Erzählt man die Lebensgeschichte meines Großvaters, ist es schwer zwischen Fantasie und Wirklichkeit zu unterscheiden, zwischen Mensch und Mythos. Am besten ich erzähle sie so, wie er sie mir erzählt hat.
Ich war noch ein kleiner Junge, als er mir die Geschichte erzählte. An jenem Tag, saß ich Abends an seinem Bett, auf einem kleinen Holzstuhl, der gerade so groß war, das meine Füße beim hin und her schaukeln den Boden leicht berührten. Mein Großvater lag in seinem Bett, den Kopf zwischen die viel zu großen Kissen gedrückt. Durch das leichte Licht der Nachttischlampe konnte man die vielen kleinen Falten erkennen, die sich bei jeder Bewegung auf seiner Stirn entlang zogen.
Ich lauschte gespannt der alten, und ruhigen Stimme meines Großvaters. Auf dem Nachttisch stand ein Glas mit einer kleinen verwelkten Rose, die Blätter hingen schon schlaff herunter, und die schöne rote Farbe die sie eins hatte, verblasste in eine ausgewaschene dunkle Farbe.
Dann begann mein Großvater zu erzählen, ich rutschte vor Aufregung auf meinem Stuhl etwas nach vorne.
Er erzählte, das er als Junge den Wunsch hatte die Welt zu erkunden, einfach aus der Haustür gehen und hin laufen wo immer es einen hin treibt. Dahin wo der Wind einen hin wehte, dahin wo man das Leben genießen konnte und einfach nur verweilen wollte.
Er ging über eine große Wiese, es war schon spät am Abend. Die Sonne verschwand schon langsam hinterm Horizont. Und die letzten Sonnenstrahlen ergossen sich über dem hohen Gras. Der Wind wehte sanft durch seine kurzen Haare. Als er ein paar Schritte gelaufen war, tauchten vor ihm große alte Bäume auf. Nach ein paar Schritten wurde der Wald immer dichter und die Bäume immer höher. Die Sonne ging langsam unter, und hinterließ die Welt in einem tiefen Dunkel.
Er kämpfte sich durch den Wald, konnte die eigenen Füße vor Augen nicht mehr erkennen. Als er noch ein Stück gelaufen war, merkte er das er sich verlaufen hatte. Ziellos irrte er durch den dichten, dunklen Wald. Er drehte sich ruckartig um und stolperte über eine große Wurzel, eines Baumes. Als er die Augen aufmachte, roch er den nassen Waldboden. Blinzelte ein paar mal, und wischte sich dann den Dreck aus dem Gesicht. Er schaute sich etwas um, und direkt vor seinem Gesicht, erblickte er zwei riesengroße Füße. Doppelt so groß wie seine eigenen. Schaute an ihnen nach oben, zwei Beine so groß wie Baumstämme knüpften an ihnen an. Dann der Oberkörper und der riesengroße Kopf der ihn mit seinen schwarzen Augen ansah. Er starrte den Riesen noch eine Weile lang an, dann erhob er sich, den Blick immer noch auf ihn gerichtet. Der Riese druck eine alte, dunkelbraune Jacke, die ihm bis zu den Knien ging. Die Enden schon leicht ausgefranst. Große, schwarze Schuhe, und auf dem Kopf ein schwarzen großen Hut. Seine lockigen Haaren hingen im Gesicht. Großvater stand auf, konnte sich nicht von seinen großen, dunkle Augen lösen. Beide standen sich nun genau gegenüber. Der Riese war mindestens doppelt so groß wie er. Mein Großvater fragt ihn nicht nach seinem Namen, sondern nannte ihn einfach Edward. Irgendwie hatte er keine Angst vor Edward, er fühlte sich nicht eingeschüchtert durch seine Größe oder durch sein Auftreten. Nach einem kurzen Weg, den beide durch den Wald gingen, fand er heraus, das die Leute aus der Stadt Edward verjagt hatten, da er anders war als all die anderen. Da sich Großvater verlaufen hatte, half ihm Edward durch den dunklen Wald, sie kamen an einer kleinen Lichtung vorbei. Das Mondlicht schimmerte auf dem Boden. Das Licht glitzerte, und bei näherem hinschauen erkannte er kleine Elfen, rote, blaue und grüne. Die zu ihrer eigenen Musik tanzten. Im Mondlicht, schimmerten ihre kleinen Flügel. Edward stupste ihn an, und bat ihn etwas schneller mit ihm zu kommen. Da es bald hell wurde. So recht verstand er es nicht, warum es ein Problem wäre, doch trotzdem folgte er ihm schnell. Vorbei an großen Bäumen, die mit grünen Moos überwachsen waren. Kleine Pilze die auf dem Waldboden wuchsen. Als sie dann am Waldesrand ankamen, konnte man am Horizont schon das warme, goldene Licht der Sonne erkennen. Als er sich kurz umdrehte und ihn die Strahlen blendeten, spürte er hinter sich einen leichten Luftzug. Blickte sich nochmal um und Edward war weg. Da wo er stand, rieselte feiner Goldstaub zu Boden. Er rieb sich kurz die Augen, da er dachte er träumte. Doch dann, weit und breit war kein Edward mehr zu sehen. Er atmete tief ein, jetzt begriff er was passiert war. Dies war der Zauberwald, von dem ihm sein Vater immer erzählt hat. Und alles war genau so, wie er es sich vorgestellt hatte.
Bei diesem Satz, funkelten die Augen meines Großvaters hell auf.
Ich merkte, das ich so weit auf meinem Stuhl herumgeruscht war, das ich nur noch auf der äußersten Kante saß. Großvater hustete ein paar mal. Dann richtete er seinen Blick zu mir. Nahm meine Hand, und sagte. „Immer wenn du denkst du bist alleine, und niemand ist bei dir, dann denk immer an den Zauberwald, vielleicht findest du ihn auch eines Tages.“ Er hatte den Satz gerade zu ende gesprochen, als er seinen Kopf tief in das Kissen drückte. Seine Hand, die ich immer noch fest mit meinen kleinen Fingern umklammerte, würde plötzlich eiskalt. Sein Blick wurde starr, und der Glanz ran aus seinen blauen Augen. Die Decke die sich bei jedem leichten Atemzug auf und ab bewegte, bliebt starr. Ich sah kurz sein Gesicht an, und konnte ein kleines Lächeln darin erkennen.
Ich legte seine Hand auf seinen Bauch, und kletterte von meinem Stuhl.
Schaute auf den Nachttisch, mit dem Glas und der kleinen Rose. Das letzte Blatt, hing an dem leblosen grünen Stängel und fiel dann wie eine Feder zu Boden.
Jahre später, nach dem mein Großvater starb, an einem warmen Sommerabend, dachte ich mir, noch einmal etwas hinaus zu gehen. Vorbei an alten Häusern die in meiner Straße standen, über eine große Wiese. Der Wind wehte durch mein kurzes Haar. Die letztens Strahlen der Sonne, ergossen sich über dem hohen Gras. Vor mir rackten große alte Bäume in die Höhe. Die Sonne ging langsam unter, und hinterließ die Welt in einem tiefen Dunkel. Nach ein paar Schritten wurde es so dunkel, das ich die eigenen Füße vor Augen kaum noch sehen konnte. Ich irrte ziellos durch den Wald. Plötzlich stolperte ich über eine große Wurzel. Als ich die Augen öffnete, roch ich den nassen Waldboden. Blinzelte ein paar mal, und wischte mir dann den Dreck aus dem Gesicht. Ich schaute mich etwas um, und direkt vor meinem Gesicht, erblickte ich zwei riesengroße Füße. Nun wusste ich wo ich war, vom dem Ort, vom dem mir mein Großvater eins erzählte.
Tag der Veröffentlichung: 20.03.2011
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