Ich sah mich in den Beeten um, in denen mittlerweile rote Tulpen und Krokusse gepflanzt wurden, doch in meiner Erinnerung standen dort immer noch die fliederfarbenen Vergissmeinnichte und Rosen. Sehnsüchtig griff ich in mein Haar und suchte dort die Blumen, die nicht da waren. Ich richtete meinen Blick in die Ferne und dachte an eine andere Zeit zurück.
„Mama, Mama, wohin guckst du denn? Gibt es dort etwas Tolles?“, fragte meine Tochter Amy. Lächelnd nahm ich sie in meine Arme und sie drückte sich fest an mich.
Auch wenn sie mittlerweile fünf Jahre alt war ließ sie sich gerne von Anderen tragen. Ich strich ihr durch ihr langes, dunkles Haar. Sie hatte meine Haarfarbe nicht geerbt und auch nicht meine Verträumtheit. Dafür sah ich mich jedes Mal in ihr, wenn ich in ihre wiesengrünen Augen sah.
„Siehst du dort“, sagte ich und zeigte weit in die Ferne.
„Da haben deine Mama und dein Papa geheiratet, und damals war alles dort mit Vergissmeinnichte bepflanzt.“
„Wow. Ehrlich. Da hast du bestimmt sehr hübsch ausgesehen.“
„Nicht so hübsch, wie du meine süße Maus.“, sagte ich und küsste sie auf die Nase.
„Das stimmt doch gar nicht, deine Mama sah unglaublich schön aus, so wie immer“, hörte ich die Stimme sagen, von deren Klang mir das Herz auch noch heute stehen blieb. Matthew hielt unsere zweite und jüngste Tochter Charlotte auf dem Arm, die mich mit ihren dunklen Augen freudig musterte. Ich küsste sie kurz auf die Wange und sie ließ ihre Hände durch meine Haare streifen und klatschte erfreut in die Hände.
„Mama kann ich da kurz hinlaufen, und mir angucken, wo ihr geheiratet habt, ich passe auch auf, versprochenen.“, fragte mich unsere Älteste bittend.
„Natürlich, aber komm gleich wieder.“
„Okay!“, rief sie und schon lief sie davon
„Die Ruhelosigkeit hat sie von dir“, stichelte ich Matthew. „Sie läuft schon jetzt schneller als ich. Ich komme kaum hinter ihr her.“
„Ich glaube, dass weiß sie auch, ich war früher wirklich auch so, aber ich laufe für dich überall hin, auch unserer Tochter hinterher, die anscheinend Würmer im Hintern hat.“, sagte er lächelnd und lehnte sich zu mir und küsste mich zärtlich auf den Mund, und mir blieb noch nach 6 Jahren Ehe das Herz stehen.
Matthew grinste mich glücklich an, er wusste, wie vernarrt ich in ihn war.Unsere jüngste Tochter fühlte sich etwas benachteiligt, denn sie schürzte solange die Lippen, bis wir sie beide gleichzeitig küssten und schrie dann: „Igitt! Das ist eklig!“
„Sie ist genauso wie du, du wusstest auch nie, was du wolltest, und hast alle damit verrückt gemacht.“
„Ich finde du hast dich nicht zu beschweren“, sagte ich gespielt beleidigt. „Denn bei dir wusste ich sofort, was ich wollte“, sagte ich und küsste ihn leidenschaftlich.
„Okay, du hast gewonnen, aber das war nicht fair. Küssen zählt nicht.“
„Natürlich zählt das, du Diskussionsgenie!“
„Ja, da hast du wohl recht, obwohl du ja die Einzige warst, die mir ebenbürtig war, auch wenn nur mit miesen Tricks.
„Welchen miesen Tricks?“
„Wie du mit deinen Augen blinzelst, wenn du etwas willst, oder mich von unten mit diesem Hundeblick ansiehst, dann kann ich für nichts mehr garantieren.“
„Wann habe ich das bitte je getan?“
„Immer.“
„Wann genau ist immer?“
„Hey, du bist doch hier die Geisteswissenschaftlerin, ich bin nur der arme Naturwissenschaftler und Sportler. >Immer
Tag der Veröffentlichung: 15.07.2011
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