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»Das kann doch nicht wahr sein!«, schnauzte ich meinen vierjährigen Sohn an. Hilflos sah ich mich um, doch im ganzen Laden war keine Tür mit der Aufschrift 'Toilette' zu sehen.

Gut, da müssen wir jetzt durch! Schnell zur Kasse, bezahlen und dann nichts wie nach Hause – echt tolle Shoppingtour, fluchte ich innerlich.



Auf dem Weg zur Kasse begegnete ich mehr als einem Menschen, der die Nase rümpfte und uns mitleidsvoll hinterher sah. An der Kasse angekommen wurde es auch nicht besser. Vier Personen standen vor mir und warteten, dass die Verkäuferin einen Lederball in Geschenkpapier verpackte.

»Puh, was stinkt das hier«, ein älterer Mann stupste mich von hinten an. »Kann das sein, das ihr Bub in die Hosen gemacht hat?«

»Ja, hat er! Tut mir leid. Wir zahlen und sind dann auch schon weg«, versuchte ich in einem freundlichen Ton zu sagen, obgleich mir eher danach war, den Mann anzuschnauzen, dass er auch mal so klein war.

Nach gefühlten dreißig Minuten in den stinkenden Abdünstungen meines Sohnes konnten wir endlich den Laden verlassen und wurden vor der Tür von einer Hitzewolke begrüßt. Seit wir den Laden betreten hatten, waren zwei Stunden vergangen, in denen die Sonne die Luft auf 35 Grad erhitzt hatte.

So schnell, wie es ging, liefen wir zum Auto, mein großer Sohn stieg selbstständig ins Auto ein und gurtete sich an. Den kleinen Hosenscheißer hob ich auf seinen Kindersitz und schnallte ihn an, danach, nahm ich den Maxi Cosi, mitsamt dem Baby, vom Fahrgestell und stellte die Babyschale, auf den freien Sitz. Ich hastete zum Kofferraum, schmiss das Fahrgestell hinein, setzte mich auf den Fahrersitz und fuhr los.

»Verdammt noch mal! Das kann doch nicht wahr sein!«, fluchte ich und trat voll auf die Bremse, weil vor mir sämtliche Autos, aufgrund eines Unfalls stillstanden.

»Mama ... Mama«, riefen die beiden Jungs im Chor. »Fettsack ist grad runtergefallen«, ergänzte der Große.

Erschrocken drehte ich mich um: Tatsächlich der Maxi Cosi hing auf halb acht, zwischen der Rückbank und dem Beifahrersitz. Noch ehe ich etwas unternehmen konnte, hatte ihr achtjähriger Bruder sie wieder zurück auf den Sitz gezogen und angeschnallt.

»Es geht ihr gut! Sie lacht«, sagte er und ich drehte mich beruhigt, aber innerlich auf mich selbst sauer, zurück um die Lage vor mir zu studieren: Drei Autos vor mir ging nichts mehr. Mitten auf der Kreuzung standen zwei Autofahrer, die sich gegenseitig anschrien, nachdem einer von beiden wohl bei Rot über die Kreuzung gefahren sein musste.

Eine viertel Stunde später –wir waren inzwischen von der Dunstwolke meines Sohnes völlig eingenebelt, und hatte wunde Ohren, weil die Lütte inzwischen ebenfalls nach einer frischen Windel schrie, konnten wir die Fahrt fortsetzen und waren nach weiteren unendlich erscheinenden drei Minuten zu Hause angekommen.

Noch, während ich der Lütten die Pampers, wechselte, lief der Kleine in die Küche und kippte sich Cornflakes und Milch in eine Schüssel und der Große lief mit einem Glas Cola und einer Tüte Chips bewaffnet in Richtung der frisch gewischten Stube.

Fünf Minuten später hatte ich die Lütte frisch gewickelt, mit Flasche versehen in ihr Bettchen gelegt und lief nichts ahnend ins nächste Chaos.

Der Kleine hatte es mit der Milch zu gut gemeint und eine wahre Milchspur von der Küche bis ins Wohnzimmer hinterlassen. Dort saßen die Beiden nun in einem Gemisch aus Milch, Cola, Cornflakes und Chips und schauten sich District9, auf Blu-ray an.

Kaum, dass ich das gröbste Chaos beseitigt hatte, kam es zu einem handfesten Streit zwischen den Brüdern, in dessen Verlauf der Große gebissen wurde und sein kleiner Bruder Nasenbluten davontrug.

Es dauerte eine Weile, bis ich das Nasenbluten unter Kontrolle hatte und die gesamte untere Etage zum zweiten Mal gewischt hatte. Ich wollte mich gerade hinsetzen, als die Lütte aufwachte und nach Leibeskräften schrie.

Eine Flasche weiter, die sie unbedingt auf meinem Schoß liegend, zu sich nehmen wollte, kam der Erzeuger dieser drei Teufelchen heim, und das Erste, was er sagte, war: »Ich hab Kohldampf! Was gibt es zu essen?«

Entsetzt sah ich auf die Uhr, es war schon sechs Uhr, und ich hatte noch nicht mal Fleisch aufgesetzt, geschweige denn eingekauft.

»Ich mach heute Pizza!«, rief ich enthusiastisch durchs Haus.

Der Kleine meldete sich aus dem, im absoluten Chaos versunkenen, Spielzimmer »Ich mag keine Pizza«.

Der Große rief aus seinem Zimmer, in dem die Musik, die Wände zum Wackeln brachten »Aber nicht schon wieder schwarz!«

Und mein mir Angetrauter stöhnte »Nicht schon wieder! Du hast den ganzen Tag Zeit, wieso schaffst du es nicht, ein vernünftiges Essen auf den Tisch zu bringen. Ist es denn zu viel verlangt, mir nach einem harten Tag voller Arbeit ein ordentliches Stück Fleisch auf den Teller zu legen? Du musst doch nur den Haushalt in Ordnung halten, und mehr nicht! Und, wie du aussiehst … als hättest du seit Tagen keine Dusche mehr von innen gesehen. Sag mal, wann hast du das letzte Mal in den Spiegel geschaut? Du siehst aus, wie um dreißig Jahre gealtert. Vielleicht sollte ich lieber zu Hause bleiben.«

»Na Dankeschön. Ich sitze ja nur den ganzen Tag auf der faulen Haut und mache gar nichts …«

»Was du wieder hast, komm du mal einen ganzen Tag zu mir auf den Bau, dann weißt du, was Arbeit ist«, sagte mein Gegenüber bissig. »Mein Leben ist die reinste Hölle!«

Hölle!!!,

das Wort hallte mir immer wieder im Gedächtnis nach, als ich meine Augen aufschlug und mich in unserem gemütlichen Wohnzimmer mit der weißen Ledergarnitur umsah. »Puh, war das ein Albtraum.«

Der Große kam in die Stube »Hi, Mama, hast du gut geschlafen? Mäuschen ist auch gerade wach geworden. Ich hab ihr die Flasche gegeben. Jetzt spielt sie in ihrem Bett«

»Wo ist dein Bruder?«, fragte ich.

»Der war grad auf Toilette. Jetzt sitzt er in seinem Zimmer und puzzelt.«

»Habt ihr euch etwa gestritten?«

»Ne, wir haben das ausdiskutiert – er sah ein, dass ich die älteren Vorrechte hab, und überließ mir deswegen den Platz für die Autostraße.«

Die Tür ging auf, und der Vater dieser lieben kleinen Engel, kam zur Tür herein »Ich hab Hunger, was haltet ihr davon, wenn wir uns fein anziehen und zu unserem Lieblingsgriechen gehen?«

Der Kleine kam herunter »Oh ja, Tzatziki essen!«

Der Große freute sich ebenfalls »Ich will mein Gyros schön knusprig.«

Und mein Göttergatte sagte »Dann ist das wohl klar. Nachdem wir beide so hart geschuftet haben, brauchst du dich heute Abend nicht mehr an den Herd stellen. Dann kannst du dir morgen wenigstens das Reinigen des Backofens sparen, und stattdessen mal ein langes gemütliches Bad nehmen. Sag mal, wann hast du das letzte Mal in den Spiegel geschaut? Du siehst aus, wie um zehn Jahre verjüngt. Du hättest schon viel früher zu Hause bleiben, und dich um die Kinder kümmern sollen.«

»Dankeschön …«, flüsterte ich verlegen.

»Ach, papperlapapp, ich weiß, doch, wie viel Arbeit ein Haushalt macht«, sagte mein Gegenüber verständnisvoll. »Und, trotzdem schaffst du es, dass ich mich wie im Himmel fühle.«

Himmel!!!,

hallte es weiter in meinem Kopf, als ich aus dem Traum im Traum erwachte. Verschlafen sah ich mich im leicht chaotischen Wohnzimmer, mit der grünen Rundecke um: Alles war noch an seinem ihm angestammten Platz. Selbst der kleine Kaffeefleck, den ich vorhin hinterlassen hatte, war noch nicht weggewischt.

Mein großer Sohn saß vor der Wii und spielte – wie sollte es auch anders sein – FIFA 12. Sein jüngerer Bruder saß daneben und aß eine Schüssel Cornflakes, ohne auch nur einen Klecks auf den Boden zu machen. Die Lütte saß zwischen den Beinen des Großen und wurde vom Kleinen mit Cornflakes gefüttert.

»Mama«, sagte der Große, ohne den Blick von dem Fernseher zu nehmen. »Was wünscht du dir eigentlich zum Geburtstag?«

»Ein Gemisch aus Himmel und Hölle«, sagte ich spontan.

Der Kleine lachte herzerfrischend »Das ist doch gar kein Geschenk!«

»Doch, ist es wohl«, sagte ich. »Und wisst ihr, was das Beste an diesem Geschenk ist?«

Beide drehten sich jetzt zu mir herum und sahen mich neugierig an.

»Ich bekomme es jeden Tag von euch! Und jetzt koche ich uns Hähnchen mit Rotkohl und Kartoffeln.«

Impressum

Texte: Astrid Rose
Bildmaterialien: Bookrix
Tag der Veröffentlichung: 10.04.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
meinen drei teuflischen Engelchen

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