Cover

`ano nui

bedeutet im Hawaiianischen wichtig und das sind folgende Angaben auch:

 

Alle Rechte verbleiben beim Autor.

Kopie und Weitergabe sind ausdrücklich untersagt.

Weiterempfehlungen sind selbstverständlich erlaubt und auch erwünscht.

 

Es empfiehlt sich Band 1 erst zu lesen, da es sich um eine Buchserie handelt, die ineinandergreift. Ggfs. wird es weitere unabhängige ML Bände geben.

 

Dieses Buch enthält sinnlich-erotische Szenen und wird von mir erst ab 16 Jahren empfohlen. Solltest du jünger sein, finde ich, sollten deine Eltern darüber entscheiden, ob du es lesen darfst.

 

Bisher sind erschienen:

 

Familienbande

Band 1 ~ Die Legende der Okelani

Auch als Taschenbuchausgabe. ISBN 13: 978-1500487218 

 

Seelenbande

Band 2 ~ Das Erwachen der Mächte

Auch als Taschenbuchausgabe. ISBN 13: 978-1500487218 

 

Herzensbande

Band 3 ~ Quell des Lebens

Auch als Taschenbuchausgabe. ISBN 13: 978-1973530848 

 

Die Taschenbücher als auch Notiz- und Tagebücher gibt es mit Widmung zu bestellen unter:

http://bit.ly/2C3OonN

 

Kontakt: astridrose@gmx.net

 

Mein allerliebster Dank gilt Ramona Häßler, Katja Hackel, Bianca Weiss, Astrid Rügamer, Rasse, Nadine Graf-Liesegang, Melanie Remus, Saskia Bollow, Uwe Tächl, Jasmin Mireille, Catrin Bullinger und Irina Wo. Alle haben sie an diesem Werk mitgewirkt und es zu dem gemacht, was es ist. Eine Reise in eine andere Welt, gespickt mit Liebe, Spannung und Spaß.

 

Ein ganz dickes Mahalo möchte ich an meine Kinder und meinem Göttergatten schicken. Danke, dass ihr so tapfer durchgehalten und oft beide Augen zugedrückt habt.

 

Außerdem einen herzlichen Gruß und ein großes Mahalo nui loa an das Team von Bookrix.de. Nur mit eurer stetigen Hilfe, ist es mir möglich dieses E-Book bundes-, nein sogar weltweit den Lesern zur Verfügung zu stellen. Danke, dass ihr weiter so macht …

 

Danke auch an Casandra Krammer, die sich wieder viel Zeit und Geduld genommen hat, um auch diesem Buch ein wunderschönes Kleidchen zu geben. Mahalo nui loa.

 

Das Buch selbst widme ich meinem Mann, der zwar immer mal wieder über meine Fantastereien mault, aber dennoch bei mir bleibt.

 

 

Schatz, ich liebe dich!

 

 

Stammbäume am Ende des Buches




Nackte Tatsachen am Hochzeitstag

 

~ Nina ~

 

Ein Lächeln huschte über mein Gesicht, welches sich seinen Weg aus den Tiefen meiner Seele bahnte.

Merkwürdig. Seit wann lächelt man im Schlaf?‹, fragte ich mich in Gedanken.

Da war es wieder! Erneut zogen meine Mundwinkel sich in die Höhe.

Nein! Mach die Augen nicht auf! Öffnest du sie, ist der Traum vorbei‹, ermahnte mich mein Unterbewusstsein.

Ein sanfter, nach Sandelholz riechender Luftzug strich über meine Wange, streifte meine Nase, welche ich nun kräuselte und blies über meine Augenbraue hinweg.

»Aloha mein Herz«, hörte ich Ben dicht an meinem Ohr säuseln.

Obwohl ich spürte, wie sein Blick auf mir haftete, weigerte ich mich immer noch vehement die Augen zu öffnen. Zu groß war die Angst, dass die vergangene Nacht nur meiner Fantasie entsprungen war. »In Liebe und Vertrauen nehme ich dich mit diesem Ring zu meiner Gemahlin«, huschten mir Bens Worte durch den Sinn und ließen mich hoffen, nicht geträumt zu haben.

Ich spürte, wie Ben sich erhob. Kurz darauf hörte ich Geschirr klappern, Türen, die geöffnet und geschlossen wurden, und eine Kaffeemaschine, die leise brummend ihre Dienste tat.

Dann war es für einen kleinen Augenblick mucksmäuschenstill.

Erneut kämpfte ich mit mir selbst, ob ich die Augen öffnen sollte. Innerlich wog ich ab, ob ich meine Neugierde über meine Furcht siegen lassen sollte, oder nicht. Noch bevor ich meine Entscheidung getroffen hatte, hörte ich ein leises Geräusch dicht neben mir.

Abermals fühlte ich einen Windhauch, doch diesmal war der Geruch des Sandelholzes von einem Duft nach frisch aufgebrühtem Kaffee durchzogen.

Noch einmal kniff ich meine Augen zusammen und versuchte gleichzeitig den Atem anzuhalten, was mir allerdings nur schwer gelang.

»Mrs. Benjamin Franklin McAllister … Ich weiß, dass Sie wach sind«, raunte Ben leise und rieb seine Nase an meiner, dann küsste er mich zärtlich auf den Mund.

Instinktiv erwiderte ich die Berührung seiner Lippen und öffnete meine. Seine Zunge schmeckte nach Großvater Keanus selbst gebrannten Kräuterschnaps und Kaffee. Es war ein ungewöhnlicher Geschmack, der aber dennoch sehr anregend auf mich wirkte und mir bestätigte, dass ich nicht nur in einem Traum gefangen war.

Ben löste sich von mir und erhob sich. »Frühstück kommt gleich«, sagte er leise.

Flugs setzte ich mich auf und griff nach seiner Hand, um ihn am Gehen zu hindern. Behutsam küsste ich ihn auf den flachen, unbedeckten Bauch »Aloha Mister McAllister«, hauchte ich auf seine nackte Haut. Meine Hände griffen derweil sein Gesäß. Langsam senkte ich meinen Kopf tiefer. Meine Zunge glitt an ihm hinab, bis er sich mir stöhnend entgegendrängte.

Er fasste in meine blonden, durch die Sonne gebleichten Haare und drückte mich noch näher an sich.

Für einige Augenblicke spielte meine Zunge mit ihm, dann jedoch hob ich meinen Kopf wieder an, wodurch er mich losließ.

»Willst du nichts essen?«, fragte er heiser.

»Später«, erwiderte ich und zwinkerte ihm einmal zu. »Jetzt steht mir der Sinn nach etwas ganz anderem.«

Ben grinste, beugte sich zu mir herunter und unsere Lippen verbanden sich in einem leidenschaftlichen Kuss.

Wieder fasste er in meine wildgelockte Mähne und zog meinen Kopf nach hinten. Ganz bedächtig ließ er seine Zunge nun seinerseits an meiner nackten Haut entlanggleiten bis er selbst in die Knie gehen musste, um auch die Mitte meiner Schenkel mit seinen Küssen zu erfreuen. Dabei wanderten seine Hände meinem Bauch entlang und legten sich um meine Oberschenkel und drückte sie weit auseinander, um sich noch mehr Platz zu verschaffen.

Seine Küsse brannten heiß und feucht auf meiner Haut. Langsam wanderte seine Zunge bis zum Zentrum meiner Lust. Ein Stöhnen nach dem anderen entwich mir und ich fühlte, wie ein Vibrieren von meinem Körper Besitz ergriff. Unaufhörlich trieb ich der Erlösung entgegen.

Plötzlich ließ er von mir ab und stupste mich um. So schnell, wie ich rücklings auf dem Bett landete, so flink legte er sich neben mich.

»Mein Herz, ich liebe dich«, hauchte er mir zu und vergrub seinen Kopf in meiner Halsbeuge. Liebevoll zwickte er mich mit seinen Zähnen. Zärtlich leckte er über die gereizte Stelle. Sein Bein rutschte an meinem hoch. Dadurch konnte sein Knie zwischen meinen Schenkeln Druck auf meine empfindlichste Stelle ausüben.

Leise wimmerte ich auf und verlor mich in diesem Gefühl, welches sich erneut von unten her in meinem Körper ausbreitete. Diesmal war es an mir, sich ihm entgegenzupressen. Mein rechtes Bein ließ ich über seines gleiten und klammerte mich so fest an ihn, wie ich konnte.

Ben erhöhte den Druck seines Knies. Seine Zunge hingegen ließ von mir ab, um nur Sekunden später die Knospe meiner Brust zu berühren und sie mit sanften kreisenden Bewegungen zu umspielen.

Leise stöhnte ich auf und krallte mich nun meinerseits in sein sonst eher kurzes Haar, welches ihm nun in Strähnen ins Gesicht fiel. Trotz der Sinnesfreuden, die er mir mit seinem Knie und seinem Mund bescherte, entglitten meine Gedanken. ›Für immer werde ich dich lieben … Wenn ich ewig in seinen Armen liegen könnte, das wäre schön. Schade, dass wir nur noch drei freie Wochen haben.‹

Er biss noch mal leicht zu und ich stöhnte vor wohligem Schmerz auf. Die pochende Stelle verarztete er mit einem sanft gehauchten Kuss. Sein Knie drückte meine Schenkel auseinander, um sich mit mir zu vereinen.

Augenblicklich verschmolz mein Körper mit dem seinen und bescherte mir das Gefühl der Vollkommenheit. Jeder seiner Bewegungen kam ich entgegen und senkte mich wieder zurück, wenn er sich entfernte. Im Gleichklang trieben wir auf dem Meer der tosenden Gischt dahin.

Einen, nein zwei Stöße noch‹. Meine Gedanken waren ein Flehen und eine Aufforderung zugleich. Die Welle kam dennoch überraschend. Mein Körper bäumte sich unter seinem auf. Ich glühte und zitterte, wimmerte und verstummte. Meine Gedanken kreisten und trieben ziellos dahin.

Ben stieß erneut tief zu und eine weitere, noch heftigere Woge übermannte mich.

Alles in mir bebte. Unkontrolliert zuckten meine Glieder und meine Sinne schwanden, während meinem Hals ein kehliger Laut entwich. Unausweichlich war ich gefangen in meiner Ekstase.

Noch während ich meinen Orgasmus erlebte, spürte ich, dass auch Ben seine Erfüllung fand.

Er sah mich mit großen, Gold schimmernden Augen an. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht und Grübchen bildeten sich an seinen Mundwinkeln, dann ließ er seinen Kopf in meine Halsbeuge fallen.

Übrig blieben zwei kraftlose Körper, die aneinander Halt fanden und deren Herzen im Einklang schlugen.

Dieses kurze Abenteuer der Lust kostete mich so viel Energie, dass ich augenblicklich einschlief.

 

Als ich meine Augen wieder aufschlug, lag Bens Kopf immer noch in meiner Halsbeuge vergraben und sein Arm umfasste meinen Brustkorb.

Lächelnd hob ich meine linke Hand, an der, seit knapp elf Stunden der Platinring steckte, in dem ein einzeln eingefasster Bernstein das O im Wort ALOHA ersetzte. Bei dem Anblick wurde mir ganz warm ums Herz.

Vorsichtig wandte ich mich ihm zu und küsste ihn auf sein Haupt. »Danke für diese wunderbare Nacht«, flüsterte ich leise. »Es war zwar verrückt, aber auch unvergesslich. Erst die tolle Hochzeit von Tom und Sunny und dann unsere Trauung … Ben?« Sein leiser, gleichbleibender Atem verriet mir, dass er immer noch selig schlief.

Mein Laptop klingelte oder besser gesagt dröhnte, weil der Bass zu stark durchkam, und zwang mich aufzustehen. Schließlich sollte mein Mann nicht von dem Krach geweckt werden.

Ein Blick auf das Display und ich wusste, dass es besser war, aufs Deck zu gehen. Ich schnappte mir ein Laken und verließ das Schlafzimmer. Im Wohnraum legte ich leise das Gerät für einen Moment auf den Tisch, direkt neben dem Holztablett, auf dem Rührei mit Scampi und gebratener Speck ihr bestes gaben. ›An ein warmes Frühstück werde ich mich nie gewöhnen‹, instinktiv schüttelte es mich.

Geschwind wickelte ich mir das Tuch wie eine Toga um. Mit einem kleinen Knoten hielt ich es vor der Brust zusammen, so, dass ich die Hände für den Laptop wieder frei hatte. Bereits als ich die erste Stufe erklomm, drückte ich auf das Icon zur Annahme eines Videochats. »Aloha.«

»Hä? Aloha? Kannst du nicht mehr vernünftig 'Guten Tag' sagen?« An seinem Lachen erkannte ich, dass er es nicht ernst meinte. Mein Bruder fand sich von Natur aus witzig. Manchmal gelang es ihm auch so rüber zu kommen, aber meistens eher nicht, so wie jetzt.

»Entschuldige. Guten Tag, Herr Lorenz junior. Wie geht es Ihnen?«, fragte ich ihn, während ich mir die beste Position suchte, damit ich genug auf dem Bildschirm erkennen konnte.

»Gut. Danke der Nachfrage, Frau, nein Mrs. …« Für einen Moment blieb er still, dann platzte es nur so aus ihm heraus: »Na, bist du jetzt verheiratet?«

»Ja!« Ein breites Lächeln machte sich in meinem Gesicht breit. Stolz hielt ich den Ring in die Kamera. »Moment mal! Woher?«

»Dein Mann hat mich vor Wochen schon drum gebeten, als dein Trauzeuge zu fungieren, aber ich habe mir nicht freinehmen können.«

Erneut musste ich grinsen. ›Alle wussten es! Nur ich nicht!‹… Ungläubig schüttelte ich den Kopf.

Plötzlich schob sich meine Schwägerin ins Bild: »Du bist echt ne blöde Ziege. Warum konntet ihr nicht warten? Erst bist du monatelang mit diesem Tom verlobt und dann heiratest du total überstürzt seinen Cousin? Du bist doch …« Gekünstelt wiegte sie den Kopf hin und her. »Tz, tz …«

»Schluss jetzt, ao iki«, rief mein Bruder seine grinsende Frau zur Ordnung und schob sich wieder vor die Linse der Webcam.

Dass er sie ´kleine Wolke´ nannte, fand ich wiederum zum Schmunzeln. Diesen Kosenamen hatte er ihr nicht ohne Grund gegeben. Sie war damals eine Passagierin auf seinem ersten Flug, den er als Pilot in Ausbildung leisten musste. Sie geriet in Panik, nachdem das Flugzeug abgehoben hatte und in die Wolken eingetaucht war. Da er der jüngste Pilot an Board war, lag es an ihm, sie zu beruhigen.

»Ist doch wahr. Er hätte mich doch wenigstens nach Hawaii einladen können. Ihr Mann ist doch steinreich, da hätten die paar Kröten für das Ticket nicht mal ein klitzekleines Loch in den Geldbeutel gebrannt.«

»Miriam. Wir waren eingeladen! Nur wie hättest du die Reise mit deiner Agoraphobie antreten wollen?«

Seine Frau, die nun einen Meter hinter ihm stand, wurde kreidebleich, zog eine Schnute und kämpfte anscheinend mit den Tränen. »Verdammt Lars! Du weißt genau, dass ich keine Panikattacke mehr bekommen habe, seitdem ich nur noch die Minipille nehme.«

Er wandte sich jetzt um. »Ja, weiß ich. Aber trotzdem war mir das Risiko eines Anfalls im Flieger zu groß, deswegen hab ich das Ticket abgelehnt.«

Miriam stampfte mit dem Fuß auf und warf das Knäuel Socken, welches sie gerade in der Hand hielt, nach ihm. Dabei kippte wohl sein Tablet um, denn ich sah plötzlich nur noch die Zimmerdecke.

Lars stellte das Gerät wieder auf und rollte mit seinen Augen. »T´schuldigung Nina. Miriam ist im Moment schlecht drauf. Sie hat hier in Berlin noch keine Anstellung gefunden und ich muss heute Abend wieder nach Dubai fliegen. Uns beiden wäre es lieber, wenn ich Inland fliegen könnte. Nur finde mal ne passende Stelle.«

»Warum fragst du nicht Onkel Charles?«, fragte ich ihn geradeheraus.

»Nee, das ist mir zu peinlich. Außerdem kenne ich ihn ja kaum.«

»Das ist doch Quatsch. Er ist ein ganz lieber Kerl.«

»Das sage ich Lars auch ständig, aber er will ja nicht, der alte Sturkopf«, hörte ich seine Frau im Hintergrund. Zudem vernahm ich das Klingeln eines Telefons. Miriam meldete sich mit Lorenz.

Merkwürdig‹, dachte ich. So kratzbürstig kannte ich Miriam bisher nicht. ›Was ist bloß mit ihr?‹ Für einen Moment schloss ich meine Augen und konnte fühlen, wie meine Schwägerin mit ihrer inneren Unruhe kämpfte. Aber da war noch mehr. Ich vernahm ein Geräusch, als wenn ein Pferd galoppierte. Instinktiv streichelte ich mir über den Bauch und beruhigte Leilani damit ein wenig.

Als ich die Lider wieder öffnete, sagte ich: »Frag ihn. Mehr als Nein sagen kann er nicht.«

Mein Bruder atmete tief ein. »Vielleicht hast du recht … Aber nun erzähl doch mal … das Letzte, was ich wusste, ist, dass Tom sich von dir getrennt hat. Und dann rief Ben mich plötzlich an, dass er dich heiraten will. Versteh mich nicht falsch, ich mag Ben um einiges lieber, aber dennoch ist es irgendwie komisch, oder?«

Der Vorwurf in seiner Stimme war nicht zu überhören. »Ja, ähm, ne eigentlich nicht. Auch wenn die beiden sich vom Aussehen her ein wenig ähneln, ist Ben der Richtige für mich. Tom ist ein Spaßvogel wie du und Po´ko´i ist eher von der ernsten Sorte.« Ungewollt machte sich ein Grinsen auf meinem Gesicht breit. »Trotzdem schafft er es, mich immer wieder zu überraschen.«

»So wie gestern Abend?«, fragte Lars nach.

»Aha! Also hat er wohl durchklingen lassen, dass ich nicht wissen würde, dass ich heirate, oder?«

»Jup. Hat er.« Sein breites Grinsen sagte aus, dass er die Aktion toll fand. »Ach, Nina, nur zu gerne wäre ich da gewesen …«

Schwermut erfasste mich für einen winzig kleinen Augenblick. »Mit dir wäre es perfekt gewesen. Schließlich bist du mein liebster Bruder.«

Er lachte. »Kein Wunder, bin ja auch der Einzige, den du hast.«

»Dein Vater sagt gerade, du sollst ganz schön blöd geguckt haben, als plötzlich die Vuvuzela ertönte«, rief Miriam dazwischen. Daraus schloss ich, dass sie mit meinen Eltern telefonierte.

»Hä? Vuvuwas?… Ach ne, es war keine von diesen Tröten, die jetzt überall zur WM verkauft werden. Es war eine PU. Das ist eine große Muschel, die geblasen wird. Und ja, das habe ich bestimmt. Eigentlich wollten wir ja erst nach Leilanis Geburt heiraten.«

»Leilani?… Geburt?« Lars große Augen sagten mir, dass er nicht alles wusste.

»Du wirst im Oktober Onkel.« Dabei kippte ich den Laptop, sodass die Webcam auf meinen Bauch gerichtet war.

»Wow. Wahnsinn! Nina, das ist ja geil!«, hörte ich ihn.

»Was wird es?«, fragte Miriam aus dem Hintergrund heraus.

»Kind oder Blume des Himmels … also wird es ein Mädchen!«, antwortete mein Bruder an meiner statt und bewies mir damit, dass er die hawaiianische Sprache besser beherrschte als ich.

Jetzt blickte ich wieder auf den Bildschirm und damit in Miriams Gesicht. »Oh, das ist ein schöner Name«, nun klang sie weitaus freundlicher.

»Ja, nicht wahr?! Sie hat ihn sich selbst … ähm. Ich meine, als ich ihn hörte, spürte ich, dass ihr der Klang gefällt.«

»Das kenne ich. Wenn Lars was von Bier hört, verspürt er auch immer so einen Durst.«

Die beiden lachten und steckten mich damit an.

»Kannst du mir eigentlich mal eine Flasche Bier mit Ananasgeschmack schicken? Oder nee. Gleich eine Kiste, ist besser!«, fragte Miriam mich.

»Puh, da muss ich mich erst einmal wegen der Zollbestimmungen schlaumachen.«

»Ach Quatsch.« Inzwischen hatte Lars wieder den Bildschirm vereinnahmt und drückte Miriam das Handy in die Hand. »Mama will noch was von dir.« Er wartete noch einen kleinen Moment, bis seine Frau aus der Hörweite war. »Wir machen das anders: Ich verpasse Miriam hier ne Komakelle, dann setze ich sie in den Flieger. Bei euch füllen wir sie ab, bis ihr schlecht von dem Zeug wird und sie es nie wieder anrühren will. Aber lass den Kräuterschnaps lieber im Keller. Papa erzählte mir eben, wie der einen ganz wuschig macht, und so schnell wollte ICH noch keine Kinder.«

»Das habe ich gehört!« Miriam klang alles andere als amüsiert.

Für einen Moment rollte auch ich mit den Augen. »Stimmt, der hat ne aphrodisierende Wirkung. Wir sind schon gespannt, wie viele Gäste demnächst Eltern werden.« Die Erinnerungen an die gestrige Nacht bahnten sich ihren Weg. »Ach, Lars, ich hätte mich echt gefreut, wenn ihr dabei gewesen wärt. Es war wirklich eine wunderschöne traditionelle hawaiianische Zeremonie. Sie hätte dir bestimmt gefallen. Vielleicht existiert ja ein Video. Wenn ich es finde, schicke ich es dir.«

Wenn einer in unserer Familie Hawaii besessen war, dann war das mein Bruder. Seit jüngster Kindheit beschäftigte er sich mit der Inselgruppe und sog alles in sich hinein, was ihn seiner Ursprungskultur näher brachte. Aber dass ich ihm das Geld für eine Hochzeit auf Hawaii geben wollte, hatte er damals abgelehnt. Dazu war er dann doch zu sehr Mann, als sich seine Eheschließung von seiner Schwester vorfinanzieren zu lassen. Dafür hatten die beiden wenigstens ihre Flitterwochen auf Oahu in Bens Stadtwohnung verbracht.

»Cool. Dennoch will ich jetzt Einzelheiten von dir hören.«

»Okay. Also mit dem Outrigger Canoe wurde ich von einer Bucht zur nächsten gefahren. Und kaum, dass das Boot im seichten Wasser landete, kam Ben aus der Menge hervor und legte mir einen offenen Meile Lei um die Schultern. Die PU wurde daraufhin viermal geblasen«, sprudelte es jetzt nur so aus mir heraus.

»Dann führte er mich zum Steg hinüber, auf dem der Standesbeamte vor einem Blumenkreis auf uns wartete. Mama und Papa standen direkt vor dem Steg und dort habe ich ihnen erstmals erzählt, dass ich ein Baby erwarte. Die beiden sind echt aus allen Wolken gefallen.«

»Kann ich verstehen«, unterbrach Lars mich. »Nachdem, was Markus dir damals angetan hat, grenzt das wirklich an ein Wunder.«

Erinnerungen an den Übergriff und die ganzen Operationen kamen wieder hoch. Wie auf ein Zeichen trat Leilani in diesem Moment in mir aus. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. »Ja Kleines, ich hör ja schon mit den trüben Gedanken auf.« Instinktiv streichelte ich über meine kleine Wölbung.

»Wie bitte?«, fragte mich mein Bruder.

»Nichts, Lars. Entschuldige, ich war nur in Gedanken. Aber sag … habt ihr denn mal Lust uns zu besuchen? Leider kann ich nicht zu euch, da ich in den nächsten Monaten ziemlich eingespannt bin. Neben meiner Arbeit muss ich mich jetzt auch um drei Kinder kümmern.« Für einen kleinen Augenblick wurde mir angst und bange. ›Bin ich dem überhaupt gewachsen?‹, fragte ich mich.

»Wieso drei? Benjamin hat doch nur zwei Kinder aus seiner ersten Ehe und die Kleine ist ja noch nicht geboren.«

»Ja, aber Ben hat noch einen kleinen Jungen namens Lee adoptiert. Er wurde von seiner Mutter ausgesetzt und ich hatte mich vor ein paar Wochen bereits um ihn gekümmert. Sobald ich meine Unterschrift geleistet habe, ist er auch mein Baby.«

»Hoffentlich warst du nicht so blöd und hast einen Ehevertrag unterschrieben.« Offensichtlich war das Gespräch mit meinen Eltern beendet, denn Miriam schubste ihren Mann aus dem Bild.

»Erstens bin ich nicht blöd, zweitens wollte Ben das nicht und drittens brauche ich das auch nicht. Bis in die kleinste Zellwurzel hinein bin ich mir sicher, dass nichts und niemand uns jemals trennen kann.«

»Sag niemals nie!«, ermahnte meine Schwägerin mich.

Gott! Heute war mit Miriam aber wirklich nicht gut Kirschenessen.‹ »Schon klar.« Zum ersten Mal an diesem Morgen verließ mich meine gute Laune. »Darf ich Lars noch mal sprechen?«

»Ja.… Hase … hier!«, sie drehte das Gerät in seine Richtung.

»Weißt du was, Lars? Nachher frage ich Großvater mal. Der wird bestimmt mit Charles reden, ob du nicht eine seiner Maschinen fliegen kannst. Mmh. Vielleicht könntest du ja sogar hier fliegen …« Die Ideen purzelten schneller, als ich sie erfassen konnte. »Sollte das klappen, rede ich mit Ben. Er wird euch bestimmt die Stadtwohnung zur Verfügung stellen.… Oder mit Eric, wegen Sunnys Apartment. Die wohnt ja jetzt in Toms Haus. Ach, da findet sich bestimmt irgendwas für euch. Deine Frau wäre dann auch nicht ständig alleine. Irgendjemand ist ja immer auf Noelani. Und … ja, genau … Miriam kann bei uns im Kinderdorf in Waimanalo erst mal ein wenig aushelfen«, spann ich meine Pläne weiter.

»Echt jetzt? Das kannst du einfach alles so regeln?«

»Ja, kann ich. Bin ja schließlich die Geschäftsführerin von Children´s Hope Donation und zudem denke ich nicht, dass mein Mann was dagegen hätte.« ›Mein Mann‹, allein bei diesen beiden Worten, verlor jeglicher Ärger wieder an Substanz. »Ihr gehört doch auch zur Familie und OHANA wird hier ganz groß geschrieben.«

»Ach Nina, das wäre zu geil, wenn das klappen könnte.«

Miriam klatschte im Hintergrund in die Hände. »Dafür würde ich mir wirklich die Strapazen wieder antun. Einmal kann ich das bestimmt noch mal durchstehen. Hauptsache, ich muss dann nie wieder hierhin zurück.«

Ein Summen ertönte.

»Oh, mein Akku ist gleich leer. Außerdem muss ich los. Bin nämlich noch mit zwei hübschen Damen verabredet«, sagte mein Bruder.

»Mit zwei?«

»Klar, in meinem Alter nimmt man das, was man kriegen kann.«

»Du bist bekloppt. In deinem Alter sieht man zu, dass man sich mal ausruht,… aber, ne mein Bruder lässt sich gleich zwei Stewardessen zuteilen«, zog ich ihn auf.

»Bekloppt?!« Lars lachte. »Musst du grade sagen. Wer von uns führt denn wohl das verrücktere Leben?« Mit einem Mal war der Bildschirm schwarz.

Obwohl ich instinktiv wusste, dass Miriam ihm jetzt ne Szene wegen der zwei hübschen Stewardessen machte, musste ich wieder grinsen. Eigentlich hatte er ja recht. ›Das ganze letzte Jahr war mehr als verrückt‹, kam mir in den Sinn. ›Erst verwirrte Tom nicht nur meinen Geist, sondern auch ein klein wenig mein Herz, na ja, zumindest bis ich Ben zum ersten Mal sah. Es war wirklich Liebe auf den ersten Blick. Nur blöd, dass ich zu stolz war, es zuzugeben und zu blind, um zu sehen, dass es ihm nicht anders erging.‹ Tief atmete ich ein. »Zum Glück haben wir beide noch die Kurve gekriegt«, murmelte ich und besah mir noch einmal meinen Ehering.

»Ja, haben wir.« Ben stand direkt hinter mir, legte seine Arme um meinen Bauch und vergrub seine Nase in meinem Haar, um mir einen Kuss darauf zu hauchen.

Plötzlich fühlte ich durch die Bauchdecke hindurch Leilanis Berührung an meiner Hand. Mich beschlich das Gefühl, das sie nach dem Mana Loa Ring suchte. Ben hatte ihn mir, nachdem wir hier auf seiner Jacht, der Mahimahi, eingetroffen waren, auf den rechten Ringfinger geschoben.

»Hast du das gespürt?« Er legte seine Finger breitflächig auf meinen Bauch und Leilani machte eine hektische Bewegung, die mir durch und durch ging.

»Vermutlich will sie uns sagen, dass wir uns genug an der Vergangenheit festgehalten haben. Wir sollten uns lieber auf die Gegenwart konzentrieren«, säuselte ich.

Seine eben noch verschlafen klingende Stimme nahm einen helleren Ton an. »Auch wenn ich gerade nicht weiß, was du meinst, hast du dennoch recht. Es ist unser Hochzeitstag und heute sollte nur das Hier und Jetzt und wir zwei, nein, drei zählen.« Ben drehte mich zu sich.

»Leg das Ding weg«, sagte er und deutete auf den Laptop in meiner Hand.

In diesem Moment teilte mir ein Dröhnen mit, dass eine weitere Videonachricht einging. Langsam wiegte ich meinen Kopf hin und her. »Die Leute wollen mir, ähm uns, gratulieren.«

»Hast du da eigentlich wichtige Daten drauf?«

»Nein, hab ich nicht, Po´ko ´i. Wie du es wolltest, ist alles seit einer Woche in deiner Wolke.«

Ben lachte. »Mein Herz, es nennt sich Cloud.« Er löste den Knoten der Toga. Mit einem unverschämten Grinsen im Gesicht griff er mit einer Hand unter meine Knie und mit der anderen um meine Schulter. Innerhalb von Sekunden hob er mich auf seinen Arm. Mit schnellen Schritten überquerte er das Deck der Jacht. Erst an der Reling hielt er an.

Bevor ich überhaupt realisiert hatte, was er da tat, landete ich splitterfasernackt, mitsamt dem Laptop, im kühlen Meer.

»Das kostet dich einen Neuen«, rief ich ihm nach dem Wiederauftauchen entgegen. Zeitgleich warf ich ihm das Gerät zu. Dadurch wurde Ben nass, denn aus dem Laptop tropfte Meerwasser.

»Gerne doch! Hab so an die tausend auf Lager. Sag mir nur, was du willst. Notfalls lass ich dir auch extra einen zusammenbauen, wenn es sein muss.«

Nur einen Augenblick später sprang auch er mit einem Hechtsprung ins Wasser und war nach wenigen Schwimmzügen bei mir, um mich leidenschaftlich zu küssen und dabei zu umarmen.

Das Gefühl seiner nackten Haut an meiner war unbeschreiblich schön. Eine wohlige Wärme breitete sich in mir aus. »Kann man uns denn hier nicht sehen?«, fragte ich, als seine Lippen sich von meinen gelöst hatten.

»'A'ole.« Ben grinste mich an. »Nein, ich habe extra diesen Ankerplatz gewählt, weil er zwar noch dicht an der Küste ist, aber hinter Moku Iki liegt. Die Insel darf nicht betreten werden, da sie zum Vogelschutzgebiet ernannt wurde.«

Diesmal lag es an mir ihn zu küssen, während meine Hand an seiner Hüfte hinunter glitt, um dann seinen Hintern zu berühren.

Seine Finger strichen über die Innenseite meiner Schenkel.

Leise stöhnte ich auf. Plötzlich nahm ich jedoch in einiger Entfernung ein Tier wahr. »Oh, sieh mal. Eine Schildkröte«, rief ich erfreut aus und zeigte hinter ihm aufs offene Meer.

»Ja, es ist eine Honu, eine grüne Meeresschildkröte. Früher waren sie sehr zahlreich, doch leider werden es immer weniger.«

»Komm! Ich will sie mal anfassen.« Umgehend löste ich mich von ihm und tauchte unter.

Ben erfasste meinen Fuß und hielt mich dadurch auf.

»Was denn?«, prustete ich, als ich den Kopf wieder über Wasser hatte.

»Es ist verboten, sie zu berühren. Wenn du dabei gesehen wirst, kann man dir ein Strafgeld von bis zu 100.000 Dollar auferlegen. Zudem bekomme ich bestimmt eine dicke Moralpredigt von Richterin Lawson, dem Bürgermeister und mit Sicherheit auch von der Gouverneurin.«

»Aber hier ist doch keiner«, erneut tauchte ich unter.

»'A'ole Nina. Nicht … Lass es bitte sein.« Die sirenengleiche Stimme, die ich unter Wasser vernahm, ließ mich innehalten.

Die Schildkröte wandte sich mir zu. Für einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl, sie lächelte. Dann bildete sich um sie herum ein Wasserstrudel. Dort, wo gerade noch die grüne Meeresschildkröte war, erschien eine Nixe mit schwarzen Haaren, die trotz des Wassers um sie herum trocken schien. »Es ist schön, dich so gesund und munter wiederzusehen. Die Liebe hat dir ein wenig Farbe ins Gesicht gezaubert«, sagte Namaka-o-Kaha 'i und zwinkerte mir dabei zu.

Ihre eindeutig zweideutigen Worte sorgten dafür, dass mir jetzt erst recht die Röte in die Wangen schoss.

Namaka-o-Kaha 'i lächelte. »Keine Sorge. Selbstverständlich habe ich weggesehen. Und außerdem seid ihr nicht die Ersten, die das Wasser dafür benutzen. Viele mögen das Gefühl der Schwerelosigkeit, wenn sie sich vereinen.«

Nun war es mit meiner Fassung endgültig vorbei und mein Gesicht brannte höllisch.

»Oh, ich sehe schon. Es ist dir unangenehm.«

Da ich mich nicht dazu in der Lage sah unter Wasser zu sprechen, geschweige denn zu atmen, nickte ich einfach nur.

»Na gut, dann will ich mal nicht so sein. Meine Kraft ist zwar noch nicht wieder vollständig zurückgekehrt, aber es wird wohl ausreichen, um dafür zu sorgen, dass ihr hier nicht weiter gestört werdet. Solange ihr im Wasser seid, wird euch weder eine Qualle noch ein Stachelrochen oder gar ein Hai zu nahe kommen.« Sie lächelte mich verschmitzt an. »Und ich werde mich auch zurückziehen. Es tut mir leid, wenn ich euch gestört habe. Ich war nur neugierig, wessen Macht ich hier gespürt habe.« Sie wandte den Kopf. »Eine Gruppe von Spinnerdelfinen fragt, ob sie sich euch nähern dürfen. Auch sie fühlen das Mana in euch und möchten gerne wissen, mit welcher Magie sie es zu tun haben.«

Lautlos signalisierte ich mit meinem Daumen ein Okay.

»Die Nai´a danken dir für dein Entgegenkommen«, sagte die Wassergöttin. »Und jetzt werde ich euch verlassen.« Kurz darauf entfernte sie sich und der Strudel begann, sich im Nichts aufzulösen. Die Honu erschien abermals. »Du bist ein Kind des Himmels und des Wassers, lasse dich nicht vom Feuer bezwingen …«, flüsterte mir die Schildkröte zu, bevor sie in den Weiten des Meeres verschwand.

In einiger Entfernung konnte ich tatsächlich einen kleinen Schwarm Delfine ausmachen, der schnell auf uns zukam.

Da mir die Luft ausging, tauchte ich auf.

Unerwartet legte Ben seine Arme um meinen Brustkorb und zog mich nach oben an die Wasseroberfläche. Dort nahm er mich sofort in einen Rettungsgriff.

»Was machst du?«, rief ich.

»Wonach sieht es denn aus?«, keuchte er. »Ich rette dich!… Dachte ich zumindest.… Du warst so lange untergetaucht.« Sein Griff lockerte sich.

Hastig befreite ich mich aus seiner Umarmung.

In diesem Moment sprang ein Delfin über unsere Köpfe hinweg, bevor er anmutig wieder ins Wasser eintauchte.

»Cool«, entwich es mir. Dann drehte ich mich erschrocken um, denn ein weiterer Delfin stupste mich an.

Ben erging es ähnlich.

Es schien fast so, als ob die Delfine uns wie Hunde beschnuppern würden. Wobei mir allerdings klar war, dass Delfine keinen solch ausgeprägten Geruchssinn hatten, sondern vielmehr ihre Umgebung mit ihrem Sonar erkundeten.

Erneut sprangen einige von ihnen über uns drüber, andere kamen dichter an uns heran.

Instinktiv griff ich nach der Rückenflosse des Delfins, der mir am nächsten war, und dieser tauchte mit mir im Schlepptau ab. Es war ein schönes Gefühl. Mühelos glitt ich durchs Wasser.

Das Tier nahm an Geschwindigkeit zu und schoss plötzlich hoch an die Wasseroberfläche.

Dabei riss es mich mit. Nahezu schwerelos schwebte ich für ein paar winzige Augenblicke durch die Luft, dann fiel ich, wie eine Feder, langsam wieder ins Wasser zurück.

»Hô! Das… sah galaktisch aus!« Auf Bens Gesicht spiegelte sich Bewunderung, aber auch Unglaube wieder.

»Es war … atemberaubend«, stotterte ich, noch völlig fassungslos.

»Jetzt besteht für mich kein Zweifel mehr«, sagte Ben. »Du bist die aus dem Himmel … Ja, du bist die Wiedergeburt Okelanis.«

Doch ich hörte seine Worte nur, wie durch eine Nebelwand. Vor meinem inneren Auge sah ich den Aloha Tower. Seine Uhr zeigte die Stunde vier an. Mein Blick ging in Richtung Hafen. Cassie stand gerade weinend am Pier und blutete stark. »Wir müssen nach Hause«, keuchte ich.

»Nina … Warum?«, fragte Ben besorgt.

»Cassie wird sich nachher an einer Koralle schneiden!«, antwortete ich und schwamm zur Jacht hinüber.

»Oh mein Gott. Wird sie es überleben?«, fragte er.

»Ja, klar. Es ist nur eine Fleischwunde. Nur wird sie weinen und nach ihrem Daddy rufen. Und der bist ja augenscheinlich du.«

Ben hatte mich inzwischen eingeholt und murmelte: »Ja, das bin ich wohl.« Er hielt mich kurz zurück. »Was soll ich machen?«, fragte er. »Die beiden liebe ich, als wären sie meine eigenen Kinder und ihnen zu sagen, dass ich …« Ben schluckte schwer.

»Po´ko´i.« Für einen Moment hielt ich in meinen Schwimmzügen inne und wandte mich ihm direkt zu. »Das weiß ich doch. Aber dir sollte auch klar sein, was alles passieren kann, wenn man ein Leben auf Lügen aufbaut. Das kann nicht gut gehen.«

Er nickte zustimmend. »Auê!«, fluchte er plötzlich. »Dein Idiot von Ehemann hat vergessen, die Heckklappe zu öffnen. So kommen wir nicht aufs Boot.«

»Und was jetzt? Wir haben weder ein Handy noch etwas zum Anziehen dabei.«

»Wir könnten nach Moku Nui rüber schwimmen und nachsehen, ob dort ein paar Kanutouristen sind. Die Insel ist gerade mal 60 Meter entfernt. Bis zum Kailua Strand ist es ungefähr einen Kilometer.«

»Bist du wahnsinnig?«, fragte ich ihn entrüstet. »Ich werde mich doch nicht irgendwelchen Leuten nackt präsentieren.«

Ben grinste. »Warum nicht? Na'u `oe. Das alleine zählt.« Seine Augen blitzen dunkel auf.

»Tz«, zischte ich. »Ja, ich gehöre dir, aber dennoch, oder gerade deshalb, verstehe ich dich gerade nicht.« Ungläubig schüttelte ich den Kopf, während Ben nach mir griff und mich an sich heranzog.

»Es wäre für mich sehr reizvoll zu sehen, wie andere dich ansehen, aber dabei nicht anfassen dürfen.« Er zwinkerte mir mit dunklen Augen zu.

»Pupule!«, blaffte ich und entzog mich seiner Umarmung.

»Nina,… ich bin nicht verrückt!« Ben griff nach meinem Arm. »Es … es war ein Scherz«, sagte er kleinlaut.

»Du hast einen komischen Sinn für Humor. Vielleicht sollte ich dir mal diese Flausen austreib… Mensch! Das ist es! … Vielleicht sollte ich mal versuchen, mit Großmutter in Kontakt zu treten. Sie hat es ja schließlich bei mir auch schon gemacht.« Kaum, dass ich es ausgesprochen hatte, schloss ich die Augen und konzentrierte mich auf sie.

Ben kam wieder an mich heran und hielt mich fest in seinen Armen. Zum Teil, um mich über Wasser zu halten und zum anderen, um sein Mana mit meinem zu verbinden.

Plötzlich fand ich mich in den Toms Gedanken wieder, der gerade seine Tochter anzog.

Erschrocken öffnete ich meine Lider wieder. Bereits seit Wochen fühlte ich das Mana stärker denn je in mir. Aber das ich jetzt auch gedanklich in Köpfe von Menschen eindringen konnte, die nicht bei mir waren oder an die ich gerade dachte, war neu für mich. Obwohl, kam mir in den Sinn. ›Eigentlich logisch, dass ich Tom erreiche. Schließlich verbindet uns ein Seelenband.‹

Erneut senkte ich die Lider.

»Engel?«, hörte ich ihn im Kopf.

»Ja, ich bin´s. Cassie wird sich nachher um vier Uhr im Hafen an einer Koralle schneiden. Das musst du verhindern.«

»Wo seid ihr denn? Warum ruf…«

»Wir sitzen im Meer fest.«

»Why?«

»Ben hat die Klappe …«

»Ah okay. Hab´s kapiert! Ich kümmere mich um die Kleine und hol euch auch ab.«

»Tom …«

»Ja?«

»Bring was zum Anziehen mit.«

Das Lachen, welches er ausstieß, blieb mir nicht verborgen. Seine überschäumenden Emotionen erfassten auch meinen Körper. Doch mich nackt zu sehen, ohne in einen Spiegel zu schauen, erschreckte mich.

Die Verbindung brach ab, weil Ben mich losließ.

Sein ernstes Gesicht ließ mich nichts Gutes ahnen. »Hab alles mitbekommen«, war das Einzige, was er brummte.

»Dafür kann …«

»Nein, dafür kann niemand was.« Er nahm mich wieder in den Arm. »Mein Herz, nicht mal zusammen können wir die Vergangenheit ändern. Aber an der Zukunft arbeiten wir gemeinsam, versprochen?!«

Plötzlich gaben die Delfine Laute von sich. Geräusche von einem herannahenden Boot ließen sie unruhig werden. »So schnell?«

Ben blickte hinter mich und rief. »Scheiß Paparazzi! Komm schnell!« Er griff nach meiner Hand und zog mich dicht an sich heran. »Jetzt müssen wir doch nach Moku Nui schwimmen.«

»Nein. Das schaffen wir nicht, ohne dass sie uns entdecken. Lass uns nach Moku Iki«, schlug ich vor und tauchte unter.

Natürlich suchten uns die Reporter, doch wir schafften es, unbemerkt aus dem Meer wieder aufzutauchen.

»Dort rüber«, sagte Ben. »Da sind genug Sträucher, die uns Sichtschutz geben. Entweder wir laufen los, sobald wir an Land sind, oder du bleibst dicht hinter mir.«

Er legte noch im Wasser schützend die Arme von hinten um mich. Der rechte bedeckte meine Brust, während die linke Hand einen Sichtschutz in Hüfthöhe darbot. Sachte schob er mich in die von ihm anvisierte Richtung.

Unverständliche Rufe ertönten hinter uns und in diesem Moment wusste ich, dass Aufnahmen von uns gemacht wurden. Als unsere Füße den Strand berührten, flackerte eine Schlagzeile vor meinem geistigen Auge auf:

 

»Verflucht!«, rief Ben. »Nicht nur, dass ich jetzt vermutlich eine Standpauke von der Gouverneurin erhalte. Nein, mein blanker Hintern muss auch noch weltweit durch die Medien gehen.«

»Woher weißt du …?« Weitere Bilder tauchten auf, in denen ich sah und hörte, wie Ben vor einer älteren Blondine stand und von ihr eine Moralpredigt erhielt, als sei er ein kleiner Schuljunge. Ein lautes Motorengeräusch holte mich aus meinem Tagtraum.

Ein paar Sekunden später erstarb das Brummen.

Weitere Klicks waren zu hören und ich befürchtete schon, dass es auch von mir gleich ein Foto im Evas-Köstum geben würde, als laute Rufe zu uns hallten.

Tom rief von meiner linken Seite her: »Hi, ihr beiden Nacktfrösche! Ihr könnt von Glück sagen, dass mein Boot schnell genug ist. Holy Shit! Wo kommt die Monsterwelle denn her? Damn! Ich habe kein Surfboard dabei!«

Ein Blick hinter meine rechte Schulter und ich sah eine riesige Wasserwand, die auf die Boote der Reporter zurollte. Die Welle sorgte dafür, dass die Schiffe gehörig durchgeschüttelt wurden.

Das Nächste, was ich hörte, war das Plätschern von Wasser und wie jemand hindurch watete.

Einen kurzen Augenblick später überreichte mir mein Schwager mit lang ausgestrecktem Arm ein Kleid.

An ihn gewandt hauchte ich: »Mahalo nui loa«

Ben indes brummte: »Sieh gefälligst weg, Kleiner.«

Tom wiederum grinste jetzt noch mehr und über seinem Mundwinkel bildete sich das Grübchen, was ich so an ihm liebte. »Hey, ich kenne ihren Körper schon länger …«

»Vorsicht!«, zischte Ben. »Jetzt ist sie meine Frau! Also lass deine schmutzigen Gedanken.«

»Hört auf!«, bestimmte ich. »Tom würdest du dich bitte wegdrehen und mir den Rücken freihalten?«, fragte ich meinen Schwager.

»Gerne doch Engel«, erwiderte er und wandte sich um.

Ben löste sich von mir und anhand einiger Anstupser seinerseits in meinem Rücken, wusste ich, dass auch er im Begriff war, sich etwas anzuziehen.

Als ich mir unter Mühen das Kleid und den darin eingewickelten Slip angezogen hatte, drehte ich mich um und mir blieb buchstäblich die Spucke weg. Ungläubig starrte ich auf ein weißes, nigelnagelneues Powerboat, dessen Form allein schon den puren Fahrspaß versprach.

»Tolles Spielzeug«, prustete ich.

»Nicht wahr«, grinste Tom, wobei sich ein weiteres Grübchen über seinen Mundwinkeln bildete. »Hat Sunny mir zur Hochzeit geschenkt.«

»Wahnsinn. Das muss ein Vermögen gekostet haben«, sagte ich, während ich mir das Kleid zurecht schob.

Tom zwinkerte. »Ja, mindestens siebenmal so viel, wie Ben dem Department of Land and Ressources spenden wird, um einigermaßen glimpflich aus dieser Affäre zu kommen.«

Mir fiel buchstäblich die Kinnlade herunter, als mir klar war, dass er nicht von Beträgen im Zehntausender Bereich sprach.

Kurz darauf bestiegen wir dieses Luxusgefährt.

»Haltet euch gut fest«, rief Tom, während er den Motor einmal aufheulen ließ. Bereits eine Sekunde später gab er auch schon Gas und, wenn Ben mich nicht festgehalten hätte, wäre ich übers Heck gefallen.

Tom hielt erst nach einer Adrenalin fördernden Vollgasfahrt und einem absoluten Geschwindigkeitsrausch auf Bens Jacht zu, um uns zu ihr rüber steigen zu lassen.

Zum Abschied rief er Ben noch hinterher, dass wir lieber nicht vor morgen nach Noelani zurückkehren sollten, da Eric bestimmt vor Wut über seinen nackten Hintern schäumen würde.

Lachend machte er sich auf den Heimweg zu seiner frisch angetrauten Frau, während wir unter Deck zum Duschen gingen.

 

 

 

Flittern will gelernt sein

 

~ Nina ~

 

Am Nachmittag segelte Ben, die Mahimahi zum Ala Wai Jachthafen und machte das Boot am Steg fest. Dann entluden wir das ganze Flitterwochen-Gepäck.

Zwei junge Männer kamen auf uns zu. Beide trugen einen schwarzen Anzug.

Genervt rollte ich mit den Augen. »Oh bitte«, stöhnte ich, »nicht schon wieder die NSA.«

Ben, der gerade einen Koffer abgestellt hatte, riss seinen Kopf hoch. »Keine Angst, mein Herz. Die sind nicht von dem Verein. Die tragen ja keine Sonnenbrille.« Er zwinkerte mir zu und übergab einem der Jungs seinen Schlüssel für das Segelboot. »Sean, passen Sie gut auf die Mahimahi auf. Wir sind in drei Wochen wieder hier.«

»Jawohl, Sir. Wie immer ist Ihr Schiff in guten Händen.«

»In den besten«, bestätigte Ben ihm mit einem Lächeln. »Aber warum tragen Sie einen Anzug? So kenne ich Sie ja gar nicht.«

»Nun, ich empfand es heute als angemessen. Sie heiraten ja schließlich nicht jeden Tag.« Der junge Hawaiianer grinste bis über beide Ohren. »Aber wie ich sehe, haben Sie sich dagegen mal ein wenig, ähm unkonventioneller gekleidet.«

Ben lachte herzerfrischend auf. »Ja, stimmt. Schließlich habe ich Urlaub«, antwortete er.

Die Aussage hätte er sich sparen können. Seine Kleidung sprach für sich: Die marineblauen Sneakers sahen nach zwei Wochen Dauertragens ein wenig blass und gebraucht aus. Seiner Levi´s hingegen sah man an, dass sie erst vor Kurzem abgeschnitten wurden. An ihr hingen noch keine Fransen herunter.

Mein Blick glitt weiter hoch und sehnsüchtig betrachtete ich seine braun gebrannte Brust, die unter dem offenen, mit Hibiskus bedruckten, gelb-weißen Hawaiihemd hervorblitzte.

»Nina«, sprach er mich an und holte mich damit aus meinem Tagtraum, in dem ich ihm dieses Hemd von den Schultern zog.

»Ja?«

»Darf ich dir Sean vorstellen. Er ist für diesen Abschnitt des Hafens zuständig und sehr darauf bedacht, dass unserer Mahimahi kein Kratzer zugefügt wird, wenn wir hier in Honolulu sind.«

»Sehr erfreut. Nina Lo… McAllister«, gab ich ihm in Englisch zu verstehen.

Sean nahm meine Hand entgegen. »Aloha, Mrs. McAllister.«

Nun wandte sich Ben dem anderen Mann zu, der ein wenig älter als Sean zu sein schien. »Ihr Name ist doch Ryan, oder?«

»`Ae, Sir.«

»Wir haben zwar noch eine Stunde Zeit, aber es wäre mir recht, wenn wir gleich aufbrechen würden.« In Deutsch fügte er an mich gewandt noch hinzu: »Im Flughafen sind wir vor der Presse sicherer.«

»Wie Sie wünschen.« Ryan zog eine Mütze unter der rechten Achsel hervor und setzte sie auf. Dann griff er nach dem ersten Koffer, der vor ihm stand. »Wenn Sie mir bitte folgen mögen. Ihr Wagen steht oben am Kai bereit.« Ryan drehte sich um und schritt voran.

Instinktiv griff auch ich nach einer Tasche.

Bens Hand umschloss meine und mit sanftem Druck bedeutete er mir, dass ich den Trolley stehen lassen sollte.

Fragend blickte ich ihn an.

»Gewöhn dich lieber daran, dass man dir die Arbeit abnimmt.« Er lächelte leicht.

»In diesem Leben bestimmt nicht!«, sagte ich entschlossen und umfasste den Henkel noch fester.

»Nina«, flüsterte Ben.

Ganz leicht wiegte ich den Kopf hin und her. Dann schritt auch ich von dannen. Als ich mich nach ihm umsah, hatte er selbst einen Rucksack in der einen und den großen Trolley in der anderen Hand.

»Mister und Mrs. McAllister. Lassen Sie mich das doch bitte machen«, bat der Chauffeur uns, als er sah, was wir taten.

Auch ihm gab ich mit einer Kopfbewegung zu verstehen, dass ich nicht Folge leisten würde.

»Pupule Wahine«, sagte Ben zu ihm.

»Ich bin keine verrückte Frau«, beschwerte ich mich.

Kurz darauf erblickte ich einen weißen Chrysler 300, in dem gut und gerne 10 Passagiere Platz gefunden hätten.

Der Chauffeur flitzte vom Kofferraum zur hinteren Wagentür, um sie für mich zu öffnen.

Nachdem ich ihn flüchtig angelächelt hatte, bestieg ich den Wagen, dessen Ausmaße mich stark an ein Wohnmobil erinnerten.

Ben setzte sich neben mich, während die beiden jungen Männer erneut zum Ende des Stegs eilten und das restliche Gepäck holten.

»Wem gehört der Wagen?«, fragte ich.

»Einem Flughafen Shuttle Service. Aber, wenn du möchtest, kaufe ich dir auch so einen. Hier drin haben wir jedenfalls genug Platz, um uns miteinander zu vergnügen.« Ein Lächeln umspielte seine Lippen, aber an seinen Augen erkannte ich, dass er es ernst gemeint hatte.

»Hör zu Ben. Mir ist klar, dass du dir das hier alles mit einem Fingerschnippen leisten kannst. Aber es ist nicht die Art, wie ich mein Leben leben möchte. Bitte lass uns auf dem Teppich bleiben.«

»Mein Herz.« Ben nahm mein Gesicht in seine Hände und gab mir einen Honi. »Es ging mir nicht um den Wagen an sich. Was ich eigentlich damit ausdrücken wollte war, dass ich dich am liebsten hier und jetzt nehmen würde.«

»Oh«, entwich es mir. »Dann habe ich das wohl missverstanden.«

»Ja, anscheinend. Aber da wir gerade beim Thema sind: Alles, was mir gehört, gehört jetzt auch dir. Charly wird sich darum kümmern, dass du eine eigene Amex erhältst. Aber dennoch wäre es gut, wenn wir uns bei Anschaffungen ab, sagen wir mal 10.000 Dollar absprechen würden.«

Für einen Moment war ich versucht ihm zu widersprechen. Doch weshalb sollte ich es? Schließlich hatte ich nichts zu verlieren und wurde auch nicht von ihm gezwungen Geld auszugeben, wenn ich es nicht wollte. Es war ganz allein meine Entscheidung, die Kreditkarte zu benutzen oder auch nicht. »Okay, das klingt fair.«

Ben sah mich erstaunt an. »Einfach so? Kein, das kann ich nicht annehmen? Oder, es ist dein Geld?«

»Nein. Das passt schon. Wenn ich mal mehr ausgeben will, rufe ich dich vorher an. Dann kann ich wenigstens deine Stimme hören. Die mag ich nämlich verdammt gerne.« Tief vergrub ich meine Nase in seiner Halsbeuge und sog seinen Duft nach Sandelholz in mir ein. Ja, seine Stimme mochte ich wirklich gerne. Sein Geruch jedoch jagte mir wohlige Schauer über den Rücken.

Er schnappte nach Luft, als ich mit meiner Zunge über seine Halsschlagader glitt. Leise stöhnte er auf. Meine Zähne umfassten sein Ohrläppchen und bissen leicht zu.

Während Ryan den Wagen anließ, glitt meine Hand unter Bens Hemdkragen und schob den Stoff langsam von seiner Schulter.

Seine Finger schoben sich indes an meinem Bein hoch, bis unter mein mit einer großen gelben Plumeria bedrucktem Trägerkleid.

Bens Handy ertönte. »Ukiuki!«, fluchte er, was mir ein Kichern entlockte, weil das Wort einfach zu lustig klang.

Daraufhin verfiel auch er in ein Lachen. Nachdem das Telefon jedoch nicht aufhörte zu piepen, räusperte er sich kräftig, bevor er das grüne Icon betätigte.

Für mich war es das Startsignal, um seine Brustwarze zwischen meinen Zähnen zu nehmen.

Tief sog Ben die Luft ein.

»Aloha, Jimmy … Nein, du störst nicht.« Ben keuchte. »Was? Kannst duhuu …« Ich hatte ihn leicht gebissen, was ihn zusammenzucken ließ. »Okay, ich klär´s ab«, presste er mühsam hervor.

Er nahm das Telefon vom Ohr, tippte einmal drauf und sprach mich an: »Nina, ich muss«, erneut umschlossen meine Lippen seine Brustwarze, diesmal sog ich sogar leicht daran, »noch mal ins Büro«, stammelte er.

»Ehrlich jetzt?«, fragte ich und ließ ihn meine Enttäuschung hören.

»`Ae«, antwortete er und schob mich leicht von sich fort. »Die Gouverneurin will mich wegen des Vorfalls von heute Morgen sprechen.«

»Na, wenn´s denn sein muss.« Augenblicklich setzte ich mich senkrecht hin.

Ben drückte erneut aufs Display. »Jimmy. Wir kommen. Charly soll schon mal mein Büro herrichten und Kaffee aufsetzen. Meine Frau nimmt Zucker und Milch in ihren.«

Als er die Worte ›Meine Frau‹ aussprach, machte mein Herz einen Hüpfer. Meine Mundwinkel schossen nach oben und ein warmer Stich breitete sich, von meinem Bauchnabel ausgehend, in meinem Körper aus.

Er legte auf und drückte kurz darauf einen Knopf, der im Tisch des Wagens eingelassen war. »Ryan. Wir müssen einen Umweg nehmen. Bitte fahren Sie uns zum PMT West.«

Bei der nächsten Ampel bog der Chauffeur rechts ab. Nach einigen Metern sah ich bereits linksseitig die beiden Tower.

Der Wagen fuhr an einer Meute von Reportern vorbei und steuerte auf das Tor der Tiefgarage des Westtowers zu.

Ben nahm sein Handy, schob zweimal das Display nach rechts und tippte auf ein Icon. Augenblicklich schob sich das Tor auf. Doch bis wir in der Tiefgarage verschwanden, waren wir dem Blitzlichtgewitter ausgesetzt. Ryan hielt einen Meter von den Fahrstühlen entfernt den Wagen an.

Kurz darauf betraten wir einen Lift und Ben drückte den Knopf für den 41-ten Stock.

Als die Tür sich wieder öffnete, fiel mein Blick auf das Toilettenschild, welches direkt neben einer Glastür an der Wand hing. »Oh, das ist gut«, sagte ich zu Ben. »Deine Frau ist kurz mal weg«, flüsterte ich, wobei ich die Betonung auf ›Deine‹ legte.

Verstehend nickte er. »Solltest du mich nicht finden: Charly weiß immer, wo ich bin.«

Jimmy lugte gerade aus der Glastür. »Aloha Nina, Ben.«

Mit einem Lächeln im Gesicht, erwiderte ich seinen Gruß.

»Jimmy, hat Charly alles erledigt, worum ich heute Nacht gebeten habe?«, fragte Ben ihn flüsternd. Für einen Moment blieb ich stehen. Zu groß war meine Neugierde, was er wohl ausgeheckt hatte. Doch Bens Jugendfreund nickte nur. Mein Mann sah kurz zu mir rüber und lächelte. Instinktiv wusste ich, dass ich nichts weiter erfahren würde. Also verschwand ich in dem Gang, der zu den sanitären Anlagen führte.

»Charly muss mir noch einen riesigen Gefallen tun«, hörte ich meinen Mann noch sagen, bevor hinter mir ein Beifallssturm voller Glückwünsche ertönte. In diesem Moment stieß ich ein dankbares Stoßgebet aus, dass ich nicht mit Ben zusammen eingetreten war. Es war mir einfach zu viel Trubel und ich genoss die Ruhe, die mir die Toilettenräume boten, länger als es nötig war.

Erst ein paar Minuten nach Ben und seinem Partner betrat auch ich, zu meinem Glück von den anderen unbemerkt, die Geschäftsräume und fand mich in einem Großraumbüro mit zehn Arbeitsplätzen wieder. Um dieses Arsenal von Schreibtischen waren einzelne Büros drapiert. Alle Anwesenden standen und blickten zu Ben hinüber, der gerade dabei war, einige seiner Mitarbeiter zu umarmen, und den Damen Küsschen auf die Wange zu geben.

Eine ältere Frau trat auf ihn zu. »Benjamin, mein lieber Benjamin. Sie sind mir ja ein Früchtchen. Sie haben mir gar nichts von Ihren Heiratsplänen erzählt. Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich bestimmt nicht nach Washington geflogen, sondern wäre der Einladung Ihres Cousins und Ihrer Schwester gefolgt.«

Ben schenkte ihr ein freundliches Lächeln. »Um ehrlich zu sein, wusste nicht mal meine wahine male von meinen Plänen. Lediglich meine Schwester, der Bürgermeister und der Standesbeamte waren eingeweiht.«

»Sie wusste es nicht?«, hinterfragte die Gouverneurin seine Aussage.

Er grinste bis über beide Ohren. »Nein. Meine Frau wurde von mir überrumpelt. Wissen Sie, Nina wollte erst im Dezember heiraten. Doch ich wollte nicht, dass unser Kind ohne den göttlichen Segen zur Welt kommt. Es war mir einfach zu wichtig.«

Jetzt nickte sie zustimmend. »Hoffentlich ist Ihre Gemahlin nicht allzu böse, dass ich Sie bereits ein paar Stunden, nach der Trauung hierher zitiert habe.«

»Keine Sorge, meine Frau ist sehr gutherzig. Sie wird Ihnen und auch mir verzeihen«, antwortete er ihr.

Sein Gegenüber lächelte zum ersten Mal, hakte sich bei ihm unter und die beiden schlenderten in Richtung eines großen, mit Glaswand versehenen Büros. »Nun gut. Wir müssen leider über den Vorfall sprechen, der sich heute auf Moku Iki ereignete. Wissen Sie, in einem halben Jahr ist die Wahl …«

Ben schloss die Tür hinter sich und augenblicklich wurde das durchsichtige Glas milchig und verbarg ihn und die Gouverneurin vor fremden Blicken. Aber das machte mir wenig aus, denn ich hatte ja bereits vorausgesehen, wie Ben gemaßregelt wurde. Ein zweites Mal musste ich meinen Mann nicht leiden sehen.

Die Mitarbeiter stoben alle auseinander. Einige setzten sich an ihrem Platz nieder.

»Hast du das gehört? Benny wird Vater«, lenkte eine junge Frau meine Aufmerksamkeit auf sich. Sie stand am Schreibtisch, der mir am nächsten war, und sprach mit einer anderen, die unaufhörlich etwas in einen Laptop tippte.

»Ja, habe ich, Kate«, bekam sie zur Antwort. »So! Nun geht dein System wieder.« Die beiden Frauen wechselten die Plätze.

»Wenn du ein gutes Praktikumszeugnis haben willst, musst du wirklich aufhören, deinen Laptop immer abstürzen zu lassen, Schwesterherz. Ich kann nicht immer zur Stelle sein und dir alles wieder einrichten.«

»Ist ja schon gut. Du weißt doch, warum ich das hier überhaupt mitmache.«

»Ja, ja. Aber treibe es nicht zu weit, sonst lasse ich dich …« Ihre Aufmerksamkeit wurde von Jimmy eingenommen, der gerade in Bens Büro verschwand. Ihre Augen nahmen einen sehnsüchtigen Blick an.

Ob dieses verträumten Anblicks konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen.

»Das gibt es ja gar nicht! Über Bens Frau ist nichts bis auf diese beiden Bilder im Internet zu finden«, entrüstete sich Kate.

Neugierig blickte ich ihr über die Schulter und sah ein Bild von mir, welches mich auf der vermeintlichen Beerdigung Sophies zeigte, und das offizielle Foto des Herbstballes, welches auch im Journal abgebildet gewesen war.

»Zeig mal«, sagte ihre Schwester, schob Kate ein wenig zur Seite und tippte alle möglichen Variationen meines Namens ein.

»Versuch mal Josephine Lorenz«, forderte ich sie auf, biss mir aber sofort dafür auf die Lippen.

Keine der beiden Frauen sah sich um. Sie starrten weiterhin gebannt auf den Bildschirm.

»Nein, mit ph, nicht mit f«, korrigierte ich Kate leise.

›Pling‹ machte es und ein Dutzend Einträge erschienen.

»Hier guck mal. Sie war bei Children´s Hope in Afrika«, sagte Kate und tippte mit dem Finger auf den Bildschirm. »Fuck!!!«, stieß sie aus. »Wer ist denn der geile Typ?«, diesmal deutete sie auf Daniel, der neben mir stand.

Ein kleiner Hauch von Schwermut machte sich in mir breit und wie wohl jede Frau in meiner Situation, stellte ich mir die Frage, nach dem ›Was wäre wenn?‹

»Kate, hör jetzt mit der Schnüffelei auf«, forderte ihre Schwester sie auf. »Wenn Ben uns was über seine Frau erzählen will, wird er es tun.«

»Du hast gut reden. Du sitzt ja an der Quelle und kriegst alles aus erster Hand mit. Ich kann nicht einfach hingehen und ihn etwas fragen.«

»Doch, das könntest du sehr wohl. Solange es um etwas Geschäftliches geht, bekommst du bestimmt auch eine Antwort. Aber sein Privatleben war ihm schon immer heilig und ich glaube kaum, dass sich daran jetzt etwas geändert hat. Also bitte hör auf, seine Frau auszuspionieren.«

Bevor Kate sich versah, hatte ihre Schwester ihr den Internetbrowser geschlossen.

»Charly, du bist eine blöde Kuh!«

»Charly? Du bist Charly?«, fragte ich überrascht, hatte ich doch einen Mann hinter diesem Namen vermutet.

Die beiden drehten sich abrupt zu mir um. Kate wurde kreidebleich, während Charly ihre Schultern straffte. »Mrs. Mc…«

»Nicht doch! Nina, bitte.« Höflich bot ich ihr meine Hand an. »Wer meine Ehre verteidigt, der darf mich ruhig duzen.«

Ein scheues Lächeln huschte über ihre Lippen und sie griff zu.

Für einen Moment schloss ich die Augen. »Asiatisch!«

»Wie bitte?« Ihr Gesichtsausdruck sagte mir, dass sie krampfhaft überlegte, was ich damit wohl gemeint haben könnte.

»Du solltest Jimmy mal Chinatown zeigen. Er liebt Sushi und Chop Suey. Und Liebe geht bekanntlich durch den Magen.«

Bevor die perplexe Charly etwas erwidern konnte, wandte ich mich Kate zu und gab auch ihr die Hand. »Ihre Schwester hat recht. Sie sollten nicht so viel klatschen und tratschen, sonst schaffen Sie Ihren Abschluss nicht und erhalten dementsprechend auch keine Anstellung als PR Managerin. Außerdem sollten Sie mit meinem Mann darüber reden, dass Sie beabsichtigen, ihn und IT-International zum Thema Ihrer Facharbeit zu machen. Dann wird er Ihnen bestimmt helfen. Wenn er jedoch raus bekommt, dass Sie ihn anflunkern, …« Zur Unterstreichung schüttelte ich nur meinen Kopf und wusste auch so, dass sie ahnte, worauf ich hinaus wollte. »Nun, wir sind in ein paar Tagen bestimmt wieder zurück. Bis dahin können Sie sich ja überlegen, wie Sie die Sache weiter angehen werden.«

»Mache ich Ma´am.«

Jimmy öffnete Bens Bürotür am anderen Ende des Großraumbüros. Die Gouverneurin verließ dicht gefolgt von Ben den Raum.

»Nina. Hele mai«, rief mein Mann nach mir.

»Mrs. McA… Nina«, druckste Charly herum.

»Ja, bitte?«

»Ben wies mich an, Ihnen …«

Demonstrativ legte ich meinen Kopf schräg.

»Ähm, dir das Laplet zu geben.« Sie drückte mir verlegend dreinblickend einen Karton in die Hand.

»Laplet?« Neugierig betrachtete ich die kleine Schachtel. Laut der Abbildung handelte es sich um ein kleines schwarzes Notebook.

»Ja, es ist eine Kombination aus einem Tablet und einem Laptop. Die Tastatur ist abnehmbar und dadurch kann man ihn auch als Tablet verwenden. Das Noelani Paket ist auch vorinstalliert. Lan, WiFi, Firewire, Bluetooth…«

»Schon gut«, unterbrach ihren enthusiastischen Vortrag. »Ben kann mir das alles später erklären«, unterbrach ich sie, als ich sah, wie mein Mann immer ungeduldiger nach mir winkte.

»Okay. Eins noch: Das Gerät selbst ist noch in der Entwicklungsphase. Ben will, dass Sie, dass du es unvoreingenommen testest.«

»Mach ich.« Lächelnd ging ich mit dem Päckchen zu ihm hinüber und ließ ihn mich der Gouverneurin und nun auch den Mitarbeitern offiziell vorstellen.

 

Eine knappe Stunde später bestiegen wir zu meinem großen Erstaunen nicht eine Maschine der Noelani Air, sondern einen Hubschrauber.

Bereits nach vierzig Minuten landeten wir auf dem Flughafen von Maui – der zweitgrößten Insel Hawaiis.

Anstatt mich zu einem Taxi, einer Limousine oder einem gemieteten Sportwagen zu dirigieren, brachte Ben mich zu einem Reisemobil.

Ben sah mein verdutztes Gesicht. »Was?«, fragte er.

»Nichts … ähm … Bist du pleite?«

Er lachte schallend auf. »Nein, keine Sorge, mein Herz. Es ist mir nur wichtig, dass du dich wohl in deiner Haut fühlst. In den letzten Wochen habe ich beobachtet, wie sehr du mit dir haderst, wenn es darum geht Geld auszugeben. Da wollte ich dir wenigstens in unseren Flitterwochen noch ein wenig Zeit zum Durchatmen geben. Aber wenn es dir nicht gefällt, können wir selbstverständlich einen Wohnbus, sogar mit Chauffeur, ordern oder in den schönsten und teuersten Hotels der Welt übernachten.«

»Nein!«, stieß ich hervor. »Untersteh dich, darüber auch nur nachzudenken. Ich will genau das hier und nichts anderes!« Und tatsächlich atmete ich einmal tief durch und fühlte mich zum ersten Mal seit Monaten wieder wie ich selbst.

Die Nacht verbrachten wir eng aneinander gekuschelt im Heck des Wohnmobils auf der Schlafwiese inmitten eines tropischen Waldes. Aber so romantisch es war, es hatte einen enormen Nachteil. Der Wassertank war nicht groß genug, damit wir beide uns ausgiebig abduschen konnten. Zudem ließ sich die Temperatur nicht einstellen, sodass ich erst einen kalten und dann zu heißen Strahl abbekam.

Nach dem Duschdesaster fuhren wir erst mal zu einer Restaurantkette zum Frühstücken. Charly hatte zwar das Gefährt reserviert, aber die Mietfirma hatte nicht die versprochenen Lebensmittel bereitgestellt.

Mit Vorfreude biss ich in einen Bagel. Es schmeckte so abscheulich, dass ich jedoch lieber hungerte, als mir meinen Magen zu verderben. Ben schien mehr Glück mit seinen Speck und Eiern zu haben, denn er aß weiter, während ich das Laplet rausholte und versuchte mit der Berührung meiner Fingerspitzen Eingaben auf dem Display zu machen. »Blödes Ding«, fluchte ich, nachdem es zum wiederholten Male nicht funktionierte.

»Was?«

»Na, dein supertolles Teil hier.« Genervt legte ich es vor mich hin. »Es reagiert gar nicht.«

Mein Mann lachte kurz auf. »Du musst es erst entsperren, indem du den Code eingibst, den Charly dir gab. Hast du keinen Hunger?«

»Nein, mir ist grade ein wenig übel.« Womit ich nicht mal log, weil mir gerade richtig schlecht wurde.

»Kann ich was tun? Ein Glas Wasser, vielleicht?«

»Nein, nein, schon gut. Das liegt an der Schwangerschaft. Geht gleich bestimmt auch wieder vorbei. Den Code habe ich nicht. Ich wollte dich gestern im Büro nicht warten lassen.«

»26122009.«

Bei dem Datum musste ich lächeln. Es war der Tag, an dem Ben und ich zum ersten Mal zusammenkamen.

Mein Mann erwiderte mein Lächeln. In seinen Gold schimmernden Augen erkannte ich, dass auch er gerade daran dachte, wie er mich am Strand überrumpelte und mit mir schlief.

Die Bedienung kam und schenkte noch mal Kaffee nach.

»Du solltest nicht so viel davon trinken. Das soll nicht gut für´s Baby sein.«

»Ach, Quatsch. Ohne dem komme ich ja gar nicht auf Trab. Selbst Marie sagt, dass ich nur nicht zu viel davon trinken soll.«

»Na, wenn Marie das sagt …« Ben widmete sich wieder seinem Essen und ich wandte mich nun dem Gerät zu.

Bereits nach wenigen Augenblicken war ich jedoch genervt. Es dauerte meines Erachtens viel zu lange, bis es auf irgendetwas reagierte. Irgendwann schob ich es weg und sah mich vor Langeweile im Restaurant um. Außer ein paar jugendlichen Surfern war niemand zugegen und so begann ich aus den Servietten kleine Papierkügelchen zu formen und überlegte gerade, ob ich die wohl wegschnippen sollte, als mein Blick auf die andere Straßenseite fiel.

»Daniel!«, stieß ich hervor.

Ben schreckte hoch. »Was? Wer? Wo?« Er keuchte, denn er hatte sich gerade an seinen Eiern verschluckt.

»Nirgends. Po´ko´i, ich wollte nur mal sehen, ob du auch wach bist«, antwortete ich ihm, denn mein Freund aus Jugendtagen war bereits verschwunden. Was mich noch weniger verwunderte als die Tatsache, ihn gesehen zu haben.

Ben nahm eine Serviette und wischte sich zunächst den Mund und dann die Finger sauber. Dann knüllte er die Serviette zusammen und warf sie auf das rote Tablett, welches vor ihm stand.

»Um ehrlich zu sein, finde ich es unpassend, dass du ihn erwähnst. Nina, sei mir nicht böse, aber ich kann den Kerl nicht leiden und dass er dir Avancen macht, ist auch nicht hilfreich.«

»Oh, du bist ja eifersüchtig.« Mit einem Lächeln versuchte ich die Situation wieder unter Kontrolle zu bringen, doch sein Gesichtsausdruck sagte mir, dass er nicht amüsiert war. Mit einem Ruck beugte ich mich quer über den Tisch, gab ihm einen flüchtigen Kuss und ließ dann meine Zunge über seine Wange bis zu seinem Ohr wandern. »Du bist der Einzige für mich«, flüsterte ich ihm zu.

Sofort wandte er sein Gesicht zu mir und verschloss meinen Mund mit seinen Lippen. Seine Zunge begehrte Einlass. Der Geschmack nach gebratenem Speck machte sich in meiner Mundhöhle breit. Seine Zähne knabberten an meiner Oberlippe und ich spürte, wie mir heiß wurde.

Ben kramte einen zwanzig Dollarschein aus seiner abgewetzten Jeans, ließ ihn auf den Tisch fallen, nahm meine Hand und zog mich auf direktem Weg ins Reisemobil. Dort angekommen nahm er mich in seine Arme. Wild knutschend kamen wir im Minutentakt der Liegefläche immer näher. In unserer Gier ließen wir uns darauf fallen und mit einem lauten Knackbumm, lagen wir zwischen den Sitzbänken eingekeilt auf dem Boden.

»Verdammter Mist! Was für ein Scheiß!« Noch nie zuvor hatte ich Ben so fluchen hören. Mit einem Satz war er wieder auf den Beinen, strich sich seine Haare zurück und fluchte weiter und weiter, bis mein Lachanfall seine Aufmerksamkeit auf sich zog.

Er hielt inne in seinen Auswüchsen von Wörtern, die selbst jemandem aus dem Rotlichtmilieu zur Ehre gereicht hätten. Zunächst bildete sich ein Lächeln, dieses verzog sich zu einem Grinsen, bis auch er letztendlich in ein Lachen verfiel.

»Komm, mein Herz.« Ben reichte mir die Hand und half mir hoch. »Jetzt biete ich dir die Flitterwochen, die du verdient hast.«

 

Bereits unterwegs hatte er Charly mit der Buchung einer Suite beauftragt und nun standen wir an der Rezeption eines riesigen Resorts direkt am Strand von Lāhainā. Während er die notwendigen Unterlagen ausfüllte, ließ ich meinen Blick schweifen.

Zugegeben, die Halle war makellos und strahlte nur so vor hawaiianischen Flair. Doch es war nicht die Art von Privatsphäre und Gemütlichkeit, die ich mir in meinen Flitterwochen erträumt hatte.

Bevor ich etwas sagen konnte, wurden wir durch das laute Geschnatter einer jungen Frau abgelenkt. Sie stand einen Meter neben uns und diskutierte mit dem Rezeptionisten, ob man nicht am Preis der Suite etwas drehen könnte.

Als dieser verneinte, wandte sich die Frau in Deutsch an ihren Begleiter. »Hättest du nicht diese Minisuite im Bed and Breakfast schon bezahlt, könnten wir jetzt umsiedeln. Aber nein, du musstest ja alles online regeln.«

»Schatzi«, antwortete er. »Das kleine Hotel ist doch total schnuckelig. Alles ist sauber, einen Pool hat es auch und das französische Restaurant gilt als eines der Besten der Welt.«

»Bäh, bloß keinen Franzosen. Bei denen gibt es Froschschenkel und Tauben zu essen. Das hier …« sie machte eine ausladende Handbewegung, »ist annähernd das, was ich mir in meinen Flitterwochen vorgestellt habe. Nicht dieses familiäre Ding, was du gebucht hast.«

Ben rollte mit den Augen und wandte sich wieder dem Manager zu, der es sich nicht nehmen ließ, uns persönlich in seinem Haus in Empfang zu nehmen. »Ich habe Ihr Wort, dass niemand erfährt, dass wir eingecheckt haben?«

Mister Wang nickte. »Selbstverständlich. Und wie gewünscht, wird Ihnen für die Dauer Ihres Aufenthaltes ein Concierge zur Seite stehen. Heute Abend ist das Spa für Sie und Ihre Frau reserviert und morgen steht Ihnen unser Tauchlehrer, Mister Kinney zur vollsten Verfügung.«

»Siehst du«, hörte ich die junge Braut wieder. »Der kann seiner Frau all das bieten, was ich will.«

»Der da«, jetzt zeigte der Mann mit dem Zeigefinger auf meinen Mann, »ist ja auch Benjamin Franklin McAllister.«

Der Gesichtsausdruck seiner Frau sprach Bände. Offensichtlich sagte der Name ihr etwas, denn plötzlich flüsterte sie. »Der McAllister … der Boss, deines Bosses?«

»Jup!«

Nervös strich sie sich eine Haarsträhne hinter das Ohr und warf uns ein freundliches Lächeln zu. Ihrem Mann jedoch flüsterte sie »Frag ihn doch nach einem Bonus« zu.

Entsetzt riss er die Augen auf. »Jetzt ist aber Schluss. Wir kriegen die branchenüblichen Gehälter, zwei Tage mehr frei als andere und du bist immer nur am Maulen. Verdammt noch mal, was willst du denn noch alles?«

»Das hier!«, erwiderte sie schnippisch.

Augenrollend und kopfschüttelnd wandte er sich ab und stiefelte hinaus.

Sofort schnappte ich mir die Keycard, die Ben inzwischen in der Hand hielt und eilte hinaus, was ich jedoch bereute, als die ersten Kameras klickten. Der Manager mochte zwar Wort gehalten haben, aber dennoch hatten die Klatschreporter, allen voran Julia Write, uns hier ausfindig gemacht.

»Hallo du da, warte doch mal«, rief ich dem jungen Mann hinterher, der gerade in ein Taxi steigen wollte. »Warte mal.«

 

Drei Minuten und gefühlte sechzigtausend Bilder später lief ich triumphierend auf Ben zu.

Mein neuer Freund sah nicht minder erfreut aus, als er seiner Braut unsere und ich meinem Mann seine Keycard unter die Nase hielt.

»Haben Sie einen Hinterausgang?«, fragte ich in bestem Englisch den Manager.

Der guckte zwar total verdattert, als er erkannte, dass ich eine Karte vom Bed and Breakfast in den Händen hielt, wies aber den Pagen direkt an, unser Gepäck durch die Küche auf den Hinterhof zu bringen, wo uns dann eine Limousine abholen sollte.

»Bitte ein unauffälligeres Auto«, bat ich ihn.

»Was soll das?« Nun schaltete sich Ben auch ein, wurde jedoch von dem Kreischen der jungen Braut, unterbrochen, die gerade wie ein Floh durch die Halle hüpfte.

Mit geschlossenen Augen legte ich meine Finger auf Bens Hand und ließ ihn durch eine Gedankenübertragung wissen, wie mein Traum von Flitterwochen aussah.

Er zuckte kurz, blickte mich an und sagte: »Hô! Das hast du schon verdammt gut drauf.«

Ein stolzes Lächeln huschte über mein Gesicht. »Tom hat nachts heimlich mit mir geübt.«

Ben zog seine Stirn kraus. »Tom?«

Kopfnickend grinste ich ihn an. »Ja, mit Tom, deinem Bruder und meinem Ex-Verlobten. Aber keine Sorge, Sunny war stets dabei.«

Diesmal lag es an ihm zu grinsen. »Nina, Nina. Meinst du ernsthaft, dass ich eifersüchtig bin?« Er zog mich an sich. »Mein Herz, du bist für mich zwar die wunderschönste Frau der Welt und mir ist auch durchaus bewusst, welche Wirkung du auf andere Männer hast. Doch zu vermuten, dass ich mir Gedanken über deine Beziehung zu meinem Bruder machen könnte, ist lächerlich. Tief in meinem Herzen spüre ich, dass du mich nie betrügen würdest.« Er gab mir einen Kuss auf die Stirn. »Zudem weiß ich um das Seelenband, welches dich mit Tom verbindet und es zu zerstören würde dich einen Teil deiner Persönlichkeit kosten. Und glaube mir, das ist das Letzte, was ich will.«

 

 

 

Dem einen Glück, dem anderen Leid

 

~ Daniel ~

 

Vor Wut trat ich gegen den Mülleimer, der am Wegesrand der Zufahrt zum Resort aufgestellt worden war.

Zwar war ich ein schneller Läufer, aber so schnell, dass ich kilometerweit mit einem Pick-up mithalten konnte, war ich nicht. Zudem musste ich mich zwischen Büschen, Sträuchern und Palmen bewegen. Darüber hinaus hatten mich ein paar Äste gestreift und blutige Spuren an meinen Armen und im Gesicht hinterlassen.

Verdammt war ich sauer auf mich selbst! Vor ein paar Stunden empfand ich meine Idee die Presse über Benjamins und Ninas Aufenthaltsort zu informieren als eine der besten, die ich je hatte. Schließlich würden die beiden somit rund um die Uhr bewacht werden und ich musste nicht ständig auf der Lauer sein.

Aber damit, dass das frisch vermählte Paar sich zum Hinterausgang des Resorts schleichen würde, hatte ich nicht gerechnet; und hätte ich nicht gerade eine Pinkelpause im Gebüsch eingelegt, wäre mir ihre Abfahrt im rostigen Wagen des Ananaslieferanten glatt entgangen.

Fieberhaft überlegte ich, wo sie wohl als Nächstes auftauchen würden. Vermutlich würden sie die Insel verlassen. Womöglich wäre ihr nächstes Ziel das Festland. ›Verflixt, sie könnten überall auf der Welt ihre Flitterwochen verbringen.‹ Mir blieb keine andere Wahl als den Lieferanten ausfindig zu machen, damit ich überhaupt eine Spur wieder aufnehmen konnte. Trotzdem ich ahnte, dass ich in Fort Meade nicht viel erreichen würde, nahm ich mein Smartphone und rief meinen Kollegen in der NSA Schaltzentrale an.

»Hi, hier ist Daniel«, begrüßte ich ihn erst mal. »Hast du inzwischen die Firewall geknackt?«

»Nope«, antwortete der Computerheini. »Als McAllister Eagle Eye entwickelte, hat er auch gleich das passende Abwehrsystem konstruiert. Keins seiner chipgesteuerten Geräte ist erfassbar.«

»Versuchs weiter.«

»Keine Chance, Alter. Hab alle meine Tricks durch. Das System ist wasserdicht.«

»Zunächst einmal heißt es Sir.« Das tiefe Schluckgeräusch und das Rascheln sagten mir, dass der Nerd sich gerade aufrichtete, und ich beschloss es dabei zu belassen. Schließlich gab es Wichtigeres. »Was ist mit dem Handy seiner Frau?«

»Seit drei Wochen abgeschottet, Sir.«

»Mist! Okay, trotzdem weiter versuchen. Jedes Programm hat eine Hintertür.«

»Sir. Dieses nicht. Mister McAllister hat sämtliche elektronischen Geräte mit einer wirklich speziellen Firewall ausgestattet, sodass er und seine Familie als einzige Menschen auf der Welt nicht ausspioniert werden können.«

Ohne ein Wort des Abschieds legte ich auf. Obwohl er damit meine Arbeit alles andere als erleichterte, kam ich nicht umhin, Benjamin insgeheim Respekt für seine Weitsicht entgegenzubringen.

Immer noch wütend stapfte ich ins Resort, um meine Sachen zu holen. Im Fahrstuhl kam mir der Zufall zur Hilfe. Direkt hinter mir stieg ein junges Paar ein, und die Frau gab ihrem Gatten mit beinahe kreischender Stimme Anweisung, doch gleich die Koffer aus dem Bed and Breakfast zu holen, damit die McAllisters dort einziehen können.

»Schatzi, wir haben abgemacht, dass wir uns um sechs Uhr im Restaurant treffen. Gemeinsam essen und dann erst die Zimmerübergabe machen.«

»Bäh, ich will aber keine Schnecken essen.«

Sein Gesicht verriet mir, wie sehr er sich jetzt wünschte, überall, nur nicht hier bei ihr zu sein. Er atmete einmal tief aus. »Auch wenn es ein französisches Restaurant ist, gibt es dort bestimmt auch hawaiianische Gerichte. Schließlich gehört es zum Hotel.«

HA!‹ Innerlich triumphierte ich. Dank dieser Hinweise wusste ich, wo ich die beiden finden würde. Mein nächster Schritt war, zwei Zimmer im selben Hotel anzumieten. Das Bed and Breakfast bestand aus zwei Gebäuden. Im Hauptgebäude war ein französisches Restaurant und darüber ein paar Gästezimmer angesiedelt. Direkt angegliedert war ein kleiner Anbau mit Schieferdach, welcher zum Restaurant gehörte. Im Nebengebäude waren auf zwei Etagen weitere Zimmer und zwei kleine Suiten untergebracht. Ich entschied mich für jeweils ein Zimmer in jedem der Gebäude. Im Nebengebäude, von dem ich die Aussicht auf den Parkplatz und das Restaurant hatte, wartete ich ab, bis ich wieder Sichtkontakt bekam.

 

Nun lag ich bereits seit vier Stunden auf der Lauer. In den ersten drei hatte ich Stellung in einem meiner neu angemieteten Hotelzimmer bezogen. Von hier hatte ich einen direkten Blick auf das Restaurant und auch auf den Parkplatz. Vor einer Stunde ging ich jedoch ins Restaurant hinunter. Zunächst versuchte ich vergeblich, den Kellner dazu zu überreden, Nina und ihrem Gatten für die Dauer ihres Aufenthaltes einen Sitzplatz auf der äußersten Ecke der Terrasse zuzuweisen. Erst als ich die Hilfe von Benjamin Franklin in Papierform in Anspruch nahm, ließ sich der Kerl darauf ein. Aber das war mir egal. Geld spielte für mich keine Rolle. Mein Auftrag war wichtig, sonst

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Astrid Rose
Bildmaterialien: Astrid Rose, Umschlagsgestaltung von Casandra Krammer unter Verwendung mehrerer Bilder von kuschelirmel-stock@deviantart.com und lostandtaken.com
Lektorat: Ramona Häßler und Astrid Rügamer
Tag der Veröffentlichung: 22.07.2014
ISBN: 978-3-7368-3261-9

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