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Ich ging die Straße entlang, es war ein kalter, nasser Tag und der Himmel war grau und wolkenbehangen.
Man könnte sagen, dass das Wetter meine Laune wiederspiegelt. Trotzdem mochte ich dieses Wetter; ich konnte gut nachdenken und mich einfach treiben lassen.
Ich war noch ein paar Straßen von zu Hause entfernt, aber meine Schulter tat höllisch weh von der schweren Tasche, die ich tragen musste.
Ich dachte darüber nach, ob es heute wohl noch regnen würde.
Ich mochte den Regen, zumindest, wenn ich nicht allein war. Allein im Regen zu sein war einfach nur schrecklich und heute war ich es. Allein und einsam.
Meine Gedanken schweiften zu unschönen Dingen ab, die mich unglaublich traurig machten und meine Trauer nahm zu. Beinahe wollte ich schon nach Hause rennen, um nicht in Tränen auszubrechen, da hielt mich jemand an der Schulter fest.
Ich schrie auf und überlegte schon mal, was ich an Selbstverteidigung noch wusste, doch, als sich dieser jemand vor mich stellte und mich beruhigend an den Schultern anfasste, wurde mir klar, dass ich meine schlechten Kenntnisse der Selbstverteidigung heute zumindest nicht brauchen würde.
Langsam sah ich hoch und sah in das schönste Gesicht der Welt. Braune Augen, die Wärme und Verständnis spiegelten, ein Lächeln, das sich über das ganze Gesicht ausbreitete. Ich musste kurz Stehen bleiben, um meine Nerven zu beruhigen und mich wieder zu sammeln und wurde dabei amüsiert von ihm gemustert.
Als ich mich gefasst hatte sah ich zu ihm auf, und sah ihn fragend an.
„Was machst du hier?“, fragte ich neugierig.
Er sah mich kurz an und musterte mein Gesicht ausgiebig und fragte dann, ohne auf meine Frage einzugehen.
„Denkst du, dass es noch regnen wird?“
Ich musterte ihn etwas belustigt, dass ihm gerade jetzt das Wetter einfiel.
„Ich hoffe ja“, flüsterte ich und die Sehnsucht in meiner Stimme verriet, wie viel mir an seiner Antwort lag.
„Wieso?“, fragte er neugierig.
„Ich liebe den Regen einfach. Im Regen sind so vielen Leuten wunderschöne Dinge passiert, und jedes Mal, wenn ich draußen im Regen bin hoffe ich darauf, dass auch mit mir ein Wunder geschehen wird.“
Meine Stimme wurde immer leiser und tief in meinem Inneren fragte ich mich warum ich ihm das alles überhaupt erzählte, doch etwas anderes in ihm wollte unbedingt eine Antwort auf das alles hier haben.
„Und ist dir schon mal so etwas passiert“, fragte er nun deutlich angespannter, als zuvor.
„Nein“, flüsterte ich traurig. „Jedes Mal stehe ich hier, nass vom Regen, allein und ohne ein Wunder.“
Er schloss die Augen und roch die Luft ein.
„Was machst du“, fragte ich, meine Stimme war kaum mehr als ein Hauchen.
Ich war von der ganzen Szenerie so eingehüllt, dass ich sie nicht durch laute Töne oder ein Knacken eines Astes unter mir zerstören wollte.
„Ich rieche es immer zuerst, wenn es Regen sollte.“
Ich schloss die Augen und versuchte den Duft der Luft wahrzunehmen. Ich roch diesen leicht moosigen, regnerischen Duft der Luft und dachte daran wie sehr ich mir den Regen wünschte.
„Was wünscht du dir?“, fragte er und erriet dabei meine Gedanken.
„Ich wünsche mir das es regen wird.“, flüsterte ich.
„Ich mir auch“, sagte er und ich spürte unter meinen geschlossenen Augen, dass er immer näher kam.
Wir standen nun da, kaum einen Schritt voneinander entfernt. Wenn ich meine Hand ausstrecken würde, würde ich seine berühren können.
Die Entfernung zwischen uns wurde immer unerträglicher und ich hatte schon fast die Hoffnung aufgegeben, als er sagte: „Warte noch kurz. Warte noch ein paar Sekunden.“
Und dann plötzlich, als ich mich schon umdrehen und gehen wollte, landete ein Tropfen auf meiner Wange. Und dann noch einer und noch einer.
Ich wollte die Augen öffnen und ihm in die Augen sehen, als er sagte: „Öffnen deine Augen noch nicht, genieße das Wunder noch ein paar Sekunden.“
Während er das sagte war er mir immer näher gekommen und ich spürte seinen warmen Atem über meine Wange streifen. Mein Atem beschleunigt sich und das Blut schoss mir in die Wangen.
Leise hörte ich ihn lachen und sanft über meine Wange streichen. Und plötzlich etwas warmes, Weiches auf meinen Lippen. Fast wäre ich zurückgeschreckt, doch als ich spürte wie sanft sich seine Lippen um meine schlossen wich meine Angst einem vollkommenen Gefühl der Liebe.
Seine Lippen drängten sich nicht entschlossen und hart auf Meine; sie verlangten nichts von mir. Und so war es leicht für mich, mich ihm voll und ganz hinzugegeben. Seine Lippen schmeckten nach unendlicher Wärme und Zuneigung.
Der Regen plätscherte währenddessen unaufhörlich auf uns.
Es war ein wunderschöner Kuss, aber auch ein sehr kurzer. Langsam lösten sich seine Lippen von Meinen.
Ich ließ meinen Augen geschlossen, unwillig diesen Moment zu beenden.
Wieder hörte ich sein leises Lachen und seine Finger, die zärtlich meine Wange streichelten. Seine Lippen die meine Augenlider küssten und seine Stimme, die leise flüsterte: „Öffne deine Augen Dornröschen.“
Langsam öffnete ich meine Augen, um bloß nichts falsch zu machen und sah in die braunen Augen, die meine Knie ganz weich werden lassen und lehnt mich an ihm an, ich konnte auf seine Hilfe nicht verzichten.
Er nahm mich kurz in den Arm und drückte mich an sich. Seine Hände hielten mich dabei so sanft fest, als ob er Glas in den Händen halten würde und keine Person aus Fleisch und Blut.
Ich roch sein Aftershave; es war ein unverwechselbarer Duft. Neben ihm fühlte ich mich so klein. Langsam gingen wir weiter den Weg entlang und sprachen kein einziges Wort miteinander. Ich war immer noch so überrascht und beeinflusst von unserem Kuss, dass ich kein Wort herausbrachte und er ließ mich alles in Ruhe verarbeiten und dafür war ich ihm sehr dankbar. Gleichzeitig raste mein Herz jedoch immer wieder, wenn er sich meinem Gesicht nur einen Millimeter näherte.
Die Zeit, die wir bis zu mir nach Hause brauchten kam mir viel zu kurz vor und ich wünschte mir ich hätte die Initiative ergriffen und ihn noch einmal geküsst, doch ich hatte viel zu viel Angst, dass ich damit den ganzen Moment entzaubern würde und es ihm vielleicht noch nicht einmal gefallen würde.
Als wir dann vor meinem Zuhause standen dachte ich schon, dass er sich noch nicht einmal von mir verabschieden würde. Doch dann strich er eine Strähne, die mir wahllos ins Gesicht fiel weg und sah mir einen Moment lang tief in die Augen und ich wusste, dass er darin wie in einem offenen Buch lesen konnte.
Spürte er, dass ich nicht wusste, ob er mich wirklich wollte?
In seinen Augen konnte ich nur die Wärme spüren, die er mir gegenüber erbrachte. Und dann, um mich von all meine Fragen zu erlösen, kam er mir immer näher und flüsterte mir ins Ohr:„Du bist das größte Wunder für mich. Du hast Recht, der Regen ist schön aber nicht der Regen bringt den Leuten so viel Freude, sonder die Menschen mit denen man im Regen steht. Du bist das für mich, du wirst es immer sein.“

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Tag der Veröffentlichung: 15.07.2011

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