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Der Tag fängt an, so früh, dass es noch dunkel ist. Herr Haubrichs schlägt das dicke Federbett zurück, schiebt die Beine nach rechts und steht auf. Er macht im Flur das Licht an und geht dann in die Küche zur Kaffeemaschine. Fünf gehäufte Löffel für drei Tassen; nicht gut für den Magen und das Herz, aber so schmeckt er. Besser jedenfalls als der von Frau Haubrichs damals.
Während die Kaffeemaschine mit ihren Schlürfgeräuschen beginnt, geht Herr Haubrichs in das Bad. Dort wäscht er sich, zuerst das Gesicht mit kaltem, dann den Rest mit warmem Wasser. Er sieht in den Spiegel. Früher

, denkt er, habe ich gar nicht gewusst, dass ich an nichts denke morgens

.
Zurück im Schlafzimmer öffnet er die Fenster weit und lässt die sehr kalte Frühmorgenluft herein. Einen Moment lang bewegt er sich nicht, er hofft, die Kälte weht dann an seinen kalkweißen Beinen vorbei, aber dann beeilt er sich, die braune Cordhose und das karierte Hemd anzubekommen. Beides hilft nicht sofort gegen die Kälte und so schließt er die Fenster wieder.
Noch ein letztes Röcheln von der Kaffeemaschine: fertig! Herr Haubrichs schmiert sich ein Brot und trinkt dazu den starken Kaffee.
Kurz danach verlässt er sein Haus. Er schließt zweimal ab, weil hier in letzter Zeit häufig eingebrochen wurde.
Er setzt sich in seinen Opel Astra Caravan, startet und fährt die Hauptstraße seines Dorfes hinab, Richtung Autobahnauffahrt.
Nur etwa jedes zehnte Haus ist übrig geblieben. Die Straßenlaternen brennen zwar auch vor den leeren Stellen, aber weil das Licht nicht reflektiert werden kann, ist es dort dunkler. Beim Vorbeifahren flackert die Helligkeit in den Augenwinkeln.

Herr Haubrichs ist Lagermeister in einem Stahlgroßhandel. Er muss die Touren der Fahrer planen und die Portugiesen und Nigerianer anbrüllen, die an den Sägen und Kränen arbeiten. Leises Deutsch verstehen die nicht. Der Computer in seiner Meisterbude ist dreckig von Öl und feinen Metallspänen und die Tastatur ist zu klein für seine Finger. Die Sitzfläche seines Drehstuhls wurde kürzlich neu bezogen, aber Herr Haubrichs legt weiterhin sein altes Cordkissen darauf.

Der Weg zur Arbeit und zurück war früher kürzer. Man musste nicht umständlich die Autobahn benutzen sondern konnte durch das Dorf fahren, in dem die Bürgerstube mit den zwei Kegelbahnen stand. Heute ist dort ein Loch. Die Erde wurde im Laufe mehrerer Jahre von den Schaufeln riesiger Bagger aufgenommen und auf lange Förderbänder gekippt. Auf diesen sauste sie in ein kilometerweit entferntes Braunkohlekraftwerk und verschwand darin. Im Innern machten sie aus dem Dorf und den Kegelbahnen und der Erde Wärme oder Strom, so genau weiß Herr Haubrichs das nicht. Die Wärme kam dann zurück - auch in sein Haus.

Zum Feierabend ist es schon wieder dunkel. Auf dem Rückweg hält er beim Metzger an und kauft sich zwei Mettwürste. Zu Hause brät er sie und isst sie auf beim Fernsehen.


(ursprünglich veröffentlicht in ZEITRISS)

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Tag der Veröffentlichung: 19.05.2009

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